Handbuch der deutschen Konnektoren 2: Semantik der deutschen Satzverknüpfer 9783110341447, 9783110341348

An adequate semantic description of German connectors has been lacking to date. This handbook provides a comprehensive d

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Handbuch der deutschen Konnektoren 2: Semantik der deutschen Satzverknüpfer
 9783110341447, 9783110341348

Table of contents :
Teilband I
Vorwort
Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
Einleitung
A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren, Begriffsbildung und Definitionen
A1 Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen,komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum
A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen
A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren
A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen
B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen
B1 Die Forschungslage
B2 Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs
C Semantische Konnektorenklassen
C1 Temporale Konnektoren
C2 Additiv basierte Konnektoren
C2.1 Additive Konnektoren
C2.2 Negationsinduzierende additive Konnektoren
C2.3 Adversative Konnektoren
C2.4 Komitative Konnektoren
C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren
Teilband II
Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
C4 Konditional basierte Konnektoren
C4.1 Konditionale Konnektoren
C4.2 Kausale Konnektoren
C4.3 Konzessive Konnektoren
C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren
C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren
C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren
C5 Metakommunikative Konnektoren
D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben
D1 Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste
D2 Konnektorenliste mit Beispielen
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Register
1. Sachregister
2. Wortregister

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Handbuch der deutschen Konnektoren 2 Semantik der deutschen Satzverknüpfer

Schriften des Instituts für Deutsche Sprache

Herausgegeben von Ludwig M. Eichinger und Angelika Linke

Band 13.1

Eva Breindl, Anna Volodina, Ulrich Hermann Waßner

Handbuch der deutschen Konnektoren 2 Semantik der deutschen Satzverknüpfer Teilband 1

Die Autoren haben im Einzelnen folgende Kapitel verfasst: Eva Breindl: Anna Volodina: Ulrich Hermann Waßner: Breindl/Volodina/Waßner:

Einl., A (außer A4.2 und A4.4), B, C1, C2, C4.3, C4.4, C5 A4.4, C4.1, C4.2 A4.2, C3, Einl. zu C4, C4.5, C4.6 D

ISBN 978-3-11-034134-8 e-ISBN [PDF] 978-3-11-034144-7 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-039453-5 ISSN 1861-566X Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Danksagung Dieses Buch ist das Ergebnis einer langjährigen Projektarbeit und insofern ein Gemeinschaftswerk, auch wenn alle Projektmitglieder einzelne Kapitel verfasst haben und entsprechend für diese als Autoren ausgewiesen sind. Die Entstehung eines solchen Buches ist nur mit Hilfe und Unterstützung vieler Personen möglich, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Unser Dank geht an Personen innerhalb und außerhalb des IDS. Für das IDS ist in erster Linie natürlich Renate Pasch zu nennen, die das ganze Projekt „Handbuch der deutschen Konnektoren“ (gemeinsam mit Ursula Brauße) als ein „Wiedervereinigungsprojekt“ von der Ostberberliner Akademie der Wissenschaften kommend auf den Weg gebracht und es bis Juli 2004 auch geleitet sowie den ersten Band (Pasch et al. 2003) maßgeblich mitverfasst hat; sie stand auch danach stets hilfreich für Diskussionen zur Verfügung. Hardarik Blühdorn, der im Projekt bis April 2006 mitgearbeitet hat, danken wir für seinen konstruktiven Diskussionsgeist. Ganz besonderen Dank schulden wir Gisela Zifonun – über einen großen Zeitraum der Entstehung dieses Buches unsere Abteilungsleiterin –, die beinahe alle Teile des Buchs in verschiedenen Stadien kritisch gelesen und mit wertvollen Anmerkungen versehen hat. Das Projekt profitierte in hohem Maße nicht nur von ihren vielfältigen fachlichen Anregungen und fruchtbaren Diskussionen in zeitlich ausgedehnten Sitzungen, sondern auch von ihrer offenen, sachlichen und menschlichen Art. Ludwig M. Eichinger hat als Direktor des Instituts für Deutsche Sprache und zugleich Mitherausgeber der Reihe Schriften des Instituts für Deutsche Sprache, in der dieses Buch erscheint, keinen geringen Anteil daran, dass das Projekt – dem er stets freundlich verbunden war – zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen ist; ihm danken wir für seine willkommen kritische, aber immer wohlwollende Lektüre und Begutachtung des Manuskripts. Auch seiner Co-Herausgeberin Angelika Linke gilt unser Dank für die Aufnahme in die Reihe. Wir danken auch allen jetzigen und früheren Kollegen aus der Abteilung Grammatik des IDS, namentlich vor allem der derzeitigen Abteilungsleiterin Angelika Wöllstein, die uns gerade in der Endphase mit großer Geduld für Diskussionen unserer Manuskripte und kritische Kommentare zur Verfügung stand. Unter den dem IDS eng verbundenen Personen ist an herausgehobener Stelle Ewald Langs zu gedenken, der während der Fertiggestellung dieses Buches verstorben ist; er hat das Projekt inspiriert und stand uns stets als kundiger Berater zur Verfügung. Als Mitglieder des Beirats des IDS sind vor allem Cathrine Fabricius-Hansen, Beatrice Primus und Martine Dalmas zu nennen, die wertvolle inhaltliche Beiträge in den verschiedenen Phasen des Projekts beigesteuert und Teile des Manuskripts kommentiert haben. Für fachlich-inhaltliche Kommentare insbesondere zu Themen der Logik danken wir Ingolf Max (Leipzig). Françoise Hammer (Karlsruhe) lieferte Vorarbeiten zu den metakommunikativen Konnektoren (C5).  

VI

Danksagung

Auch die Bibliothek und die Arbeitsstelle Zentrale Datenverarbeitung des IDS haben ihren Anteil am Zustandekommen dieses Buches, insbesondere bedanken wir uns bei Sascha Wolfer für die Unterstützung bei der Erstellung des Sach- und des Wortregisters. Saskia Schmadel – zunächst als Hilfskraft, dann als Abteilungsassistentin – und unsere studentischen Hilfskräfte haben sich gerade in der letzten, „heißen“ Phase als geduldig und hilfsbereit weit über ihre vertraglichen Pflichten hinaus und flexibel erwiesen und damit ein glückliches Ende tatkräftig mitbewirkt – Unser ganz besonderer Dank geht daher auch an Freya Opfermann und Mischa Siebert sowie Monica Fürbacher und Claudia Laskowitz, außerdem Liudmila Olalde, Frederike Scherr, Tamara Altmann und Romina Barbera am IDS sowie Franziska Reidl und Nina Weißkopf in Erlangen. Auch Institutionen haben sich als hilfreich erwiesen; so hat die DFG 2007/8 ein Gemeinschaftsprojekt zur Kausalen Kohärenz gefördert, aus dessen Ergebnissen einiges auch in dieses Buch eingeflossen ist. Dafür vielen Dank. Projektpartner in Potsdam waren Manfred Stede und Michael Grabski; in/für Mannheim arbeiteten Dagmar Frohning und Maik Walter mit, denen unser persönlicher Dank gilt. Außerdem möchten wir uns beim Verlag de Gruyter bedanken, namentlich bei Herrn Daniel Gietz für die stets freundliche und hilfsbereite wie auch kompetente Betreuung vor allem in der letzten Phase der Entstehung dieses Buches sowie bei Herrn Kevin Goethling für die Erstellung der nicht immer einfachen Grafiken und die rasche Umsetzung der Druckvorlage. Natürlich tragen für alle verbleibenden Fehler die Autoren die Verantwortung. Eva Breindl

Anna Volodina

Ulrich Hermann Waßner Mannheim/Erlangen, im Juli 2014

Inhaltsübersicht Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis befindet sich in Teilband II, S. 1223.

Teilband I Vorwort  IX Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  XI Einleitung  1

A

Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren, Begriffsbildung und Definitionen

A1

Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen, komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum  13 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen  51 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren  79 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen  117

A2 A3 A4

B

Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B1 B2

Die Forschungslage  242 Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs  251

C

Semantische Konnektorenklassen

C1 C2 C2.1 C2.2 C2.3 C2.4 C3

Temporale Konnektoren  271 Additiv basierte Konnektoren  391 Additive Konnektoren  397 Negationsinduzierende additive Konnektoren  451 Adversative Konnektoren  511 Komitative Konnektoren  567 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren  589

VIII

Inhaltsübersicht

Teilband II Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  VII C4 C4.1 C4.2 C4.3 C4.4 C4.5 C4.6 C5

Konditional basierte Konnektoren  683 Konditionale Konnektoren  689 Kausale Konnektoren  787 Konzessive Konnektoren  901 Irrelevanzkonditionale Konnektoren  963 Finale und instrumentale Konnektoren  1011 Negativ-konditionale Konnektoren  1061 Metakommunikative Konnektoren  1129

D

Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

D1 D2

Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste  1171 Konnektorenliste mit Beispielen  1173

Inhaltsverzeichnis  1223 Literaturverzeichnis  1239 Quellenverzeichnis  1283 Register  1285 1. Sachregister  1285 2. Wortregister  1299

Vorwort Mit dem Erscheinen des vorliegenden, auf zwei Halbbände angewachsenen zweiten Bands des „Handbuchs der deutschen Konnektoren“ findet ein Projekt seinen Abschluss, das in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert war und ist. Es ist zum ersten ein Projekt, das zu einer Zeit die Mittel der Satzverknüpfung – der Kürze halber sei diese vereinfachende Benennung erlaubt – zu einem großen Thema erklärte, als seine jetzige Bedeutung in der allgemeinen Diskussion des Faches noch gar nicht absehbar war. Schon im Vorwort zum 2003 erschienenen ersten – dem syntaktischen – Band des Handbuchs wird darauf hingewiesen, dass die ersten Ideen im Umfeld Ewald Langs an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften entstanden sind. Ewald Lang ist im Jahr 2013 verstorben, bis zuletzt hat er die Arbeit an dem Projekt mit Interesse verfolgt. Aufgrund dieser seiner Geschichte ist das Projekt auch ein Beispiel für die Integration und gemeinsame Weiterentwicklung der Forschungsinteressen, die mit den Berliner Kolleginnen und Kollegen Anfang der 1990er Jahre an das IDS kamen. Das spiegelt sich auch im Generationenwechsel der Verfasserinnen und Verfasser zwischen dem ersten und dem zweiten Band. Renate Pasch und Ursula Brauße, die das Wissen der Berliner Anfänge in das Projekt einbrachten, sind in etwa mit dem Erscheinen des ersten Bandes in Ruhestand gegangen, Eva Breindl und Ulrich Hermann Waßner haben schon am ersten Band mitgearbeitet, 2011 neu dazugekommen ist Anna Volodina. Der von Eva Breindl verfasste erste Teil (Kapitel A) des vorliegenden zweiten Bandes dient neben seiner natürlichen Aufgabe, den Rahmen für die folgende semantische Darstellung zu umreißen, auch dazu, die Verbindung zu der Darstellung im ersten Band und die Kontinuität der Untersuchung zu sichern. Natürlich hat sich andererseits in der Zeit, in der das Manuskript zur Semantik der Konnektoren entstand, manches weiterentwickelt, und nicht zuletzt waren unter dem Gesichtspunkt der semantischen Beschreibung andere Akzente zu setzen. Das ändert nichts daran, dass die Kombination der Informationen aus den beiden Bänden ein umfassendes Gesamtbild der für die Strukturierung und das Funktionieren unserer sprachlichen Äußerungen so wichtigen Konnektoren geliefert wird. Was hier vorliegt, ist somit nicht nur das Ergebnis einer umfassenden und intensiven Erforschung dieses Bereichs, sondern, wie wir hoffen, in der detaillierten Entfaltung des Wissens Basis und Anregung für weitere Forschung. Die Reihenherausgeber danken den Verfasserinnen und Verfassern für die mit wissenschaftlichem Eifer und enormem Durchhaltevermögen geleistete Arbeit an diesem Gemeinschaftsprojekt, das intensive Einzelarbeit ebenso brauchte wie den Willen zur Kooperation. Wir wünschen dem Handbuch viel Erfolg!  

Ludwig M. Eichinger

Angelika Linke Mannheim im Juli 2014

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole Advbk, ADVBK AF ANTEZ ASS AUT-Struktur CAC CCC CI DeReKo DRT E EDU EK EINZELG EPS F FHG GEI HG HS I IK ILL K KF KONSEQ NF nne NP npb NS nvf P p, q PAC PK POSTP PP PRO R

Adverbkonnektor a-faktisch NT EZEDENS A NTEZEDENS Assertion Alternative- (‚Oder‘-)Struktur central adverbial clause Cause, Condition, Concession Common Integrator (= Gemeinsame Einordnungsinstanz) Deutsches Referenzkorpus Discourse Representation Theory Ereigniszeit elementary discourse unit externes Konnekt syntaktischer Einzelgänger epistemische Ebene bzw. Lesart Faktivität Fokus-Hintergrund Gemeinsame Einordnungsinstanz (= Common Integrator) Hintergrund Hauptsatz illokutionäre Rolle internes Konnekt Illokution komplexer Ausdruck kontrafaktisch K ONSEQUENS nonfaktisch nicht nacherstfähig Nominalphrase nicht positionsbeschränkt Nebensatz nicht vorfeldfähig Proposition Variablen für propositionale Strukturen peripheral adverbial clause Präpositivkomplement Postponierer Präpositionalphrase propositionale Ebene bzw. Lesart Referenzzeit  

XII

RST S Si, Sj SDRT SOA SPA SUBJ Suppl. t0 V1 V1S V2 V2S V2S-E VL VP

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

Rhetorical Structure Theory Sprechzeit Satzstruktur Segmented Discourse Representation Theory state of affairs (Sachverhalt) Sprechaktebene bzw. Lesart Subjunktor Supplement bestimmter Zeitpunkt VerberstVerberstsatz VerbzweitVerbzweitsatz Verbzweitsatz-Einbetter VerbletztVerbalphrase

Zeichen für Grammatikalitätsurteile: * vor einem Ausdruck kennzeichnet ungrammatische Beispiele, die durch inkorrekte Verwendung bestimmter Ausdrücke oder durch Nichtbeachtung sonstiger Regeln entstehen. # vor einem Ausdruck signalisiert, dass dieser zwar nicht ungrammatisch ist, aber im vorliegenden Kontext nicht angemessen verwendet werden kann. ? vor einem Ausdruck in einem Beispiel zeigt an, dass der Ausdruck semantisch abweichend (z. B. nicht konform mit allgemeinem Weltwissen) ist bzw. dass wir unsicher sind, ob er wohlgeformt ist. Welcher dieser beiden Fälle jeweils gegeben ist, geht aus dem Kontext der Verwendung des Ausdrucks hervor.  

Logische Zeichen (vgl. Tab. B1-4 S. 251): ¬ Negation: nicht Ù logische Konjunktion: und Ú logische Disjunktion (Alternation): inklusives oder (und/oder) >—< Kontravalenz: exklusives oder (entweder (…) oder) | Exklusion (Sheffer-Operator oder Sheffer-Strich): nicht beide (oder … oder keines von beiden) → logische (materiale) Implikation (hinreichende Bedingung), semantische Implikation: (immer) wenn, dann ↔ Äquivalenz (Biimplikation/Bikonditional, notwendige und hinreichende Bedingung): gdw.

Eva Breindl

Einleitung 1 Gegenstand Als zweiter Band des Handbuchs der deutschen Konnektoren konzipiert, teilt die vorliegende Monographie mit dem ersten Band (= Pasch/Brauße/Breindl/Waßner 2003, im Folgenden HDK-1) den Gegenstand, ca. 350 satzverknüpfende unflektierbare lexikalische Einheiten, die man grob in die zwei Klassen der konjunktionalen Konnektoren (in HDK-1 auch als „nicht-konnektintegrierbare“ Konnektoren bezeichnet) und der Adverbkonnektoren (in HDK-1 auch „konnektintegrierbar“ genannt) einteilen kann. (Für eine genaue Definition des hier zugrundegelegten Begriffs Konnektor s. Kap. A1.1.) Nicht alle in HDK-1 in der Konnektorenliste einer syntaktischen Klasse zugeordneten Konnektoren wurden in diesem Band auch unter semantischem Gesichtspunkt ausführlich beschrieben. Das gilt insbesondere für solche Konnektoren, bei denen die semantisch-syntaktische Funktion der Konnexion ein „Nebenjob“ neben ihrer Hauptfunktion ist: gemeint sind die Abtönungspartikeln, die vor allem der Kommunikationssteuerung und der Indizierung von Sprechereinstellungen dienen, die Fokuspartikeln, deren Aufgabe primär in der informationsstrukturellen Ausgestaltung einer Proposition liegt, sowie einige skalierende Adverbien und Partikeln: Ausdrücke wie höchstens, wenigstens, mindestens, zumindest etc., deren funktionale Domäne weniger die Satzverknüpfung als vielmehr die Einordnung von Propositionen auf Skalen der Eintretenswahrscheinlichkeit oder der ihnen vom Sprecher zugemessenen Relevanz ist. Abtönungspartikeln und Fokuspartikeln sind in HDK-1 bereits unter Berücksichtigung semantischer Aspekte beschrieben worden, eine Vertiefung würde bei ihnen ebenso wie bei den genannten skalierenden Konnektoren ein anderes Beschreibungsinstrumentarium erfordern, als es dem HDK-2 zugrunde gelegt wurde: Im Falle der Abtönungspartikeln beispielsweise einen konversationsanalytischen Rahmen, im Falle der Fokuspartikeln eine Ausweitung auf empirische prosodische Daten. (Zu den Abtönungspartikeln vgl. HDK-1: 579 f., zu den Fokuspartikeln HDK-1: 581 ff.) Sie werden nur insoweit behandelt, als sie sich in die hier zugrunde gelegten semantischen Klassen gut einordnen lassen, so etwa additives auch (s. C2.1.4), adversatives doch (s. C2.3.4), irrelevanzkonditionales eh (s. C4.4.5), negativ-konditionale Verwendungen von höchstens (s. C4.6.4). Eine weitere Gruppe von Konnektoren, deren Bedeutungen in diesem Band nicht durchgängig erfasst und die dementsprechend in der Gesamt-Konnektorenliste D2 nicht geführt werden (wohl aber im Wortregister), stellen die frei bildbaren, phraseologischen Konnektoren dar. Das sind aus Syntagmen abgeleitete komplexe Adverbien bzw. Adverbphrasen und Subjunktoren mit einem anaphorischen Anteil, der zu ihrer satzverknüpfenden Funktion beiträgt: Ausdrücke wie anhand dessen (dass), bezüglich dessen, (dass), diesbezüglich, demgemäß, in Hinblick darauf (dass),  







2

Einleitung

unter Berücksichtigung dessen, (dass) u. ä. (zur Form der phraseologischen Konnektoren s. im Detail A1.4). Diese Konnektoren sind in unterschiedlichem Grade verfestigt und lexikalisiert und bilden eine offene Klasse. Soweit sie einen nominalen Kern haben, ist dieser nicht mehr uneingeschränkt erweiterbar (*in unserem Bezug darauf, *in vollständiger Anbetracht dessen) und kann oft auch nicht frei in NP-Umgebung auftreten (*die Anbetracht, *der Hinblick). Stilistisch sind sie auf ein schriftsprachliches Register beschränkt. Die etymologische Quelle bilden vielfach Ausdrücke aus dem Bereich der menschlichen Kognition oder Physis (angesichts, anhand, in Hinblick, in Anbetracht, hinsichtlich); die ursprüngliche Bedeutung ist aber soweit verblasst, dass als relationale Bedeutung nur eine Art unspezifischer Zusammenhang zwischen den Argumenten, eine Art „Rahmen“ bleibt. Eine Interpretationsanreicherung zu einem Kausalzusammenhang ist mitunter möglich (p, angesichts dessen q ≈ p, deshalb q), wobei sich die Grundbedeutung in diesem Fall noch in einer Restriktion auf intentional handelnde Subjekte im F OLGE -Argument bemerkbar macht (vgl. #angesichts dessen stieg die Temperatur) (s. C4.2.1.2.2). Ebenfalls nur teilweise behandelt werden Vergleichsjunktoren wie als, wie, als ob, wie wenn und so. Nur ein Teil ihrer Verwendungen fällt in den Bereich der Konnexion, da sowohl ihr internes als auch ihr externes Argument von unterschiedlichem syntaktischem und semantischem Typ sein kann.1 Die extrem heterosemen und polysemen Ausdrücke als und wie fungieren in bestimmten Verwendungen unzweifelhaft als Konnektoren; insofern werden sie auch berücksichtigt und beschrieben: so temporales als und wie (s. C1.3) und additives wie (Männer wie Frauen; s. C2.1.3.2). In ihrer Vergleichsfunktion bringen sie jedoch meist nur einen Teilaspekt einer Proposition, nämlich die Art und Weise der Prädikation, mit einer anderen Proposition in Verbindung, verknüpfen aber nicht zwei vollständige Propositionen. In dieser Funktion werden als und wie von vielen Grammatiken nicht als Konjunktionen, sondern als – neben Präpositionen und Konjunktionen – dritte Junktorenklasse der Adjunktoren (GDS: 61, Eggs 2007) oder Komparativ-Junktoren (Weinrich 1993: 785–798) bzw. Vergleichspartikeln (Altmann/Hahnemann 2005: 107, 148) klassifiziert.2 Es gibt jedoch einige Verwendungen, in denen Phrasen mit als und den oben genannten Subjunktoren tatsächlich auch in ihrer vergleichenden Bedeutung als Satzadverbiale fungieren. Das sind Fälle wie  

1 Die GDS spricht (in ihrem kategorialgrammatischen Rahmen) im Falle von wie und als von „kategorienvariablen Nebensätzen“. Auch Thurmair (2001) betont in ihrer Studie über Vergleichskonstruktionen die kategoriale Variabilität der „Komparationsbasis“, d. h. der Entität, auf die sich der Vergleich bezieht – das interne Argument von als und wie. 2 In der syntaktischen Struktur entspricht dem ein Unterschied zwischen einem Status als Satzadverbiale im Fall von Konnektorverknüpfungen und dem als Verbgruppenadverbiale (s. A1.3.3) oder Modifikator auf einer niedrigeren Stufe der syntaktischen Struktur im Falle von Vergleichskonstruktionen (vgl. dazu auch HDK-1: 621 f., GDS: 2333 ff.).  





2 Theoretischer Hintergrund

(1a)

3

Als hätten sie nur auf diesen missionarischen Appell gewartet, tummeln sich inzwischen Dutzende alternativer Songschreiberinnen kollektiv und solo in den Charts. (Berliner Zeitung, 10.10.1997, S. 18) Als ob/wie wenn/als wenn sie nur sie nur auf diesen missionarischen Appell gewartet hätten, tummeln sich inzwischen Dutzende alternativer Songschreiberinnen kollektiv und solo in den Charts.  

(1b)

Die als-Phrase und die weitgehend bedeutungsgleichen Subjunktorphrasen stellen hier eine Vergleichsrelation zwischen zwei Sachverhalten her und spezifizieren nicht, wie sonst in Vergleichskonstruktionen, nur die Art und Weise eines Sachverhalts. Da als mit Verberstsatz und seine subordinierenden Pendants in HDK-1 im Kapitel „Syntaktische Einzelgänger“ (617–623) bereits ausführlich auch unter semantischem Aspekt behandelt wurden, verzichten wir in HDK-2 auf eine eigene semantische Klasse „Konnektoren des Vergleichs“. (Zu einer potentiellen Einordnung in die Systematik unserer semantischen Klassen s. Kap. B.)  

2 Theoretischer Hintergrund Die syntaktische Subklassifikation von Konnektoren wurde aus dem HDK-1 übernommen, mit geringfügigen Modifikationen an einzelnen Stellen, vor allem in Bezug auf die Möglichkeit einer Nacherstposition von Adverbkonnektoren. Auf die in HDK-1 im Wesentlichen auf intuitiver Basis vergebene und für die Subklassifikation nicht kriteriale Positionsklassifizierung Nachfeld wurde bei den Adverbkonnektoren verzichtet. Sie konnte nicht systematisch belegt werden und stieß auf divergierende Sprecherurteile. Sie erweist sich weder für die semantische Klassifikation noch als Kontextmerkmal für Lesartendisambiguierung oder Bedeutungsdifferenzierung semantisch verwandter Konnektoren als ausschlaggebend. Als reines Diskursphänomen konnte sie nicht Gegenstand der semantischen Beschreibung sein. Die in den Abschnitten B2 und B5–B9 in HDK-1 ausführlich beschriebenen Verfahren der syntaktischen Strukturbildung bei der Verknüpfung von Sätzen wurden unverändert übernommen. Um dem Leser auch eine separate Lektüre des zweiten Handbuchbands zu ermöglichen, wurden im vorliegenden zweiten Band die zentralen syntaktischen Grundlagen des ersten Bands in Kap. A1 in Kurzform rekapituliert: die Definition und Abgrenzung des Gegenstands (Merkmalsatz für Konnektoren), die Prinzipien der syntaktischen Subklassifikation und die Verfahren der Bildung komplexer Sätze (Koordination, Subordination, Einbettung, Parataxe) sowie zentrale Konzepte der Linearstruktur (Desintegration, Parenthese, Korrelatkonstruktionen, Versetzungskonstruktionen). Die Prinzipien der semantischen Beschreibung sind in den weiteren Kapiteln des Abschnitts A dieses Bands dargelegt; auch sie bauen auf das HDK-1 auf, nämlich auf den dort insbes. in Kap. B1, B3 und B4 dargelegten „Prinzipien der Strukturierung  





4

Einleitung

von Interpretationen“, vertiefen und ergänzen diese. Als semantisch-syntaktische Operation bildet die Konnexion eine wichtige Schaltstelle zwischen der Mikrostruktur und der Makrostruktur, zwischen der Ebene der Satzbildung und der Ebene der Diskursorganisation. Einem solchen Gegenstand kann man sich im Prinzip aus zwei Perspektiven nähern: Top-down lässt sich ein „Makrothema“ in ein hierarchisch gegliedertes Netz von diskursstrukturierenden Subthemen, zwischen denen Kohärenzrelationen bestehen, gliedern; sodann kann man nach den formalen Korrelaten dieser Relationen auf der sprachlichen Oberfläche suchen. Diskurstheorien wie RST oder SDRT schlagen diesen Weg ein (vgl. Mann/Thompson 1988, Stede 2007). Bottom-up, kompositional aufbauend auf der lexikalischen Semantik der Konnektoren und den Bedeutungen sowie der informationsstrukturellen Gliederung ihrer Argumente, kann man versuchen, den Beitrag einer Konnexion zur globalen Kohärenz eines Diskurses zu bestimmen. (Einen Überblick zur „Vermittlung“ der Perspektiven geben die Sammelbände Fabricius-Hansen/Ramm (Hg.) 2008 und Breindl/Ferraresi/Volodina (Hg.) 2011; zu Grundlagen der lexikalischen Semantik s. vor allem die Beiträge in von Heusinger/Maienborn/Portner (Hg.) 2011.) Der letztere ist der Weg, den das Handbuch beschreitet, dessen Anliegen es ja gerade ist, denjenigen Bedeutungsanteil an einer Konnexion zu erfassen, der als lexikalische Bedeutung des Konnektors Bestandteil von dessen Lexikoneintrag sein muss, und die Interaktion mit der Bedeutung des Kontexts zu beschreiben. Auf die Ebene der Diskursorganisation kann hier nur insoweit eingegangen werden, als sie durch lexikalische Eigenschaften eines Konnektors im Zusammenspiel mit bestimmten Kontextfaktoren bestimmt wird. Als relevanter Kontext eines Konnektors gelten primär seine Argumente, und erst dann der umgebende Kontext und der Situationskontext. Eine „Semantik der Konnektoren“ muss erfassen, (i) in welchen Dimensionen und in welchen konkreten Ausprägungen ein Konnektor (bzw. eine bestimmte Lesart eines Konnektors) Forderungen an die semantische Natur seiner Argumente stellt; (ii) inwieweit solche Forderungen gruppenspezifisch sind – und sich damit für die Abgrenzung semantischer Klassen eignen –, inwieweit sie dagegen idiosynkratische lexikalische Eigenschaften eines Konnektors sind – und sich damit als Differenzparameter für semantisch „benachbarte“, sprich, der gleichen semantischen Klasse zugehörige Konnektoren eignen –, und inwieweit sie als Differenzparameter für verschiedene Lesarten eines mehrdeutigen Konnektors dienen können; (iii) wie und mit Hilfe welcher weiteren Operationen sich die Äußerungsbedeutungen von Konnexionen aufbauen auf der Basis komplexer Funktor-ArgumentStrukturen, in denen der Konnektor als zweistelliger Funktor mit spezifischen Forderungen erscheint, dessen Argumentstellen durch syntaktisch und semantisch passende propositionale Argumente abgesättigt werden müssen; (iv) wie das Zusammenspiel zwischen der lexikalischen Bedeutung des Konnektors (d. h. der „grammatisch determinierten Bedeutung“, die man einer Wort 

2 Theoretischer Hintergrund

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schatzeinheit im Lexikon zuordnet) und der grammatisch determinierten Bedeutung seiner propositionalen Argumente funktioniert und welche Faktoren bei der Konkretisierung unterspezifizierter oder mehrdeutiger grammatischer Bedeutungen zu einer konkreten Äußerungsbedeutung eine Rolle spielen. Dieses Zusammenspiel kann am Beispiel des Subjunktors solang(e) verdeutlicht werden. (2a) (2b) (2c) (2d)

Solange Hans aus ist, ist Emma unruhig. *Solange Hans nach Hause kommt, ist Emma unruhig. Solange Hans vor 12 Uhr nach Hause kommt, macht sich Emma keine Sorgen. Wenn einmal der Nachwuchs an die frische Luft will, läßt sich der Herr Papa auch vom Regen nicht abhalten, seinen ganz persönlichen „Sonnenschein“ zu schultern: Solang der Schirm groß genug ist, bleiben beide trocken. (Neue Kronen Zeitung, 19.10.1996, S. 12)  



Der Akzeptabilitätsunterschied zwischen (2a) und (2b) ist ganz offensichtlich darin begründet, dass der Subjunktor solang(e) fordert, dass seine Argumente Sachverhalte bezeichnen, denen eine gewisse zeitliche Ausdehnung zukommt. Nach Hause kommen erfüllt als telisches Prädikat diese Bedingung im Unterschied zum atelischen aus sein nicht. Diese Forderung ist Bestandteil der lexikalischen Bedeutung von solange, und sie entspricht hier sogar der wörtlichen, kompositional erschließbaren Bedeutung dieses morphologisch komplexen Konnektors. (2c) ist aber trotz des Verstoßes gegen diese Forderung akzeptabel. Möglich ist dies, weil die Forderung nach zeitlicher Ausgedehntheit auch durch eine Summierung von punktuellen Zeitintervallen des Typs ‚nach Hause kommen‘ erfüllt werden kann; das interne Argument wird dann „iterativ“ umgedeutet. In (2d) betrifft die Umdeutung dagegen den Konnektor selbst. Dessen internes Argument bezeichnet hier die Charakterisierung eines Objekts durch eine dauerhafte, in der Zeit nicht veränderbare Eigenschaft. Mit einem solchen atemporalen Sachverhalt kann aber nicht ein anderer Sachverhalt zeitlich situiert werden, folglich kann auch der Konnektor nicht wie in (2a) und (2b) als temporaler Konnektor interpretiert werden. Der Konnektor lässt in solchen Kontexten aber eine konditionale Interpretation zu, die aus seiner primären temporalen Bedeutung abgeleitet werden kann: Für Situationen, in denen der im internen Argument bezeichnete Sachverhalt gilt, gilt auch der im externen Argument bezeichnete. Das Handbuch muss solche Mechanismen der interpretativen Anpassung von propositionalen Strukturen an die lexikalischen Forderungen eines Konnektors ebenso erfassen wie die interpretativen Konkretisierungen der lexikalischen Konnektorbedeutung durch die Bedeutung des Kontexts. Dabei ergibt sich ersteres als Folge des Interpretationsspielraums propositionaler Strukturen und ist im Prinzip nicht konnektorspezifisch; spezifisch ist daran aber, dass nur bestimmte Konnektoren über-

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Einleitung

haupt eine Konkretisierung der Interpretation ihrer Argumente in der temporalen Dimension verlangen – und dies ist Bestandteil ihres Gebrauchsbedingungen und muss im Lexikon berücksichtigt werden. Variationen in der Bedeutung eines Ausdrucks wie in (1d) sind dagegen traditionell Bestandteil eines Lexikoneintrags. Aber auch bei der Mehrdeutigkeit von Konnektoren lassen sich über den Einzelfall hinausgehende systematische Züge erkennen, insofern oft mehrere Konnektoren einer semantischen Klasse dieselbe Art von Mehrdeutigkeit, sprich „reguläre Polysemie“ aufweisen (s. A3.2.2). Eine temporale und eine konditionale Lesart haben z. B. auch wenn, bevor, ehe. Die semantische Beschreibung – die die semantische Variation zwischen Konnektorklassen, einzelnen Konnektoren und Konnektorlesarten mit enthalten muss – umfasst (i) die Schnittstelle von Syntax und Semantik. Diese wird hier, analog zum Modell der „Argumentabbildung“ im einfachen Satz, modelliert als Zuordnung einer rollensemantischen Struktur (Rollen wie G RUND und F OLGE oder, abstrakter, A NTEZEDENS und K ONSEQUENS ), die sich durch die semantische Klassenzugehörigkeit des Konnektors ergibt, auf die syntaktische Struktur aus internem und externem Konnekt, die sich durch die syntaktische Klassenzugehörigkeit des Konnektors ergibt (s. A2); (ii) Aspekte der Mehrdeutigkeit von Konnektoren (s. A3); (iii) den Geltungsanspruch, den der Sprecher für eine oder beide an einer Konnexion beteiligten Propositionen oder für die Mitteilung des semantischen Zusammenhangs zwischen diesen erhebt (s. A4.2); (iv) die informationsstrukturelle Gliederung von Propositionen in Fokus und Hintergrund, in assertierte (d. h. dem Adressaten als neu mitgeteilte) und präsupponierte (d. h. dem Adressaten als bekannt präsentierte) Teile (s. A4.3); (v) den Typ der propositionalen Struktur der Argumente im Sinne ihres epistemischen und illokutiven Status (s. A4.4); (vi) den semantischen Typ der durch die Argumente denotierten Sachverhalte im Sinne ihrer aspektuellen Charakteristika als zeitlich ausgedehnte oder punktuelle, als telische oder atelische Sachverhalte, als kontrollierte Handlungen oder unkontrolliert ablaufende Prozesse und dergleichen (s. A4.5).  





3 Zum methodischen Vorgehen und zur Datenbasis Das Handbuch erhebt den Anspruch, in Bezug auf seinen Gegenstand den gegenwärtigen Sprachgebrauch zu dokumentieren, Unterschiede zwischen den einzelnen Konnektoren herauszuarbeiten und Zusammenhänge und Regelhaftigkeiten zu erklären. Zu diesem Zweck stützt es sich auf Belege, die überwiegend dem Deutschen

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3 Zum methodischen Vorgehen und zur Datenbasis

Referenzkorpus DeReKo3 des Instituts für Deutsche Sprache entstammen. Dieses Korpus basiert zum überwiegenden Teil auf Zeitungstexten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, vorwiegend aus den letzten beiden Dekaden, und kann damit für unseren Zweck als repräsentativ angesehen werden (vgl. Eisenberg 2009). Hinzu kommen vereinzelt Belege aus anderen schriftlich publizierten Quellen; so wurden etwa für das Kapitel zu den Temporalkonnektoren (s. C1) in größerem Maße narrative Texte herangezogen. Ergänzend wurden auch Internet-Belege und Belege aus Korpora des gesprochenen Deutsch, u. a. aus dem „Archiv für gesprochenes Deutsch“ des IDS (http://agd.ids-mannheim.de/datenbanken.shtml) herangezogen, insbesondere zum Nachweis von erhöhter sprachlicher Variation und von Norm-Unsicherheiten von Sprechern. Alle Belege sind mit Quellenangaben versehen; bei Zeitungsbelegen sind Erscheinungsdatum und, soweit im Korpus angegeben, die Seite angeführt; andere Belege werden mit einer Sigle zitiert, die im Quellenverzeichnis im Anhang des Buches aufgeschlüsselt wird. Belege werden im Original zitiert, jedoch bisweilen um für den jeweiligen Demonstrationszweck irrelevante Stellen gekürzt. Belege vor der Rechtschreibreform von 1996/2006 wurden nicht an die geltende Orthographie angepasst, allenfalls wurden auffällige orthographische Fehler (Buchstabendreher u. ä.) stillschweigend korrigiert. Trotz seines breiten Beleg-Fundaments will das Handbuch aber nicht im Sinne einer korpusbasierten Grammatik (wie sie etwa zum Englischen mit Biber et al. 2006 vorliegt) systematisch Gebrauchsfrequenzen erheben. An manchen Stellen wurde jedoch ergänzend von der Methode der Stichprobenauszählung Gebrauch gemacht: Ein Sample von 100 (bisweilen auch 200) via Zufallsgenerator ausgewählten Belegen aus dem DeReKo wird dann systematisch nach einem oder mehreren Varianzparametern ausgezählt und die Ergebnisse im Zusammenhang diskutiert. Auf diese Weise lassen sich z. B. Zusammenhänge zwischen der Linearisierung der Konnekte oder der Position des Konnektors, Satzstrukturtyp der Konnekte und bestimmten Verknüpfungsverfahren in Form von Präferenzmustern, d. h. als typische Gebrauchskontexte eines Konnektors oder einer bestimmten Konnektorlesart darstellen. Dieses Verfahren wurde unter anderem für die Differenzierung konzessiver Subjunktoren (obwohl, obgleich, wenngleich, wiewohl, wenn auch; s. C4.3) und irrelevanzkonditionaler Subjunktoren (selbst wenn, sogar wenn, auch wenn, und wenn; s. C4.4.3.3) sowie bei der Bestimmung typischer Gebrauchskontexte für sowohl als auch (s. C2.1.3.2.7) zur Differenzierung additiver Adverbkonnektoren (obendrein, darüber hinaus etc.; s. C2.1.4) und zur Ermittlung der Präferenzen von Stellungsvarianten des internen Konnekts  









3 Das DeReKo bildet mit 24 Milliarden Wörtern (Stand 15.04.2014) die weltweit größte linguistisch motivierte Sammlung elektronischer Korpora mit geschriebenen deutschsprachigen Texten aus der Gegenwart und der neueren Vergangenheit. Zu weiten Teilen sind sie öffentlich frei zugänglich über das Korpusrecherche- und -analysesystem COSMAS II (https://cosmas2.ids-mannheim.de/cosmas2web/). Zur Zusammensetzung des Korpus s. http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/.  

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Einleitung

bei den konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern (angenommen vs. vorausgesetzt; s. C.4.1.3.2.2) oder konditionalen Subjunktoren (wenn, falls, sofern; s. C.4.1.3.1.2) angewendet. Bei der Bestimmung von Gebrauchsfrequenzen bei den kausalen und „konsekutiven“ Konnektoren (denn, da, weil, zumal (da) vs. deshalb, sodass, deswegen, demzufolge etc., s. C4.2.1.4) und bei der Ermittlung, ob die partizipialen Formen angenommen und vorausgesetzt syntaktisch als Konnektoren realisiert wurden, wurde mit einem deutlich größeren (getaggten) Datensatz gearbeitet, der aus dem GesamtDeReKo mit Hilfe der KoGra-Datenbank automatisch extrahiert wurde. Zur Ermittlung von Differenzparametern zwischen Konnektoren oder zwischen zwei Lesarten eines Konnektors sind schließlich auch selbst gebildete Beispiele und deren systematische Abwandlung unverzichtbar. Auf diesem Wege können Kontextmerkmale „herauspräpariert“ werden, die sich als spezifische Forderung eines Konnektors an den semantischen Typ seiner Argumente beschreiben lassen und in denen er sich von anderen Konnektoren unterscheidet. Die Beurteilung solcher Beispiele beruht dann auf der Kompetenz der Autoren (die im Übrigen auch bei der Beurteilung von Belegen immer mit im Spiel ist). In Minimalpaaren und Beispielreihen sind die Bewertungen mitunter als relative Abstufungen im Sinne eines (im gegebenen Kontext) besser und schlechter zu verstehen und weniger als konträre Bewertung grammatisch vs. ungrammatisch.

4 Zum Aufbau des Buchs Im Abschnitt A werden die theoretischen Grundlagen der semantischen Beschreibung der Konnektoren dargelegt und wichtige Konzepte und Termini der Beschreibung eingeführt bzw. in knapper Form semantische Konzepte, die in HDK-1 ausführlicher dargelegt sind, rekapituliert; das betrifft insbesondere Kap. A4.1. Dabei fasst Abschnitt A1 die in HDK-1 erarbeitete syntaktische Grundlage zusammen, A2 erläutert das Modell der Abbildung von Syntax und Semantik, das der Darstellung der einzelnen semantischen Klassen im C-Teil des Buchs zugrunde gelegt wird. A3 beschreibt die Mehrdeutigkeit von Konnektoren als Phänomen auf mehreren Ebenen und vergleicht dies mit den in der Literatur diskutierten Konzepten zur Erfassung von Mehrdeutigkeit im Bereich des Nennwortsatzes. Kap. A4 beschreibt im Einzelnen die oben dargelegten Dimensionen der semantischen Beschreibung als Dimensionen der Variation bei Konnektoren. Abschnitt B präsentiert die hier getroffene Einteilung in semantische Klassen und begründet sie vor dem Hintergrund alternativer Klassifikationen. Den Kern des Buchs bilden die Kapitel des Abschnitts C, die die Konnektoren geordnet nach den einzelnen semantischen Klassen beschreiben. Diese Kapitel sind nach einem einheitlichen Muster aufgebaut, das sich an das Muster der Kapitel zu den syntaktischen Konnektorenklassen im ersten Handbuchband anlehnt. Es wird zunächst eine nach syntaktischen Klassen geordnete Liste aller Konnektoren der  





4 Zum Aufbau des Buchs

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jeweiligen semantischen Klasse angeführt, wobei im Fall der Adverbkonnektoren auch ihre jeweils möglichen Positionen vermerkt werden. Es folgt eine pauschale „Charakterisierung des Inventars“ nach morphologischen, etymologischen und diachronen Gesichtspunkten und eine Erläuterung zu Kodierungspräferenzen (überwiegend subordinativ, überwiegend parataktisch, nie koordinativ o. ä.), soweit solche erkennbar sind. Ein weiterer Unterabschnitt „Charakterisierung der Relation“ führt das jeweilige Schema der Abbildung von syntaktischer Struktur auf die semantischen Rollen ein und beschreibt wesentliche Züge der Relation. Im Anschluss werden einzelne Konnektoren oder Gruppen von Konnektoren besprochen, absteigend von den am wenigsten spezifischen „prototypischen“ Vertretern der Klasse hin zu den semantisch spezifischeren und niedriger frequenten Konnektoren. Mehrdeutige Konnektoren werden in mehreren Kapiteln behandelt, wobei Mechanismen der Bedeutungsableitung und korrelierende Kontextmerkmale in der Regel bei der Sekundärbedeutung beschrieben werden (also z. B. Differenzparameter zwischen temporalem und adversativem während im Kapitel „Adversative Konnektoren“, s. C2.3.5.3). Die Konnektorenliste (s. D) enthält alle Konnektoren, die in den Bestandslisten der C-Kapitel genannt werden, unter Angabe ihrer Zugehörigkeit zur syntaktischen und semantischen Klasse – bzw. Klassen bei heterosemen und mehrdeutigen Konnektoren – und führt für jede Lesart einzeln ein Verwendungsbeispiel an; Näheres dazu s. D1. Das Wortregister enthält darüber hinaus noch weitere Konnektoren, die an den entsprechenden Stellen in diesem Buch besprochen werden. Im Anhang findet sich neben Literatur- und Quellenverzeichnis auch ein Sachund ein Wortregister.  



A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren, Begriffsbildung und Definitionen

A1

Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen, komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum

A1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3

Abgrenzung des Gegenstands und Subklassifikation von Konnektoren  14 Nicht-konnektintegrierbare Konnektoren  16 Konnektintegrierbare Konnektoren  20 Einzelgänger  23

A1.2

Komplexe Satzstrukturen und syntaktische Verknüpfungsverfahren  23

A1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3

Grenzfälle der Konnexion  35 Adjektiv- und Partizipphrasen (eingebettete sekundäre Propositionen) als Argumente  35 Nominalphrasen (Termausdrücke) als externe Argumente  39 Verbalphrasen (Prädikate) als externe Argumente  41

A1.4

Formen von Konnektoren und Grenzfälle  42

A1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4

Komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum  46 Differenzparameter Stellung des Konnektors  47 Differenzparameter Satztyp des internen Konnekts  48 Differenzparameter Grad der Integration des internen Konnekts  49 Differenzparameter Grad der Parallelität von externem und internem Konnekt  50

Eva Breindl

A1 Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen, komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum Auch eine „Semantik der Konnektoren“ muss sich mit der Frage beschäftigen, wie die Konstruktionen beschaffen sind, in denen Konnektoren auftreten und in die sie ihre spezifischen Bedeutungen einbringen. Dass es nicht damit getan sein kann, wie im Wörterbuch Lexeme zu listen und ihnen isolierte Bedeutungsbeschreibungen zuzuordnen, liegt bei einem Unternehmen wie diesem auf der Hand. Das Erkenntnisinteresse liegt hier auf den systematischen Zügen, die sich zum einen im Wechselspiel zwischen der Bedeutung eines Konnektors und der Bedeutung seines Kontexts – seinen syntagmatischen Eigenschaften –, zum anderen in den Bedeutungsbeziehungen eines Konnektors zu anderen Konnektoren – seinen paradigmatischen Eigenschaften – aufzeigen lassen. Konnektoren sind semantisch relational und stellen an die syntaktischen und semantischen Eigenschaften ihrer Relata (internes und externes Argument; s. A2.1) Forderungen, die in die Bedeutungsbeschreibung eines Konnektors eingehen müssen.1 Die Kontexte müssen ihrerseits in ihren systematischen semantischen Zügen erfassbar sein, zu denen auch ihre systematischen syntaktischen Charakteristika beitragen. Diese sind im Wesentlichen in HDK-1 dargelegt. Dass nun in diesem Kapitel einige zentrale Erkenntnisse aus HDK-1 wieder aufgegriffen werden, geschieht aus drei Gründen. Erstens soll dem Leser eine Lektüre des Semantikbands auch ohne ständiges Nachschlagen in HDK-1 ermöglicht werden; insofern ist dies ein Servicekapitel. Zweitens wollen wir zeigen, wie die Form einer Konnektorkonstruktion zu ihrer Interpretation beiträgt. Darin sehen wir uns dem Ansatz einer kompositionalen Semantik verpflichtet, wonach die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks eine Funktion der Bedeutungen seiner Teile und der Art ihrer Zusammensetzung ist. Die Analyse und Klassifizierung der Form ist damit Voraussetzung für die von uns angestrebte möglichst enge Aufeinanderbeziehung von Form und Inhalt. Und drittens gehen wir davon aus, dass die Bedeutungen von Konnektoren mehrdeutig oder semantisch unterspezifiziert sein können und ihre Konkretisierung erst im Zusammenwirken mit dem Kontext erfahren, ansetzend bei der unmittelbaren Umgebung des Konnektors, seinem internen Argument, über die gesamte Konnektorkonstruktion aus internem und externem Argument, bis zum weiteren sprachlichen und situativen Kontext der gesamten Konnektorkonstruktion.

1 Nach traditioneller Ansicht gehören Konnektoren damit zu den „Synsemantika“ und sind keine „Autosemantika“.

14

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Das Kapitel ist wie folgt gegliedert: Das erste Unterkapitel (A1.1) rekapituliert in geraffter Form die in HDK-1 getroffene Gegenstandsbestimmung der Klasse Konnektor und ihre Subklassifikation mit Hilfe von Merkmalsbündeln, führt Beispiele für Konnektoren der jeweiligen syntaktischen Subklasse an und charakterisiert die Klasse vor der Folie traditioneller Klassifikationen. In A1.2 werden die mit diesen Subklassen korrelierten spezifischen syntaktischen Verkettungsverfahren definiert und die entsprechenden Konnektorkonstruktionen schematisch dargestellt. A1.3 geht auf besondere Verwendungen von Konnektoren ein, die auf den ersten Blick nicht mit dem generellen Merkmalsatz für Konnektoren in Einklang zu bringen sind. In A1.4 werden wesentliche formale Variationsbereiche von Konnektorkonstruktionen dargestellt und es wird exemplarisch gezeigt, wie bestimmte Ausprägungen von Variationsparametern die Interpretation eines Konnektors beeinflussen können. Die für die semantische Beschreibung benötigten syntaktischen Konzepte und Kategorien werden in diesem Kapitel ohne Herleitung präsentiert. Für ihre Begründung und die Diskussion evtl. damit verbundener Probleme sowie ausführlichere Illustrationen durch Beispiele wird der Leser auf HDK-1 verwiesen, alternativ auch auf die inhaltlich kompaktere, online verfügbare Version im Rahmen des grammatischen Informationssystems GRAMMIS am Institut für Deutsche Sprache.2

A1.1 Abgrenzung des Gegenstands und Subklassifikation von Konnektoren Als Konnektoren bezeichnen wir eine Klasse von Ausdrücken unterschiedlicher Wortartzugehörigkeit, denen die semantische Funktion gemeinsam ist, spezifische semantische Relationen zwischen propositionalen Strukturen – typischerweise durch Sätze kodiert – auszudrücken. Dazu gehören Ausdrücke wie die in (1) fett markierten, nicht aber die gerahmten. (1)

Zwar hatte Giuseppe Baldini seinen duftenden Rock ausgezogen, aber nur aus alter Gewohnheit. Der Duft des Frangipaniwassers störte ihn schon längst nicht mehr beim Riechen, er trug ihn ja schon seit Jahrzehnten mit sich herum und nahm ihn überhaupt nicht mehr beim Riechen wahr. Er hatte auch die Türe des Arbeitszimmers zugeschlossen und sich Ruhe ausgebeten, aber er setzte sich nicht an den Schreibtisch, um zu grübeln und auf eine Eingebung zu warten, denn er wußte viel besser als Chenier, daß er keine Eingebung haben würde; er hatte nämlich noch nie eine gehabt. Zwar war er alt und verbraucht, das stimmte, und auch kein großer Parfumeur mehr; aber

2 hypermedia.ids-mannheim.de.

A1 Syntaktische Grundlagen

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er wusste, daß er im Leben noch nie einer gewesen war. […] Er war kein Erfinder. Er war ein sorgfältiger Verfertiger von bewährten Gerüchen, wie ein Koch war er, der mit Routine und guten Rezepten eine große Küche macht und doch noch nie ein eigenes Gericht erfunden hat. Den ganzen Hokuspokus mit Labor und Experimentieren und Inspiration und Geheimnistuerei führte er nur auf, weil das zum ständischen Berufsbild eines Maitre Parfumeur et Gantier gehörte. (Süskind, Parfum, S. 66)  

Konnektoren des Deutschen sind über den folgenden Merkmalsatz definiert (HDK-1: 331): Merkmalsatz für Konnektoren: Sie (M1) sind nicht flektierbar; (M2) vergeben keine Kasusmerkmale an ihre syntaktische Umgebung; (M3) sind semantisch zweistellig (d. h. die Bedeutung eines Konnektors ist eine spezifische zweistellige Relation); (M4) haben propositionale Argumente (d. h. die Argumente der Bedeutung eines Konnektors sind propositionale Strukturen); und ihre (M5) Argumentausdrücke sind potentiell Satzstrukturen (d. h. die Konnekte, die Ausdrücke für die Argumente eines Konnektors, müssen Satzstrukturen sein können)  





(M3) grenzt Konnektoren von einstelligen Satzadverbien ohne Satzverknüpfungsfunktion (wie nicht, nie, längst, leider, vermutlich, gestern etc.) ab. (M2), nicht aber (M3), grenzt sie von den ebenfalls zweistelligen Präpositionen ab ( aus alter Gewohnheit, beim Riechen). Auf Präpositionen treffen auch (M4) und (M5) nicht zu, da Präpositionen typischerweise dazu dienen, Relationen zwischen Gegenständen – und nicht zwischen propositionalen Strukturen – auszudrücken. Durch diese Merkmale werden ferner Adverbien, die auf der Verbgruppe operieren (hinterrücks, blindlings), von Konnektoren abgegrenzt. Aufgrund der Bestimmung, dass Konnektoren eine spezifische semantische Relation denotieren (M3), gehören auch die KomplementsatzEinleiter dass und ob (er wusste, daß …) und die Relativierer (ein Koch, der …) nicht zum Gegenstand. (M5) schließt ferner Einleiter von Infinitivphrasen ( um zu grübeln) und Adjunktoren ( wie ein Koch, besser als Chenier) von der Betrachtung aus. In HDK-1 wurden Konnektoren nach den Kriterien syntaktische Integrierbarkeit, topologische Position des Konnektors, Abfolge der Konnekte und Rektionseigenschaften des Konnektors, d. h. Determination der Form des internen Konnekts durch den Konnektor, subklassifiziert. Eine erste Untergliederung lässt sich danach vornehmen, ob der Konnektor in eines seiner Konnekte syntaktisch integrierbar ist oder nicht. So ergeben sich die beiden Großklassen der nichtintegrierbaren Konnektoren und der in eines ihrer Konnekte integrierbaren Konnektoren, auch Adverbkonnektoren genannt. Diese Einteilung entspricht grosso modo der traditionellen Unterscheidung von Konjunktionen auf der einen Seite und Adverbien und Partikeln auf der anderen Seite. Diese beiden Großklassen lassen sich nach den oben genannten Kriterien in ins 

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16

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

gesamt sieben Klassen weiter subklassifizieren. Jede dieser Klassen ist zusätzlich zu den für alle Klassen geltenden Merkmalen (M1) bis (M5) durch ein oder mehrere weitere Merkmale definiert. Bei den nicht-integrierbaren Konnektoren kann aufgrund des Vorliegens einer Rektionsbeziehung das formbezogene Merkmal (M5), das nur besagt, dass die Konnekte Satzstrukturen eines beliebigen Typs sein können müssen, für das interne Konnekt in klassenspezifischer Weise ausbuchstabiert und das Format auf einen bestimmten Satztyp festgelegt sein. Ist dies der Fall, wird es als modifiziertes Merkmal M5 in den speziellen Merkmalsatz der Subklasse aufgenommen. Bei den integrierbaren Konnektoren nutzen wir das Kriterium der Stellungsmöglichkeiten des Konnektors in der linearen Felderstruktur für die Subklassifikation. Allerdings geht nicht das gesamte gegenwartssprachliche Konnektoreninventar, immerhin ca. 350 Einheiten, restlos in diesen sieben Klassen auf: Einige Konnektoren erfüllen keinen der Kriteriensätze der genannten syntaktischen Klassen vollständig. Diese Einheiten wurden in HDK-1 als „Einzelgänger“ separat beschrieben und keiner Klasse zugeordnet.

1.1.1 Nicht-konnektintegrierbare Konnektoren Nicht-konnektintegrierbare (konjunktionale) Konnektoren umfassen die Klassen der Subjunktoren, der Postponierer, der Verbzweitsatz-Einbetter und der Konjunktoren. Wir beginnen mit den Subjunktoren. 1

Merkmalsatz für Subjunktoren (vgl. HDK-1: 417): (S6) Ein Subjunktor muss in der Lage sein, sein internes in sein externes Konnekt einzubetten. (S7) Wenn das eingebettete interne Konnekt als Satz realisiert ist, ist es ein Verbletztsatz. (S8) Ein Subjunktor steht unmittelbar vor seinem internen Konnekt.

(2a) (2b) (2c)

Wenn sie sich bedrängt fühlen, greifen Nashörner auch Menschen an. Nashörner greifen auch Menschen an, wenn sie sich bedrängt fühlen. Nashörner greifen, wenn sie sich bedrängt fühlen, auch Menschen an.

Liste der Subjunktoren abgesehen davon, dass; alldieweil; als; als ob; als wenn; angenommen, dass; angesichts dessen (…), dass; anhand dessen, dass; anstatt dass; anstelle dass; aufgrund dessen, dass; bevor; bis (dass); da; dadurch, dass; dafür, dass; damit; dazu, dass; derweil(en); ehe; falls; für den Fall (…), dass; im Fall(e); im Fall(e), dass; gesetzt, dass; gesetzt den Fall, dass; gleichwohl; indem; indes(sen); insofern/insofern; insofern (…), als; insoweit/insoweit; insoweit (…), als; nachdem; nun; obgleich; obschon; obwohl; obzwar; ohne dass; seit(dem); sintemal(en); so; sobald; sofern; solange; sooft; sosehr; soviel; soweit; sowie; statt dass; trotzdem; unbeschadet dessen (…), dass; ungeachtet, dass; ungeachtet dessen (…), dass; unterstellt, dass; vorausgesetzt, dass; vorbehaltlich

A1 Syntaktische Grundlagen

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dessen (…), dass; während; währenddessen; weil; wenn; wenn (…) auch; wenngleich; wie; wiewohl; wo; wofern (vgl. HDK-1: 354) Charakterisierung der Klasse Subjunktoren bilden die bei weitem größte Klasse unter den nicht-integrierbaren Konnektoren. Zusammen mit den nachfolgend beschriebenen Postponierern entsprechen sie den traditionellen „subordinierenden Konjunktionen“, zu denen allerdings mit den Komplementsatzeinleitern dass und ob üblicherweise auch zwei subordinierende Einheiten ohne Konnektorstatus gerechnet werden. In Grammatiken werden sie, auf der Grundlage der syntaktischen Funktion der von ihnen gebildeten Einheiten, häufig auch im Zusammenhang mit „adverbialen Nebensätzen“/„Adverbialsätzen“ behandelt und bilden die Gegenstandsbasis für die semantische Klassifikation in Nebensatztypen (s. B1). Ihrer Herkunft und Bildung nach sind sie unterschiedlich; grundsätzlich hat sich die subordinative Konstruktion aus parataktischen Konstruktionen entwickelt, wobei viele Einheiten bis zum Frühneuhochdeutschen sowohl parataktisch als auch subordinativ verknüpfen konnten und sich erst im Frühneuhochdeutschen die subordinative Konstruktion mit Verbletztstellung allmählich stabilisiert (vgl. Ebert et al. 1993). Ein großer Teil der Subjunktoren entwickelte sich aus Adverbien und Demonstrativpronomina, teils mittels attributiver Erweiterungen durch dass-Sätze (indem dass, sodass, dadurch dass; s. A1.2; Abschnitt attributive Korrelatkonstruktion). In einigen Fällen sind solche Erweiterungen auch direkt zu Präpositionen getreten: auf dass, ohne dass, bis dass, außer dass. Das erste Muster ist heute noch im Standarddeutschen produktiv (vgl. angesichts dessen dass, infolgedessen dass), das zweite ist in Dialekten und im gesprochenen Substandard stärker vertreten (seit dass, nachdem dass, bevor dass). Die Segmentierung Adverb/ Präp. + dass als komplexer subordinierender Konnektor ist dann das Ergebnis einer Gliederungsverschiebung. Andere komplexe Subjunktoren entstehen durch Gliederungsverschiebungen, bei denen auf den Subordinator oder ein Demonstrativum folgende Partikeln und Adverbien mit diesem zu einer Einheit werden (wenngleich, wenn auch, obgleich, sobald, solange, wennschon). Aber auch aus Hauptwortarten entwickeln sich Subjunktoren (weil < mhd. diu wîle; falls). Seit dem Althochdeutschen hat das Inventar der Subjunktoren fortwährende Verschiebungen erfahren; man vergleiche in Behaghel (1928: 48–355) die Liste der Konjunktionen mit dem heutigen Inventar. Auch ein großer Teil der Subjunktoren, die sich erst im Frühneuhochdeutschen herausgebildet haben (vgl. Ebert et al. 1993, Kap. 8.4), ist heute nicht mehr gebräuchlich. Unter den nicht-integrierbaren Konnektoren stellen die Subjunktoren aufgrund ihrer geringen Restringiertheit in Konnektabfolge und Fokus-Hintergrund-Gliederung die bezüglich der Kontexteinbettung „flexibelste“ Klasse dar, die auch in den meisten semantischen Klassen (mit Ausnahme semantisch-symmetrischer Relationen wie Additivität, wo allenfalls das komplexe dazu dass als Vertreter in Frage kommt – s. C2.1 – und Disjunktivität, s. C3) vertreten ist. Diese semantische und informations 





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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

strukturelle Flexibilität ist eine Begleiterscheinung der hochgradigen syntaktischen Integration. 1

Merkmalsatz für Postponierer (vgl. ausführlicher HDK-1: 439): (P5) Das interne Konnekt eines Postponierers ist ein Verbletztsatz, sein externes Konnekt eine Satzstruktur. (P6) Die typische Abfolge bei Postponierern ist externes Konnekt < Konnektor < internes Konnekt. (P7) Die Konnekte eines Postponierers sind fokal.

(3a) (3b)

Das Spitzmaulnashorn ernährt sich von Laub, wohingegen das Breitmaulnashorn ein Weidegänger ist. *Wohingegen das Breitmaulnashorn ein Weidegänger ist, ernährt sich das Spitzmaulnashorn von Laub.

Liste der Postponierer als dass; ander(e)nfalls; auf dass; bloß dass; dass (final/konsekutiv); gdw.; nur dass; so dass/sodass; um so/umso mehr, als; um so/umso weniger, als; weshalb; weswegen; wobei; wodurch; wogegen; wohingegen; womit; wonach; worauf; woraufhin; zumal (vgl. HDK-1: 418) Charakterisierung der Klasse Die Postponierer sind in Bezug auf das syntaktische Verknüpfungsverfahren uneinheitlich. Einige können einbettend verknüpfen, andere nur parataktisch (s. A1.2). In den möglichen Verteilungen von Fokus und Hintergrund sind sie alle gegenüber den Subjunktoren eingeschränkt. Die Klasse enthält viele w-Pronominaladverbien, die als Einleiter von sogenannten „weiterführenden Relativsätzen/Nebensätzen“ in der Literatur beschrieben wurden, deren hauptsatzartige Züge in der kommunikativen Gewichtung seit Brandt (1990) bekannt sind. In dieser Hinsicht bilden die Postponierer eine Zwischenklasse zwischen den parataktisch verknüpfenden Adverbkonnektoren und den Subjunktoren; nicht von ungefähr haben die w-Postponierer bis auf den deiktischen Teil identische Pendants unter den Adverbkonnektoren (deshalb, deswegen, dahingegen, danach, daraufhin) und können einige der mit dass oder als gebildeten Postponierer ohne den Subordinator als Adverbkonnektoren auftreten (nur (dass), bloß (dass)). Sie sind ausnahmslos morphologisch komplex und vergleichsweise jüngeren Datums. Semantisch zeigen sie eine Tendenz zur ikonischen Kodierung, insofern sie häufig dasjenige Argument einer Relation markieren, das auch inhaltlich „postponiert“ ist, wie etwa kausales K ONSEQUENS -markierendes sodass, dass, weshalb, temporal-sukzessives woraufhin, wonach oder komitatives wobei.

A1 Syntaktische Grundlagen

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Merkmalsatz für Verbzweitsatz-Einbetter (vgl. HDK-1: 452): (V2S-E5) Das externe Konnekt eines Verbzweitsatz-Einbetters ist eine beliebige Satzstruktur, sein internes Konnekt ein konstativer Verbzweitsatz. (V2S-E6) Ein Verbzweitsatz-Einbetter kann sein internes Konnekt in sein externes Konnekt einbetten. (V2S-E7) Ein Verbzweitsatz-Einbetter steht unmittelbar vor seinem internen Konnekt. (V2S-E8) Die Konnekte von Verbzweitsatz-Einbettern sind bevorzugt fokal.

(4a) (4b)

1

Das afrikanische Nashorn kann vor dem Aussterben bewahrt werden, vorausgesetzt die Wilderei wird weiterhin streng geahndet. Vorausgesetzt die Wilderei wird weiterhin streng geahndet, kann das afrikanische Nashorn vor dem Aussterben bewahrt werden.

Liste der Verbzweitsatz-Einbetter angenommen; für den Fall; gesetzt; gesetzt den Fall; im Fall(e); unterstellt; vorausgesetzt (vgl. HDK-1: 440) Charakterisierung der Klasse Verbzweitsatz-Einbetter sind unter den nicht-einbettenden Konnektoren die jüngste Klasse. Sie haben sich, mit Ausnahme des phraseologischen für den Fall bzw. im Fall, aus Verbalpartizipien mit einem eingebetteten Verbzweitsatz entwickelt, eine Struktur, die noch völlig transparent und in modifizierten Konstruktionen wie immer vorausgesetzt, wir gewinnen oder mal angenommen, wir gewinnen noch virulent ist. Auch die Verbzweitsatz-Einbetter bilden eine Übergangsklasse zwischen Adverbkonnektoren und Subjunktoren, da sie mit der Verbzweitstellung ein typisches Merkmal selbständiger Sätze aufweisen. Semantisch sind sie auf die Konditionalrelation beschränkt (vgl. C4.1.3.2.1.1). Merkmalsatz für Konjunktoren (vgl. ausführlicher HDK-1: 481): (K6) Ein Konjunktor koordiniert seine Konnekte und (K7) steht zwischen seinen Konnekten.

(5)

Tagsüber dösen Nashörner im Schatten oder sie nehmen Schlammbäder.

Liste der Konjunktoren das heißt/d. h.; entweder (…) oder; ja; oder; respektive/resp.; sondern; sowie; sowohl (…) als (auch); sowohl (…) wie (auch); sprich; und; und/oder; will sagen (vgl. HDK-1: 453)  

Charakterisierung der Klasse Konjunktoren können wie Subjunktoren hochintegrierte Konstruktionen bilden, da Material, das den Konnekten gemeinsam ist, via Koordinationsreduktion in einem Konnekt getilgt werden kann bzw. sogar muss, woraus ein hohes Maß an Verschrän-

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

kung („Interlacing“) der Konnekte resultiert. Da aber Konjunktoren auf die Verbstellung der Konnekte keinen Einfluss haben, können sie auch weniger stark integrierte komplexe Konstruktionen bilden, in denen die beiden Konnekte höhere kommunikative und informationsstrukturelle Selbständigkeit aufweisen. Anders als bei Subjunktoren, Postponierern und Verbzweitsatz-Einbettern liegt hier auch keine Rektionsbeziehung zwischen Konnektor und internem Konnekt vor und die koordinative Konstruktion ist syntaktisch symmetrisch (s. im Detail A2). Unter den semantischen Relationen ist insbesondere in den semantisch symmetrischen Relationen mit gleichen thematischen Rollen der Argumente – Additivität (s. C2.1) und Disjunktivität (s. C3) – eine Kodierung mit Konjunktoren ausgeprägt bzw. bei letzteren sogar die einzige vorkommende Form. Hinzu kommen einige metakommunikative Einheiten, die an der Grenze zum Adverbkonnektor stehen. Das in Grammatiken in aller Regel den koordinierenden Konjunktionen zugeschlagene denn hat weder syntaktisch noch semantisch die Eigenschaften von Konjunktoren und wird in HDK-1 ausführlich in seiner Eigenschaft als Einzelgänger beschrieben.

1.1.2 Konnektintegrierbare Konnektoren Unter den konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren finden sich nicht positionsbeschränkte, nicht nacherstfähige und nicht vorfeldfähige. Wir geben ihre spezifischen Merkmale in dieser Reihenfolge an. 1

Positionsmerkmale für nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren Ein nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor – kann allein im Vorfeld stehen, – kann im Mittelfeld stehen, – kann in Nacherstposition, d. h. im Vorfeld nach einer anderen Konstituente stehen.  

(6a) (6b) (6c)

Das Nashorn ist fast so zahm wie eine Hauskuh. Allerdings ist der Bulle etwas angriffslustiger. Das Nashorn ist fast so zahm wie eine Hauskuh. Der Bulle ist allerdings etwas angriffslustiger. Das Nashorn ist fast so zahm wie eine Hauskuh. Der Bulle allerdings ist etwas angriffslustiger.

Liste der nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren allenfalls; allerdings; alsdann; also; anders gesagt; andrerseits; ansonsten; beispielsweise; besonders; bestenfalls; bloß; dafür; dagegen; dahingegen; dann; demgegenüber; einerseits; einesteils; endlich; freilich; genau gesagt; genauer gesagt; hingegen; hinwieder; hinwiederum; höchstens; im Übrigen; immerhin; in Sonderheit; indes; indessen; infolgedessen; insbesondere; jedenfalls; jedoch; kurz gesagt; mindestens; mithin; ne-

A1 Syntaktische Grundlagen

21

benbei gesagt; noch; nun; nur; obendrein; schließlich; schlussendlich; schon; sodann; überdies; überhaupt; übrigens; unterdes; unterdessen; vor allem; wenigstens; wiederum; wohlgemerkt; zu guter letzt; zudem; zuletzt; zum Beispiel; zum einen; zum Mindesten; zumindest; zwar (vgl. HDK-1: 550) Positionsmerkmale für nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren Ein nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor – kann nicht in Nacherstposition (im Vorfeld nach einer anderen Konstituente) stehen, – kann allein im Vorfeld und/oder im Mittelfeld stehen.

(7a) (7b) (7c)

Nashörner wirken schwerfällig. *Laufen trotzdem können sie sehr schnell. Nashörner wirken schwerfällig. Trotzdem können sie sehr schnell laufen. Nashörner wirken schwerfällig. Sie können trotzdem sehr schnell laufen.

Liste der nicht nacherstfähigen Adverbkonnektoren abermals; abgesehen davon; alldieweil; allemal; alsbald; andernfalls; andernteils; anfänglich; anfangs; angesichts dessen; anhand dessen; anschließend; anstatt dessen; anstelle dessen; auch; aufgrund dessen; außerdem; bald; bald (…), bald; da; dabei; dadurch; daher; damals; damit; danach; daneben; darauf; daraufhin; darüber hinaus; darum; davon abgesehen; davor; dazu; dazwischen; dementgegen; dementsprechend; demgemäß; demnach; demzufolge; dennoch; derweil(en); desgleichen; deshalb; dessen ungeachtet; des ungeachtet; deswegen; des Weiteren; diesbezüglich; drauf; drum; ebenfalls; ebenso; eigentlich; einmal; entsprechend; ergo; erst; erstens (…), zweitens; erstmal; ferner; folglich; genauso; gleichermaßen; gleichfalls; gleichwohl; gleichzeitig; halb (…), halb; hernach; hierbei; hierdurch; hiermit; hinsichtlich dessen; hinterher; im/ in Hinblick darauf; im Weiteren; in Anbetracht dessen; in Bezug darauf; in Übereinstimmung damit; insofern; insoweit; inzwischen; mal (…), mal; mit Bezug darauf; mittlerweile; nachher; nebenher; nichtsdestominder; nichtsdestotrotz; nichtsdestoweniger; nunmehr; ohnedies; ohnehin; seitdem; seither; so; so lange; sofort; sogleich; somit; sonst; soweit; soweit; sowieso; später; stattdessen; teils (…), teils; trotzdem; um dessentwillen; unbeschadet dessen; ungeachtet dessen; vielmehr; von daher; vorbehaltlich dessen; vorher; weiter; weiterhin; weiters; zuerst; zugleich; zunächst; zusätzlich; zuvor; zwischendurch; zwischenzeitlich (vgl. HDK-1: 554) Charakterisierung der Klassen nicht positionsbeschränkter und nicht nacherstfähiger Adverbkonnektoren Die Einheiten dieser beiden hier auf der Grundlage positioneller Kriterien klassifikatorisch voneinander unterschiedenen Arten von Adverbkonnektoren werden in Grammatiken unter Bezeichnungen wie Konjunktionaladverb (Duden-Grammatik 1995, 2005), Konnektivpartikel (GDS), Rangierpartikel (Engel 1988), Pronominaladverb (Helbig/Buscha 1999), Nexus-Adverb (Weinrich 2003) oder Satzkonnektor (Thim-Mabrey 1985) zusammengefasst und als eine Art Hybrid zwischen Parataxe und Hypotaxe

1

22

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

behandelt. Es handelt sich bei ihnen zu einem nicht kleinen Teil um Adverbien, die ihrem morphologischen Muster nach Pronominaladverbien sind und aus einem deiktischen und einem präpositionalen Teil gebildet sind: Der präpositionale Teil ist ursprünglich allein für die relationale Komponente zuständig, während der deiktische Teil syntaktisch im Prinzip eine der offenen Argumentstellen absättigt, aber über eine anaphorische Beziehung zu einer propositionalen Struktur im vorausgehenden Kontext die Anbindung eines externen Konnekts leistet. 1

Positionsmerkmale für nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren Ein nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor – kann nicht allein im Vorfeld stehen, – kann im Mittelfeld stehen.

(8a) (8b)

Nashörner sehen sehr schlecht. Aber sie haben in der Regel ein gutes Gehör. Nashörner sehen sehr schlecht. *Aber haben sie in der Regel ein gutes Gehör.

Liste der nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren aber; allein; ausschließlich; denn; doch; eh; einzig (und allein); erst; etwa; gar; lediglich; nämlich; nicht einmal; nurmehr; selbst; sogar; zumal (vgl. HDK-1: 574) Charakterisierung der Klasse Unter den nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren finden sich zwei große Gruppen, die im Allgemeinen als Subklassen von Partikeln klassifiziert werden: Fokuspartikeln wie allein, ausschließlich, lediglich, nicht einmal, selbst, sogar, zumal und Abtönungspartikeln wie denn, doch, eh, etwa. Die Klasse der nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren ist allerdings nicht deckungsgleich mit der Vereinigungsmenge der Einheiten aus diesen beiden Partikelklassen: einige Abtönungspartikeln (z. B. halt, ruhig, einfach, vielleicht, wohl) sind nicht-relational und können folglich nicht zu den Konnektoren gerechnet werden; die Fokuspartikeln auch und nur können auch im Vorfeld auftreten und finden sich deshalb in je einer der anderen beiden Klassen von Adverbkonnektoren. Zu den nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren rechnen wir ferner das in Grammatiken oft als koordinierende Konjunktion klassifizierte aber.  

Exkurs: Zur Begründung der rein topologischen Subklassifikation der Adverbkonnektoren In Anbetracht der beträchtlichen Mühe, die in der Literatur zur deutschen Grammatik in den letzten Jahrzehnten auf die kategoriale Unterscheidung von Adverb und Partikel aufgewendet wurde, mag es manchem Leser geradezu als Rückschritt erscheinen, dass wir im Bereich der konnektintegrierbaren Konnektoren von einer analogen Unterscheidung absehen. Eine Abgrenzung der beiden vorfeldfähigen Adverbkonnektorklassen gegen die Klasse der nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren entlang der Trennlinie Adverb vs. Partikel (z. B. als „Adverbkonnektoren“ vs. „Partikelkonnektoren“) trifft die Unterschiede aber nur bedingt. Zum einen sind, wie gesagt, potentielle Partikelkandidaten in allen drei Klassen von Adverbkonnektoren zu finden (was sich nur durch Annahme von Homonymie umgehen ließe) und mit aber würde eine wenig partikelverdächtige Einheit unter die Partikelkonnektoren fallen.  

23

A1 Syntaktische Grundlagen

Zum anderen handelt man sich damit die notorische Unschärfe dieser Abgrenzung ein, ein Problem, das man wiederum nur durch mehr oder minder willkürliche Hierarchisierung von Kriterien oder eben, bei Annahme von Kriterienbündeln, durch ein Kern-Peripherie-Konzept entschärfen könnte, mit dem letztlich für eine Klassifikation nichts gewonnen ist. Überdies ist nicht immer klar, worauf die Abgrenzungskriterien Bezug nehmen: Das häufig angeführte Adverb-Kriterium der Erfragbarkeit ist eher semantisch, wenn nicht überhaupt konzeptuell basiert und greift bei vielen semantischen Adverbialklassen gar nicht, ganz ungeachtet ihrer kategorialen Realisierung. Das gilt etwa für konzessive (trotzdem, dennoch, obwohl), für additive (außerdem, obendrein, darüber hinaus, ferner), für adversative (hingegen, demgegenüber, während, wohingegen), für die meisten negationshaltigen (ander(e)nfalls, stattdessen, statt dass) und für alle metakommunikativen Adverbialia. Für Adverbialia dieser semantischen Klassen gibt es keine passenden Frageformen. Auf die Adverbkonnektoren dieser semantischen Klassen trifft aber das gängige Adverb-Kriterium der Vorfeldfähigkeit zu. Als Kopf einer Konstruktion – ein in der GDS benutztes Adverbkriterium – können offenbar auch nur bestimmte Adverbklassen, nicht aber die Adverbkonnektoren fungieren, unabhängig von ihren sonstigen Stellungseigenschaften. Bleibt das semantische Kriterium des nicht-propositionalen Bezugs (vgl. A4.4) bei Partikeln: Dies trifft aber ohnehin nur auf Abtönungspartikeln und nicht auf andere Partikelklassen wie Intensitäts- und Fokuspartikeln zu, und umgekehrt können auch viele Adverbkonnektoren ganz analog zu Subjunktoren neben Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene auch solche auf der epistemischen oder auf der Sprechaktebene herstellen. Inwieweit Fokussierbarkeit und informationsstruktureller Status (die natürlich mit den topologischen Eigenschaften interagieren) als nicht rein formalsyntaktisch fundierte Abgrenzungskriterien geeignet sind, wird im Folgenden noch näher beleuchtet werden (s. insbes. A2.3.2). Deshalb werden wir zunächst das Stellungskriterium als alleiniges Subklassifikationsmerkmal nutzen.

1.1.3 Einzelgänger Merkmale: keine gemeinsamen syntaktischen Merkmale. Liste der Einzelgänger denn (kausal); es sei denn; außer; geschweige (denn); kaum (temporal); als (mit konjunktivischem Verberstsatz); als (vergleichend); sei es; ob (irrelevanzkonditional); dass (begründend kausal); angenommen; je nachdem; statt/anstatt (vgl. HDK-1: 584 ff.)  

A1.2 Komplexe Satzstrukturen und syntaktische Verknüpfungsverfahren Mit den syntaktischen Konnektorenklassen sind jeweils spezielle Verfahren der Verkettung von Satzstrukturen korreliert. So findet sich beispielsweise im Merkmalsatz von Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbettern, nicht aber in dem von Postponierern und Konjunktoren, das Merkmal „einbettend“; Konjunktoren haben ein Merkmal „koordinierend“, Postponierer teilen mit den Subjunktoren das Merkmal „subordinierend“.

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1

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Einbettung Eine Satzstruktur Si ist in eine andere Satzstruktur Sj eingebettet, wenn Si in Sj eine syntaktische Funktion ausübt, aber nicht umgekehrt. Sj ist dann der Einbettungsrahmen. Die Einbettung äußert sich darin, dass Si in die lineare und intonatorische Struktur von Sj integriert werden kann und, gegebenenfalls zusammen mit einem einbettenden Ausdruck, das Vorfeld von Sj bilden kann.

Abb. A1-1: Einbettungskonstruktion mit Postposition

Abb. A1-2: Einbettungskonstruktion mit Anteposition

Intonatorische Integration ist gleichbedeutend mit der Abwesenheit von Merkmalen prosodischer Separierung wie stark fallender bzw. (bei Entscheidungsfragen) stark steigender Grenzton in der linear ersten Satzstruktur oder Neuansatz der Intonationskurve (F0-Reset) in der linear zweiten Satzstruktur. (Zu Merkmalen prosodischer Integration bzw. Separierung s. A4.4.) Einbettende Konnektoren sind Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbetter. Die Postponierer verhalten sich in dieser Hinsicht uneinheitlich. Zwar können Postponiererphrasen nicht das Vorfeld ihres externen Konnekts besetzen (s. 3b), einige Postponiererkonstruktionen sind jedoch als Ganzes einbettbar, andere nicht.

A1 Syntaktische Grundlagen

(3c) (3d)

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Hans glaubt, {dass sich Spitzmaulnashörner von Laub ernähren, sodass sie in waldarmen Gegenden nicht auftreten}. *Hans glaubt, {dass sich Spitzmaulnashörner von Laub ernähren, wohingegen Breitmaulnashörner Weidegänger sind}.

Auch die Komplementierer dass und ob sind Einbetter. Eine durch einen Konnektor eingebettete Satzstruktur übt in ihrem Einbettungsrahmen die syntaktische Funktion eines Adverbiales aus, während die durch dass und ob eingebetteten Satzstrukturen in ihrem Einbettungsrahmen als Komplemente fungieren. Einbettung ist aber nicht notwendig auf einen speziellen einbettenden Ausdruck angewiesen, wie sich etwa im Fall der Verberstkonditionale (12) zeigt (s. dazu C4.1.3.1). Die eingebetteten Strukturen können Verbletztsätze, Verbzweitsätze oder Verberstsätze sein. Eingebettete Satzstrukturen, die das Vorfeld der Einbettungskonstruktion besetzen, nennen wir anteponiert, solche, die ihrem Einbettungsrahmen folgen, nennen wir postponiert. Der eingebettete Ausdruck ist in den folgenden Beispielen durch Rahmung gekennzeichnet. (9) (10) (11) (12)

Weil sie täglich trainiert , läuft sie sehr schnell. Vorausgesetzt, der Senat stimmt zu , kann die Sanierung noch dieses Jahr in Angriff genommen werden. Dass sie krank ist , wusste ich nicht. Ist der Chef nicht da , geht hier alles drunter und drüber.  







Die durch einen Konnektor eingebetteten Satzstrukturen üben zusammen mit diesem die syntaktische Funktion eines adverbialen Supplements zum Einbettungsrahmen aus. Subordination Eine Einheit subordiniert einen Satz, wenn sie von diesem Letztstellung seines finiten Verbs verlangt.

Abb. A1-3: Subordinative Konstruktion

1

26

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Subordinierend sind die Konnektorenklassen Subjunktoren und Postponierer. (Wegen dieses gemeinsamen Merkmals werden sie traditionell auch als „subordinierende Konjunktionen“ zusammengefasst.) Außer diesen Konnektorenklassen sind die Komplementierer dass und ob, Relativausdrücke sowie Interrogativausdrücke subordinierende Ausdrücke. All diese Ausdrücke bezeichnen wir als Subordinatoren. Die Subjunktoren sind also nur eine Teilmenge der Subordinatoren. (Vgl. auch die Subklassifikation der subordinierenden Konjunktionen in ESUB (dass, ob) und ASUB (weil, obwohl, …) bei Eisenberg 2004: 333.) (13) (14) (15) (16)

Weil sie täglich trainiert , läuft sie sehr schnell. Sie läuft sehr schnell, weshalb sie fast immer gewinnt . Das ist die Frau, die uns immer die Milch bringt . Weißt du, wer zur Sitzung kommt ?  







Der Subordinator bildet zusammen mit dem subordinierten Verbletztsatz nach unserer Auffassung keinen Satz, sondern eine Phrase mit dem subordinierenden Ausdruck als Kopf und dem von diesem Kopf regierten eingebetteten Verbletztsatz als Komplement, eine Subordinatorphrase. Wir bezeichnen also eine Struktur wie weil sie täglich trainiert nach ihrem Kopf als Subjunktorphrase, eine Struktur wie weshalb sie fast immer gewinnt entsprechend als Postponiererphrase. Traditionell wird in der Bezeichnung „Nebensatz“ dagegen der subordinierende Ausdruck zum Satz selbst gerechnet. 1

Koordination Koordination erlaubt, auf ein und derselben Stufe der hierarchisch-syntaktischen Struktur eines komplexen Ausdrucks K zwei Ausdrücke K1 und K2, die Koordinate, mit derselben syntaktischen Funktion im Skopus des epistemischen Modus von K zu einem syntaktisch komplexen Ausdruck K+ zu vereinen, der in K dieselbe syntaktische Funktion wie K1 und K2 ausübt. Die syntaktische Funktion der Koordinate K1 und K2 wird dabei nicht von K+ selbst, sondern von K determiniert.

Abb. A1-4: Koordinative Verknüpfung von Satzstrukturen

A1 Syntaktische Grundlagen

27

Entscheidendes Kriterium für die Koordination ist also die Identität der syntaktischen Funktion der Koordinate, nicht die Identität des Phrasentyps, wie die Beispiele (19) und (20) zeigen. Die Koordinate sind in den Beispielen durch geschweifte Klammern gekennzeichnet, der koordinierte Ausdruck K+ durch eckige Klammern. In (17) bis (20) liegen sogenannte kontinuierliche Koordinationen vor, d. h. der komplexe Ausdruck K+ aus den Koordinaten K1 und K2 wird nicht durch Material aus dem Koordinationsrahmen unterbrochen. (21) und (22) bilden dagegen diskontinuierliche Koordinationen, wobei (22) zwei Koordinatepaare enthält.  

(17) (18) (19) (20) (21) (22)

Sie nimmt [{den Löffel}K1 und {die Gabel}K2]K+. (Akkusativkomplement) Nicht [{Lisa}K1, sondern {Elmar}K2]K+ hat angerufen. (Subjekt) [{Im Kar}K1 und {wo die Sonne nicht hinkommt}K2]K+, liegt noch Schnee. (lokales Adverbiale). Ich komme [{wegen des Artikels}K1 und {weil ich ohnehin gerade in der Gegend war}K2]K+. (kausales Adverbiale) Ich bin {wegen des Artikels}K1 gekommen und {weil ich ohnehin gerade in der Gegend war}K2 {Mädchen}Ka1 kriegen {rosafarbene}Kb1 und {Jungs}Ka2 {hellblaue}Kb2 Strampelhöschen. (Ka1/Ka2: Subjekt; Kb1/Kb2: Attribut zum Akkusativkomplement)

Die von Konjunktoren hergestellten koordinierten Strukturen können ihrerseits eingebettet werden und als Konstituenten komplexer Sätze fungieren. (23a) (23b) (23c)

Wenn sie das Auto kauft und nur er es dann benutzt, ist sie blöd. Vorausgesetzt, sie kauft das Auto und nur er benutzt es, ist sie blöd. Sie befürchtet, sie kauft das Auto und nur er benutzt es.

Koordination wird syndetisch durch einen Konjunktor oder asyndetisch ohne Konjunktor hergestellt. Zwei vollständige unmittelbar aufeinander folgende Sätze werden allerdings nur dann als koordiniert betrachtet, wenn sie syndetisch, also durch einen Konjunktor verknüpft sind, oder wenn bei asyndetischer Verbindung der erste Teilsatz mit steigender oder gleich bleibender Intonationskontur, d. h. mit einem hohen Grenzton endet. Im anderen Fall liegt eine parataktische Verbindung vor.  

(24) (25a) (25b)

Schätzt man noch Geduld, Toleranz, Gleichmut, Sensibilität? Bienen summen (und) Vögel zwitschern und Schmetterlinge flattern herum. Bienen summen ↗, Vögel zwitschern ↗, Schmetterlinge flattern herum.

Einbettung, Subordination und Koordination sind Verfahren der Bildung komplexer Satzstrukturen. Sie werden nur durch nicht-integrierbare Konnektoren induziert. Die beiden folgenden Konstruktionstypen sind dagegen nicht das Ergebnis von Verknüpfungsverfahren, mit denen komplexe Strukturen der Kategorie Satz erzeugt werden.

28

1

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Parataxe Stehen in einem Text zwei Sätze in einem rein inhaltlichen Zusammenhang, ohne dass sie durch eines der syntaktischen Verkettungsverfahren (Einbettung, Subordination, Koordination) auch syntaktisch zu einer komplexen Satzstruktur verknüpft sind, gilt die Beziehung zwischen diesen Sätzen als parataktisches Verhältnis. Parataktisch verknüpfte Sätze haben im Normalfall separierende Intonationskonturen und sind in der Graphie in der Regel durch Punkt, Frage- oder Ausrufungszeichen voneinander getrennt.

(26) (27)

Es wird Regen geben. Die Hochwassergefahr wird wieder zunehmen. Zweiter Oktober 1989. 20.000 Menschen demonstrieren in Leipzig. Am zweiten Oktober ist die Nikolai-Kirche schon um 17 Uhr völlig überfüllt. Vor der Kirche drängen sich noch einmal mehrere tausend Menschen. (SWR 1, 40 Tage im Herbst, 1999) Nicht mit mir! Ich kann das nicht ausstehen. Wie kann man sich nur darüber aufregen? Es gibt doch wirklich Schlimmeres. Regst du dich etwa darüber auf? Es gibt doch wirklich Schlimmeres.  

(28) (29) (30)

Separierende Intonationskonturen zeichnen sich in den allermeisten Fällen durch tonale Merkmale prosodischer Phrasierung aus: durch stark fallenden oder (wie im Entscheidungsfragesatz in (30)) stark steigenden Grenzton in der linear ersten Satzstruktur, durch Neuansatz der Intonationskontur in der linear zweiten Satzstruktur. Pausen zwischen den Satzstrukturen und segmentelle Längungen an der Grenze können hinzukommen (s. A4.4). Konnektoren lassen sich danach unterscheiden, ob sie zwischen den verknüpften Sätzen ein syntaktisches Verhältnis (Einbettung, Subordination oder Koordination) herstellen können oder grundsätzlich nur ein parataktisches Verhältnis herstellen. Letzteres gilt für alle Adverbkonnektoren und für das begründende denn; Postponierer verhalten sich uneinheitlich (vgl. HDK-1: 438). Tab. A1-1: Syntaktische Konnektorklassen und syntaktische Verkettungsverfahren potentiell einbettend

nur subordinierend

potentiell koordinierend

nur parataktisch

Subjunktoren

+

+





Postponierer

+/–

+



+/–

V2S-Einbetter

+







Konjunktoren





+



Adverbkonnektoren







+

Die obige Tabelle ist in Bezug auf die Obligatorizität des Vorliegens eines bestimmten Verknüpfungstyps noch zu modifizieren. Während Adverbkonnektoren immer para-

29

A1 Syntaktische Grundlagen

taktisch verknüpfen, gilt für die vier nicht-integrierbaren Konnektorenklassen nicht umgekehrt, dass sie ausschließlich in den syntaktischen Verknüpfungstypen Einbettung und Koordination vorkommen. Vielmehr können sie ebenfalls in parataktischen Konstruktionen auftreten, in denen die beiden durch den Konnektor inhaltlich verbundenen Satzstrukturen keine gemeinsame Konstituente der Kategorie Satz bilden. In diesen Fällen kann man dann auch nicht von Einbettung oder Koordination sprechen, vielmehr liegen Fälle von Desintegration vor. Prosodisch sind solche konnektorhaltigen parataktischen Verbindungen immer separiert. Desintegration Ein Ausdruck K, der kein selbständiger Satz ist, ist bezüglich einer Satzstruktur S desintegriert, wenn er zwar Bestandteil der Linearstruktur von S ist, aber keine Konstituente in der hierarchischsyntaktischen Struktur von S bildet und keine syntaktische Funktion in S ausübt. Der desintegrierte Ausdruck K und die Satzstruktur S bilden keine gemeinsame Konstituente der syntaktischen Kategorie Satz, sie können aber eine kommunikative Minimaleinheit bilden. Zwischen K und S besteht keine syntaktische, sondern nur eine parataktische Beziehung.

Desintegration ist der gemeinsame Nenner für eine Reihe von verschiedenen Herausstellungskonstruktionen, die sich in mehreren Aspekten unterscheiden: Erstens darin, an welcher Stelle in der Linearstruktur von S sich der desintegrierte Ausdruck befindet, zweitens darin, ob zu dem herausgestellten Ausdruck K in S ein korreferenter pronominaler Ausdruck K’ vorhanden ist und drittens im Grad der intonatorischen Integration bzw. Separierung des desintegrierten Ausdrucks in S. Auch in ihren kommunikativen Funktionen sind sie nicht gleich. Die hier angeführten Desintegrationskonstruktionen sind kein Spezifikum komplexer Sätze, vielmehr können auch Nichtsatzphrasen in Bezug auf einen Bezugssatz desintegriert sein. (i)

desintegrierte Ausdrücke an der linken Peripherie

Linksperiphere Desintegrationskonstruktion Bei der linksperipheren Desintegrationskonstruktion (in HDK-1 nur „Desintegrationskonstruktion“ genannt; vergleichbar auch die Konzepte „Frame-Adverbiale“, „Freies Thema“, „Hanging Topic“) geht der desintegrierte Ausdruck K der Satzstruktur S unmittelbar voraus. Der linksperipher desintegrierte Ausdruck fungiert als inhaltlicher „Rahmen“ für die auf ihn folgende Satzstruktur S und identifiziert Umstände der Äußerung oder der kommunikativen Funktion von S (metakommunikative Kommentare). Er bildet mit S zusammen eine kommunikative Minimaleinheit. Sowohl der desintegrierte Ausdruck als auch die darauf folgende Satzstruktur sind fokal. Der desintegrierte Ausdruck ist gegenüber der Intonationskontur von S separiert und hat prosodische Grenzmerkmale (stark steigender bzw. stark fallender Grenzton in K, F0-Neuansatz in S, evtl. Pause zwischen K und S; s. A4.4 und HDK-1: 264 ff.) Linksperiphere Desintegrationskonstruktionen können von allen Verbzweitsatz-Einbetter 

1

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Phrasen, von den Subjunktorphrasen mancher Subjunktoren (Übersicht HDK-1: 392) und von denjenigen Adverbkonnektoren gebildet werden, für die in der Positionsmatrix in HDK-1 (504–509) bzw. dort in der Konnektorenliste (696–732) eine Positionsmöglichkeit an der sogenannten Nullstelle ausgewiesen ist. Darunter fallen u. a. alle Konnektoren der semantischen Klasse der metakommunikativen Konnektoren (s. C5).  

(31)

Also, wenn ich ehrlich bin , manchmal hätte ich auch gerne einen Diener. (Computer Zeitung, 17.09.1998, S. 10) Ob Klinsmann mit den Leistungen seiner Mannschaft zufrieden ist oder nicht , hat er überhaupt personelle Alternativen? Weil Sie gerade vom Lügen sprechen : In „Mickey Blue Eyes“ gefährdet letztlich eine Lüge Ihre Beziehung. (Züricher Tagesanzeiger, 01.11.1999, S. 53) (Bsp. aus Konopka 2006: 109) Wollten die freundlichen niederländischen Gäste nur niemanden verschrecken? Jedenfalls: Daß Strawinskys „Sacre“ schon so klassisch klingen kann, hätten wir nicht unbedingt gedacht. (Salzburger Nachrichten, 08.05.1996, o. S.) Die Liste der Mängel – aus europäisch-linker Sicht – mag lang sein. Und dennoch: Viele dieser Mängel werden in den USA selbst gesehen und kritisiert. (die tageszeitung, 29.01.1987, S. 2)  



(32)



(33)





(34)



(35)



Linksversetzungskonstruktion In Linksversetzungskonstruktionen geht einer Satzstruktur S ein desintegrierter Ausdruck K voraus, zu dem sich im Vorfeld von S ein korreferenter Ausdruck K’ findet. Dieser bildet eine Konstituente in S, die nicht allein fokal sein darf. Zwischen dem linksversetzten und dem mit ihm korreferenten Ausdruck, dem Korrelat, besteht keine im Rahmen des Systems der syntaktischen Funktionen definierte syntaktische Beziehung, sondern eine korrelative inhaltliche Beziehung (vgl. HDK-1: 256 ff.). Wie die linksperipheren Desintegrationskonstruktionen bilden auch linksversetzte Ausdrücke mit der nachfolgenden Satzstruktur eine kommunikative Minimaleinheit. Linksversetzte Ausdrücke sind in der Regel intonatorisch in die darauf folgende Satzstruktur integriert, insofern sie mit einer nicht-fallenden Intonationskontur enden. Linksversetzungskonstruktionen können von allen Verbzweitsatz-Einbetter-Phrasen und von manchen Subjunktorphrasen gebildet werden. Linksversetzte Ausdrücke sind nicht zusammen mit ihrem Korrelat einbettbar.  

(36) (37) (38)

Verändert sich ein Wald , dann verändert sich auch seine Tierwelt. Als die Königstochter am Brunnen spielte , da fiel ihr ihre goldene Kugel hinein. Weil Literatur für ihn ein einzigartiger Gedächtnisspeicher ist , deshalb ist der Autor Lenz bis heute ein besessener Leser geblieben, wie seine umfang 





31

A1 Syntaktische Grundlagen

reichen Essaybände zeigen. (Die Zeit, 19.03.1998, S. 54) (Bsp. aus Konopka 2006: 109) Vorausgesetzt, solche und andere Konstellationen würden die Regel , dann drohte damit der Wettbewerb als „objektives“ Verfahren der kreativen Qualitätsoptimierung zweifelhaft zu werden. (die tageszeitung, 29.07.1994, S. 23)  

(39)





(ii) desintegrierte Ausdrücke an der rechten Peripherie Die rechte Peripherie ist funktional kein Spiegelbild der linken Peripherie. Zwischen beiden besteht insofern eine Asymmetrie, als Ausdrücke an der rechten Peripherie anders als an der linken mit der voraufgehenden Satzstruktur nicht notwendig eine kommunikative Minimaleinheit bilden. Rechtsperiphere Desintegrationskonstruktion („Nachtrag“) Wie linksperiphere Desintegrationskonstruktionen sind auch die rechtsperipher desintegrierten Satzstrukturen von der ihnen voraufgehenden Satzstruktur intonatorisch separiert. Solche desintegrierten Ausdrücke an der rechten Peripherie können von manchen Konjunktoren und Subjunktoren, von allen Verbzweitsatz-Einbettern und von den meisten Postponierern (aber z. B. nicht von sodass) und Einzelgängern gebildet werden. Auch einige wenige integrierbare Konnektoren können an der rechten Peripherie desintegriert werden (47). Ob diese Position, in HDK-1 „Nachsatzposition“ genannt (HDK-1: 75, 496), für einen Adverbkonnektor möglich ist, wird in der Matrix in HDK-1 (505–509) sowie in der Konnektorenliste (HDK-1: 696–732) angegeben. Desintegrierte Ausdrücke an der rechten Peripherie erfüllen die Funktion eines spezifizierenden Nachtrags auf verschiedenen Ebenen. Sie können als Zusatzinformation zum propositionalen Gehalt der voraufgehenden Satzstruktur (‚und zwar‘, ‚und außerdem‘) fungieren (vgl. (40), (47)), als metakommunikativer Kommentar (vgl. (44), (45)), als Spezifikation zum epistemischen Modus (vgl. (43), (46)) oder zur illokutiven Funktion (vgl. (42), (44)) fungieren. Die Interpretation solcher Nachträge ist teilweise ähnlich wie die von Ellipsen. Für die Ableitung ihrer vollständigen konzeptuellen Struktur muss der relevante propositionale Gehalt aus der voraufgehenden Äußerung hinzuinterpretiert werden. Der desintegrierte Ausdruck bildet damit eine eigene kommunikative Minimaleinheit.  

(40) (41) (42) (43) (44) (45)

Ich komme wegen des Artikels. Und weil ich ohnehin mal vorbeischauen wollte. Nimm ruhig zwei Stück Zucker. Oder willst du lieber Kandis? Räum mal deine Sachen hier fort. Weil Besuch kommt. [A: Weißt du wie das Wetter heute Nacht war? B:] Es hat Frost gegeben; weil die Dahlien ganz schwarz sind. Ist dir eigentlich klar, dass unser Konto total überzogen ist? Falls dich das überhaupt interessiert. Ist Luise schon da? Wobei ich mich frage, ob die vielleicht abgesagt hat.

32

(46)

(47)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Der Mensch lebt durch den Kopf. Der Kopf reicht ihm nicht aus. Versuch es nur, von deinem Kopf lebt höchstens eine Laus. Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug, niemals merkt er eben diesen Lug und Trug. (Brecht, Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens, 1929) Die Gesprächsrunde ist von den Mitarbeitern initiiert und für die Mitarbeiter. Mich als Direktor werden Sie da nicht sehen. Eben deswegen. (Hörbeleg)

Rechtsversetzungskonstruktion (Reparaturnachtrag) Bei Rechtsversetzungskonstruktionen existiert, wie bei Linksversetzungskonstruktionen, eine zum versetzten Ausdruck K korreferente pronominale Kopie K’ in der Linearstruktur der vorausgehenden Satzstruktur S. Diese Proform darf nicht den stärksten Akzent in S tragen und nicht fokal sein. Der rechtsversetzte Ausdruck ist nicht Träger des Fokus der gesamten Konstruktion, sondern wird als Hintergrund präsentiert. Prosodisch und informationsstrukturell unterscheidet er sich deutlich von attributiven Korrelatkonstruktionen wie (48b), in denen ein pronominaler Kopf durch einen finiten Ausdruck im Nachfeld attributiv erweitert wird. Rechtsversetzte Ausdrücke können die Funktion eines Reparatur-Nachtrags (im Sinne von Averintseva-Klisch 2009) haben, mit dem eine potentiell unklare pronominale Referenz aufgelöst wird. Rechtsversetzte Ausdrücke sind anders als linksversetzte eher intonatorisch separiert und die vorausgehende Satzstruktur endet stark fallend oder stark steigend. (48a) (48b) (49a) (49b)

Ich bin dann zu /FUSS gegangen\, (ich meine) als der letzte BUS weg war. Ich gehe /DANN zu Fuß, wenn der letzte BUS\ weg ist. Ich habe deshalb sogar ge/WEINT\, (ich meine) weil der letzte BUS weg war. Ich habe /DEShalb geweint, weil der letzte BUS\ weg war.

(iii) parenthetische Einschübe Parenthetische Einschübe unterbrechen die Linearstruktur einer Satzstruktur S und sind prosodisch von ihrer Umgebung abgesetzt. Zur prosodischen Absetzung tragen vor allem ein Neuansatz der Intonationskontur im parenthetischen Einschub und eine von der umgebenden Satzstruktur verschiedene rhythmische Gestaltung (z. B. schnelleres Sprechtempo, deutlichere Artikulation) sowie gegebenenfalls Pausen bei. Als parenthetische Einschübe sehen wir nur solche Ausdrücke an, die die in S keine Konstituente sein können und in S keine syntaktische Funktion erfüllen (50–52):  

(50) (51)

Ist das nicht, das hat man mich oft gefragt , recht schwierig? Die Sachsen – oder ist es besser, von den Westfalen zu sprechen? – nutzten die Gelegenheit zu einem Rachefeldzug, der alle vorherigen Aggressionen an Wildheit und Härte übertraf. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 355)  





33

A1 Syntaktische Grundlagen

(52)

Beim Prozeß – denn ihr Laden flog gleichzeitig mit unserem auf – wurde ihnen der Brand des U-Boot-Mutterschiffes im Werftgelände zur Last gelegt. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 310)  



Dagegen sind Ausdrücke, die potentiell Konstituenten in S sein und in S als Supplemente fungieren können, nicht allein aufgrund prosodischer Separierung von der sie umgebenden Satzstruktur auch als Nicht-Konstituenten von S und als parenthetische Einschübe zu werten. (53)

Mir ist das Kruzifix gar nicht mehr aufgefallen. Das hängt halt über der Türe und hat mich, wenn ich ehrlich bin , überhaupt nicht gekümmert. (die tageszeitung, 12.09.1995, S. 4) Bei der ersten terminologischen Festlegung soll vor allem die Stellungssyntax, da sie gut kontrollierbar ist , als Basis herangezogen werden. (Pittner 1999: 218) Dieser wird – vorausgesetzt Sie sind bereits ans System angeschlossen, was sich in Bremen bis November hinziehen wird – alle 14 Tage von der BEB abgeholt, in der Sortieranlage […] per Hand sortiert und dann zu Ballen gepreßt. (die tageszeitung, 17.04.1993, S. 34)  



(54)



(55)





Desintegrationskonstruktionen indizieren, mit Ausnahme der Linksversetzung, dass die beiden Konnekte separate Fokus-Hintergrund-Gliederungen aufweisen und kommunikativ selbständige Einheiten darstellen. Quasi als komplementäre Konstruktion zu den Desintegrationskonstruktionen können einige einbettende Konnektorenklassen auch eine spezielle „Integrationskonstruktion“ bilden, mit der eindeutig signalisiert werden kann, dass die eingebettete Satzstruktur syntaktisch, informationsstrukturell und prosodisch in die Struktur des Einbettungsrahmens integriert ist und der Skopus von Satzoperatoren im Einbettungsrahmen sich auch auf die eingebettete Struktur erstreckt: eben diesen Zweck erfüllen attributive Korrelatkonstruktionen wie (48b/49b) und die in (56) bis (58). attributive Korrelatkonstruktion In attributiven Korrelatkonstruktionen fungiert ein in einer Satzstruktur S, dem externen Konnekt, kataphorisch verwendetes Pro-Element (d. h. ein Ausdruck, der einen Sachverhalt bezeichnet, ohne ihn mit einer eigenen Prädikation zu beschreiben) als Kopf einer Konstruktion, die durch eine nachfolgende Phrase aus einbettendem Konnektor und internem Konnekt attributiv erweitert und dabei inhaltlich spezifiziert wird. Das Korrelat ist in S fokussiert und trägt den Nuklearakzent von S. Das Korrelat und die attribuierte Phrase können juxtaponiert stehen.  

(56)

Der bayerischen Polizei kann man nicht vorwerfen, sie bediene sich dieser Kennzeichnungen, das wäre schon deshalb unsinnig, weil die ansässige Bevölkerung längst multikulturell ist […]. (Süddeutsche Zeitung, 14.11.1997, S. 1)  

1

34

(57)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

In Großbritannien erhält man Arbeitslosengeld höchstens 312 Tage lang und nur dann, wenn man normalerweise als Arbeitnehmer tätig ist. (Die Presse, 14.02.1996, o. S.) Wir treffen immer Konsensentscheidungen. Wir reden so lange, bis wir den Kompromiss gefunden haben, mit dem sich alle einverstanden erklären können. (die tageszeitung, 18.01.2005, S. 24)  



(58)



Unter den einbettenden Konnektoren sind nur einige Subjunktoren mit attributiven Korrelatkonstruktionen belegt, insbesondere dann (…), wenn; deshalb/deswegen/darum, weil; solange (…), bis; solange (…), solange; sooft (…), sooft (vgl. die Liste mit der Zuordnung von Subjunktor und Korrelat in HDK-1: 261). Auch einbettende Konnektoren, die Korrelatkonstruktionen mit Linksversetzung oder Rechtsversetzung zulassen, erlauben diese nicht notwendig auch als attributive Konstruktionen, so etwa die Postponierer und Verbzweitsatz-Einbetter. Generell sind attributive Korrelatkonstruktionen Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene und deshalb mit Konnektoren, die nur auf der epistemischen und/oder Sprechaktebene verknüpfen, ausgeschlossen. Die attributiven Korrelatkonstruktionen, insbesondere solche mit dass-Sätzen, sind aber wiederum eine wichtige Quelle für die Herausbildung neuer komplexer subordinierender Konnektoren wie z. B. dadurch, dass; dafür, dass; sodass/so dass; umso mehr, als etc., die sich infolge einer „Verschiebung der syntaktischen Gliederung“ aus attributiven Erweiterungen von Adverbkonnektoren um einen dass-Satz entwickeln (vgl. Paul 1960: 299, 370; ferner Ebert et al. 1993: 471, 474). Attributive Korrelatkonstruktionen aus Pronominaladverb in adverbialer Funktion + Subjunktorphrase sind deutlich seltener als solche mit Proform in Komplementfunktion + Komplementsatz mit dass oder ob. Letztere haben die Funktion, die syntaktische Funktion des eingebetteten Satzes, dem dies nicht abzulesen ist, zu indizieren. (Das gilt auch für die schwachtonigen Korrelate zu Komplementsätzen in „Platzhalter“-Funktion, vgl. Oppenrieder 1991: 329, Breindl 1989: 167 ff., Breindl 2013.) Bei adverbialen Subjunktorphrasen, deren syntaktische Funktion und semantische Rolle am Subjunktor lexikalisch transparent ist, entfällt diese Funktion. Bei ihnen dienen die attributiven Korrelatkonstruktionen vielmehr dazu, mit dem Korrelat einen akzentuierbaren Fokusexponenten bereitzustellen, der durch seinen Status als Kopf der Attributkonstruktion garantiert, dass die eingebettete Phrase und der Einbettungsrahmen als eine integrierte Fokus-Hintergrund-Struktur interpretiert werden und der Skopus höherer Operatoren im Einbettungsrahmen sich auch auf die eingebettete Phrase erstreckt (vgl. Pittner 1999: 223 f.). Attributive Korrelatkonstruktionen (59b/60b) vertragen sich deshalb nur mit Kontexten, in denen das Adverbiale fokussiert wird wie in (59), während korrelatlose Konstruktionen (59a/60a) fokusambig sind und auch in Kontexten auftreten können, in denen nur der Einbettungsrahmen fokussiert ist wie in (60).  







(59) (59a)

Warum weint Diego? Diego weint, weil Argentinien schon im Viertelfinale rausgeflogen ist.

A1 Syntaktische Grundlagen

(59b) (60) (60a) (60b)

35

Diego weint DEShalb, weil Argentinien schon im Viertelfinale rausgeflogen ist. Was ist denn mit Diego los? Diego weint, weil Argentinien schon im Viertelfinale rausgeflogen ist. *Diego weint DEShalb, weil Argentinien schon im Viertelfinale rausgeflogen ist.

A1.3 Grenzfälle der Konnexion In diesem Abschnitt wird auf Konnexionen eingegangen, bei denen aufgrund besonderer Konnektformate das Konnektorenkriterium (M5) nicht vollständig erfüllt ist. Solche Verknüpfungen werden in HDK-1 (368 ff., 379–391) als Grenzfälle der Konnexion oder als auszugrenzende Fälle diskutiert. Nicht mehr um Konnexion handelt es sich streng genommen dann, wenn ein einbettender Konnektor zusammen mit seinem internen Konnekt oder ein Adverbkonnektor nicht als Satzadverbial fungiert.  

1.3.1 Adjektiv- und Partizipphrasen (eingebettete sekundäre Propositionen) als Argumente Propositionen können nicht nur durch Satzstrukturen, sondern auch durch tiefer, beispielsweise in Nominalphrasen eingebettete, nicht-finite Prädikatsausdrücke bezeichnet werden (vgl. HDK-1: 368 f.). Die Argumente der Konnektoren sind in diesem Fall eingebettete Propositionen in der Form von Adjektiv- oder Partizipphrasen in attributiver Funktion, zwischen denen Verknüpfungen mit den meisten syntaktischen Konnektorklassen und mittels aller syntaktischer Verknüpfungsverfahren erfolgen können, die auch bei Propositionen auf der Ebene des Satzes möglich sind. Einschränkungen gibt es bei Postponierern, Verbzweitsatz-Einbettern und manchen Einzelgängern, deren internes Konnekt auf die Form einer Satzstruktur beschränkt ist. Darüber hinaus gibt es lexikalisch motivierte Beschränkungen; z. B. lassen mit dass zusammengesetzte Konnektoren keine Nicht-Sätze als interne Konnekte zu. In Bezug auf die semantische Klasse gibt es dagegen keine auffälligen Restriktionen.  



(i)

Parataktische Verknüpfung durch Adverbkonnektoren

(61a)

eine wunderbare, {außerdem/darüber hinaus/noch dazu/obendrein} wahre Geschichte (additive Relation) eine wunderbare, {aber/allerdings/freilich/jedoch} erfundene Geschichte (adversative Relation)

(61b)

36

(61c)

(61d) (61e) (62)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

eine erfundene, {dennoch/dessen ungeachtet/nichtsdestominder/nichtsdestotrotz/nichtsdestoweniger} wunderbare Geschichte (konzessive Relation) der zuerst prima aufgegangene, {danach/hinterher/inzwischen/nachher/ später} aber im Ofen zusammengefallene Hefeteig (temporale Relation) ein defektes, {also/deshalb/folglich} gefährliches Elektrokabel (kausale Relation) Sendungen wie Heinz Meynhardt: Mein Leben unter Wildschweinen (DDR 2, 1988) fesselten allemal mehr als die schnöden und völlig witzlosen, noch dazu von Heinz Sielmann nasal nuschelnd kommentierten Expeditionen ins Tierreich! (die tageszeitung, 02.01.1991, S. 20) Das vorliegende Werk, das den österreichischen Juristen zu einer grundsätzlichen europarechtlichen Besinnung aufruft, stellt eine spannende, daher empfehlenswerte und anspruchsvolle Lektüre dar. (Vorarlberger Nachrichten, 21.04.1998, S. A8)  

(63)

(ii) Subordinative Verknüpfung durch Subjunktoren und Postponierer Eingebettete Verknüpfungen mit Subjunktoren kommen mit beiden Konnektabfolgen vor, doch ist Postposition der Subjunktorphrase in sekundären Propositionen wie in (64a) generell besser als Anteposition wie in (64b), weil diese schwerer zu verarbeiten ist. Das Aufeinandertreffen von zwei Adjektivphrasen führt hier zu einem interpretatorischen Holzwegeffekt („garden path“), da sich dann eine Lesart als asyndetische Koordination anbietet. Eine koordinative Lesart wird blockiert und die Akzeptabilität erhöht sich, wenn die beiden sekundären Prädikate nicht juxtaponiert sind, sondern beispielsweise mit Hilfe einer Linksversetzungskonstruktionen oder durch dazwischengestellte Partikeln und Adverbien wie in (64c/d) separiert werden. Postponierer (64e) können keine eingebetteten Prädikate verknüpfen. (64a) (64b) (64c) (64d) (64e) (65)

eine wunderbare, {weil/da/obwohl/*dadurch dass/*trotzDEM/*ungeachtet dessen dass} wahre Geschichte ?eine {weil/da/obwohl/wenn} wahre, glaubwürdige Geschichte eine {wenn/falls/sofern} wahre, dann auch glaubwürdige Geschichte eine {wenn auch/wenngleich/wiewohl} erfundene, so doch glaubwürdige Geschichte *eine schöne, {sodass/weshalb} glaubwürdige Geschichte Seit Donnerstag gibt es eine erste, wenn auch nur vage Beschreibung eines Mitgliedes der gefürchteten Dämmerungsbande. (Neue Kronen Zeitung, 04.12.1999, S. 19) Im Stein sah er das einzig wahre, weil echte Material des Bildhauers. (Die Presse, 07.06.1995, o. S.)  

(66)



A1 Syntaktische Grundlagen

37

(iii) Einbettende Verknüpfungen durch Verbzweitsatz-Einbetter Wie Postponierer können auch Verbzweitsatz-Einbetter keine sekundären Propositionen verknüpfen (67a/b). Das hat damit zu tun, dass Verbzweitsatz-Einbetter Eigenschaften von Matrixsatzprädikaten haben, die einen Verbzweitsatz in Komplementfunktion einbetten, sodass ihr internes Konnekt immer ein (Verbzweit-)Satz sein muss. Sie lassen im Unterschied zu Subjunktoren (68a) auch keine nicht satzförmigen Konnekte als interne Konnekte zu (68b; zu „Nichtsatzsubjunkten“ vgl. HDK-1: 361– 368). Das hängt wiederum mit ihrem Merkmal (V2S-E8) zusammen (vgl. HDK-1: 452), wonach sie bevorzugt fokale Konnekte haben. (67a) (67b) (68a) (68b)

*eine wunderbare, {vorausgesetzt/angenommen} wahre Geschichte *eine {vorausgesetzt/angenommen} wahre, dann auch glaubwürdige Geschichte Weil von allen Kollegen geschätzt, wird Ilse sicher in den Betriebsrat gewählt. *Vorausgesetzt von allen Kollegen geschätzt, wird Ilse in den Betriebsrat gewählt.

(iv) Koordinative Verknüpfung durch Konjunktoren Bei Konjunktoren ist die Verknüpfung von sekundären Propositionen keine Besonderheit, da sie primäre Koordinate auf allen Ebenen der syntaktischen Strukturbildung verknüpfen können (s. Abb. A1-4). (69a) (69b) (69c)

eine schöne und/sowie/oder wahre Geschichte eine sowohl schöne als auch wahre Geschichte eine weder schöne noch wahre Geschichte

Exkurs: Koordinative Verknüpfungen von Adjektivphrasen vs. Konnexionen von Sekundärpropositionen Nach dem Definitionskriterium für Koordination, dass die verknüpften Einheiten identische syntaktische Funktion haben müssen, die vom Koordinationsrahmen und nicht vom Konnektor zugewiesen wird, scheinen Strukturen wie die obigen allesamt auf den ersten Blick Fälle von koordinativen Verknüpfungen zu sein: auf der Oberfläche besteht zwischen den Beispielen in (i)–(iv) kein Unterschied.3 Gegen eine Analyse als koordinative Verknüpfung sprechen folgende Argumente: (i) Zunahme von polykategorialen Konnektoren In Kontexten wie oben können Konnektoren auftreten, die üblicherweise als Subjunktoren oder Adverbkonnektoren (bzw. Konjunktionaladverbien) klassifiziert werden. Bei einer Analyse dieser Bei-

3 Tatsächlich werden in der Duden-Grammatik (2009: 631) unter den koordinierenden Konjunktionen (Duden-Terminologie: „Konjunktionen“) auch weil und da (neben denn) als „kausale Konjunktionen“ gelistet – mit der Einschränkung „nur zwischen Adjektiven“, illustriert am Beispiel das schlechte, weil/ da fehlerhafte Buch.

38

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

spiele als Koordination müsste all diesen Konnektoren auch eine Verwendungsvariante als Konjunktor zugeschrieben werden – solch inflationäre Polykategorialität wäre aber eine unplausible und unerwünschte Verkomplizierung des Lexikons. (ii) Einschränkung des kategorialen und semantischen Typs der Koordinate Und kann – als Universalkonjunktor – Koordinate beliebiger Wortart und beliebigen Phrasentyps verknüpfen bis hin zu Einheiten unterhalb der Wortebene (be- und entladen). Auch in Bezug auf den semantischen Typ der Koordinate gibt es keine Beschränkung: Sachverhaltsbeschreibungen (z. B. Der Mensch denkt und Gott lenkt; Konzeption und Ausführung des Projekts), Eigenschaften (z. B. stolz und eingebildet; Stolz und Vorurteil), Individuen (z. B. Hunde und Katzen). Die oben angeführten Beispiele sind dagegen auf propositionale Strukturen beschränkt, nämlich Sachverhaltsbeschreibungen und Eigenschaftsaussagen in der Form von attributiv eingebetteten Sekundärpropositionen:  





(70)

*ein Hund {danach/dennoch/allerdings} eine Katze

(iii) Ergänzbarkeit zu koordinativen Strukturen Verknüpfungen von eingebetteten Propositionen mit Adverbkonnektoren können in der Regel zu undKoordinationen ergänzt werden, sofern dadurch kein semantischer Clash entsteht (was bei einigen adversativen Adverbkonnektoren der Fall ist, vgl. 71e). Die hier auftretenden Adverbkonnektoren können also nicht selbst Konjunktorfunktion haben. (71a) (71b) (71c) (71d) (71e)

eine wunderbare und {noch dazu/darüber hinaus/außerdem/obendrein} wahre Geschichte eine erfundene und {nichtsdestotrotz/dennoch/dessen ungeachtet} wunderbare Geschichte der zuerst prima aufgegangene und {danach/nachher/später/hinterher/inzwischen} aber im Ofen zusammengefallene Hefeteig ein defektes und {folglich/also/daher/darum} gefährliches Elektrokabel eine wunderbare {*und aber/?und allerdings/*und jedoch/und freilich} erfundene Geschichte

Auf der anderen Seite können in koordinierten Strukturen mit Koordinationsreduktion die Koordinate aus dem Koordinationsrahmen zu vollständigen koordinativ verknüpften Sätzen aufgefüllt werden (71f). Ergänzt man hingegen in eingebetteten subordinativen Verknüpfungen die Konnekte aus dem Subordinationsrahmen, geht das nur mit einer subordinativen Struktur (71g). (71 f)  

(71g)

Das ist eine unglaubwürdige und wahre Geschichte. Das ist eine unglaubwürdige Geschichte und das ist eine wahre Geschichte. Das ist eine unglaubwürdige, wenngleich wahre Geschichte Das ist eine glaubwürdige Geschichte, wenngleich das eine wahre Geschichte ist /*wenngleich das ist eine wahre Geschichte.  

(iv) Variable Abfolge der Konnekte bei Subjunktorverknüpfungen Während Konjunktoren und Adverbkonnektoren immer die Abfolge externes vor internem Konnekt erzwingen, ist die Abfolge der Konnekte bei Subjunktoren variabel. Auch in eingebetteten Strukturen sind Anteposition und Postposition des internen Konnekts im Prinzip immer möglich, zumindest wenn Holzweg-Interpretationen durch Separierung der eingebetteten Propositionen vermieden werden. (72a) (72b (73a)

Der Stein ist das einzig wahre, weil echte Material des Bildhauers. Der Stein ist, weil das echte, das einzig wahre Material des Bildhauers. eine schöne, obwohl erfundene Geschichte

A1 Syntaktische Grundlagen

(73b) (74)

39

eine obwohl erfundene, (so doch) wahre Geschichte Dass die Sinnlichkeit fließende – wiewohl groteske – Übergänge kennt vom Nachtmahl zum Beilager, hat der Regisseur Ustinov in […] „Hammersmith is Out“ ins Bild gesetzt. (Berliner Zeitung, 14.04.2001, S. 3)  

Fazit: Bei der Verknüpfung von sekundären Propositionen durch Subjunktoren und Adverbkonnektoren können Oberflächenstrukturen entstehen, die koordinativen Verknüpfungen ähneln, die aber strukturell nicht anders als durch die syntaktische Subklasse des Konnektors determiniert zu analysieren sind, nämlich als subordinative bzw. parataktische Verknüpfungen. Die in solchen Konstruktionen auftretenden Subjunktoren und Adverbkonnektoren stellen also keine koordinativen Verknüpfungen her und haben nicht die Eigenschaften von Konjunktoren.4

Da sekundäre, eingebettete Propositionen semantische Analoga zu den primären, satzförmig kodierten Propositionen sind und diejenigen Konnektoren, die hier auftreten können, sich syntaktisch und semantisch nicht anders als bei der Konnexion von primären Propositionen verhalten, betrachten wir solche Strukturen als Fälle von Konnexion. Die syntaktische Funktion der Subjunktorphrase gegenüber ihrem adjektivischen oder partizipialen Bezugsausdruck ist allerdings mit keiner der gängigen satzbezogenen Kategorien (Satzadverbial, Verbgruppenadverbial, Attribut) adäquat erfasst; eine differenzierte Kategorisierung der Modifikation von sekundären Prädikaten ist ein Forschungsdesiderat, da die mitunter getroffene Beschreibung als attributive Beziehung eines „Teilsatzglieds“ zu einem Satzglied viel zu grob ist.

1.3.2 Nominalphrasen (Termausdrücke) als externe Argumente In den folgenden Fällen handelt es sich dagegen wirklich um Attribution. Einige adverbiale Subjunktor- und Postponiererphrasen können auch in postnominaler Stellung Attribute zu einer NP sein (vgl. HDK-1: 381). Bei den temporalen tritt hier die Besonderheit auf, dass sie Attribute zu Nomina sein können, die Zeitintervalle bezeichnen (75a/b); alle anderen, die in solchen attributiven Konstruktionen auftreten können, sind auf propositionsdenotierende nominale Köpfe beschränkt (75c/d). (75a) (75b) (75c)

Der Tag, als/bevor der Regen kam, wurde bejubelt. Der Augenblick, wenn die Sonne im Meer versinkt, ist herrlich. Eine Einnahme der Stadt, ohne dass Blut fließt, ist unwahrscheinlich.

4 Diese Analyse gilt bis auf weiteres für das Gegenwartsdeutsche. Natürlich sind solche Strukturen Einfallstore für syntaktischen Sprachwandel, da sie aufgrund der Identität der Oberflächenstrukturen zu einer Reanalyse der „Tiefenstruktur“, d. h. der zugrundeliegenden syntaktischen Struktur geradezu einladen (s. Paul 1960: 299 ff.). Auf eine solche Reanalyse einer einbettenden Vergleichskonstruktion gehen beispielsweise die Konjunktoren sowie und sowohl (…) als auch zurück (s. Breindl 2007a, 2008b).  



40

(75d)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Eine Erhöhung des Etats, sodass/damit wir im laufenden Jahr über die Runden kommen, ist unwahrscheinlich.

Eine attributive Funktion von Adverbkonnektoren ist weitgehend auf die temporalen beschränkt, und auch von diesen sind nicht alle möglich. (76a) (76b) (76c) (76d)

der Tag {danach/davor/*währenddessen} war gelungen die Zeit {seitdem} war langweilig die Entscheidung *{dennoch/trotzdem} war richtig die Entscheidung? {deshalb/infolgedessen} war richtig

Pränominale Attribute zu propositionsdenotierenden Nomina können von einigen konzessiven Subjunktoren gebildet werden. (77a) (78a)

Es bleibt also bei einer wenn auch reduzierten Erhöhung . Ein – wenngleich noch vager – Zweifel bringt zumindest wieder mehr Leben in Frankreichs innenpolitische Debatte. (Die Presse, 11.01.1994, o. S.)  



Als externes Argument fungiert hier semantisch die Faktizitätsbehauptung für das attribuierte Nomen: ausbuchstabiert würde sich eine Verknüpfung von adjektivischen Sekundärpropositionen ergeben: (77b) (78b)

Es bleibt also bei einer (existierenden) wenn auch reduzierten Erhöhung. ein (existierender) wenngleich noch vager Zweifel

Ein besonderer Fall sind Attributionen zu Nomina, die keine Sachverhaltsbezeichnungen sein müssen. Im folgenden Beispiel begründet die denn-Phrase die Auffassung des Sprechers, dass die durch das Kopfnomen ausgedrückte Charakterisierung zutrifft. Die Verknüpfung erfolgt hier nicht auf der propositionalen Ebene (s. C4.2.3.1.1.1.3). (79)

(80)

Wer des Pfälzischen einigermaßen kundig ist, merkt natürlich sofort, daß das Wort Käärschdel ein Diminutiv, also eine Verkleinerung ist, was darauf schließen läßt, daß das Handwerkszeug – denn um ein solches geht es hier – nicht allzu groß ist. (Die Rheinpfalz, 26.10.1996) Schön dumm von mir, einen potentiellen Erpresser – denn das ist dieser Keener noch immer – ohne Grund zum Bleiben aufzufordern […]. (Highsmith, Gesichter, S. 49 f.)  



Da auch in solchen Fällen ein Bezug auf eine Proposition gegeben ist und der Konnektor in dieser Umgebung in Bezug auf das syntaktische Verknüpfungsverfahren und seine Bedeutung nicht anders funktioniert als bei kanonischen Satzverknüpfungen, betrachten wir auch diese Fälle als Instanzen von Konnexion.

A1 Syntaktische Grundlagen

41

1.3.3 Verbalphrasen (Prädikate) als externe Argumente Verbgruppenadverbialia modifizieren nicht einen Sachverhalt mit all seinen Beteiligten und Umständen, sondern spezifizieren nur einen bestimmten Aspekt desselben. Das ist vor allem der Fall bei der „modalen“ Spezifizierung des Wie. Die hier auftretenden Junktoren als und wie werden in HDK-1 (419 f., 617 ff.) (in Übereinstimmung mit GDS: 61, Altmann/Hahnemann 2005: 107 u. 148, Weinrich 1993: 785–798, Eggs 2007) nicht zu den Subjunktoren gerechnet, sondern bilden eine eigene Klasse der Adjunktoren. Als Adjunktoren stufen auch wir sie ein, und zwar auch dann, wenn sie in Vergleichskonstruktionen einen Verbletztsatz, einen Verberstsatz oder eine Subjunktorphrase anschließen, die keinen Satz modifizieren.  

(81a) (81b) (81c) (81d)



Er wird regieren, wie sie es getan haben. (Werbung zur Bundestagswahl 2009) Er wird besser regieren, als sie es getan haben. Er arbeitet, wie er isst, nämlich schnell. Er lächelt, als wäre allein die Frage schon ein guter Witz: „Taxi?“ (Berliner Zeitung, 08.10.1997, S. 3) Das läuft anders, als wenn du da bist. Ich konnte es mir nicht anders erklären, als daß Fredebeul ihr „strikte Anweisungen“ gegeben hatte, mich so abzufertigen. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 101)  

(81e) (81f)



Auch in der Funktion eines Prädikativkomplements zur Kopula oder zu Verben wie sich verhalten, so tun, sich benehmen, zumute sein etc. zählen wir als mit einem Verbletzt- oder Verberstsatz nicht zu den Konnektoren. (82)

Es wird dem Leser zumute sein, als habe er selbst das Lied verfaßt. (MK1/ WSP, Staiger, Poetik, S. 49) Es ist, als würde die Musik aus einer anderen Quelle geschöpft. (MK1/WSP, Staiger, Poetik, S. 35)  

(83)



Lediglich für einige Verwendungen von als mit Verberstsatz und von subordinierendem als ob, als wenn und wie wenn wurde in HDK-1 gezeigt, dass sie als Satzadverbialia einzustufen sind. Da sie dort auch in ihren semantischen Eigenschaften ausführlich beschrieben sind, wird hier nicht weiter auf Vergleichskonstruktionen eingegangen (s. auch die Abgrenzung in der Einleitung dieses Bands).

42

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

A1.4 Formen von Konnektoren und Grenzfälle Da Konnektoren eine Mischklasse aus mehreren Wortarten bilden, ist es nicht überraschend, dass sie auch in morphologischer Hinsicht von sehr unterschiedlicher Gestalt sein können. Das formale Gewicht – morphologische Komplexität und phonologisches Gewicht – ist einer der Parameter, die bei der Verortung eines Konnektors bzw. der durch ihn gebildeten Konstruktion auf einer Grammatikalisierungsskala ausschlaggebend ist (vgl. Lehmann 1995a). Mit abnehmendem Grammatikalisierungsgrad lassen sich Konnektoren wie folgt skalar ordnen:5 (i)

morphologisch einfache monolexematische bzw. etymologisch weitgehend verdunkelte Konnektoren Sie bilden eine geschlossene Klasse und repräsentieren die diachron älteste Schicht. Typischerweise findet sich bei ihnen ein hohes Maß von Polykategorialität und Mehrdeutigkeit (s. A3). Vertreter dieses Typs sind etwa und, aber, als, wie, da, doch, so, wenn, bis, seit, ehe. (ii) morphologisch komplexe monolexematische Konnektoren Derivate: bereits, ausschließlich, endlich, falls, folglich, höchstens, später, während, vorausgesetzt, angenommen Komposita bzw. Zusammenrückungen aus Syntagmen:6 hiermit, allerdings, alldieweil, gleichwohl, nichtsdestotrotz, ohnedies, ohnehin usw. Hierher gehören auch Adverbkonnektoren in der Form von Pronominaladverbien. Konnektoren vom Typ (ii) sind in ihrem Aufbau voll transparent und häufig (aber nicht notwendig) semantisch kompositional erschließbar. Sie repräsentieren eine diachron jüngere Schicht und entstammen zum größeren Teil der normierenden Periode

5 Eine noch höhere Grammatikalisierungsstufe wären klitische, nicht als selbständiges Wort auftretende Konnektoren, wie sie etwa das lateinische-que in arma virumque repräsentiert. Dieser Typ ist im Deutschen nicht vertreten. 6 In der Klassifikation der Konnektoren nach ihrer morphologischen Struktur gehen wir hier strikt von der Oberflächenstruktur aus, wie sie sich synchron präsentiert. Konnektoren mit weitgehend verdunkelter Etymologie werden als Simplizia gewertet und Konnektoren mit mehr als einem synchron identifizierbaren und potentiell selbständigen morphologischen Bestandteil werden als Komposita eingestuft. Dabei sind wir uns dessen bewusst, dass die im Wesentlichen an den nominalen Wortklassen entwickelte Wortbildungsdichotomie Komposition vs. Derivation bei Adverbien, Konjunktionen und Präpositionen nicht vernünftig anzuwenden ist, da hier Prozesse der Lexikalisierung komplexer Einheiten aus Syntagmen eine zentrale Rolle spielen, die in Wortbildungslehren unter dem Stichwort „Zusammenrückung“, „Zusammenbildung“, „Konversion von Wortgruppen“, „dephraseologische Derivate“ (Fleischer/Barz 1995), „konvertiertes Adverbderivat“ (Donalies 2005) eher ein Nischendasein führen. Generell ist die Wortbildung der Nebenwortarten und ihr Verhältnis zu den Wortbildungsmustern der Hauptwortarten mit ihrer relativ klaren internen hierarchischen Struktur noch ein offenes Forschungsfeld.

A1 Syntaktische Grundlagen

43

der deutschen Sprachgeschichte (vgl. Abraham 1980). Hier können auch adjektivische oder partizipiale Formen auftreten. (iii) phraseologische Konnektoren Lexikalisierte phraseologische Konnektoren: infolgedessen, anstatt dessen; auf dass; zum Beispiel; nur dass. Frei bildbare phraseologische Konnektoren: unter Berücksichtigung dessen, dass; aufgrund der Tatsache, dass; mit dem Ziel, dass usw. Phraseologische Konnektoren sind durch Restrukturierung von frei bildbaren Syntagmen entstanden (vgl. am Beispiel der kausalen Konnektoren den zweiten Exkurs in C4.2.1.1). Sie stellen eine offene Klasse dar. Die Nähe zum Syntagma zeigt sich bei ihnen auch an orthographischen Schwankungen und Unsicherheiten der Schreiber in Bezug auf Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung. Stilistisch sind sie großteils eingeschränkt auf die Schriftsprache, in Sonderheit die Verwaltungssprache. Exkurs: Zur morphologischen Struktur der phraseologischen Konnektoren mit Präpositionen Die meisten phraseologischen Konnektoren enthalten eine sekundäre Präposition (bezüglich, hinsichtlich, entsprechend, gemäß) bzw. „präpositionswertige“ PP (anhand, in Anbetracht, mit Bezug, unter Berücksichtigung) als Kern. Daraus entsteht ein (pronominaladverbialer) Adverbkonnektor, wenn die Komplementstelle dieser Präposition entsprechend ihrer Rektion mit einer genitivischen (in Anbetracht/hinsichtlich dessen), dativischen (demgemäß, dementsprechend) oder präpositionalen Proform (in/im Hinblick darauf, im Zusammenhang damit) gefüllt ist. Diese Proform kann wiederum durch einen dass-Satz attributiv erweitert werden, sodass durch Restrukturierung daraus ein komplexer Subjunktor wie in Anbetracht dessen …, dass oder in Hinblick darauf, dass entsteht. (Zur Entstehung von Konjunktionen als Ergebnis einer „Gliederungsverschiebung“ vgl. auch Paul (1970: 369 f.) und Lehmann (2002).)  

Tab. A1-2: Morphologische Struktur der phraseologischen Konnektoren PHRASEOL OGISCHEN K ONNEKTOREN M ORPHOLOGISCHE S TRUKTUR DER PHRASEOLOGISCHEN

SimplexPräposition

deverbales Nomen

komplexe Präposition

Proform (ProNP ProPP)

Komplementierer

satzförmiges Komplement zu dass

Komplement d. Präp.

Im

Hinblick

darauf

In

Anbetracht

dessen

hinsichtlich/bezüglich/angesichts

dessen

komplexer Adverbkonnektor

internes Konnekt

in/im

Hinblick

darauf

machen wir es so

in

Anbetracht

dessen

machen wir es so

dessen

machen wir es so

hinsichtlich/bezüglich/angesichts

44

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

M ORPHOLOGISCHE S TRUKTUR DER PHRASEOLOGISCHEN PHRASEOL OGISCHEN K ONNEKTOREN SimplexPräposition

deverbales Nomen

Proform (ProNP ProPP)

Komplementierer

komplexer Subjunktor

satzförmiges Komplement zu dass internes Konnekt

in/im

Hinblick

darauf

dass

dies der Fall ist

In

Anbetracht

dessen

dass

dies der Fall ist

dessen

dass

dies der Fall ist

hinsichtlich/bezüglich/angesichts

(iv)

Grenzfälle: Ausdrücke des Nennwortschatzes mit konnektorartiger Funktion Abstrakte relationale Ausdrücke des Nennwortschatzes können als Prädikatsbestandteile ebenfalls solche inhaltlichen Beziehungen ausdrücken, wie sie durch Konnektoren der verschiedenen semantischen Klassen zum Ausdruck kommen. In den fraglichen Prädikaten treten Verben und Nomina auf wie Grund, Folge, Bedingung, Voraussetzung, Ziel, verursachen, zur Folge haben, führen zu, auslösen, resultieren in, entgegenstehen usw. (Eine gute Übersicht bieten von Polenz 1985 und Buscha et al. 1998.)  

(84)

Auch in der Innerschweiz bereitete die Feuerwehr Schutzmassnahmen für den Fall weiterer Regenfälle vor. Da die Schneeschmelze einen überdurchschnittlichen Wasserabfluss zur Folge haben wird, könnten in den kommenden Monaten intensive Regenfälle weitere Hochwasser auslösen. (St. Galler Tagblatt, 19.05.1999, o. S.)  

Ausdrücke des Nennwortschatzes sind bekanntlich – neben Deiktika und Adverbien – eine der Quellen für Konnektoren (vgl. etwa weil < mhd. die wîle; während < währen; trotzdem < trotzen/Trotz, unbeschadet dessen < schaden, die Verbzweitsatz-Einbetter sowie viele der Bildungen unter (iii)). Relationale Nomina haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Konnektoren, wenn sie in desintegrierter Position unflektiert und ohne weitere Modifikatoren (allenfalls mit Determinatoren) zwischen zwei Sätzen stehen (vgl. auch Waßner 2004: 388 ff).  

(85)

Knapp 2000 Sportbegeisterte radeln durch die Stadttore von Ladenburg. Auf einmal sind die meisten Straßen dicht, der Verkehr steht still und die verwinkelten Gassen quellen ob der vielen Menschen fast über. Ursache: Ladenburg ist dieses Jahr Etappenziel der inzwischen berühmt gewordenen „Tour de Ländle“. (Mannheimer Morgen, 08.08.1998, o. S.) Zwar kam der Adel auf den Kreuzzügen mit Zahnbürsten und parfümierter Seife in Kontakt. Doch die wurden daheim kaum benutzt. Der Grund: Der Adel hatte Probleme mit dem Wasser. (Der Spiegel 13, 2003, S. 182)  

(86)



A1 Syntaktische Grundlagen

(87)

45

Die Berliner Zeitung hält für ihre Leser 10 × 2 Freikarten zur Premiere bereit. Interessenten können sich morgen ab 11 Uhr unter der Telefonnummer 23 27 81 00 melden. Bedingung: Sie müssen volljährig sein. (Berliner Zeitung, 02.04.1998, S. 32).  









Allein schon aufgrund ihrer beliebigen Erweiterbarkeit, in der sie sich auch von den phraseologischen Konnektoren des Typs (iii) unterscheiden, kann man relationale Nomina in diesen Verwendungen nicht zu den Konnektoren rechnen: (86a)

Seifen und Zahnbürsten wurden kaum genutzt: der Grund (ist)/möglicher Grund (ist)/einer der Gründe (ist)/der wichtigste Grund (ist)/mutmaßlicher Grund (ist)/ein möglicher Grund ist/der Grund ist möglicherweise: Der Adel hatte Probleme mit dem Wasser.

In Verwendungen wie in (86a) bildet das Nomen Grund zusammen mit einem expliziten oder zu ergänzenden finiten Kopula-Verb einen Matrixsatz, unter den ein Verbzweitsatz in Komplementfunktion (hier: ein Subjektsatz) eingebettet wird. Mit Verwendungen wie (85–87) teilen desintegrierte Konnektoren an der Nullstelle sowohl die syntaktischen und prosodischen Eigenschaften als auch die semantischen Beschränkungen (vgl. Breindl 2009). In (86a) könnte ohne weiteres anstelle der fett markierten Ausdrücke ein weil („weil-Verbzweit“) stehen. Die desintegrierte Nullstelle bildet somit eine Scharnierposition für Grammatikalisierungsprozesse, in der einerseits relationale Ausdrücke des Nennwortschatzes eine konnektorartige und damit stärker grammatikalisierte Funktion übernehmen können (als Ergebnis einer Ellipse aus einem komplementsatzeinbettenden Matrixsatz), andererseits hochgradig grammatikalisierte und lexikalisierte Konnektoren – etwa Subjunktoren wie weil, während, wobei – eine Degrammatikalisierung erfahren können. Dabei verlieren sie ihre Rektionsfähigkeit (sie „regieren“ hier keinen Verbzweitsatz, sondern die Verbstellung des nachfolgenden, selbständigen Satzes ist abhängig von dessen Satzmodus) und sie gehören in solchen Konstruktionen nicht mehr zu einem kleinen Paradigma von Subjunktoren, sondern sind mit Adverbkonnektoren und Konjunktoren äquivalent. (v) Interpunktion in asyndetischen Satzfolgen Die durch Konnektoren explizit zum Ausdruck gebrachten inhaltlichen Relationen zwischen zwei Propositionen sind in vielen Fällen für den Adressaten auch in asyndetischen Satzfolgen erschließbar (vgl. Breindl/Waßner 2006). In schriftsprachlichen Texten kann eine bestimmte, nicht-abschließende Interpunktion unabhängig von der prosodischen Kontur darauf hindeuten, dass eine Proposition inhaltlich noch weitergeführt wird und dem Leser signalisieren, dass er einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dieser und der folgenden Proposition herstellen soll. Diese Funktion kommt vor allem den Interpunktionszeichen Komma, Semikolon, Doppelpunkt und Gedankenstrich zu (vgl. Bredel 2004, 2009, Bredel/Primus 2007, Karhiaho 2003, Duden-

46

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Grammatik 2005: 1064 f.). Zwischen Sätzen, die mit diesen Interpunktionszeichen getrennt sind, können genau dieselben semantischen Relationen vorkommen, die auch bei asyndetischen Folgen von Sätzen mit einem Satzschlusszeichen auftreten können. Bevorzugt sind dies Kausalzusammenhänge. Interpunktionszeichen wie Gedankenstrich, Semikolon und Doppelpunkt kodieren somit zwar das Vorliegen von Kohärenz, aber keinen spezifischen relationalen Zusammenhang. Ein eingeschränkteres semantisches Spektrum denotiert der Schrägstrich. In Verwendungen wie ledig/ verheiratet hat er disjunktive Bedeutung. Diese Bedeutung bringt er auch in den komplexen Konjunktor und/oder ein (s. C3).  

(87)

„Nicht anklagen – anmieten!“ So heißt ein neues Rezept gegen Schikanen von Wohnungsspekulanten. (Süddeutsche Zeitung, 29.12.1984, o. S.) (korrektiv) Er brauchte sich nicht beim Pförtner zu erkundigen: auf der Tafel mit dem ein wenig eingedunkelten Firmennamen fiel ihm das helle Messingschild sogleich ins Auge, Triton-Verlagsgesellschaft, vierter Stock. (Lenz, Ludmilla, S. 122; Bsp. aus Karhiaho 2003: 58) (kausal) Disziplinarverfahren wurden kaum eingeleitet: Die Beamten konnten sich „hocherhobenen Hauptes mit einer komfortablen Entschädigung“ verabschieden, bemerkten die Kontrolleure. (Spiegel, 22.03.1999, S. 189; Bsp. aus Karhiaho 2003: 64) (konsekutiv) Meine persönlichen Beziehungen zu ihm hatten sich bei den gelegentlichen gesellschaftlichen Begegnungen nicht erwärmt; er hatte offenbar manche boshafte publizistische Kritik nicht vergessen. (MK1/MHE, Heuss, Erinnerungen, S. 389) (kausal)  

(88)



(89)



(90)



A1.5 Komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum Die Klassenmerkmale definieren für die einzelnen Vertreter einer syntaktischen Konnektorenklasse unterschiedlich große formale und inhaltliche Variationsspielräume. Die folgende Übersicht zeigt die Parameter Konnektabfolge, Konnektorstellung, Satztyp (Satzmodustyp, Verbstellung) des internen Konnekts, Grad der Integration des internen Konnekts (d. h. sind integrierte und desintegrierte Abfolgen möglich?) und informationsstruktureller Status („Fokus-Hintergrund-Status“) des internen Konnekts (d. h. kann das interne Konnekt sowohl Fokus als auch Hintergrund sein?).  



47

A1 Syntaktische Grundlagen

Tab. A1-3: Klassenspezifische syntaktische Variationsparameter *bei weil, obwohl, während und wobei neben Verbletztsätzen auch Verbzweitsätze/Verberstsätze möglich Konnektabfolge

Konnektorstellung Satztyp des IK

Integration des IK

FHG-Status des IK

Subjunktoren

variabel

fest

meist fest*

variabel

variabel

Postponierer

fest

fest

fest

fest

fest

V2S-Einbetter

variabel

fest

fest

variabel

fest

Konjunktoren

fest

fest

variabel

variabel

fest

Adverbkonnektoren

fest

variabel

variabel

fest

variabel

Zu diesem klassenspezifischen Variationsspielraum kommt der im Prinzip für alle syntaktischen Konnektorenklassen gleichermaßen gegebene Variationsspielraum in der formalen und inhaltlichen Ausgestaltung der Konnekte, der durch Variationsparameter wie Modus und Tempus der Prädikate, Situationstyp (= aspektuelle Charakteristik), Grad der strukturellen Ähnlichkeit von internem und externem Konnekt u. a. m. aufgespannt wird. Die klassenspezifischen wie die klassenunabhängigen Variationsparameter spielen eine wichtige Rolle für die Konkretisierung und Auffüllung unterspezifizierter Konnektorbedeutungen im Interpretationsprozess. Solche Konkretisierungen verlaufen weder willkürlich noch sprechersubjektiv, vielmehr lässt sich zeigen, dass sie durch bestimmte Konstellationen von Ausprägungen der Variationsparameter in systematischer Weise gesteuert werden. Zu zeigen, welche Parameterfixierung in welcher Parameterkonstellation bei den einzelnen semantischen Klassen welche Inferenzprozesse beim Leser steuert, wird Aufgabe der Kapitel des C-Teils dieses Buchs sein. An dieser Stelle soll das Prinzip an einigen Beispielen angedeutet werden.  



1.5.1 Differenzparameter Stellung des Konnektors Bei Adverbkonnektoren können unterschiedliche Positionen des Konnektors in der Linearstruktur des internen Konnekts mit unterschiedlichen Interpretationen korreliert sein. (91a) (91b) (91c)

Lene putzte das Gemüse. Indessen las Hans die Zeitung. Lene putzte das Gemüse. Hans las indessen die Zeitung. Lene putzte das Gemüse. Hans indessen las die Zeitung.

In (91a) und (91b) wird die Verknüpfung vorzugsweise temporal interpretiert: Assertiert wird, dass die in den Konnekten genannten Ereignisse zeitlich simultan ablaufen.

48

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Die Nacherstposition in (91c) induziert dagegen eine andere Lesart: Die Ereignisse werden als miteinander kontrastierend interpretiert. Ein Gegensatz zwischen den Bedeutungen von Gemüse putzen und Zeitung lesen ist aber nicht unmittelbar mit der wörtlichen Bedeutung gegeben. Er muss vom Hörer inferiert werden, indem er durch schrittweise Generalisierungen über die Prädikatbedeutungen zu einem im gegebenen Kontext kontrastfähigen Aussagepaar gelangt, hier etwa ein Kontrast ‚tätig sein‘ vs. ‚untätig sein‘. (91a) und (91b) schließen diese Kontrastlesart nicht gänzlich aus, wohl aber schließt die Nacherstposition in (91c) die rein temporale Lesart aus. (Zur besonderen Korrelation von Nacherststellung und Kontrastinterpretation s. C2.3.)

1.5.2 Differenzparameter Satztyp des internen Konnekts Einige Subjunktoren, nämlich weil, obwohl, während und wobei, können außer Verbletztsätzen auch Hauptsatzstrukturen einleiten (vgl. zuletzt Antomo/Steinbach 2010, 2013, Reis 2013). Semantisch ist diesen Subjunktoren gemeinsam, dass ihr internes Konnekt faktisch sein muss und dass beide Konnekte fokal sein müssen. Breite Aufmerksamkeit hat das Phänomen der Hauptsatzstellung nach Subjunktoren bei weil erfahren, es ist jedoch kein idiosynkratisches lexikalisches Phänomen und ebenso wenig Ausdruck eines wie auch immer gearteten Sprachverfalls. (92a) (92b)

Ich trink noch ein Bier, obwohl ich schon zwei getrunken hab. Ich trink noch ein Bier, obwohl, ich hab schon zwei getrunken.

Im Beispielpaar (92a/b) kovariieren die Parameter Satztyp und Integrationsgrad des internen Konnekts. Hauptsätze werden von Subjunktoren meist mit prosodischer Separierung angeschlossen (Pause zwischen Konnektor und beiden Konnekten, Zögerungslängung des Konnektors, F0-Neuansatz im zweiten Konnekt). Auch die Konnektabfolge ist bei diesen Strukturen dann nicht mehr variabel und auf Postposition des internen Konnekts beschränkt (92c vs. 92b). (92c) (92d)

*Obwohl, ich hab schon zwei Bier getrunken, trink ich noch eins. Obwohl ich schon zwei Bier getrunken hab, trink ich noch eins.

Die subordinative Konstruktion in (92a) und (92d) ist als konzessive Verknüpfung auf der propositionalen Ebene zu interpretieren. Die desintegrierte Anknüpfung einer Hauptsatzstruktur mit obwohl kann man dagegen nur auf der Sprechaktebene interpretieren. Der Sprecher nennt damit einen Einwand gegen sein mit dem ersten Konnekt geäußertes Vorhaben. Dadurch lässt er dem Hörer die Inferenz offen, dass die Geltung dessen, was mit diesem ersten Sprechakt geäußert wurde, für den Sprecher nicht unumstößlich ist und er seine Ankündigung, ein weiteres Bier zu trinken, doch nicht wahr macht. Die subordinative obwohl-Konstruktion legt dagegen keine solche

A1 Syntaktische Grundlagen

49

Inferenz nahe. (Zu den Verknüpfungsebenen allgemein s. A4.4, zu Sprechaktverknüpfungen bei obwohl und wobei s. C4.3.4, zu weil mit Hauptsatzstellung s. C4.2.)

1.5.3 Differenzparameter Grad der Integration des internen Konnekts Einige Konnektorklassen lassen bei Anteposition des internen Konnekts sowohl integrierte als auch desintegrierte Konstruktionen zu. Auch mit diesem Unterschied kann ein Unterschied in der Bezugsebene korrelieren. (93a) (93b) (94a) (94b)

Wenn ihr mich fragt, das Problem lässt sich lösen. Wenn ihr mich fragt, lässt sich das Problem lösen. Weil du immer so neugierig bist: unsere Nachbarn lassen sich scheiden. Weil du immer so neugierig bist, lassen sich unsere Nachbarn scheiden.

Die prosodisch und syntaktisch desintegrierten Subjunktorphrasen in (93a) und (94a) werden als „metakommunikative Kommentare“ auf der Sprechaktebene gelesen (‚Wenn ihr mich fragt, teile ich euch mit, das Problem lässt sich lösen.‘/‚Weil du immer so neugierig bist, teile ich dir mit, unsere Nachbarn lassen sich scheiden.‘) (vgl. A4.4 und C4.1.2.4). Die vorfeldbesetzende Position der Subjunktorphrase ist in (93b) ambig und drückt in der einen Lesart die Bedingung aus, unter der der mit dem externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt gilt. In (94b) ist überhaupt nur eine kausale Interpretation auf der propositionalen Ebene möglich, die Neugierde des Adressaten ist bei dieser Lesart der Grund für die erwähnte Scheidung, während sie in (94a) der Grund für die Mitteilung des Sprechers ist. Beim metakommunikativen Kommentar ist das interne Konnekt unabhängig von der Realisierung des im externen Konnekt genannten Sachverhalts gültig. Die Lesart als metakommunikativer Kommentar ist in (93b) nicht ausgeschlossen; durch prosodische Separierung wird sie gefördert; umgekehrt wird durch Akzent auf fragt diese Lesart ausgeschlossen. Auch bei Postposition des internen Konnekts kann sich ein unterschiedlicher Grad von syntaktischer und prosodischer Integration bedeutungsdistinktiv auswirken. (95a) (95b)

Wahrscheinlich ist sie \GLÜCKlich/, weil sie /ABgenommen hat\. Wahrscheinlich ist sie /GLÜCKlich\. Weil sie /ABgenommen hat\.

In (95a) ist die postponierte Subjunktorphrase integriert und eingebettet, sie bildet mit dem Einbettungsrahmen zusammen eine Konstituente Satz, sodass ihre Bedeutung im Skopus des Satzadverbs wahrscheinlich liegt. Die Intonationskontur entspricht dem „Hutmuster“ (Uhmann 1991): steigender Akzent auf einer topikalen Konstituente und fallender Fokusakzent innerhalb einer Intonationsphrase. Die Subjunktorphrase be-

50

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

zeichnet hier den vom Sprecher angenommenen Grund für den im externen Konnekt ausgedrückten Glückszustand. In (95b) bilden die erste Satzstruktur und die Subjunktorphrase zwei separate prosodische Phrasen, wobei die erste mit einem tiefen Grenzton endet, und die Subjunktorphrase ist keine Konstituente der syntaktischhierarchischen Struktur der vorausgehenden Satzstruktur. Eine solche desintegrierte weil-Phrase wird anders interpretiert als die integrierte: sie bezeichnet ein Indiz, mit dem der Sprecher seine Vermutenshandlung begründet, wobei von einer Ursache für den Glückszustand der mit sie bezeichneten Person hier gar nicht die Rede ist.

1.5.4 Differenzparameter Grad der Parallelität von externem und internem Konnekt Die Konnekte einer Konnektorverknüpfung können eine mehr oder weniger parallele syntaktische und prosodische Struktur aufweisen. Bei semantisch symmetrischen Relationen, die im prototypischen Fall auch syntaktisch symmetrisch, nämlich koordinativ, kodiert werden, kann durch eine Abweichung von der formalen Parallelität der Konnekte eine Uminterpretation ausgelöst werden. In (96b) wird durch die Satzmodus-Asymmetrie in den Konnekten eine implikative wenn-dann-Interpretation der und-Verknüpfung ausgelöst (s. C2.1.3.1.2.4); in (96a) ist dies nicht zwingend der Fall. (96a) (96b)

Lies den Artikel und lach. Lies den Artikel und du wirst lachen.

Beim Subjunktor während kann die strukturelle Ähnlichkeit der Konnekte zwischen temporalen und adversativen Lesarten disambiguieren. (97a) (97b) (97c)

Heut hab ich ziemlich viel erledigt, während draußen das schönste Wetter war. {HEUte}ia hab ich {ziemlich VIEL erledigt}ja, während ich {GEStern}ib {nur so RUMgehangen}jb habe. Heute hab {ICH}ia {ziemlich VIEL erledigt}ib, während {mein MANN}ib heute {mal GAR nichts gemacht hat}jb.

Die Existenz paarweise kontrastierender Abschnitte (heute/gestern; viel tun/nur so rumhängen; ich/mein Mann) erzeugt in (97b) und (97c) eine adversative Lesart des Subjunktors während; in (97a), wo internes und externes Konnekt keine solchen kontrastierbaren Abschnitte und auch prosodisch keine Parallelstruktur aufweisen, ist eine adversative Interpretation blockiert und während wird entsprechend seiner primären Bedeutung temporal interpretiert.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen

A2

Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen

A2.1

Konnektoren als rollenzuweisende Relatoren  53

A2.2

Subklassenspezifische syntaktische Kategorisierung der Argumentausdrücke: internes und externes Konnekt  56

A2.3

Subklassenspezifische semantische Kategorisierung der Argumente: internes und externes Argument als Träger spezifischer semantischer Rollen  61 Konzeptuell basierte Kategorisierungen: Figur-Grund, Trajektor-Landmark  62 Informationsstrukturell motivierte Kategorisierungen  67

2.3.1 2.3.2 A2.4 2.4.1 2.4.2

Die Syntax-Semantik-Schnittstelle: Abbildung semantischer Rollen auf die Konnekte und Typen semantischer Relationen  69 Symmetrische Relationen  73 Asymmetrische Relationen: NTEZEDENS S -(K K ON -)S S EQUENS -Relationen  76 A NTEZEDEN

Eva Breindl

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen A2.1 Konnektoren als rollenzuweisende Relatoren Die Bedeutung eines Konnektors ist die eines zweistelligen Funktors, der eine spezifische semantische Relation zwischen seinen Argumenten bezeichnet. In der Darstellung als Funktor-Argument-Struktur wird die semantische Repräsentation eines komplexen Satzes analog zu der des einfachen Satzes modelliert. So wie die logischsemantische Struktur (1a)

schreiben (x, y) [mit x, y als Termvariablen]

z. B. den einfachen Satz  

(1b)

Herr Schneider schreibt einen Leserbrief.

repräsentieren kann, ist die Struktur (2a)

weil (p, q)

[mit p, q als Variablen für propositionale Strukturen]

eine Repräsentation für den komplexen Satz (2b)

Herr Schneider schreibt einen Leserbrief, weil er sich über einen Artikel geärgert hat.

Wie verbale Prädikate haben auch Konnektoren eine spezifische, konzeptuell festgelegte Argument-Struktur, die Anzahl und Art der Argumente bestimmt, wobei die Anzahl für alle Konnektoren auf zwei festgelegt ist. (Additive und disjunktive Koordinationen des Typs p, (und/oder) q und/oder r stellen einen besonderen Fall dar, s. C2.1 und C3.) Hinsichtlich der Art ihrer Argumente sind Verben in zweifacher Hinsicht determiniert. Formal ist die Argumentstruktur durch den oberflächensyntaktischen Typ, in dem das semantische Argument realisiert wird, bestimmt. Das sind im Deutschen die Komplementklassen Nominativ-, Akkusativ-, Präpositivkomplement etc. Bei Konnektoren sind es die Satztypen, die als spezifische Restriktionen über Konnektformate anzugeben sind. Dabei ist außer bei subordinierenden Konnektoren allerdings das Format in aller Regel nicht spezifischer als dass eine finite Satzstruktur möglich sein

54

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

muss. Bei den meisten Konnektoren kann insbesondere das externe Konnekt sowohl mehr als auch weniger als einen Satz umfassen (s. A1.3). Die semantische Beziehung der Argumente zu ihrem Funktor wird bei Verben in Form von Partizipantenrollen (ThetaENEF IZIENT etc. dargestellt. Rollen, thematische Rollen) wie A GENS , P ATIENS , T HEMA , B ENEFIZIENT Diese sind Abstraktionen über die konkrete Art der Involvierung eines Partizipanten in einen bestimmten, mit dem verbalen Prädikat ausgedrückten Sachverhalt. Auf diese Weise gehen z. B. die unterschiedlichen Handlungsrollen der Subjekt-Argumente in (3) bis (5) in der thematischen Rolle des A GENS , des Ausführenden einer Handlung, auf.  

(3) (4) (5)

Herr Schneider schreibt einen Leserbrief. (‚Leserbriefschreibender‘) Die Bäuerin treibt die Kühe in den Stall. (‚Kühe in den Stall treibende‘) Paula tanzt. (‚Tanzende‘)

Der Zusammenhang zwischen der Bedeutung eines Verbs und seiner Komplementstruktur kann dann in Form einer Zuordnung seiner thematischen Struktur zu seiner Argumentstruktur repräsentiert werden. Dabei gilt in der Theorie der semantischen Rollen: Jedes Argument erhält genau eine semantische Rolle und jede semantische Rolle wird genau einem Argument zugewiesen. Für die Strukturen von (3) und (4) ergibt sich dann eine Repräsentation, die etwa so aussieht: schreiben

NP1 NPnom A GENS

NP2 NPakk T HEMA

treiben

NP1 NPnom A GENS

NP2 NPakk T HEMA

tanzen



PP PPdir Z IEL



NP1 NPnom A GENS

Verben können nach ihrer Argumentstruktur subklassifiziert werden. Die so genannten „Satzbaupläne“ der traditionellen Grammatik, die Anzahl und Form der Komplemente erfassen, sind grobrastrige Typen solcher Klassenbildungen. Mit der Hinzunahme der semantischen Struktur in Form der semantischen Rollen wird die Klassifikation feinkörniger. In diesem Fall wird gerade die spezifische Art, in der die syntaktische Komplementstruktur und die semantische Theta-Rollen-Struktur aufeinander abgebildet sind, das sogenannte „Argumentlinking“, als subklassenbildendes Muster für Verben genutzt. Zur Klasse der Verben mit dem Muster von schreiben gehören beispielsweise auch die Verben kaufen, bauen, zerbrechen, beschimpfen, zur Klasse der Verben mit dem Muster von treiben gehören die Verben schicken, setzen, stellen, legen

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

55

u. v. m. (Für eine detaillierte Darstellung der für das Deutsche anzusetzenden Muster vgl. GDS: Übersicht 1323 f.) Ganz analog kann man auch Konnektoren nach den Mustern der Abbildung ihrer semantischen auf ihre syntaktische Struktur zu Klassen zusammenfassen. Das Pendant zu den semantischen Rollen der als Verbkomplemente realisierten Terme (wie A GENS , P ATIENS , R EZIPIENT etc.) sind bei den Konnektoren semantische Rollen wie G RUND , F OLGE , B EDINGUNG , Z WECK , K ONTRAST u. ä. m., deren Träger die lautlichen Realisierungen der propositionalen Strukturen, die Konnekte sind. Die Struktur von (2) lässt sich dann etwa so repräsentieren:  







weil:

q Verbletztsatz U RSACHE



p Satzstruktur F OLGE

Mit Hilfe solcher Muster lassen sich die traditionellen semantischen Klasseneinteilungen wie kausal, konditional, konzessiv etc. exakter reinterpretieren und alle Konnektoren nach einem einheitlichen Schema erfassen. Dadurch sollen die Ausdrucksmittel für die unterschiedlichen semantischen Relationen auch relationsübergreifend leichter vergleichbar werden mit dem Ziel, übergeordnete, allgemeinere Kodierungsmuster und -prinzipien herauszuarbeiten. Für die Modellierung der Argumentstruktur von Konnektoren sind zwei Relatpaare relevant: (i) Ein syntaktisch kategorisiertes Paar: internes und externes Konnekt Als internes und externes Konnekt (bei Adverbkonnektoren auch: Trägerkonnekt und Bezugskonnekt) bezeichnen wir ein Paar von potentiell satzförmigen Ausdrücken (s. Konnektormerkmal M5), die über eines der in A1.2 dargelegten syntaktischen Verknüpfungsverfahren (Subordination, Koordination, Einbettung, Parataxe) miteinander verbunden sind. Die Zuordnung ist syntaktisch geregelt und spezifisch für syntaktische Subklassen von Konnektoren, d. h. für alle Konnektoren einer syntaktischen Klasse sind internes und externes Konnekt auf die gleiche Weise und unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer semantischen Klasse definiert. Internes und externes Konnekt sind konnektorspezifisch ausbuchstabiert als Typen von Satzstrukturen in bestimmten syntaktischen Funktionen (s. A1.2). (ii) Ein semantisch kategorisiertes Paar: internes und externes Argument Als internes und externes Argument bezeichnen wir ein Paar von propositionalen Strukturen, die Argumente des Konnektors sind und die vom Konnektor semantische Rollen zugewiesen bekommen.1 Wir legen fest, dass das  

1 Die „Rollenzuweisung“ durch den Konnektor sollte nicht in dem strengen Sinne der Thetatheorie der generativen Grammatik verstanden werden, die die Rollenzuweisung vom Vorliegen einer bestimmten

56

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

interne Argument durch das interne Konnekt, das externe Argument durch das externe Konnekt repräsentiert wird. Je nach der Zugehörigkeit des Konnektors zu einer semantischen Subklasse werden internes und externes ArOL GE E , U RSACHE , B EDINGUNG , BLOCKIERTE B EDINgument zu Rollen wie G RUND , F OLG GUNG , E LEMENT EINER M ENGE TYPGLEICHER E NTITÄTEN NT ITÄTEN o. ä. spezifiziert (s. B2).  

1

Notationskonvention Wir legen fest, dass in formelhafter Schreibweise das externe Konnekt durch die Variable p, das interne Konnekt durch die Variable q bezeichnet wird. Das erlaubt ein einheitliches Darstellungsmodell p K q für Konnexionen mit Konnektoren aller syntaktischen Subklassen. Konjunktoren: Subjunktoren: Postponierer: Verbzweitsatz-Einbetter: Adverbkonnektoren:

p und q p, weil q p, sodass q p, vorausgesetzt q p, deshalb q

Nur bei Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbettern, die als einzige die Anteposition des Konnektors zusammen mit seinem internen Konnekt erlauben, kann dann auch die lineare Abfolge K q, p (wenn q, p) auftreten.

A2.2 Subklassenspezifische syntaktische Kategorisierung der Argumentausdrücke: internes und externes Konnekt Bei der Entscheidung, welches der Konnekte eines Konnektors als sein internes und welches als sein externes Konnekt (bzw. welches der Argumente als sein internes und welches als sein externes Argument) anzusehen ist, orientieren wir uns allein an der syntaktischen Struktur und nehmen für diese keine unmittelbare konzeptuelle Fundierung an, wie sie im kognitiv fundierten Figur-Grund-- Ansatz (s. dazu im Detail A2.3) postuliert wird. Die Zuordnung von internem und externem Konnekt wird vielmehr durch die syntaktische Bindungsenge zum Konnektor begründet: Wir legen stipulativ fest, dass jeweils dasjenige Konnekt eines Konnektors, zu dem er in einer syntaktisch

phrasenstrukturellen Konfiguration (C-Kommando) zwischen dem rollenzuweisenden Ausdruck und seinem Komplement abhängig macht. Bei diesem Verständnis dürfte die Rolle des externen Konnekts nie vom Konnektor bestimmt werden und Adverbkonnektoren könnten nie Rollen zuweisen, da sie ihre Argumente nicht c-kommandieren. Rollenzuweisung bei Konnektoren ist vielmehr so zu verstehen, dass ein Konnektor aufgrund seiner lexikalischen Eigenschaften und seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten semantischen Klasse eine Interpretation der Verknüpfung bedingt, in die die Relata eben mit diesen semantischen Rollen eingehen.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

57

engeren Bindung steht, als sein internes Konnekt gilt und dasjenige Konnekt, das die weniger enge Bindung zum Konnektor aufweist, als sein externes Konnekt. Dabei wird das Konzept der Bindungsenge wie folgt expliziert. Bindungsenge manifestiert sich in zwei Dimensionen grammatischer Kategorisierung: (i)

Manifestation von Bindungsenge in Form von Rektion des internen Konnekts durch den Konnektor In einer verallgemeinerten Fassung des Eisenbergschen Rektionsbegriffs (Eisenberg 2004) kann man von Rektion als Formbestimmung des topologischen Satztyps des internen Konnekts durch den Konnektor sprechen („wenn regiert einen Verbletztsatz“, s. auch A1.2). Der topologische Satztyp ist dann als spezifische Ausdifferenzierung eines Paradigmas topologischer Satztypen zu verstehen. Konnektoren, die ihr internes Konnekt regieren, sind die Subjunktoren, die Postponierer und die VerbzweitsatzEinbetter. Kein Konnektor regiert sein externes Konnekt, d. h. die syntaktische Subklasse eines Konnektors hat keine Auswirkungen auf die Form des Satztyps des externen Konnekts (wenngleich Unterschiede im Skopus von Satzoperatoren des externen Konnekts bestehen, s. A4.4). In den folgenden Beispielen variiert die Form des externen Konnekts zwischen Verbzweit-, Verberst- und Verbletztsatz und diese Variation ist unabhängig vom Konnektor.  

Subjunktoren (6a) V2: Rotkäppchen traf den Wolf, als sie durch den Wald lief. (6b) V1: Traf Rotkäppchen den Wolf, als sie durch den Wald lief? (6c) VL: Man weiß, dass Rotkäppchen den Wolf traf , als sie durch den Wald lief.  

Postponierer (7a) V2: Rotkäppchen tritt ans Bett, sodass der Wolf sie besser sehen kann. (7b) V1: Tritt näher ans Bett, Rotkäppchen, sodass ich dich besser sehen kann. (7c) VL: Man weiß, dass Rotkäppchen ans Bett trat , sodass der Wolf sie besser sehen konnte.  

Verbzweitsatz-Einbetter (8a) V2: Harry macht bei der Aktion mit , vorausgesetzt es ist kein Risiko dabei. (8b) V1: Würdest du bei der Aktion mitmachen , vorausgesetzt es ist kein Risiko dabei? (8c) VL: Harry sagt, dass er bei der Aktion mitmacht , vorausgesetzt es ist kein Risiko dabei.  





58

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Konjunktoren (9a) V2: Rotkäppchen trat näher ans Bett und der Wolf verschlang sie. (9b) V1: Tritt näher ans Bett und ich zeige dir ein Geheimnis. (9c) VL: Man weiß, dass Rotkäppchen näher ans Bett trat und der Wolf sie verschlang. Adverbkonnektoren (hier ist die Beziehung zum externen Konnekt (Bezugskonnekt) ohnehin nur parataktisch, s. A1.2) (10a) V2: Rotkäppchen trat näher ans Bett. Dann packte sie der Wolf. (10b) V1: Tritt näher ans Bett. Dann zeige ich dir ein Geheimnis. (10c) VL: Der Wolf lockte Rotkäppchen mit einem Trick, sodass sie näher an sein Bett trat. Dann konnte er sie mühelos packen und verschlingen. (ii)

Manifestation von Bindungsenge in Form von Phrasenbildung aus Konnektor und internem Konnekt Phrasenbildung aus Konnektor und internem Konnekt geschieht auf zwei Weisen. – bei den regierenden Konnektoren als Kopf-Komplement-Beziehung mit dem Konnektor als Kopf und dem internen Konnekt als Komplement – bei den Adverbkonnektoren als Konstituenz des Konnektors in seinem Trägerkonnekt. Der Konnektor nimmt in diesem eine syntaktische Funktion als Satzadverbial ein, also genau die gleiche Funktion, die eine Subjunktorphrase in Bezug auf ihr externes Konnekt hat. Kein Konnektor bildet zusammen mit seinem externen Konnekt eine Phrase. Bei den Adverbkonnektoren tritt nicht selten der Fall ein, dass das Bezugskonnekt mit dem Konnektor in einer anaphorischen Beziehung steht; doch ist dies auf jeden Fall eine satzübergreifende, den syntaktischen Rahmen überschreitende Bindung. Die Auflösung dieser Beziehung, d. h. die Identifikation dessen, womit der anaphorische Teil eines Adverbkonnektors referenzidentisch ist (Anaphernresolution), ist rein pragmatisch bestimmt und ergibt sich für den Adressaten nur auf der Basis von Kontextund Weltwissen, nicht aber auf der Basis syntaktischer Regeln, da bei anaphorischer Referenz auf Satzstrukturen syntaktische Identifikationskriterien für das Antezedens der Anapher wie Numerus- und Genuskongruenz nicht gegeben sind, die bei anaphorischem Bezug auf NPen die Anaphernresolution erleichtern. Für Adverbkonnektoren ohne eine anaphorische morphologische Komponente wie aber, anschließend, auch, folglich, inzwischen, schließlich, zunächst, zwar u. a. ist die Relation zu ihrem Bezugskonnekt nicht einmal mehr ansatzweise als formalsyntaktische Bindung repräsentiert. Zwar hat es in der Literatur Ansätze gegeben, auch diese Adverbkonnektoren in Analogie zu solchen mit anaphorischem Bestandteil (Pronominaladverbien) allein aufgrund ihrer semantischen Relationalität als Adverbien mit einer „impliziten“, „nicht-overten“, mit dem voraufgehenden Bezugskonnekt korreferierenden Proform bzw. als Duplikate des Bezugskonnekts zu beschreiben. So bezeichnet etwa Talmy  



59

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

(2000: 361 ff.) engl. however, yet, still, hence, though, regardless usw. als „adverbial Pro-Clauses“, mit denselben Eigenschaften wie PPen, bei denen das Komplement der Präposition ein „nominal Pro-Clause“ ist wie despite that, because of that, after that, therefore, thereafter. Letztlich wird damit aber nur lexikalische, intrinsische Relationalität als Anaphorik umgedeutet. Bei allen Adverbkonnektoren kann das Bezugskonnekt den Satzrahmen überschreiten und aus einem umfangreicheren Textstück bestehen. Adverbkonnektoren können satzübergreifende „globale Verknüpfungen“ herstellen, die nicht-integrierbaren Konnektoren nur „lokale Verknüpfungen“ (Altenberg 1984: 38). In (11) indiziert doch einen Kontrast zwischen der Feststellung ‚schnell weichende Niedergeschlagenheit‘ und dem Schadensbericht über ein Hochwasserereignis, der den gesamten ersten Abschnitt in Form einer Aufzählung einzelner Schäden einnimmt. Analog kontrastiert die Feststellung der anhaltenden Schäden im dritten Abschnitt wiederum mit dem gesamten zweiten Abschnitt, der Einzelmaßnahmen der Schadensbehebung auflistet. Und in (12) kann das Bezugskonnekt für die mit dem Trägerkonnekt von nämlich gegebene Begründung den ersten Satz umfassen oder den gesamten hier angegebenen Vortext.  

(11)

Am 13. August 2002 floss der Eilenburger Mühlgraben nach einem Deichbruch plötzlich durch den Tierpark. Bis zu zwei Metern standen Warmhaus, Gehege und Imbiss tagelang unter Wasser. Auf 320.000 Euro sollten Gutachter am Ende den Schaden in der vier Hektar großen Oase inmitten des Stadtparks beziffern. Nicht nur für den Tierparkverein als Träger der Einrichtung eine unvorstellbare Größe. Doch die anfängliche Niedergeschlagenheit wich schnell. Helfer aus nah und fern meldeten sich im Tierpark, aus ganz Deutschland gingen Überweisungen ein. Geld, mit dem zumindest die ersten Arbeiten realisiert werden konnten. Noch 2002 konnte auch dank dieser Hilfe beispielsweise das Warmhaus Tropicana wieder eröffnet oder zu Weihnachten im Tierpark eingeladen werden. Die Wunden sind dennoch auch ein Jahr nach der Flut unübersehbar. (http://www.eilenburg.de/rubrik2/tierpark/tp41.php) Worauf er gar keine Lust hatte, waren feste Händedrücke. Seine Reaktion, wenn es trotzdem mal passierte: „Au – nicht so doll!“ Die Boxerpranken waren vom Kampf nämlich noch geschwollen. (Berliner Zeitung, 16.12.2004, S. 30)  



(12)



Ebenso kann das Bezugskonnekt auch weniger als einen Satz umfassen und beispielsweise eine nominale oder adjektivische Prädikation sein wie in (13) (s. dazu auch A1.3 sowie Fabricius-Hansen 2011). (13)

Auch ein gutachterlich oder richterlich verfügter Schiedswert wird nur akzeptiert, wenn er den Entscheidungswert und daher die Grenze der eigenen

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Konzessionsbereitschaft nicht verletzt. (Funktionale Bewertungslehre, Wikipedia 2005) Eine solche rein pragmatisch bestimmte Beziehung, die nicht mit einer syntaktischen Komplexbildung einhergeht, erachten wir aber für die Kategorisierung syntaktischer Bindung als irrelevant, sodass hier die Konstituenz des Adverbkonnektors im Trägerkonnekt den Ausschlag dafür gibt, dieses als sein internes Konnekt zu betrachten.2 Tab. A2-1: Subklassenspezifische Zuordnung von internem und externem Konnekt Konnektor regiert internes Konnekt

Konnektor und internes Konnekt bilden eine Phrase Konnektor ist Kopf von IK

Konnektor ist adverbiale Konstituente in IK

Subjunktoren

+

+



Postponierer

+

+



Verbzweitsatz-Einbetter

+

+



Konjunktoren







Adverbkonnektoren





+

Als unbestimmt in Bezug auf die Zuordnung von internem und externem Konnekt erscheinen hier die Konjunktoren. Doch wird auch bei diesen von einer größeren Bindungsstärke des Konnektors an das nachfolgende Konnekt ausgegangen, was sich etwa in Weglassungsunterschieden wie den folgenden manifestiert: (14a) (14b)

Und ewig singen die Wälder. *Die Bäche rauschen und.

Lehmann (2005) klassifiziert engl. and und or als semantisch symmetrisch („symmetric in propositional calculus“), aber syntaktisch asymmetrisch, da sie eindeutig zum unmittelbar folgenden Satz gehören. Auch im kategorialgrammatischen Schema der GDS (2361) wird der Konjunktor zuerst mit dem ihm folgenden Ausdruck verrechnet. Eine neuere Analyse sieht auch für Konjunktoren eine Kopf-KomplementBeziehung wirksam und analysiert Ausdrücke wie Die Wälder singen und die Bäche rauschen als Koordinatorphrasen, mit dem Konjunktor als Kopf, dem internen Kon-

2 Die einheitliche Bezeichnung der Konnekte von konjunktionalen Konnektoren und Adverbkonnektoren soll also NICHT völlige Übereinstimmung in der syntaktischen Struktur und in der syntaktischen Beziehung des Konnektors zu seinen Konnekten suggerieren, sondern wird hier im Sinne einer arbeitspraktischen Lösung gewählt. Das Trägerkonnekt (interne Konnekt) eines Adverbkonnektors ist strukturell nicht vergleichbar mit dem „internen Argument“ eines Verbs in der generativen Phrasenstruktur.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

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nekt in Komplementposition und dem externen in Spezifizierer-Position (Johannessen 1998, 2005: 420; Wöllstein 2004). Auch wenn wir die Kopf-Komplement-Analyse nicht übernehmen und davon ausgehen, dass ein Konjunktor nicht Form und Funktion seiner Koordinate determiniert, sondern nur die Funktion „weiterleitet“, die ihm vom jeweiligen syntaktischen Kopf im Koordinationsrahmen zugewiesen wird, nehmen wir die unterschiedliche Bindungsstärke zwischen Konjunktor und ihm folgenden Konnekt einerseits und Konjunktor und voraufgehendem Konnekt andererseits zum Anlass, das dem Konjunktor folgende Konnekt als sein internes Konnekt zu bestimmen. (Zur Koordination s. A1.2 und HDK-1: B5.7, insbes. 270 ff.) Durch das Konzept der syntaktischen Bindungsenge ist zwar mit der syntaktischen Struktur nicht unmittelbar eine konzeptuelle Struktur wie im Figur-GrundKonzept korreliert, wohl aber hat die syntaktische Bindungsenge zwischen Konnektor und internem Konnekt, die bei allen syntaktischen Konnektorklassen auch mit größerer topologischer Nähe einhergeht, ein semantisches Korrelat in der engeren semantischen Zusammengehörigkeit. Das ergibt sich einfach aus dem Behaghelschen Prinzip: „Das oberste Gesetz ist dieses, daß das geistig Zusammengehörige auch eng zusammengestellt wird“ (Behaghel 1932: 4).  

A2.3 Subklassenspezifische semantische Kategorisierung der Argumente: internes und externes Argument als Träger spezifischer semantischer Rollen Als internes und externes Argument bezeichnen wir die durch internes und externes Konnekt ausgedrückten propositionalen Strukturen in ihrer Eigenschaft als Träger semantischer Rollen, die durch die lexikalisch-semantischen Eigenschaften des Konnektors bestimmt werden. Identische Rollenpaare konstituieren semantische Konnektorenklassen. Bei semantisch symmetrischen Relationen (zu (A-)Symmetrie s. A2.4) sind die beiden Rollen identisch, bei asymmetrischen Relationen verschieden. Spezifische Rollenpaare können zu abstrakteren Rollenpaaren generalisiert werden – das Verhältnis der spezifischen zu den generalisierten Rollenpaaren spiegelt dann die hierarchische Strukturierung der semantischen Klassifikation (s. B2). Ein Beispiel: Das für die konditionale Relation spezifische Rollenpaar B EDINGUNG UND F OLGE kann zusammen mit dem für die kausale Relation spezifischen Rollenpaar G RUND UND F OLGE , mit dem für Finalität spezifischen Paar M ITTEL und Z IEL / Z WECK und dem für L OCKIERT E B EDINGUNG und F OLGEKONTRAST OLG EKONTRAST zu einem Konzessivität spezifischen Paar B LOCKIERTE NTEZEDENS EZEDENS und K ONSEQUENS generalisiert werabstrakteren Paar von „Makrorollen“ A NT den. Diese Makrorollen sind dann konstitutiv für die semantische Großklasse der konditional basierten Konnektoren (s. C4). Die Großklasse der konditional basier-

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

ten Konnektoren ist wiederum verwandt mit den temporalen Sequenzrelationen (s. C1.3.2), deren Relata als (rein zeitliches) A NTEZEDENS und S EQUENS bestimmt werden können.

2.3.1 Konzeptuell basierte Kategorisierungen: Figur-Grund, Trajektor-Landmark Über die A NT NTEZEDENS EZEDENS -(K K ON -)S EQUENS -Abstraktion hinaus werden hier zunächst keine weiteren Abstraktionen über die inhaltliche Natur der Relate vorgenommen. Für solche Annahmen gibt es insbesondere in kognitiv orientierten Arbeiten (Talmy 1978, 2000; Langacker 1995; Überblick bei Croft 2001: 328–346) eine Tradition, die syntaktische Struktur unmittelbar aus ihrem konzeptuellen Denotat heraus zu motivieren. In syntaktisch asymmetrischen grammatischen Relationen bezeichne das dependente (regierte oder modifizierende) Relat eine auch konzeptuell „untergeordnete“, weniger auffällige, statischere Entität, die sozusagen die Folie für das prominentere, zentralere, dynamischere Relatum abgibt, das mit dem syntaktisch übergeordneten (regierenden oder modifizierten) Glied der Relation ausgedrückt wird. Der Ausgangspunkt dieser Vorstellung ist die in der Gestaltpsychologie (Koffka 1935) wurzelnde Dichotomie einer Figur-Grund-Konstellation: The Figure is a moving or conceptually movable entity whose path, site, or orientation is conceived as a variable, the particular value of which is the relevant issue. The Ground is a reference entity, one that has a stationary setting relative to a reference frame, with respect to which the Figure’s path, site, or orientation is characterized. (Talmy 2000: 312)

Mit Hilfe dieses Konzepts wurden ursprünglich auffällige Asymmetrien bei einfachen Lokalisationsphrasen beschrieben: Diese sind im unmarkierten Fall so kodiert, dass eine saliente, bewegliche und in der Regel kleinere Figur mit dem syntaktisch unabhängigen Strukturelement ausgedrückt wird, während das syntaktisch dependente Strukturelement, das Komplement der Präposition, den statischeren, weniger salienten (Hinter-)Grund bezeichnet, auf dem die Figur lokalisiert ist. Konverse Kodierungen sind im Vergleich dazu deutlich markierter und wirken kontextentbunden bizarr. (15a) (15b)

Das Fahrrad steht neben dem Haus. Das Haus steht neben dem Fahrrad.

Das Figur-Grund-Konzept spiegelt sich – mit kleineren oder größeren Modifikationen – in einer ganzen Reihe von Begriffspaaren. Langackers metaphorisches Konzept des Trajektors (Flugkörpers), der auf einen Landmark (Markstein) bezogen ist, stimmt damit im Wesentlichen überein (Langacker 1995: 44; 1999: 10); vergleichbar auch das Reliefkonzept mit Foreground – Background (Reinhart 1984, Tomlin 1987, Croft 2001).

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

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Dieses aus der unmittelbaren räumlichen Anschauung gewonnene Konzept wurde in der Folge auf den temporalen Raum und schließlich auf abstrakte Sachverhaltsrelationen übertragen. Ausgehend von einer hypostasierten Ähnlichkeit der Struktur komplexer Sätze mit Lokalisationsphrasen ist dann eine nach dem FigurGrund-Prinzip unmarkierte Kodierung einer interpropositionalen Relation die, bei der der subordinierte, dependente Satz als Grund (resp. Landmark, Background) für die mit dem Hauptsatz ausgedrückte Figur (resp. Trajector, Foreground) fungiert. Talmy (2000) fächert dies für eine Vielzahl von Relationen als einzelne konzeptuelle Asymmetrie-Prinzipien aus. Zwei dieser Prinzipien seien hier exemplarisch zitiert. Cause-result principle The unmarked (or only possible) linguistic expression for a causal relation between two events treats the causing event as Ground and the resulting event as Figure. Where the complete syntactic form is a full complex sentence, the two events are in the subordinate and the main clause, respectively. (Talmy 2000: 379) Inclusion principle The unmarked (or only possible) linguistic expression for a relation of temporal inclusion between two events treats the larger, containing event as Ground and the smaller, contained event as Figure. Where the complete syntactic form is a full complex sentence, the two events are in the subordinate and the main clause, respectively. (Talmy 2000: 379)

In allen Relationen mit einer inhaltlichen A NT NTEZEDENS EZEDENS -(K K ON -)S S EQUENS -Struktur ist nach Talmy immer das anteriore, kausal independente Element der Grund, das posteriore, kausal dependente Element die Figur. So sehr eine semantisch-konzeptuelle Motivierung syntaktischer Strukturen auch ein Desiderat ist, so zeigt das Figur-Grund-Konzept als generelles Schema für die Syntax-Semantik-Schnittstelle bei näherer Betrachtung doch an einigen Punkten Schwachstellen. (i) Konversen bei subordinativen Kodierungen Das Figur-Grund-Konzept prognostiziert, dass für jedes konverse Paar einer asymmetrischen propositionalen Relation in der Regel nur ein Glied, die konzeptuelle Grund-Entität, syntaktisch dependent kodiert wird und folglich nur für diese Kodierungsrichtung ein subordinierender Relator lexikalisiert ist. Das trifft auf das Deutsche allenfalls in der Tendenz zu. Für periphere, semantisch komplexe Relationen ist tatsächlich häufig für eine konverse Kodierung, also für eine Figur-Unterordnung, kein Subjunktor lexikalisiert; so etwa bei Konzessivität (16) oder Substitutivität (17), aber auch für Konditionalität (18):

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

(16a)

G RUND Obwohl es wie aus Kübeln gießt,

F IGUR schicken diese Barbaren ihre Katze vor die Tür. ??? [‚entgegen dieser Tatsache‘] diese Barbaren ihre Katze vor die Tür schicken.

(16b)

Es gießt wie aus Kübeln,

(17a) (17b)

Statt dass sie den Hund erziehen, füttern sie ihn mit Kuchen. Sie erziehen den Hund nicht, ??? [‚ersatzweise‘] sie ihn mit Kuchen füttern.

(18a) (18b)

Wenn es regnet, Es könnte regnen,

bleibt die Katze im Haus. ??? [‚in welchem Falle‘] die Katze im Haus bleibt.

Für zentralere A NTEZEDENS -(K ON -)S EQUENS -Relationen sind aber sehr wohl Konnektoren mit dem Kodierungsmuster mit S EQUENS -Unterordnung, also Figur-Dependenz lexikalisiert, so z. B. für temporale Sukzession (19a–d) und Kausalität (20a–b).  

(19a) (19b)

G RUND F IGUR Nachdem ich mit dem Hund aus war, habe ich ihn gebürstet. Ich war mit dem Hund aus, bevor/woraufhin ich ihn gebürstet habe.

(19c) (19d)

Seit der Hund gebürstet wurde, Der Hund wurde gebürstet,

stank er nicht mehr. bis er nicht mehr stank.

(20a) (20b)

Weil der Hund gebürstet wurde, Der Hund wurde gebürstet,

stinkt er nicht mehr. sodass/weshalb er nicht mehr stinkt.

Solche Kodierungen sind nach dem Cause-result-principle nicht vorgesehen. Allerdings fällt auf, dass die nach diesem Prinzip unmögliche oder zumindest unnatürliche S EQUENS -Markierung tatsächlich im Deutschen nicht selten mit vergleichsweise markierten Subordinatoren kodiert wird, nämlich mit Postponierern und w-Relativ-Adverbien, die im Vergleich zu Subjunktoren in ihren Linearisierungsmöglichkeiten und ihrem informationsstrukturellen Potential eingeschränkt sind. Auch das Inclusion-principle für temporale Koinzidenz-Relationen (s. C1.3.3) trifft auf das Deutsche nicht zu. Neben dem Subjunktor während, der „prinzipientreu“ das temporal ausgedehntere, umschließende Ereignis als Grund kodiert und bei umgekehrter Zuordnung markierte Strukturen wie (21b) erzeugt, gibt es den Subjunktor als, der beide Kodierungsrichtungen erlaubt.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

(21a) (21b)

Während sie so saß, erschien plötzlich ein Bär. ??Sie saß so da, während plötzlich ein Bär erschien.

(22a) (22b)

Als sie so saß, erschien plötzlich ein Bär. Sie saß so da, als plötzlich ein Bär erschien.

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Während hat also eine eindeutige Figur-Grund-Präferenz: Sein internes Argument bezeichnet ein ausgedehntes, atelisch perspektiviertes Ereignis, sein externes Argument ein punktuelles, telisch perspektiviertes Ereignis. Als hat diese Einschränkung nicht: Anders als bei während ist hier das interne Argument nicht auf ausgedehnte Ereignisse beschränkt und kann bei semantisch asymmetrischer Ereignisstruktur sowohl das ausgedehntere (22a) als auch das punktuelle Ereignis denotieren (22b). Ein Beleg wie (23a) lässt sich folglich auch mit demselben Konnektor als konvers kodieren:3 (23a)

Delia war gerade damit beschäftigt, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu dekorieren, als plötzlich ein Schrei ertönte, dann ein dumpfer Fall. Mamsell Lore war von der Leiter gefallen. (de Groot, Vater, S. 38) Als Delia gerade damit beschäftigt war, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu überziehen, ertönte plötzlich ein Schrei, dann ein dumpfer Fall.  

(23b)

In beiden Kodierungsrichtungen ist aber wiederum die Linearisierung Grund < Figur unmarkiert, die umgekehrte wirkt mindestens auffällig. (23c) (23d)

??Als plötzlich ein Schrei ertönte, war Delia gerade damit beschäftigt, die Bühne zu dekorieren. ??Es ertönte plötzlich ein Schrei, als Delia gerade damit beschäftigt war, die Bühne zu dekorieren.

Für das analog zu als funktionierende englische when unterscheidet Talmy (2000) einen „normalen“ Subjunktor when1, der das (anteriore, allgemeinere, größere, unabhängigere) Grund-Ereignis subordiniert, von einem „sekundären“ Subjunktor when2, der das (posteriore, kleinere, salientere, abhängigere) Figur-Ereignis subordiniert und nicht anteponiert auftreten kann. Eine Differenzierung in ein Subjunktor-als und ein Postponierer-als erscheint in Anbetracht der zeitrelational einheitlichen Bedeutung von als freilich eher willkürlich; im Übrigen ändert es nichts an der dem Inklusions-Prinzip zuwiderlaufenden Existenz einer subordinativen Figur-Kodierung. (Zu als und während s. im Detail C1.3.1.1 und C1.3.3.1.)

3 Anders als als ist während deshalb auch kaum mit plötzlich kombinierbar. In einer Vergleichsrecherche im DeReKo stehen 5 Belegen mit während plötzlich 1.600 Belege mit als plötzlich gegenüber.

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

(ii) Koordinative Kodierungen Eine Übertragung des Asymmetrie-implizierenden Figur-- Grund-- Konzepts auf koordinative und parataktische Strukturen ist nicht mehr unmittelbar konzeptuell begründbar. In der Literatur findet sich jedoch auch die Anwendung auf syntaktisch symmetrische Strukturen. So nimmt Talmy (2000: 336–346) für Konjunktoren eine Konzeptualisierung als „komplexe Figur“ an, die dem gestaltpsychologischen Prinzip der „good continuation“ folge. Auch temporal oder kausal sequentielle Lesarten von und-Verknüpfungen wie (24)

Eine Sprosse brach und Mamsell Lore fiel von der Leiter. (‚und daraufhin, und deshalb‘)

könnten als „gute“, weil ikonische Fortsetzungen angesehen werden. Wenn aber temporale und kausale Sukzession bei subordinativer Kodierung als Grund-- FigurKonstellation, bei koordinativer Kodierung als komplexe Figur, d. h. als Figur-- FigurKonstellation gewertet wird, ist eine einheitliche konzeptuelle Fundierung des Prinzips nicht gegeben. Zudem bleibt bei der Figur-- Figur-Konstellation offen, gegen welchen (Hinter-)Grund sie sich abhebt. Das Problem der unklaren gestaltpsychologisch-konzeptuellen Fundierung erhebt sich aber schon bei der Übertragung und Generalisierung des Konzepts von Situationen mit klar profilierten intrinsischen Unterschieden der Partizipanten vom Typ das Fahrrad neben dem Haus auf Situationen mit weniger eindeutig profilierten Unterschieden. Talmy (2000) sieht auch Sätzen wie Hans (F) steht neben Harry (G) oder Meine Schwester (F) sieht Madonna (G) ähnlich oder Clark Kent (F) ist Superman (G) eine Figur-Grund-Asymmetrie zugrunde liegen, wo die reine Gestalt der fraglichen Entitäten die Klassifikation nicht rechtfertigt. Es stellt sich die Frage, ob die Zuordnung von Figur und Grund in solchen Fällen nicht durch Asymmetrien auf der Ebene der Informationsstruktur geprägt ist.  

(iii) Kodierungen mit Adverbkonnektoren Komplexe Sätze mit adverbialen Konnektoren werden bei Talmy (2000) als „CopyCleft“-Strukturen bezeichnet. Ihre Figur-Grund-Konstellation ist zu der von subordinativen Strukturen konvers: The same Figure event that is represented in the main clause of a complex sentence appears in the second main constituent of a copy cleft sentence. The same Ground event that is represented in the subordinate clause of a complex sentence appears as the initial clause in a copy-cleft sentence, and additionally in an anaphoric form within the second major constituent of the sentence. (Talmy 2000: 380)

Aus diesem Grunde sei die Funktion dieser Strukturen, die lexikalischen Beschränkungen in der subordinativen und präpositionalen Kodierung semantischer Relationen zu kompensieren, wo jeweils nur die Kodierungsrichtung den Grund als syntaktisch dependentes Glied lexikalisiert (was, wie in (i) gezeigt, so nicht ganz stimmt).

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

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Die lexikalischen Subjunktor-Lücken von (16) und (17) können mit Adverbkonnektoren problemlos gefüllt werden: (16c) (17c)

Es gießt wie aus Kübeln. Trotzdem schicken diese Barbaren ihre Katze vor die Tür. Sie erziehen den Hund nicht, stattdessen füttern sie ihn mit Kuchen.

Dabei wird übersehen, dass, wie bei den Subjunktoren, mitunter für eine semantische Relation auch mit Adverbkonnektoren beide Kodierungsrichtungen lexikalisiert sind. (25a) (25b)

Eine Sprosse war gebrochen. Deshalb/Darum fiel Mamsell Lore von der Leiter. Mamsell Lore fiel von der Leiter. Es war nämlich eine Sprosse gebrochen.

(26a) (26b)

Der Hund wurde gründlich gebürstet. Danach stank er nicht mehr. Der Hund stank nicht mehr. Zuvor war er gründlich gebürstet worden.

Mit der Copy-Cleft-Struktur ergeben sich nach Talmy auch diskursbezogene Vorteile, dadurch dass sie dasjenige Ereignis „assertieren“ (in einem unabhängigen Satz kodieren) können, das bei subordinativer Kodierung „präsupponiert“ (in einem abhängigen Satz kodiert) wäre: Eine Proposition wird zuerst assertiert, weil sie neu ist. Ist sie einmal eingeführt, kann sie präsuppositional als Referenzpunkt für eine weitere (neue, assertierte) Proposition fungieren. Solche Strukturen seien leichter zu parsen. Wenn aber beide Relata in unabhängigen Sätzen kodiert werden, ist es rein konzeptuell mindestens genauso plausibel, von einer „Hochstufung“ eines Grund-Relats hin zu einer Figur-- Figur-- Konstellation auszugehen. Im Übrigen ist mit dem Diskursbezug nun eindeutig die konzeptuelle Ebene, in der die Relate auf der Basis ihrer intrinsischen „Gestalt“ klassifiziert wurden, zugunsten einer von der Oberflächenstruktur der Konstruktion nicht mehr independenten informationsstrukturellen Ebene oder einer Ebene der kommunikativen Gewichtung verlassen worden.

2.3.2 Informationsstrukturell motivierte Kategorisierungen Neben der konzeptuellen Motivierung der syntaktischen Struktur gibt es eine – mit dieser oft verwobene – Tradition, die informationsstrukturelle Charakterisierung direkt an die syntaktische Struktur zu koppeln. Insbesondere in diskurspragmatisch orientierten Arbeiten und in der Rhetorical Structure Theory (RST) wurde mit Begriffspaaren wie Foreground vs. Background, Assertiertes vs. Präsupponiertes4, koordinie-

4 Zu diesen und verwandten Begriffspaaren und den durch sie transportierten informationsstrukturellen Dimensionen vgl. Musan (2002a) und Krifka (2007).

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

rende vs. subordinierende Diskursrelationen versucht, die syntaktische Struktur über eine kommunikative oder informationsstrukturelle Gewichtung bzw. Gerichtetheit zu motivieren. Die strukturelle Asymmetrie in subordinativen Konstruktionen reflektiere demnach eine informationsstrukturelle, kommunikative Asymmetrie: Information im Nebensatz sei kommunikativ untergeordnete „Nebeninformation“, illokutiv weniger selbständig o. ä. (vgl. Bartsch 1978, Lehmann 1982, Fabricius-Hansen 1992, Klein/von Stutterheim 1992, Raible 1992, Reis 1993, Brandt 1994, Asher/Vieu 2005, Breindl/ Waßner 2006, Holler 2009). Aber auch diese Koppelung von Informationsstruktur und syntaktischer Struktur wirft Probleme auf. Erstens verschleiert sie, dass aufgrund der Variabilität der linearen Konnektabfolge bei Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbettern auch die Variabilität der Verteilung von Fokus und Hintergrund auf die Konnekte sehr viel höher ist. Postponierte Kausalsätze können prinzipiell sowohl Hintergrund als auch Fokus sein (vgl. HDK-1: 371–277), de facto sind sie aber überwiegend fokal und in der gesprochenen Sprache auch überwiegend postponiert (Ford 1993, Konopka 2006). Dann ist aber die Korrelation Postposition: informationsstrukturell höhere Gewichtung durchschlagender als eine Korrelation syntaktisch unselbständig : informationsstrukturell geringere Gewichtung, wie sie vom Figur-Grund-Konzept und verwandten Konzepten prognostiziert wird. Zweitens wurde sie bisher meist nur auf einen kleinen Ausschnitt von syntaktischen Strukturen und semantischen Relationen angewandt und hier eher deduktiv abgeleitet. Es bleibt offen, ob und wie das Konzept auf die parataktische Verknüpfung durch Adverbkonnektoren übertragen werden kann, zumal wenn diese unter dem Stichwort „Koordination“ den Konjunktoren an die Seite und den Subjunktoren gegenübergestellt werden.5 In parataktischen Verknüpfungen mit Adverbkonnektoren sind beide Konnekte syntaktisch und illokutiv selbständig – das spräche für eine Modellierung nach dem Muster der Konjunktoren. Andererseits kann ein Adverbkonnektor fokussiert und sein Trägerkonnekt Hintergrund sein; was Konjunktoren nicht zulassen.  

(27a)

(27b)

A: Willy hatte einen Fahrradunfall, weil er angetrunken war. B: Da habe ich anderes gehört: Ein Bremszug war gerissen. DEShalb hatte er einen Unfall. A: Willy hatte einen Fahrradunfall. B: ??Er hatte einen Autounfall. UND er hatte einen Fahrradunfall.

5 So verwendet Frohning (2005) das koordinationstypische Konzept des „common denominators“, um Besonderheiten von Kausalverknüpfungen mit K ONSEQUENS -markierendem daher, deshalb, darum zu beschreiben. Schrodt (1988) klassifiziert Verknüpfungen mit Pronominaladverbien als Koordination.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

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Es spricht also auch nichts dafür, die informationsstrukturelle und diskurspragmatische Charakterisierung der Argumente eines Konnektors nicht als eigenständige Dimension einzuführen, die vom syntaktischen Typ der Konnekte unabhängig ist. Mit einer so starken Generalisierung, wie sie die Anwendung des Figur-- Grund-Konzepts auf das gesamte System der Konnektoren darstellen würde, wäre letztlich nichts gewonnen. Im Gegenteil: Sie verschleiert, dass Abfolgepräferenzen von syntaktisch asymmetrischen Konnektorkonstruktionen oft ganz andere Gründe haben und relations-, wenn nicht gar konnektorspezifisch sein können, jedenfalls aber nicht primär durch die syntaktische Struktur motiviert sind. Da aber eine konzeptuell-semantische Fundierung des Begriffspaars wie gezeigt ebenfalls nur für einen Ausschnitt syntaktischer Strukturen und semantischer Relationen einleuchtend ist, wird hier generell an die Klassifikation der semantischen Relate eines Konnektors als internes und externes Konnekt keine inhaltliche Charakterisierung gekoppelt. Statt eines „holistischen“ Modells bevorzugen wir eine modulare Sprachauffassung, in der die strukturelle, die konzeptuell-semantische und die pragmatisch-informationsstrukturelle Dimension als voneinander unabhängige, aber nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten interagierende Ebenen zu beschreiben sind.

A2.4 Die Syntax-Semantik-Schnittstelle: Abbildung semantischer Rollen auf die Konnekte und Typen semantischer Relationen Semantische Konnektorenklassen lassen sich nach der Zuordnung von semantischer Rolle zu syntaktischem Konnekttyp definieren. Wir unterscheiden dabei zwei Typen: Semantisch symmetrische Relationen haben Argumente mit identischen semantischen Rollen, asymmetrische Relationen haben rollenverschiedene Argumente. Bei asymmetrischen Relationen ergeben sich theoretisch immer Paare von komplexen Satzstrukturen mit Überkreuzzuordnung von Rollen zu Konnekten. Solche Satzpaare bezeichnen wir als Konversen in Analogie zu Konversenpaaren bei relationalen Nomina wie Sohn (von) – Mutter (von) oder beim Genus verbi Aktiv – Passiv. Konversenbildende Konnektorenpaare sind z. B. weil und sodass. Das Figur-Grund-Prinzip ist in der Tendenz erkennbar, da in der Regel eine Kodierungsrichtung stärker lexikalisch ausgeprägt ist als die andere, nämlich die, bei der das konzeptuell irgendwie grundlegendere/unauffälligere Relat dependent kodiert wird. Folglich sind auch die syntaktischen Konnektorenklassen für die beiden Markierungstypen tendenziell unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Unterscheidung nach dem Markierungstyp ist innerhalb einer semantischen Klasse traditionell – mit Ausnahme der Unterscheidung von i. e. S. kausal und konsekutiv – eher unüblich, meist werden beide Markierungstypen terminologisch in einer Klasse zusammengefasst. Wir orientieren uns insofern  





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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

an dieser Tradition, als wir die traditionellen (und weitere) Klassenbezeichnungen für das Relationenpaar verwenden, differenzieren innerhalb dessen aber terminologisch nach dem Markierungstyp. Dabei gilt, dass die Rolle des internen Konnekts terminologisch bestimmend ist.6 Im Folgenden wird am Beispiel von Kausalitätskonnektoren (s. genauer C4.2.1.1) die Abbildung der semantischen auf die syntaktische Struktur schematisch verdeutlicht. Die erste Kodierungsstrategie, bei der das G RUND -Relat durch das interne, das F OLGE -Relat durch das externe Konnekt kodiert ist, wird durch die nicht-konnektintegrierbaren Konnektoren wie zum Beispiel weil, da, denn, zumal (da) und durch die Adverbkonnektoren nämlich und schließlich hergestellt. Diese A NTEZEDENS -markierende Kodierungsstrategie wird oft als „Kausalität im engeren Sinne“ bezeichnet. Der zweite Typ, bei dem das G RUND -Relat mit dem externen Konnekt und das F OLGE Relat mit dem internen Konnekt zusammenfällt, wird im Deutschen nicht durch Subjunktoren, aber durch einige Postponierer (weshalb, weswegen, sodass/so dass) und durch das Gros der kausalen Adverbkonnektoren (also, deshalb, daher, darum etc.) repräsentiert. Diese Adverbkonnektoren, die das K ONSEQUENS der Kausalrelation markieren, werden in der Forschung gemeinhin als „konsekutiv“ klassifiziert. Die beiden Kodierungsstrategien sind semantische Konversen (vgl. dazu C4.2.1.1). Da die beiden syntaktischen Konnektorenklassen Postponierer und Adverbkonnektor eine obligatorische lineare Abfolge externes Konnekt < internem Konnekt bedingen, ist die konsekutive Kodierungsstrategie im Deutschen auch immer ikonisch.

Abb. A2-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei kausalen nicht-integrierbaren Konnektoren

6 Damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit der Tradition der überwiegend „nebensatzorientierten“ Klassenbezeichnungen. Die Tradition ist freilich nicht konsequent, da sie die zu den Subjunktoren konversen Adverbkonnektoren meist mit der gleichen Klassenbezeichnung etikettiert. Die Klassenbezeichnungen temporal und lokal bezeichnen funktionale Domänen (im Sinne von Lehmann) und sind selbst nicht relational.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

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Abb. A2-2: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei konsekutiven nicht-integrierbaren Konnektoren

In der Klassifikation der hier schematisch dargestellten Form-Funktion-Zuordnungen und der sie bedingenden Konnektoren als „kausal i. e. S.“ und „konsekutiv“ stimmen Grammatiken und Wörterbücher weitgehend überein. Bei der Einordnung der Adverbkonnektoren in dieses Raster weichen sie hingegen oft erheblich voneinander ab, sind in sich widersprüchlich und in Bezug auf die Klassifikationsgrundlage nicht transparent.  



Exemplarisch seien hierfür die Darstellungen der Duden-Grammatik (2005), der Grammatik von Helbig/Buscha (1998) und zwei dezidiert funktional bzw. onomasiologisch ausgerichtete Darstellungen, die Satzsemantik von von Polenz (1985) und die DaF-orientierte „Grammatik in Feldern“ (Buscha et al. 1998) herangezogen. So erscheinen beispielsweise in der Duden-Grammatik deshalb und deswegen einmal unter kausal (als „im engeren Sinne kausal“, d. h. an der Seite von weil), einmal unter final; demnach erscheint einmal unter kausal, einmal unter konsekutiv; demgemäß ist kausal, demzufolge aber konsekutiv. Die Partikeln ja, eben, doch sind ebenso kausal wie die Adverbien deshalb und deswegen. Bei Helbig/Buscha (1998) gibt es überhaupt nur ein konsekutives Adverb, nämlich so, das aber unter den kausalen ebenfalls auftaucht. Auch hier finden sich deshalb und deswegen sowohl unter kausal als auch unter final. In der Auflistung bei von Polenz (1985) sind ja, doch, eben und nämlich wie deshalb, deswegen und dementsprechend kausal, aber wiederum sind demzufolge und demnach konsekutiv. Lediglich die Feldergrammatik von Buscha et al. (1998) ordnet die Adverbkonnektoren systematisch und widerspruchsfrei nach der semantischen Rolle des internen Relats des Konnektors: nämlich, doch erscheinen im „Feld der Begründung (kausales Verhältnis)“, daher, darum, deshalb, deswegen; weshalb, weswegen im „Feld der Folge (konsekutives Verhältnis)“.  





Diese Schwierigkeiten bei der Klassifikation von adverbialen Kausalitätskonnektoren haben einen Grund. Adverbkonnektoren wie deshalb, dementsprechend, daher etc. sind janusköpfig. Sie markieren ihr Trägerkonnekt (ihr internes Argument) als F OLGE . Gleichzeitig verweisen sie anaphorisch auf ihr externes Argument, das sie nachträglich als G RUND ausweisen. In ihrem anaphorischen Anteil bezeichnen sie also den G RUND , sodass die lexikalisierte Kombination aus einem (meist präpositionalen) Relator und seinem anaphorischen Komplement einem vollständig ausformulierten G RUND -Relat wie weil er sich geärgert hat, aus Ärger, des Ärgers halber o. ä. funktional äquivalent ist. In eben dieser Bezeichnungsfunktion unterscheiden sich Adverbkonnektoren von den semantisch und syntaktisch relationalen konjunktionalen Konnektoren. Wenn nun die Bezugsgröße für die Zuordnung zu einer semantischen Klasse nicht explizit gemacht und nicht transparent wird, ob sich die kausal-konsekutiv 

72

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Terminologie an der Bezeichnungs- oder an der Markierungsfunktion orientiert, sind Widersprüche und Ungereimtheiten praktisch vorprogrammiert. Wir legen fest: die semantische Klassifikation eines Konnektors und die Bezeichnung der semantischen Klasse orientieren sich an der Markierungsfunktion. Ausschlaggebend für die Zuordnung eines Konnektors zu einer semantischen Klasse ist die semantische Rolle seines internen Arguments. Die beiden nachfolgenden Schemata zeigen dies für die kausale Relation.

Abb. A2-3: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei (i. e. S.) kausalen Adverbkonnektoren  



Abb. A2-4: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei „konsekutiven“ Adverbkonnektoren

Der Vergleich dieser beiden Schemata suggeriert Äquivalenz von Strukturen wie (28a) und (28b), also solchen mit antezedensmarkierenden kausalen Konnektoren einerseits, und (29a) und (29b) – mit konsequensmarkierenden kausalen Konnektoren – NTEZEDENS EZEDENS - vs. K ONSEQUENS -Markern geordnete Liste andererseits (vgl. die nach A NT kausaler Konnektoren in C4.2.1). (28a) (28b) (29a) (29b)

Herr S. schreibt einen Leserbrief, da er sich über einen Artikel geärgert hat. Herr S. schreibt einen Leserbrief. Er hat sich nämlich über einen Artikel geärgert. Herr S. hat sich über einen Artikel geärgert, sodass er nun einen Leserbrief schreibt. Herr S. hat sich über einen Artikel geärgert. Deshalb schreibt er nun einen Leserbrief.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

73

Die hier für die Relate von Kausalitätskonnektoren verwendeten RollenbezeichnunOL GE gehören zum Inventar der in Grammatiken und Wörterbüchern gen G RUND und F OLGE traditionell üblichen Bedeutungsangaben für diese Konnektoren. Solche Ausdruckspaare für die Argumente eines Konnektors sind nur für die zentralen asymmetrischen Relationen, insbesondere für die konditional basierten Relationen Konditionalität U RSACHE – F OLGE / W IRKUNG ), Finalität (M M ITT IT TEL EL – (B B EDINGUNG – F OLGE ), Kausalität (U Z IEL / Z WECK ) mehr oder minder etabliert und keineswegs in der Weise definiert und terminologisiert wie syntaktische Kategorien.7 Für diese konzeptuell zentralen Relationen stellt das Lexikon der deutschen Sprache natürlichsprachliche Ausdruckspaare zur Bezeichnung der Relate bereit. Für die Rollen der Relate anderer Relationen fehlen häufig prägnante lexikalisierte Bezeichnungen. Insbesondere das externe Argument nicht-integrierbarer (konjunktionaler) Konnektoren ist mitunter nur als eine Art „Ausgangssachverhalt“ inhaltlich angemessen zu beschreiben.8 Hier kann man sich unter Umständen mit einem Ausdruckspaar aus Aktiv- und Passivpartizip behelfen, exemplarisch hier für die Relationen Substitutivität und Korrektivität: S ACHVERHALT / S UBSTITUT UBSTIT UTUM UM ERSETZENDER S ACHVERHALT / S UBSTITUENS UBSTIT UENS (i) Statt dass er am Zebrastreifen abbremst, beschleunigt der Rüpel noch! (ii) Der Rüpel bremst am Zebrastreifen nicht ab, er beschleunigt stattdessen sogar noch! ERSETZTER

S ACHVERHALT / C ORRECTUM ORRECT UM (iii) Der Rüpel bremst nicht, ERSETZTER

S ACHVERHALT / C ORRIGENS ORRIG ENS sondern beschleunigt sogar noch.

ERSET ERSETZENDER ZENDER

Die jeweiligen Rollenbezeichnungen werden bei den einzelnen semantischen Relationen in Kapitel C eingeführt.

2.4.1 Symmetrische Relationen Eine zweistellige Relation R ist symmetrisch genau dann, wenn für beliebige Relate x und y gilt: R(xy) ↔ R(yx). Andernfalls ist sie asymmetrisch (vgl. Klaus/Buhr 1971:

7 Auch diesen Aspekt haben die Rollen von Propositionen in Konnexionen mit den Partizipantenrollen von Termen in Relationen zu Prädikaten bei einfachen Propositionen gemeinsam. Über deren Anzahl, definierende Merkmale und Bezeichnungen gibt es bekanntlich keinen vollständigen Konsens, wenngleich sich in der Theta-Theorie mit A GENS , P ATIENS , T HEMA und E XPERIENCER ein gewisses Kerninventar etabliert zu haben scheint; vgl. aber wiederum die in der Typologie geläufigen „Makrorollen“Bezeichnungen A CTOR , U NDERGOER und I NDIRECTUS . 8 Wir sind uns dessen bewusst, dass sich in den Fällen, in denen keine eingängigen natürlichsprachlichen Bezeichnungen für die Argumentrollen etabliert sind, eine gewisse Schwerfälligkeit in der Terminologie kaum umgehen lässt.

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

1056; Löbner 2003: 90). Eine symmetrische Relation ist beispielsweise „x ist Artgenosse von y“ oder „x ist mit y verheiratet“.9 In einer symmetrischen Relation haben die Relata identische semantische Rollen und sind vertauschbar (wie in 30), während in asymmetrischen Relationen Vertauschung der Relata bedeutungsverschiedene (oder semantisch unakzeptable) Ausdrücke erzeugt wie in (31). (30a) (30b)

(31a) (31b)

Ich trinke einen Jägermeister und/aber/oder meine Frau nimmt einen Eierlikör. = Meine Frau nimmt einen Eierlikör und/aber/oder ich trinke einen Jägermeister. Ich trinke Jägermeister, weil ich das Ei des Damokles immer mit dem Schwert des Kolumbus verwechsle. ≠ Ich verwechsle immer das Ei des Damokles mit dem Schwert des Kolumbus, weil ich Jägermeister trinke.

Die Vertauschbarkeit der Relata ist nicht zu verwechseln mit der Variabilität der linearen Abfolge der Konnekte bei Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbettern. (31a) kann zu (31a’), (31b) zu (31b’) umgestellt werden, ohne dass sich die Zuordnung der semantischen Rollen zu den syntaktischen Konnekten ändert. (31a’) (31b’)

Weil ich das Ei des Damokles immer mit dem Schwert des Kolumbus verwechsle, trinke ich Jägermeister. Weil ich Jägermeister trinke, verwechsle ich das Ei des Damokles immer mit dem Schwert des Kolumbus.

Ob eine Relation semantisch symmetrisch oder asymmetrisch ist, ist nicht immer ganz einfach nachzuweisen, weil zum einen informationsstrukturelle Gegebenheiten wie die tendenzielle Rhematizität und stärkere Gewichtung des linear zweiten Konnekts aus der semantischen Struktur „herauszurechnen“ sind, zum anderen kann wie gesagt ein und derselbe Konnektor in einer Verwendung eine symmetrische, in einer anderen Verwendung eine asymmetrische Relation herstellen. Das macht Symmetrie/ Asymmetrie als Klassifikationsmerkmal für die Einteilung in semantische Klassen nur bedingt brauchbar. So ist etwa das in seiner temporalen Grundbedeutung asymmetrische während in der adversativen (von der temporalen abgeleiteten) Lesart symmetrisch. Umgekehrt gibt es auch primär symmetrische Konnektoren, die inferentiell gesteuerte asymmetrische Lesarten haben. Dieses Phänomen hat bekanntlich bei und9 Das hier (in der linguistischen Tradition) verwendete Begriffspaar symmetrisch vs. asymmetrisch ist im Vergleich zu den Konzepten der Aussagenlogik, die mehrere Arten von Nicht-Symmetrie unterscheidet, gröber, aber vertretbar, da die in der Logik unterschiedenen Konzepte im Bereich der Konnektoren keine Rolle spielen.

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

75

Verknüpfungen Semantikern einiges Kopfzerbrechen bereitet. Man vergleiche die und-Verknüpfung mit vertauschbaren Relaten (30a/b) mit dem Paar (32a/b): (32a) (32b)

Ich trank einen Jägermeister und mir wurde speiübel. Mir wurde speiübel und ich trank einen Jägermeister.

Den Unterschied zwischen konversen Paaren von und-Verknüpfungen wie (30a/b) einerseits und (32a/b) andererseits hat man in der Literatur gelegentlich als undPolysemie beschrieben.10 Die ikonische Interpretation von Satzfolgen wie (32) als asymmetrische ‚und dann‘-, ‚und deshalb‘-Relation ist jedoch nicht an das Vorhandensein eines additiven Konnektors gebunden, sondern stellt sich ohne und genauso ein: sie ist daran gekoppelt, dass die Konnekte Ereignisse in einer narrativen Sequenz bezeichnen. Handelt es sich hingegen um Dispositionsprädikate oder legt der Kontext ähnlich wie in (30) eine Art Listeninterpretation (egal ob von Ereignis- oder von Dispositionsprädikaten) nahe, ist die Interpretation additiv-symmetrisch und die Relata sind vertauschbar. (Zu asymmetrischen und-Relationen s. C2.1.3.1.2.) Auch unter den adversativen Konnektoren gibt es solche, die in einer Verwendung mit dem kontrastiven Vergleich eine symmetrische Relation stiften, und in ihrer konzessiven Verwendung eine asymmetrische Relation. (33a)

(33b)

Kontrastiver Vergleich, symmetrisch: [Wie ernährt sich das Ehepaar Schneider?] Herr Schneider isst kein Fleisch, aber seine Frau brät oft ein Steak. = Frau Schneider brät oft ein Steak, aber Herr Schneider isst kein Fleisch. Konzessivität: asymmetrisch [Frau Schneider provoziert ihren Mann gern:] Herr Schneider isst kein Fleisch, aber seine Frau brät oft ein Steak. ≠ Frau Schneider brät oft ein Steak, aber ihr Mann isst kein Fleisch.

Wir halten also fest: Symmetrie und Asymmetrie ist eine Eigenschaft von Relationen, die durch eine bestimmte Lesart eines Konnektors zustande kommt – nicht der Kon-

10 Aus der vehementen Zurückweisung bei Grimm kann man auf ein hohes Alter solcher PolysemieAnnahmen schließen: „mit unrecht sind seit dem 16. jh. der conj. und die verschiedensten und vielseitigsten bedeutungen zugeschrieben, so dasz sie zum knotenpunkt der ganzen syntax, zum exponenten fast aller nebensätze wurde und, mit geheimnisvollen kräften ausgestattet, die andacht zum unbedeutenden weckte“ (DWB: s. v. und). Im heute vorherrschenden bedeutungsminimalistischen Ansatz wird die Bedeutung von und im Wesentlichen mit der der logischen Konjunktion gleichgesetzt und andere Bedeutungen als pragmatisch motivierte Ableitungen betrachtet (vgl. Posner 1979). Dagegen reklamieren für engl. and Bar-Lev/Palacas (1980) temporale Bedeutung.  

76

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

nektor selbst ist symmetrisch oder asymmetrisch. Semantisch symmetrische Relationen werden tendenziell syntaktisch symmetrisch, nämlich koordinativ kodiert. Eine durchgehende Form-Funktion-Isomorphie ist jedoch nicht gegeben.

2.4.2 Asymmetrische Relationen: A NTEZEDENS -(K ON -)S EQUENS -Relationen Der Großteil der semantischen Relationen, für die Konnektoren lexikalisiert sind, ist asymmetrisch, d. h die Relata haben unterschiedliche Rollen. Einen zentralen Bereich asymmetrischer Relationen nehmen diejenigen Relationen ein, die durch ein ähnliches Relatpaar wie die kausalitätsspezifischen Rollen G RUND und F OLGE charakterisiert werden können: konditional basierte Relationen (s. C4.1–C4.6), deren Relata in NTEZEDENS EZEDENS -S S EQUENS -Verhältnis zueinander stehen wie Koneinem konzeptuellen A NT ditionalität, Kausalität, Konzessivität, Instrumentalität und Finalität. Eine vergleichbare Rollenstruktur haben auch temporale Sequenzrelationen (s. C1.3.2). Wie diese Relationen im Konnektorensystem des Deutschen kodiert sind, zeigt die nachstehende Tabelle an Beispielen.  

Tab. A2-2: Zuordnung von syntaktischer Kategorie zu semantischer Rolle für NT EZEDENS -(K ON -) SEQUENS -Relationen A NTEZEDENS Markierungstyp semantische Relation und Relatrollen

A NTEZEDENS - markierend

(K ON -)S EQUENS - markierend

Temporalität S ACHVERHALT und SPÄT ERER S ACHVERHALT

SUBJ:

nachdem, kaum dass, seit, seitdem, sobald, sowie POSTP: Ø EINZELG: kaum ADVBK: anfangs, anfänglich, erst, erstmal, davor, zuerst, zuvor

SUBJ: POSTP:

Konditionalität B EDINGUNG und F OLGE

SUBJ: V2S-E:

SUBJ/POSTP: Ø

FRÜHERER

ADVBK: Kausalität G RUND und F OLGE

wenn, falls, sofern angenommen, vorausgesetzt, gesetzt den Fall Ø

SUBJ: weil, da, zumal EINZELG: denn ADVBK: nämlich, schließlich

ADVBK:

bevor, bis, ehe bis dass, wonach, worauf, woraufhin dann, danach, darauf, daraufhin, endlich, hernach, hinterher, nachher, seitdem, seither, schließlich, sodann, sogleich, zuletzt

ADVBK:

Ø

SUBJ: POSTP: ADVBK:

Ø sodass, dass, weshalb daher, darum, deshalb, deswegen, folglich

A2 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur

77

Markierungstyp semantische Relation und Relatrollen

A NTEZEDENS - markierend

SUBJ: Konzessivität B LOCKIERTE B EDINGUNG und F OLGEKONTRAST OLGEKONT RAST

POSTP: ADVBK: IrrelevanzKonditionalität I RRELEVANTE B EDINGUNG und F OL GE

Instrumentalität IT TEL und F OLGE OL GE M ITTEL

Finalität IT TEL und M ITTEL ZWE CK Z IEL / ZWECK

(K ON -)S EQUENS - markierend

obwohl, obgleich, obSUBJ/POSTP: Ø schon, obzwar wenngleich, wennschon, wennzwar, wenn auch, wiewohl, ADVBK: dennoch, trotzdem, dessentrotzDEM ungeachtet, ungeachtet/unØ beschadet dessen, nichtsdesØ toweniger, nichtsdestotrotz

SUBJ:

ob (…) (oder) ob, ob (…) SUBJ: oder, auch/sogar/selbst/ und wenn POSTP: POSTP: Ø EINZELG: sei es … sei es; w- (…) (auch) immer; w- (…) auch; w- immer (…) (auch) ADVBK: ADVBK: Ø

ohnedies, ohnehin, eh, sowieso, jedenfalls, allemal

SUBJ:

Ø

POSTP: ADVBK:

dadurch/damit (…), dass; SUBJ: indem wozu, wofür POSTP: dazu, hierzu, dafür, dazu ADVBK:

SUBJ: POSTP: ADVBK:

Ø Ø Ø

Negative SUBJ: Konditionalität POSTP: G RUND -(A USGANGS EINZELG: ALLL UND N ORM ( AL ) FFAL A USNAHME (- BEDINGUNG ) ADVBK:

SUBJ: POSTP: ADVBK:

außer dass SUBJ: es sei denn dass POSTP: konjunktional: es sei denn, außer, ausgenommen; adverbial: denn Ø ADVBK:

Ø Ø

wodurch, womit dadurch, hierdurch, damit, hiermit/somit auf dass, damit dass Ø Ø ansonst(en), ander(e)nfalls, widrigenfalls

sonst, ansonst(en), ander(e)nfalls, widrigenfalls

In der Übersicht lassen sich nun eine Reihe von Kodierungstendenzen und Kodierungsbeschränkungen erkennen. (i) Eine Konditionalrelation kann im Normalfall nur antezedentiell markiert werden. (ii) S EQUENS - bzw. K ONSEQUENS -Markierung wird typischerweise mit Adverbkonnektoren oder mit Postponierern kodiert. Sofern sie subordinativ erfolgt, geschieht dies sogar fast immer durch Postponierer. NTEZEDENS EZEDENS -Markierung wird nie – außer im sehr marginalen Falle zweier A NT instrumentaler Konnektoren – mit Postponierern kodiert und – außer bei den

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(iii)

(iv)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

beiden insgesamt sehr großen Klassen der Kausal- und Temporalkonnektoren und im wiederum marginalen Fall einiger instrumentaler Konnektoren – auch nicht mit Adverbkonnektoren. Sofern A NTEZEDENS -Markierungen doch durch Adverbkonnektoren erfolgt, handelt es sich nicht um PronominalAdverbien – erneut bilden die instrumentalen eine (randständige) Ausnahme. Verbzweitsatz-Einbetter markieren ausschließlich das A NTEZEDENS einer Konditionalrelation. Einen Sonderfall stellt die Finalrelation dar: Es gibt keinen einzigen Konnektor, der das A NTEZEDENS einer Finalrelation als „beabsichtigte U RSACHE einer NT EZEDENS -Markierung einer Kauangezielten W IRKUNG “ markieren kann. Die A NTEZEDENS salitätsrelation durch einen Konnektor kann ohne Hinzufügung weiterer sprachlicher Mittel nur Kausalität im engeren Sinn (weil, da, denn) oder Instrumentalität (dadurch (…) dass, indem) markieren; in beiden Fällen ist die finalitätsspezifische Komponente der Absicht nicht lexikalisch ausgedrückt. Für Finalität stehen mit dem Postponierer dass und den zwei Subjunktoren dafür dass und damit nur K ONSEQUENS - markierende Konnektoren zur Verfügung. Die Belegung der Markierungstypen durch die syntaktischen Konnektorenklassen zeigt eine ausgeprägte Tendenz zum konstruktionellen Ikonismus: Adverbkonnektoren und Postponierer, deren internes Konnekt obligatorisch das linear zweite Konnekt ist, können kaum oder gar nicht für die Markierung NTEZEDENS EZEDENS verwendet werden. des A NT

Als asymmetrisch wird hier auch ein Teil der temporalen Gleichzeitigkeits-Relationen eingestuft. Bei den temporalen Subjunktoren als und während bezeichnet jeweils eines der Relata ein zeitlich ausgedehnteres Ereignis, das das im anderen Relat bezeichnete Ereignis umschließt, sodass eine Vertauschung nicht oder zumindest nicht unter Wahrung der Bedeutung möglich ist (s. Bsp. 21 bis 23). In der adversativen Lesart in (34) sind während-Verknüpfungen hingegen symmetrisch und die Relate austauschbar:  

(34a)

Während wir erst zwei Tage auf eine Antwort Kubas warten, wartet der Fernsehjournalist Andreas Holst schon seit Juni auf eine Antwort des State Departments. (die tageszeitung, 09.09.1989, S. 7) Während der Fernsehjournalist Andreas Holst schon seit Juni auf eine Antwort des State Departments wartet, warten wir erst zwei Tage auf eine Antwort Kubas.  

(34b)

Symmetrie oder Asymmetrie ist also nicht eine lexikalische Eigenschaft eines Konnektors, sondern muss auf jeden Fall auf spezifische Konnektorlesarten bezogen werden, die sich aus dem Zusammenspiel mit dem Kontext ergeben. Aber auch traditionell abgegrenzte semantische Klassen können diesbezüglich uneinheitlich sein: „Temporalität“ etwa erweist sich als ein Bündel unterschiedlicher temporaler Relationen, von denen einige symmetrisch und andere asymmetrisch sind.

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

A3

Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

A3.1

Mehrdeutigkeit und Ausdrucksvielfalt als Probleme der Konnektorensemantik: „Polysemieproblem“ und „Synonymieproblem“  81

Eine Form – mehrere Bedeutungen: Heterosemie, Polysemie, Unterspezifikation  84 3.2.1 Heterosemie  89 3.2.1.1 Heterosemie zwischen konnektoraler und nicht-konnektoraler Verwendung  90 3.2.1.1.1 Adjektiv – Adverbkonnektor  91 3.2.1.1.2 Verbalpartizip – Subjunktor/Verbzweitsatz-Einbetter/ Einzelgänger ausgenommen/Adverbkonnektor  91 3.2.1.1.3 Deiktisches Adverb/Pronominaladverb/w-Adverb – Adverbkonnektor/Subjunktor bzw. Postponierer  92 3.2.1.1.4 Adposition – Subjunktor/Einzelgänger  93 3.2.1.1.5 Partikel – Adverbkonnektor  94 3.2.1.1.6 Adjunktor (als, wie) – Subjunktor  96 3.2.1.1.7 Komplementierer (dass, ob) – Subjunktor/Einzelgänger  96 3.2.1.1.8 Liste heterosemer Konnektoren mit nicht-konnektoralen Verwendungen  97 3.2.1.2 Heterosemie zwischen Konnektoren verschiedener syntaktischer Konnektorklassen  99 3.2.1.2.1 Systematische Variation: Konversenbildung mit Adverbkonnektor und Subjunktor/Postponierer  99 3.2.1.2.2 Idiosynkratische Variation  100 3.2.2 Reguläre Polysemie: Mehrdeutigkeit bei Konstanz der syntaktischen Konnektorklasse  101 3.2.2.1 Sequenz (A A NTEZEDENS markierend) → Kausalität  104 3.2.2.2 Simultanität → Adversativität; Komitativität → Konzessivität  105 3.2.2.3 Simultanität → Kausalität  106 3.2.2.4 Simultanität → Konditionalität  107 3.2.3 Unterspezifikation bei Konnektoren  108 3.2.3.1 Unterspezifikation in Bezug auf die Verknüpfungsebene  108 3.2.3.2 Unterspezifikation in Bezug auf idiosynkratische semantische Merkmale  110

A3.2

A3.3

Zur deskriptiven Erfassung von invarianter Bedeutung und Bedeutungsvariation  111

A3.4

Eine Funktion – mehrere Formen: paradigmatische Bezüge zwischen Konnektoren einer Relationsklasse  113

Eva Breindl

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren A3.1 Mehrdeutigkeit und Ausdrucksvielfalt als Probleme der Konnektorensemantik: „Polysemieproblem“ und „Synonymieproblem“ Der aus informationstheoretischer Sicht „optimale“ Zustand, dass einer sprachlichen Form genau eine Bedeutung zugeordnet ist und umgekehrt für ein inhaltliches Konzept genau eine Form zur Verfügung steht, ist bekanntlich in keiner natürlichen Sprache realisiert.1 Von einer eineindeutigen Form-Funktion-Zuordnung (One-formone-meaning-Prinzip) gibt es im Wortschatz und in den syntaktischen und morphologischen Strukturen der Einzelsprachen ganz regelmäßig Abweichungen nach beiden Richtungen. Dieses schon von den Stoikern reflektierte Phänomen stellt für Sprachwissenschaft und Lexikographie eine methodische Herausforderung dar. Für die semantische Beschreibung der Konnektoren stellen sich das „Polysemieproblem“ – einer Form sind mehrere Bedeutungen zugeordnet – und das „Synonymieproblem“ – einem Konzept sind mehrere Formen zugeordnet – in verschärfter Form. Das liegt zum einen an der Heterogenität des Konnektoreninventars, in dem sich Wortschatzeinheiten ganz unterschiedlichen Grammatikalisierungsgrades finden: Die Spanne reicht von morphologisch einfachen, stark grammatikalisierten und etymologisch verdunkelten Formen wie als, da, denn bis zu morphologisch komplexen, gering grammatikalisierten und etymologisch voll transparenten Formen wie in Hinblick darauf, beispielsweise oder angenommen.2 Zum anderen haftet den Konnektoren selbst eine gewisse Janusköpfigkeit in semantischer Hinsicht an; sie haben einerseits als Satzverknüpfer ähnlich wie Komplementierer oder die Flexionsmorphologie in erster Linie 1 Die semantische Biuniquitätsforderung findet sich u. a. bei Bolinger (1977): „The natural condition of language is to preserve one form for one meaning, and one meaning for one form.“ 2 Abraham (1980: 406) geht von einer prinzipiellen kategorialen Zweiteilung der Adverbien und Konjunktionen aus: eine Kategorie, die „infolge stark kontextdeiktischer Funktion im Laufe der Entwicklung der deutschen Sprache semantisch und daher auch syntaktisch stark geschwankt hat und schließlich im Laufe der Zeit bis heute eine Vielfalt von Verwendungen entwickelt hat; und eine andere Kategorie, die immer stärker analytisch verständlich blieb, teillexikalisiert und daher im Gebrauch verhältnismäßig eng begrenzt war.“ Ausdrücke vom Typ (1) seien beim Spracherwerb schwieriger und in anderen Sprachen, wenn überhaupt, dann nicht mit derselben Oszillationsbreite lexikalisiert. Ausdrücke vom Typ (2) seien diachron einigermaßen stabil und entstammten vielfach erst der normierenden Periode der deutschen Sprachgeschichte.  

82

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

die strukturelle Funktion, die Beziehungen zwischen den Inhaltswörtern eines Satzes anzudeuten; andererseits aber bezeichnen sie wie relationale Ausdrücke des Nennwortschatzes spezifische semantische Relationen. An einem Beispiel verdeutlicht: Der konsekutive Postponierer sodass steht gewissermaßen zwischen dem Komplementierer dass und Verben wie verursachen, bedingen, führen zu. Typisch für grammatische Morpheme ist ein hohes Ausmaß von funktionaler Belastung bzw. Mehrdeutigkeit. Das entspricht einer universalen Tendenz, derzufolge die morphologische Komplexität eines Sprachzeichens umgekehrt proportional zum Grad seiner syntaktischen oder semantischen Polyfunktionalität steht, m. a. W., je einfacher eine Form ist, desto stärker neigt sie zur Mehrdeutigkeit. (Bei Kortmann 1998: 478 ff. als „inverse relation hypothesis“ bezeichnet und für Subjunktoren in einer Vielzahl europäischer Sprachen nachgewiesen). Einfachheit der Form ist aber wiederum mit hohem Grammatikalisierungsgrad und hoher Frequenz korreliert. Diese Tendenzen lassen sich auch bei den Konnektoren des Deutschen beobachten. Die oben genannten stark grammatikalisierten Simplizia als, da, denn sind mehrfach polysem, die morphologisch komplexen, gering grammatikalisierten in Hinblick darauf, beispielsweise oder angenommen sind monosem. Im Nennwortschatz ist wiederum Synonymie deutlich ausgeprägter als im Bereich grammatischer Morpheme. Im Inventar der Konnektoren ist Synonymie insofern gegeben, als den Konnektoren einer Relationsklasse die rollensemantische Struktur, über die sich die Klasse definiert, gemeinsam ist (s. A2). Darüber hinaus können sie aber jeweils spezifische Bedeutungsmerkmale haben, in denen sie sich voneinander unterscheiden. Auch in dieser Hinsicht ist das Konnektoreninventar inhomogen: Während die stärker grammatikalisierten, älteren Formen einer Relationsklasse meist auch größeren semantischen Abstand voneinander und recht unterschiedliche Gebrauchsbedingungen haben – exemplarisch etwa der Fall der kausalen Konnektoren da, denn und weil, zu deren wechselseitigen Differenzmerkmalen eine Fülle von Literatur existiert – kann bei jüngeren, weniger stark grammatikalisierten Bildungen der Grad der Synonymie höher sein und die Unterschiede sich, wie beispielsweise im Fall der konzessiven Subjunktoren obwohl, obzwar, obschon, obgleich oder der adversativen Adverbkonnektoren dagegen, hingegen, demgegenüber, dementgegen im Wesentlichen auf regionale und stilistische Variation beschränken. Bedeutungsbeschreibungen von Konnektoren in Grammatiken und Wörterbüchern sind in aller Regel sowohl in Bezug auf das Polysemieproblem als auch in Bezug auf das Synonymieproblem defizitär.  





(i) Polysemieproblem Die Mehrdeutigkeit eines Konnektors wird meist unzureichend und unsystematisch erfasst; vielfach beschränken sich Bedeutungsangaben in Grammatiken und Wörterbüchern auf eine willkürlich anmutende Anzahl von Lesarten ohne erkennbaren Bezug zueinander. In der Strukturierung der Lemmata für mehrdeutige Konnektoren divergieren Wörterbücher erheblich. Systematische Mehrdeutigkeiten, bei denen Paa-

83

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

re von Bedeutungsvarianten auf die gleiche Weise semantisch aufeinander beziehbar sind, können bei einer semasiologischen Erfassung in Wörterbüchern überhaupt nicht transparent gemacht werden, aber auch in Grammatiken findet sich dazu fast nichts. Fast noch problematischer ist aber, dass in aller Regel die Kontextabhängigkeit der Bedeutungsvariation nicht berücksichtigt wird und die syntaktischen und semantischen Kontextspezifika, die mit einer bestimmten Konnektorbedeutung korrelieren, nicht „herauspräpariert“ und dokumentiert werden. Bei der isolierten Auflistung von Bedeutungsvarianten wird nicht erfasst, inwieweit die Varianten auf eine gemeinsame Grundbedeutung zurückführbar sind, auf deren Basis dann via kontextueller Anreicherung die spezifischen Varianten interpretiert werden, m. a. W. es wird nicht geschieden zwischen invariantem, kontextunabhängigem und variablem, kontextdeterminiertem Bedeutungsanteil.  

  

(ii) Synonymieproblem Auch die Unterschiede im Grad der Synonymie zwischen den Konnektoren einer Relationsklasse werden bei ihrer lexikographischen Erfassung oft genug verwischt; eine semantische Feindifferenzierung jenseits der rollensemantischen Ebene unterbleibt, sodass die Bedeutungsangaben unterdifferenziert und nicht distinktiv sind. Die Angabe von Unterschieden beschränkt sich meist auf die leicht zugänglichen oberflächensyntaktischen Charakteristika, und so erschöpfen sich dann z. B. die differentiellen Angaben für weil und denn vielfach in „kausal, unterordnend“ vs. „kausal, nebenordnend“. Für eine Gesamtdarstellung des Konnektoreninventars einer Sprache ist es aber ein Desiderat, die paradigmatischen Bezüge und Sinnrelationen zwischen den Konnektoren einer Relationsklasse und die Differenzmerkmale zwischen diesen Konnektoren zu erfassen. Grammatiken und Wörterbücher mit solchen Beschreibungsdefiziten sind insbesondere für Nicht-Muttersprachler ungeeignet; ebenso wenig taugen sie für die Zwecke der maschinellen Sprachverarbeitung. Ziel des vorliegenden Handbuchs ist es, die invarianten und kontextunabhängigen Züge in der Bedeutung eines Konnektors zu ermitteln, die sein gesamtes Variationsspektrum abdecken und gleichzeitig genügend profiliert sind, um gegenüber den Bedeutungen von Konnektoren der gleichen Relationsklasse trennscharf zu sein. Zu diesem Zweck muss der Variationsbereich für jeden Konnektor erfasst werden und es ist zu zeigen, auf welche Weise charakteristische Kontextmerkmale mit bestimmten Konnektorlesarten interagieren und aus der allgemeinen Grundbedeutung spezifische Lesarten „herausfiltern“ bzw. die allgemeinere Bedeutung zu einer spezifischen anreichern. Dabei vertreten wir eine „bedeutungsminimalistische“ Position und sind bestrebt, soweit es linguistisch plausibel und methodisch nachvollziehbar ist, von einer einheitlichen Grundbedeutung eines Ausdrucks auszugehen und die Bedeutungsvarianten aus dieser abzuleiten. Wir unterscheiden mehrere Typen von Mehrdeutigkeit, erheben mit diesen aber nicht den Anspruch, ein Bewusstsein der Sprecher über die Bedeutungseinheit oder Bedeutungsverschiedenheit bzw. über unterschiedliche Grade von „Bedeutungsverwandt 

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schaft“ von Ausdrücken, also irgendeine Art psychologischer Realität abzubilden. Unser Modell einer gestuften Typologie von Mehrdeutigkeit orientiert sich vielmehr stärker an linguistisch dingfest zu machenden kategorialen Unterschieden, die jeweils mit einem bestimmten Typ von Mehrdeutigkeit gekoppelt sind. Gleichzeitig ist für jede Bedeutungsvariante eines Konnektors zu ermitteln, inwieweit sie spezifische Kontextrestriktionen aufweist, die gegenüber den „Bedeutungsnachbarn“, d. h. anderen Konnektoren der gleichen Relationsklasse, distinktiv sind.  

A3.2 Eine Form – mehrere Bedeutungen: Heterosemie, Polysemie, Unterspezifikation Sprecher einer Sprache haben in der Regel ein intuitives Verständnis davon, dass bei mehrdeutigen Ausdrücken die Bedeutungsvarianten einer Form in unterschiedlichem Grad miteinander „verwandt“ sein können, dass es also so etwas wie verschiedene Typen von Mehrdeutigkeit gibt. Auch Wörterbücher versuchen, mit Hilfe einer Strukturierung der Lemmaeinträge ein solches Verständnis widerzuspiegeln. Das Phänomen der unterschiedlichen Nähe der Bedeutungsvarianten einer Form ist in der Linguistik in unterschiedlichen Ansätzen und unter unterschiedlichen Perspektiven ausgiebig behandelt worden. Es ist zu prüfen, welche dieser Ansätze und welche Konzepte für die Erfassung der Mehrdeutigkeit von Konnektoren fruchtbar gemacht werden können. Von den zur Begriffsfamilie von Mehrdeutigkeit gehörenden Konzepten werden hier Homonymie, Polysemie, Heterosemie und Vagheit bzw. semantische Unterspezifikation auf ihre Tauglichkeit für die Konnektorensemantik hin untersucht. Wegen der genannten Janusköpfigkeit der Konnektoren selbst und der Heterogenität des Gesamtbestands sind zum einen Beschreibungen von Mehrdeutigkeiten im Rahmen der lexikalischen Semantik, die sich tendenziell auf Inhaltswörter konzentriert,3 einschlägig – seien diese nun kognitiv ausgerichtet (Cruse 2000 und 2004, Ravin/ Leacock 2000, Cuyckens/Zawada 2001) oder eher wahrheitsfunktional (Bierwisch 1983, Blutner 1995). Zum anderen sind Ansätze, die im Rahmen der Partikelforschung zur Beschreibung der Mehrdeutigkeiten von Abtönungspartikeln bzw. zwischen Vertretern verschiedener Partikelklassen entwickelt wurden, heranzuziehen (Foolen 1989, Thurmair 1989, Abraham 1991b, zahlreiche Beiträge in den von Harald Weydt herausgegebenen Bänden Weydt (Hg.) 1977, 1979, 1981 und 1983). Und schließlich können sich wegen der ausgeprägten Affinität zwischen Konnektoren und Präpositionen auch Arbeiten zur konzeptuellen Semantik der Präpositionen, insbesondere der

3 Explizit auf diesen Gegenstandsbereich eingeengt bei Cruse: „Lexical Semantics is by and large the study of the meaning of content words, and is oriented principally to the contribution that open-set items make to these“ (Cruse 2004: 88).

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notorisch mehrfach polysemen primären lokalen Schicht als nützlich erweisen (Radden 1982, Herweg 1989, Wunderlich 1993, Boers 1996, GDS: 2113–2156, Meex 2002, Vandermeeren 2004). (i) Konzepte von Mehrdeutigkeit beim Nennwortschatz Ausgangspunkt unserer Überlegungen sind die in der lexikalischen Semantik am Beispiel von Inhaltswörtern aufgestellten, mehr oder minder etablierten Unterscheidungen verschiedener Mehrdeutigkeitstypen. (1a) (1b)

Gerda saß auf der Bank und strickte. Gerlinde arbeitet in einer Bank.

Bank ist der klassische Fall eines homonymen Ausdrucks. Homonyme haben in der strikten Definition überhaupt keine gemeinsame etymologische Basis – sie sind nur das Resultat eines zufälligen lautlichen Zusammenfalls – und sind in ihrer Bedeutung nicht aufeinander beziehbar. Häufig unterscheiden sich Homonyme auch in den morphologischen Paradigmen wie in diesem Fall in den Pluralformen Bänke (für 1a) vs. Banken (für 1b). In einer weniger strikten Fassung sind Homonyme mindestens synchron nicht mehr aufeinander oder auf eine gemeinsame semantische Basis zurückführbar und/oder etymologisch verdunkelt. Von der Homonymie wird traditionell die Polysemie wie in (2) unterschieden. (2a) (2b) (2c) (2d)  

Die Schule spendete einen größeren Betrag. (‚Institution‘) Die Schule hat ein Flachdach. (‚Gebäude‘) Die Schule macht ihm großen Spaß. (‚Prozess‘) Die Schule ist eine Grundlage der Zivilisation. (‚Ensemble von Prozessen‘) (Beispiele aus Blutner 1995: 37)

Polysemiekriterien sind die etymologische Verwandtschaft, bzw., unter synchroner Perspektive und weniger scharf, die Möglichkeit, die Varianten in plausibler Weise aufeinander zu beziehen. Das Kriterium gilt in der Semantik per se als problematisch (vgl. die ausführliche Diskussion bei Lyons 1977: 550–569, dt. 1983: 168–186; ferner Pinkal 1991: 263; Cuyckens/Zavada 2001; Cruse 2004: 102), da es auf einem Konzept basiert, das nicht unabhängig von der sprachreflexiven Kompetenz des individuellen Sprachbenutzers und von dessen etymologischem Wissen ist: Dem einen mag der Bezug von einem etymologisch verdunkelten Ausdruck auf seine Basis zugänglich sein, dem anderen nicht. Nach dem traditionellen Polysemieverständnis wird Zugehörigkeit der Varianten zur selben Wortklasse als weitere Bedingung für Polysemie angesehen (vgl. Lyons 1977: 550, dt. 1983: 168; Cuyckens/Zawada 2001: xiii; dagegen aber Hopper/Traugott 1993: 71).

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Polysemie wie in (2) wird seit Apresjan (1974) als „reguläre Polysemie“ bezeichnet (daneben auch „systematische“ oder „produktive“ Polysemie);4 sie ist insbesondere am Beispiel der Institutionsbezeichnungen (Bierwisch 1983; Blutner 1995), ferner an sensorischen Adjektiven (stumpf, scharf, bitter etc.) und Verben für intellektuelle Tätigkeiten (begreifen, fassen, einsehen) beschrieben worden. Kennzeichnend für reguläre Polysemien ist, dass mehrere – untereinander nicht synonyme – Ausdrücke eine Art Cluster mit gleichgearteter Bedeutungsauffächerung zeigen, wobei durchaus auch idiosynkratische Lücken auftreten können. Vollkommen analoge Bedeutungsalternation zu Schule weisen etwa auch Oper, Kirche, Universität auf, während beispielsweise bei Palast oder Regierung nicht alle Positionen besetzt sind (vgl. die Übersicht in Blutner 1995: 38). Solche regulären Polysemien werden durch Prozesse metonymischer semantischer Reanalysen und metaphorischer Übertragungen erzeugt. Typische Fälle sind die auch in der Rhetorik ausführlich behandelten Übertragungen vom Typ ‚Autor für Werk‘ (Der Goethe kann abgeholt werden), ‚Behälter für Inhalt‘ (ein Glas trinken), oder auch pars-pro-toto-Phänomene wie z. B. ‚Frucht für Baum‘ und dergleichen (vgl. Cruse 2004: 110 f., 198–214; Löbner 2002: 46–56). Von der Ambiguität der homonymen und polysemen Ausdrücke sind wiederum Fälle wie (3) abzugrenzen, wo in Abhängigkeit vom Kontext ganz unterschiedliche Aspekte des einen Konzepts Fenster aktualisiert werden  



(3a)

Helmut Jahn hat sich inzwischen Fenster der „Schallschutz-Klasse vier“ in sein Haus einsetzen lassen. (die tageszeitung, 27.02.1995, S. 22). (‚Ensemble aus Fensterflügel und Fensterstock‘) Die Bevölkerung wurde aufgerufen, die Fenster geschlossen zu halten. (Tiroler Tageszeitung, 18.01.1997, o. S.) (‚Fensterflügel‘) Ihr Vermieter weigert sich, die Fenster streichen zu lassen? (die tageszeitung, 05.05.1993, S. 18) (‚Fensterrahmen‘) Unbekannte hatten mit einem Stein das Fenster eingeworfen. (die tageszeitung, 11.07.1997, S. 5) (‚Fensterscheibe‘)  

(3b)



(3c)



(3d)



Für Phänomene dieses Typs werden in der lexikalischen Semantik und in der logischen Semantik die Termini Vagheit oder Unterdeterminiertheit/Unterspezifikation benutzt. Ambige Ausdrücke sind im Lexikon mit unterschiedlichen Bedeutungen gespeichert, von denen eine im Kontext selegiert werden muss. Bei vagen Ausdrücken ist das in der Regel nicht der Fall; eine „Mehrsinnigkeit“ (Blutner 1995) entsteht hier gegebenenfalls überhaupt erst im Gebrauch. Vage Ausdrücke unterscheiden sich 4 „Polysemy of the word A with the meaning ai und aj is called regular if, in the given language, there exists at least one other word B with the meanings bi and bj, which are semantically distinguished from each other in exactly the same way as ai and aj and if ai and bi are non-synonymous.“ (Apresjan 1974, zitiert nach Ravin/Leacock 2000: 10).

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somit von ambigen vor allem darin, dass ihre potentielle Mehrdeutigkeit in der Alltagskommunikation nicht zwingend aufgelöst werden muss, wohingegen für letztere ein adressatenseitiges Disambiguierungsgebot (bzw. sprecherseitiges Festlegungsgebot) gilt. Aus diesem Unterschied resultiert eine Reihe von Gebrauchseinschränkungen, die sich zu Testkriterien ausarbeiten lassen (Überblick über Testverfahren in Ravin/Leacock 2000: 2–5 und Cruse 2000). Im Wesentlichen beruhen die vorgeschlagenen Tests darauf, dass bei einem ambigen Ausdruck die Präzisierungen unvereinbar sind und deshalb die unterschiedlichen Lesarten nicht gleichzeitig in einem Syntagma aktiviert werden können, ohne dass sich zeugmatische Strukturen ergäben, während vage Ausdrücke dies durchaus zulassen. So können die in den Kontexten von (3a) bis (3d) unterschiedlich aktivierten Aspekte des Konzepts Fenster koordiniert werden, was bei homonymen Ausdrücken wie dem Verb lesen in (5) und polysemen Ausdrücken wie Zeitung in (6) nicht gelingt.5 (4) (5) (6)

Kaum hatten wir das neue Fenster eingesetzt und gestrichen, ist es auch schon wieder eingeschlagen worden. #Vater liest Zeitung und Mutter Erbsen. #Die Zeitung liegt auf dem Tisch und hat angerufen.

Bei ambigen Ausdrücken steht jede Lesart gesondert in paradigmatischen Relationen (Synonymie, Antonymie, Hyperonymie) zu anderen Ausdrücken, bei vagen Ausdrücken gibt es solche Relationen auch für das umfassende Konzept. Sprachpsychologisch gesehen ist Vagheit eines Ausdrucks ein weitgehend unbemerktes, nicht bewusst reflektiertes Phänomen, während Ambiguität eines Ausdrucks Sprechern in der Regel bewusst ist. Für vage Ausdrücke gibt es eine umfassende Lesart mit maximalem Umfang, die in der Alltagskommunikation nicht präzisiert zu werden braucht. Vagheit wurde in der Semantik und Logik bisher vor allem an Adjektiven und sog. randbereichsunscharfen Gattungsnamen studiert, wo sie sich extensional als Unklarheit

5 Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass der Unterschied zwischen Ambiguität und Vagheit instabil und unscharf ist und es eine Palette von Übergangsformen zwischen reiner Vagheit und prototypischer Mehrdeutigkeit gibt (Pinkal 1991: 250, Ravin/Leacock 2000, Cuyckens/Zawada 2001). Das Problem liegt darin, dass offensichtlich die Akzeptabilität einer Struktur mit gleichzeitig aktivierten Lesarten eines Ausdrucks durch entsprechende Kontextmanipulation, insbesondere hin zu metaphorischen Kontexten, beeinflusst werden kann und damit die Struktur einmal Ambiguität und ein andermal Vagheit indiziert wie im folgenden Beispielpaar (nach Ravin/Leacock 2000: 4): (i) #Judys Dissertation ist provozierend und sie hat Stockflecken. (→ Ambiguität) (i’) Judys Dissertation ist immer noch provozierend, auch wenn sie inzwischen schon Stockflecken hat. (→ Vagheit) Auf Unschärfen und unklare Akzeptabilität in den Ambiguitätstests weist auch Lyons (1977: 554, dt. 1983: 172) mit dem folgenden Beispiel hin: (ii) He played scrum-half in the afternoon and Hamlet in the evening. (iii) Nachmittags spielte er Rechtsaußen und am Abend Hamlet.

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bezüglich der Anwendung des Konzepts auf ein bestimmtes Denotat manifestiert (vgl. Pinkal 1991). Das (aus der Phonologie übernommene) Konzept der semantischen Unterspezifikation ist insofern enger, als es erstens eine Festlegung impliziert, in Bezug auf welches semantische Merkmal ein Ausdruck nicht spezifiziert ist, und zweitens nur dann sinnvoll anzuwenden ist, wenn es im Rahmen eines Wortfelds oder eines Rasters verwandter Ausdrücke solche Ausdrücke gibt, bei denen das Merkmal spezifiziert ist; andernfalls wäre jeder Ausdruck, der als Hyperonym zu anderen Ausdrücken fungiert, in Bezug auf die Differenzmerkmale dieser zueinander kohyponymen Ausdrücke unterspezifiziert. Ein Ausdruck kann gleichzeitig vage (in Bezug auf seine möglichen Spezifizierungen) und ambig (in Bezug auf eine weitere Bedeutungsvariante) sein. Die Bedeutungsvariante von Fenster in (3e), Ergebnis einer metaphorischen Übertragung des Gesamtkonzepts Fenster, unterscheidet sich deutlich von der Variation wie in (3a) bis (3d). Beim Test der syntagmatischen Lesartenkombination wird diese Verwendung auch nicht als Fall von Vagheit ausgefiltert. (3e)

Das neue Angebot soll nach Scherfs Vorstellung zunächst auf Deutsch und Türkisch senden. Zu Beginn sei ein tägliches, zwei- bis dreistündiges Fenster, zum Beispiel auf Phoenix oder 3sat, denkbar. (Berliner Zeitung, 11.06.2004, S. 30) #Wir schauen gern durch das mehrstündige Fenster auf 3sat.  

(3f)

(ii) Mehrdeutigkeit bei Konnektoren Bei dem Versuch der Übertragung der am Nennwortschatz erhobenen Mehrdeutigkeitskonzepte auf den Gegenstandsbereich Konnektoren sind die unterschiedlichen semantischen und syntaktischen Charakteristika von Inhalts- und Funktionswörtern in Rechnung zu stellen. Im Einzelnen stellen sich hier folgende Probleme: – Aufgrund ihrer syntaktischen Funktion sind Konnektoren in aller Regel nicht untereinander koordinierbar, sieht man von hochgradig markierten Formen wie Wenn oder falls er jemals nach Hause kommt (s. (34)) ab. Damit geht aber dieses zwischen Vagheit und Ambiguität differenzierende Testverfahren bei Konnektoren ins Leere. – Die klassische Differenzierung zwischen Homonymie und Polysemie ist bei Konnektoren widersprüchlich. Auf der einen Seite gehen unterschiedliche Bedeutungen bei Funktionswörtern etymologisch und diachron meist auf dieselbe Wurzel zurück, was gegen Homonymie spricht. Die bei Inhaltswörtern oft mit Homonymie einhergehende Distinktheit der morphologischen Paradigmen entfällt bei unflektierbaren Ausdrücken ohnehin. Auf der anderen Seite ist Mehrdeutigkeit von Konnektoren nicht unbedingt wortklassenkonstant; Mehrdeutigkeiten zwischen konnektoraler und nichtkonnektoraler Verwendung oder zwischen verschiedenen syntaktischen

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Konnektorklassen wären aber nach der klassischen Definition homonymietypisch. Das Konzept der Vagheit ist in seiner extensionalen Definition auf Konnektoren nicht übertragbar, da unklar ist, was die extensionale Bedeutung eines Konnektors ist.

Ungeachtet dieser Probleme lässt sich aber auch bei Konnektoren zeigen, dass es wie bei Inhaltswörtern verschiedene Typen von Mehrdeutigkeiten mit jeweils spezifischen Eigenschaften gibt. Die Unterschiede betreffen – den – eher auf Seiten der Sprecher hypostasierten – Grad der Verwandtschaft der Bedeutungen einer mehrdeutigen Form – die semantischen und pragmatischen Prozesse, die am Zustandekommen der Mehrdeutigkeit beteiligt sind – mit dem jeweiligen Typ von Bedeutungsvariation korrelierte syntaktische Regularitäten (Wortklassenkonstanz vs. Wortklassenwechsel; Konstanz vs. Wechsel in der Abbildung der syntaktischen auf die semantische Struktur) Auf der Basis dieser Unterscheidungen ergibt sich eine „gestufte“ Typologie von Mehrdeutigkeiten bei Konnektoren (vgl. auch Breindl 2004d), wobei die einzelnen Typen deutliche Ähnlichkeiten mit den oben beschriebenen Konzepten Homonymie, reguläre Polysemie und Unterspezifikation aufweisen. 1. 1.1 1.2

Heterosemie: Bedeutungsvariation mit Wechsel der syntaktischen Klasse Bedeutungsvariation zwischen konnektoraler und nicht-konnektoraler Verwendung Bedeutungsvariation bei Wechsel der syntaktischen Konnektorklasse

2.

Reguläre Polysemie: Bedeutungsvariation mit Konstanz der syntaktischen Konnektorklasse

3. 3.1 3.2

Unterspezifikation Unterspezifikation in Bezug auf die Verknüpfungsebene Unterspezifikation in Bezug auf idiosynkratische semantische Merkmale

3.2.1 Heterosemie Die oben genannten Schwierigkeiten bei der Anwendung der Mehrdeutigkeitskonzepte Homonymie und Polysemie auf Konnektoren wurden in der Modalpartikelforschung analog diskutiert. Meibauer (1994) verwendet daher im Anschluss an Lichtenberk (1991) für die regelmäßig auftretenden Fälle von Mehrdeutigkeiten zwischen einer Modalpartikel-Variante und einer Nicht-Modalpartikel-Variante (wie beispiels-

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weise bei aber, eben, einfach, glatt, nur, vielleicht) ein drittes Konzept, Heterosemie.6 Dieses Konzept hat sich in der Partikelforschung gut etabliert und lässt sich u. E. gut auf Fälle von Mehrdeutigkeiten zwischen einer Konnektorvariante und einer NichtKonnektorvariante übertragen, aber ebenso gut auch für Fälle von Mehrdeutigkeiten zwischen Konnektoren verschiedener syntaktischer Subklassen, da die Subklassen ja Wortartcharakter haben (vgl. HDK-1: 35–41). Ein Beispiel für den ersten Subtyp von Heterosemie ist die Mehrdeutigkeit zwischen Adjektiv und Adverbkonnektor wie bei allein und ferner:  

(7a) (7b)

Nichts liegt mir ferner. Der Betrieb mache 981 Millionen Franken Verlust. Angesichts der guten Geschäftsentwicklung sei der Konzern jedoch in der Lage, das Minus zu verkraften, hieß es in der Mitteilung ferner.  

Für den zweiten Subtyp stehen Mehrdeutigkeitsfälle wie (8) (8a) (8b)

Sowie ein Trieb im Wasser hängt, bilden sich neue Wurzeln. (Subjunktor, temporal) Außerdem erhält er Fahrkostenersatz, wenn er von einem anderen Ort an den Ort des Gerichtes reisen muß, sowie eine Dienstaufwandentschädigung (MK1/WUB, Ullrich, Bürger, S. 144) (Konjunktor, additiv)  

3.2.1.1 Heterosemie zwischen konnektoraler und nicht-konnektoraler Verwendung Heterosemien von Konnektoren sind insbesondere zu Adverbien, Adjektiven bzw. adjektivischen Verbalpartizipien und Präpositionen stark ausgeprägt. Heterosemien zwischen Konnektoren und Substantiven oder Verben anderer Form als Partizipien gibt es im Gegenwartsdeutschen nicht; unter diachroner Perspektive sind jedoch auch reichlich Spuren dieser Wortarten im Inventar der Konnektoren zu erkennen. Die synchronen Heterosemien sind Ergebnisse von typischen Sprachwandel- und Grammatikalisierungsprozessen, die auch durch nachweisliche diachrone Ablösungen einer Bedeutung durch eine andere belegbar sind. Entwicklungen zu Konnektoren aus Adjektiven und Verbalpartizipien, in schwächerem Maße auch solche aus Adverbien, sind „Dekategorialisierungen“ von einer „lexikalischen“ Hauptwortart zu einer „grammatischen“ Nebenwortart. Dabei gehen die morphologischen und syntaktischen Kategorisierungen der Quellwortarten ver-

6 Lichtenberk definiert als Heterosemie Fälle, „where two or more meanings or functions that are historically related in the sense of deriving from the same ultimate source, are borne by reflexes of the common source element that belong in different morphosyntactic categories“ (Lichtenberk 1991: 476).

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loren; als Konnektoren sind allein, anfänglich, ferner oder angenommen, vorausgesetzt etc. nicht nach Numerus, Genus und Kasus bzw. Person, Tempus, Modus etc. kategorisiert und sind unflektierbar. Im Einzelnen finden sich im Konnektoreninventar folgende Heterosemien zwischen konnektoraler und nicht-konnektoraler Verwendung:

3.2.1.1.1 Adjektiv – Adverbkonnektor allein, anfänglich, anschließend, bloß, diesbezüglich, eben, einzig, endlich, entsprechend, erst, ferner, gar, gerade, gleichzeitig, schließlich, später, weiter, zusätzlich Adjektive fungieren ausschließlich als Quelle für Adverbkonnektoren, nicht für konjunktionale Konnektoren. Bei bloß, eben, einfach und gar liegt der Konnektorverwendung eine metaphorische Übertragung von einem Qualitätsadjektiv auf eine epistemische Ebene der Einstellungen und Bewertungen zugrunde, das entspricht der bei Abtönungspartikeln geläufigen „Pragmatikalisierung“ und „Subjektivierung“. Diese Partikel vereinigt die „abtönende“ mit der verknüpfenden Funktion. (Zur Entwicklung von eben und einfach vgl. Autenrieth 2002 und 2005; zu eben und bloß vgl. Abraham 1991a.) Die Bedeutung des Konnektors erscheint hier gegenüber der des Adjektivs synchron als stark verschoben; Wörterbücher setzen zwei Lemmata an. In anderen Fällen, insbesondere bei den mit dem Adjektivsuffix -lich gebildeten Konnektoren (anfänglich, endlich, gleichzeitig, schlussendlich, schließlich, zusätzlich, aber auch einzig und später) verhält sich dagegen die Konnektorbedeutung zu der des Adjektivs wie attributiver zu adverbialem Gebrauch bei Adjektiven wie schnell, laut, fröhlich etc., d. h. attributiv verwendetes Adjektiv und Adverbkonnektor haben weitgehend gleiche Bedeutung. Die Heterosemie beruht in diesem Fall auf der Lexikalisierung einer Form in unterschiedlichen syntaktischen Funktionen.  

3.2.1.1.2 Verbalpartizip – Subjunktor/Verbzweitsatz-Einbetter/ Einzelgänger ausgenommen/Adverbkonnektor während (Subjunktor); angenommen, gesetzt, vorausgesetzt (Verbzweitsatz-Einbetter); ausgenommen (Einzelgänger, nichtkonnektintegrierbar); anschließend, entsprechend (Adverbkonnektoren) u. a.  

In Anbetracht der analogen Strukturierung von Prädikaten und Konnektoren als Funktoren mit Argumenten (s. A2) ist eine Herleitung von Konnektoren aus verbalen Ausdrücken nicht überraschend. Deverbale Konnektoren sind in aller Regel das Ergebnis einer syntaktischen Reanalyse aus verbalen Syntagmen: deverbale Adverbkonnektoren bilden sich vor allem aus Verbalpartizipien mit einem anaphorischen,  

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

auf den Vorgängersatz verweisenden Pronomen (ungeachtet dessen, währenddessen, dementsprechend, davon abgesehen, abgesehen davon) oder aus elliptischen, appositiv eingeschobenen Sätzen (nebenbei gesagt, kurz gesagt); konjunktionale Konnektoren gehen auf Verben zurück, die einen Satz einbetten (es sei denn, geschweige denn, ausgenommen sowie die Verbzweitsatz-Einbetter vorausgesetzt, angenommen, gesetzt bzw. ihre subordinierenden Pendants vorausgesetzt dass, angenommen dass, gesetzt dass). Die verbale Herkunft ist in der Rektion dieser Konnektoren noch sehr deutlich (zur Genese von Verbzweitsatz-Einbettern und ihrer Natur als „Zwittern“ zwischen Konnektoren und Prädikatsausdrücken vgl. im Detail HDK-1: 448 f.) Auch über die Zwischenschritte deverbales Nomen > (komplexe) Präposition (z. B. trotz + NPdat) entwickeln sich Adverbkonnektoren und phraseologische Subjunktoren (in Hinblick darauf (dass), in Bezug darauf, (dass), in Anbetracht dessen (dass), trotzdem dass). (Zur Reanalyse von Verben als Präpositionen vgl. Kortmann/König 1992.)  



3.2.1.1.3 Deiktisches Adverb/Pronominaladverb/w-Adverb – Adverbkonnektor/ Subjunktor bzw. Postponierer Adverbkonnektoren: dabei, dadurch, dafür, dagegen, dahingegen, damit, danach, daneben, d(a)rauf, daraufhin, d(a)rum, davor, dazu, dazwischen, nebenbei Subjunktoren und Postponierer: weshalb, weswegen, wie, wo, wobei, wodurch, wogegen, womit, wonach, worauf Bei den Heterosemien zwischen anderen Adverbien und Adverbkonnektoren handelt es sich streng genommen um eine Mehrdeutigkeit zwischen unterschiedlichen syntaktischen Funktionen einer Form der Wortklasse Adverb. Die Formen da und so sind mehrfach heterosem. Als Konnektor tritt da in zwei syntaktischen Subklassen auf (als Subjunktor und Adverbkonnektor); so nur als Subjunktor. Daneben sind sie einfache Adverbien in der Funktion von Lokaladverbialia (da) und Modaladverbialia (so); da ist ferner frequent als Bestandteil trennbarer Verben (= Verbpartikel). Auch Pronominaladverbien sind meist mehrfach heterosem. In der Funktion von (hauptsächlich lokalen und temporalen) Adverbialia treten z. B. auf: dabei, dadurch, dagegen, danach, daneben, d(a)rauf, d(a)rum, davor, dazu, dazwischen, nebenbei, als komitatives Adverbiale fungiert damit. In all diesen Fällen sind sie Supplemente. Eine Teilklasse dieser Pronominaladverbien kann auch als Präpositivkomplement fungieren: dabei, dadurch, dafür, dagegen, damit, danach, darauf, d(a)rum, davor, dazu; als Verbpartikeln mit dem Wortakzent auf dem präpositionalen Bestandteil fungieren z. B.: dabei, dafür, dagegen, daher, danach, daneben, d(a)rauf, darum, davor, dazu, dazwischen. Nur wenige mit da(r) + Präposition gebildete Pronominaladverbien  



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haben ausschließlich Konnektorfunktion und sind nicht heterosem: dahingegen, daraufhin. Auch w-Adverbien sind in der Regel mehrfach heterosem. In konnektoraler Funktion sind sie Postponierer und Subjunktoren, ihre nicht-konnektoralen Heteroseme sind Interrogativadverbien und Relativadverbien, wie z. B. weshalb, weswegen, wie, wo, wobei, wodurch, wogegen, womit, wonach, worauf; von diesen können alle als Supplemente fungieren, einige auch als Präpositivkomplemente. Nur wenige w-Adverbien haben ausschließlich Konnektorfunktion: wofern, wohingegen und woraufhin.  

3.2.1.1.4 Adposition – Subjunktor/Einzelgänger außer, bis, im Fall(e) (dass), seit, (an)statt, während Wie bei der Heterosemie von Pronominaladverbien liegen auch diesen Heterosemien syntagmatische Konstruktionen mit Adpositionen zugrunde, aus denen durch syntaktische Reanalyse letztlich die Präpositionalform als Subjunktor hervorging. Adverbkonnektor und Subjunktor liegen oft als Parallelbildung vor: außerdem – außer dass; dadurch – dadurch dass; dazu – dazu dass; ferner die deverbalen jüngeren phraseologischen Konnektoren ungeachtet dessen – ungeachtet dessen (…), dass etc. Subjunktoren und Postponierer der Form Präposition + dass liegen mit auf dass, bis dass und statt dass vor, im Substandard und dialektal – und daher nicht in D gelistet – kommen einige weitere hinzu: seit(dem) dass, trotz dass, mit Pronominaladverb + dass auch nachdem dass, indem dass und bevor dass. Mit der syntaktischen Reanalyse ist hier meist kein nennenswerter Bedeutungswandel verbunden; anstatt, außer, bis, im Fall(e), seit und während unterscheiden sich nur durch die kategoriale Natur ihrer Komplemente, bezeichnen ansonsten aber die gleiche semantische Relation. Adpositionen spielen im synchronen Bestand von Konnektoren als morphologische Bestandteile eine zentrale Rolle. So sind z. B. Temporalkonnektoren zum größten Teil aus Syntagmen mit primär lokalen, großteils auch temporal verwendbaren Präpositionen abgeleitet: darauf(hin), worauf(hin), bis, hinterher, indes(sen), danach, nachdem, wonach, unterdes(sen), bevor, davor, zuvor, vorher, dazwischen, zwischendurch u. a. Auch die additiven Adverbkonnektoren speisen sich überwiegend aus räumlichen Präpositionen: daneben, darüber hinaus, überdies, außerdem, dazu. Bei Kausalkonnektoren finden sich ablative Präpositionen oder Adverbien (daher), bei instrumentalen allatives zu (dazu) und das perlative durch (hierdurch, dadurch, wodurch).  



Exkurs: Zur Genese von Konnektoren mit präpositionalen Bestandteilen und zu ihrer Akzentuierung Die ausgeprägte Präsenz von Präpositionen im Inventar von Konnektoren spiegelt ein diachrones Entwicklungsmuster, in dem Konnektoren das Resultat von Syntagmen mit einem Kern aus lokaler oder aus der Lokalsemantik metaphorisierter temporaler Präposition + Demonstrativum sind. Zum Adverbkonnektor entwickelt sich dieses Syntagma über die anaphorische Funktion des Demonstrativums.

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Bei der Entwicklung zum Subjunktor fungiert der nominale oder pronominale Kern der Präpositionalphrase kataphorisch als Kopf für einen Attributsatz, der später dem internen Konnekt des Konnektors entspricht. (Die Beteiligung anaphorischer, auf Propositionen referierender Demonstrativa an der Herausbildung subordinierender Konnektoren ist ein übereinzelsprachliches Grammatikalisierungsphänomen; Beispiele bei Hopper/Traugott 1993: 180.) Das Komplement der Präposition ist hier zunächst eine NP aus Determinativ und semantisch blassem, hauptsächlich die semantische Domäne bezeichnendem Substantiv, das leicht entfallen kann, sodass das ursprünglich Determinativ zum Pronomen wird und die Kopffunktion alleine übernimmt. (9a) (9b)

sît des tages, daz ich sach die hant von der diu schrift geschach (Parzival, 645, 4; zitiert nach Schrodt 1988: 21) sît des, daz ich von lande schiet (Tristan, 4119; zitiert nach Schrodt 1988: 21)

Geht die Unterordnung hier ursprünglich noch von einem spezifischen Unterordnungsmarker aus (daz oder auch dô, vgl. innen des dô er az (Wigalois, 1718, zit. nach Schrodt 1988: 20), kann dieses wegfallen, wenn das präpositionale Syntagma selbst als unterordnend reanalysiert wird. Ein Reflex der ursprünglichen Kopffunktion des pronominalen Bestandteils in Subjunktoren ist seine Akzentuiertheit. Die unterschiedliche Funktion dieses Bestandteils in den – anaphorischen – Adverbkonnektoren und den – kataphorischen – Subjunktoren ist letztlich auch die Ursache für die Herausbildung akzentueller Minimalpaare wie TROTZdem (Adverbkonnektor) vs. trotzDEM (Subjunktor): Während bei der relativ frühen Entwicklung zum Adverbkonnektor, die ja lediglich eine Fusion von Präposition und (anaphorischem) Pronomen ist, es leicht zur Anpassung an das gemeingermanische Wortakzentmuster der Erstsilbenbetonung kommen konnte, setzt die Kopffunktion des (kataphorischen) Pronomens in den Subjunktoren hier einen Widerstand entgegen. Diese Unterscheidung über das Akzentmuster wurde generalisiert, sodass zumindest auf der Seite der subordinierenden Konnektoren heute eine ausgeprägte Tendenz zu einem einheitlichen Akzentmuster Nicht-Initialbetonung auszumachen ist, von der auch solche Bildungen erfasst werden, bei denen Präposition und pronominaler Bestandteil gerade entgegengesetzt linearisiert sind, nämlich die Postponierer wesHALB, wesWEgen (die als Frageadverbien auch auf der ersten Silbe betont sein können), sowie desyntagmatische Bildungen, deren akzentuierter zweiter Bestandteil im Syntagma unakzentuiert ist wie soDASS, obGLEICH, wennSCHON (vgl. OB ich schon WANderte im finstern Tal…) etc. Auf der Seite der Adverbkonnektoren ist die Tendenz zu akzentueller Einheitlichkeit schwächer; hier sind, in Abhängigkeit von der konkreten Position im Satz, oft sowohl Initialbetonung als auch Betonung auf dem zweiten Bestandteil möglich.

3.2.1.1.5 Partikel – Adverbkonnektor Unter den Partikeln ohne Verknüpfungsfunktion haben zum einen die affirmativen Antwortpartikeln Pendants bei Adverbkonnektoren (allerdings, ja, doch, eben), zum anderen einige Intensitätspartikeln: kaum (Einzelgänger), bereits, besonders, etwa, noch (Adverbkonnektoren). Mit allerdings (10), doch und freilich liegen adversative Adverbkonnektoren vor, die als Antwortpartikeln (bzw. einstellige Adverbien in Antwortpartikelfunktion) auch eine gerade entgegengesetzte, nämlich affirmative Funktion haben (11).

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

(10)

95

Allein im Großraum Hannover hat sich die Zahl der Szene-Projekte innerhalb von 3 Jahren verdoppelt. In der Nürnberger Region allerdings konnten sie nicht zulegen. (Mannheimer Morgen, 16.11.1985, S. 7) Hatte Thamar, das Landeskind, die Tochter schlichter Baals-Ackerbürger, die in der Episode einer Episode lebte, eine Vorstellung von dieser Tatsache? Wir antworten: allerdings hatte sie eine solche. (THM/AMJ, Mann, Joseph, S. 1539)  

(11)



Affirmative und adversative Funktion bilden wieder ein akzentuelles Minimalpaar: In der affirmativen Funktion in (11) trägt die Form den Satzakzent (und zwar auf dem zweiten Bestandteil), in der adversativen Funktion in (12) ist sie nicht akzentuiert. Mit freilich (in 10 und 11) und doch/jedoch (in 10) bzw. (und) doch (in 11), die an der Stelle von allerdings stehen könnten, ergibt sich der Unterschied akzentuiert vs. nichtakzentuiert ebenso. In all diesen Fällen gehen Antwortpartikel und adversativer Konnektor beide auf ein einstelliges affirmatives Satzadverb zurück, aus dem sich auch die Grundbedeutung ableiten lässt. Die Antwortpartikel entsteht dadurch, dass das fokussierte Adverb, das in etwa die Bedeutung eines Verum-Fokus hat, vor einem Hintergrund verwendet wird, der ausschließlich bekanntes Material enthält (so wie in 10) und der deshalb elidiert werden kann. Die Entwicklung zum zweistelligen Konnektor folgt dem gar nicht seltenen Muster einer „entwicklung von der bestätigung zur einräumung“ (DWB, s. v. zwar mit analoger Entwicklung aus mhd. ze wâre ‚in Wahrheit‘): „Adverbia, die der Anerkennung, der Bestätigung dienen, können zu Konjunktionen des Gegensatzes werden (vgl. allerdings, freilich, gewiss, ja, schon, wohl, zwar)“ (Behaghel 1928: 49). Sie ist das Ergebnis einer syntaktischen und semantischen Reanalyse, die als Umstrukturierung im spezifischen Kontext von Kontrast und Negation ihren Ausgang nimmt. In diesen Kontexten wird die kontrastierende Bedeutung des die affirmative Partikel umgebenden Kontexts zunehmend dem Affirmationsmarker selbst zugeschrieben und dieser wird dann seinerseits als Kontrastmarker verstanden. (Zum Muster der systematischen Polysemie Affirmativität – Kontrast s. Kap. C2.3; ferner Breindl 2003 und 2004d sowie Ferraresi 2008; zum selben Muster in anderen Sprachen vgl. Traugott/Dasher 2002: 13; zu vergleichbarem engl. in fact, actually, indeed vgl. Schwenter 2000 und Traugott/ Dasher 2002: 157–173; zur Entwicklung von lat. adversativem verum und vero aus einem ursprünglich „versichernden Adverb“ ‚in Wahrheit, fürwahr‘ vgl. Kühner/ Stegmann 1992: 79 f.). Heterosemien zu Intensitätspartikeln betreffen vor allem Konnektoren mit einer skalierenden und quantifizierenden Bedeutungskomponente, von denen einige auch Heterosemien zu Gradadjektiven und Fokuspartikeln (allein, bloß, erst, gerade) haben. Die Klasse der Intensitätspartikeln selbst ist eine offene Klasse mit Elementen, die zwischen Partikelhaftigkeit und Adjektivhaftigkeit changieren; sie speist sich aus gewissen skalierenden Quellen, nämlich aus Dimensions- und Quantifikationsadjekti 





96

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

ven (Intensitätspartikeln: höchst, zutiefst, beinahe, weitgehend, ein wenig) und evaluativen Adjektiven (Intensitätspartikeln: fast (zu fest), sehr (aus ahd. sero, ‚wund‘), ziemlich). Intensitätspartikeln, Fokuspartikeln und skalierende Konnektoren leisten Einordnungen von Entitäten auf einer quantitativen oder qualitativen Skala. Intensitätspartikeln nehmen Bezug auf den Ausprägungsgrad einer Eigenschaft, die einem Bezugsargument zugeschrieben ist, und schränken diesen ein (Bereichs-Intensifikatoren wie ein bisschen, einigermaßen, ziemlich, sehr, überaus) oder präzisieren ihn gegen Unschärfen und Grauzonen (Grenzwert-Intensifikatoren wie absolut, total, fast, nahezu) (vgl. Breindl 2007b). Konnektoren mit skalierender Funktion verorten einen Sachverhalt auf einer Bewertungsskala unter Bezug auf einen anderen Sachverhalt. Intensitätspartikeln beziehen sich immer nur auf Prädikatsausdrücke (Adjektive und Verben), während der Skopus von skalierenden Konnektoren ebenso wie der von Fokuspartikeln der gesamte Satz ist. Sofern Fokuspartikeln auch satzverknüpfende Funktion haben, werden sie hier konsequenterweise auch zu den Konnektoren gerechnet. (Zur Abgrenzung von relationalen und nicht-relationalen Fokuspartikeln vgl. HDK-1: 516, 575 ff.)  

3.2.1.1.6 Adjunktor (als, wie) – Subjunktor Die Adjunktoren als und wie sind mehrfach heterosem (DUW führt 13 Bedeutungen für als und 15 für wie an) und treten auch synchron als morphologische Bestandteile im Inventar der Konnektoren häufig auf (alsbald, alsdann, als dass, als ob, als wenn, insofern als, sowie, sowieso, sowohl (…) als/wie auch, wiewohl). Es handelt sich bei ihnen um elementare deiktische (als) bzw. relativische (wie) Ausdrücke, bei denen typischerweise aufgrund ihres intensiven Gebrauchs in unterschiedlichen Kontexten im Laufe der Sprachgeschichte eine Vielzahl von Verwendungen zu eigenständigen Bedeutungsvarianten konventionalisiert wurde, und die in der Folge synchron funktional extrem belastet sind. (Zu einer sich in sämtlichen Verwendungen manifestierenden „Grundbedeutung“ von als und wie vgl. Eggs 2006, zur Grundbedeutung von konjunktionalem als vgl. Blühdorn 2003.)

3.2.1.1.7 Komplementierer (dass, ob) – Subjunktor/Einzelgänger Die Komplementierer dass und ob sind wie die oben genannten deiktischen elementaren Adverbien ebenfalls funktional stark belastet und haben im Laufe der Sprachgeschichte verschiedene Bedeutungsanreicherungen erfahren. Schon Behaghel (1928: 131–152) führt für dass außer der Komplementsatzfunktion folgende Bedeutungen an, die im Wesentlichen auch heute noch für konnektorales dass gelten (zur Herleitung dieser Bedeutungen s. im Detail ebd.): epistemisch-kausal ‚weil‘: Er hat offenbar die Leute nicht getroffen, daß er schon wieder zurück ist. (Wieland)

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

97

konsekutiv ‚sodass‘: kam darüber in Unruhe und Bangigkeit, daß ich alles, so gut ich konnte, zusammendrückte (Schiller) final ‚damit‘: weg vom Rande deine Hände, daß sich unser Kahn nicht wende (Grillparzer) Beim Komplementierer ob entwickelt sich die irrelevanzkonditionale Konnektorverwendung (ob … (oder) ob; ob … oder) auf der Basis der Nicht-Faktizität. „ob vereinigt in sich hypothetische und fragende Bedeutung“ (Behaghel 1928: 233). Daneben treten dass und ob als strukturelle, die Einbettung auslösende Bestandteile von morphologisch komplexen Konnektoren auf (als dass, als ob, bis dass, nur dass, kaum dass, sodass, statt dass; obgleich, obschon, obwohl, obzwar, ferner eine Vielzahl phraseologischer Subjunktoren mit dass).

3.2.1.1.8 Liste heterosemer Konnektoren mit nicht-konnektoralen Verwendungen Die folgende Liste gibt in alphabetischer Reihenfolge die Heterosemien an, die bei den in der Liste der Konnektoren (D) geführten Einheiten belegt sind. Tab. A3-1: Liste der Konnektoren mit nicht-konnektoralen Heterosemen. Suppl. = Supplement; PK = Präpositivkomplement; VP = Verbpartikel; lok = lokal; komit = komitativ; Advbk = Adverbkonnektor; nne = nicht nacherstfähig; npb = nicht positionsbeschränkt; nvf = nicht vorfeldfähig K ONNEKTORKLASSE

W ORTKLASSE

K ONNEKTOR

SYNTAKTISCHE

allein

nvf Advbk

Adjektiv

als

Subjunktor; Einzelgänger

Adjunktor

anfänglich

nne Advbk

Adjektiv

angenommen

V2S-E

Verbalpartizip

anschließend

nne Advbk

Verbalpartizip

anstatt

konjunktionaler Einzelgänger

Präposition

ausgenommen

konjunktionaler Einzelgänger

Verbalpartizip

außer

konjunktionaler Einzelgänger

Präposition

bis

Subjunktor

Präposition

bloß

npb Advbk

Adjektiv

da

Subjunktor; nne Advbk

Pronominaladverb (Suppl./VP)

dabei

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. u. komit. Suppl./PK/VP)

dadurch

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK)

dafür

npb Advbk

Pronominaladverb (PK/VP)

dagegen

npb Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

daher

nne Advbk

lokales Adverb (Suppl./VP)

ANDERE

98

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

K ONNEKTOR

SYNTAKTISCHE

K ONNEKTORKLASSE

damit

nne Advbk

Pronominaladverb (Suppl./PK)

danach

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

daneben

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./VP)

d(a)rauf

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

d(a)rum

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

dass

Postponierer; Einzelgänger

Komplementierer

davor

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

dazu

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./PK/VP)

dazwischen

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl./VP)

diesbezüglich

nne Advbk

Adjektiv

doch

Advbk-Einzelgänger

Antwortpartikel

eben

npb Advbk

Adjektiv

einmal

Advbk-Einzelgänger

Numeraladverb

einzig

nvf Advbk

Adjektiv

endlich

npb Advbk

Adjektiv

entsprechend

nne Advbk

Verbalpartizip

erst

nvf Advbk; nne Advbk

Adjektiv

etwa

nvf Advbk

Intensitätspartikel

ferner

nne Advbk

Adjektiv im Komparativ

gar

nvf Advbk

Adjektiv; Intensitätspartikel

gerade

nvf Advbk

Adjektiv

gesetzt

V2S-E

Verbalpartizip

gleichzeitig

nne Advbk

Adjektiv

hinterher

Advbk

lokales Adverb, VP

ja

Konjunktor

Antwortpartikel

kaum

Advbk-Einzelgänger

Intensitätspartikel

mal

nne Advbk

Temporaladverb

nebenbei

nne Advbk

Pronominaladverb (lok. Suppl.)

noch

npb Advbk;

temporales Adverb

ANDERE

W ORTKLASSE

Advbk-Einzelgänger ob

konjunktionaler Einzelgänger

Komplementierer

schließlich

npb Advbk

Adjektiv

schon

npb Advbk

Antwortpartikel

seit

Subjunktor

Präposition

so

nne Advbk; Subjunktor

modaldeiktisches Adverb

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

K ONNEKTOR

SYNTAKTISCHE

K ONNEKTORKLASSE

später

nne Advbk

Adjektiv

statt

Subjunktor; konjunktionaler Einzelgänger

Präposition

unterstellt

V2S-E

Verbalpartizip

vorausgesetzt

V2S-E

Verbalpartizip

während

Subjunktor

Verbalpartizip

weiter

nne Advbk

Adjektiv

weshalb

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl.)

weswegen

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl.)

wie

Subjunktor

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl.)

wo

Subjunktor

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl.)

wobei

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

wodurch

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

wogegen

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

womit

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

wonach

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

worauf

Postponierer

Interrogativ-/Relativadverb (Suppl./PK)

zusätzlich

nne Advbk

Adjektiv

ANDERE

99

W ORTKLASSE

3.2.1.2 Heterosemie zwischen Konnektoren verschiedener syntaktischer Konnektorklassen 3.2.1.2.1 Systematische Variation: Konversenbildung mit Adverbkonnektor und Subjunktor/Postponierer In einer Reihe von Fällen existieren Adverbkonnektor und subordinierender Konnektor (Subjunktor, Postponierer) homograph nebeneinander. Sie gehören der gleichen Relationsklasse an und stehen zueinander in konverser Beziehung, d. h. syntaktische und semantische Relate sind über Kreuz zugeordnet (zur Struktur von Konversen s. A2.4). Dabei gibt es eine Tendenz zu akzentueller Differenzierung dergestalt, dass der subordinierende Konnektor anders als der Adverbkonnektor keine Initialbetonung tragen kann.  

(12a)

Überweisen Sie den Betrag spätestens zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung, anderenfalls wir Ihnen Verzugszinsen berechnen müssen . Überweisen Sie den Betrag spätestens zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung, anderenfalls müssen wir Ihnen Verzugszinsen berechnen.  

(12b)

100

(13a)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Er gealtert, aber kräftig; seine Frau […] unverändert frisch, gesund, fein, jugendlich, trotzdem sie 4 Kinder u. ein schweres Leben hat u. 42 Jahre alt ist . (BIO/TK2, Klemperer, Tagebücher 1925–1932, S. 154) Er ist einer schweren Krankheit erlegen. Trotzdem hat er bis zum Schluss sein Leben genossen, im August noch eine Kulturreise unternommen […]. (Mannheimer Morgen, 21.10.2008, S. 22)  





(13b)



Tab. A3-2: Liste der Adverbkonnektoren mit heterosemen subordinierenden Konnektoren A DVERBKONNEKTOR

S UBJUNKTOR / P OSTPONIERER

alldieWEIL

alldieWEIL (S)

ANdernfalls

ANdernfalls/andernFALLS (P)

DAmit

daMIT (S)

DERweil/derWEIL(en)

derWEIL (S)

GLEICHwohl/gleichWOHL

gleichWOHL (S)

inDES(sen)

inDES(sen) (S)

insofern/inSOfern

inSOfern (S)

insoweit/inSOweit

inSOweit (S)

nun

nun (S)

so

so (S)

SO viel/SOviel/soVIEL/so VIEL

soVIEL (S)

SO weit/SOweit/soWEIT/so WEIT

soWEIT (S)

TROTZdem

trotzDEM (S)

währendDESsen

währendDESsen (S)

WIDrigenfalls

WIDrigenfalls/widrigenFALLS (P)

zuMAL

zuMAL (P)

3.2.1.2.2 Idiosynkratische Variation Neben den zueinander konversen Konnektoren gibt es noch weitere Formen, die in mehreren syntaktischen Konnektorklassen vorkommen, ohne dass die semantische Beziehung zwischen den Formen systematisch oder vorhersagbar ist; ebenso wenig liegt eine einheitliche Ableitungsrichtung vor. Tab. A3-3: Liste der Konnektoren mit idiosynkratischen Heterosemien als

Subjunktor (temporal)

konjunktionaler Einzelgänger (komparativ)

da

nne Advbk (temporal)

Subjunktor (kausal)

dass

Postponierer (konsekutiv, final)

konjunktionaler Einzelgänger (begründend-kausal)

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

denn

konjunktionaler Einzelgänger (kausal)

nvf Advbk (Abtönungspartikel)

doch

Advbk-Einzelgänger (adversativ)

Advbk-Einzelgänger (konzessiv)

sowie

Konjunktor (additiv)

Subjunktor (temporal)

101

Es fällt auf, dass sich hier vergleichsweise viele syntaktische Einzelgänger finden; auch der Konjunktor sowie zeigt gegenüber und deutliche Gebrauchseinschränkungen und Idiosynkrasien (s. C2.1 sowie Breindl 2007a, 2008b). Das ist insofern nicht überraschend, als hier mit als, da, dass, denn, doch und sowie elementare deiktische Simplizia vorliegen, die in Übereinstimmung mit der eingangs des Kapitels angeführten „Inverse Relation Hypothesis“ (Kortmann 1998: 478 ff.) in der Gegenwartssprache funktional hoch belastet sind; zu all diesen Formen außer denn gibt es in den nichtkonnektoralen Verwendungen auch Heteroseme (s. A3.2.1.1.2). Bei Konnektoren mit idiosynkratischer Variation der syntaktischen Konnektorklasse muss auch diachron nicht unbedingt eine Klasse auf die andere zurückgeführt werden; sie können unabhängig voneinander verlaufende Parallelentwicklungen aus der gleichen Quelle sein.  



3.2.2 Reguläre Polysemie: Mehrdeutigkeit bei Konstanz der syntaktischen Konnektorklasse Zwischen den in A3.2 (i) beschriebenen systematischen Polysemien von Inhaltswörtern wie Schule, scharf, Fuß etc. und einem bestimmten Typ von Konnektorenmehrdeutigkeiten, bei dem eine Form in mehreren semantischen Klassen vertreten ist, wobei in aller Regel die syntaktische Konnektorklasse konstant bleibt (also nicht auch noch gleichzeitig Heterosemie vorliegt), gibt es so deutliche Analogien, dass die Beschreibung dieser Mehrdeutigkeit bei Konnektoren mit dem Konzept reguläre Polysemie gerechtfertigt erscheint. (i) Sprecher haben in der Regel ein Bewusstsein von der Verwandtschaft der Bedeutungsvarianten und beziehen sie aufeinander. (ii) Die gleiche Art der Bedeutungsvariation betrifft meist mehrere Konnektoren. (iii) Die gleiche Art der Bedeutungsvariation und/oder des diachronen Bedeutungswandels ist übereinzelsprachlich ausgeprägt, d. h. es kommt vor, dass ein Konnektor, der in einer Sprache S1 eine bestimmte Bedeutungsalternation aufweist, in einer anderen Sprache S2 die gleiche Oszillation zeigt. (iv) Die gleiche Art des Bedeutungsbezugs ist in aller Regel im Inventar der Konnektoren auch als diachroner Bedeutungswandel nachweisbar. Bedeutungswandel erfolgt nicht durch eine einfache Ersetzung der Bedeutung einer Form, sondern involviert immer ein Stadium, in dem alte und neue Bedeutung koexistieren. Eine neue Bedeutung tritt zunächst nur in bestimmten Kontexten auf, wird dann per Analogie auf andere Kontexte generalisiert, in  

102

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

gleichem Maße wird die alte Bedeutung auf bestimmte Kontexte eingeschränkt und kann schließlich ganz verschwinden (vgl. Traugott/Dasher 2002: 11 f.). Die Mehrdeutigkeit kommt durch semantische Reanalyseprozesse in Form von metonymischen Übertragungen von Kontextaspekten auf den Konnektor selbst und analogische Ausweitungen in Form von metaphorischen Übertragungen eines Konzepts von einer Domäne in eine andere zustande. Solche Uminterpretationen von Konnektorkonstruktionen und ihre Konventionalisierung sind in aller Regel pragmatisch gesteuert: sie werden von Adressaten wie bei konversationellen Implikaturen im Wesentlichen auf der Basis der Maxime der Relevanz vollzogen. Was synchron als Nebeneinander und Variation von Bedeutungen erscheint, ist unter diachroner Perspektive also immer von einer Quellrelation zu einer Zielrelation gerichtet. Syntaktische Reanalyse spielt bei der Entwicklung solcher Polysemien keine Rolle.  

(v)

Ein Beispiel für eine solche reguläre Polysemie bei Konnektoren ist nachdem, das temporal (wie in 14a) und kausal (wie in 14c) verwendet werden kann. (14b) ist sowohl temporal als auch kausal interpretierbar und markiert den Übergang vom rein zeitlich primären Ereignis wie in (14a) zum ursächlich primären Ereignis wie in (14c), in dem das Zustandsprädikat liegen im internen Konnekt eine temporale Interpretation ausschließt (s. C1.3.2.1). (14a)

Nachdem man das Frontschutzblech abgenommen hat, drückt man mit der linken Hand leicht auf die Tastatur, und zwar erst auf der einen, dann auf der anderen Seite. (MK2/GBR, Olivetti, Gebrauchsanleitung, S. 13) Nachdem die echte Vase in Gestalt von echten Scherben auf dem Teppich lag, wollte mich Matzerath, der sehr an der Vase hing, mit der Hand schlagen. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 60) Er ist überzeugt, daß der alte, erfahrene Arzt nun ganz besonders gut über ihn Bescheid wissen werde, nachdem die Wassersucht doch offenbar „in der Familie liege“. (MK1/WBO, Bamm, Ex ovo, S. 43)  

(14b)



(14c)



Die gleiche Variation zwischen temporaler Sukzessivität und Kausalität wie nachdem zeigen etwa auch engl. since, est. paräst, bask. gero, lat. postquam, ital. dacché und dal momento che, rumän. din moment ce (vgl. Traugott/König 1991, Kühner/Stegmann 1992: 356, Hopper/Traugott 1993, Heine/Kuteva 2002: 275 und 291, Traugott/Dasher 2002). Im Einzelnen lassen sich im Inventar der Konnektoren des Deutschen die folgenden Muster regulärer Polysemie erkennen.

103

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

Tab. A3-4: Reguläre Polysemien bei Konnektoren UELLREL ATION Q UELLRELATION

Z IELREL AT ATION ION

SYNCHRONE POLYSEMIE

DIACHRONE

Sequenz (anterior)

Kausalität

nachdem

da

Koinzidenz

Konditionalität

wenn, so lange

Koinzidenz

Adversativität

während, indes, alldieweil

Koinzidenz

Kausalität

alldieweil

Sequenz (posterior)

Konditionalität

bevor, ehe

Komitativität

Konzessivität

dabei, wobei

Vergleich

Additivität

wie, sowie

Vergleich

Konsekutivität

sodass, so dass

Adversativität

Konzessivität

aber, jedoch

Konditionalität

Konzessivität

auch wenn

E NTWICKLUNG

weil, da

sowohl als auch

wenngleich, wennschon

In allen Fällen verläuft die Entwicklung von einer einfacheren, merkmalsärmeren Relation zu einer komplexeren. Die Quellrelation ist meist konzeptuell von konkreterer, die Zielrelation von abstrakterer Natur. Die ersten sechs Muster sind Instanzen eines „widespread process whereby spatial and temporal markers are grammaticalized in specific contexts to markers of „logical“ grammatical relations such as adversative, causal, concern, concessive and conditional relations“ (Heine/Kuteva 2002: 291; analog auch die Grammatikalisierungskette bei Abraham 1991b: 373: Localistic → Temporal → Logical → Illocutive/Discoursefunctional). Im Übrigen ist Polysemie als Ergebnis metaphorischer Übertragungen aus dem räumlichen in den temporalen und abstrakten Bereich generell ein systematisches Phänomen, das das Lexikon einer Sprache auch synchron und wortartübergreifend strukturiert: man vgl. z. B. Pottiers (1992: 46) Übertragungskette „spatial → temporal → notionnel“ am Beispiel von le haute du village → le haut Moyen Age → la haute societé). Gerade Kausalität und Finalität werden in vielen Sprachen nach dem räumlichen Muster von Ausgangspunkt und Ziel modelliert, vgl. kausales x kommt davon/daher, dass und finales x führt dazu, dass oder den kausalen, räumlich ablativen Adverbkonnektor daher und den instrumentalen, räumlich allativen Adverbkonnektor dazu. Nach der „lokalistischen“ Hypothese liegen spatiotemporale Metaphern letztendlich als Strukturvorlage dem konzeptuellen System überhaupt zugrunde, ausgehend von der zentralen Rolle der räumlichen Organisation für die menschliche Kognition (vgl. Lyons 1977: 718, dt. 1983: 322 ff.; Lakoff/Johnson 1980: 56 ff.; Heine/Claudi/Hünnemeyer 1991: 150–155; Vater 1991). Auf einige dieser Muster soll hier kurz eingegangen werden; detaillierter werden sie in den jeweiligen C-Kapiteln behandelt.  





104

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

3.2.2.1 Sequenz (A A NTEZEDENS markierend) → Kausalität Für die Entwicklung von Temporalkonnektoren, die das temporale A NT NTEZEDENS EZEDENS einer Ereignisfolge markieren, hin zu Kausalkonnektoren, die das antezedentielle Ereignis in einer Ursache-Folge-Kette markieren, gibt es zahlreiche Beispiele. Im Deutschen ist am einschlägigsten für dieses Muster das in Beispiel (14) gezeigte nachdem, das in der Duden-Grammatik (2005) auch unter den „kausalen Subjunktionen“ angeführt wird. Die hinter der Übertragung von temporaler auf kausale Folge stehende „Alltagslogik“ (nach den Gesetzen der Logik handelt es sich gerade nicht um einen logisch gültigen Schluss, vgl. Abraham 1976 und Schmidhauser 1995) ist die des „post hoc ergo propter hoc“. Das deutsche seit(dem) kennt, anders als das englische since, heute keine eindeutige kausale Verwendung, Behaghel (1928: 249) führt allerdings Beispiele für älteres kausales seit, seitdem und sintdem an. (Dagegen hat wiederum das englische after nicht den Weg des dt. nachdem eingeschlagen.) Das altertümelnde, bildungssprachliche und ganz analog zu seitdem gebildete sintemal(en) (< mhd. sint dem mâle) hingegen wird fast ausschließlich kausal gebraucht (15a); die temporale Bedeutung lässt sich aber in der Verwendung als Adverb nachweisen (15b): (15a)

Diese Autoren und andere mehr relativieren das „Neue“ im Untertitel der vorliegenden Sammlung, fördern aber zugleich ihre Vielseitigkeit – und ihre Qualität. Sintemal der Band nicht nur Trouvaillen bietet. (St. Galler Tagblatt, 03.03.2000, o. S.) Unter dem kärglichen Restdom liegen die noch kärglicheren Reste dessen verbuddelt, was sintemalen Hammaburg war. (die tageszeitung, 29.04.1999, S. 21)  

(15b)



Der heute ausschließlich kausale Subjunktor da wird bei Luther ganz regelmäßig temporal gebraucht, und noch bei Goethe (16) wie auch im Gegenwartsdeutschen vereinzelt findet sich temporale Verwendung: (16)

Da ich die vorliegenden Treppen hinauf gestiegen war, fiel mir das reizendste Schauspiel in die Augen, das ich je gesehen hatte. (Bsp. nach Behaghel 1928: 106)

Die zu temporalen Subjunktoren wie nachdem und seit, deren internes Konnekt das anteriore Ereignis bezeichnet, konversen Adverbien, die ihr internes Konnekt als das zeitlich posteriore markieren, haben entsprechend der Logik des post-hoc-ergo-propter-hoc eine Affinität zur konsekutiven bzw. konklusiven Interpretation. Bei demnach, demzufolge, infolgedessen und folglich hat die konsekutive Interpretation die wörtliche temporale (ursprünglich natürlich lokale) Bedeutung überlagert, wobei es im einen Fall zur Ausdifferenzierung in temporales danach und konklusives demnach kam.

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

105

3.2.2.2 Simultanität → Adversativität; Komitativität → Konzessivität Die Bedeutungsvarianten von Simultanitätskonnektoren und komitativen Konnektoren involvieren immer in irgendeiner Form einen Kontrast. Simultanität und Komitativität werden hier unterschieden, da nur die erstere als Subtyp einer Temporalitätsrelation zwingend eine temporale Komponente hat und eine temporale Überlappung von Ereignissen bezeichnet, während Komitativität allgemeinerer Natur ist und lediglich zum Ausdruck bringt, dass ein Sachverhalt unter irgendeinem Aspekt einen anderen „begleitet“. Die Konnekte von komitativen Konnektoren sind, anders als die von Temporalkonnektoren, nicht auf Ereignisprädikate und Stadienprädikate festgelegt (s. im Detail C1.2.1 und C2.4). Es scheint eine Tendenz zu geben, dass sich Simultanitätskonnektoren zu adversativen Konnektoren vom Typ des kontrastiven Vergleichs (wie hingegen oder demgegenüber) entwickeln, während komitative Konnektoren sich eher in Richtung Konzessivität entwickeln. In beiden Fällen erfolgen die Kontrastinterpretationen als Prozesse der Bedeutungsanreicherung einer unter dem Gesichtspunkt der Relevanz wenig aussagekräftigen Information durch Bedeutungsaspekte von Kontexten, die typisch für diese Konnektoren sind. Der Ausgangspunkt der Bedeutungsanreicherung ist die Tatsache, dass ein Nebeneinander zweier Ereignisse, die per se angesichts des ständigen gleichzeitigen Ablaufs von Ereignissen eigentlich nicht informativ ist, insbesondere dann erwähnenswert ist, wenn die beiden Ereignisse über die zeitliche Koinzidenz hinaus noch in irgendeinem weiteren Zusammenhang stehen. Sie kann z. B. dann relevant sein, wenn das Zusammentreffen der Ereignisse ungewöhnlich und unerwartet ist – so entsteht eine konzessive Bedeutung. Es handelt sich also um metonymische Übertragungen, denen semantische Reanalyseprozesse zugrunde liegen. In (17a) liegt eine reine Komitativitätsbedeutung vor, in (17b) ist ein Kontrast zwischen den kookkurrierenden Sachverhalten profiliert und die Interpretation ist konzessiv.  

(17a) (17b)

Dann werden die Spulen wieder auf die Stifte aufgesetzt. Dabei ist zu beachten, dass der rote Teil des Farbbandes nach unten zu liegen kommt. Wir galten immer als die Bösen, dabei waren es die Väter, die damals ihre Söhne töteten. (Der Spiegel, 1997, S. 270)  

In (17c) ist der Umschlag von der Bedeutung der bloßen Kookkurrenz von Sachverhalten zur konzessiven Bedeutung zu beobachten – mangelndes Verständnis für Musik und Gesang lässt Musikbegeisterung unerwartet erscheinen; die Verknüpfung kann, muss aber nicht konzessiv interpretiert werden. (17c)

Jeder kann kommen und mich singen hören und sich vor Begeisterung überschlagen, dabei braucht er überhaupt nichts von Musik oder Gesang zu verstehen. (LEON S. 369)  

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Eindeutig konzessive Interpretationen sind in der Regel mit atemporalen Prädikaten korreliert (Zu konzessivem dabei und wobei vgl. Heine 2002 und Günthner 2002a, zur Entwicklung von engl. while zum Adversativitätsmarker über die Semantisierung des Kontextaspekts „Überraschung“ seit dem 17. Jh. vgl. Traugott/König 1991 und Hopper/Traugott 1993: 84 f.). Ein Bedeutungswandel von der Komitativität zum Kontrast ist auf jeden Fall verbunden mit einem Wechsel von einem objektiven, konkreten Konzept zu einer sprechersubjektiven Konzeptualisierung von Ereignissen. Simultanitätskonnektoren wie während, währenddessen, indessen, derweil(en), alldieweil erfahren in der Regel keine konzessiven, sondern adversative Interpretationsanreicherungen, bei denen der Unterschied der in den Konnekten ausgedrückten Prädikationen über kontrastierende Topiks (hier durch Rahmung markiert) hervorgehoben wird.  



(18)

Während wir erst zwei Tage auf eine Antwort Kubas warten, wartet der Fernsehjournalist Andreas Holst schon seit Juni auf eine Antwort des State Departments. (die tageszeitung, 09.09.1989, S. 7) In den USA hat diese Kombination von Science und Fiction großen Erfolg. In Europa indessen ist der Versuch, „Omni“ in deutscher Sprache herauszubringen, vor kurzem kläglich gescheitert. (Mannheimer Morgen, 09.03.1989, o. S.)  

(19)



Die gleiche Variation wie bei diesen deutschen Simultanitätskonnektoren findet sich auch bei engl. while, frz. tandis (< lat. tam diu quam), tal. mentre oder bulgar. dokato. In älteren Sprachstufen des Deutschen ist sie auch für das semantisch unterspezifizierte da belegt: Über diese findet sich der Verstand zurecht, da jene das Herz vergiften. (Herder, nach Paul 1981: 121).

3.2.2.3 Simultanität → Kausalität Simultanitätskonnektoren sind auch eine Quelle für kausale Interpretationen. Der kausale Subjunktor weil ist so aus ahd. die wîla da/so = ‚so lange als, während‘ entstanden, wohingegen das englische Pendant while (für das im Altenglischen noch eine kausale Lesart bezeugt ist) den adversativen Weg genommen hat. Diese Entwicklung ist zunächst erstaunlich, da Kausalität eine zur logischen Abfolge von A NTEZEDENS vor K ONSEQUENS parallele zeitliche Abfolge von anteriorem vor posteriorem Ereignis impliziert. Die Affinität Simultanität – Kausalität ist aber auch in anderen Sprachen ausgeprägt; temporal-simultan und kausal sind z. B. lat. cum und dum (vgl. Kühner/Stegmann 1992: 346), frz. quand, finn. kun (vgl. Heine/Kuteva 2002: 291). Die ältere temporale Verwendung des deutschen subordinierenden da, auf die der kausale Subjunktor zurückgeht, lässt sowohl Sequenzkontexte als auch Simultanitätskontexte zu. Im Gegenwartsdeutschen gibt es heute nur einen Konnektor, der gleichzeitig  

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simultan-temporale und kausale Interpretation haben kann, nämlich das stilistisch sehr markierte alldieweil, das neben der ursprünglichen temporalen Bedeutung wie in (20) und der kausalen Interpretation wie in (21) auch noch die adversative wie in (22) erlaubt. (20)

Die Inkarnation des Gilbs döste versonnen unter einem Savannenbaum, alldieweil die Löwinnen dem Abendessen nachstellten. (Süddeutsche Zeitung, 24.10.1998, S. 8) In Wort und Bild wird dargelegt, daß das Dasein als Frau in Indien nun wirklich kein Zuckerschlecken ist, alldieweil der Lebenszweck der Frauen weithin darin gesehen wird, dem Mann zu dienen und Jungen zu gebären. (Mannheimer Morgen, 13.09.1989, o. S.) So beantwortet sich denn auch unmittelbar die Frage, wieso die Arbeitgeber Grund hätten, immer lauter über den Anstieg ihrer Arbeitskosten zu klagen, alldieweil ihre Mitarbeiter, die diese Kosten verursachen, doch schon lange nichts mehr dazuverdienten. (Süddeutsche Zeitung, 12.07.1996, S. 34)  

(21)



(22)



Behaghel (1928: 341) beschreibt die Bedeutungsanreicherung von der Simultanität zur Kausalität so: „wenn ich zu Hause bleibe, so lange es regnet, bleibe ich zu Hause, weil es regnet.“ An dieser Erklärung ist unbefriedigend, dass sie quasi eine Vorwegnahme der Ursache erfordert. Stimmiger wird die Ableitung, wenn man statt von einer Ursache-Folge-Beziehung von einer Faktum-Folgerung-Beziehung ausgeht, also eine logische Abduktion, einen reduktiven Schluss annimmt. Das gleichzeitige Auftreten von zwei Ereignissen wird vom Sprecher als Symptom dafür interpretiert, dass das eine Ereignis das andere bedingt.

3.2.2.4 Simultanität → Konditionalität Eine temporal-simultane Relation zwischen zwei Situationen lässt sich mitunter auch konditional deuten. Notorisch ist die temporal-konditional-Polysemie von dt. wenn: (23a) (23b)

Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, wird schon fleißig an den Programmen für das nächste Jahr gebastelt. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär das Leben halb so schwer.

Solang(e) zeigt (wie engl. as long as) neben der temporalen Verwendung wie in (24a) eine konditionale Verwendung wie in (24b/c).7 Nach Hopper/Traugott (1993: 179) sind

7 Speziell solang(e) mit negiertem internem Konnekt wird in Wörterbüchern ein „konditionaler Nebensinn“ zugeschrieben (vgl. DUW; Buscha 1989).

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

insbesondere Zeitdauer spezifizierende Ausdrücke eine typische Quelle für Konditionalkonnektoren (vgl. a. Heine/Kuteva 2002: 293).  

(24a)

Solange Mutter im Sanatorium war, wollte ich nicht mit ihm in dem großen Haus wohnen. (LES/VBI, Lenz, Vorbild, S. 42) Die Vereinigten Staaten sind in einem sehr allgemeinen Sinne eine religiöse Gesellschaft. Das heißt, es kommt nicht darauf an, welcher Religion man angehört, solange man überhaupt eine hat. (die tageszeitung, 13.10.2003, S. 4) Du kannst lesen, was du willst, solange du nur überhaupt irgendetwas liest.  

(24b)



(24c)

3.2.3 Unterspezifikation bei Konnektoren Im Bereich der Konnektoren scheint es Mehrdeutigkeiten zu geben, die gewisse Unterschiede zu den oben genannten Fällen von regulärer Polysemie aufweisen und sich vielleicht besser mit einem Konzept von Vagheit oder Unterspezifikation als mit einem Polysemie-Konzept beschreiben lassen. Das „vagheitstypische“ dieser Konnektorenmehrdeutigkeit ist, dass sie nicht immer zwingend disambiguiert werden muss und dass ihre Existenz nicht unbedingt im aktiven Sprachbewusstsein der Sprecher des Deutschen verankert ist. Wie bei unterspezifizierten Inhaltswörtern kann aber in der Kommunikation eine Auffüllung und Spezifikation eingeklagt werden. In Frage kommen für dieses Phänomen zum einen „Mehrsinnigkeiten“ bei einer Verwendung eines Konnektors auf unterschiedlichen Verknüpfungsebenen sowie einzelne Fälle von Unterspezifikation in Bezug auf ein Merkmal, das bei anderen Konnektoren der gleichen Relationsklasse als distinktives Merkmal vorhanden ist. Ein solcher Fall ist der disjunktive Konjunktor oder, der bezüglich Inklusivität vs. Exklusivität nicht spezifiziert ist, anders als das spezifisch inklusive – eigens zu diesem Zweck gebildete – und/oder. Bei beiden Typen ist die Bedeutungsvariation weder mit einem Wechsel der syntaktischen, noch mit einem Wechsel der semantischen Klasse verbunden.

3.2.3.1 Unterspezifikation in Bezug auf die Verknüpfungsebene In Anlehnung an Sweetser (1990) unterscheiden wir drei Typen von Relata: Propositionen, epistemisch bewertete Einheiten und illokutive Einheiten (s. A4.4). Manche Konnektoren sind dahingehend variabel, dass sie auf der propositionalen, der epistemischen Ebene und/oder auf der Sprechaktebene verknüpfen können, ohne dass damit eine Variation in der Bedeutung des Konnektors selbst einhergeht, so etwa weil, das auf allen drei Ebenen kausal verknüpfen kann.

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

(25a) (25b) (25c)

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Die Kinder schlafen schon, weil sie einen anstrengenden Tag hatten. Die Kinder schlafen schon, weil man gar nichts mehr von ihnen hört. Weil die Kinder schon schlafen, wie wäre es mit einem Spaziergang um den Block?

Die Rolle des durch weil eingeleiteten internen Konnekts changiert hier zwischen einer „Realursache“, einer „Einstellungsbegründung“ und einer „Sprechhandlungsmotivation“. Solche unterschiedlichen Gebräuche von weil und anderen kausalen Konnektoren sind vor allem in der sprachphilosophischen und der argumentationstheoretischen Literatur diskutiert worden (vgl. Ballweg 2004, Eggs 2004; dort weitere Literatur), wo auch eine entsprechende differenzierte Terminologie verwendet wird (die ihrerseits wiederum auf eine Tradition der lateinischen Grammatik zurückgreifen kann). Linguistisch „naive“ muttersprachliche Sprecher haben dagegen meist gar kein Bewusstsein von einer „Verschiedenheit“ oder gar Mehrdeutigkeit von weil, auch lexikographisch schlägt sich die Ebenenvariation nicht unbedingt nieder.8 Damit sind Analogien zur Unterspezifikation bei Inhaltswörtern gegeben. Allerdings ergibt die Übertragung des für Unterspezifikation diagnostischen Koordinationstests, bei dem verschiedene Lesarten gleichzeitig aktiviert werden können, auf Konnektorkonstruktionen, dass unterschiedliche Ebenen zwar hierarchisch geschachtelt, nicht aber koordiniert werden können. (26a) (26a) (27a) (27b)

Wenn du mich fragst, wenn sie nicht endlich mehr lernt, wird sie die Prüfung nie bestehen. #Wenn du mich fragst und (wenn) sie nicht endlich mehr lernt, wird sie die Prüfung nie bestehen. Weil wir gerade von Zukunftsplänen sprechen, weil du nächste Woche Prüfung hast, solltest du mal allmählich anfangen zu lernen. #Weil wir gerade von Zukunftsplänen sprechen und (weil) du nächste Woche Prüfung hast, solltest du mal allmählich anfangen zu lernen.

Fraglich ist jedoch, ob dieser Test für Konnektoren überhaupt die gleiche diagnostische Kraft hat wie für Substantive, Adjektive oder Verben. Was hier koordiniert wird, sind nicht verschiedene Lesarten oder Bedeutungsaspekte von weil wie die von Fenster im hier wiederholten Bsp. (28), (28)

Kaum hatten wir das neue Fenster eingesetzt und gestrichen ist es auch schon wieder eingeschlagen worden.

8 Von manchen Autoren wird sie deshalb auch nicht als genuin semantische Kategorie betrachtet; Sweetser (1990) nennt das Phänomen „pragmatic ambiguity“, zieht aber explizite Parallelen zu den metaphorischen und metonymischen Übertragungen, die (genuin semantischen!) Polysemien zugrunde liegen.

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

sondern propositionale Strukturen mit unterschiedlichem Skopus; Koordination von skopusverschiedenem Material kann aber per se nicht gelingen. Aufgrund der syntaktischen Eigenschaften von Konnektoren stehen deshalb keine Tests zur Verfügung, die zweifelsfrei zwischen Polysemie und Unterspezifikation bei Konnektoren unterscheiden könnten. Und noch nicht einmal alle Fälle von Variation in der Verknüpfungsebene eines Konnektors sind aber auch Fälle von Unterspezifikation. Mit dem Wechsel der Ebene kann auch ein Wechsel in eine andere semantische Klasse verbunden sein; dann liegt Polysemie vor. Ein solcher Fall ist der Adverbkonnektor schließlich, der bei propositionaler Verknüpfung temporal-sukzessive Bedeutung (‚und dann‘, vgl. 29a) und bei epistemischer Verknüpfung kausale Bedeutung (‚nämlich‘, vgl. 29b) hat: (29a)

Sie lasen weiter, bissen sich an neuen Sätzen fest, um schließlich doch zu verstehen. (die tageszeitung, 24.12.1986, S. 5) Ich will der Telefonseelsorge nicht in ihre Arbeit reden. Sie hat schließlich mehr Erfahrung als ich.  

(29b)

Hier sind die Varianten Ergebnis einer diachronen Herausbildung epistemischer Lesarten als Instantiierungen einer allgemeinen Tendenz zur Entwicklung zunehmend subjektiver Bedeutungen („Subjectification in Semantic Change“), wie sie vor allem am Beispiel von Modalverben, Abtönungspartikeln und Diskurspartikeln beschrieben wurden (Sweetser 1990, Abraham 1991a, Hopper/Traugott 1993, Traugott/Dasher 2002).

3.2.3.2 Unterspezifikation in Bezug auf idiosynkratische semantische Merkmale Bei konditionalen Konnektoren wird in einer an der Logik orientierten Tradition zwischen Bedingung und Voraussetzung oder zwischen notwendigen, hinreichenden und notwendigen und hinreichenden Bedingungen unterschieden, ohne dass diese Unterscheidung im alltagssprachlichen Gebrauch eines Konditionalkonnektors wie wenn oder falls oder in der Lexikographie eine Rolle spielen würde oder überhaupt Sprechern bewusst wäre. Von ebensolchen Nuancierungen sehen wir in den im vorangegangenen Kapitel eingeführten abstrakten Rollenbezeichnungen OLG GE E für das interne und externe Konnekt eines kausalen Konnektors U RSACHE und F OL bzw. B EDINGUNG und F OLGE für die Konnekte von Konditionalkonnektoren ab. Der in der Alltagssprache nicht weiter störenden Unterspezifikation von Konnektoren kann mitunter in fachsprachlichen Kontexten ein Differenzierungsbedürfnis entgegenstehen. Dann können Neuprägungen eine Lücke füllen wie im Fall von gdw. (genau dann wenn, engl. iff), die Spezifizierungen von wenn bzw. if zu einer notwendigen und hinreichenden Bedingung sind, oder und/oder, das ein alltagssprachlich

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

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bezüglich Inklusivität und Exklusivität unterspezifiziertes oder zu eindeutiger Inklusivität spezifiziert (zum Unterschied zwischen alltagssprachlich laxem und fachsprachlich striktem Gebrauch von oder vgl. Becker 2002).

A3.3 Zur deskriptiven Erfassung von invarianter Bedeutung und Bedeutungsvariation Als Fazit des vorangehenden Kapitels kann man festhalten, dass Mehrdeutigkeit in ihren verschiedenen Ausprägungen im Wortschatz der Konnektoren eher die Regel denn die Ausnahme ist. Der traditionelle, nach wie vor in der Wortsemantik vorherrschende Ansatz, von Bedeutungseinheitlichkeit auszugehen, ist deshalb bei der Beschreibung der Bedeutungen von Konnektoren schwierig. Das übliche „bedeutungsminimalistische“ Verfahren besteht darin, eine übergeordnete „Grundbedeutung“, „Kernbedeutung“ oder „Gesamtbedeutung“ zu stipulieren, die hinreichend allgemein ist, um speziellere und aus ihr abgeleitete Bedeutungsvarianten unter ihren Hut zu bringen. Im Idealfall sind dabei folgende Bedingungen erfüllt: a) Die Grundbedeutung deckt sämtliche Bedeutungsvarianten ab. b) Die Grundbedeutung ist trennscharf gegen die Bedeutungen konzeptuell benachbarter Ausdrücke. c) Die spezielleren Bedeutungen sind in einer nachvollziehbaren und plausiblen Weise aus der Grundbedeutung ableitbar. d) Die speziellere Bedeutung ist eine kontextdeterminierte Variante der Grundbedeutung, d. h. ihre Ableitung kann in Form einer „Verrechnung“ spezifischer Kontexteigenschaften mit Eigenschaften der Grundbedeutung erfolgen. e) Die Bedingungen für die kontextuelle Selektion sind jeweils angebbar, d. h. die spezifischen syntaktischen, semantischen und/oder pragmatischen Kontexteigenschaften, die eine bestimmte Variante selegieren, sind bestimmbar.  



Bedeutungsminimalistische Ansätze sind gerade im Bereich der hochgradig mehrdeutigen Partikeln9 und Präpositionen bislang ohne ernsthafte Alternative geblie-

9 So gibt beispielsweise das deutsch-englische Wörterbuch zu Adverbien und Partikeln von König et al. (1990) jeweils eine den verschiedenen Verwendungsweisen vorangestellte „Grundbedeutung“ an; Nekula (1996) fasst sämtliche Verwendungen der Formen eben, doch, halt, mal einschließlich der Verwendung als Temporaladverb und Adjektiv unter einer „Gesamtbedeutung“ zusammen. Thurmair (1989) gibt Bedeutungen von Modalpartikeln, die alle Partikelverwendungen abdecken sollen, mit Hilfe von Merkmalen an; Eggs (2006) formuliert „Grundbedeutungen“ für das gesamte Variationsspektrum von als und wie.  

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

ben.10 Auch das vorliegende Handbuch fügt sich im Wesentlichen in diese Tradition, allerdings unter einigen Vorbehalten. Heteroseme sind oft unter synchroner Sicht semantisch so weit voneinander entfernt (schon unerachtet ihrer distinkten wortarttypischen funktional-semantischen Klasseneigenschaften), dass eine gemeinsame Grundbedeutung ein rein linguistisches Konstrukt ist, ein Artefakt ohne Verankerung im mentalen Lexikon des Sprechers. In solchen Fällen mag die Stipulierung einer Grundbedeutung eine Herausforderung für Linguisten und Lexikographen darstellen, zumindest die alltagspraktische Relevanz einer solchen Kategorie, etwa für den Fremdsprachenunterricht, wäre aber erst noch nachzuweisen, genauso wie ihre Relevanz im Erstspracherwerb. Auch im Rahmen der Semantik sind solche abstrakten Grundbedeutungen nicht abgesichert und nicht falsifizierbar; selbst etymologische Basiertheit der Grundbedeutung ist in Anbetracht der starken etymologischen Verdunkelung im Konnektorenwortschatz kein Garant für ihre „Richtigkeit“ oder mentale Relevanz. Aus diesem Grund strebt das Handbuch nicht prinzipiell eine Bedeutungsbeschreibung für einen Konnektor an, die dessen sämtliche nicht-konnektorale Varianten mit abdeckt. Wo es der synchronen Bedeutungsbeschreibung dienlich ist, wird allerdings auf die Verwandtschaft mit solchen Varianten eingegangen und die Ableitungsrichtung aufgezeigt. Die Entwicklung von Heterosemien erfolgt in der Regel unter Beteiligung syntaktischer Restrukturierungsprozesse (wie in A3.2.1.1.4 für die Heterosemien zwischen Adpositionen, Subjunktoren und Adverbkonnektoren, die Pronominaladverbien sind, beschrieben); bei den systematischen Polysemien von Konnektoren innerhalb einer Konnektorklasse spielt syntaktische Restrukturierung dagegen keine Rolle. Die Kontexte der nicht-konnektoralen Verwendungen werden im Folgenden, anders als die der regulären Polysemien, nicht beschrieben. Dies betrifft auch die idiosynkratischen Heterosemien zwischen Konnektoren verschiedener Subklassen vom Typ A3.2.1.2.2, deren syntaktische Kontexte ja bereits mit der Subklassenzugehörigkeit gegeben sind. Bei den unter A3.2.1.2 beschriebenen Fällen von regulärer Polysemie zwischen Konnektoren verschiedener semantischer Klassen wird dagegen stets die Etablierung einer überwölbenden Grundbedeutung angestrebt, ebenso sollen die semantischen und pragmatischen Prozesse, die der Ableitung der spezifischeren Varianten zugrunde liegen, beschrieben und die spezifischen Kontexteigenschaften genannt werden, die jeweils mit einer bestimmten Variante korreliert sind. Die Ableitung einer Bedeutungsvariante verläuft bei diesem Typ der Variation über pragmatisch gesteuerte,

10 Alternative Ansätze wie Wittgensteins Konzept der Familienähnlichkeiten oder das damit verwandte Prototypenkonzept in der Wortbedeutung sowie neuere, im Rahmen der kognitiven Linguistik entwickelte „prozedurale“ Ansätze, die davon ausgehen, dass Bedeutungen keine stabilen Entitäten sind, sondern flexible, einander überlappende Netze oder Bündel von Bedeutungskomponenten, die je nach Kontext unterschiedlich profiliert werden können, haben sich offenbar bislang zur Beschreibung der Mehrdeutigkeiten von Funktionswörtern als wenig attraktiv gezeigt.

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

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metonymische und metaphorische Übertragungen. Bei Konnektoren mit regulärer Polysemie werden im C-Teil die Varianten separat in den entsprechenden semantischen Klassen behandelt; auf den Ableitungsprozess wird in aller Regel bei der semantischen Klasse der Zielrelation eingegangen. In Fällen von semantischer Unterspezifikation wie der in A3.2.3.1 beschriebenen Ebenenvariation und der kontextabhängigen Ausdifferenzierung der abstrakten, für alle Vertreter einer Relationsklasse anzusetzenden semantischen Rollen zu konkreten Situationsrollen sind diese konkreten Rollen lexikographisch nicht relevant und es bestünde weiter kein Bedarf, die Variation und die damit korrelierten Kontexte im Einzelnen zu beschreiben. Ohnehin haben die Kontexte, welche die gegenüber der propositionalen Lesart markierten epistemischen und sprechaktbezogenen Lesarten auslösen, charakteristische Züge, die sich unabhängig von der semantischen Relationsklasse bei allen Konnektoren finden, die diese Variation zulassen, nämlich Indikatoren für Subjektivität im Fall der epistemischen Lesarten und Indikatoren für Performativität im Fall der sprechaktbezogenen Lesarten. Der Variationsspielraum unterspezifizierter Konnektoren ist aber insofern interessant, als Unterspezifikation häufig nur für einen oder wenige Vertreter der Relationsklasse gilt, während andere Vertreter der Klasse spezifischer sind und nur einen Teilbereich dieser Variation abdecken können. Für diese sind dann die konkreten Ausbuchstabierungen der Situationsrollen tatsächlich distinktiv und somit lexikographisch relevant. In der Frage, wie im Einzelfall die invariante Bedeutung beschrieben und wie sie methodisch eruiert wird, kann die Etymologie einer Form einen gewissen heuristischen Nutzen bringen; sie kann aber nicht die die Varianten übergreifende Bedeutung eines Konnektors im Gegenwartsdeutschen unmittelbar abbilden.

A3.4 Eine Funktion – mehrere Formen: paradigmatische Bezüge zwischen Konnektoren einer Relationsklasse Bedeutungsangaben zu Konnektoren, die unter die gleiche Relationsklasse subsumiert werden, sind häufig untereinander nicht diskret und beschränken sich auf die relationale Etikettierung als kausal, konditional etc. Diese Konnektoren werden also wie Synonyme behandelt, die im gleichen Kontext paradigmatisch untereinander austauschbar wären. Tatsächlich gelingt dies auch in vielen Kontexten, wo sich durch die Substitution mit einem paradigmatischen „Nachbarn“ keine benennbaren Bedeutungsunterschiede ergeben. Es lassen sich Verwendungen finden, in denen Sprecher unterschiedliche Konnektoren einer Relationsklasse quasi synonym verwenden. In den folgenden beiden Beispielen ist – außer dass hier dem stilistischen Prinzip einer variatio delectat Genüge getan wird – keine inhaltliche Motivation der Sprecher für die Variation zwischen wenn, falls und sofern zu erkennen.

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(30)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Grundsätzlich dürfe man niemanden verletzen, auch Notwehr erfülle den Straftatbestand der Körperverletzung, machte der Rechtsanwalt klar. Allerdings werde die Körperverletzung unter gewissen Voraussetzungen entschuldigt: sofern eine Gefahr besteht, wenn der Angriff auf die Person widerrechtlich ist, falls der Angriff unmittelbar bevorsteht und sofern die Notwehr verhältnismäßig ist. (St. Galler Tagblatt, 17.07.2001, o. S.) Ihre fliegenden Klamottenläden sind in Windeseile zusammengepackt, falls die Polizei kommt, ihre wenigen Habseligkeiten lassen sie zur Not zurück, wenn nachts eine Razzia stattfindet. (die tageszeitung, 13.12.1990, S. 13)  

(31)



Ganz anders dagegen, wenn die Konnektoren selbst in eine syntagmatische Relation gebracht werden, die gerade Diskretheit der Bedeutungen voraussetzt: (32)

Reagan machte Kohl bei einer ersten Unterredung in Washington deutlich, daß er tatsächlich mit Abkommen rechne: „Wenn die nächste Vereinbarung mit der Sowjetunion schließlich erreicht ist, und ich sage wenn, nicht falls“, sei dies nicht westlicher Schwäche, sondern Stärke und Solidarität zuzuschreiben. (die tageszeitung, 22.10.1986, S. 2) Nicht dieser entwaffnend jugendfrischen Grinsebacke, sondern dem Zuschauer fällt auf, daß Pekkers Modelle, falls und wenn sie die Kamera bemerken, auch eine Pose einnehmen. (Berliner Zeitung, 10.12.1998, S. VII) „Lebenszeichen“ wird den Zuschauer nicht ins Heilige Land versetzen, doch er wird sich in diesem Hollywood-Kino der reinen Gefühle und guten Taten wohl dennoch amüsieren – mit der vagen Hoffnung, dass alles so bleibt, wie es sein sollte, wenn – oder falls – er jemals wieder nach Hause kommt. (Berliner Zeitung, 22.03.2001, S. 2)  

(33)

(34)



Aus solchen Verwendungen kann auf die Natur des paradigmatischen Verhältnisses von wenn und falls geschlossen werden. Sie haben distinktive Merkmale, die profiliert und explizit miteinander kontrastiert werden können, haben aber offenbar auch genügend gemeinsame semantische Eigenschaften, sodass eine Verwendung möglich ist, bei der die gemeinsamen Eigenschaften fokussiert und die distinktiven Merkmale ausgeblendet werden. (Der Unterschied zwischen wenn und falls hat mit unterschiedNT EZEDENS zu tun; s. C4.1.3.1.2.) Dass auch lichen Probabilitäten des Eintretens des A NTEZEDENS die paradigmatische Relation zwischen den Äußerungsbedeutungen von zwei Ausdrücken kontextabhängig zwischen Synonymie und Kontrastierung variieren kann, lässt sich auch und gerade bei Inhaltswörtern zeigen (Beispiele bei Storjohann 2006). Werden wie in den Belegen (32) bis (34) oben zwei in paradigmatischer Relation stehende Konnektoren in eine explizit kontrastierende syntagmatische Beziehung gebracht, dann ist dies ein starker, weil auch korpusbasierter, Indikator dafür, dass eine semantische Opposition zwischen den fraglichen Konnektoren existiert. Fälle wie (30) und (31) lassen dagegen keinen direkten Rückschluss zu: In einem neutralen

A3 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren

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Kontext wie hier wird man dem Sprecher synonymen Gebrauch von wenn und falls unterstellen; in den folgenden Belegen ist aufgrund der komplementären Relation zwischen den Bedeutungen der Koordinate wiederum nicht ganz auszuschließen, dass der Sprecher die Unterschiede zwischen wenn und falls bewusst nutzt, um damit implizit seine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens der genannten Ereignisse zu bekunden. (35)

Es ist nicht zu erwarten, dass „Deep Blue“ sich freut, falls er Kasparow besiegt, oder dass er verzweifelt und womöglich Selbstmord begeht, wenn er verliert. (St. Galler Tagblatt, 10.05.1997, o. S.) Rushdie: um es grob zu sagen: falls Gott existiert, wird er sich um die „Satanischen Verse“ nicht scheren; wenn er nicht existiert, auch nicht. (Der Spiegel, 11.05.1992, S. 214)  

(36)



Hat man keine Belege vom Typ (32) bis (34), dann kann man nur kompetenzbasiert mit Hilfe von Substitutionstests und Minimalpaarbildung über das Ausmaß von Synonymie oder Distinktheit von Konnektoren entscheiden. Diese Methode wird bei der Erfassung der paradigmatischen Züge der Relationsklassen eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist nicht von vorneherein auszuschließen, dass verschiedene Konnektoren einer Relationsklasse in Kontexten gegeneinander austauschbar sind, ohne dass sich, über etwaige stilistische oder regionalsprachliche Unterschiede hinaus, irgendwelche Bedeutungsunterschiede finden ließen. Ein guter Kandidat für solche Synonymie ist die Reihe der konzessiven mit ob- gebildeten Subjunktoren obwohl, obschon, obgleich, obzwar (s. C4.3). „Nachweisen“ lässt sich Synonymie, also Austauschbarkeit in allen Kontexten, freilich nicht, da ja die Zahl der Kontexte nicht endlich ist. Im Konzept des Paradigmas ist (wie in dem des Wortfelds) impliziert, dass für die Bedeutungsbeschreibung eines Worts seine „Verortung“ in einem semantischen Netz unerlässlich ist, dessen Vertreter in paradigmatischen Sinnrelationen zueinander stehen. Nun sind Bedeutungsbeschreibungen für Konnektoren nicht ohne weiteres z. B. in ein hierarchisches Netz von Hyperonymen und Hyponymen, unter Angabe von Genus proximum und differentia specifica, zu bringen wie etwa Substantive; anders gesagt: Ein nämlich ist kein weil mit einem zusätzlichen Merkmal. Wie alle Funktionswörter sind auch Konnektoren verhältnismäßig schwer in die Form von alltagssprachlich verständlichen metasprachlichen Paraphrasen zu bringen, da für den zu explizierenden einfachen Ausdruck immer nur kompliziertere Ausdrücke zur Verfügung stehen. Als Explikanda dienen dann zum einen natürlichsprachliche relationale Prädikate derselben Sprache, vor allem Verben und deverbale Nomina: so finden sich beispielsweise für und ‚Hinzufügung‘ (DWB, Buscha 1989: 120), ‚Anfügung‘ (DudenGrammatik 2005: 1086), ‚Erweiterung‘, ‚Summierung‘ (Buscha 1989: 120), ‚Zusammenfassung‘ (Lang 2004), ‚Bündelung‘ (Brauße 1998, Breindl 2008b) u. ä. Zum anderen werden entsprechende lateinisch basierte, traditionell adjektivische Prädikate  



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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

benutzt, im Falle von und eben ‚additiv‘ oder ‚kopulativ‘. Die beiden Beschreibungstypen treten auch kombiniert auf, wobei die so gewonnenen Bedeutungsparaphrasen mitunter erst im Rückschluss aus der Kenntnis des zu erklärenden Konnektors verständlich werden.11 Dem Dilemma, dass der metasprachliche Hebel hier grundsätzlich schwerer ist als der zu hebende objektsprachliche Ausdruck, kann man freilich nicht ganz entgehen. Wir wählen im Folgenden eine Form der Bedeutungsbeschreibung, bei der durch die Angabe der mehr oder weniger traditionellen semantischen Klasse eine erste grobkörnige Explikation der Bedeutung eines Konnektors geleistet wird, und kombinieren das semantische Klassenmerkmal mit den individuellen Differenzmerkmalen, die den Konnektor von seinen Klassennachbarn abgrenzen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Bedeutungsangaben a) nachvollziehbar und verständlich und b) distinktiv sind. Dabei streben wir kein vollständige Atomisierung der Bedeutung in einer Komponentenanalyse à la Hjelmslev an, insofern die semantische Klasse über die rollensemantische Struktur mit ihren abstrakten Situationsrollen definiert ist (s. A2.4). Die Verortung der Bedeutung eines Konnektors in einem Netz paradigmatischer Bezüge innerhalb einer Relationsklasse kann natürlich immer nur variantenbezogen erfolgen.

11 Man versuche etwa, aus der folgenden Bedeutungsbeschreibung auf x zu schließen: der Konnektor x „drückt aus, daß der NS-[= Nebensatz-]Sachverhalt der Inhalt („Inhalt im Sinne der ‚Inhaltssätze‘) des Gegensatzes (der Negation) des HS-[= Hauptsatz-]Sachverhalts ist. Bei einem negierten HS-Sachverhalt handelt es sich demgemäß um den ‚Inhalt‘ des affirmativen HS-Sachverhalts, bei einem affirmativen HS-Sachverhalt umgekehrt um den ‚Inhalt‘ des negierten HS-Sachverhalts“ (Buscha 1989: 43) [x = außer dass]. Eine fast identische Formulierung findet sich ebd. für nur dass: diese Konjunktion „drückt aus, daß der NS-Sachverhalt der Inhalt („Inhalt im Sinne der ‚Inhaltssätze‘) des negierten HSSachverhalts ist“ (Buscha 1989: 88).

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

A4

Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

A4.1

Grundbegriffe der Beschreibung und Prinzipien der Bedeutungskonstitution  120 Bedeutungskomponenten von Konnektoren  124 Quantifizierung  125 Skalierung  126 Evaluierung  128 Informationsstruktur  131 Von der grammatisch determinierten Bedeutung zur Äußerungsbedeutung: Prinzipien der interpretativen Anpassung  132 Post hoc ergo propter hoc  134 Konditionalverstärkung  134 Konjunktoranreicherung  135 Anpassungen in der aspektuellen Charakteristik  136

4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.1.3 4.1.1.4 4.1.2

4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.2.4 A4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 A4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.3 4.3.3.1 4.3.3.2 4.3.3.3 4.3.3.4

Faktivität  137 Charakterisierung der Faktivitätsdimension und ihrer Merkmalsausprägungen  137 Sprachliche Ausdrucksmittel für die Faktivitätswerte  139 Konnektoren und Faktivität  145 Informationsstruktur und Linearstruktur  149 Konzepte für die Beschreibung der Informationsstruktur von Konnektorkonstruktionen  150 Fokus und Hintergrund  151 Topik – Kommentar  158 Mehrfacher Fokus  162 Informationsstrukturelle Restriktionen als lexikalisches Merkmal und Differenzparameter  164 Einschränkungen in der Fokussierbarkeit des Konnektors  164 Einschränkungen im informationsstrukturellen Potential der Konnekte  171 Zum Zusammenhang zwischen Linearstruktur und Informationsstruktur  174 Präferenzen in der Konnektabfolge bei konjunktionalen Konnektoren mit variabler Abfolge  175 Nullstelle  177 Vorfeld  178 Nacherstposition  179

4.3.3.5 4.3.3.6 A4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.2.3 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.4.4

A4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3

Mittelfeld  182 Nachfeld  184 Ebenen der Verknüpfung  186 Eine Relation – mehrere Lesarten: Das Konzept des Drei-Ebenen-Modells  187 Funktionale Unterschiede zwischen den Ebenen  190 Die propositionale Ebene  190 Die epistemische Ebene  190 Die Sprechaktebene  192 Korrelationen zwischen den formalen Eigenschaften der Relation und ihrer Interpretation  193 Auftreten von skopusfähigen Ausdrücken (Negation, Korrelate, Fokuspartikeln) im K ONSEQUENS -Konnekt  195 Syntaktische Einbettung des A NTEZEDENS -Konnekts in die Struktur seines Bezugskonnekts  198 Erfragbarkeit des A NTEZEDENS -Konnekts  201 Fazit und Anmerkungen zur weiteren Vorgehensweise im Handbuch  203 Temporalität, Aspektualität und Modalität  205 Tempus  207 Aspektualität  218 Modalität  228

Eva Breindl

A4.1 Grundbegriffe der Beschreibung und Prinzipien der Bedeutungskonstitution Bei der Konstitution der Bedeutung von Konnektorkonstruktionen wirken keine grundlegend anderen Prinzipien und Regeln, als sie ganz allgemein beim Aufbau der Bedeutungsstrukturen komplexer Ausdrücke aus einfachen Ausdrücken wirksam sind. Diese Prinzipien wurden in HDK-1 (insbesondere in den Kapiteln B1 und B3) ausführlich dargelegt. An dieser Stelle sollen deshalb nur insoweit zentrale Ergebnisse rekapituliert, Grundbegriffe der Beschreibung festgelegt und Probleme transparent gemacht werden, als es für das Verständnis der folgenden Teile des Handbuchs erforderlich ist. Dabei gehen wir auf den Aufbau der Bedeutungen von Sätzen als Strukturen aus Termausdrücken und Prädikaten (vgl. HDK-1: B3.2) nicht weiter ein und setzen auch die Typisierung von Sätzen nach epistemischen Modi wie Deklarativität, Interrogativität, Wunsch oder Exklamativität (vgl. HDK-1: B4.2) und die sie ausdrückenden Satzmodustypen wie Deklarativsatz, Interrogativsatz, Imperativsatz (vgl. HDK-1: B4.3) etc. als gegeben voraus. Besonderes Augenmerk liegt in diesem Kapitel auf zwei Aspekten der Bedeutungskonstitution: a) auf lexikalischen Bedeutungskomponenten von Konnektoren, die als Differenzparameter für die Abgrenzung semantischer Konnektorenklassen und für eine feinkörnigere Differenzierung von Vertretern einer semantischen Klasse genutzt werden können. Dafür werden Beispiele aus einzelnen Kapiteln des C-Teils vorweggenommen und in systematischer Weise zusammengestellt. b) auf dem Verhältnis zwischen invariablen, kontextunabhängigen „wörtlichen“ Bedeutungen (in HDK-1 als „grammatisch determinierte Bedeutung“ bezeichnet) und Mechanismen der Interpretationsanpassung zu „nicht-wörtlichen“ Bedeutungen in einer spezifischen Verwendungssituation („Äußerungsbedeutungen“). Eine traditionelle Abgrenzung sprachwissenschaftlicher Teilbereiche im Geiste der Saussure’schen Unterscheidung von langue und parole würde hier wohl die Trennlinie zwischen Semantik und Pragmatik ziehen,1 wodurch die kontextdependenten Interpretationen streng genommen kein Untersuchungsgegenstand mehr für eine „Semantik der Konnekto-

1 Zu einer Abgrenzung von Semantik und Pragmatik in diesem strikten Sinne vgl. etwa Meibauer (2001: 5): „Die Bedeutungen semantischer Einheiten sind im allgemeinen kontextunabhängig, die Bedeutungen der pragmatischen Einheiten im allgemeinen kontextabhängig.“ Monoseme Konnektoren wären demnach ein Gegenstand der Semantik, unterspezifizierte und mehrdeutige würden ins Gebiet der Pragmatik fallen. Eine für unseren Gegenstand angemessenere Bestimmung von Semantik gibt Löbner (2003: 13), der auch die Erforschung des „Zusammenhang(s) zwischen Ausdrucksbedeutung und Äußerungsbedeutung, das heißt der Bedeutung, die ein Ausdruck einnimmt, wenn er in einem konkreten Äußerungskontext verwendet wird“, zu den Aufgaben der Semantik rechnet.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

121

ren“ wären. Dies ist jedoch weder aus praktischen noch aus theoretischen Erwägungen heraus sinnvoll. Aus praktischen Erwägungen verbietet es sich, weil eine Beschreibung der Gebrauchsbedingungen von Konnektoren für den Leser nur dann von Nutzen ist, wenn sie ihn in die Lage versetzt, Verwendungen von Konnektoren in konkreten Kontexten zu interpretieren bzw. solche Konstruktionen zu bilden. Theoretisch ist es unsinnig, weil es an der semantischen Natur des Gegenstands „Konnektoren“ mit seinem hohen Anteil an Mehrdeutigkeit und unterspezifizierten Bedeutungen, die erst durch den Kontext konkretisiert werden (s. A3), völlig vorbei gehen würde. Grundlegend für den Aufbau komplexer Ausdrücke ist das Kompositionalitätsprinzip („Frege-Prinzip“), nach dem die Inhalte der komplexen Ausdrücke sich aus den Inhalten der einfachen Zeichen und der Art und Weise, wie diese miteinander kombiniert sind, ergeben. Konnektorkonstruktionen sind insofern ein Spezialfall komplexer Strukturen aus Funktor und Argument(en) (s. dazu A2), als die Argumente hier propositionale Strukturen im Geiste von Ogden/Richards (1923) repräsentieren, die in Bezug auf ihren Inhalt, ihre Form und ihr Denotat keine atomaren, sondern strukturierte Entitäten sind. Diese lassen sich in einem semiotischen Dreieck wie folgt darstellen.

Abb. A4-1: „Semiotisches Dreieck“ für Konnektorkonstruktionen

Der Sachverhalt, der durch eine Proposition p identifiziert wird, ist das Denotat von p, das in einer realen oder fiktiven Welt der Fall ist. Sachverhalte „sind Konstellationen, in denen Individuen bestimmte Eigenschaften zukommen und/oder Konstellationen, in denen zwischen Individuen bestimmte Beziehungen bestehen“ (HDK-1: 26). Sachverhalt (engl. state of affairs oder abgekürzt SOA) ist ein Oberbegriff für verschiedene Kategorien solcher Konstellationen wie Ereignisse, Vorgänge, Prozesse, Zustän-

122

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

de, Aktivitäten usw. (s. im Einzelnen A4.5). In Arbeiten zur Verbsemantik und zur aspektuellen Charakteristik von Sätzen finden sich für diesen Oberbegriff auch die Bezeichnungen Situation (Vendler 1967, Comrie 1976, Herweg 1990, Thieroff 1992), Ereignis (Davidson 1967) oder eventuality (Bach 1986; dazu auch neuerdings die etwas unglückliche Eindeutschung „Eventualität“). Sowohl die Argumente eines Konnektors bezeichnen Sachverhalte als auch die komplexe Konnektorkonstruktion insgesamt. Der Denotatbereich eines Ausdrucks ist die jeweilige Welt, in der die Individuen und Sachverhalte nach Ansicht des Sprechers angesiedelt sind. Wenn es in dieser Welt einen Sachverhalt gibt, der die vom Ausdrucksinhalt gesetzten Bedingungen erfüllt und eine Tatsache ist (auch in einer fiktiven Welt), ist der Sachverhaltsausdruck (in dieser Welt) wahr (HDK-1: 27). Dem Ausdruck, durch den ein Sachverhalt bezeichnet wird, entspricht in Konnektorkonstruktionen das Konnekt. In der Regel werden Sachverhalte durch Sätze bezeichnet, und darauf hebt auch das Merkmal M5 in der Definition für Konnektoren ab (s. A1.1). In A1.3 wurde auf Grenzfälle der Konnexion eingegangen, bei denen die Konnekte durch andere Formate als Sätze repräsentiert werden, nämlich Adjektivoder Partizipphrasen (eine erfundene, aber ungeachtet dessen wunderschöne Geschichte) und Nominalphrasen (eine Erhöhung des Etats, damit wir über die Runden kommen). Bei parataktischen Verknüpfungen durch Adverbkonnektoren ist die Form des Bezugskonnekts grammatisch überhaupt nicht festlegbar. Es kann mehr als den voraufgehenden Satz umfassen, kann aber auch nur einem Teil dieses Satzes entsprechen und muss vom Hörer aus dem Kontext erschlossen werden. In (1a) greift der Adverbkonnektor da als „Topiksituations-Proform“ einen komplexen Sachverhalt auf, der durch mehrere Sätze bezeichnet wird (s. C1.3.1.5). In (1b) kann sich dann nur auf einen affirmierten Sachverhalt beziehen, die Negation muss also aus dem Bezugskonnekt „herausgerechnet“ werden. (1a)

(1b)

Das Obst im Garten muss geerntet und verarbeitet werden, die Koffer sind noch nicht gepackt, ein paar Hemden müssen noch gebügelt werden und die Brotzeit für die lange Autofahrt ist auch noch nicht gerichtet. Und da willst du gemütlich zum Schwimmen gehen? Sie sind nicht da. Dann würde nämlich Licht brennen.

Ob die komplexe Konnektorkonstruktion selbst von der Ausdruckskategorie Satz ist, wird durch den Typ des Verknüpfungsverfahrens bestimmt (s. A1.2). Einbettende und koordinative Verknüpfungen bilden ihrerseits Sätze, parataktische Verknüpfungen bilden kohärente Satzfolgen, aber keinen komplexen Satz. Unter Propositionen verstehen wir die grammatisch determinierten Bedeutungen von Ausdrücken, die Sachverhalte bezeichnen (HDK-1: 30); sie definieren den illokutionstypneutralen, den Wahrheitswert bestimmenden Bedeutungskern dieser Ausdrücke. Unter dem Oberbegriff propositionale Struktur wurden in HDK-1 (174 ff.) reine Propositionen und epistemisch bewertete Propositionen (d. h. Propositionen, die  



A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

123

ihrerseits unter einen epistemischen Operator eingebettet sind) zusammengefasst, die gleichermaßen Argumente von Konnektoren sein können (s. A4.4). Propositionen können semantisch strukturiert sein in Hauptpropositionen und präsupponierte Nebenpropositionen (vgl. HDK-1: B3.4). Während Hauptpropositionen Sachverhaltsbeschreibungen sind, die der Sprecher mit der Ausdrucksäußerung als neu in den Diskurs eingebracht verstanden wissen will, sind präsupponierte Propositionen Sachverhaltsbeschreibungen, die er als unkontrovers, im Diskurs nicht mehr zur Debatte stehend und nur noch der Identifikation des von ihnen beschriebenen Sachverhalts dienend ausgibt. Präsuppositionen sind Hintergrundannahmen und gehören nicht zu den Wahrheitsbedingungen eines Satzes, affizieren aber dessen Gebrauchsbedingungen, da Wahrheitswerte immer nur relativ zu bestimmten Äußerungssituationen festgelegt werden können. Ob ein Bestandteil eines komplexen Satzes Hauptproposition oder präsupponierte Hintergrundannahme ist, wird üblicherweise mit Hilfe einer Spielart des „Kommentartests“ geprüft. Präsuppositionale Teile können aufgrund ihres Status als nicht zur Diskussion stehend nicht mit einer Satzanapher wieder aufgegriffen werden.2 Eine weitere Möglichkeit liefert der Tilgungstest: lexikalisch vom Konnektor induzierte Präsuppositionen können außer durch ausdrücklichen „Präsuppositionsprotest“ nicht aufgehoben werden. Darin unterscheiden sie sich von konversationellen Implikaturen, die nicht lexikalisch verankert sind und deshalb bei einem Konnektor nicht in allen seinen Verwendungen zum Tragen kommen müssen. Konnektoren können selbst lexikalisch Präsuppositionen induzieren (vgl. auch Max 2004, 2008). Das gilt für alle Fokuspartikeln unter den Konnektoren (vgl. HDK-1: B3.3.4). Es gilt ferner für negationsinduzierende additive Konnektoren (C2.2) wie weder (p) noch (q), (NEG p) sondern (q), (NEG p) geschweige (denn) (q), (p) statt (q) oder (p) ohne dass (q). Mit der Verwendung einer Negation ist immer die Hintergrundannahme gekoppelt, dass im gegebenen Kontext das affirmierte Gegenteil zur Debatte stand, das dann mit der Negation explizit zurückgewiesen wird. Die Konnektoren dieser Klasse sind deshalb auch nur sehr schlecht diskursinitial verwendbar, bzw. eine solche Verwendung ist auffällig und erfordert vom Hörer eine komplexe Informationsverarbeitung, eine „Akkommodation“ der positiven Hintergrundannahme, d. h. ihr Hinzufügen zum aktuellen gemeinsamen Wissen der Gesprächspartner (Common Ground) und Überschreiben durch die Negation in einem einzigen Schritt. Auch konzessive Konnektoren (C4.3) enthalten in ihrer Bedeutungsstruktur eine Negation. Diese ist hier allerdings eine Bedeutungskomponente der präsupponierten Proposition. Mit der Äußerung von (2a) wird in jedem Kontext die Hintergrundannah 

2 Der Kommentartest – auf Posner (1972) zurückgehend – existiert in mehreren Varianten, ist allerdings nicht immer ganz zuverlässig, da er Ergebnisse von diskutierbarer Akzeptabilität liefert, und wird deshalb regelmäßig auch kritisiert. Vgl. etwa. Brandt 1990, Reis 1993, Holler 2005, 2009. Pasch 1982 wendet ihn in der Form des dennoch-Tests an. Vergleichbar ist auch das Right Frontier Constraint in der SDRT, vgl. Polanyi 1988 und Asher/Vieu 2005.

124

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

me (2b) mitgeliefert. Diese Bedeutungskomponente ist für einen Anapherntest (2d gegen 2c) oder für einen Tilgungstest (2e) nicht zugänglich, ist also lexikalisch induziert. (2a) (2b) (2c) (2d) (2e)

Obwohl der Fahrer scharf gebremst hat, ist der Wagen einfach weiter gerollt. Scharf bremsen führt normalerweise dazu, dass ein Wagen nicht weiter rollt. Das stimmt doch gar nicht. (Der Wagen ist doch stehen geblieben.) #Das stimmt doch gar nicht. (Scharfes Bremsen führt nicht zu Stehenbleiben.) #Obwohl der Fahrer scharf gebremst hat, ist der Wagen einfach weiter gerollt. Aber damit will ich nicht sagen, dass scharfes Bremsen normalerweise Weiterrollen verhindert.

4.1.1 Bedeutungskomponenten von Konnektoren Eine Beschränkung auf eine rein wahrheitskonditionale, „sparsame“ Semantik in der Gefolgschaft einer Abgrenzung, wie sie Gazdar (1979) plakativ mit der Gleichung „Pragmatik = Bedeutung minus Wahrheitsbedingungen“ vornimmt,3 könnte bereits weite Teile der lexikalischen (und damit auch kontextunabhängigen!) Bedeutungen von Konnektoren nicht erfassen. Wie in HDK-1 erarbeitet, können bei vielen Konnektoren zwei Bereiche in den inhaltlichen Gebrauchsbedingungen unterschieden werden: (i) der Beitrag, den Konnektoren aufgrund ihrer lexikalischen Bedeutung zu den Wahrheitsbedingungen von Sätzen leisten können; (ii) eine zusätzliche, ebenfalls lexikalisch verankerte Bedeutungskomponente, die Bedingungen für den kontextangemessenen Gebrauch des Konnektors spezifiziert. Die Bedeutungskomponente (i) erlaubt allenfalls eine Grobsortierung von Konnektoren in semantische Klassen. Dabei sind zwei Bedeutungsdimensionen für die Definition der Wahrheitsbedingungen von Konnektorkonstruktionen und die Klassenzuordnung von Konnektoren entscheidend. Zum einen ist dies die Festlegung der Argumente des Konnektors in der Faktivitätsdimension (s. A4.2), also ob eines der Konnekte oder beide Konnekte eine Tatsache bezeichnen müssen. Nach diesem Kriterium fallen beispielsweise additive Konnektoren (C2.1), adversative Konnektoren (C2.2), kausale Konnektoren (C4.2) und konzessive Konnektoren (C4.3) auf eine Seite – bei diesen müssen beide Konnekte Sachverhalte bezeichnen, die der Fall

3 „Pragmatics has as its topic those aspects of the meaning of utterances which cannot be accounted for by straightforward reference to the truth conditions of the sentences uttered. Put crudely: PRAGMATICS = MEANING – TRUTH CONDITIONS“ (Gazdar 1979: 2).

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

125

sind –, konditionale (C4.1), disjunktive (C3), irrelevanzkonditionale (C4.4) und negationsinduzierende Konnektoren (C2.2) fallen auf die andere Seite, da sie in dieser Hinsicht nicht oder anders festgelegt sind. Zum zweiten ist es die in A2 beschriebene rollensemantische Charakterisierung der Konnekte. Zu den Wahrheitsbedingungen kausaler Konnektoren gehört, dass eines ihrer Argumente einen G RUND , das andere eine F OLGE bezeichnet. Die Äußerung Hans bleibt zu Hause, weil er müde ist ist nicht schon dann wahr, wenn Hans müde ist und Hans zu Hause bleibt, sondern nur wenn die Müdigkeit auch der Grund für das Zuhausebleiben von Hans ist. Mit Hilfe der unter (ii) subsumierten Bedeutungskomponenten können auch Konnektoren innerhalb einer semantischen Klasse lexikalisch differenziert werden. Hier kommen verschiedene Bedeutungsdimensionen ins Spiel, die in unterschiedlichen semantischen Konnektorenklassen zur lexikalischen Feindifferenzierung beitragen, insbesondere die Dimensionen a) b) c) d)

Quantifizierung (s. A4.1.1.1) Skalierung (s. A4.1.1.2) Evaluierung (sprechersubjektive Bewertung) (s. A4.1.1.3) Informationsstruktur (s. A4.1.1.4)

Ist ein Konnektor in einer oder mehrerer dieser Dimensionen spezifiziert, dann bedeutet dies, dass der durch das interne Argument des Konnektors denotierte Sachverhalt in Bezug auf denkbare alternative Sachverhalte einzuordnen und zu bewerten ist. Diese Bedeutungsdimensionen bestimmen bei Konnektoren, die in einer dieser Dimensionen lexikalisch spezifiziert sind, auf jeden Fall ihre Gebrauchsbedingungen und ihre möglichen Kontexteinbettungen. Im Folgenden führen wir Paare von Konnektoren aus unterschiedlichen semantischen Konnektorenklassen an, die sich in einer der genannten Bedeutungsdimensionen unterscheiden.

4.1.1.1 Quantifizierung (i) Temporale Konnektoren: als, wenn, sooft Temporale Konnektoren können in der Dimension Quantifizierung über Sachverhalte lexikalisch spezifiziert sein. Spezifisch für singuläre Sachverhalte ist als (s. C1.3.1.2), spezifisch für allquantifizierte ist sooft (s. C1.5), unspezifisch ist wenn (s. C1.3.1.6). (3a) (3b) (3c)

Als Hans nach Hause kam, begrüßte ihn sein Pudel schwanzwedelnd. (singulär) Sooft Hans nach Hause kommt, begrüßt ihn sein Pudel schwanzwedelnd. (allquantifziert) Wenn Hans heute nach Hause kommt, begrüßt ihn sein Pudel schwanzwedelnd. (singulär)

126

(3d)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Wenn Hans nach Hause kam, begrüßte ihn sein Pudel schwanzwedelnd. (allquantifiziert)

Über Sachverhalte quantifizieren auch die temporalen Adverbkonnektoren abermals und weiterhin. (ii) Additive Konnektoren; Fokuspartikel auch Additive Konnektoren haben insofern eine Bedeutungskomponente der Quantifizierung, als sie zwei (oder mehr) Entitäten gleichen Typs in eine „listende“ Bedeutungsbeziehung zueinander bringen. Additive Konjunktoren (und, sowie, sowohl (…) als/wie auch) weisen den Hörer an, einen Koordinationsrahmen auf die durch den Konjunktor koordinierten Entitäten, die Koordinate, zu beziehen.4 Dass der Koordinationsrahmen für alle Koordinate gilt, wird mit und assertiert. Beim ebenfalls additiven auch, einer Fokuspartikel, ist die Quantifizierung eine präsuppositionale, d. h. im Diskurs nicht zur Debatte stehende Bedeutungskomponente: Auch liefert als Information mit, dass die durch das Trägersatzkonnekt bezeichnete Proposition für Alternativen zum Fokusausdruck bzw. zu einem durch die Fokusprojektion definierten Ausdruck ebenfalls gilt.  

(4)

Hans hat auch in LEIPzig studiert. Assertion: Hans hat in Leipzig studiert. Präsupposition: Hans hat (mindestens) an einer weiteren Universität studiert.

4.1.1.2 Skalierung Die durch Konnektoren mit einer skalierenden Komponente aufgestellten Skalen können von ganz unterschiedlicher Natur sein. Es kann sich um eine Skala der Geltungswahrscheinlichkeit handeln oder um eine Skala von Wichtigkeit, wobei der Grund für die Wichtigkeit durch Kontext oder Weltwissen gegeben sein kann. Insbesondere mit der Gewichtungsskala ist häufig eine Evaluierungskomponente verbunden (s. dazu den folgenden Abschnitt): Was für den Sprecher wichtig ist, unterliegt tendenziell auch einer besonders hohen (oder auch niedrigen) Wertschätzung. (i) Kausale Konnektoren: weil vs. zumal (da) Das interne Argument von zumal (C4.2.3.1.1.2.2) bezeichnet wie das von weil in einer Kausalverknüpfung den G RUND . Zumal ist aber nur angebracht, wenn ein Sprecher damit zum Ausdruck bringen will, dass dieser Grund unter anderen denkbaren Gründen auf einer Gewichtungsskala besonders hoch rangiert. Zumal ist deshalb in

4 Vergleichbares gilt für disjunktive Konnektoren.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

127

Kontexten, in denen keine alternativen Gründe in Frage kommen, unangemessen. Dieser Bedeutungsbestandteil von zumal gehört aber nicht zum assertierten, erfragbaren Teil, sondern wird lexikalisch präsupponiert. Das kann man daran erkennen, dass man auf eine warum-Frage zwar mit vor allem weil p, aber nie mit zumal p antworten kann. (5a) (5b)

Das Wasser verdampft, weil es kocht. # Das Wasser verdampft, zumal es kocht.

(6) (6a) (6b)

Warum ist Hans nicht mit ins Kino gegangen? Vor allem (deshalb), weil er den Film schon gesehen hat. *Zumal er den Film schon gesehen hat.

Eine skalierende Komponente enthalten auch die kausalen Postponierer umso mehr, als und umso weniger, als (vgl. C4.2.3.1.1.2.2). (ii)

Additive skalierende Konnektoren: allenfalls, bestenfalls, immerhin, zumindest Unter den additiv basierten Adverbkonnektoren gibt es einige, die zusätzlich zur wahrheitskonditionalen Bedeutung dieser Klasse, dass p und q der Fall sind, eine Gewichtung des in ihrem Trägerkonnekt bezeichneten Sachverhalts zum Ausdruck bringen. Dazu gehören die Fokuspartikel sogar und die Konnektoren allenfalls, bestenfalls, höchstens, insbesondere, wenigstens, mindestens, zumindest oder immerhin, die mitunter ebenfalls als Fokuspartikeln klassifiziert werden, wogegen aber ihre Vorfeldfähigkeit spricht.5 Semantisch sind sie mit diesen insofern vergleichbar, als sie ihr Argument auf einer Gewichtungsskala als besonders niedrig (allenfalls, bestenfalls, höchstens, wenigstens, zumindest, immerhin) oder besonders hoch (insbesondere, sogar) einordnen. Dabei können sie gleichzeitig den Hintergrund mitliefern, dass ein höherer bzw. niedrigerer Wert erwartbar war. Viele dieser Konnektoren sind zusätzlich in Bezug auf die Evaluierungsdimension spezifiziert. (iii)

Negationsinduzierende Konnektoren: weder (…) noch vs. geschweige (denn) Die koordinierenden syntaktischen Einzelgänger korrelatives weder (…) noch und (NEG p) geschweige (denn) (q) sind „negativ-additive“ Konnektoren: mit ihnen weist ein Sprecher die Annahme zurück, dass p und q der Fall sind. Geschweige (denn) (C2.2.3.3) unterscheidet sich von weder (…) noch darin, dass die beiden negierten

5 Eine Ausnahme bildet das Partikelwörterbuch von Métrich/Faucher (2009), das besonders, vor allem und insbesondere einer Klasse „Fokusadverbien“ subsumiert, die sich nach der Definition von den Fokuspartikeln nur positionell unterscheidet.

128

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Propositionen auf einer Skala der Realisierungswahrscheinlichkeit eingeordnet werden, auf der das interne Argument den gewichtigeren und weniger wahrscheinlichen Sachverhalt bezeichnet: ‚NEG p und erst recht nicht q‘. Aus dieser Bedeutungskomponente muss auf eine ebenfalls skalare Hintergrundannahme geschlossen werden: dass p der Fall ist, wird vom Sprecher mit höherer Wahrscheinlichkeit oder größerer Erwünschtheit unterstellt als dass q der Fall ist. (7)

Jetzt kann sie ihre Hand kaum noch bewegen, geschweige denn „eine Zigarette drehen“. (die tageszeitung, 02.04.1997, S. 22)  

4.1.1.3 Evaluierung (i) Adverbkonnektoren mit primärer Abtönungspartikelfunktion Eine Bedeutungskomponente in der Dimension der Bewertung einer Proposition ist typisch für Abtönungspartikeln, mit denen ein Sprecher zum Ausdruck bringen kann, dass die Trägersatzproposition einen aus seiner Sicht erwünschten oder unerwünschten Sachverhalt darstellt (vgl. z. B. Thurmair 1989: 200). Einige Abtönungspartikeln haben gleichzeitig anknüpfende Funktion und wurden deshalb in HDK-1 in der Konnektorenliste angeführt; die Abgrenzung ist im Einzelfall nicht immer ganz eindeutig. Auch erlaubt in Entscheidungsfragen nur die Formulierung einer erwünschten Proposition (8a), etwa nur die einer unerwünschten (8c).  

(8a) (8b) (8c) (8d)

Wart ihr auch brav? #Wart ihr auch frech? Ist der Kaffee etwa gezuckert? Ich mag nämlich keinen Zucker im Kaffee. #Ist der Kaffee etwa ohne Zucker? Ich mag nämlich keinen Zucker im Kaffee.

(ii) Additive skalierende Konnektoren Mit einigen der in 4.1.1.2 aufgezählten additiven Skalierungskonnektoren ist auch eine evaluative Komponente verknüpft. So bringt etwa mit immerhin q und wenigstens q ein Sprecher zum Ausdruck, dass q auf einer geordneten Skala möglicher Alternativen im unteren Skalenabschnitt einzuordnen ist, dass es aber eine durch den Kontext aufgebaute Negativerwartung um ein Geringes überschreitet und diese Überschreitung vom Sprecher positiv bewertet wird. Weydt (1979a, 1979b) hat diese Erwartungsdynamik des ‚Nicht viel, aber besser als nichts‘ mit einer Sprungschanze verglichen. Dass die Evaluierungskomponente mit dem Konnektor obligatorisch mitgeliefert wird, zeigen Beispiele, bei denen der durchschnittliche Adressat nicht über das Spezialwissen verfügt, um eine a-priori-Bewertung des Sachverhalts vorzunehmen. So muss aus (9a) der Hörer schlussfolgern, dass Safranschirmlinge „gute“ (wohlschmeckende, gut

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A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

zu verarbeitende o. ä.) Pilze sind.6 Mit allenfalls, bestenfalls und höchstens ist dagegen mit der Einordnung am unteren Skalenende gleichzeitig auch eine negative Bewertung durch den Sprecher gekoppelt; aus (9b) muss der Hörer also auf eine gewisse Minderwertigkeit von Safranschirmlingen schließen.  

(9a) (9b)

Die Pilzsaison war dieses Jahr durchschnittlich. Aber immerhin/wenigstens haben wir Safranschirmlinge gefunden. Die Pilzsaison war dieses Jahr durchschnittlich. Wir haben allenfalls/bestenfalls/höchstens Safranschirmlinge gefunden.

(iii) Negationsinduzierende Konnektoren: sondern vs. statt Sondern (s. C2.2.4) und statt (s. C2.2.5) gleichen sich darin, dass sie für eines ihrer Konnekte Kontrafaktizität und für das andere Faktizität verlangen. Bei sondern ist das interne Konnekt affirmiert und das externe negiert, bei statt ist es umgekehrt; der Adverbkonnektor stattdessen hat wiederum die gleiche Argumentstruktur wie sondern. Statt/stattdessen und sondern unterscheiden sich aber über die Argumentstruktur hinaus noch darin, dass bei statt die Argumente komplementär in der Evaluierungsdimension „Präferenz“ charakterisiert sind, während sondern hier neutral ist. Eines der Argumente von statt bezeichnet einen aus der Sicht des Sprechers positiv bewerteten, zu präferierenden Sacherhalt, das andere einen weniger präferierten. Die Zuordnung der Präferenzwerte zu den Argumenten ist komplementär, aber variabel, wie (10a, b) und (10c, d) zeigen. (10a)

Wer statt [Bundeswehrschrott]–präf. [moderne Kriegstechnik]+präf. sehen will, muss in die Vereinigten Arabischen Emirate reisen. (die tageszeitung, 17.05.2001, S. 26) 90% aller von seiner Firma erbauten Häuser bei Yalova sind eingestürzt. „Da wurde [Sand]–präf. statt [Zement]+präf. benutzt“, sagen Experten. (die tageszeitung, 23.08.1999, S. 2) Konstantin […] distanziert sich demonstrativ von der etablierten sakralen Herrschaftsideologie, [als er nicht aufs Kapitol steigt und dem Jupiter opfert.]–präf. Stattdessen [stiftet er den Christen ein großes Grundstück, auf dem dann die Lateranbasilika entsteht.]+präf. (Rheinzeitung, 24.03.2007, o. S.) Das ist destruktive Politik. [Sie wollen die Reform nicht,]+präf. stattdessen [wollen Sie Chaos in den Arbeitsämtern im nächsten Jahr.]–präf.. (REI/ BNG.00893, Kuhn, Beschäftigungspolitik, o. S.)  

(10b)



(10c)



(10d)



6 Die „Safranschirmlinge“ sind eine Entlehnung aus Umbach/Stede 1999, die daran die kontextunabhängig mitgelieferten Präsuppositionen bei konzessiven Konnektoren nachweisen.

130

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Bei sondern ist Präferenz kein lexikalisches Merkmal. Beispiele, in denen keines der Argumente vorzuziehen ist, sind mit sondern problemlos (10e), mit statt wirken sie dagegen semantisch abweichend: In (10 f) wird durch die Verwendung von statt der – in Anbetracht des Inhalts recht makabre – Eindruck erweckt, einer der durch die Konnekte denotierten Sachverhalte sei wünschenswert oder mindestens erwartbar.  

(10e) (10f)

Der Amokläufer hat nicht fünf Menschen getötet, sondern sechs. #Statt fünf Menschen hat der Amokläufer sechs getötet.

(iv) Adversative Konnektoren: Bewertungsgegensatz Viele adversative Konnektoren treten auch in Verwendungen auf, bei denen der Kontrast zwischen den Konnekten in einem „Bewertungsgegensatz“ zwischen einem positiven und einem negativen Wert besteht, sodass die Konnekte im Rahmen einer Argumentation als Pro- und Contra-Argumente fungieren (s. C2.3.3.4). Einige adversative Konnektoren sind genau dafür spezifisch: Negative Wertung für ihr internes Konnekt evozieren nur, nur dass, bloß und bloß dass (11a-d), positive Wertung bedingen aber oder andere adversative Konnektoren (doch, jedoch) in der Kombination mit Konnektoren mit skalierender Komponente: aber immerhin, wenigstens (11e, f). (Zwar) (…) aber/allerdings/(je)doch, einerseits (…) and((e)r))erseits, dafür sind in allen Verwendungen mit einem Bewertungsgegensatz gekoppelt, legen aber die Verteilung der Werte nicht fest (11g, h). (11a) (11b) (11c) (11d) (11e) (11f) (11g)

(11h)

Knoblauch ist sehr gesund, nur/bloß plagt man damit seine Mitmenschen sehr. Knoblauch ist sehr gesund, nur dass/bloß dass man damit seine Mitmenschen plagt. #Mit Knoblauch plagt man seine Mitmenschen, nur/bloß ist er sehr gesund. #Mit Knoblauch plagt man seine Mitmenschen, nur dass/bloß dass er sehr gesund ist. Mit Knoblauch plagt man seine Mitmenschen, aber immerhin/wenigstens ist er sehr gesund. #Knoblauch ist sehr gesund, aber immerhin/wenigstens plagt man damit seine Mitmenschen. Knoblauch ist (zwar) einerseits sehr gesund, aber/allerdings/jedoch/ doch/and((e)r)erseits/dafür plagt man durch den Geruch seine Mitmenschen. Mit Knoblauch plagt man (zwar) einerseits seine Mitmenschen, aber/allerdings/jedoch/doch/and((e)r)erseits/dafür ist er sehr gesund.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

131

4.1.1.4 Informationsstruktur Da die Dimension der Informationsstruktur generell beim Aufbau der Bedeutungen (und auch der Formen und Linearisierungspräferenzen) von Konnektorkonstruktionen eine wichtige Rolle spielt, wird darauf in einem gesonderten Kapitel (A4.3) eingegangen. An dieser Stelle soll nur exemplarisch an Minimalpaaren gezeigt werden, dass die Dimension der Informationsstruktur auch in der Form eines lexikalischen Differenzparameters im Inventar der Konnektoren wirksam ist. (i) Kausalkonnektoren: weil vs. da, nämlich vs. schließlich Konnektoren können selbst lexikalische Restriktionen in Bezug auf die informationsstrukturelle Variabilität ihrer Argumente mitbringen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Minimalpaar kausales weil vs. da: Letzteres ist in seiner Bedeutung komplexer als weil, da es wie dieses sein internes Argument als semantische Rolle G RUND ausweist, darüber hinaus aber signalisiert, dass der Hörer die damit gegebene Information im Diskurs als bereits präsent einschätzen sollte. Warum-Fragen können deshalb mit weil, nicht aber mit da beantwortet werden. (12) (12a) (12b)

Warum steht ein Ostfriese am Hafen und wirft Steine ins Wasser? Weil dort ein Schild steht „Deutsche Werft“. *Da dort ein Schild steht „Deutsche Werft“.

Ähnlich gelagert ist der Unterschied zwischen nämlich und schließlich: nämlich kann nicht verwendet werden, wenn die im Trägersatz gegebene Information dem Hörer bekannt ist, schließlich suggeriert umgekehrt Bekanntheit. (13a) (13b)

Benimm dich nicht so kindisch! Du bist schließlich schon 12 Jahre alt. #Benimm dich nicht so kindisch! Du bist nämlich schon 12 Jahre alt.  



(ii) Konzessive Konnektoren Auch bei konzessiven Konnektoren gibt es lexikalische Unterschiede in der informationsstrukturellen Dimension. So erlauben beispielsweise nicht alle Adverbkonnektoren Fokussierung. (14a)

(14b)

Herr K. hat sich bei seinem Nachbarn über die laute Musik beschwert. Der hat sich vielmals entschuldigt, aber TROTZdem/DENNoch ist Herr K. noch wütend. *Herr K. hat sich bei seinem Nachbarn über die laute Musik beschwert. Der Nachbar hat sich vielmals entschuldigt, aber dessen UNgeachtet/ungeachtet DESsen ist Herr K. noch wütend.

132

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

4.1.2 Von der grammatisch determinierten Bedeutung zur Äußerungsbedeutung: Prinzipien der interpretativen Anpassung Die „Äußerungsbedeutung“ eines komplexen Ausdrucks ergibt sich aus dessen grammatisch determinierter, kontextunabhängiger Bedeutung und dem Kontext seiner Äußerung. Zum Äußerungskontext gehört alles, was für das Verständnis der Äußerung relevant ist: der sprachliche Kontext, die raumzeitliche und referentielle Verankerung der Äußerungssituation mit ihren Gesprächspartnern, das zum Zeitpunkt der Äußerung zu veranschlagende Hintergrundwissen der Gesprächspartner als episodisches Wissen, kulturelles Wissen, enzyklopädisches Wissen etc. Ein und derselbe Satz kann in Abhängigkeit vom Kontext verschiedene Äußerungsbedeutungen haben; am augenfälligsten geschieht dies in der Verwendung von Deiktika wie ich, du, dort, gestern, die ihre spezifische Referenz erst in der Äußerungssituation erhalten. Die Bedeutung eines Konnekts oder eines Konnektors kann je nach seinem kontextuell determinierten informationsstrukturellen Profil unterschiedlichen semantischen Status haben. Sie kann in einem Verwendungskontext zu den Wahrheitsbedingungen der Konnektorkonstruktion gehören, in einem anderen Kontext dagegen zu den Bedingungen des kontextuell angemessenen Gebrauchs. Im Kontext von (15a) ist der Beitrag von weil zu den Wahrheitsbedingungen des Satzes, dass beide Argumente wahre Sachverhalte bezeichnen und dass zwischen diesen Argumenten ein Begründungsverhältnis vorliegt; im Kontext von (15b) reduziert sich dieser Beitrag darauf, dass der mit dem internen Argument bezeichnete Sachverhalt a) wahr ist und b) einen Grund für den mit der Frage präsupponierten Sachverhalt liefert. (15a)

(15b)

A: Was machst du morgen? B: Ich gehe zum Augenarzt, weil ich mit meiner alten Brille nichts mehr sehe. A: Warum gehst du zum Augenarzt? B: Weil ich mit meiner alten Brille nichts mehr sehe.

Der Unterschied liegt darin, dass in (15b) das Konnekt, zu dessen Wahrheitsbedingungen der Konnektor nichts beiträgt, zum informationsstrukturellen Hintergrund gehört, während es in (15a) fokal ist. Das Phänomen, dass einem Ausdruck eine bestimmte Bedeutungskomponente nur in Fokussierungskontexten zugeschrieben werden kann, nicht aber, wenn der Ausdruck zum Hintergrund gehört, ist in der Semantik bekannt. Ein Beispiel unter den Konnektoren ist der temporale durative Subjunktor solange (s. C1.4.1). Dessen internes Konnekt liefert ein Zeitintervall, zu dem der im externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt kontinuierlich der Fall ist. Fraglich ist nun, ob der im internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt auch die exakte Anfangs- und Endgrenze dieses Sachverhalts absteckt oder ob dieser darüber hinaus reichen kann. Die meisten Grammatiken

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

133

gehen davon aus, dass „der NS[Nebensatz]-Sachverhalt genau die gleiche Dauer hat wie der HS[Hauptsatz]-Sachverhalt“ (Buscha 1989: 106). Hier zeigt sich jedoch ein Unterschied zwischen Fokussierungskontexten und Hintergrundkontexten: In letzteren ist solange nicht grenzbezogen. (16a)

(16b)

A: Wie lange war Peter krank? B: Solange er in Hamburg wohnte. #Und davor und danach war er auch krank. A: Wie ging es Peter eigentlich in Hamburg? B: Er war die ganze Zeit, solange er in Hamburg wohnte, krank. Er war ja schon angeschlagen nach Hamburg gekommen und auch danach ging es ihm lange Zeit noch schlecht.

Wenn ein Bedeutungsbestandteil nur in bestimmten Kontexten, nicht aber in allen zur Geltung kommt (bzw. wenn ein scheinbarer Bedeutungsbestandteil in bestimmten Kontexten getilgt werden kann wie in (16b)), gilt dies gemeinhin als Indiz dafür, dass er auf eine Implikatur zurückgeht und kein lexikalischer Bestandteil ist: Implikaturen sind (aus der grammatisch determinierten Bedeutung und dem Verwendungskontext) rekonstruierbar, (in Abhängigkeit vom Kontext) variabel und (ohne Widerspruch) tilgbar. Sie sind Ergebnisse von Schlussfolgerungsprozessen des Hörers, wenn die wörtliche, grammatisch determinierte Bedeutung eines Ausdrucks situativ nicht angemessen und rational ist, d. h. wenn offenkundig Maximen der Konversation verletzt sind. Neben einer grundlegenden Kooperativitätsannahme ist das vor allem die Maxime der Relevanz (Sei relevant!), auf die letztlich auch die anderen Grice’schen Konversationsmaximen (Grice 1975) zurückgeführt werden können, insbesondere die Maxime der Quantität (Mache deinen Beitrag so informativ, wie es der gegenwärtige Konversationszweck verlangt! Mache deinen Beitrag nicht informativer als verlangt!). Durch Implikaturen können in Konnektorkonstruktionen sowohl die Konnekte als auch die Konnektoren selbst Uminterpretationen und interpretative Anpassungen an den Äußerungskontext erfahren. Dies geschieht häufig auf der Basis übereinzelsprachlich wirksamer, allgemeiner kognitiver Schlussfolgerungsprinzipien. Implikaturen können in unterschiedlich starkem Ausmaß konventionalisiert sein, bis hin zu dem Punkt, dass sie in Kontexten eines bestimmten, angebbaren Typs zu einem festen, nicht mehr tilgbaren Bedeutungsbestandteil werden (generalisierte Implikaturen). In diesem Fall ist die lexikographische und grammatikographische Erfassung dieser Bedeutung als einer Lesart dieses Ausdrucks angemessen. Einige Formen von informationsanreichernden Implikaturen sind für das diachrone und synchrone System der Konnektoren besonders wichtig:  

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

4.1.2.1 Post hoc ergo propter hoc Das in A3.2.2.1 beschriebene Muster „regulärer Polysemie“ von temporaler Sequenz und Kausalität ist Ergebnis eines Schlusses von der rein zeitlichen Aufeinanderfolge zweier Ereignisse auf einen Kausalzusammenhang zwischen ihnen. Beim Subjunktor nachdem (s. C1.3.2.1, C4.2.3.1.1.2) ist die kausale Bedeutung neben der temporalen konventionalisiert und tritt bei bestimmten Tempus-Aspekt-Konstellationen in den Konnekten ziemlich regelmäßig auf, bei sintemal(en) hat die kausale Bedeutung die temporale sogar abgelöst. Auch bei als treten kausale Lesarten auf, wenn die aspektuelle Forderung nach einer telischen Sachverhaltsbeschreibung verletzt ist, was beispielsweise durch eine Negation erfolgt. In einem solchen Kontext ist eine Streichung des Kausalzusammenhangs kaum mehr möglich, während in anderen Kontexten die kausale Bedeutung nicht auftritt. (17)

Als sich die Tür nicht öffnen ließ, rief Hans den Hausmeister. ?Aber damit will ich nicht behaupten, dass Hans den Hausmeister wegen der klemmenden Tür gerufen hat.

Auch die Sequenzkonnektoren woraufhin und daraufhin können eine kausale Lesart erhalten, wenn der zeitlich spätere Sachverhalt eine Reaktion auf den zeitlich früheren darstellt, der somit als Auslöser fungiert. Wenn diese Komponente tilgbar wäre, müssten nicht nur Sequenzen wie (18a), sondern auch (18b) wohlgeformt sein. Belege dieser Art lassen sich jedoch nicht finden. (18a) (18b)

Der Prophet bat um Regen, woraufhin starker Regen fiel. ?Am Vormittag schien die Sonne, woraufhin starker Regen fiel.

4.1.2.2 Konditionalverstärkung Eine implikaturbasierte Bedeutungsanreicherung ist auch die sog. Konditionalverstärkung („conditional perfection“, Geis/Zwicky 1971), bei der die lexikalische Bedeutung eines Konditionalkonnektors wie wenn angereichert wird von einer hinreichenden zu einer auch notwendigen Bedingung, also zur Bedeutung von immer und nur dann wenn. Sie ist rekonstruierbar mit Hilfe der Relevanzmaxime, wonach ein Sprecher nur die relevante Bedingung nennt und diese Nennung exhaustiv ist.7 7 „Wenn ein Sprecher die Gültigkeit einer Aussage auf das Vorliegen einer Bedingung relativiert, so wird er tunlichst nicht irgendeine hinreichende Bedingung angeben, sondern die relevanteste, und besonders relevant ist eine hinreichende Bedingung ceteris paribus natürlich dann, wenn sie zugleich notwendig ist“ (Zaefferer 1987: 275).

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(19)

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Nashörner sind sehr aggressiv, wenn sie Junge haben. Implikatur: Unter anderen Bedingungen sind sie nicht aggressiv.

Dass die Konditionalverstärkung kein fester Bedeutungsbestandteil von wenn ist, zeigt sich an der Möglichkeit, auf wenn-Sätze mit der Frage „und wenn nicht?“ zu reagieren. Die Notwendigkeit, in bestimmten fachsprachlichen Kontexten einen Ausdruck für eine hinreichende und notwendige Bedingung zu haben, hat aber zur Bildung des phraseologischen Konditionalkonnektors gdw. (genau dann wenn) geführt.

4.1.2.3 Konjunktoranreicherung Der additive Konjunktor und lässt unterschiedliche Bedeutungsanreicherungen zu (s. C2.1.3.1.2), darunter auch Sequenz- und Kausalitätsinterpretationen. Diese werden in der Literatur mehrheitlich nicht als lexikalische Bedeutungsbestandteile, sondern als implikaturbasierte Anreicherungen beschrieben. In konkreten und-Verknüpfungen sind allerdings Tilgungen der Implikatur nicht immer möglich. Dies ist immer dann der Fall, wenn im linear ersten Konnekt Termausdrücke mit der semantischen Rolle eines effizierten Objekts auftreten und Existenzpräsuppositionen im zweiten Konnekt eine Vertauschung verhindern. (20a) (20b)

Der Nachbar baute einen Zaun und strich ihn grün. #Der Nachbar strich den Zaun grün und baute ihn.

Während und in seiner wörtlichen Bedeutung ein symmetrischer Konnektor ist, dessen Argumente auch vertauschbar sind, sind die „angereicherten“, nicht-wörtlichen Bedeutungen von und asymmetrisch. Die Abfolge der Konnekte gehört also bei bestimmten und-Verwendungen mit zu den Gebrauchsbedingungen. Wäre dies nicht der Fall, dann müsste eine Verknüpfung wie die folgende nämlich tautologisch sein. (21)

Der Steinadler-Nestling wurde nicht von dem größeren Nestling aus dem Nest geworfen und starb, sondern er starb und wurde vom größeren aus dem Nest gedrängt.

Hier zeigt sich, dass bei semantisch stark unterspezifizierten Konnektoren wie und Implikaturen obligatorisch ins Spiel kommen, um eine konkrete Äußerungsbedeutung zu erzeugen. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass bei der Beschreibung der Bedeutungen von Konnektoren eine rein wahrheitskonditionale Semantik zu kurz greift und Teilgebiete dessen, was in traditionellen Ansätzen in der Pragmatik beheimatet ist, für die Bedeutungsbeschreibung dieser Ausdrücke unabdingbar sind.

136

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Konstruktionen mit dem Konjunktor und lassen auch konditionale Interpretationen zu, wenn bestimmte Satzmoduseigenschaften gegeben sind (s. im Detail C2.1.3.1.2.3, C4.1.1.3.3). (22)

Geh noch einmal an meinen Schreibtisch und du kannst was erleben!

Mit (22) fordert der Sprecher keineswegs den Adressaten dazu auf, noch einmal an den Schreibtisch zu gehen, sondern der Hörer wird dies ganz im Gegenteil als Warnung verstehen, dies gefälligst zu unterlassen.

4.1.2.4 Anpassungen in der aspektuellen Charakteristik Viele temporale Konnektoren stellen lexikalisch spezifische Anforderungen an die aspektuelle Charakteristik ihrer Argumente. Werden diese nicht erfüllt, ist die Konnektorkonstruktion aber nicht in jedem Fall ungrammatisch, sondern vielfach greifen dann Interpretationen, bei denen eine „Aspektanpassung“ der Argumente vorgenommen wird. Diese Anpassungen folgen festen Mustern – etwa die Uminterpretation eines telischen Ereignisses zu einem iterativen im Kontext eines Konnektors, der ein atelisches Prädikat fordert (23a), oder eine telische Interpretation eines atelischen Prädikats im Kontext eines Konnektors, der für telische Prädikate spezifisch ist (23b). Aspektanpassungen dieser Art sind konventionalisiert; sie werden in A4.5.2 im Überblick dargeboten und in C1 für einzelne Temporalkonnektoren beschrieben. (23a) (23b)

Seit mir beim Bäcker einmal falsch herausgegeben wurde, zähle ich das Wechselgeld nach. (‚wiederholtes Nachzählen‘) Mike Tyson drosch auf seinen Gegner ein, bis der am Boden lag. (‚zu Boden ging‘)

Ulrich Hermann Waßner

A4.2 Faktivität Ein wesentliches Konzept, das zur semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen gebraucht wird und das der Klärung bedarf, ist das der Faktivität.

4.2.1 Charakterisierung der Faktivitätsdimension und ihrer Merkmalsausprägungen Faktivität ist die Dimension der sprachlich ausgedrückten Einschätzung durch den Sprecher, ob die gemeinte Proposition als wahr oder falsch anzusehen ist, m. a. W. ob der von einem Satz denotierte Sachverhalt in der textrelevanten Bezugswelt „der Fall“, „eine Tatsache“ ist. Bei Äußerungen, die Konnektoren enthalten, ist Faktivität bzw. der Faktivitätswert eine semantische Eigenschaft der Konnekte. Die Dimension der Faktivität (mit v!) kann (genau) drei Merkmalsausprägungen haben: Faktizität (mit z!), Kontrafaktizität und Nonfaktizität.  



1. Positive Faktivität: Faktizität „Faktisch“ ist ein Satz, wenn der Sprecher den denotierten Sachverhalt als definitiv gegeben, bestehend kennzeichnet und mit seinem Satz einen Wahrheitsanspruch erhebt. Der Urheber der Äußerung will mit ihr die (Überzeugung von der) Tatsachengeltung des durch die Satzstruktur denotierten Sachverhalts zum Ausdruck bringen, kurz: er unterstellt, dass p. Bei Äußerungen, die einen Konnektor enthalten, kommt mit „faktischen“ Konnekten die Unterstellung zum Ausdruck, „dass einer der von seinen Konnekten bezeichneten möglichen Sachverhalte in der Welt, die bei der Verwendung des Konnektors als Denotatbereich fungiert, ein Faktum [eine Tatsache] ist“ (HDK-1: 28). Faktizität liegt vor und kann explizit (quasi „sichtbar“) gemacht werden, wenn eine Paraphrase der Art Es ist/war (zu t0) sicher der Fall, dass p (gilt) möglich ist. In Er hat soeben bemerkt, dass es ja regnet. ist es regnet faktisch gemeint. 2. Negative Faktivität: Kontrafaktizität „Kontrafaktisch“ ist ein Satz, wenn der Sprecher den denotierten Sachverhalt als definitiv nicht bestehend kennzeichnet. Vielmehr wird das Gegenteil des denotierten Sachverhalts als tatsächlich bestehend behauptet, d. h. genau dann, wenn p kontrafaktisch ist, ist nicht-p faktisch, und umgekehrt. Faktizität und Kontrafaktizität ergeben sich aus einander durch innere, propositionale Negation, wie man auch am Paraphrasetest zeigen kann: Es ist sicher der Fall, dass p nicht gilt/dass nicht-p gilt. Insofern ist Kontrafaktizität auch eine Art der Faktizität. In Er bildet sich doch nur ein, dass es regnet. ist es regnet kontrafaktisch gemeint.  

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A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

3. Neutrale Faktivität: Nonfaktizität „Nonfaktisch“ ist ein Satz, wenn Offenheit bzgl. der Faktizität oder Kontrafaktizität des Ausgesagten besteht, der denotierte Sachverhalt als bloß erwogen gekennzeichnet wird. Die Faktizität ist „in Frage gestellt“, die Möglichkeit der Faktizität von p wird in Betracht gezogen, aber auch das Gegenteil (dass p kontrafaktisch bzw. nicht-p faktisch ist) nicht ausgeschlossen. Der Sprecher erhebt weder für p noch für nicht-p einen Wahrheitsanspruch. Wenn p nonfaktisch ist, ist auch nicht-p nonfaktisch, und umgekehrt. Die Testparaphrase für Nonfaktizität ergibt sich aus der für Faktizität durch äußere Negation (des Modalfaktors): Es ist nicht sicher der Fall, dass p gilt, und ebenso nicht, dass p nicht gilt bzw. dass nicht-p gilt. In Er hofft, dass es regnet. ist es regnet nonfaktisch gemeint. Im Dialog oder etwa im Redebericht kann der von einem anderen Sprecher erhobene Faktizitätsanspruch durch die Floskel Kann sein, kann nicht sein aufgehoben werden, die sprachlich diese Struktur der Nonfaktizität deutlich macht: (24)

„Die haben mir das Geld geradezu aufgedrängt“, verteidigt er sich. Kann sein, kann auch nicht sein: Jedenfalls ist mittlerweile davon nur noch ein Restchen von knapp acht Prozent auffindbar […]. (die tageszeitung, 21.02.1987, S. 7)  

Nonfaktizität ist „in sich“ skalar: „Innerhalb“ der Einstufung als nonfaktisch gibt es Grade, Abstufungen der Wahrscheinlichkeit von „nahe am Faktizitäts-Pol“ über „unentschieden“ hinsichtlich „ist der Fall“/„ist nicht der Fall“ bis zu „nahe am gegenteiligen Pol“ (vgl. Diewald 2000: 334, 335). Aussagen über die Zukunft z. B. können zwar – schon von der Sache her – nie faktisch oder kontrafaktisch sein (auch Wenn er doch morgen käme! heißt eben nicht, dass er mit Sicherheit nicht kommt), sondern sind stets nonfaktisch; aber von der Sprechereinstufung her mal näher (bei relativ sicher in der Zukunft stattfindenden Ereignissen: Immer wieder geht die Sonne auf (Präsens!), denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.), mal weniger nahe am FaktizitätsPol der Skala (Er wird wohl kaum noch kommen.). Diese Skalarität spielt aber bei der Bedeutung von Konnektoren offenkundig keine Rolle, kommt erst durch andere Faktoren ins Spiel; deswegen können wir uns hier auf die drei Werte beschränken. Diese allerdings müssen, wie sich zeigen wird, unterschieden werden; eine Dichotomie genügt nicht. Faktizität und Kontrafaktizität sind die zwei extremen Werte, die Pole einer Skala von Faktivitätswerten, alles dazwischen gehört zum Bereich der Nonfaktizität. Faktisch und kontrafaktisch bilden ein polares Gegensatzpaar, das den Gegenstandsbereich nicht exhaustiv umfasst. Durch Negation von Faktizität entsteht Kontrafaktizität und umgekehrt; Nonfaktizität bleibt auch bei Negation nonfaktisch. Die Werte faktisch – kontrafaktisch – nonfaktisch stehen paarweise in konträrer und – in Bezug auf die sprachlichen Größen, bei denen Faktivität überhaupt in Frage kommt – zusammen in dreistellig-kontradiktorischer Opposition zueinander.  

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A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Abb. A4-2: Die Werte der Faktivitätsdimension Exkurs: Behandlung der Faktivitätswerte in der Literatur, terminologische Alternativen Statt von nonfaktisch (nur erwogen, „angenommen“) ist häufig auch von potenziell oder hypothetisch (vgl. u. a. Eggs 2004) die Rede. Die drei Werte werden gerne in zwei zusammengefasst, und zwar auf unterschiedliche Weise und mit z. T. verwirrender Terminologie. Helbig/Buscha interessiert im gegebenen Zusammenhang (1999: 506) nur die Opposition faktisch [+ factiv]/nonfaktisch [– factiv]. Anders Fritz (2000): Er stellt die Faktizität (den „unbeschränkten Sprecherglauben“, die „uneingeschränkte epistemische Geltung der Äußerung“: „es ist so“) – als den gewissermaßen (von der sprachlichen Markierung her) neutralen Fall – der Nonfaktizität (alle Arten und Grade von Einschränkungen der Faktizität: „es kann/muss/… so sein“) gegenüber, dem „markierten“ Fall. Aus der äußeren Negation der Faktizität alleine (Es ist nicht sicher der Fall, dass p gilt) ergibt sich aber nicht das, was hier als nonfaktisch bezeichnet wird, sondern die Vereinigung davon mit der Kontrafaktizität. Eine so verstandene Nonfaktizität (in unserem Sinne: die Zusammenfassung von Non- und Kontrafaktizität) wäre das kontradiktorische Gegenteil zu faktisch. Verwirrend ist die Rede von einem Irrealis, da hier oft unklar bleibt, ob tatsächlich – wie das Wort eigentlich nahelegt – Kontrafaktizität (dann neben „Realis“ der „Potentialis“ als dritter im Bunde für die Nonfaktizität) oder doch „nur“ Nonfaktizität gemeint ist. Vgl. mit weiterer Literatur z. B. Eisenberg (2004: 427) sowie GDS (1744 ff.).  







4.2.2 Sprachliche Ausdrucksmittel für die Faktivitätswerte Der klassische Fall, an dem Faktivität untersucht wurde, sind die Komplementsätze von Sprechereinstellungsverben (ausgehend von Kiparsky/Kiparsky 1970). So ist es regnet in der Perspektive des berichtenden Sprechers bei Er wusste, dass es regnet faktisch (die Wahrheit des Satzes dass es regnet wird vorausgesetzt), bei Er glaubte, dass es regnet nonfaktisch und bei Er bildete sich ein, dass es regnet kontrafaktisch. Neben Verben induzieren auch z. B. Adverbien gewisse Faktivitätswerte, etwa glücklicherweise die Faktizität, angeblich oder vermutlich die Nonfaktizität. (Vgl. Helbig/Buscha 1999: 506 und z. B. Gaudino Fallegger 2005: 5 für das Analoge im Spanischen.) Zu „faktiven Verben“, Adverbien und dem Konjunktiv als „präsuppositionsauslösenden Momenten“ („Triggern“) sowie zu der Tatsache, dass ein Trigger nicht immer die erwartete Präsupposition auslöst, vgl. Zimmermann (2000: 70/71).  



Nun ist es nicht so, dass bestimmte dieser Verben einen gewissen Faktivitätswert notwendig determinieren; vielmehr hängt es stets von verschiedenen anderen Faktoren ab, welcher Faktivitätswert bei einer Äußerung in einem gegebenen Verwendungskontext tatsächlich vorliegt. Allerdings kann man doch gewissermaßen defaultmäßige Werte zuordnen. Vergleichbares gilt bei Konnektoren. Viele verlangen gewisse Faktivitätswerte. So ist Faktizität die „normale“ Lesart der Konnekte bei den meisten Arten von Sach-

140

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

verhaltsrelationen (kausal, temporal, additivbasiert …). Es gibt aber Kontextfaktoren, die die lexikalische Grundausstattung von Konnektoren hinsichtlich der Faktivitätsdimension überschreiben, indem sie z. B. das Polaritätsvorzeichen umdrehen. Kausalkonnektoren z. B. induzieren im Defaultfall Faktizität; dies kann durch sprachliche und andere Faktoren in konkreten Verwendungen zu Nonfaktizität abgeschwächt werden.  



(1) Nonfaktizität wird bewirkt durch den Komplementierer ob – er drückt Entscheidungsfrage (vgl. dazu HDK-1: 653), Ungewissheit, Zweifel aus, kurz Offenheit der Polarität der Proposition, zumindest kontrastiv zu dass (vgl. a. Lang 2002: 637) –; oder generell durch sprachliche Signale aus folgenden Gruppen: a) im logischen Sinn „hypothetische“ Modalisierung durch alle Arten von Modalia (konjunktivischer Verbmodus, epistemisch gebrauchte Modal(ad)verben, …). Jede Art solcher Modalisierung nimmt die Faktizität weg: Wenn etwas nur möglich ist, ist es nonfaktisch. „Nonfaktizität“ ist die Defaultlesart von Hypothesen/modalisierten Deklarativsätzen, sie dominiert den Einfluss von Konnektoren. Ein Beispiel aus HDK-1 (428): bei so (…), dass überschreibt ein Modalverb die an sich obligatorische Faktizität des so-Satzes. (Zu Modalverben als Ausdrücke für eine Faktizitätsbewertung vgl. z. B. Diewald 2000: 334 passim.) b) Markierungen als Satzmodustyp Satzfrage. „Nonfaktizität“ ist die Defaultlesart von Satzfragen, sie dominiert den Einfluss von Konnektoren. (Vgl. zu erfragten Kausalsätzen etwa Kang 1996; für ein konkretes Beispiel – sodass – wieder HDK-1: 428.) c) Zukunftsbezug mit einem oder mehreren von verschiedenartigen Mitteln (Futur-Tempus, Temporaladverb, …). d) alle Markierungen für Redebericht; diese dominieren in Bezug auf den berichtenden Sprecher immer das Vorkommen von in der berichteten Rede vorkommenden (also unter den Operator für Redebericht eingebetteten) Konnektoren, die eigentlich auf Faktizität hinweisen würden.  



Durch solche sprachlichen Signale können Konnekte von Konnektoren, die eigentlich Faktizität induzieren, nonfaktisch werden. (2) Kontrafaktizität wird induziert von Negationsausdrücken (nicht, kein, ohne etc.) und in Wortbedeutungen eingebauter (lexikalisch impliziter) Negation (verzichten ‚nicht tun‘, leugnen, verhindern etc.). Man beachte dabei, dass kontrafaktisch der „Satzrest“ nach Abzug des Negationsausdruckes bzw. des negierenden Bedeutungsaspektes ist (in Paul lernt nicht ist Paul lernt kontrafaktisch, in Er leugnet, dass er mich schon einmal gesehen hat (→ er hat mich noch nie gesehen) ist – vom Standpunkt des Berichteten aus – kontrafaktisch, dass er mich schon einmal gesehen hat). Ähnlich gilt in Weder p noch q die Kontrafaktizität mit Bezug auf p und q; analysiert man es mit der Aussagenlogik als ‚nicht p und nicht q‘, impliziert ‚und‘ für ‚nicht p‘ und ‚nicht q‘ natürlich gerade wieder Faktizität.  

141

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Durch diese sprachlichen Signale können Konnekte von Konnektoren, die Faktizität induzieren, auf den Wert „Kontrafaktizität“ gesetzt werden. (3) Faktizität liegt, wenn nichts anderes signalisiert wird, nahe, wenn sich die Aussage auf die Vergangenheit bezieht oder sich auf ein im Beobachtungsbereich des Sprechers liegendes Ereignis oder auf das von ihm kontrollierbare Innenleben bezieht u. ä. Sie ist Default-Lesart bei selbständigen (nicht-eingebetteten) „konstativen (also nicht-modalisierten!) Deklarativsätzen“8 im Indikativ mit Gegenwarts- oder vor allem Vergangenheitstempus und V2 (vgl. a. HDK-1: 410).  



Umgekehrt: Da Modalisierung – wie gesagt – stets Nonfaktizität signalisiert, kommt zum Ausdruck eines Faktizitätsanspruches nur der Indikativ als Verbmodus in Frage. Anders als in den anderen Fällen gibt es keine sprachlichen Mittel, durch die die Konnekte eines Konnektors, der Kontra- oder Nonfaktizität signalisiert, auf Faktizität gesetzt werden. Die Wirkung eines ohne dass etc. kann nicht aufgehoben werden. Scheinbare Ausnahmen erklären sich durch ex post facto-Veränderung des Faktivitätswertes, etwa durch Ausnutzung des disjunktiven Syllogismus, oder durch situative Zusatzfaktoren, wie im Falle des sogenannten „faktischen“ wenn (s. C4.1.2.3.2). Diese Kontextfaktoren können nun miteinander und mit Konnektoren auf spezifische Weise und mit ganz bestimmten Konsequenzen zusammenwirken. So reicht das Zusammenspiel gewisser – z. B. konditionaler – Konnektoren mit dem Konjunktiv II, Vergangenheits- oder Gegenwartsbezug und Abwesenheit eines Redebericht-Kontexts schon aus, um – und zwar auch ohne Weltwissen – Kontrafaktizität zu „erzeugen“: Aus Wenn das Fifi gestern geurzt hätte, wäre das Mimi gewauzt. schließt der Hörer zwingend, dass (nach Meinung des Sprechers) das Fifi gestern nicht geurzt hat und das Mimi nicht gewauzt war. Bei wenn + Konjunktiv II wird auch das externe Konnekt kontrafaktisch (25).  

(25)

Ich würde sofort auswandern, wenn ich die Knete hätte . (die tageszeitung, 07.02.1998, S. 31)  



Der Konjunktiv I dagegen scheint nur in Kombination mit ganz wenigen Konnektoren eine vergleichbare Wirkung zu haben, auch wieder nur, sofern er kein Signal für einen Redebericht ist. Sollten beide Kontrafaktizität induzierende Faktoren (Negation und Konjunktiv) bei Konnektoren vorhanden sein, so heben sie sich nach dem Gesetz der doppelten

8 Für Konstativausdrücke als Subsatzmodus der Deklarativausdrücke ist – wenn der Kontext nichts anderes verlangt – der epistemische Modus der ‚Tatsachenannahme‘ zu interpretieren, d. h. der Annahme, dass der vom Ausdruck bezeichnete Sachverhalt eine Tatsache ist. Formal weisen Konstativausdrücke auf der obersten Ebene ihrer hierarchisch-syntaktischen Struktur kein Adverbial des epistemischen Modus auf; vgl. HDK-1: 224.  

142

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Negation gegenseitig auf, vgl. (26): ‚die Polizeiaktion hat es gegeben, und Elke hat sich das Hakenkreuz eingeritzt‘. Anders jedoch bei substitutiven Konnektoren, die zwar signalisieren, dass eines der Konnekte kontrafaktisch ist, nicht aber festlegen, welches; dies muss durch einen Negationsausdruck o. ä. geschehen, und dieser hebt die von stattdessen etc. induzierte Negation eines, dann dieses Konnekts natürlich nicht wieder auf, vgl. (27): ‚die drei nahmen nicht teil, aber Schumacher formulierte Anträge‘.  

(26)

Diese Polizeiaktion hätte es aber nicht gegeben, wenn Elke sich das Hakenkreuz nicht eingeritzt hätte . (die tageszeitung, 18.01.1994, S. 4) Die drei Vorstandsmitglieder nahmen nicht mehr an den Sitzungen der zweiköpfigen Fraktion teil. Stattdessen formulierte Schumacher Anträge für die CDU-Fraktion. (die tageszeitung, 12.01.2004, S. 1; unwesentlich verändert)  



(27)



Bei den temporalen Subjunktoren bevor, bis und ehe z. B. ist die Tatsache, dass ein dem internen Konnekt hinzugefügtes nicht nichts an der Bedeutung ändert, ein Zeichen dafür, dass der vom internen Konnekt denotierte Sachverhalt als nonfaktisch angesehen wird (vgl. HDK-1: 413). Das fakultative nicht verdeutlicht allerdings offenkundig nur die Nonfaktizität, die auch so schon vorhanden ist. Vgl. a. zu ohne dass (wo übrigens Vergleichbares auch für den Konjunktiv II gilt: ohne dass es geregnet hat/hätte!) ebd. 415; ähnlich zu außer ebd. 603. Schließlich ist auf den Fall hinzuweisen, wo in ein Konnekt eines an sich z. B. Faktizität induzierenden Konnektors eine Konnektorkonstruktion eingebettet ist, die ihrerseits kontrafaktisch ist. Hier ist etwa der häufig vorkommenden Fall eines Kausalkonnektors zu nennen, dessen internes Konnekt eine offene oder verdeckte kontrafaktische wenn-Konstruktion enthält, also von Strukturen der Form p, weil[, wenn nicht-p wäre/sonst] q wäre oder auch nicht p, weil[, wenn p wäre,] wäre q, wie sie in folgenden Beispielen sichtbar werden bzw. explizitiert werden können:  



(28a)

Vor nicht allzu langer Zeit wurde in einer Zeitung sogar vorgeschlagen, daß die Israelis mit den Einwohnern Zyperns tauschen sollten, weil es von Vorteil wäre , wenn die Juden auf einer Insel leben würden , damit sie keine gemeinsame Grenze mit irgend jemand haben. (Der Spiegel, 07.03.1994, S. 193) Spöri erklärte, es wäre besser gewesen, das Vermittlungsgremium anzurufen, weil dann [= wenn man das getan hätte ] eine direkte Korrektur möglich gewesen wäre . (Mannheimer Morgen, 16.12.1995, o. S.) Die ist aber rechtlich nicht durchführbar, weil [wenn man sie durchführen würde ] nur 100 Mark erhoben werden könnten und weil sogar Einzelfahrscheine angerechnet werden müßten . Da würde in kürzester Zeit ein viel größerer Personalaufwand entstehen, als Einnahmen zu erwarten wären. (Mannheimer Morgen, 28.06.1991, o. S.)  





(28b)





(28c)











A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

143

Wie sehr die Zuordnung eines Faktivitätswerts eine Frage der eingenommenen Perspektive ist, zeigt der Fall der Einbettung von z. B. Kausalaussagen in einen Redebericht. Dadurch wird die Faktizität dann seitens des berichtenden Sprechers weggenommen; der berichtete Sprecher kann aber den Satz mit Faktizitätsanspruch formuliert haben. Z. B.:  



(29)

Das Statistische Bundesamt ortete sogar 1,2 Millionen leerstehender Wohnungen, was freilich die Mieterverbände als völligen Unsinn bezeichneten, weil mehrere hunderttausend leerstehende Wohnungen […] gar nicht mehr bewohnt werden könnten , bei anderen wiederum handle es sich um zeitweilige Leerstände wegen Mieterwechsels oder weil die Wohnungen zur Renovierung anstünden . (Mannheimer Morgen, 06.10.1995, o. S.)  







Hier haben die Mieterverbände höchstwahrscheinlich auf ihre Aussagen Faktizitätsanspruch erhoben; der Mannheimer Morgen bzw. sein Redakteur übernimmt diesen nicht. Exkurs: Faktivität und Evidentialität, illokutionäre Rolle, Modalität und Sprechereinstellung Faktivität ist von der nahe verwandten Kategorie der Evidentialität abzugrenzen, die in den letzten Jahren unter universalistisch-sprachtypologisch orientierten Linguisten zunehmend Beachtung fand. Mit den Evidentialia, den sprachlichen Mitteln zur Übermittlung dieser Kategorie, signalisiert der Sprecher die Quelle der Faktivitätsbewertung, wobei vor allem eigene Wahrnehmung, logisches Schließen und Hörensagen als Haupttypen genannt werden (grundlegend zur Klassifikation der Evidentialia Willett 1988, vgl. a. Faller 2001 sowie Diewald 2000: 336 f.; eine umfassende Monographie liegt in Aikhenvald 2004 vor). Die Art der Quelle hat Folgen für die Faktivität: Basiert die Aussage auf reinem Hörensagen, typisch im Redebericht, so kann die Faktivität nicht positiv (oder negativ) sein – nur Nonfaktizität kommt in Frage. Faktizität ist nicht identisch mit der „behauptenden Kraft“ Freges (vgl. vor allem 1986) bzw. der „assertiven illokutionären Rolle“ der Sprechakttheorie. Sie spielt auch bei nicht-behauptenden (sondern z. B. hypothesierenden, erfragenden, expressiven, …) Sprechakten bzw. eben gerade bei der Unterscheidung von behaupteten und nichtbehaupteten Teilsätzen eine Rolle. Faktivität ist aber auch nicht schlichtweg mit Modalität identisch – zum einen käme, wenn überhaupt, dann nur eine Art von Modalität (die sog. epistemische) in Frage, zum anderen sind Faktizität und Kontrafaktizität keine Modalitäten im engen Sinn; allerdings kommt ein Modell, das auch Affirmation und Negation als Grenzwerte unter die Wahrscheinlichkeitsmodalitäten rechnet, dem der Faktivität nahe, nur dass bei letzterer die Setzung durch einen berichtenden oder berichteten Sprecher noch wesentlich ist. Das wiederum legt nahe, Faktivität auf der Ebene der Sprechereinstellung anzusiedeln, und hier als die Skala der Glaubens-Einstellungen (eine Untergliederung der Sprechereinstellungsklasse „belief“: etwas mehr oder minder sicher für wahr oder für falsch halten) bzw. der mit der Äußerung mit kommende Faktizitätsanspruch (bei Tatsachenannehmen) usw. („Eine Faktizitätsannahme kann als epistemischer Modus einer Satzstruktur ausgedrückt werden“, HDK-1: 173) – gewissermaßen vollzogen, nicht berichtet. Zusammengefasst: Faktivität F bezieht sich auf die Proposition P (in Operatorschreibweise: F(P)) und liegt in einem Skopusmodell „innerhalb“ der illokutionären Rolle I (also I (F (P)). Negation kann sich auf alle Ebenen eines solchen Modells beziehen (NEG(I): Ich verspreche nicht, zu kommen; NEG(F/M): Es ist nicht wahrscheinlich/Ich glaube nicht, dass er kommt; NEG(P): Sie prophezeite, dass er nicht kommt); vgl. den o. g. Unterschied zwischen „äußerer“ und „innerer“ Negation.  





144

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Ein Faktivitätswert kann zwar durchaus explizit ausgesagt (assertiert) werden, also eigentlicher Inhalt der Aussage sein (wie etwa in Formulierungen, die unserer TestParaphrase entsprechen), wird in der Regel aber mitgeliefert, ist in diesem Sinn unterstellt (präsupponiert oder impliziert).9 Das Merkmal „Faktivität“ kann nur sprachlichen Größen mit „vollständigen“ Propositionen – bestimmt durch ihre Wahrheitswertfähigkeit – als Gehalt zugeschrieben werden, ist also auf bestimmte epistemische bzw. Satzmodi und Sprechakttypen beschränkt. Es kommt in Frage bei Aussagesätzen incl. Annahmen, bei Satzfragen, Exklamativsätzen10 (HDK-1: 210/212) sowie gewissen – traditionell gesprochen – Nebensätzen sowie auch bei gewissen Infinitivkonstruktionen (je nachdem ggf. induziert vom faktiven oder anderen Verb: Er bereute/freut sich/…, sie gesehen zu haben vs. Er glaubte/träumte/…, sie gesehen zu haben vs. Er gab vor/phantasierte davon, sie gesehen zu haben). Hier wird Faktivität vom Sprecher stets mitkommuniziert (vgl. Fritz 2000), sei es nebenher – zusätzlich zur eigentlichen „Aussage über die Welt“ –, sei es seinerseits als Fokus der Aussage, wie in unserer Test-Paraphrase. Keine Rolle spielt Faktivität einerseits bei sprachlichen Einheiten unterhalb der Satzebene (Einzelwörtern, Phrasen etc.), zum anderen bei Sätzen mit einem der anderen Satzmodi (vgl. HDK-1: B4.3, 206 f., 212 ff.).11 Diese sprachlichen Einheiten selbst sind ohne Faktivitätswert („a-faktisch“): Aufforderungen, bei denen es ja nicht um Wahrheit, sondern um das Befolgen geht, also gar keine Proposition vorliegt, ebenso wie z. B. W-Fragen, denen ja keine vollständige Proposition entspricht. Allerdings können sie gewisse Glückensbedingungen voraussetzen; diese wiederum können einen Faktivitätswert haben: So setzt eine Aufforderung voraus, dass sie nicht schon bekanntermaßen befolgt ist; die Aussage, dass sie befolgt ist, muss also nonfaktisch sein. (Diese vorausgesetzten Glückensbedingungen von Sprechakten gewissen Typs sind von den „ausgedrückten Präsuppositionen“ (vgl. HDK-1: 173), wie sie z. B. eine NP oder ein schon/noch in einem bestimmten Satz triggert, deutlich zu unterscheiden.) Auf ähnliche Art sind Existenzpräsuppositionen bei Namen und Beschreibungen in gewissem Sinn das Analogon zur Faktizität von Sachverhaltsbezeichnungen und durch entsprechende Aussagen explizitierbar. Um das zusammenfassend an einem einfachen, systematisch variierten sprachlichen Beispiel zu illustrieren:  







9 Faktizität etwa ist beim internen Konnekt von weil impliziert, bei dem von da präsupponiert. – Wenn es auf den Unterschied nicht ankommt, verwenden wir unterstellen als neutralen Überbegriff für implizieren und präsupponieren. 10 Vgl. HDK-1: 210. Faktisch: Hat der ein Glück! (→ Er hat Glück); kontrafaktisch: Wenn der wüsste! (→ Er weiß aber nicht). 11 Finitheit ist also weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines Faktivitätswertes.

145

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

a) b)

c)

d)

Es regnet. ist in Isolation (defaultmäßig) als faktisch zu lesen. Vgl. den Folgekontext Endlich. Das hat uns lange gefehlt. Wahrscheinlich regnet es/Es soll ja/könnte regnen hat dagegen als nonfaktisch zu gelten, ebenso Morgen regnet es/Es wird regnen, Regnet es?, Ob es wohl regnet? [Er fragte sich/Franz,] ob es regnet. [Er wusste,] ob es regnete. Angenommen es regnet …, [Wie man hört] soll es regnen; [Er behauptete (dass)] es regne(t)] und Wenn es regnet (bleibe ich zu Hause), Es regnet [oder es schneit]12, Egal ob es regnet [– wir bleiben sowieso zu Hause], [Sie impfen die Wolken mit Silberjodid,] damit es regnet. Kontrafaktisch sind zu lesen Es regnet nicht. (kontrafaktisch bzgl. der affirmativen Proposition Es regnet!) Wenn es geregnet hätte, wären wir zu Hause geblieben. [Er leugnete dass] es regnet. Als ob es regnete! [Es drohte] zu regnen. Außerhalb des Bereiches, den Faktivitätswerte erreichen, liegen a-faktische Ausdrücke wie Das Regnen/Der Regen [hat uns lange gefehlt]. Der Regen alleine hat nicht die notwendigen Eigenschaften, die erlauben, ihm einen Faktivitätswert zuzuordnen. Die in dem Satz jedoch vorliegende (faktische) Existenzpräsupposition wird verdeutlicht in Dass es regnet [hat uns lange gefehlt]. Analoges gilt für die W-Frage Wann regnet es denn endlich?, das ebenso eine Präsupposition „Derzeit regnet es nicht“ triggert wie Aufforderungen (Wolken, regnet ihn herab! Herr, lass es regnen!), die präsupponieren, dass es aktuell (noch) nicht regnet; die entsprechende Aussage Es regnet wird von ihnen also als kontrafaktisch vorausgesetzt. Der Faktivitätswert der (als Aussage- bzw. dass-Satz formulierten!) Präsupposition (Es ist der Fall, dass es nicht regnet) kann nicht als Faktivitätswert der Äußerung selbst angesehen werden.

4.2.3 Konnektoren und Faktivität Bestimmte Konnektoren induzieren, wie schon angedeutet, in einer Lesart gewisse Faktivitätswerte in einem oder beiden Konnekten. Der induzierte Wert hängt i. d. R. nicht direkt am Konnektor oder seiner Bedeutung, sondern an der Relation, die mit ihm in der konkreten Verwendung signalisiert wird. So gibt es durchaus Fälle von „faktischen“ wie auch von „kontrafaktischem“ wenn; wenn und soweit wenn aber die Konditionalrelation signalisiert, sind die Konnekte nonfaktisch.13 Außerdem kann, wie ausgeführt, der vom Konnektor induzierte Normalwert der Faktivität in den  



12 Das oder nimmt gewissermaßen nachträglich die Faktizität vom ersten Konnekt weg, s. C3. 13 Faktizität bzw. Nonfaktizität ergibt sich bei Konditionalen durch Schlussformen wie den modus ponens bzw. tollens, in deren einer Prämisse die von dem konditionalen Konnektor signalisierte nonfaktische Konditionalitätsrelation erhalten ist; die andere Prämisse, die das Ganze dann faktisch/ nonfaktisch macht, stammt aus anderen Quellen als dem Konnektor. D.h. das Konditionale an „kontrafaktischen Konditionalen“ „bleibt“ nonfaktisch.

146

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Konnekten von anderen sprachlichen Signalen überschrieben werden. Und schließlich kann ex post der Faktivitätswert verändert werden, etwa bei alternativebasierten Konnektoren nach dem Muster des disjunktiven Syllogismus; das ändert nichts daran, dass in dessen erster Prämisse in beiden Konnekten Nonfaktizität vorliegt. Mit diesen Einschränkungen können die Faktivitätswerte der Konnekte durchaus als beschreibendes Merkmal von semantischen Konnektorenklassen benutzt werden, wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich. Tab. A4-1: Die Verteilung der Faktivitätswerte bei den semantischen Konnektorenklassen (IK – Internes Konnekt, EK – Externes Konnekt; F – faktisch, NF – nonfaktisch, KF – kontrafaktisch, AF – a-faktisch. Die Zahlen in der linken Spalte entsprechen den Wahrheitswertverteilungen derjenigen unter den zehn echt binären aussagelogischen Relationen, die von der jeweiligen Hauptgruppe abgedeckt werden.) Hauptgruppe 1000 1101 1011

C1. temporale Konnektoren

Klasse

IK

EK

temporale Konnektoren (derweil, bevor, wonach etc.)

F

F

außer einer Lesart von bis, ehe, bevor

NF

F

und sooft

NF

NF

additive Konnektoren (und, sowohl … als auch, ferner etc.) (C2.1)

F

F

adversative Konnektoren (aber, während, wohingegen etc.) (C2.3) komitative Konnektoren (dabei, wobei, indem) (C2.4) 1000 0100 0010 0001

1110 0110 0111

C2. additiv basierte Konnektoren

C3. alternativebasierte Konnektoren

negationsinduzierende additive Konnektoren (C2.2)

negativ-additive KonnekKF toren (weder … noch, geschweige (denn)) (C2.2.3)

KF

korrektive Konnektoren F (sondern, vielmehr) (C2.2.4)

KF

substitutive Konnektoren (statt, anstatt dass, stattdessen etc.) (C2.2.5)

KF

der negativ-komitative Konnektor ohne dass (C2.2.6)

KF

F

alternativebasierte Konnektoren (oder, entweder … oder, beziehungsweise etc.)

NF

NF

F

F oder KF

147

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Hauptgruppe

Klasse

IK

EK

konditionale Konnektoren (wenn, angenommen dass, gesetzt den Fall etc.) (C4.1)

NF

NF

F

F

NF

F

irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren (eh, ohnehin, sowieso etc.) (C4.4)

F

NF

metakommunikative Konnektoren (d. h., beispielsweise, besser gesagt etc.)

AF

AF

negativ-konditionale Konnektoren (es sei denn, sonst, andernfalls etc.) (C4.6) kausale Konnektoren i. w. S. (weil, deshalb, also etc.) (C4.2)  

1011 1101 1001

C4. konditional basierte Konnektoren



konzessive Konnektoren (trotzdem, obwohl, wo etc.) (C4.3) instrumentale Konnektoren (dadurch dass, indem, wobei etc.) (C4.5.4) finale Konnektoren (damit, damit dass, auf dass) (C4.5.1) irrelevanzkonditionale Subjunktoren (auch/selbst/ sogar/und wenn) und Einzelgänger (ob, sei es, wie auch immer etc.) (C4.4)

C5. metakommunikative Konnektoren



Wir haben also zusammenfassend folgende Fälle zu unterscheiden: a) Die Konnektoren der meisten Klassen unterstellen, dass die von beiden Konnekten denotierten Sachverhalte Fakten sind. Das ist bei der ersten Großgruppe, die Relationen auf der Grundlage der aussagenlogischen Konjunktion umfasst, auch so zu erwarten. b) Die Ausnahme unter den additiv basierten bilden, da die Negation von Faktizität ausgehend zu Kontrafaktizität führt, die „negationsinduzierenden“14 Konnektoren, die Kontrafaktizität eines oder beider Konnekte unterstellen. (Im oben dargelegten Sinn bleiben wir damit aber erwartungsgemäß im Bereich der Faktizität.) – Einen besonderen Fall stellen die substitutiven Konnektoren dar: Bei ihnen ist nicht festgelegt, ob das interne Konnekt faktisch, das externe kontrafaktisch ist oder umgekehrt; beides kommt vor, möglich ist aber nur diese Verteilung – ein Konnekt faktisch, das andere kontrafaktisch.

14 Dieses „Induzieren“ kann schon in der Bedeutung des Konnektors selbst stecken und ohne weitere Hilfsmittel zustande kommen (statt dass), aber auch dadurch, dass der Konnektor einen faktizitätsaufhebenden Ausdruck in seiner Umgebung fordert (geschweige (denn)) (s. näher C2.2).

148

c)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

„Nonfaktizität“ ist die Defaultlesart beider Konnekte in alternativebasierte („disjunktiven“) und konditionalen Relationen, auch wieder aufgrund der aussagenlogischen Entsprechung so erwartbar. Da nonfaktische Konnekte auch unter Negation nonfaktisch bleiben, gehören wie zu erwarten auch die „negationsinduzierenden“ Konnektoren unter den konditionalen (‚wenn nicht‘) in dieser Gruppe. – Die finale und die irrelevanzkonditionale Relation haben ein faktisches und ein nonfaktisches Relatum: bei den finalen ist das K ONSEQUENS (das das Z IEL , den Z WECK bezeichnende Konnekt) nonfaktisch, NT EZEDENS , die irrelevante B EDINGUNG . bei den irrelevanzkonditionalen das A NTEZEDENS In beiden Fällen ist die Verteilung von Faktizität und Nonfaktizität unabhängig davon, welches der beiden Relata internes, welches externes Konnekt ist: Die Zuordnung von Faktizität bzw. Nonfaktizität ergibt sich über die jeweilige semantische Rollen des Arguments. Das heißt, Irrelevanzkonditionale müssen unter diesem Kriterium auf zwei Unterklassen verteilt werden, je nachdem, welche Rolle einmal das interne, einmal das externe Konnekt übernimmt. – Welche weiteren Konnektoren eine Verteilung mit NF haben, ist der Tabelle zu entnehmen.

Wie man daran und auch an der Tatsache sieht, dass die Faktivitätswertverteilungen alles andere als 1:1 den semantischen Konnektorenklassen zugeordnet werden können, ist die Faktivitätsdimension nicht als Kriterium für die semantische Grundklassifikation der Konnektoren geeignet (vgl. B). Als Differenzparameter innerhalb einer semantischen Konnektorenklasse kommt Faktivität mit seinen Werten so gut wie nicht vor: Es gibt z. B. nicht finale Konnektoren, die Faktizität induzieren, und andere, die das nicht bzw. etwas anderes tun. Nur bei den temporalen finden sich Ausnahmen von der Tendenz der Gesamtklasse, und bei den Irrelevanzkonditionalen korreliert die Verteilung der Faktivitätswerte auf IK und EK wie dargestellt über die Rollenzuordnung mit den syntaktischen Konnektorenklassen. Der Faktivitätswert kann schließlich in manchen Fällen ein Hilfsmittel zur semantischen Differenzierung, zur Disambiguierung von Konnektor-Lesarten sein. Als einschlägiges Indiz dient er z. B. der Unterscheidung von temporalem (außer bei Zukunftsbezug!) und konditionalem wenn; alternativebasiertem und korrektivem oder.  



Eva Breindl

A4.3 Informationsstruktur und Linearstruktur Mit der Kodierung der Informationsstruktur einer Äußerung nimmt ein Sprecher Rücksicht auf die Einbettung seiner Äußerung in den Kontext und auf den jeweils aktuellen Wissensstand von Sprecher und Hörer. Für Konnektoren besteht dieser Kontext in den Konnekten selbst und im weiteren Kontext, in den die gesamte Konnektorkonstruktion angesiedelt ist. In Konnektorkonstruktionen interagiert die Dimension der Informationsstruktur auf vielfältige Weise mit anderen Dimensionen. Sie hat Schnittstellen (i) mit der syntaktischen Subklassenzugehörigkeit der Konnektoren, insofern, wie in HDK-1 in der Merkmalsmatrix festgehalten (vgl. HDK-1: 482 f.), einige syntaktische Subklassen Restriktionen in Bezug auf die informationsstrukturelle Ausgestaltung ihrer Konnekte haben (s. A1.1). (ii) mit den idiosynkratischen lexikalischen Eigenschaften von Konnektoren: Informationsstruktur kann damit als lexikalischer Differenzparameter genutzt werden, mit dessen Hilfe Minimalpaare von Konnektoren einer semantischen Klasse oder Minimalpaare von verschiedenen Bedeutungen eines mehrdeutigen Konnektors voneinander unterschieden werden können. Für die Sprachproduktion heißt das, dass die Auswahl aus dem Konnektoreninventar einer semantischen Klasse auch durch den Diskurskontext begrenzt wird. Die Schnittstelle zur Lexik behandeln wir in A4.3.2. (iii) mit der Linearstruktur von Konnektorkonstruktionen, insofern bestimmte topologische Positionen der Adverbkonnektoren und bestimmte Konnektabfolgen bei konjunktionalen Konnektoren regelmäßig oder mit hoher Gebrauchsfrequenz mit einer bestimmten informationsstrukturellen Ausgestaltung der Konnekte und damit mit reduzierter Kontextvariabilität verbunden sind. Auf diese Zusammenhänge gehen wir in A4.3.3 genauer ein. (iv) mit der Bedeutungsstruktur von Konnektorkonstruktionen, insofern a) semantisch verwandte Relationen sich in Hinblick auf das, was der Sprecher mit ihnen als Zentrum der Mitteilung herausstellen möchte, unterscheiden können. In diesem Parameter unterscheiden sich in der Regel konverse Relationen wie kausal vs. konsekutiv (s. C.4.2.1.1); b) sowohl symmetrische als auch asymmetrische semantische Relationen eine Tendenz zur Isomorphie zwischen syntaktischer Struktur und informationsstruktureller Gewichtung zeigen. Abweichungen führen dann häufig zu speziellen, mitunter nicht-kompositionalen Interpretationen wie etwa im Fall der asymmetrischen und-Koordination (s. C2.1.3.1.2, C4.1.1.3.3). (v) mit der prosodischen Struktur von Konnektorkonstruktionen, insofern a) Konnektoren sich aufgrund ihrer lexikalischen Eigenschaften darin unterscheiden, ob sie den Satzakzent tragen und Zentrum der Mitteilung sein können;  

150

(vi)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

b) die prosodische Realisierung von Konnektorkonstruktionen nur zu einem kleineren Teil durch die syntaktische Struktur (vor allem die syntaktische Klassenzugehörigkeit des Konnektors) bestimmt wird, vielmehr in weit stärkerem Maße – insbesondere bei Adverbkonnektoren – durch die Einbettung der Konstruktion in den weiteren Diskurskontext über die Konnekte hinaus. Für die Sprachrezeption heißt das, dass sich aus der prosodischen Struktur Rückschlüsse auf den informationsstrukturellen Status von Ausdruckseinheiten ziehen lassen. mit der Diskursstruktur von Konnektorkonstruktionen, insofern a) die informationsstrukturelle Opposition von Fokus vs. Hintergrund (mit den daran festzumachenden formalen Unterschieden) auch damit zu tun hat, was ein Sprecher im Diskurs dem Hörer als gegebene, nicht mehr weiter zur Disposition stehende Information in einer Konnektorkonstruktion präsentiert und was er als neue, diskutable Information präsentieren möchte; b) es Konnektoren gibt, die lexikalisch dafür spezifiziert sind, ob die in ihrem internen Konnekt gegebene Information von hoher oder geringer Relevanz für die Weiterentwicklung des Diskurses ist, die also mit den Mitteln der Lexik signalisieren, ob ihr internes Konnekt zur Beantwortung der Hauptfrage des Texts (der Quaestio) beiträgt oder nur eine Nebensequenz eröffnet; c) Konnektoren daran beteiligt sind, in einem Diskurs dem Hörer zu signalisieren, dass es Alternativen zu einem bestimmten Sachverhalt bzw. Partizipanten in einem Sachverhalt gibt.

Die Andeutungen zeigen bereits, dass die Dimension der Informationsstruktur mit den anderen Strukturebenen der Sprache ein komplexes Strukturgeflecht mit wechselseitigen Abhängigkeiten darstellt, in dem keineswegs immer eine Gerichtetheit eines Einflusses auszumachen ist. So restringiert z. B. einerseits das Auftreten eines bestimmten Konnektors die informationsstrukturelle Ausgestaltung seiner Umgebung. Andererseits wählt ein Sprecher in einem bestimmten Kontext vielleicht gerade deshalb einen bestimmten Konnektor, oder, spezifischer, eine bestimmte topologische und prosodische Variante einer Konnektorkonstruktion aus, weil dieser Konnektor bzw. diese Konstruktionsvariante die Erfordernisse des gegebenen Diskurskontexts am besten erfüllt.  

4.3.1 Konzepte für die Beschreibung der Informationsstruktur von Konnektorkonstruktionen Die informationsstrukturellen Eigenschaften von Konnektorkonstruktionen können zu weiten Teilen als Gliederung eines Ausdrucks in Fokus (F) und Hintergrund (HG) beschrieben werden. Besondere Funktionen der Adverbkonnektoren lassen sich je-

151

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

doch nur unter Verwendung eines zusätzlichen Begriffspaars, nämlich Topik und Kommentar, angemessen erfassen.

4.3.1.1 Fokus und Hintergrund Die Gliederung eines komplexen Ausdrucks in Einheiten, deren Charakteristik durch die Art der Kontexteinbettung dieses Ausdrucks bestimmt wird, wurde in HDK-1 – in weitestgehendem Einklang mit der aktuellen Forschung15 – mit den Konzepten (informationsstruktureller) Fokus und (informationsstruktureller) Hintergrund beschrieben (vgl. insbes. HDK-1: B3.3, 120 ff.). Der Fokus signalisiert dem Hörer, dass es zur Bedeutung des Fokusausdrucks bzw. des durch die Fokusprojektion abgesteckten fokalen Bereichs Alternativen gibt, mit deren Bedeutung die Bedeutung des Fokusausdrucks kontrastiert wird und die der Sprecher als im aktuellen Kontext nicht geltend ausschließt.  

„Wir verstehen im Folgenden unter dem Fokus eines Propositionsausdrucks einen Anteil an dessen Bedeutung, der mit einer anderen denkbaren, d. h. alternativen, mentalen Einheit bei seiner Verwendung kontrastiert. Verkürzt bezeichnen wir mit „Fokus“ auch, wie dies in der Literatur üblich ist, den Ausdruck für einen Fokus in dem genannten Sinne. Dabei kann die alternative mentale Einheit auch im nichtsprachlichen Kontext der Ausdrucksäußerung liegen“ (HDK-1: 123).  

Gleichzeitig spezifizieren fokale Anteile an der Äußerungsbedeutung des Satzes eine Antwort auf das oder eine Stellungnahme zu dem, was aus Diskursperspektive die Problemstellung oder „Quaestio“ eines Diskursabschnitts ist (vgl. Klein/von Stutterheim 1987, von Stutterheim 1996, 1997). Die Stellungnahme wird ihrerseits im Diskurs zur Diskussion gestellt und der Gesprächspartner kann sich direkt auf sie (z. B. mit einer Satzanapher wie das) beziehen. Die Ausdrücke des Hintergrundbereichs präsentiert der Sprecher dagegen als etwas, dessen Existenz oder Geltung er im aktuellen Diskurskontext für vorausgesetzt, kontextuell gegeben, selbstverständlich, evident, inferierbar o. ä. und nicht zur Disposition stehend verstanden wissen will (vgl. Uhmann 1991: 1). Die Fokus-Hintergrund-Gliederung wird im Deutschen16 formal vor allem über die prosodische Struktur, insbesondere über Akzent und Tonhöhenverlauf, kodiert; fer 



15 Das Unterfangen, einen Forschungsüberblick zum Thema Informationsstruktur zu geben, ist nicht nur aufgrund der schieren Masse der Literatur eine Sisyphosarbeit, das Haupthindernis ist vielmehr das in diesem Bereich herrschende terminologische Chaos. Klassiker sind Daneš (1974) und Chafe (1976). Aktuelle Überblicke geben Krifka (2007) und Musan (2010). Speziell zu Konnektoren vgl. Lang (2004). Einschlägig für die moderne alternativensemantische Fokustheorie ist Rooth (1985, 1992). Eine Begriffsgeschichte, besser gesagt, eine Geschichte der Begriffsverwirrung, bietet Musan (2002a). 16 Einen knappen Überblick über die Kodierungsmittel in anderen Sprachen gibt Musan (2010, Kap. 8). Vgl. ferner Erteschik-Shir (2007), Féry/Krifka (2008) und Krifka/Musan (Hg.) (2012).  

152

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

ner tragen spezielle Konstruktionen (Herausstellungsstrukturen, Cleftsätze, Korrelatkonstruktionen) und die Wortstellung zu ihrer Kodierung bei. Eine eher untergeordnete Rolle spielt die lexikalische Markierung, worauf aber unter anderem auch einige Konnektoren spezialisiert sind (s. C5.5). Der „Fokusexponent“ innerhalb des fokalen Bereichs trägt auf seiner Wortakzentsilbe den Hauptakzent des Satzes, der deshalb als Satzakzent bezeichnet wird. In einem einfachen Satz können in der Regel alle propositionalen und zum Wahrheitswert beitragenden Ausdrücke durch geeignete Kontexte fokussiert werden. Um die Variabilität der Fokus-Hintergrund-Gliederung eines Satzes zu ermitteln, muss man also nur die Kontextumgebung variieren. Dazu benutzt man üblicherweise einen Frage-Test mit wechselnden w-Variablen, mit denen man steuern kann, was in der Antwort der Fokus sein soll, denn die erfragte Konstituente liefert genau die kontrastierende, fokale Information, während der Rest des Frageausdrucks in der Antwort als Hintergrund fungiert. Die informationsstrukturelle Variation eines Satzes mit Hilfe von w-Fragen findet sich schon bei Paul (1880/1960: 283) mit dem Beispielsatz (30): (30) (30a) (30b)

(30c) (30d)

Karl fährt morgen nach Berlin. Wer fährt morgen nach Berlin? KARL fährt morgen nach Berlin. (Und nicht Anton, Berta oder Friedrich …) Wann fährt Karl nach Berlin? Karl fährt MORgen nach Berlin. (Und nicht heute, nächste Woche oder gestern …) Wie reist Karl morgen nach Berlin? Karl FÄHRT morgen nach Berlin. (Und reitet nicht oder geht nicht zu Fuß …) Wohin fährt Karl morgen? Karl fährt morgen nach BerLIN. (Und nicht nach Potsdam, Dresden oder Görlitz …)

Die vier Variationen repräsentieren Beispiele mit engem Fokus, bei dem über den Fokusexponenten hinaus keine weiteren Ausdrücke zum fokalen Bereich gehören. (30d) ist ambig; es erlaubt als einzige der vier Varianten neben dem engen Fokus auch „Fokusprojektion“ (weiten Fokus) und liefert deshalb auch passende Antworten auf weitere, allgemeinere Fragen: (30e)

(30f)

Was macht Karl morgen?/Was ist denn mit Karl los? Karl fährt morgen nach BerLIN. (Und bleibt nicht zu Hause oder geht ins Büro oder schwimmt in der Elbe …) Warum bist du so hektisch?/Was ist denn los? Karl fährt morgen nach BerLIN. (Und der Grund meiner Hektik ist nicht, dass ich verreise oder dass die Kinder Ärger machen oder dass der Wetterbericht Sturm angekündigt hat …)

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

153

Die „Regeln der Fokusprojektion“, die zwischen Akzentplatzierung und Reichweite des Fokus im einfachen Satz vermitteln, wurden in HDK-1 (132 ff.) unter Bezug auf die einschlägige Literatur dargelegt und werden hier nicht weiter thematisiert.17 Nicht propositionale Teile wie Ausdrücke der epistemischen Einstellung (31) oder Ausdrücke, die sich auf die Form beziehen (32), können allenfalls mit einer Echofrage (B in 31b) oder in einer (dialogisch eingebetteten) Korrekturkonstruktion (B in (31c) und (32)) fokussiert werden, in der ein Sprecher einen Ausdruck seines Gesprächspartners als unpassend zurückweist.  

(31a) (31b) (31c)

(32)

*Karl fährt LEIder morgen nach Berlin. A: Karl fährt leider morgen nach Berlin. B: Wie bitte? Karl fährt LEIder nach Berlin? A: Karl fährt leider morgen nach Berlin. B: Na sei doch froh, dass du die Nervensäge mal einen Tag los bist. Karl fährt nicht LEIder nach Berlin, sondern gottseiDANK A: Der TeNOR seiner ganzen Klagen war, dass ich mich nicht genug um ihn kümmere. B: Das war nicht der TeNOR seiner ganzen Klagen, sondern der TEnor.

Die mit Konnektoren gebildeten Konstruktionen können auf die gleiche Weise wie einfache Sätze in Bezug auf ihr informationsstrukturelles Potential getestet werden. Dazu werden durch entsprechende Kontexteinbettungen oder geeignete w-Fragen separat das interne Konnekt, das externe Konnekt und der Konnektor fokussiert. Da man hier zu Testzwecken mit dem Hintergrundbereich meist einen gesamten Teilsatz (oder im Falle von alleiniger Konnektorfokussierung sogar beide Teilsätze) in der Antwort wiederholt, ergeben sich Strukturen, die kommunikativ ein wenig gekünstelt wirken – in natürlicher Kommunikation würde man in diesem Kontext zu Satzanaphern oder Ellipsen greifen –, die aber nichtsdestotrotz ihren Zweck in Hinblick auf die Informationsstruktur erfüllen. Konnektorkonstruktionen unterscheiden sich im Variationsspektrum ihrer möglichen Fokus-Hintergrund-Gliederungen in dreierlei Hinsicht: (i) ±Fokussierbarkeit des Konnektors Generell sind Konnektoren selbst „schlechte“ Fokusträger, da von ihnen keine Fokusprojektion ausgehen kann, sie also bestenfalls eng fokussiert werden können. Bei einem fokussierten konjunktionalen (nicht konnektintegrierbaren) Konnektor kann nur die Relation selbst eng fokussiert werden. Das ist entweder in einer direkten Kontrastierung und Korrektur von Relationsausdrücken selbst (33a, b) möglich oder

17 Klassiker zur Fokusprojektion sind Bolinger (1972), Selkirk (1984), Uhmann (1991), ferner Büring (2006).

154

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

in einer dem Verum-Fokus18 vergleichbaren Funktion, nämlich der Kontrastierung des Zutreffens einer Relation gegen ihr nicht-Zutreffen (33c), womit immer eine affirmative Funktion verbunden ist. In (33c) bringt Sprecher A mit der Fokussierung des konditionalen Subjunktors wenn zum Ausdruck, dass er – gegen die Beschwichtigungsversuche seines Gesprächspartners – auf der Möglichkeit des Eintreffens des in der Bedingung genannten Sachverhalts beharrt und deshalb die Diskussion über die Folge aus dieser Bedingung für relevant hält. (33a)

Jeanne d’Arc siegte nicht, so Coudenhove, obWOHL sie eine Frau war, sondern WEIL sie eine Frau war! (Die Presse, 07.11.1996, o. S.) Sie haben nicht geheiratet, beVOR das Kind kam, sondern nachDEM es schon auf der Welt war. A: Was soll ich machen, wenn jetzt das Benzin ausgeht? B: Ach was, die Tankfüllung reicht noch ewig! A: Ja, aber WENN es ausgeht …  

(33b) (33c)

Adverbkonnektoren können keine projizierenden Fokusexponenten sein, weil die durch sie denotierten Adverbialia keine Komplemente sind und folglich in der syntaktischen Struktur kein verbnahes (internes) Argument des Verbs repräsentieren. Nur solche aber sind im Regelfall „gute“ Fokusexponenten wie etwa das valenzgeforderte Direktionaladverbial nach Berlin in (30), das interne Argument zu fahren. Hinzu kommt, dass Adverbkonnektoren aufgrund ihrer nach links anknüpfenden Funktion immer auf etwas Bezug nehmen, was bereits vorerwähnt ist (im Fall der Pronominaladverbien manifestiert sich dies auch in der phorischen Komponente), und die Fokussierung einer vorerwähnten Entität verlangt einen ziemlich speziellen Kontext und funktioniert schlecht mit dem w-Frage-Test, der fokale und neue Information erfragt (34b).19 Weiter Fokus bzw. Maximalfokus wie in (30e, f) ist aber ausgeschlossen, wie (34b) und (34c) zeigen.

18 Mit einem Verum-Fokus (Höhle 1982) wird der Wahrheitswert einer Aussage betont, indem das finite Verb den Satzakzent erhält (Aber ich BIN Lehrer). Die gleiche Funktion hat die Platzierung des Hauptakzents auf einem affirmativen Adverb (Ich bin in der TAT/allerDINGS Lehrer) (vgl. Breindl 2003). 19 In den meisten Fällen ist fokussierte Information auch neue Information und Hintergrundmaterial ist bekannte Information. Es herrscht heute aber Konsens darin, dass die Dimension von Fokus und Hintergrund unabhängig ist von der Dimension Neu und Bekannt (New vs. Given). Fokales Material kann vorerwähnt sein, (i) A: Fährt Karl morgen nach Potsdam oder nach Berlin? B: [Karl fährt morgen nach]HG [BerLIN]F. (ii) A: Fährt Karl morgen nach Berlin und Potsdam? B: Nein, [Karl fährt morgen nur nach]HG [BerLIN]F. und nicht vorerwähnte Information kann vom Sprecher als zum Hintergrundbereich gehörend ausgewiesen werden:

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(34) (34a)

(34b) (34c)

155

Eine große Berliner Versicherung hat Karl zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Karl fährt deshalb morgen nach Berlin. Karl fährt wahrscheinlich wegen des VORstellungsgesprächs morgen nach Berlin, stimmt’s? Ja, Karl fährt DEShalb morgen nach Berlin. A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: #Karl fährt DEShalb morgen nach Berlin.20 Was macht Karl morgen?/Was ist denn mit Karl los?/Warum bist du so hektisch?/Was ist denn los? #Karl fährt morgen DEShalb nach Berlin.

Ob ein Konnektor kontrastiv (eng) fokussierbar ist oder nicht, hängt weniger von seiner syntaktischen als von seiner semantischen Subklassenzugehörigkeit ab.21 Voraussetzung für Fokussierbarkeit ist das Vorliegen eines plausiblen Kontrastes zu der vom Konnektor ausgedrückten Relation. Das ist etwa der Fall bei positionellen (Zeitpunkt spezifizierenden) Temporalkonnektoren, die sich in einem Differenzmerkmal Vorzeitigkeit – Nachzeitigkeit unterscheiden, wie die Subjunktoren bevor und nachdem in (33b). Engen Fokus erlauben ferner viele additive Konnektoren (und, auch, außerdem, obendrein …): Die durch den Fokus eröffnete Alternative ist hier eine disjunktive Relation, das Nichtzutreffen des Koordinationsrahmens auf beide Koordinate.

(iii)

Wohin fährt Karl morgen? [Statt wie ursprünglich geplant nach Potsdam fährt Karl morgen nach]HG [BerLIN]F. Für die Beschreibung der Interaktion von Form (Prosodie, Linearstruktur) und Informationsstruktur erweist sich die Dimension Fokus-Hintergrund als geeigneter als die von Neu und Bekannt. 20 Eine scheinbare Ausnahme sind Sequenzen wie (i) A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: DEShalb. In diesem Fall ist aber deshalb nicht anaphorisch auf einen im Vortext verbalisierten Sachverhalt bezogen, sondern hat gerade den informationsstrukturellen Status einer fokussierten, neuen Information, eines fokalen weil-Satzes. Da deshalb aber aufgrund seiner proadverbialen Form gleichzeitig inhaltlich „leer“ ist, kann der Hörer über eine konversationelle Implikatur daraus folgern, dass der Sprecher ihm keinen weiteren Grund angeben möchte. 21 Dagegen postuliert Blühdorn (2011.: 276 f.), alle „regierenden Konnektoren“ (worunter er Subjunktoren, Postponierer, Konjunktoren und auch Präpositionen zählt) seien auch fokussierbar. Es bleibt allerdings unklar, wie im Rahmen einer alternativensemantischen Fokustheorie, wie sie auch Blühdorn zugrunde legt, eine deduktive Beweisführung für eine auf die syntaktischen Eigenschaften abzielende These erfolgen könnte. Rein datenbezogen ist die These leicht zu falsifizieren, wenn man ein etwas breiteres Inventar von konjunktionalen Konnektoren als die bei Blühdorn im entsprechenden Abschnitt angeführten in den Blick nimmt: Schwerlich fokussierbar sind z. B. komplexe Subjunktoren mit dass (ungeachtet dessen (…) dass, angesichts dessen, (…) dass, statt dass), das begründende dass selbst (Bist du krank, dass du so rote Backen hast), konsekutive Postponierer (weshalb, sodass, dass wie in Er knallt die Tür zu, dass der Putz bröckelt), adversative Postponierer und Subjunktoren (wogegen, während), der komitative Postponierer wobei, temporales worauf und woraufhin usw. Voraussetzung ist natürlich, dass man rein formbezogene Fokussierungskontexte wie in Echofragen ausschließt.  



156

(35a) (35b)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

A: Hast du die Blumen gedüngt oder hast du sie bloß gegossen? B. Ich hab die Blumen gegossen UND ich hab sie gedüngt.

Auf lexikalisch bedingte Restriktionen in der Fokussierbarkeit gehen wir im Detail in A4.3.2 ein. (ii)

Integrierte Fokus-Hintergrund-Gliederung der Konnektorkonstruktion möglich vs. obligatorisch separate Fokus-Hintergrund-Gliederungen der Konnekte Integrierte Fokus-Hintergrund-Gliederungen bilden informationsstrukturell komplexe Strukturen, in denen zwar jeder Teilsatz für sich genommen selbst nach Fokus und Hintergrund gegliedert ist, ein Teilsatz aber in der Gesamtkonstruktion als Hintergrund zum fokalen Rest des komplexen Satzes fungieren kann oder umgekehrt als Fokus vor dem Hintergrund des anderen Teilsatzes. (36)

(36a)

Wie geht’s Karl? [Karl]HG [fährt morgen nach BerLIN.]F [Karl]HG [ist zu einem VORstellungsgespräch eingeladen.]F A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: [Karl fährt morgen nach BerLIN, weil]HG [er zu einem VOR stellungsgespräch eingeladen ist.]F A: Ich habe gehört, Karl ist zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. B: Stimmt. [Karl fährt morgen nach Ber LIN ]F, [weil er zu einem VORstellungsgespräch eingeladen ist.]HG  



(36b)









Die Beispiele zeigen, dass Fokus-Hintergrund-Gliederungen relativ sind. So wäre etwa in einem Diskurskontext, in dem über einen längeren Abschnitt hinweg von Karl die Rede ist, in (36a) Karl weiter im Hintergrund als fährt morgen nach Berlin, beides aber ist wiederum Hintergrund für den fokalen Teilsatz. Die Fokusakzente derjenigen Teilsätze, die in der komplexen Konstruktion den Hintergrund bilden, werden dabei „herabgestuft“ zu einem Nebenakzent.22 Den Hauptakzent der Konstruktion trägt der

22 In diskurssemantischen Ansätzen zur Informationsstruktur (etwa in Lambrecht 1994) wird unterschiedlichen Stufen von „Hintergrundhaftigkeit“ im informationsstrukturellen Status von Diskursreferenten durch eine feinkörnigere Untergliederung Rechnung getragen. Diskursreferenten sind entweder nicht identifizierbar, also im Wissen des Hörers nicht repräsentiert, oder sie sind identifizierbar. Identifizierbare Referenten können nicht aktiviert sein (nur im Langzeitgedächtnis vorhanden, aber länger nicht mehr erwähnt), zugänglich („semiaktiv“) oder aktiviert (so präsent, dass man sich mit Proformen darauf beziehen kann). Allerdings hebt dieser Ansatz stärker auf die Opposition (im Diskurs) Gegeben vs. Neu ab, was, wie gezeigt, nicht zur Gänze mit Fokus und Hintergrund gleichgesetzt werden kann.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

157

Fokusexponent desjenigen Teilsatzes, der den Fokusbereich der Gesamtkonstruktion bildet (hier gerahmt). Die Möglichkeit, dass eine gegebene Konnektorkonstruktion eine integrierte Fokus-Hintergrund-Gliederung aufweist, d. h. die gesamte Konstruktion nur einen Fokus und einen Hintergrund hat, wird in erster Linie durch die syntaktische Subklassenzugehörigkeit des Konnektors bestimmt. Subjunktoren und Konjunktoren lassen integrierte Fokus-Hintergrund-Gliederungen im Allgemeinen zu, Adverbkonnektoren erlauben sie nie und Postponierer und V2S-Einbetter tendenziell ebenfalls nicht. Anders als der Subjunktor weil in (36) verhält sich der Postponierer weshalb in (37), der semantisch die Konverse zu weil-Verknüpfungen bildet. Sein (ja obligatorisch postponiertes) internes Konnekt kann nicht den Hintergrund bilden (37a), was nicht nur an der etwas unüblichen, aber (wie auch das akzeptable (36b) zeigt) keineswegs prinzipiell ausgeschlossenen Abfolge Fokus vor Hintergrund liegt. Aber auch eine Konstruktion mit der „besseren“ und kommunikativ natürlicheren Abfolge Hintergrund vor Fokus, bei der das externe Konnekt den Hintergrund bildet, scheint mit weshalb nicht ganz akzeptabel, wie (37b) zeigt. Jedenfalls ist eine prosodische Realisierung als eine einzige Intonationsphrase wie analog zu den weil-Beispielen unter (36) mit weshalb nicht möglich.  

(37a)

(37b)

A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: *[Karl ist zu einem VORstellungsgespräch eingeladen, weshalb]F [er morgen nach BerLIN fährt.]HG A: Ich habe gehört, Karl ist zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. B: ?Stimmt. [Karl ist zu einem VORstellungsgespräch eingeladen]HG [weshalb er morgen nach BerLIN fährt.]F

Für Postponierer wurde in HDK-1 festgestellt, dass sie ganz überwiegend nicht in syntaktischen Einbettungskonstruktionen vorkommen können. Das manifestiert sich zum einen darin, dass die Konnektorphrase nicht das Vorfeld des externen Konnekts besetzen kann, zum anderen im weitgehenden Ausschluss der Einbettung von Postponiererverknüpfungen unter höhere Operatoren (s. A1.2). Wenn aber keine syntaktische Einbettung vorliegt, ist auch die Integration zu einer einzigen Fokus-Hintergrund-Gliederung unmöglich. Die meisten Postponierer verhalten sich also wie die parataktisch verknüpfenden Adverbkonnektoren. Bei Verknüpfungen mit diesen muss jedes Konnekt eine eigene Intonationsphrase mit eigenem Fokusakzent realisieren. (38a, b) sind also in der Realisierung mit einem einzigen fallenden Fokusakzent und ohne Pause zwischen den Konnekten nicht akzeptabel, sondern nur das prosodische Muster (38c). (38a)

A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: *[Karl ist zu einem /VORstellungsgespräch eingeladen.]F [Deshalb fährt er morgen nach BerLIN.\]HG

158

(38b)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

A: Ich habe gehört, Karl ist zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. B: *Stimmt. [Karl ist zu einem /VORstellungsgespräch eingeladen]HG [deshalb fährt er morgen nach BerLIN.\]F A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? [Karl]HG [ist zu einem /VORstellungsgespräch\ eingeladen\]F [/DEShalb\]F [fährt er morgen nach Berlin.]HG  

(38c)

Unterschiede dieser Art wurden, soweit sie spezifisch für syntaktische Klassen von Konnektoren sind, in HDK-1 behandelt; in den Kapiteln des C-Teils des vorliegenden Bandes werden sie deshalb nur soweit aufgegriffen, als sie innerhalb einer semantischen Klasse zur Differenzierung von Minimalpaaren dienen. (iii)

Variable vs. festgelegte Verteilung von Fokus und Hintergrund auf die Konnekte bei integrierter Fokus-Hintergrund-Gliederung Konnektorkonstruktionen mit integrierter Fokus-Hintergrund-Gliederung können sich auch im Fokuspotential (den möglichen Fokus-Hintergrund-Strukturen) ihrer Konnekte unterscheiden. So erlaubt von den beiden kausalen Subjunktoren weil und da letzteres keine Fokussierung des internen Konnekts; mit einer da-Phrase kann nicht auf eine warum-Frage geantwortet werden und sehr viele Sprecher akzeptieren Sequenzen wie (39b) nicht. (39) (39a) (39b)

A: Warum fährt Karl morgen nach Berlin? B: [/Karl fährt morgen nach Berlin, weil]HG [er zu einem VORstellungsgespräch eingeladen ist.\]F ??B: [/Karl fährt morgen nach Berlin, da]HG [er zu einem VORstellungsgespräch eingeladen ist.\]F  



Da-Phrasen sind aber wie weil-Phrasen einbettbar und können im Vorfeld ihres externen Konnekts mit diesem zusammen durchaus eine einzige Intonationsphrase mit integrierter Fokus-Hintergrund-Gliederung bilden. (40)

A: Ich habe gehört, Karl ist zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. B: Ja, [da er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen ist,]HG [fährt Karl morgen nach BerLIN.]F

4.3.1.2 Topik – Kommentar Der Topikbegriff ist in dem im Bereich der Informationsstruktur ohnehin extensiven Terminologie-Wirrwarr wohl der am stärksten strapazierte Begriff (vgl. etwa Reinhart 1982, Büring 1997, Jacobs 2001, Frascarelli/Hinterhölzl 2007, Klein 2008). Umstritten ist, was die inhaltlichen Charakteristika des Konzepts sind (Aboutness, Bekanntheit,

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

159

Rahmensetzung), ob damit bestimmte Formeigenschaften verbunden sind (Konstituente im Vorfeld, Konstituente mit steigendem Akzent, Subjekt-Konstituente), ob es eine Eigenschaft des Satzes oder des Diskurses ist (Diskurstopik) und ob überhaupt jeder Satz ein Topik aufweist. Selbst der Komplementärbegriff zum Topik ist umstritten: Neben der üblicheren und auch hier verwendeten Paarung Topik – Kommentar findet sich (seltener) auch Topik – Fokus. Jacobs (2001) hat die unterschiedlichen Dimensionen, mit denen dieser Terminus in der Literatur aufgeladen wurde, herauspräpariert und das Verhältnis zwischen den verschiedenen kursierenden Topikbegriffen als Netz von Kategorien beschrieben, das durch Familienähnlichkeit mit einer prototypischen Topik-Kommentar-Konstruktion zusammengehalten wird. Relevante Dimensionen sind a) informationelle Zweigliedrigkeit (unterscheidet thetische von kategorischen Aussagen), b) Bekanntheit, c) Adressierung, d. h. Speicherung der Information unter der „Adresse“/auf der „Karteikarte“ des Topiks (Jacobs Explikation der intuitiven Aboutness) und d) Rahmensetzung. Wir benutzen im Folgenden ebenfalls ein solches „Netz“ von mehreren TopikTypen, deren gemeinsamer Nenner zunächst lediglich in dem inhaltlichen Merkmal der Kontextangebundenheit (im Sinne von Büring 1997) besteht. Ferner gilt, dass das Topik Bestandteil des Hintergrunds ist, in diesem aber hervorgehoben sein kann. Topik und Fokus schließen sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal aus: Hervorgehobene Topiks haben immer einen steigenden Akzent, während Fokusakzente fallend sind. Fokales Material gehört immer zum Kommentarbereich – im Normalfall fällt der Kommentar sogar genau mit der maximalen Fokusprojektion zusammen. Die einzelnen Topik-Typen lassen sich formal und funktional genauer bestimmen und erlauben eine präzisere Beschreibung der Leistungen von Adverbkonnektoren. Die hier unterschiedenen Topiktypen entsprechen im Einzelnen durchweg gängigen Kategorisierungen in der Literatur (vgl. dazu auch Breindl 2008a und 2011).  









(i) Konstantes Topik („Familiarity Topic“) Für das konstante, prosodisch nicht hervorgehobene Topik finden sich in der Literatur auch die Termini „konstantes, durchlaufendes Thema“ (Daneš 1974), „Themenfortführung“ (GDS), „Continuing Topic“, „Familiarity Topic“ (Frey 2004b, Frascarelli/ Hinterhölzl 2007).23 Konstante Topiks führen ein unmittelbar vorausgehendes Topik unverändert fort (T1-R1, T1-R2, T1-R3 usw. in der Darstellung bei Daneš); es treffen also sowohl Kontextangebundenheit als auch Aboutness zu. Konstante Topiks sind häufig Anaphern oder alternativ elidiertes Material, wo dies syntaktisch möglich ist wie in der Koordination. Für die Beschreibung der informationsstrukturellen Eigenschaften

23 Bei einer Konzeption von Topik als hervorgehobener Teil des Hintergrunds wie bei Büring (1997) oder auch schon Reinhart (1982) hat diese Kategorie natürlich nicht den Status eines Topik in unserem Sinn. Bereits Beneš (1971: 167 f.) unterscheidet bei der Abfolge Thema < Rhema zwei „polare Typen“, nämlich einen mit intonatorisch unmarkierter von einem mit akzentuell hervorgehobener Vorfeldeinheit. Letztere sei von „etwas höherem Mitteilungswert“ und diene „oft zur Kontrastierung“.  

160

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

von Adverbkonnektoren ist diese Kategorie nur dadurch relevant, dass sie nicht mit einem Konnektor in der Nacherstposition zusammen auftreten kann (41b, gegenüber dem akzeptablen Fall des shifting topic – vgl. (ii) – in 41c). (41a) (41b) (41c)

[Die Mägde]T1 [sind stinkfaul und aufsässig.]K [Sie]T1 [wollen nämlich nur essen und trinken, aber nicht arbeiten.]K *[Die Mägde]T1 sind faul und aufsässig. [Sie]T1 [nämlich wollen nur essen und trinken, aber nicht arbeiten.]K [Die Mägde]T1 sind fleißiger als die Knechte. [Die]T2 [nämlich wollen nur essen und trinken, aber nicht arbeiten.]K

(ii) Neu etabliertes Topik („Shifting Topic“) Das Gegenstück zum konstanten „durchlaufenden“ Topik ist das neu etablierte Topik („newly introduced, newly changed or newly returned to“, Givón 1983: 8). Es repräsentiert entweder die „lineare Themaprogression“ (Daneš 1974), greift also wie in (41c) einen Bestandteil des Kommentars des vorausgehenden Satzes wieder auf, oft die Fokuskonstituente selbst, wie in (42). Oder es rethematisiert ein weiter davor bearbeitetes Thema. Neu etablierte Topiks sind prosodisch durch einen steigenden Akzent markiert, der schwächer ist als der Fokusakzent. Adverbkonnektoren können in Nacherstposition nur nach einem neu etablierten Topik auftreten (wiederum 41c gegenüber 41b). (42)

[Die Kegel]T1 [werden von einem Raster erfaßt und in kürzester Zeit in der richtigen Position aufgestellt.]K [Dieses Raster]T2 aus K1 [nun entspricht in einer gewissen Weise einem Enzym.]K2 (LIM/LI1., Haber, Brüder, o. S., leicht verändert)  

(iii) Kontrastives Topik („Contrastive Topic“) Kontrastive Topiks sind immer gleichzeitig neu etablierte Topiks, sind aber über den Kontrast an ein anderes Topik kontextuell angebunden. Sie haben durch den Bezug auf eine Alternative und die akzentuelle Hervorhebung eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fokus und werden in der Literatur mitunter auch als Kontrastfokus klassifiziert. Charakteristisch für kontrastive Topiks ist die Einbindung in ein spezielles prosodisches Muster, das als Hutkontur oder Brückenkontur bezeichnet wird: ein steigender Akzent auf dem kontrastiven Topik, ein fallender Akzent auf dem Fokus und ein relativ flaches Plateau zwischen Topik und Fokus. Inhaltlich signalisieren sie die Existenz einer geschlossenen Menge von Alternativen zum Topik, auf die der Kommentarteil nicht zutrifft. Ein Thema wird hier also in sukzessive abzuarbeitende Unterthemen aufgespalten und die im Diskurs zur Debatte stehende Quaestio ist erst mit der Einführung des/der ergänzenden Topiks mit den dazugehörigen Kommentaren erschöpfend beantwortet. Eine Fortsetzung, in der das Resttopik bearbeitet wird, kann vom Hörer eingeklagt werden, wenn die prosodische Hervorhebung durch die Hutkontur ihm Teiltopikstatus signalisiert. Ein typisches Beispiel für solche Teiltopiks ist (43):

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(43)

161

[Gut die Hälfte der etwa 200 Polizeidelegierten]T1 [bereiteten Schröder nach seiner Rede stehende Ovationen]K1. [Die andere Hälfte]T2 dagegen [blieb demonstrativ sitzen und rührte keine Hand]K2. (die tageszeitung, 13.11.1986, S. 4)  

Kontrastive Topiks und Hutkonturen spielen insbesondere im Zusammenhang mit adversativen Konnektoren eine wichtige Rolle. Die adversative Relation, speziell der Typ des „kontrastiven Vergleichs“ (s. C2.3.3.1), wird in der Regel mit diesem prosodischen Muster kodiert, das durch die parallele informationsstrukturelle und prosodische Struktur Topiks und Kommentare leicht einander zuordnen lässt. Adversative Adverbkonnektoren in der Nacherstposition wie in (43) und (44a) treten immer mit diesem Muster auf; das Muster kann aber auch mit syntaktischen Einzelgängern (44b), Subjunktoren (44c), mit einem adversativen Adverbkonnektor in einer anderen als der Nacherstposition und selbst in einer asyndetischen Folge (44d) zur Verklammerung der Teile beitragen. Dabei kann der Fokus des ersten Teilsatzes aufgrund der Unabgeschlossenheit der Aussage auch einen steigenden Akzent tragen. (44a) (44b) (44c) (44d)

[Die /MÄGde]T1 [sind faul und /FRECH,]K1 [die /KNECHte]T2 aber [sind BRAV.\]K2 [Die /MÄGde]T1 [sind faul und /FRECH,]K1 doch [die /KNECHte]T2 [sind BRAV.\]K2 [Die /MÄGde]T1 [sind faul und /FRECH,]K1 während [die /KNECHte]T2 [BRAV\ sind.]K2 [Die /MÄGde]T1 [sind faul und /FRECH,]K1 [die /KNECHte]T2 [sind BRAV\.]K2

Mit dem kontrastiven Vergleich liegt eine semantisch symmetrische Relation vor, zu der die prosodische und informationsstrukturelle Parallelstruktur gut passt, die offenbar auch die syntaktische Nicht-Symmetrie in der Kodierung wie in (44c) überschreibt. (iv) Rahmensetzung („Framesetting Topic“) Rahmensetzung wird im Gefolge von Chafe (1976) von einigen Autoren unter der Bezeichnung „Framesetting Topic“ als Instanz eines Topiks gesehen. Die Funktion der Rahmensetzung ist es, einen Interpretationsrahmen oder eine raumzeitliche Szenerie für die nachfolgende Proposition abzugrenzen; dazu dienen neben Lokal- und Temporaladverbialia vor allem „limitierende“ Bereichsadverbialia (Pittner 1999) wie beruflich, finanziell, gesundheitlich etc.24 Ein „Rahmensetzungstopik“ läge jedoch quer

24 „What the topic appears to do is to limit the applicability of the main predicate to a certain restricted domain. […] It sets a spatial, temporal, individual framework within which the main predication holds“. (Chafe 1976: 50).

162

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

zu den oben genannten Topikkategorien. Rahmensetzende Ausdrücke können, müssen aber nicht prosodisch hervorgehoben sein, sie können selbst kontrastiv sein und überdies ist für sie weder das Merkmal Aboutness noch die Bedingung der Kontextangebundenheit gültig. Auch können sie, anders als die obigen Topiks, wohl kaum als globale „Diskurstopiks“ fungieren. Ein vielzitiertes Beispiel für Rahmensetzung ist (45): (45)

/GeSUNDheitlich geht es Hans GUT.\

Eine solche Aussage würde jedoch, wie Krifka (2007) bemerkt, im Topik-Konzept von Reinhart (1982) kaum unter der Karteikarte „Gesundheit“, sondern nur unter „Hans“ abgelegt werden. Nicht alle Adverbialklassen eignen sich überhaupt für die Funktion der Rahmensetzung. Von den durch Adverbkonnektoren und Subjunktorphrasen kodierbaren Relationen kommt hier vor allem die temporale und konditionale in Frage, unter ersteren insbesondere die unspezifisch situierenden Subjunktoren als, wie, wenn und die Adverbkonnektoren dann und da (s. C1.3.1). In diesem Sinne fungieren die Subjunktorphrasen bzw. Adverbkonnektoren in den nachfolgenden Beispielen als Rahmensetzer und man kann sie schlecht mit wann erfragen; man kann sie aber schwerlich als Topiks im Aboutness-Sinne bezeichnen. (46a) (46b) (46c)

Wie sie so ging, trat auf einmal ein Wolf zu ihr. Als Rotkäppchen so vor sich hin lief, begegnete ihr auf einmal ein Wolf. Rotkäppchen schlenderte so vor sich hin, da begegnete ihr plötzlich ein Wolf.

Rahmensetzung kann auch durch ein kontrastives Topik erfolgen. (47)

Kurz bevor er auf seinem Weg nach Chile zu einem Zwischenaufenthalt in Uruguay landete, meinte Papst Wojtyla: „Jedes Land hat Probleme, wo gibt es keine Leiden?“ [In Chile]T1 gebe es, so fuhr er fort, ein System, „das diktatorisch, aber per definitionem vergänglich ist“. [In seiner Heimat]T2 kontrastiv zu T1 hingegen gebe es eine Diktatur ohne jedes Element der Hoffnung. (die tageszeitung, 02.04.1987, S. 6) Wo Sie RADIO FFH hören können? Leider nur, [wenn Sie in Hessen wohnen]F1. [In diesem Fall]T2=F1 allerdings müssen Sie einfach nur Ihr Radio auf UKW einschalten und eine der folgenden Frequenzen wählen […]. (http:// www.stcarchiv.de/stc1990/07_radioffh.php)  

(48)

4.3.1.3 Mehrfacher Fokus Dem Muster des kontrastiven Topiks mit der Hutkontur sehr ähnlich sind Äußerungen mit mehr als einem Fokus. Bei diesen liegt aber keine Topikaufspaltung mit separater

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

163

Kommentierung über die Topiks vor, sondern es gibt nur einen Kommentar, in dem eine Alternative zum Fokusausdruck explizit genannt wird. Wird sie gleichzeitig zurückgewiesen, kann man auch von Kontrastfokus sprechen. Dieses Muster findet sich vor allem bei koordinativen Relationen, bei denen innerhalb eines Koordinationsrahmens durch den Konnektor Alternativen aufeinander bezogen werden, die unter eine Gemeinsame Einordnungsinstanz (GEI) fallen. Das GEI-Konzept wurde von Lang (1977) für die Beschreibung der Koordination genutzt; es ist aber umfassender und scheint unabhängig von der syntaktischen Struktur zu wirken. Strukturen mit Kontrastfokus bilden z. B. die korrektive (sondern, s. C2.2.4), die substitutive (statt, s. C2.2.5), die negativ-additive (weder (…) noch, s. C2.2.3) und die disjunktive (oder, s. C3) Relation. Insbesondere mehrteilige Konjunktoren (weder (…) noch, entweder (…) oder, sowohl (…) als/wie auch) werden mit diesen Mustern verwendet, da die durch sie verknüpften Koordinate schlecht als Hintergrundmaterial fungieren können, wie (49e) zeigt.  

(49a) (49b) (49c) (49d)

Das Gesinde ist nicht /FÜGsam, sondern AUFsässig.\ Die Knechte sind weder /WILlig noch geSCHICKT.\ Das Gesinde ist entweder /FAUL oder AUFsässig.\ Die Mägde sind sowohl /AUFsässig als auch FAUL.\

(49e)

Wie arbeitet denn das Gesinde so? ?[/Weder die Mägde noch die Knechte]HG sind FLEIßig\.

Bei der substitutiven Relation, die durch mehrere semantisch äquivalente, aber ihrer syntaktischen Kategorie nach verschiedene Varianten von statt ausgedrückt werden kann, stellt sich das Muster bei allen Varianten ein (vgl. Breindl 2012). Statt der /PIZza nehme ich heute mal die PaparDELle.\ (Präposition) Statt wieder /PIZza zu essen, könntest du auch mal die PaparDELle probieren.\ (Infinitiv-Einleiter) Statt eine /PIZza nehme ich heute mal die PaparDELle\ (syntaktischer Einzelgänger mit konjunktorartiger – koordinierender – Verknüpfung von kasuskongruenten NPen) Statt dass du wieder /PIZza isst, könntest du ja mal die PaparDELle probieren.\ (Subjunktor)

(50a) (50b) (50c)

(50d)

Inwieweit sich solche Strukturen mit mehrfachen Foki von den Hutkonturen mit kontrastiven Topiks auch prosodisch unterscheiden, ist nicht ganz klar und Gegenstand experimentalphonetischer Untersuchungen. (Mindestens perzeptive Unterschiede postulieren etwa Mehlhorn 2001 und Steube 2001; zum Kontrastfokus vgl. Alter et al. 2001, Alter 2002, Duden-Grammatik 2005: 121.)  

164

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

4.3.2 Informationsstrukturelle Restriktionen als lexikalisches Merkmal und Differenzparameter In diesem Abschnitt soll in einem Vorgriff auf die Kapitel des C-Teils ein Überblick über Konnektoren gegeben werden, zu deren lexikalischer Bedeutung eine Einschränkung des informationsstrukturellen Potentials der mit ihnen gebildeten Konstruktion gehört.

4.3.2.1 Einschränkungen in der Fokussierbarkeit des Konnektors Aus der Liste der Konnektoren betrachten wir die folgenden (nach ihrer semantischen Klassenzugehörigkeit geordnet) als zweifelsfrei fokussierbar. Konnektoren, die bei Fokussierung u. E. Konnektorkonstruktionen von sehr fragwürdiger Akzeptabilität bilden, haben wir hier nicht aufgenommen. Die Nicht-Fokussierbarkeit eines Konnektors ist zum Teil systematischer Natur und kann begründet werden, in anderen Fällen ist aber auch nicht auszuschließen, dass die Fokussierung eines Konnektors nur deshalb von geringer Akzeptabilität ist, weil er ohnehin niedrigfrequent ist.  

Tab. A4-2: Liste der fokussierbaren Konnektoren semantische Klasse

Konnektor

syntaktische Klasse

additiv

auch

Adverbkonnektor

additiv

AUßerdem/außerDEM

Adverbkonnektor

additiv

AUßer dass

Adverbkonnektor

additiv

darüber hiNAUS

Adverbkonnektor

additiv

daZU

Adverbkonnektor

additiv

nebenBEI

Adverbkonnektor

additiv

noch daZU

Adverbkonnektor

additiv

obenDREIN, Obendrein

Adverbkonnektor

additiv

soWOHL … ALS auch

Konjunktor

additiv

überDIES

Adverbkonnektor

additiv

und

Konjunktor

additiv

ZUsätzlich

Adverbkonnektor

disjunktiv

Oder

Konjunktor

final

daMIT

Subjunktor

final

HIERfür

Adverbkonnektor

final

HIERzu

Adverbkonnektor

instrumental

DAdurch

Adverbkonnektor

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

semantische Klasse

Konnektor

syntaktische Klasse

instrumental

HIERdurch

Adverbkonnektor

instrumental

HIERmit

Adverbkonnektor

instrumental

inDEM

Subjunktor

irrelevanzkonditional

alleMAL/ALlemal

Adverbkonnektor

irrelevanzkonditional

eh

Adverbkonnektor

irrelevanzkonditional

OHnehin/ohneHIN

Adverbkonnektor

irrelevanzkonditional

sowieSO

Adverbkonnektor

kausal

DArum

Adverbkonnektor

kausal

DAher

Adverbkonnektor

kausal

DEShalb

Adverbkonnektor

kausal

weil

Subjunktor

kausal

zuMAL

Postponierer

komparativ

desGLEIchen

Adverbkonnektor

komparativ

Ebenfalls

Adverbkonnektor

komparativ

Ebenso

Adverbkonnektor

komparativ

geNAUso

Adverbkonnektor

komparativ

GLEIchermaßen

Adverbkonnektor

komparativ

GLEICHfalls

Adverbkonnektor

konditional

ANgenommen

V2S-Einbetter

konditional

geSETZT

V2S-Einbetter

konditional

geSETZT den FALL

V2S-Einbetter

konditional

geSETZT den FALL, DASS

Subjunktor

konditional

für den FALL, DASS

Subjunktor

konditional

falls

Subjunktor

konditional

wenn

Subjunktor

konzessiv

DENnoch

Adverbkonnektor

konzessiv

gleichWOHL

Adverbkonnektor

konzessiv

TROTZdem

Adverbkonnektor

konzessiv

trotzDEM

Subjunktor

konzessiv

obWOHL

Subjunktor

konzessiv

und DOCH

Adverbkonnektor

temporal

Abermals

Adverbkonnektor

temporal

ANfänglich

Adverbkonnektor

temporal

ANfangs

Adverbkonnektor

temporal

ANschließend

Adverbkonnektor

165

166

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

semantische Klasse

Konnektor

syntaktische Klasse

temporal

beVOR

Subjunktor

temporal

bis

Subjunktor

temporal

DAmals

Adverbkonnektor

temporal

daNACH

Adverbkonnektor

temporal

dann

Adverbkonnektor

temporal

daVOR

Adverbkonnektor

temporal

daZWIschen

Adverbkonnektor

temporal

GLEICHzeitig

Adverbkonnektor

temporal

WÄHrend

Subjunktor

temporal

NACHher

Adverbkonnektor

temporal

VORher

Adverbkonnektor

temporal

herNACH

Adverbkonnektor

temporal

HINterher

Adverbkonnektor

temporal

inZWIschen

Adverbkonnektor

temporal

nachDEM

Subjunktor

temporal

VORher

Adverbkonnektor

temporal

WEIterhin

Adverbkonnektor

temporal

WIEderum

Adverbkonnektor

temporal

zuERST

Adverbkonnektor

temporal

zuLETZT

Adverbkonnektor

temporal

zuVOR

Adverbkonnektor

temporal

zwischenDURCH, ZWIschendurch

Adverbkonnektor

Auch die in HDK-1 gelisteten Adverbkonnektoren mit einer skalierenden Komponente, die in diesem Handbuch nicht gesondert bei den semantischen Klassen des C-Teils behandelt werden, sind in der Regel fokussierbar: ausSCHLIESSlich/AUSschließlich, beSONders, BEStenfalls, EINzig, geRAde, HÖCHstens, MINdestens, LEdiglich, nur, soGAR, vor ALlem, WEnigstens, zuMiNDest. Von den in der Konnektorenliste angeführten Konnektoren erweist sich allenfalls ein Viertel als fokussierbar. Unter syntaktischem und semantischem Gesichtspunkt zeigen sich die folgenden Auffälligkeiten: (i) Postponierer Postponierer sind bis auf das kausale zumal nicht vertreten. Für dieses wurde in HDK-1 auch eine Klassifikation als Subjunktor erörtert, da es zwar keine Anteposition erlaubt, aber eine zumal-Verknüpfung ihrerseits einbettbar ist. Fokussierbarkeit wur-

167

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

de allerdings mit Hinweis auf die nicht-propositionale Semantik ausgeschlossen (vgl. HDK-1: 125, 135). Fokussierungskontexte sind u. E. aber nicht ganz auszuschließen, wenngleich deutlich schlechter als mit weil:  

(51)

Die deutsche Wirtschaft ist stark vom Export abhängig. Jetzt wäre es doch an der Zeit, durch höhere Löhne die heimische Konjunktur anzukurbeln. Alles auf die launische Binnenkonjunktur zu setzen ist hochriskant, zuMAL die Wirtschaft so stark vom Export abhängt. […] gerade WEIL die Wirtschaft so stark vom Export abhängt. ? […] gerade zuMAL die Wirtschaft so stark vom Export abhängt.

Da keineswegs alle Postponierer „nicht-propositionale Konnektoren“ sind, d. h. nur auf der epistemischen Ebene oder Sprechaktebene verknüpfen (z. B. temporales woraufhin, konsekutives sodass etc.), ist der Grund für ihre Nicht-Fokussierbarkeit ein anderer: Zu ihren Merkmalen gehört, dass ihr internes Konnekt obligatorisch fokal ist – und damit scheidet ein enger Fokus auf dem Konnektor allein aus, da ja Konnektorfokussierung darauf angewiesen ist, dass der Rest im Hintergrund bleibt.  



(ii) Konditionale Konnektoren Konditionale Konnektoren (C.4.1) sind unabhängig von ihrer syntaktischen Klassenzugehörigkeit fokussierbar. Auch die konditionalen V2S-Einbetter, die tendenziell fokale Konnekte haben, lassen Kontexte zu, in denen beide Konnekte den Hintergrund bilden und nur der Konnektor fokussiert ist (vgl. 52b). Die Bedeutung eines fokussierten Konditionalkonnektors ist die einer Alternativenopposition zwischen möglicher Geltung und definitiver Nicht-Geltung des im internen Konnekt genannten Sachverhalts. In (52) weist B zurück, dass der Sachverhalt „Benzin ausgehen“ eintreten kann. Dagegen protestiert A wiederum (s. 52a und 52b), indem er durch den fokussierten Konditionalkonnektor auf der Möglichkeit beharrt, dass der Sachverhalt „Benzin ausgehen“ eintreten kann. (52a)

(52b)

A: Was soll ich machen, wenn jetzt das Benzin ausgeht. B: Ach was, die Tankfüllung reicht noch ewig. A: Ja, aber {WENN/FALLS/gesetzt den Fall, DASS/für den Fall, DASS} es nicht reicht … […] A: Ja, aber {mal ANgenommen/gesetzt den FALL} es reicht nicht …

Mit einem fokussierten Konditionalkonnektor kann aber ebenso gut auch umgekehrt (gegen eine mögliche Geltung) die Wahrscheinlichkeit einer Nicht-Geltung des Sachverhalts betont werden. In (53a) lässt sich B’s Äußerung nur dahingehend interpretieren, dass B Karls Schlausein in Zweifel zieht.

168

(53a)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

A: Wenn Karl schlau ist, lässt er die Finger davon. B: Ja, WENN er schlau ist …

Da mit dem engen Fokus auf dem Konditionalkonnektor immer die Geltung eines Sachverhalts zur Debatte steht, erklärt sich auch, weshalb ein eng fokussiertes wenn immer eine konditionale und nie eine temporale Lesart hat. (iii) Kausale Konnektoren NTEZEDENS EZEDENS -Markern sind allenfalls die konjunktionalen, nicht Unter den kausalen A NT aber die Adverbkonnektoren (nämlich und schließlich) fokussierbar. Letztere verknüpfen tendenziell nicht auf der propositionalen Ebene. Von den konjunktionalen ist wiederum nur weil zweifelsfrei fokussierbar, für zumal (da) ist Fokussierbarkeit evtl. möglich und für da eher zweifelhaft. Für da gilt die schon öfter beobachtete Unsicherheit von Sprechern im Gebrauch: Einige Sprecher machen offenbar zwischen da und weil keinen Unterschied und verwenden da beispielsweise auch in Korrelatkonstruktionen oder können da-Verknüpfungen einbetten oder eben auch fokussieren (s. C4.2.3.1.1.1.2). (54a)

(54b) (54c)

A.: Hier rumzusitzen kann doch keinen Spaß machen. Geh doch lieber mal ein bisschen spazieren. B.: Ich sitze hier doch, WEIL es mir Spaß macht. ? B: Ich sitze hier doch, DA es mir Spaß macht. * B: Ich sitze hier doch, DENN es macht mir Spaß.

Von den K ONSEQUENS - Markern sind wiederum nur die Adverbkonnektoren fokussierbar, da die konjunktionalen durchweg Postponierer sind (sodass, dass, weshalb). Nicht fokussierbar sind die sogenannten „konklusiven“ Adverbkonnektoren (folglich, also, ergo, mithin, somit), die ebenfalls nicht auf der propositionalen Ebene verknüpfen (s. C4.2.3.2.3), aber auch von den kausalen Pronominaladverbien sind wohl nicht alle gleich gut fokussierbar. (55a)

(55b)

A.: Wie soll ich dir einen Rat im Streit mit deiner Chefin geben, wenn ich die Frau gar nicht kenne? B: Gerade DEShalb/DESwegen/DArum/?DAher frage ich dich ja. […] B: ??Gerade infolgeDESsen frage ich dich ja.

(iv) Konzessive Konnektoren Wie bei den kausalen eignen sich auch bei den konzessiven Adverbkonnektoren (C4.3) nicht alle gleichermaßen für Kontexte, in denen nur der Konnektor fokussiert ist.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(56a)

(56b)

169

A.: Wie soll ich dir einen Rat im Streit mit deiner Chefin geben, wenn ich die Frau gar nicht kenne? B: Ich kann dich aber {TROTZdem/DENnoch/nichtsdestoTROTZ/gleichWOHL/nichtsdestoMINder} fragen. […] B: ??Ich kann dich aber doch {dessen ungeACHtet/ungeachtet DESsen/ unbeschadet DESsen} fragen.

Nicht fokussierbar sind z. B. die adversativen, die eine konzessive Lesart haben (aber, jedoch, allerdings). Auch bei den Subjunktoren zeigen sich Unterschiede. Diese stehen im Zusammenhang damit, dass die mit wenn zusammengesetzten Formen tendenziell eher auf der epistemischen Ebene verknüpfen als obwohl, woraus sich eine Reihe von Gebrauchsunterschieden ableiten lassen (s. im Detail C4.3.4 und C4.3.5).  

(57a) (57b) (57c)

A: Wusstest du, dass Annas Verlobter arm wie eine Kirchenmaus ist? B: Ja, sie will ihn heiraten, obWOHL er so arm ist. *B: Ja, sie will ihn heiraten, {wennGLEICH/wieWOHL} er so arm ist. ? B: Ja, sie will ihn heiraten, {obGLEICH/obSCHON} er so arm ist.

(v) Irrelevanzkonditionale Konnektoren Die irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren (C4.4.5) lassen durchweg engen Fokus zu. Das liegt daran, dass sie Affirmativitätsmarker sind, die die Geltung ihrer NT EZEDENS Trägersatzproposition bekräftigen – als unabhängig davon, ob der im A NTEZEDENS genannte Sachverhalt der Fall ist oder nicht. Affirmativitätsmarker haben aber eine ähnliche Funktion wie der Verum-Fokus und ziehen deshalb ohnehin den Fokus auf sich. (58)

Was auch immer im externen Konnekt steht, Affirmativitätsmarker im internen Konnekt sind sowieSO/ohneHIN/alleMAL/EH immer fokussiert.

Dagegen können von den irrelevanzkonditionalen Subjunktoren allenfalls die aus Fokuspartikel + wenn gebildeten fokussiert werden; die Bedeutung ist dann analog zu den unter (ii) beschriebenen konditionalen. Die alternativen (ob (…) (oder) ob, ob (…) oder; sei es) und die universalen (w- (…) (auch) immer, egal w-, wie ADJ/ADV (…) (auch) immer/wie ADJ/ADV (…) auch) Konnektoren erlauben dagegen keinen Konnektorfokus. (59)

A: Was soll ich machen, wenn jetzt das Benzin ausgeht. B: Ach was, die Tankfüllung reicht noch ewig. Aber selbst WENN das Benzin ausgeht, liegt immer noch ein Reservekanister im Kofferraum.

170

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

(vi) Temporale Konnektoren Bei den fokussierbaren temporalen Konnektoren (C1) tritt ein Phänomen ein, das ansonsten im Konnektoreninventar nicht gegeben ist: Die Relation ist semantisch so stark ausdifferenziert, dass hier die Alternative zum Fokusausdruck ein Konnektor innerhalb derselben Klasse ist. Das Paradebeispiel dafür ist die Sequenzierungsopposition des davor und danach. (60a) (60b)

Sie haben nicht daVOR geheiratet, sondern daNACH. Sie haben nicht geheiratet, beVOR das Kind kam, sondern nachDEM es schon auf der Welt war.

Da Temporaladverbialia generell erfragbar und fokussierbar sind, sind auch die meisten temporalen Adverbkonnektoren fokussierbar. Für die Subjunktoren ist das fraglich; für einige wie sobald, seit(dem) oder als finden sich schlicht keine überzeugenden semantischen Alternativen. (vii) Additive und disjunktive Konnektoren Auch additive Konnektoren sind gut fokussierbar, da sie keine weitere Bedeutung einbringen, als dass der im internen Konnekt genannte Sachverhalt zusätzlich zu dem im externen Konnekt genannten gilt, bzw. dass der Koordinationsrahmen auf mehr als eine Entität zu beziehen ist. Die Alternative zum fokussierten Konnektor ist dann eben die Geltung nur eines Sachverhalts (oder anders formuliert: die Nicht-Geltung eines weiteren Sachverhalts). So kann man mit betontem und beispielsweise auf eine disjunktive Verknüpfung reagieren. Genau diese Funktion der Betonung der Addition gegenüber der Disjunktion ist beim korrelativen additiven Konjunktor sowohl (…) als/ wie auch eine lexikalische Eigenschaft (s. C2.1.3.2). (61a) (61b)

A: Ist Heinrich Magister oder Doktor? B: Heinrich ist Magister UND Doktor. B: Heinrich ist Magister, und Doktor obenDREIN/außerDEM/noch daZU.

Komplementär dazu ist die Fokussierung eines disjunktiven oder: Damit weist ein Sprecher eine vom Gesprächspartner unterstellte gemeinsame Geltung der in den Koordinaten bezeichneten Sachverhalte zurück. Die gleiche Funktion wie fokussiertes oder hat entweder (…) oder. (61c)

A: Geh bitte einkaufen und bring das Paket auf die Post. B: Ich geh einkaufen Oder ich bring das Paket zur Post, aber für beides reicht die Zeit wirklich nicht.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

171

4.3.2.2 Einschränkungen im informationsstrukturellen Potential der Konnekte Zusammenhänge zwischen Unterschieden im informationsstrukturellen Potential von subordinativen Verknüpfungen, der syntaktischen Struktur und der Bedeutungsstruktur werden in der Literatur seit längerer Zeit diskutiert (vgl. etwa Pasch 1989, Brandt 1990, Reis 1997, Holler 2008, Frey 2011). Der Ausgangspunkt war hierbei die Beobachtung, dass im Deutschen (wie im Übrigen auch in vielen anderen Sprachen) eine strikte Dichotomie zwischen hypotaktischer und parataktischer Verknüpfung nicht allen Fällen von Subordinationskonstruktionen gleichermaßen gerecht werden kann. Syntaktisch integrierte (d. h. als Konstituenten in ihr externes Konnekt eingebettete) Subjunktorphrasen weisen im prototypischen Fall eine Reihe von syntaktischen, semantischen und informationsstrukturellen Merkmalen auf, die nicht eingebettete, illokutiv unabhängige Subjunktorphrasen nicht haben. Dazwischen gibt es jedoch Subjunktorphrasen, die in einem Teil ihrer Merkmale Einbettungscharakteristika zeigen, in anderen Merkmalen aber die Charakteristika von uneingebetteten, selbständigen Subjunktorphrasen. Für solche „Zwischen“-Fälle sind unterschiedliche Gruppierungen vorgeschlagen worden. In HDK repräsentiert die syntaktische Subklasse der Postponierer eine solche Zwischenklasse. Ein Beispiel ist sodass. Für diesen Konnektor weisen das Vorfeldverbot (62a), die Nicht-Erfragbarkeit (62b) und die informationsstrukturellen Restriktionen (Nicht-Fokussierbarkeit des Konnektors (62c’), Unmöglichkeit, dass eines der Konnekte informationsstruktureller Hintergrund ist (62d’, 62e’)) eher auf Nicht-Einbettung hin, während die Verbletztstellung, die Möglichkeit einer Verknüpfung mit maximalem Fokus (62f) und die Möglichkeit, die gesamte Konstruktion wiederum in einen Einbettungsrahmen einzubetten (62g), auf einen Einbettungsstatus hindeuten.  

(62a) (62b) (62c)

(62c’) (62d) (62d’) (62e)

(62e’)

*Sodass die Seen zufroren, fiel die Temperatur unter null Grad. *Mit welcher Folge fiel die Temperatur unter null Grad? – Sodass die Seen zufroren. A: Es hat unter null Grad, und die Seen sind auch zugefroren! B: Du hast aber auch gar keine Ahnung von Physik! Die Seen sind doch zugefroren, WEIL es unter null Grad hat. *B: Du hast aber auch gar keine Ahnung von Physik! Es hat unter null Grad, soDASS die Seen zugefroren sind. A: Heute hat es unter null Grad! B: Ja, und weil es unter null Grad hat, sind die SEEN zugefroren. *B: Ja, es hat unter null Grad, sodass die SEEN zugefroren sind. A: Die Seen sind zugefroren! B: Na klar! Die Seen sind zugefroren, weil es seit Tagen unter null GRAD hat. *B: NA klar, Es hat seit Tagen unter null GRAD, sodass die Seen zugefroren sind.

172

(62f) (62g)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Warum ist es denn bei euch so kalt? Es hat Frost gegeben, sodass die Heizungsrohre geplatzt sind. Der Hausbesitzer erklärt, dass es Frost gegeben hat, sodass die Heizungsrohre geplatzt sind.

Als weitere einbettungstypische Merkmale werden mitunter genannt a) Möglichkeit des Vorkommens von Korrelatkonstruktionen b) Verbot des Auftretens von Modalpartikeln in den Konnekten c) Unmöglichkeit der Fokussierung als und zwar-Nachtrag d) Möglichkeit der Einbettung unter einen Frageoperator e) Möglichkeit der Bindung durch Quantoren Auf Postponiererkonstruktionen müssen nicht alle diese Merkmale gleichermaßen zutreffen. Aber auch unter den (vorfeldfähigen!) Subjunktorphrasen gibt es weniger prototypische, die nur einen Teil der Merkmale erfüllen. Haegeman (2004) und Frey (2011) grenzen diese als Periphere Adverbialsätze (PACs) von zentralen Adverbialsätzen ab, zu denen sie die temporalen und modalen rechnen, und postulieren für die beiden Typen unterschiedliche syntaktische Struktur. Frey (ebd.) sieht als Vertreter für (vorfeldfähige) PACs im Deutschen kausale da-Sätze, adversative während-Sätze und konzessive obwohl-Sätze. Für die kausale Trias weil, da, denn wurden die informationsstrukturellen Unterschiede schon in früheren Arbeiten ausgiebig diskutiert. Da hat in dieser Gruppe die Besonderheit, dass es die Wahrheit des A NTEZEDENS präsupponiert und nicht behauptet (vgl. Pasch 1982). Ein Sprecher weist also mit der Verwendung von da das NTEZEDENS EZEDENS als bekannten oder evidenten Grund aus. Das hat zur Folge, dass die A NT Subjunktorphrase selbst nicht als Antwort auf warum-Fragen verwendet und nicht gut fokussierbar oder in einer Korrelatkonstruktion verwendbar ist (s. C4.2.3.1.1.1.2). (63a)

(63b) (63c) (63d)

Herr K. stellt die folgenden Fragen: „Jeden Morgen macht mein Nachbar Musik auf einem Grammophonkasten. Warum macht er Musik? Ich höre, weil er turnt. Warum turnt er? Weil er Kraft benötigt, höre ich. Wozu benötigt er Kraft? Weil er seine Feinde in der Stadt besiegen muß, sagt er. Warum muß er Feinde besiegen? Weil er essen will, höre ich.“ (Brecht, Der Zweckdiener) Warum macht er Musik? *Da/Weil er turnt. Warum turnt er? *Da/Weil er Kraft benötigt. Deshalb, *da/weil der Nachbar mal feiert, muss man nicht gleich die Polizei holen. Die kommenden zwölf Monate sollten ernst genommen werden, habe der Kompaniekommandant gesagt. Deshalb, weil das Erlebte verarbeitet werden muss. (St. Galler Tagblatt, 27.04.2000, o. S.)  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

173

Auch die konzessiven Subjunktoren verhalten sich keineswegs so einheitlich. Es lassen sich feinere Unterschiede zwischen obwohl-Phrasen und solchen mit wenngleich und wiewohl nachweisen (s. C4.3). So können obwohl-Phrasen durchaus Hintergrund sein, während das für wenngleich- und wiewohl-Phrasen nicht möglich ist (s. C4.3.5). Auch in der Einbettbarkeit unter Fragen unterscheiden sie sich. (64a)

(64b)

(64c) (64d)

A: Ich habe gehört, Herrn K’s. Nachbar hat sich für die laute Musik entschuldigt. B: Ja, aber obwohl er sich entschuldigt hat, ist Herr K. immer noch wütend. […] B: ??Ja, aber wenngleich/wiewohl er sich entschuldigt hat, ist Herr K. immer noch wütend. Ist Herr K. immer noch wütend, obwohl sich der Nachbar entschuldigt hat? ?? Ist Herr K. immer noch wütend, wenngleich sich der Nachbar entschuldigt hat?

Selbst temporale Subjunktorphrasen verhalten sich keineswegs einheitlich als prototypische Einbettungsfälle, wie etwa an Fällen von postponierten als-Phrasen vom Typ Wir fuhren gemächlich vor uns hin, als plötzlich der LKW vor uns abrupt stoppte gezeigt werden kann (s. C1.3.1.2). Beim temporalen syntaktischen Einzelgänger kaum (C1.3.2.5), der einbettungstypische Vorfeldstellung des internen Konnekts erlaubt, kann keines der Konnekte Hintergrund sein. (65) (65a) (65b)

Was ist passiert, als Paul in Urlaub gefahren war? Nachdem/als Paul in Urlaub gefahren war, räumten Diebe sein HAUS aus. *Kaum war Paul in Urlaub gefahren, räumten Diebe sein HAUS aus.

(66) (66a)

Wann haben die Diebe Pauls Haus ausgeräumt? Nachdem/als Paul in URlaub gefahren war, räumten Diebe sein Haus aus. *Kaum war Paul in URlaub gefahren, räumten Diebe sein Haus aus.

(66b)

Bevor (C1.3.2.2) und nachdem (C1.3.2.1) unterscheiden sich darin, dass ein Sprecher mit ersterem den im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalt nicht durch die Modalpartikel ja als bekannt ausweisen kann. (67a)

Nachdem ja der schon die der Schulhof ohne unser Wissen verkauft worden ist, soll jetzt dort ein Wohnhaus für das Pflegepersonal entstehen. (Neue Kronen Zeitung, 17.08.1997, S. 12) *Bevor ja auf dem Schulhof ein Wohnhaus für das Pflegepersonal entstehen soll, soll er verkauft werden.  

(67b)

174

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Informationsstrukturelle Restriktionen zeigen sich ferner bei den mehrteiligen Konjunktoren und koordinierenden syntaktischen Einzelgängern sowohl (…) als/wie auch (gegenüber und, s. C2.1.3.2.7), weder (…) noch (C2.2.3.2.3) und entweder (…) oder (C3). Diese kurze Zusammenstellung zeigt, dass bei einer Beschreibung von Einbettung und Nicht-Einbettung über Merkmalsbündel mit feinkörnigen Zwischenstufen zu rechnen ist, die möglicherweise nicht einmal durch eine Dreiteilung zentrale (eingebettete) Adverbialsätze – periphere Adverbialsätze – uneingebetteten Adverbialsätze (zu den „Zwischenstufen“ vgl. Brandt 1990, Reis 1997, Frey 2011) ausreichend genau erfasst ist. Vor allem aber kann in der Regel nicht der gesamte Bestand konjunktionaler Konnektoren einer semantischen Klasse einem der Typen zugeordnet werden, vielmehr können unterschiedlich gut einbettbare Konnektorphrasen durchaus innerhalb ein und derselben semantischen Klasse vertreten sein. Aus der Feinkörnigkeit der Unterschiede ergibt sich aber auch als Konsequenz, dass nicht jede Subjunktorverknüpfung, die informationsstrukturellen Restriktionen unterliegt, automatisch auch eine Instanz einer nicht-propositionalen Verknüpfung ist (s. dazu A4.4).

4.3.3 Zum Zusammenhang zwischen Linearstruktur und Informationsstruktur Soweit die Linearstruktur von Konnektorkonstruktionen durch ihre syntaktische Klassenzugehörigkeit determiniert ist, wurde sie in HDK-1, Abschnitt B2.1.4 ausführlich dargestellt. Von Interesse ist nun, wie und nach welchen Kriterien der topologische Variationsspielraum eines Konnektors im konkreten Gebrauch genutzt wird. Topologischen Variationsspielraum haben zum einen die Adverbkonnektoren innerhalb ihres Trägerkonnekts, und zwar nach Maßgabe ihrer syntaktischen Klassenzugehörigkeit, die ja gerade auf der Basis ihrer topologischen Eigenschaften bestimmt wurde, zuzüglich der Nullposition, die für die syntaktische Klassifikation nicht als kriterial angesehen wurde. Bei den konjunktionalen Konnektoren interessiert nicht die Position des Konnektors selbst, sondern die des Konnektors zusammen mit seinem internen Konnekt in Bezug auf sein anderes, das externe Konnekt; Variable Konnektabfolge erlauben nur Subjunktoren und V2S-Einbetter sowie die syntaktischen Einzelgänger außer, kaum, sei es, ausgenommen und statt. Exkurs: Forschungen zur Linearstruktur von Konnektorkonstruktionen Für die Linearstruktur von Konnektorkonstruktionen sind Arbeiten zur Stellung von Adverbialia heranzuziehen, die allerdings nur einen Teilbereich der für HDK einschlägigen Konstruktionen erfassen. Topologische Eigenschaften von Adverbialia, aufgeschlüsselt nach semantischen Klassen, werden vor allem in Frey/Pittner (1998) und Pittner (1999) untersucht; die Ergebnisse sind aber nur zu einem geringen Teil auf unseren Gegenstand übertragbar. Bei Pittner steht im Vordergrund die relative Abfolge von Adverbialia und ihr Skopus im Fall von Adverbialkombinationen und die daraus abzuleitenden Folgerungen für die syntaktische Strukturierung und Verortung einzelner Adverbialia im hierarchisch

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

175

stark strukturierten generativen Syntaxmodell. Etliche der bei Pittner diskutierten Adverbialklassen – direktionale, lokale, modale, bereichslimitierende – werden gar nicht oder nur peripher durch Konnektorkonstruktionen kodiert; andererseits treten Kombinationen von mehreren sententialen Adverbialia verschiedener Klassen nur selten auf. Adverbkonnektoren haben aufgrund ihrer anknüpfenden, häufig auch phorischen Eigenschaften wiederum besondere Eigenschaften, die nicht unbedingt denen eines nicht-konnektoralen Adverbs der gleichen Klasse entsprechen müssen. Die gründliche Darstellung der Linearstruktur in der GDS (E4) ist nach den einzelnen Feldern geordnet. Für die Adverbialsupplemente gilt auch hier wieder, dass satzförmige Adverbialia nicht speziell berücksichtigt werden. Für die hier Nullstelle genannte Desintegrationsposition sind vor allem die Untersuchungen von Altmann (1981) zu Linksversetzung und Freiem Topik einflussreich. Das Auftreten von Adverbialia in diesen Positionen und der Zusammenhang mit der (häufig nicht-propositionalen) Semantik ist im letzten Jahrzehnt verstärkt untersucht worden; vgl. etwa Haegeman (2004), Frey (2004b, 2005, 2011) und die Beiträge in Shaer et al. (Hg.) (2008). Die genannten Darstellungen der Linearstruktur verwenden Belege meist nur zum Zwecke der Illustration; sie versuchen aber keine korpusbasierte Auslotung, welchen konkreten Gebrauch Sprecher von dem mit der jeweiligen grammatischen Struktur gegebenen topologischen Variationsspielraum machen.  

Um auf die Frage, in welcher Verteilung und auf der Basis welcher Kriterien Sprecher im konkreten Gebrauch die grammatisch und lexikalisch gegebene topologische Variabilität von Konnektorkonstruktionen nutzen, fundierte und abgesicherte Antworten geben zu können, müssten entsprechend umfangreiche und differenzierte Korpusdaten zur Verfügung stehen. Das konnte im Rahmen der Arbeit an diesem Band nicht in wünschenswerter Weise geleistet werden. Wir haben behelfsweise an vielen Stellen für die Ermittlung der Positionspräferenzen eines Adverbkonnektors oder der Abfolgepräferenz bei Subjunktoren von der Methode der Stichprobenauszählung Gebrauch gemacht, bei der jeweils 100 (mitunter auch 200) Belege aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) am IDS manuell ausgewertet wurden. Auf diese Weise lassen sich doch – mit einiger Vorsicht – Linearisierungstendenzen sowie Zusammenhänge zwischen Linearstruktur, Bedeutungsstruktur und Informationsstruktur bei Konnektorkonstruktionen erkennen. Wir gehen zunächst auf die Präferenzen der Konnektabfolge bei Konnektoren ein, die Anteposition und Postposition ihres internen Konnekts erlauben (Subjunktoren, V2S-Einbetter, einige Einzelgänger), und besprechen dann die topologischen Positionen des Felderschemas einzeln, um auch Positionspräferenzen von Adverbkonnektoren erfassen zu können.

4.3.3.1 Präferenzen in der Konnektabfolge bei konjunktionalen Konnektoren mit variabler Abfolge Die Verteilung derjenigen asymmetrischen semantischen Relationen, die auf einem konzeptuellen A NTEZEDENS -(K ON -) SEQUENS -Verhältnis wie G RUND – F OLGE , früher –

176

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

später o. ä. aufbauen, auf die syntaktischen Konnektorenklassen lässt deutliche Züge von Ikonismus erkennen, insofern bei syntaktischen Konnektorenklassen mit nicht variabler Abfolge der Konnekte (Adverbkonnektoren, Postponierer) das interne (und linear obligatorisch als zweites auftretende) Konnekt signifikant häufiger das NT EZEDENS -Relat, das linear obligatorisch das erste S EQUENS -Relat kodiert als das A NTEZEDENS Konnekt ist. Damit ist die Abfolge ikonisch. Interessanterweise lässt sich Ikonismus nun auch bei den Konnektoren mit variabler Konnektabfolge beobachten – nämlich in der Form von Gebrauchspräferenzen, die im Einzelfall so stark ausgeprägt sein können, dass sie nahe an eine Syntaktifizierung des frequenten Gebrauchsmusters heranreichen. Dieser Extremfall wäre dann gleichbedeutend mit dem Übertritt eines Konnektors aus einer syntaktischen Subklasse mit variabler Abfolge in eine Subklasse mit fester Abfolge, im Falle von Verbletzt regierenden Konnektoren also vom Subjunktor zum Postponierer. Ein solcher Fall ist etwa temporales bis dass (s. C1.4.2). Bei den temporalen Sequenzkonnektoren bevor, ehe und nachdem zeigen sich in der Verteilung der Positionen deutliche Kennzeichen einer zeitikonischen Anordnung: Bei bevor und ehe (die das zeitliche Sequens markieren) überwiegt die Postposition des internen Konnekts mit 65% (bevor) und 86% (ehe). Bei Verknüpfungen NTEZEDENS EZEDENS markiert, überwiegt dagegen mit 60% die mit nachdem, das das zeitliche A NT Anteposition (oder Einschub) des internen Konnekts (bei einer Datenbasis von 100 Belegen) (s. Tab. C1-7). Beim temporalen syntaktischen Einzelgänger kaum haben 99 von 100 Belegen anteponiertes internes Konnekt (s. Tab. C1-12). Da das interne Konnekt von kaum das zeitliche A NTEZEDENS in einer temporalen Sequenzrelation denotiert, ist die präferierte Anordnung also ikonisch. Bei einer solchen Beleglage können nur weitere, qualitative Korpusauswertungen zu der Entscheidung beitragen, ob der syntaktische Einzelgänger kaum auch ein lexikalisches Merkmal „anteponiertes internes Konnekt“ erhält. Dagegen spricht einstweilen die Akzeptabilität von Beispielen wie (68):  

(68)

Er eilte nach Hause, kaum hatte der Regen aufgehört.

Gegen eine prinzipielle Wirksamkeit eines konzeptuell basierten Ikonismus spricht z. B. die Tatsache, dass das A NTEZEDENS markierende kausale zumal ausschließlich postponiert vorkommt und folglich in der Liste der Konnektoren hier auch als Postponierer angeführt wird. Man kann aber wiederum Ikonismus auf einer anderen als der konzeptuellen Ebene unterstellen, nämlich aus informationsstruktureller Sicht. Aus dieser Perspektive ist die Postposition von fokalem Material der unmarkierte Fall und die Angabe einer Ursache ist kommunikativ eben oft ein wichtiger oder gar der wichtigste Teil einer Mitteilung – die Ursache ist mittels einer Warum-Frage auch fokussierbar. Der informationsstrukturelle Unterschied zwischen da und weil spiegelt sich auch in der Linearisierungspräferenz: Das kausale da zeigt gegenüber weil ein völlig anderes  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

177

Linearisierungsprofil, das eben dem Prinzip „bekannte Information vor neuer Information“ folgt (vgl. Breindl/Walter 2009: 107). Das gleiche gilt für konzessives obwohl gegenüber konzessivem wenngleich oder wiewohl: Auch hier schlägt sich der informationsstrukturelle Unterschied in der Linearisierungspräferenz nieder (s. Tab. A4-3). Der konzeptuell basierte Ikonismus ANTEZEDENS vor (KON ) SEQUENS kann also auch im Widerspruch stehen zu dem informationsstrukturell basierten Ikonismus Bekannt vor Neu. Im Gesamtinventar der Konnektoren scheint der konzeptuell basierte Ikonismus eher Auslöser von Grammatikalisierung zu sein und manifestiert sich in den Präferenzen der Zuordnung von semantischen Klassen zu syntaktischen Klassen, während sich informationsstruktureller Ikonismus eher in Gebrauchspräferenzen niederschlägt. Inwieweit diese wiederum eine Quelle für Grammatikalisierungsprozesse sind, können erst Korpusstudien an historischen Querschnittkorpora zeigen.

4.3.3.2 Nullstelle Auf das topologische Phänomen der Desintegration als Gegenpol zur Einbettung wurde bereits in A1.2 eingegangen. Desintegriert an der Nullstelle können Adverbkonnektoren, Subjunktorphrasen, V2S-Einbetterphrasen und Konjunktoren auftreten, jedoch keineswegs alle. In Breindl (2009) wurden Argumente dafür ins Feld geführt, dass diese Position nicht identisch ist mit der Standardposition von Konjunktoren wie und und oder, die zwischen ihren Konnekten, aber eben mit prosodischer Integration auftreten. Subjunktorphrasen (69a), Konnektoren aus der Gruppe weil, wobei, während etc. mit V2 im internen Konnekt (vgl. etwa A1.5.2) (69b), Konjunktoren (69c) und Adverbkonnektoren (69d) in desintegrierter Position zeigen ein weitgehend identisches Verhalten, und sie unterscheiden sich deutlich von ihren integrierten Pendants (69e–g), in Eigenschaften wie Durchlässigkeit für epistemische Operatoren, Zulässigkeit von Konjunktionalflexion in Dialekten, die dies prinzipiell erlauben, Möglichkeit von Vorwärtsellipsen sowie im Vorliegen besonderer Interpretationseffekte, die sich nur bei des desintegrierten Varianten einstellen. (69a) (69b) (69c) (69d)

(69e) (69f)

Wenn du mich fragst, wer will schon in einem Hotel in der Badstraße wohnen? In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel. Wobei, wer will da schon wohnen? In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel. Aber/Und: Da will keiner wohnen. In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel. Allerdings, da will auch keiner wohnen. In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel, wobei da ohnehin keiner wohnen will. In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel, aber/und [es gibt] nur wenige Restaurants.

178

(69g)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

In der Badstraße gibt es ein billiges Hotel. Allerdings will da auch keiner wohnen.

Das Auftreten von Konnektoren bzw. Konnektorphrasen an der Nullstelle unterliegt vor allem semantischen Restriktionen, die sich bei allen nullstellenfähigen Konnektoren bzw. durch Konnektoren gebildeten Phrasen nachweisen lassen (vgl. die Liste mit Beispielen in Breindl 2009). Diese Restriktionen entsprechen nun genau denjenigen bei Matrixsatzprädikaten von V2-Komplementsätzen. Auch hier gelten nämlich im Wesentlichen die zwei Restriktionen, dass a) keine präsupponierenden Prädikate und dass b) keine negierenden oder modal abschwächenden Prädikate (vgl. Reis 1997, GDS: 1454 ff., Auer 1998) auftreten dürfen. Damit lässt sich festhalten: a) Der auf einen Konnektor in Nullstelle folgende Satz darf nicht von außen in seinen Wahrheitsbedingungen beeinflusst werden. (Deshalb sind temporale und konditionale Adverbkonnektoren und Subjunktorphrasen an der Nullstelle ausgeschlossen.) Er darf aber auch keinen Einfluss auf die Wahrheitsbedingungen des Vorgängersatzes haben. (Das erklärt die Nicht-Existenz temporaler „V2-Subjunktoren“.) In einer Struktur aus Matrixsatz und Komplement wäre dies gleichbedeutend mit einem Hineinregieren „nach links“ in die Matrixsatzstruktur bzw. über diese hinweg, was schon aus syntaktischen Gründen ausgeschlossen ist. b) Ein auf einen Konnektor an der Nullstelle folgender deklarativer V2-Satz ist assertierend und darf nicht präsupponiert sein. (Das erklärt die Nicht-Existenz von da-V2 und den Ausschluss von nicht-fokalen V2-Sätzen nach V2-weil bzw. denn.) Er ist eine „eigene Mitteilungseinheit mit eigener Fokus-Hintergrund-Struktur, die gleichgewichtig neben der Informationsstruktur des ‚Matrixsatzes‘ steht“ (Altmann 1997, S. 75). c) Adverbkonnektoren, Subjunktoren und Adverbialsätze an der Nullstelle haben tendenziell eine nicht-propositionsbezogene (einstellungs- oder äußerungsbezogene) Lesart. Die Nullstelle hat Disambiguierungsfunktion, wenn ein Konnektor eine propositionsbezogene und eine nicht-propositionsbezogene Interpretation hat.  



4.3.3.3 Vorfeld Das Vorfeld enthält bevorzugt und im informationsstrukturell unmarkierten Fall Material, das zum Hintergrund gehört, das in der Diskurssituation gegeben oder erschließbar ist oder an alte Information anknüpft (vgl. GDS: 1505, 1641; Doherty 2001; Überblick bei Musan 2002a). Oft – aber keineswegs obligatorisch – findet sich dort der Gegenstand, über den im Restsatz etwas ausgesagt wird, das Topik im Sinne eines „Aboutness-Topiks“. Adverbkonnektoren und Konnektorphrasen eignen sich

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

179

nun weniger als Topiks in diesem Sinne, da sie Adverbialia sind, die Sachverhalte näher spezifizieren. Sie können aber die Funktion von Rahmenadverbialia übernehmen, wozu insbesondere die temporalen gut geeignet sind, was im Abschnitt zum Thema Rahmensetzendes Topik besprochen wurde (s. A4.3.1.2, iv). (70) (70a)

Als Rotkäppchen so vor sich hin lief, begegnete ihr ein Wolf. Damals/Dann/Daraufhin begegnete ihr ein Wolf.

Auch wenn Adverbkonnektoren keine guten Aboutness-Topiks abgeben, erscheinen insbesondere die Pronominaladverbien unter ihnen dennoch vorzugsweise relativ weit links, was damit zu tun hat, dass anknüpfendem Material wie Pronomina generell eher früh platziert wird. Diese Adverbkonnektoren stehen entweder relativ weit links im Mittelfeld oder im Vorfeld; in diesem Fall wird das Topik dann im Mittelfeld realisiert. Für konzessive Adverbkonnektoren wurden die Stellungspräfenzen an einer Stichprobe von 100 Belegen ermittelt. Tab. A4-3: Positionspräferenzen konzessiver Adverbkonnektoren nichtsdestotrotz

trotzdem

dennoch

Vorfeld

74

52

50

Mittelfeld

11

39

45

NULL

9

1

2

integriert in NP

2

1

2

nicht analysierbar/irrelevant

4

7

1

100

100

100

N

Von den kausalen haben lediglich darum und schließlich eine deutlich stärkere Tendenz zur Vorfeldposition als zur Mittelfeldposition (vgl. Breindl/Walter 2009: 107); auch das in Breindl/Walter nicht berücksichtigte von daher tritt zu 77% in Vorfeld auf (gegenüber 20% Mittelfeld, bei einer Stichprobe von 100 Belegen). Bei deshalb, deswegen, folglich zeigt die Verteilung Mittelfeld und Vorfeld keine auffälligen Präferenzen, bei daher und also überwiegt Mittelfeldposition (vgl. auch die Daten in Frohning 2007: 222). Fokussierung ist im Vorfeld natürlich auch für die meisten Adverbkonnektoren und Subjunktorphrasen möglich, doch ist dies immer die markierte Option.

4.3.3.4 Nacherstposition Die Nacherstposition ist eine besondere „Ausbauposition“ von Verbzweitsätzen, die mit einer spezifischen lexikalischen Füllung, nämlich den nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren, und einer spezifischen prosodischen und informationsstruk-

180

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

turellen Form einhergeht. In Breindl (2008 und 2011) wurde die Besetzung der Nacherstposition durch Adverbkonnektoren als Konstruktionsmuster beschrieben und von Konstruktionen mit Fokuspartikeln (die in dieser Position ebenfalls auftreten können, aber ganz andere prosodische, semantische und informationsstrukturelle Eigenschaften haben) abgegrenzt.25 Adverbkonnektoren in der Nacherstposition haben neben ihrer propositionsverknüpfenden Funktion eine Art informationsstrukturellen Nebenjob: Sie kennzeichnen in den meisten Fällen einen Topikwechsel. In Verbindung mit adversativen Adverbkonnektoren ist dieses neu etablierte Topik gleichzeitig ein kontrastives Topik. Adverbkonnektoren in der Nacherstposition erzwingen auf der Vorfeldkonstituente einen steigenden Akzent (der auch für die leise Prosodie beim Lesen gilt) und erleichtern dadurch die Verarbeitung. Die prosodische Realisierung dieser Konstruktion wurde bereits in A4.3.1.2 beschrieben. An dieser Stelle soll auf die Verteilung der nacherstfähigen Konnektoren auf die semantischen Klassen eingegangen werden. Tab. A4-4: Distribution nacherstfähiger und nicht nacherstfähiger Adverbkonnektoren auf semantische Klassen semantische Klasse

nacherstfähig

nicht nacherstfähig

temporal

nun, dann, endlich, sodann, schließlich, schlussendlich

abermals, daraufhin, davor, danach, inzwischen, seitdem, vorher, währenddessen, wieder(um)

adversativ

aber, allerdings, andererseits, dafür, dagegen, freilich, hingegen, hinwieder(um), indes(sen), jedoch, wieder, wiederum

währenddessen, demgegenüber, dementgegen

kausal-G G RUND markierend

nämlich, schließlich

kausal-FF OLGE markierend

also, folglich, mithin

deshalb, deswegen, daher, darum, demzufolge, infolgedessen

metakommunikativ

beispielsweise, zum Beispiel, etwa, übrigens

überhaupt, genauer gesagt, mit anderen Worten, kurz gesagt, auf gut Deutsch (nur parenthetisch)

skalierend (darunter kanonische Fokuspartikeln)

allenfalls, auch, bereits, allein, besonders, bestenfalls, bloß, erst, gar, immerhin, insbesondere, in Sonderheit, jedenfalls, lediglich, mindestens, noch, nur, schon, vor allem, wenigstens, zumal, zumindest

25 Die zur These der Topikwechselmarkierung kritische Arbeit von Karagjosova (2012) konnte aus zeitlichen Gründen nicht mehr inhaltlich berücksichtigt werden.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

semantische Klasse

nacherstfähig

181

nicht nacherstfähig

additiv

außerdem, dazu, daneben, darüber hinaus, ebenfalls, ebenso, ferner, noch dazu, obendrein, zudem, überdies, darüber hinaus, weiterhin

negativ-additiv

stattdessen, vielmehr

negativ-konditional

andernfalls, ansonsten

instrumental

dazu, hierzu, dafür, hierfür; damit, hiermit, somit, dadurch, hierdurch

konzessiv

dennoch, dessen ungeachtet, gleichwohl, nichtsdestotrotz, trotzdem, ungeachtet dessen

An dieser Distribution ist festzuhalten: a) Bestimmte semantische Relationen können nicht mit Konnektoren in der Nacherstposition kodiert werden. b) Bei denjenigen semantischen Relationen, die durch nacherstfähige und nicht-nacherstfähige Konnektoren kodiert werden können, sind tendenziell Konnektoren mit der Form eines Pronominaladverbs nicht nacherstfähig. c) Unter den skalierenden Konnektoren finden sich neben echten Fokuspartikeln, die nicht mit einer Topik-Konstituente assoziiert werden können, auch solche, die sowohl mit einem Topik als auch mit dem Fokusträger auftreten können. (71a) (71b)

Nur wenig ist bekannt, aber DAS\ zumindest wissen wir sicher. Entmachtet sich der Gemeinderat heute selbst? /DAS zumindest befürchtet die FDP\.

d)

Bei den kausalen Adverbkonnektoren korreliert die Scheidung zwischen nacherstfähig und nicht-nacherstfähig weitgehend mit ihrer Klassifikation nach Verknüpfungsebenen bzw. Typ der verknüpften Entitäten. Nacherstfähigen Kausalkonnektoren sind eher solche, die auf der epistemischen oder auf der Sprechaktebene verknüpfen. Bei den temporalen haben die nacherstfähigen Konnektoren eher diskursbezogene Funktion als temporal situierende. Rein temporal-positionelle Adverbkonnektoren wie davor, vorher, danach, seitdem etc. sind hier nicht möglich.

e)

Aus diesen Einzelbeobachtungen heraus kann aber keine übergreifende semantische Regularität für die Nacherstposition abgeleitet werden. Allenfalls ist eine Tendenz auf

182

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

der Ebene der lautlichen Form erkennbar, nämlich dass Konnektoren in der Nacherstposition phonologisch nicht allzu schwer sein dürfen.

4.3.3.5 Mittelfeld Für satzförmige Konstituenten ist das Mittelfeld generell aus verarbeitungstechnischen Gründen eine ungeeignete Position. Komplementsätze können hier allenfalls dann auftreten, wenn ihre syntaktische Funktion auch morphologisch gekennzeichnet ist (über ein pronominales oder pronominaladverbiales Korrelat oder durch einen einleitenden w-Ausdruck im Falle der freien Relativsätze), Belege dafür sind äußerst spärlich. Aber auch vollständige Supplementsätze (Subjunktorphrasen, V2S-EinbetterPhrasen, Phrasen mit den oben genannten Einzelgängern) sind im Mittelfeld eher selten belegt und wenn, dann häufig parenthetisch eingeschoben (vgl. Konopka 2006; für da und weil vgl. die Daten in Breindl/Walter 2009: 107). In den von uns ausgezählten Fällen von finiten Subjunktorphrasen machen sie jeweils deutlich unter 10% aus (s. die jeweiligen Werte für „eingeschoben“ in den Tabellen zu den Linearisierungspräferenzen bei bevor, ehe, nachdem Tab. C1-7, sowie, sobald, kaum Tab. C1-11 und konzessiven Subjunktoren C4.3-2). Eine typische eingeschobene Subjunktorphrase präsentiert Nebeninformation, die nichts zur Beantwortung der Quaestio beiträgt. (72a)

Schließlich konzentriert ich mich – weil mich ohnehin nichts anderes interessiert – auf die Auskunft zum Thema Essen. Doch es gab so gut wie keine. (Die Zeit, 10.06.1999, S. 17; Bsp. aus Konopka 2006: 117) Der Brite Nigel Barley – wenngleich in seiner Zunft nicht unumstritten – hat den „Feldforschungsbericht“ durch selbstironische Reflexionen über sein Tun als literarisches Genre rehabilitiert. (die tageszeitung, 23.09.1999, S. 15)  

(72b)



Häufiger sind eingeschobene elliptische, kurze Subjunktorphrasen ohne Finitum. Diese treten insbesondere bei den konzessiven Subjunktoren wenn (…) auch (s. C4.3.5.3) und wenngleich (s. C4.3.5.2) auf. Allerdings kann nicht jeder Fall von Mittelfeldstellung auch als Einschub gewertet werden. In (73) liegen Verknüpfungen von eingebetteten Konnekten vor und die wiewohl-Phrase ist ihrem externen Konnekt, der Adjektivphrase, postponiert. (73)

Und so kehren wir erleichtert, wiewohl schnaufend und schwitzend, zu unserem Ausgangspunkt zurück. (die tageszeitung, 03.11.1988, S. 13)  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

183

Dieselbe Postposition wäre in anderer Position der Linearstruktur genauso möglich: (73a) (73b)

Erleichtert, wiewohl schnaufend und schwitzend, kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Wir kehren zu unserem Ausgangspunkt zurück, erleichtert, wiewohl schnaufend und schwitzend.

Mittelfeldposition einer Subjunktorphrase ist aber nicht auf Hintergrundinformation beschränkt, sondern kann auch mit Fokussierung einhergehen. Da die Subjunktorphrase auch in diesem Fall parenthetisch eingeschoben ist, ergibt sich dadurch die Möglichkeit, sowohl in der Subjunktorphrase als auch im externen Konnekt jeweils einen eigenen Fokusakzent zu platzieren. Auch Strukturen dieser Form sind aber äußerst selten. (74)

Der Hang zum Archetypischen löst die Bilder aus einem begrenzten Rahmen und macht sie sehr zeitgemäss. Sie sind, gerade weil sie weit zuRÜCKkzugreifen vermögen, nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die ZUkunft bezogen. (St. Galler Tagblatt, 21.11.1998, o. S.) Die Wahnsinnigen der ganzen Welt aber werden immer wieder versuchen, die USA zu Fall zu bringen oder ihr doch wenigstens einen Gesichtsverlust beizubringen. Die Vereinigten Staaten sind, gerade weil sie MÄCHtig sind, extrem geFÄHRdet. (Berliner Zeitung, 22.09.2001, S. 2)  

(75)



Für die Adverbkonnektoren ist das Mittelfeld dagegen eine unauffällige Position. (76)

Man entschloß sich, den Gebäudekomplex um 70 Meter zu verschieben und nicht mehr in der ursprünglich vorgesehenen Kompaktbauweise zu errichten. In seiner mündlichen Begründung rügte Gerichtspräsident Horst Sendler, daß die Genehmigungsbehörde die Anlage dennoch zunächst nach den ursprünglichen Plänen genehmigte und ganze 11 Tage später die Freigabe für die geänderte Anlage erteilte. (die tageszeitung, 10.09.1988, S. 1)  



Einige Adverbkonnektoren wie z. B. „kausales“ doch, das nur in V1-Sätzen belegt ist, können überhaupt nur im Mittelfeld auftreten. Das kausale nämlich kann im Mittelfeld und in der Nacherstposition auftreten. Einige Adverbkonnektoren können überhaupt nur im Mittelfeld erscheinen. Sie teilen außer dem Vorfeldverbot mit den Modalpartikeln die Eigenschaft, dass sie im Mittelfeld die Grenze zwischen dem Hintergrund und dem fokalen Bereich markieren und nicht nach dem Fokusexponenten auftreten können (vgl. Thurmair 1989, Moroni 2006, 2010).  

(77a)

Hans ist traurig. Er hat in der Mensa nämlich sein teures KonnekTOrenhandbuch liegen lassen.

184

(77b) (77c)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

*Er hat in der Mensa sein teures KonnekTOrenhandbuch nämlich liegen lassen. Hans ist pleite. Er hat nämlich einer guten Freundin ein teures KonnekTOrenhandbuch geschenkt. ?Er hat einer guten Freundin nämlich ein teures KonnekTOrenhandbuch geschenkt. Er hat sein teures Konnektorenhandbuch einer guten FREUNdin nämlich geschenkt.

4.3.3.6 Nachfeld Das Nachfeld26 ist die unmarkierte Position von sententialen Adverbialia, wenn diese fokale, nicht präsupponierte Information enthalten und wenn nicht aus Gründen des konzeptuellen Ikonismus (temporale Rahmensetzung, Bedingung vor Folge etc.) eine Voranstellung die natürlichere, ikonische Abfolge ist. Für nicht-fokussierte Adverbkonnektoren ist die Nachfeldposition vielfach nicht möglich oder aber sie ist extrem markiert; Belege dafür finden sich so gut wie gar nicht. Sofern z. B. kausale Adverbkonnektoren nach der rechten Satzklammer auftreten, handelt es sich fast ausnahmslos um fokussierte Nachträge, die meist als Kopf einer attributiven Korrelatkonstruktion fungieren.  

(78)

Generell gelänge es jedoch „äußerst selten“, Sozialhilfeempfängern zu einer Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt zu verhelfen. Vor allem deshalb, weil ihnen zu wenig Qualifizierungsmöglichkeiten geboten würden. (Tiroler Tageszeitung, 13.05.1997, o. S.) So wie Hannes Fleischhacker, ein rotwangiger Bauer aus der Kärntner Provinz. Plakate hat er geklebt für den Jörg, „gerannt bin ich für ihn“, und zwar damals schon, als noch niemand Herrn Haider kannte. (Berliner Zeitung, 13.11.2002, S. 3) Zwischen 18 Uhr abends und sechs Uhr morgens finden pro Jahr allein 150 Verhaftungen statt – und somit genau dann, wenn Verteidiger Feierabend haben. (die tageszeitung, 08.01.2000, S. 24)  

(79)



(80)



26 Streng genommen müsste man auch in der rechten Peripherie analog zur linken etwas genauer unterscheiden. In der Tradition von Altmann (1981) wird rechts von der rechten Satzklammer ausgeklammertes Material unterschieden von der Extraposition von Glied- und Gliedteilsätzen, die dort teilweise obligatorisch stehen. Für die Kombination von ausgeklammertem, nicht-sententialem Material und extraponierten Glied- und Gliedteilsätzen gibt es Abfolgebeschränkungen, die auf die Notwendigkeit einer feineren Strukturierung hinweisen.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

185

Da die Nachfeldposition für Adverbkonnektoren schwer zu belegen ist, für die Subklassifikation nicht maßgeblich war und auch nicht mit einem bestimmten semantischen oder informationsstrukturellen Profil verknüpft ist, haben wir in der Liste der Konnektoren von einer Angabe dieser Positionsmöglichkeit anders als in HDK-1 abgesehen.

Anna Volodina

A4.4 Ebenen der Verknüpfung Wenn eine spezifische Konnektorkonstruktion zwischen den von den Konnekten ausgedrückten Propositionen keinen Sinn ergibt, die Konstruktion als Ganze aber als wohlgeformt empfunden wird, so verknüpft der Konnektor epistemisch bewertete Propositionen oder er operiert auf der Ebene der Sprechakte. Ein Beispiel dafür ist (81), das bereits seit Austin (1961) in der Linguistik viel diskutiert wird. (81)

Es gibt Plätzchen auf dem Sideboard, wenn du welche willst.

Eine Konditionalrelation der Art, bei der sich das A NTEZEDENS auf die Proposition des K ONSEQUENS bezieht, wie z. B. in (81a), kann in diesem Fall nicht gemeint sein. Sinnvoll ist dagegen eine Interpretation wie in (81b):  

(81a) (81b)

Für den Fall, dass du die Plätzchen willst, sind die Plätzchen auf dem Sideboard. Für den Fall, dass du Plätzchen willst, teile ich dir mit, dass sie auf dem Sideboard sind.

An Beispiel (81c) wird darüber hinaus deutlich, dass die Interpretation auch durch formale Merkmale gesteuert werden kann: Das interne Konnekt ist in die Struktur des externen Konnekts weder syntaktisch eingebettet noch prosodisch integriert, eine propositionale Interpretation der konditionalen Relation ist hier nicht möglich. (81c)

Wenn du Plätzchen willst, sie sind auf dem Sideboard.

D. h., während für (81) zumindest ein Märchenszenario denkbar wäre, in dem die Existenz von Plätzchen auf dem Sideboard tatsächlich von dem Willen des Zuhörers abhängt (vgl. 81a), ist für (81c) eine solche Interpretation gar nicht möglich. Wie solche Unterschiede systematisch analysiert werden können, wird im Folgenden an Beispielen erläutert.  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

187

4.4.1 Eine Relation – mehrere Lesarten: Das Konzept des Drei-Ebenen-Modells Die genannten Unterschiede in der Interpretation und damit korrelierende Formeigenschaften werden in der Linguistik etwa seit Anfang der 90er-Jahre27 besonders intensiv diskutiert. Sprachübergreifend liegen gut dokumentierte Untersuchungen insbesondere zu den Kausalen und Konditionalen vor, auch unter Berücksichtigung gesprochensprachlicher Daten: z. B. zum Deutschen Keller (1993, 1995), Günthner (1993), Pasch (1997), Scheutz (1998a, b, 2001), Pittner (1999), Breindl (2009), Breindl/ Walter (2009), Antomo/Steinbach (2010), Volodina (2011a, b), Reis (2013); außerdem Athanasiadou/Dirven (2000) zum Englischen, Pander Maat/Sanders (2000) und Pander Maat/Degand (2001) zum Niederländischen, Degand/Pander Maat (2003) zum Französischen und Niederländischen, Pit (2003) zum Niederländischen, Deutschen und Englischen, Kitis (2006) zum Griechischen, Huelva Unternbäumen (2005) zum Spanischen, Dancygier (2009) zum Polnischen, Niederländischen und Englischen sowie ein Großteil der Beiträge des Sammelbands Causal Categories in Discourse and Cognition von Sanders/Sweetser (Hg.) (2009) zum Niederländischen und Englischen. Alle oben genannten Arbeiten nehmen in unterschiedlichem Maße Bezug auf die kognitive Theorie von Eve Sweetser (1990), die anders als ihre Vorgänger nicht von zwei Bezugsgrößen – propositional (81a) vs. nicht-propositional (81b/c) – ausgeht, sondern mit der Annahme einer im Sinne von Lakoff/Johnson (1980) metaphorischen28 Extension von drei „Gebrauchsdomänen“ spricht: Nach Sweetser kann eine Äußerung auf drei kognitiven Bezugsebenen interpretiert werden – der propositionalen Ebene (content domain), der epistemischen Ebene (epistemic domain) und der Sprechaktebene (speech act domain). Diese unterscheiden sich voneinander wie folgt: a) Auf der propositionalen Ebene besteht eine Relation zwischen zwei Propositionen, die auf Sachverhalte in einer realen oder möglichen Welt referieren; b) auf der epistemischen Ebene wird eine Proposition in Relation zu einer epistemisch bewerteten Proposition gesetzt; c) und schließlich wird auf der Sprechaktebene eine Proposition in Relation zu einem Sprechakt gesetzt.  

27 Auch wenn die Unterscheidung nach unterschiedlichen Bedeutungsebenen von Konnektoren bereits in den Arbeiten von Halliday/Hasan (1976), Pasch (1982) und Granito (1984) zumindest ansatzweise gemacht wurde, setzte sich doch erst das Modell von Sweetser (1990) in der linguistischen Forschung durch. 28 Der in Sweetser verwendete Begriff Metapher oder konzeptuelle Metapher geht im Wesentlichen auf Lakoff/Johnson (1980) zurück. Für sie ist Metapher eine wesentliche Komponente unseres Denkens. Mit der Metaphorisierung erklärt die kognitive Linguistik den assoziativen Sprung, der durch Analogiebildung zwischen zwei sprachlich ähnlichen, distinktiven konzeptuellen Bereichen gemacht wird.

188

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Die propositionale Ebene gilt dabei als die Basisebene, bei den beiden anderen handelt es sich in der Terminologie von Sweetser um metaphorische Ebenen. Anders als propositionale Verknüpfungen sind Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene und auf der Sprechaktebene dahingehend asymmetrisch, dass die Relata von unterschiedlichem Typ sind und immer nur eines der Relata metaphorisch verwendet wird. Diese Beobachtung ist insbesondere für die konditional basierten Relationen wichtig, weil es immer die Proposition des K ONSEQUENS einer konditional basierten Relation ist, die metaphorisch verwendet wird. Das A NTEZEDENS wird dagegen stets propositional interpretiert. Ob in einem gegebenen Fall eine Relation auf einer der metaphorischen, „abstrakten“ Ebenen vorliegt oder auf der propositionalen, „konkreten“ Ebene, ist letztendlich darauf zurückzuführen, ob eine spezifische Relation zwischen den propositionalen Gehalten der Konnekte interpretierbar ist oder nicht. Dies beeinflusst aber nicht die Bedeutung von Konnektoren als Verknüpfer dieser Relationen. Denn Sweetser postuliert, dass alle Konnektoren unabhängig von der Art der Verknüpfung eine einzige Grundbedeutung haben. Die Möglichkeit, auf mehreren Bezugsebenen zu verknüpfen, konstituiert keine lexikalische Mehrdeutigkeit eines Konnektors. Da die gewünschte Interpretation sich im Falle der propositionalen Lesart aus dem Kontext bzw. dem allgemeinen Weltwissen und im Fall der epistemischen und sprechaktbezogenen Lesart aus dem gemeinsamen Wissen über die Situation ergibt, plädiert Sweetser für diejenigen Konnektoren, die auf allen Bezugsebenen verknüpfen können, für die Annahme der sogenannten „pragmatic ambiguity“ anstatt von lexikalischer Polysemie. Bezogen auf das in diesem Handbuch zugrunde gelegte Verständnis der Bedeutungen von Konnektoren könnte man auch sagen: Die Bedeutung des Konnektors bleibt gleich, weil die Relatrollen als kausale Rollen G RUND und F OLGE konstant bleiben. Lexikalische Polysemie eines Konnektors liegt nur dann vor, wenn mit dem Wechsel der Ebene auch ein Wechsel in eine andere semantische Klasse verbunden ist und damit die Relatrollen verschieden sind (s. auch A3). So ist der Adverbkonnektor schließlich bei propositionaler Verknüpfung temporal (im Sinne von „Abschluss einer Sequenz“) und bei nicht-propositionaler Verknüpfung kausal (im Sinne von „denn“) zu lesen: (82)

Sie lasen weiter, bissen sich an neuen Sätzen fest, um schließlich doch zu PROTEMP verstehen. (die tageszeitung, 24.12.1986, S. 5) Ich will der Telefonseelsorge nicht in ihre Arbeit reden. Sie hat schließlich mehr Erfahrung als ich. EPSKAUS (Beispiele aus Breindl/Waßner 2006: 53)  

(83)

Für das HDK-2 ist der Ansatz von Sweetser insofern interessant, als damit die Existenz gewisser Korrelationen zwischen einem Bündel formaler Mittel wie syntaktischer und prosodischer Struktur, syntaktischem und lexikalischem Typ des Konnektors und der Interpretation der Relation auf einer der Ebenen voraussagbar ist. Mit ihrem Ansatz lässt sich zum Beispiel der Unterschied zwischen den weil-V2- und weil-VL-Strukturen

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

189

synchron durch unterschiedliche Art der Ebenenverknüpfung erklären (vgl. Keller 1993). Die Unterscheidung nach drei verschiedenen Arten der Verknüpfung hat sich – zumindest im kausalen Bereich – mittlerweile in Grammatiken sowie einschlägigen Beiträgen zu Handbüchern (GDS, Duden-Grammatik 2005, Fabricius-Hansen 2007) durchgesetzt. Vielfach wird die These vertreten, dass es in vielen Sprachen Konnektoren gibt, die hinsichtlich der Bezugsebene vollspezifiziert sind, und solche, die unterspezifiziert sind (vgl. Sweetser 1990, Keller 1993, Crevels 2000, Sanders/Sweetser (Hg.) 2009). In HDK-1 wird in Anlehnung an Sweetser zwischen Konnektoren unterschieden, die auf allen drei Ebenen verknüpfen können – wie weil, wenn, obwohl – und solchen, die aufgrund ihrer syntaktischen Einschränkung und informationsstruktureller Eigenschaften eingeschränkter verwendet werden und nur auf der epistemischen Ebene und auf der Sprechaktebene verknüpfen wie z. B. denn, da, nämlich und zumal (vgl. kritisch Breindl/Walter 2009); vollspezifiziert schließlich sei indem, das ausschließlich propositionale Verknüpfungen zulässt. Der Ansatz Sweetsers ist in manchen Punkten problematisch. Der vielleicht wichtigste ist, dass ihr Ansatz vorsieht, dass die Verknüpfungen einer Ebene über die Relationen hinweg eine Klasse mit gemeinsamen Eigenschaften bilden können. Wenn dies so wäre, würden die formalen Merkmale mit den Ebenen relationsübergreifend und unabhängig von der syntaktischen Subklasse des Konnektors korrelieren, was nicht der Fall ist (vgl. Volodina 2011a). Ein weiterer wesentlicher Nachteil ist die nicht ausreichende Differenzierung zwischen den Bezugsebenen, die von Sweetser anhand konstruierter Einzelbeispiele diskutiert wird. Dies führt dazu, dass von den anderen, mit derselben Problematik beschäftigten Autoren sowohl feinkörnigere Unterscheidungen in Erwägung gezogen werden, in denen mehrere Arten von Sprechaktlesarten bzw. epistemischen Lesarten unterschieden und weitere Bezugsebenen eingeführt werden (vgl. etwa das Modell der „layered structure“ der funktionalen Grammatik bei Dik et al. 1990, Crevels 2000, ferner Lang 2000), als auch gröbere Unterscheidungen – wie etwa die Unterscheidung nur nach propositionalen vs. nicht-propositionalen Lesarten (Motsch/Pasch 1987) bzw. semantischen vs. pragmatischen Relationen (Knott/ Sanders 1998). Wir gehen im Folgenden, wie in der GDS und auch schon in HDK-1 praktiziert, von einer Dreiergliederung aus, wobei wir uns im Klaren sind, dass wir in vielen Fällen zugunsten einer exemplarischen Vorgehensweise von den Generalisierungen über alle Relationen und syntaktischen Verknüpfungsverfahren hinweg absehen und diesbezüglich Einschränkungen vornehmen müssen, damit die Bedeutungsund Formunterschiede zwischen Bezugsebenen adäquat dargestellt werden können. Die Unterschiede zwischen den Bezugsebenen werden im Weiteren in A4.4.2 aus funktionaler und in A4.4.3 aus formaler Sicht erläutert.  



190

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

4.4.2 Funktionale Unterschiede zwischen den Ebenen Für den weiteren Umgang mit den Ebenen müssen diese in Bezug auf Konnektoren definiert werden. Eine solche Definition kann nur funktional sein, die Korrelation zu formalen Merkmalen kann dann erst in einem zweiten Schritt aufgezeigt werden. Für die Darstellung der funktionalen Unterschiede zwischen den Ebenen wird hier ein allgemeines formales Schema verwendet, das die jeweilige mögliche metaphorische Verwendung des K ONSEQUENS berücksichtigt.

4.4.2.1 Die propositionale Ebene Auf der propositionalen Ebene besteht eine Relation zwischen zwei Propositionen, die auf Sachverhalte in einer realen oder möglichen Welt referieren, nämlich bei konditional basierten Subjunktorrelationen zwischen dem propositionalen Gehalt des NTEZEDENS EZEDENS (A A NTEZ ) und dem des K ONSEQUENS (K K ONSEQ ) A NT (84) (85) (86)

Wenn [Peter den Zug verpasst]A N T E Z , [kommt er zurück]K O N S E Q KOND(A A NTEZ , K ONSEQ ) [Peter ist zurückgekehrt]K O N S E Q , weil [er Maria liebt]A N T E Z KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ ) [Peter liebt Maria]A N T E Z , weshalb [er zurückgehrt ist]] K O N S E Q KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ )

Prinzipiell kann das K ONSEQUENS durch das externe, aber auch durch das interne Konnekt ausgedrückt werden: Anders als die Subjunktoren wenn in (84) und weil in (85) ist der Postponierer weshalb in (86) ein K ONSEQUENS -Marker, das Verhältnis zwischen den Relatrollen bleibt aber erhalten, so dass (85) und (86) mindestens eine gemeinsame Lesart haben. Wenn man das relationale Verhältnis zwischen den propositionalen Strukturen mit R bezeichnet, so kann die Basisbedeutung für alle konditional basierten Subjunktorrelationen auf der propositionalen Ebene als R(A A NTEZ , K ONSEQ ) festgelegt werden. 1

Schema für die propositionale Lesart: R(A A NTEZ , K ONSE Q )

4.4.2.2 Die epistemische Ebene Die epistemische Ebene kann laut Sweetser (1990) durch folgende Oppositionen zur propositionalen Ebene erfasst werden:

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

I. II. III.

191

fact in the world vs. mental state merely describing vs. reasoning objective statement vs. subjective statement

Während also im Falle der propositionalen Ebene das K ONSEQUENS auf einen Sachverhalt in einer realen oder möglichen Welt referiert, bezeichnet das K ONSEQUENS bei epistemischen Relationen in der Regel mentale Zustände, d. h. Annahmen, Wünsche, Befürchtungen etc. Darüber hinaus kommen epistemische Relationen in der Regel in Kontexten der Beweisführung oder in Begründungszusammenhängen vor. Schlussendlich interagieren epistemische Relationen häufiger mit dem Faktor Subjektivität (vgl. dazu z. B. Nuyts 2001, Pit 2003, Stukker 2005), was dann der Fall ist, wenn der Sprecher sich als einzige Quelle für die Evidenz seiner Aussage ausweist und gleichzeitig seine persönliche Einstellung zur Qualität der Evidenz in Form von Bewertungen, Meinungen oder Gefühlen markiert (Frohning 2007: 71). Ebenfalls anders als auf der propositionalen Ebene besteht die Relation auf der epistemischen Ebene nicht unmittelbar zwischen den durch die Konnekte ausgedrückten Propositionen, sondern das K ONSEQUENS ist die Annahme oder Einstellung des Sprechers zum propositionalen Gehalt des externen Konnekts. Diesen Kontrast illustriert Sweetser an einem Beispielpaar. Das propositional zu lesende (87) wird mit dem Beispiel (88) kontrastiert, dessen Lesart nur auf einer der nicht-propositionalen Ebenen zugänglich ist.  



(87) (88)

John came back because he loved Mary. PRO John loved Mary, because he came back. EPS (Beispiele leicht verändert nach Sweetser 1990: 77)

Der zentrale Unterschied zwischen (87) und (88) besteht für Sweetser darin, dass in (87) die Tatsache, dass John Mary liebt, die Ursache dafür ist, dass John zurückgekommen ist. Dagegen ist in (88) die Tatsache, dass John zurückgekommen ist, nicht als Ursache dafür anzusehen, dass er Mary liebt. Vielmehr wird hier aus der Tatsache, dass John zurückgekommen ist, darauf geschlussfolgert, dass er Mary liebt. Aus diesem Grund wird in (88a) ein analoges Schema wie für die Relationen der propositionalen Ebene vorgeschlagen, mit dem Unterschied, dass in (88) das K ONSEQUENS die Ursache nicht der Liebe, sondern der Annahme der Liebe Johns Mary gegenüber ist: (87a) (88a)

KAUS (A A NTEZ , K ONSEQ ) K ONSEQ )) KAUS (A A NTEZ , ANNAHME (K

PRO EPS

Zur Erstellung eines allgemeinen Schemas für epistemische Relationen reicht das in (88a) angegebene Muster noch nicht aus, da die Annahme des K ONSEQUENS nur einen Sonderfall darstellt. Andere Typen von metaphorischen Modifikationen wie Hoff-

192

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

nung, Bedauern, Wunsch, Befürchtung etc. gehören ebenfalls in diese Kategorie. Deswegen wird vorgeschlagen, einen allgemeineren Operator einzusetzen, der alle diese Modifikationen abdeckt, und zwar EPS (epistemische Einstellung bzw. Sprechereinstellung). Nach dieser Einschränkung lässt sich das Schema für propositionale Relationen auch auf die epistemische Ebene erweitern: 1

Schema für die epistemische Lesart: R(A A NTEZ , EPS(K K ONSEQ ))

Die metaphorische Verwendung des K ONSEQUENS kann laut Sweetser durchaus ohne besondere lexikalische Markierung erfolgen, allerdings ist es auch möglich, dass die Sprechereinstellung im externen Konnekt overt durch einen epistemischen Operator wie ich glaube, möglicherweise, hoffentlich usw. markiert ist. Hier folgen wir den Festlegungen in HDK-1 und „nennen die durch die betreffenden Adverbien ausgedrückten Einstellungen ‚epistemisch‘, obwohl sich z. B. die Bedeutung von hoffentlich und leider nicht auf [i. e. S.] epistemische – Erkenntnis- – Phänomene beziehen lässt“ (HDK-1: 166). Anders als in HDK-1 gehen wir aber nicht davon aus, dass die Existenz epistemischer Operatoren im K ONSEQUENS notwendigerweise zur Zuordnung der Relationen zur epistemischen Ebene führt. Dies wird in 4.4.3.1 genauer diskutiert. Ein prototypischer Fall für den Bezug auf die epistemische Ebene ist der sogenannte reduktive Schluss (vgl. GDS: 2296, HDK-1: 395), siehe auch (88).  



(89) (90)



Er ist zu Hause, weil die Lichter brennen. Wenn die Lichter brennen, ist er zu Hause.

EPS EPS

Die Tatsache, dass die Lichter brennen, verursacht nicht, dass jemand zu Hause ist. Im Gegenteil ist die Tatsache, dass jemand zu Hause ist, der Grund dafür, dass die Lichter brennen. Wie schon die klassische Aussagenlogik zeigt, ist der Rückschluss von einer wahren Konklusion auf eine wahre Prämisse nicht zwingend, im Alltag werden reduktive Schlüsse aber häufig verwendet. Ein solcher Schluss impliziert NT EZEDENS und das K ONSEQUENS (mit dieser Rollenverteilung) in nicht, dass das A NTEZEDENS einem Ursache-Wirkung-Verhältnis stehen. Stattdessen wird in (89) und (90) von dem NTEZEDENS EZEDENS auf das K ONSEQUENS geschlossen. A NT

4.4.2.3 Die Sprechaktebene Die Sprechaktebene unterscheidet sich funktional von der epistemischen Ebene nur dadurch, dass in diesem Fall das K ONSEQUENS keine epistemisch bewertete Proposition, sondern ein Sprechakt ist. Die Proposition des A NTEZEDENS -Konnekts bezieht sich auf diesen Sprechakt:

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(91) (92)

193

Was machst du heute Abend? Denn ich möchte etwas unternehmen. Zieh dir die Mütze an, obwohl … es ist doch nicht so kalt draußen.

Auch im Falle der Sprechaktebene gilt, dass nicht nur Fragen, sondern auch andere Typen von Sprechakten wie Befehle, Bitten usw. in diese Kategorie gehören. (91a) (92a)

KAUS (A A NTEZ , FRAGE(K K ONSEQ )) NT EZ , BITTE(K K ONSEQ )) KONZ (A A NTEZ

Deswegen wird der allgemeine Sprechaktoperator ILL (Illokution, Sprechakt) eingeführt, mit dessen Hilfe ein analoges Schema zur epistemischen Ebene vorgeschlagen wird.

Schema für die sprechaktbezogene Lesart: R(A A NTEZ , ILL(K K ONSEQ ONSE Q ))

Wie im Falle epistemischer Relationen kann der Sprechakt, auf den sich die A NTEZEDENS -Proposition bezieht, entweder overt durch typische Sprechaktmarker wie einen bestimmten Satzmodus, steigende oder fallende Intonation usw. markiert sein oder covert bleiben. Auf der Sprechaktebene wird zwischen diesen zwei Fällen funktional nicht unterschieden. Das K ONSEQUENS -Relat muss so oder so ein Sprechakt sein, wenn die Relation eine sprechaktbezogene Lesart haben soll. Dieser muss als solcher nicht zwingend lexikalisch markiert sein. Umgekehrt gibt es Situationen, in denen die Präsenz von overten Sprechaktmarkern noch nicht ausreicht für die Zuordnung zur Sprechaktebene, weil sich deren Skopus auf die gesamte Relation ausdehnt, wie dies in 4.4.3.1 diskutiert wird.

4.4.3 Korrelationen zwischen den formalen Eigenschaften der Relation und ihrer Interpretation Ob eine A NTEZEDENS -Proposition sich auf die Proposition des K ONSEQUENS , die Sprechereinstellung zu dieser Proposition oder auf einen im K ONSEQUENS -Konnekt ausgedrückten Sprechakt bezieht, kann nicht immer ohne einen breiteren Kontext und situatives Wissen ganz eindeutig bestimmt werden. Relationen können hinsichtlich der Ebenen auch ambig bleiben, solange dies zu keinem Kommunikationsproblem führt. In vielen Fällen macht es keinen wesentlichen Unterschied in der Kommunikation, ob der Sprecher beispielsweise eine Annahme begründet oder die entsprechende Aussage (vgl. Knott/Sanders 1998 für einen analytischen und Breindl/Walter 2009 für einen korpuslinguistischen Nachweis der These der mehrfachen Lesart-Zuordnung). Will ein Sprecher seine im K ONSEQUENS -Konnekt ausgedrückte Äußerung eindeutig als Sprechereinstellung oder Sprechakt vermitteln, stehen ihm sprachliche Mittel zur

1

194

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Verfügung wie spezifische Verbstellung im A NTEZEDENS -Konnekt, ein bestimmter Grad NT EZEDENS -Konnekts in sein der syntaktischen und prosodischen Integration des A NTEZEDENS Bezugskonnekt oder spezifische lexikalische Indikatoren der Bezugsebenen. Sie treten meistens in einem Bündel auf, sind zum Teil skalierbar und können in Kombination oder auch einzeln die Lesart unterschiedlich stark steuern. In der Literatur ist eine Reihe von Bedingungen, die die eine oder andere Lesart ausschließen, bereits hinreichend dokumentiert (vgl. Sweetser 1990: 76 ff., Günthner 1993, GDS, HDK-1: 331–334, Breindl/Waßner 2006: 53 f., Blühdorn 2008, Breindl/Walter 2009, Volodina 2011a). Dies betrifft konditional basierte Subjunktorrelationen, die systematisch auf allen drei Ebenen verknüpfen können. Wie einige korpuslinguistische Studien der letzten Jahre belegt haben, ist es außerdem nicht sinnvoll, a) für semantisch unterschiedlich kodierte Relationen gleiche Korrelationen von Form und Verknüpfungstyp anzunehmen (vgl. Volodina 2011a, 2011b); b) zu unterstellen, dass Form-Funktion-Korrelationen bei subordinativen Verknüpfungen die gleiche Natur wie die bei den parataktischen oder den koordinativen Verknüpfungen hätten. Ein postulierter Ebenenunterschied zwischen weil und denn oder zwischen weil-VL und weil-V2 korreliert mit ganz anderen Unterschieden in der syntaktischen und prosodischen Struktur als ein – ebenfalls in der Literatur oft postulierter – Ebenenunterschied zwischen deshalb und nämlich; c) von einer eins-zu-eins-Beziehung zwischen einem bestimmten Konnektor und einer gewissen Bezugsebene, sprich von der lexikalischen Spezifik eines Konnektors auszugehen (vgl. Breindl/Walter 2009); d) für beliebige semantische Relationen anzunehmen, dass sie genauso wie die kausalen nach den drei Ebenen der Verknüpfung differenziert sind (vgl. z. B. die Skepsis einer Übertragung des Modells auf adversative Relationen in Lang 2000).  





Es hat sich gezeigt, dass die folgenden Merkmale, die einzeln oder auch mit den anderen zusammen auftreten können, durchaus als tendenzielle Hinweise auf das Vorliegen oder den Ausschluss einer bestimmten Lesart dienen können: (i) Vorkommen von skopusfähigen Ausdrücken bzw. die Möglichkeit der Einfügung eines Korrelats im K ONSEQUENS -Konnekt; NTEZEEZE(ii) syntaktische und prosodische Integration/bzw. Desintegration des A NT DENS -Konnekts; (iii) Erfragbarkeit des A NTEZEDENS -Konnekts. Die oben genannten Merkmale werden in diesem Kapitel exemplarisch diskutiert. Für die ausführliche Beschreibung der einzelnen Relationen bezüglich des Merkmals „Ebene der Verknüpfung“ sei hier auf die entsprechenden Abschnitte in den jeweiligen C-Kapiteln verwiesen.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

195

4.4.3.1 Auftreten von skopusfähigen Ausdrücken (Negation, Korrelate, ONS EQUENS -Konnekt Fokuspartikeln) im K ONSEQUENS Steht das interne Konnekt im Skopus der Negation des externen Konnekts, was eine mögliche Lesart in (93a) und die einzig mögliche in (93b) ist, wird die Relation ausschließlich propositional gelesen. Nimmt die Negation engen Skopus wie in (94a), wird dagegen neben der propositionalen auch die epistemische Lesart zugänglich, wie in (94b): (93a) (93b)

(94a) (94b) (94c)

Er hat sie nicht getötet/ weil sie geSCHRIen hat. Er hat sie nicht [deshalb] getötet/ weil sie geSCHRIen hat, [sondern weil sie ihm untreu war].

¬(p, weil q) PRO

Er hat sie NICHT getötet\ weil sie geSCHRIen hat. (¬p) weil q Er hat sie NICHT getötet\ weil sie geSCHRIen hat. [d. h. sie war noch am Leben, sonst hätte sie nicht schreien können] #PRO Er hat sie NICHT getötet\ weil sie geSCHRIen hat [wenn sie nicht geschrien hätte, hätte er sie umgebracht]. PRO  

Wenn also die Negation weiten Skopus über die gesamte Relation nimmt, dann liegt eindeutig eine propositionale Relation vor, wenn aber die Negation engen Skopus nimmt, sind sowohl propositionale als auch nicht-propositionale Lesarten möglich. In (94c) liegt eine Lesart mit engem Skopus vor, die besagt, dass der vom Sprecher gehörte Schrei der Frau ein Indiz dafür ist, dass sie noch am Leben sein kann. Während (94a) hinsichtlich der Verknüpfungsart ambig ist und je nach Skopuslesart unterschiedliche Interpretationen erlaubt, kann (93) mit weitem Skopus nur propositional gelesen werden. Die Möglichkeit der Einfügung eines Korrelats, das als Kopf einer attributiven Subjunktorphrase fungiert (vgl. HDK-1: 248 ff.), dient als Test für die Abgrenzung der Relationen mit der propositionalen Lesart von den anderen. Er ist allerdings nur bei Relationen anwendbar, die generell attributive Korrelatkonstruktionen zulassen, wie z. B. die Subjunktorphrasen mit weil:  



(95) (96) (97)

Peter hat Angst, weil seine Hände zittern. PRO/EPS Peter hat DESwegen Angst, weil seine Hände zittern. (Möglicherweise kriegt er auch die Parkinson-Krankheit wie sein Opa) PRO Peter muss (*deswegen) Angst haben, weil seine Hände zittern. EPS

Korrelatkonstruktionen sind insbesondere für die kausalen Relationen typisch, da diese überwiegend antiikonisch, also mit nachgestelltem A NTEZEDENS verwendet werden (vgl. die Liste der Kombinationsmöglichkeiten in HDK-1: 261–263):

196

(98)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Von Globalisierung sollte dabei jedoch schon deshalb nicht gesprochen werden, weil sich die Ausweitung der Waren- und Finanzströme weitgehend auf den Bereich der OECD-Länder beschränkt. (Frankfurter Rundschau, 12.02.1998, PRO S. 8)  

Nicht untypisch ist das Eintreten einer Korrelatkonstruktion oder die Möglichkeit, ein Korrelat einzufügen, auch im Falle einer temporalen oder konditionalen Relation, wo es ebenfalls als ein Indiz für die propositionale Lesart der Relation gilt (vgl. HDK-1: 262; zu nicht-propositionalen Interpretationen von bestimmten Korrelatkonstruktionen hingegen vgl. Breindl/Walter 2009: 141): (99)

Was der Großstädter nicht weiß: Im Ökosystem des Waldes mit seinen vielfältigen Abläufen enden die Anpflanzungen immer dann , ehe die Bäume beginnen, ihre Blüten zu treiben. (Süddeutsche Zeitung, 26.05.1998, S. 41) PRO In Großbritannien erhält man Arbeitslosengeld höchstens 312 Tage lang und nur dann , wenn man normalerweise als Arbeitnehmer tätig ist. (Die Presse, PRO 14.02.1996, o. S.)  

(100)







Wie oben bereits erwähnt, kommen nicht alle Konnektoren und alle Relationen in solchen Korrelatkonstruktionen vor. Abgesehen von den Adverbkonnektoren wie folglich, schließlich, also sowie dem syntaktischen Einzelgänger denn, die aufgrund ihrer syntaktischen Eigenschaften nicht skopusfähig sind, lassen auch die Postponierer wie weshalb, weswegen und sodass keine Korrelate zu. Es wäre aber falsch anzunehmen, dass die mit den genannten Postponierern eingeleiteten Relationen deswegen nicht propositional gelesen werden können. Ebenfalls liegt die propositionale Lesart einer Relation nahe, wenn das interne Konnekt durch Fokuspartikeln wie nur im externen Konnekt fokussiert wird: (101)

Ein Erfolg ist nur beschieden, wenn alle Massnahmen als Ganzes greifen PRO können. (St. Galler Tagblatt, 30.04.1997, o. S.)  

Als Träger der epistemischen Bedeutung können Adverbien und matrixsatzähnliche Ausdrücke der epistemischen Einstellung die epistemische Lesart der Relation dennoch nicht immer garantieren. Das liegt unter anderem daran, dass epistemische Operatoren wie ich glaube, wenn sie satzinitial vorkommen, sowohl weiten wie in (102a) als auch engen Skopus wie in (102b) nehmen können, wobei die epistemische Lesart nur dann garantiert ist, wenn sie mit engem Skopus auftreten. (102a)

Ich glaube , dass Peter krank ist\ weil er beim ARZT war (und sich im Wartezimmer angesteckt hat). #EPS  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(102b)

197

Ich glaube , dass Peter KRANK ist/ weil er beim ARZT war. (Nämlich immer wenn Peter krank ist, geht er zum Arzt) EPS  

Epistemische Adverbien wie vielleicht, vermutlich, wahrscheinlich, die eine bestimmte Einstellung des Sprechers hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Geltung des im K ONSEQUENS -Konnekt ausgedrückten Sachverhalts ausdrücken, oder solche wie leider, hoffentlich, erfreulicherweise, die auf die emotionale Einstellung des Sprechers zum K ONSEQUENS -Sachverhalt verweisen, verhalten sich anders. Im Unterschied zu matrixsatzähnlichen Ausdrücken wie ich glaube oder ich hoffe, die ebenfalls auf der epistemischen Ebene fungieren können, können Adverbien nur engen Skopus haben, wenn sie ohne einen eindeutigen Skopusmarker (wie z. B. ein pronominales Korrelat wie in 102d) vorkommen:  

Peter ist vielleicht KRANK\ weil er beim ARZT war. (Immer wenn Peter krank ist, geht er zum Arzt) EPS (102d) Peter ist vielleicht deswegen krank/ weil er beim ARZT war. (Er hätte sich im Wartezimmer anstecken können.) #EPS (102e) ? Vielleicht ist Peter krank/ weil er sich bei Paul angesteckt hat. EPS/PRO

(102c)



Dies zeigt, dass die Präsenz epistemischer Adverbien sowie von Adverbien der Sprechereinstellung weitestgehend als ein hinreichendes Indiz für die epistemische Lesart der Relation angesehen werden kann, während Relationen mit matrixsatzähnlichen epistemischen Operatoren zwar eine epistemische Lesart haben können, diese jedoch für sie nicht zwingend ist. (Zum Unterschied zwischen Satzadverbien und semantisch weitgehend gleichen matrixähnlichen Ausdrücken s. Lang 1979, ferner Volodina 2011a). Bei Sprechaktoperatoren wie ich behaupte, ich befehle dir, ich frage dich, die den vollzogenen Sprechakt selbst benennen, wurden dieselben Skopusambiguitäten wie bei epistemischen Operatoren festgestellt: Sie können, wenn sie mit engem Skopus auftreten, dazu beitragen, dass die Äußerung auf der Sprechaktebene zu lesen ist. (103)

Ich behaupte deswegen, dass Peter krank ist, weil er nicht zur Schule kam. (Warum behauptest du, dass Peter krank ist?) SPA

(104)

Ich behaupte , dass Peter deswegen krank ist, weil er nicht zur Schule kam. (Warum ist Peter krank?) #SPA  

Während die Präsenz performativer Sprechaktoperatoren allein nicht die Lesart der Relation auf der Sprechaktebene bewirken kann, ist das Vorkommen des Sprechaktoperators bitte im K ONSEQUENS -Konnekt hinreichend für die sprechaktbezogene Lesart der Relation. Bitte verhält sich auf der Sprechaktebene ähnlich wie die epistemischen

198

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Adverbien, nimmt also ausschließlich engen Skopus und fungiert daher als typischer Sprechaktoperator. (105) (106)

Würdest du bitte das Radio ausmachen\ weil ich morgen eine Klausur schreibe. SPA SPA Wenn du nach Hause kommst\ ruf mich bitte an!

In Bezug auf das Merkmal „Auftreten von skopusfähigen Ausdrücken im K ONSEQUENS Konnekt“ lässt sich festhalten, dass die Präsenz solcher Ausdrücke tendenziell eine ebenendisambiguierende Rolle hat. Epistemische Satzadverbien und matrixsatzähnliche Operatoren sowie Sprechaktoperatoren, die Ausdrücke als Gedanken bzw. Sprechakte explizit markieren, können genau dann als Marker der epistemischen oder Sprechaktebene angesehen werden, wenn sie engen Skopus haben.

4.4.3.2 Syntaktische Einbettung des A NTEZEDENS -Konnekts in die Struktur seines Bezugskonnekts Das A NT NTEZEDENS EZEDENS -Konnekt kann in die Struktur seines Bezugskonnekts integriert oder auch nichtintegriert vorkommen. Der höchste Grad syntaktischer und prosodischer Integration (im Sinne des in HDK-1 und in A1.2 dargelegten Konzepts der syntaktischen Einbettung) des A NTEZEDENS -Konnekts liegt vor, wenn es im Vorfeld einer Konstruktion und zusammen mit seinem Bezugskonnekt als eine einzige prosodische Einheit realisiert wird, d. h. das erste Konnekt mit steigender Tonhöhenbewegung (/) endet, womit dem Hörer signalisiert wird, dass die Äußerung noch nicht abgeschlossen ist, wie in (107a) gezeigt. Wir sprechen von der Desintegration einer Subjunktorphrase, wenn die Konnekte zwar semantisch eine Einheit bilden, das A NTEZEDENS Konnekt dagegen syntaktisch nicht in die Struktur des K ONSEQUENS -Konnekts eingebettet ist, wobei am Ende des ersten Konnekts ein separierender Grenzton (\) festzustellen ist, wie in (107b) und (108). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Ausprägung des Grades der Integration des A NTEZEDENS -Konnekts und der Lesart der Relation besteht in der Literatur weitgehend Einigkeit: Die syntaktische und/oder prosodische Desintegration einer Subjunktorphrase begünstigt nicht-propositionale Lesarten, wogegen hohe syntaktische und prosodische Integration des A NTEZEDENS Konnekts eine propositionale Lesart nahe legen (vgl. Pasch 1997, Günthner 2000, Scheutz 1998b, Blühdorn 2008, Breindl 2008a, Antomo/Steinbach 2010, 2013):  

(107a) Wenn du mich fragst/ machte ich das für dich. (107b) Wenn du mich fragst\ ich würde mit dem Typ nie ausgehen. (108)

PRO #PRO

Ich finde ihn nett\ obwohl … irgendwas stört mich bei ihm doch. #PRO

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

199

Da diese Generalisierung eine binäre Opposition von Ebenen zugrundelegt, ist sie viel zu allgemein für ein Drei-Ebenen-Modell, deswegen muss sie hier präzisiert werden: Sie trifft zu, wenn es z. B. darum geht, zwischen den propositionalen und epistemischen Lesarten einer kausalen Relation – KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ ) vs. KAUS NT EZ , EPS(K K ONSEQ )) – zu unterscheiden, zwischen den propositionalen und spe(A A NTEZ chaktbezogenen Lesarten einer kausalen Relation – KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ )) vs. K ONSEQ )) – oder zwischen den propositionalen und spechaktbezoKAUS(A A NTEZ , ILL(K genen Lesarten einer konditionalen Relation zu unterscheiden – KOND(A A NTEZ , K ONSEQ ) vs. KOND(A A NTEZ , ILL(K K ONSEQ )) –, aber nicht zwischen den propositionalen und epistemischen Lesarten einer konditionalen Relation – KOND(A A NTEZ , K ONSEQ ) vs. NT EZ , EPS(K K ONSEQ )) –, denn die propositionalen und epistemischen KonKOND(A A NTEZ ditionalen weisen gleiche syntaktisch-prosodische Kodierungsmuster auf (vgl. C4.1.2.4, Abb. C 4.1-3).  

(109) (110)

Wenn sie geschieden ist/ war sie verheiratet. (Bsp. nach Sweetser 1990: 114) EPS Wenn es schneit/ ist der Besitzer des Grundstückes dazu verpflichtet, den Schnee zu räumen und gegen Glatteis zu streuen. PRO

Vielfach wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Nichtvorfeldfähigkeit eines weil-Satzes seine propositionale Lesart blockiert. Dieser Test filtert zwar die NT EZEDENS -Konnekt syntaktisch epistemischen weil-V2-Sätze wie in (111a) aus, deren A NTEZEDENS nicht eingebettet werden kann (vgl. 111b), und die epistemischen weil-VL-Sätze, denen ein reduktiver Schluss zugrunde liegt (vgl. 111c), nicht aber die weil-VL-Sätze, deren K ONSEQUENS -Konnekt ein epistemisches Modalverb enthält, wie (111d): (111a) (111b) (111c) (111d)

Es hat geregnet\ weil die Straße ist nass. *Weil die Straße ist nass/ hat es geregnet. #Weil die Straße nass ist/ hat es geregnet. Weil die Straße nass ist/ muss es geregnet haben.

EPS #EPS EPS

Ähnlich wie weil-V2-Strukturen verhalten sich auch u. a. adversative während- und konzessive obgleich-, obschon-, obwohl- und wobei-Sätze, die statt der kanonischen Verbletztstellung in bestimmten Kontexten auch V2-Stellung des Finitums aufweisen können (zur Problematik nicht-kanonischer V2-Stellung in adverbialen Nebensätzen, nicht-restriktiven Relativsätzen und dass-Sätzen siehe Antomo/Steinbach 2010, 2013, Breindl 2009, Gärtner 2001, Holler 2008, Freywald 2008, Reis 2013).  

(112)

Aber des ist doch im wesentlichen des, woraus die Stadt Worms ihren Etat finanziert. Während die große Masse der sonst aufzuwendenden Steuern gehen ja entweder nach Bonn, an die Bundesregierung oder an die Lander, nach Mainz. (Pfeffer-Korpus, Deutsche Umgangssprache, PF 100)

200

(113)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Österreichs Bundeskanzler Vranitzky ist auch Politiker, obschon: Körperhaltung und Diktion lassen ja mitunter vermuten, das er das ungern ist. (Die (Beispiele aus Breindl 2009: 284) Presse, 12.01.1996, S. 1)  

Ein V2-Satz als A NTEZEDENS -Konnekt ist in die Struktur seines Bezugskonnekts nicht integriert, daher sind die V2-Strukturen generell semantisch und pragmatisch flexibler und aus diesem Grund werden sie präferiert auf einer der nicht-propositionalen Ebenen interpretiert (mehr dazu in C4.2.2.4, C4.3.4): (114)

Ausländer-Vignette nicht „wasserfest“: Nur ein einziger Wassertropfen genügt, um den per Tintenstrahl aufgedruckten EU-konformen „Stempel“ auf dem Pickerl zu verwischen – und so wird man künftig Gendarmen und Polizisten immer öfter sagen hören: „Ausweiskontrolle, kommen s in die Hauseinfahrt, weil dort regnet es nicht.“ (Neue Kronen-Zeitung, 27.03.1999, S. 16)  

Die V2-Stellung im A NT NTEZEDENS EZEDENS -Konnekt ist jedoch nicht hinreichend, um gleich jeden V2-Nebensatz als epistemisch einzustufen, vgl. (115) am Beispiel von weil. Umgekehrt können auch nachgestellte weil-VL-Sätze epistemische Lesarten haben, insbesondere dann, wenn das weil-Konnekt prosodisch desintegriert vorkommt (vgl. 116b): (115)

Ich hab’ die Mauer auch gesehen, am Brandenburger Tor. Ich am Alexanderplatz. Und früher konnte man da nicht rüber, weil da war keine Leiter und keine Treppe. Da durfte man auch gar nicht rüber. PRO (Beispiel aus Breindl/Walter 2009: 161)

(116a)

Peter ist KRANK\ weil er war beim ARZT. (Immer wenn Peter krank ist, geht er zum Arzt.) EPS Peter ist KRANK\ weil er beim ARZT war . (Immer wenn Peter krank ist, geht er zum Arzt.) EPS

(116b)



Darüber hinaus wirkt nicht nur fallende Tonhöhenbewegung an der syntaktischen Grenze zwischen den Konnekten als desintegrierend, sondern auch stark steigende, unter der Bedingung, dass der Neuansatz wesentlich tiefer ansetzt als die letzte Silbe der ersten Intonationseinheit. Wird das K ONSEQUENS -Konnekt wie in (116c) mit stark steigender Tonhöhenbewegung realisiert, liegt eine Frage vor, die im A NTEZEDENS Konnekt begründet wird. Dies macht die sprechaktbezogene Lesart möglich. (116c)

Peter ist KRANK? Weil er war beim ARZT.

SPA

Präferiert sprechaktbezogen werden kausale, konzessive und konditionale Relationen gelesen, wenn das A NTEZEDENS NT EZEDENS -Konnekt an der Nullstelle (Vor-Vorfeld), also syntaktisch und prosodisch desintegriert, vorkommt:

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(117) (118) (119)

201

Weil du das Handy dabei hast: Könntest du bitte die Polizei alarmieren? Obwohl du mich kein einziges Mal angerufen hast: Hier sind zwei Kinokarten für heute. Auch wenn das nun alles etwas negativ klingt: Journalistin zu sein ist für mich nach wie vor einer der spannendsten Berufe, den ich kenne. (http://www.ucip.ch/th/kg)

V1-Konditionalsätze mit Sprechaktbezug sind ausgeschlossen, nicht aber mit Subjunktoren eingeleitete Konditionalsätze: (120a) Wenn wir gerade dabei sind: Wo bist du denn gestern gewesen? (120b) *Sind wir grade dabei: Wo bist du denn gestern gewesen? Temporale, irrelevanzkonditionale und kontrafaktische konditionale Relationen sind bezüglich des Faktors „Desintegration des A NTEZEDENS -Konnekts“ unterspezifiziert: Die Irrelevanzkonditionalen haben eine generelle Tendenz zur Desintegration des anteponierten A NTEZEDENS -Konnekts (vgl. König/Van der Auwera 1988, Pittner 1999, d’Avis 2004, siehe C4.4), vgl. (121)). (121)

Ob wir hier rauskommen oder nicht, die Sache ist zu Ende. Finito! (DIV/SHT, #PRO Schädlich, Trivialroman, S. 70)  

Kontrafaktische wenn-Sätze sind unabhängig von dem Unterschied in der syntaktischen Struktur in zwei bedeutungsgleichen Varianten belegt, siehe (122) (s. C4.1.2.4.1): (122a) (122b)

Wenn ich ein ordentlicher Hund wäre, ich täte es nicht fressen. (Bsp. nach Volodina 2011a: 140) Wenn ich ein ordentlicher Hund wäre, täte ich es nicht fressen.

Zwar lässt sich an vielen Beispielen zeigen, dass sich in Bezug auf das Merkmal NTEZEDENS EZEDENS -Konnekts“ die epistemische Ebene und die „Syntaktische Einbettung des A NT Sprechaktebene (je nach der Art der Relation) in vielen Hinsichten restriktiver verhalten als die propositionale Ebene. Formale Merkmale und die ebenenbezogene Lesart stehen aber nicht immer in einem eins-zu-eins-Verhältnis zueinander.

4.4.3.3 Erfragbarkeit des A NTEZEDENS -Konnekts Ein weiteres Merkmal für die Unterscheidung zwischen den ebenenbezogenen Lesarten ist die Erfragbarkeit des A NTEZEDENS -Konnekts, d. h. je nach Lesart ist die Realisierung einer Relation in Frage-Antwort-Paaren, wobei in der Antwort-Sequenz  

202

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

das K ONSEQUENS unter Ellipse des Bezugssatzes (vgl. Reis 1997) vorkommt, zugelassen oder nicht. Dieses Merkmal trifft jedoch nicht auf alle Relationen zu, da es zahlreiche Relationen gibt, die nicht erfragbar sind, und zwar in erster Linie Relationen, die als parataktische Strukturen realisiert werden. NTEZEDENS EZEDENS -Konnekt als elliptische Antwort auf eine entDie Möglichkeit, das A NT sprechende W-Frage zu äußern, wobei das externe Konnekt aus der Frage zu rekonstruieren ist, ist ein Indiz für die propositionale Lesart einer konditional basierten Subjunktorrelation: (123)

(124)

(125)

(126)

Peter ist nicht am Institut, weil er Urlaub hat. Warum ist Peter nicht am Institut? Weil er Urlaub hat. Peter hat Urlaub, weil er nicht am Institut ist. *Warum hat Peter Urlaub? Weil er nicht am Institut ist. Wenn Peter im Urlaub ist, ist er nicht am Institut. In welchem Fall ist Peter nicht am Institut? Wenn er im Urlaub ist. Wenn Peter nicht am Institut ist, hat er Urlaub. *Unter welchen Umständen hat Peter Urlaub? Wenn Peter am Institut ist.

PRO

EPS

PRO

EPS

Hierbei ist allerdings wichtig zu bemerken, dass die W-Frage ohne eine epistemische oder Sprechaktmodifikation des K ONSEQUENS -Konnekts erfolgen muss, d. h. die WFrage in (124) kann nicht als Test für die propositionale Ebene angesehen werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass bei kausalen Relationen die propositionale Lesart durch Warum-Fragen angezeigt wird, da im Falle epistemischer und sprechaktbezogener Lesart Wieso-Fragen akzeptabler sind (vgl. Keller 1993, Günthner 1993).  

(124a)

Peter hat Urlaub, weil er nicht am Institut ist. #Warum/Wieso hat Peter Urlaub? Weil er nicht am Institut ist.

#PRO

Festzuhalten ist noch, dass dieser Test nicht immer anwendbar ist, da in der Regel aus dem Kontext rekonstruiert werden muss, ob das externe Konnekt eine geeignete Antwort auf eine entsprechende Frage wäre.

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

203

4.4.4 Fazit und Anmerkungen zur weiteren Vorgehensweise im Handbuch Das Ziel dieses Kapitels war, den Beitrag darzustellen, den Sweetsers Drei-EbenenTheorie zur Beschreibung und Analyse solcher konditional-basierten und temporalen Subjunktorrelationen liefert, in denen Sprechakte und epistemische Einstellungen als Relata fungieren. Hierbei standen die Begriffsklärung und die Diskussion der theoretischen Relevanz der einzelnen Bezugsebenen im Vordergrund. Es wurden drei empirisch testbare Merkmale vorgestellt, die auf den Merkmalen Skopuseigenschaften von Operatoren im K ONSEQUENS -Konnekt, syntaktische Einbettung und prosodische Integration des A NTEZEDENS -Konnekts sowie Erfragbarkeit des A NTEZEDENS Konnekts basieren. Diese Tests tragen bündelweise zur Zuordnung von Äußerungen zu den einzelnen Bezugsebenen bei bzw. helfen, eine der Lesarten auszuschließen. Die Unterschiede zwischen den Bezugsebenen können wie folgt festgehalten werden: Strukturen, die auf der propositionalen Ebene fungieren, können im Skopus der Negation und skopusfähiger Ausdrücke wie Fokuspartikeln stehen; b) können als attributive Korrelatstrukturen realisiert werden; c) sind erfragbar, d. h. ihr internes Konnekt kann eine W-Frage direkt beantworten; d) sind prosodisch in der Regel als eine einzige Intonationseinheit realisiert. a)



Strukturen, die auf der epistemischen Ebene fungieren, a) sind häufig durch syntaktische und prosodische Desintegration des internen Konnekts gekennzeichnet (nicht notwendig für die konditionale Relation); b) können nicht im Skopus der Negation und skopusfähiger Ausdrücke wie Fokuspartikeln wie nur stehen; c) können in der Regel nicht als Korrelatstrukturen realisiert werden; d) sind nicht direkt erfragbar, d. h. sie können nicht im Skopus einer W-Frage stehen; e) sind durch die Präsenz von epistemischen Adverbien gekennzeichnet, die engen Skopus nehmen.  

Strukturen, die auf der Sprechaktebene fungieren, a) sind häufig durch syntaktische und prosodische Desintegration des internen Konnekts gekennzeichnet; b) können in der Regel nicht als Korrelatstrukturen realisiert werden; c) sind nicht direkt erfragbar, d. h. sie können nicht im Skopus einer W-Frage stehen;  

204

d)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

sind durch die Präsenz von Sprechaktoperatoren gekennzeichnet, die jedoch nur dann die sprechaktbezogene Lesart begünstigen, wenn sie engen Skopus nehmen.

Die Unterspezifikation der Form-Lesart-Korrelation, die durch die Anwendung der genannten Tests deutlich wird, begründet die Notwendigkeit einer detaillierteren Darstellung in den jeweiligen C-Kapiteln zu den einzelnen Relationen.

Eva Breindl

A4.5 Temporalität, Aspektualität und Modalität Temporalität, Aspektualität und Modalität sind konzeptuelle Kategorien, bei deren Ausdruck verschiedene sprachliche Mittel zusammenwirken – darunter auch Konnektoren. Im Deutschen sind die am stärksten grammatikalisierten Ausdrucksmittel für Temporalität und Modalität die grammatischen, flexionsmorphologisch kodierten Verbalkategorien Tempus und Verbmodus. Auch Aspektualität wird im Deutschen überwiegend durch verbhaltige Strukturen zum Ausdruck gebracht, anders als z. B. in den slawischen Sprachen aber nicht durch flexionsmorphologische Markierung am Verb, sondern durch das Zusammenspiel von lexikalischen Eigenschaften des Verbs, die sich auf die innere zeitliche Struktur des denotierten Sachverhalts beziehen (Aktionsart), mit Eigenschaften der Verbalphrase (Argumentstruktur, Tempus, spezifische Konstruktionstypen wie Funktionsverbgefüge oder der „am-Progressiv“ etc.) und bestimmten Adverbialia. Mit den genannten Ausdrucksmitteln interagieren nun Konnektoren auf zwei Weisen. Sie können, so wie sie qua lexikalischer Eigenschaft eine bestimmte Ausprägung in der Kategorie Faktivität (s. A4.2) fordern können, auch eine bestimmte temporale, modale und aspektuelle Charakteristik fordern und damit auch diesbezüglich unterspezifizierte oder ambige Strukturen disambiguieren, und umgekehrt kann eine bestimmte Ausprägung in einer dieser Kategorien eine bestimmte Konnektorinterpretation erzwingen. Davon betroffen sind insbesondere die internen Konnekte von Subjunktoren. Forderungen in den Kategorien Tempus und Aspektualität stellen in erster Linie Temporalkonnektoren, was nicht überraschend ist, da sogar übereinzelsprachlich beim Ausdruck der zeitlichen Verankerung von Sachverhalten Temporaladverbialia (Adverbien, Präpositionalphrasen, Subjunktorphrasen), Tempus und aspektuelle Charakteristik der Konnekte interagieren. Forderungen nach einem bestimmten Verbmodus gibt es im Deutschen nur bei einigen wenigen Temporalkonnektoren, die konjunktivischen Verbmodus ausschließen. Eng verwandt mit den Konnektoren sind die Vergleichsausdrücke als und wie wenn, die umgekehrt den Indikativ in ihrem internen Konnekt ausschließen.29 Mitunter kann eine lexikalische Forderung eines Konnektors auch unerfüllt bleiben, ohne dass die Verknüpfung ungrammatisch wird. Die Folge sind dann interpretative Anpassungen. Entweder wird der Konnektor – und damit die Relation – umgedeutet oder das Konnekt wird interpretativ „passend gemacht“, indem es so uminterpretiert wird, dass es der semantischen Forderung des Konnektors entspricht. So kann sich beispielsweise der temporale Subjunktor als (s. C1.3.1.1) nur auf einen in  

29 In dieser sparsamen Nutzung der Kategorie Verbmodus für Distinktionen im Bereich der Satzverknüpfung unterscheidet sich das Deutsche stark von den romanischen Sprachen.

206

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

der Vergangenheit liegenden Sachverhalt beziehen. Tritt er aber mit dem Präsens auf, wird dieses obligatorisch als „historisches“ oder „szenisches“ Präsens, als Vergegenwärtigung eines vergangenen Ereignisses interpretiert. (127)

Als vor fünfzig Jahren der Prinz Wilhelm irgendeinen Bock schießt und Bismarck irrtümlich für den Schuldigen gehalten wird, läßt der ergebene Lehnsmann diese Schuld auf sich sitzen. (BIO/BKA, Kerr, Berliner Briefe 1895–1900, S. 409)  

Uminterpretationen des Konnektors und der Relation erlauben bzw. erzwingen Temporalkonnektoren regelmäßig dann, wenn ihre Konnekte zeitübergreifende Sachverhalte denotieren, deren Realisierung nicht an eine bestimmte Zeit gebunden ist. Dazu gehören zum einen Aussagen, die man als „generische Sätze“ bezeichnet (vgl. GDS: 2055 ff.), wie z. B. mathematisch-logische Aussagen (13 ist eine Primzahl), empirische Generalisierungen (Wasser gefriert bei 100 Grad), taxonomische Aussagen (Der Huflattich gehört zur Familie der Korbblütler), sprichwortartige Aussagen (Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln) oder sonstige Prädikationen über Gattungsbezeichnungen (Die Römer sind verrückt). Zeitübergreifend sind ferner Bezeichnungen für habituelle Aktivitäten (Erwin raucht Pfeife) und unveränderliche Eigenschaften eines Individuums (Matthias ist 1,83 groß).30 In (128) und (129) blockieren die Prädikate bestehen aus und darstellen eine temporale Interpretation der genuin temporalen Subjunktoren während und nachdem, da sie dem Subjektsdenotat permanente Eigenschaften zuschreiben: während muss in (128) adversativ, nachdem in (129) kausal interpretiert werden.  

(128)

(129)



Auch Geschirrspülmittel besteht größtenteils aus künstlichen Zutaten, während in guter Zitronenlimonade deutlich mehr Zitronensaft ist. (http://www. gutefrage.net/frage) Nachdem die Ausstellung einen sehr repräsentativen und qualitativ sehr hochstehenden Querschnitt der zeitgenössischen Kunst darstellt, würde sie

30 Kratzer (1995) unterscheidet Ausdrücke für zeitübergreifende Sachverhalte als „Individuenprädikate“ von den zeitlich situierbaren „Stadienprädikaten“ (auch „Phasenprädikate“ genannt). Individuenprädikate wie 2m groß sein, Klavier spielen können, intelligent sein weisen im Unterschied zu Stadienprädikaten einem Individuum eine längerfristige, phasenunabhängige Eigenschaft zu. Sie führen kein Ereignisargument in die semantische Repräsentation ein und können deshalb nicht mit situierenden Temporaladverbialia kombiniert werden. Stadien-Prädikate wie wach sein, Klavier spielen, anwesend sein dagegen denotieren eine Eigenschaft, die einer Phase zugeordnet werden kann, sie entsprechen temporären Zuständen. Viele Prädikate erlauben in Abhängigkeit vom Kontext beide Interpretationen; vgl. etwa Hans hat vor zwei Minuten geraucht vs. Hans hat vor zwei Jahren geraucht. Vergleichbar ist auch das Konzept der „zeitlosen“ und „zeitunabhängigen“ Propositionen bei Lyons (1983: 287 f.), zu denen er die „ewigen Wahrheiten der Mathematik und Theologie“ und generische Propositionen (Kühe sind Pflanzenfresser) zählt.  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

207

sich natürlich als Einstieg für ein Tiroler Museum der Moderne geradezu anbieten. (Neue Kronen Zeitung, 14.05.1995, S. 27)  

In den folgenden Abschnitten wird das Zusammenwirken von Konnektoren und anderen Ausdrucksmitteln bei der Konstitution von Temporalität, Aspektualität und Modalität exemplarisch demonstriert. Gleichzeitig werden die entsprechenden Beschreibungskonzepte dargelegt, mit denen in den Kapiteln des C-Teils gearbeitet wird.

4.5.1 Tempus Die Situierung von Sachverhalten in der Zeit erfolgt vor allem mit der grammatischen, im Deutschen flexionsmorphologisch und periphrastisch am Verb kodierten Kategorie Tempus, die mit lexikalischen Mitteln der temporalen Situierung (Präpositionen, Adverbien, Konjunktionen) interagiert. Zur Beschreibung von Tempora und Temporaladverbialia bauen nahezu alle neueren Studien auf ein Koordinatensystem mit (wenigstens) drei Orientierungspunkten auf. Es wird gemeinhin auf Reichenbach (1947) zurückgeführt, hat aber in Paul (1880/1960: 273 f.) einen Vorläufer.31 Die Orientierungspunkte sind selbst als Zeitintervalle zu verstehen. Unterschieden werden: a) eine Sprechzeit S (Äußerungszeit). Sie bezeichnet das deiktische Zeitintervall, in das die Äußerung fällt, ist also durch das Ich-Hier-Jetzt der Kommunikationssituation definiert. b) die Ereigniszeit E (Aktzeit, Situationszeit). Sie gibt das Zeitintervall an, in dem der durch einen Satz denotierte Sachverhalt der Fall ist, d. h. das Zeitintervall, das dieser einnimmt. Die Dauer von E ist unabhängig vom Tempus des Satzes. c) die Referenzzeit R (Betrachtzeit, Orientierungszeit). Sie bezeichnet das Zeitintervall, in Bezug auf das der im Satz denotierte Sachverhalt situiert wird.32  



31 „Die Kategorie des Tempus beruht […] auf dem zeitlichen Verhältnis, in dem ein Vorgang zu einem bestimmten Zeitpunkt steht. Als solcher kann zunächst der Augenblick genommen werden, in dem sich der Sprechende befindet, und so entsteht der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, welchem die grammatischen Kategorien Perfectum, Praesens, Futurum entsprechen. […] Statt der Gegenwart kann nun aber ein in der Vergangenheit oder Zukunft liegender Punkt genommen werden, und zu diesem ist dann wieder in entsprechender Weise ein dreifaches Verhältnis möglich“ (Paul 1880/1960: 273 f.). 32 Diese dritte Kategorie ist die in der Literatur am wenigsten einheitlich konzipierte und etikettierte. Klein (1994) führt mit dem Konzept der Topikzeit als Zeit, über die der Sprecher mit seiner Äußerung etwas sagen will, ein informationsstrukturelles Moment bei der Bestimmung von R ins Spiel; Musan (2002b) benutzt, darauf aufbauend, das Konzept der Tempuszeit als „Zeit, über die eine Aussage gemacht wird“ und die durch das Tempus des Satzes lokalisiert wird; Welke (2005) spricht von einer  

208

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

In der Tradition der Reichenbach’schen Zeitlogik lassen sich nun die Bedeutungen von Tempora und Temporalkonnexionen durch die Konstellation dieser drei Koordinaten (Zeitintervalle) zueinander explizieren. Die Hauptfunktion eines Temporaladverbiales ist es dabei, präzisierend und ergänzend zum Tempus, eine Referenzzeit R für den Sachverhalt zu liefern, den der von diesem Adverbiale modifizierte Satz denotiert (vgl. Bäuerle 1979: 47, GDS: 1145, Duden-Grammatik 2005: 498). Für das Deutsche werden traditionell sechs Tempora angenommen.33 Diese werden nach Bildungsform und zeitreferentieller Struktur in die zwei Gruppen semantisch absolute und morphologisch einfache (synthetische) Tempora einerseits (Präsens, Präteritum) und semantisch relative und morphologisch komplexe (analytische) Tempora andererseits (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur II) unterschieden. Das Futur I ist ein besonderer Fall, insofern es der Form nach analytisch/zusammengesetzt ist, der Bedeutung nach aber den absoluten (synthetischen) Tempora Präsens und Präteritum und nicht den zusammengesetzten Tempora an die Seite zu stellen ist.34 Für die Beschreibung der absoluten Tempora Präsens, Futur und Präteritum geht man in der Regel von einem Zusammenfall zweier Intervalle aus. Beim Präteritum und Futur gehen die meisten Tempustheorien von einem Zusammenfall von E und R aus (vgl. etwa Herweg 1990: 145, Ehrich 1992, Welke 2005, Rothstein 2008), die im Falle des Präteritums vor und im Fall des Futurs nach S liegen. Beim Präsens – bei Reichenbach als Überlappung aller drei Zeitintervalle beschrieben – stellt sich das Problem, dass es neben dem oben beschriebenen Gebrauch für zeitübergreifende Sachverhalte auch in drei verschiedenen temporalen Bezügen verwendet werden kann, was eine einheitliche und gleichzeitig gegenüber den beiden anderen einfachen Tempora differenzierende Bedeutungsbeschreibung schwierig macht.  

a) b) c)

Gegenwartsbezug: Der Flieder blüht./Hans schläft. Zukunftsbezug: Morgen kommt der Gärtner./Hans fährt in die Schweiz. Vergangenheitsbezug: Am 21. Juli 1969 betritt der erste Mensch den Mond.  

Mehrere Lösungen wurden diskutiert. Gegen den radikalen Ansatz, eine Herausnahme aus dem System der Tempora (Präsens als „Atemporalis“; vgl. z. B. Leiss 1992, aber  

sekundären Evaluationszeit. Selbstverständlich sind die genannten Konzepte nicht völlig deckungsgleich. Auf die Nutzung weiterer Zeitintervalle (vgl. etwa die Perfektzeit bei Rothstein 2008) kann für unsere Zwecke verzichtet werden. 33 Die Zahl erhöht sich, wenn man doppelte Partizipialformen (neuerdings auch unter normativem Gesichtspunkt thematisiert unter dem Terminus „Doppelperfekt“) wie sie hat/hatte das erledigt gehabt und/oder konjunktivische Formen als eigene Tempora berücksichtigt; vgl. dazu Thieroff (1992). 34 Aufgrund der Besonderheiten des Futurs gibt es auch Analysen des deutschen Tempussystems, die von drei Gruppen ausgehen. Zu den Besonderheiten des Futurs und zur Abgrenzung von Präsens und Futur vgl. GDS (1699 f.).  

209

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

auch schon die Tempustheorie von Weinrich 1964), spricht, dass die Ableitung der temporalen Verwendungen aus einer atemporalen willkürlicher erscheint als der umgekehrte Weg. Aus einer temporalen Bedeutung, die die Referenzzeit um den Sprechzeitpunkt herum situiert, kann dagegen leicht abgeleitet werden, dass ein allgemeingültiger Sachverhalt auch zum Sprechzeitpunkt gilt. Eine etwas weniger vage Beschreibung ist die als Tempus, das aber in Bezug auf die Situierung von R oder E gegenüber S gänzlich neutral ist, sodass der konkrete zeitliche Bezug zu S über Grice’sche Konversationsmaximen aus dem Kontext abgeleitet werden muss oder (beim zeitübergreifenden Gebrauch) ohnehin irrelevant ist (vgl. z. B. GDS: 1692 ff.). Bei diesem Ansatz werden die zukunftsbezogene und die vergangenheitsbezogene Verwendung über einen Leisten geschlagen, was bestimmten Asymmetrien nicht Rechnung trägt (vgl. Ek 1996). Anders als mit dem zukunftsbezogenen Gebrauch ist mit dem historischen Präsens (als Sammelbegriff für eine Reihe von verschiedenen vergangenheitsbezogenen Verwendungen wie Nachrichtenüberschriften, szenischen Vergegenwärtigungen vergangener Ereignisse, tabellarischen historischen Übersichten, Bildunterschriften etc.) eine stilistische Markierung, ein „Verlebendigungseffekt“ und ein höheres Aufmerksamkeitspotential verbunden. Das Präsens kann nicht in beliebigen Vergangenheitskontexten für das Präteritum eintreten (130) und erlaubt keine Kombinationen eines vergangenheitsbezogenen mit einem gegenwartsbezogenen Temporaladverbiale, wohl aber mit einem zukunftsbezogenen (131a vs. 131b). Und schließlich stellt sich eine vergangenheitsbezogene Lesart ohne weitere Kontextindikatoren (vergangenheitsbezogene Temporaladverbialia, Eigennamen von historischen Persönlichkeiten) nicht als Defaultlesart ein, im Unterschied zur zukunftsbezogenen Lesart, die bei telischen Prädikaten die Defaultlesart ist (132a vs. 132b).  

(130)



Am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs wurde am 17. Juli 1738 Jean Baptiste Grenouille geboren. Es war einer der heißesten Tage des Jahres. Die Hitze lag/*liegt wie Blei über dem Friedhof und quetschte den […] Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen. (Süskind, Parfum, S. 7) Hans kommt heute Abend oder morgen früh. *Hans kommt gestern Abend oder heute früh. Im Mai besteigt Hans den Mount Everest. Im Mai besteigen Edmund Hillary und Tenzing Norgay den Mount Everest.  



(131a) (131b) (132a) (132b)

Solche Asymmetrien kann eine Beschreibung des Präsens als „Nichtvergangenheitstempus“, bei der die Möglichkeit des Zukunftsbezugs bereits in der Bedeutungsstruktur des Präsens berücksichtigt wird (vgl. z. B. Herweg 1990, Thieroff 1992, Klein 1994, Ek 1996, Rothstein 2007), eher erfassen. Die vergangenheitsbezogene Verwendung kann dann als eine sprechzeitbezogene „Verschiebung“ einer der Koordinaten beschrieben werden. Das kann nach dem allgemeineren Konzept der Deixisverschiebung (oder Origoverschiebung) modelliert werden, bei der das deiktische Zentrum – im Fall von Tempus S – auf ein sekundäres, von S zu unterscheidendes deiktisches  

210

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Zentrum verschoben wird (etwa so wie beispielsweise bei Wegauskünften auch die lokale Deixis verschoben wird) (vgl. Herweg 1990:173 f.). Eine quasi umgekehrte Lösung schlägt Ek (1996) vor, die von einer „Bildfunktion“ ausgeht, bei der der Sprecher den Sachverhalt, über den er spricht, wie ein zu beschreibendes Bild als eine „fiktive Gegenwart“ sozusagen in das Sprechzeitintervall hereinholt. Dieses „Zeitbild“ (das nicht identisch mit der objektiv-metrischen Ausdehnung eines Sachverhalts ist) ist eine Art sprechersubjektives Modell der Referenzzeit, der Zeit, auf die mit einer Äußerung referiert wird. Die unterschiedlichen Verwendungen des Präsens sind für die drei Temporalsubjunktoren wenn, als und wie relevant: sie selegieren in der Kombination mit einem Präsens jeweils unterschiedliche Bezüge.  

(133a) (133b) (133c)

Wenn die Sonne aufgeht, brechen sie auf. Als die Sonne aufgeht, brechen sie auf. Wie die Sonne aufgeht, brechen sie auf.

Wenn erzwingt in der temporalen Verwendung eine zukunftsbezogene Lesart des Präsens, als die vergangenheitsbezogene, markierte Lesart (s.a. 127). Wie lässt neben einer vergangenheitsbezogenen auch eine sprechzeitbezogene Lesart zu. Für die kompositionale Beschreibung der relativen, zusammengesetzten Tempora braucht man alle drei Koordinaten. Mit diesen Tempora wird ein Ereignis relativ zu einem Zeitintervall R verankert, dessen Bezug zur Sprechzeit sich aus dem Tempus des Auxiliars ergibt, also beim Plusquamperfekt ein Zeitintervall vor S, beim Futur II ein Zeitintervall nach S. Einen besonderen Fall stellt das deutsche Perfekt dar.35 Reichenbach analysiert es wie das Präteritum, was bei Vergangenheitsbezug unter dem Aspekt der Wahrheitsbedingungen auf jeden Fall zutrifft. Problematisch für eine Tempustheorie, die bedeutungsminimalistisch von einheitlichen, invarianten und gegeneinander abgrenzbaren Tempusbedeutungen ausgehen will, ist nun, dass Perfekt und Präteritum nicht in beliebigen Kontexten unter Wahrung der Akzeptabilität gegeneinander austauschbar sind. Mit dem Gebrauch des Perfekts ist eine Reihe von Effekten gekoppelt, die teils Eigenschaften des Präteritums entsprechen (wie der Vergangenheitsbezug), teils Eigenschaften eines perfektiven Aspekts (wie Abgeschlossenheit und Gegenwartsrelevanz). Für das deutsche Perfekt scheint eine Unterspezifiziertheit oder Ambiguität zwischen einer rein temporalen „Vergangenheitslesart“ wie in (134a) und einer aspektuellen „Nachzustandslesart“36 bzw.

35 Welke (2010) weist darauf hin, dass eine ganze Reihe neuerer Tempustheorien ihren Ausgangspunkt gerade in den Besonderheiten des Perfekts nehmen, so z. B. Klein (1999), Musan (2002b), Rathert (2004), Schumacher (2005), Rothstein (2008). 36 Vergleichbar mit dem Konzept des Nachzustands (bei Bäuerle 1979, Musan 1999, 2002b, Schumacher 2005) ist der „Resultatszustand“ bei Ehrich (1992). Gerade umgekehrt geht der „Extended-NowAnsatz“ (von Stechow 1999, Rathert 2001, Rothstein 2008) von einer Erstreckung der Gegenwart in die  

211

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

der Lesart eines „ereignisbedingten Zustands“ wie in (134b) charakteristisch. Die Lesart ist kontextabhängig und nur in der Vergangenheitslesart kann das Perfekt durch das Präteritum ersetzt werden, nicht aber in der Nachzustandslesart (134b’). Bei dieser ergibt sich der Effekt des zeitlichen Hineinreichens in und der Relevanz für den Sprechzeitpunkt. (134a)

Im Winter 1997 ist die Alster das letzte Mal richtig zugefroren. An drei Wochenenden fand das „Alstereisvergnügen“ statt und es kamen Hunderttausende aufs Eis. In den Folgewintern war das Eis nicht stark genug, bis es im Winter 2010 wieder für mehrere Wochen ausreichend kalt war. (134a’) Im Winter 1997 fror die Alster das letzte Mal richtig zu. An drei Wochenenden fand das „Alstereisvergnügen“ statt und es kamen Hunderttausende aufs Eis. (134b) Die Alster ist zugefroren, und die Hamburger sind schon auf ihr unterwegs. (Die Welt-online, 27.01. 2010, o. S.) (134b’) *Die Alster fror zu und die Hamburger sind schon auf ihr unterwegs.  

Auch die Zukunftslesart des Perfekts – sie entspricht der Bedeutung des Futur II – ist nur mit der Nachzustandsanalyse verträglich. Beispiel (135) ist dreifach ambig:37

Vergangenheit hinein aus. Alle drei Konzepte hängen wiederum eng zusammen mit der auch in älteren Grammatiken vertretenen Bedeutungsbeschreibung des Perfekts als Vergangenheitstempus mit „Gegenwartsrelevanz“. (Für einen Forschungsüberblick vgl. Welke 2005 und 2010.) Während sich die neuere Tempusforschung über die Existenz dieser beiden Bedeutungsaspekte des Perfekts weitgehend einig ist, sind die daraus gezogenen Schlüsse doch verschieden. Beim „Invarianz-Ansatz“ wird das Perfekt entweder dominant mit der temporalen oder mit der aspektuellen Charakteristik identifiziert und die jeweils anderen Effekte werden kontextabhängig, vor allem über Skopusunterschiede, daraus abgeleitet. Im Rahmen von „kompositionalen“ Ansätzen (Fabricius-Hansen 1986, GDS, Duden-Grammatik 2005) werden grob gesagt diese beiden Bedeutungsaspekte auf die Bedeutungen des Auxiliars und des Partizips heruntergerechnet. Musan (2002b) definiert das Perfekt einheitlich als Tempus, das einen Nachzustand bereitstellt; temporale Effekte wie den Vergangenheitsbezug sowie weitere, nichttemporale Effekte leitet sie aus pragmatischen Prinzipien ab, die auch in anderen Bereichen der Sprache wirken. Varianz-Ansätze nehmen von vorneherein zwei Bedeutungen an. (Vgl. z. B. Welke 2005 und 2010, der die zwei Verwendungsweisen im Rahmen eines Prototypenansatzes aus einem „Archetyp“ ableitet.) 37 Formalsemantisch wurden solche Ambiguitäten meist als Skopusunterschiede beschrieben und mit unterschiedlichen Operatorenschachtelungen expliziert. Bei der Nachzustandslesart hat das Adverb Skopus über den Perfektoperator, der zuerst auf eine tempuslose Proposition p angewendet wird, in der das Ereignis e eingeführt wird. In halbformaler Schreibweise: (Ende des Jahres (hat- (Hans Buch schreiben)). Bei der Vergangenheitslesart hat der Perfektoperator weiten Skopus über das Adverb, das zuerst auf die Proposition p angewendet wird. In halbformaler Schreibweise: (hat- (Ende des Jahres (Hans Buch schreiben)) (vgl. Herweg 1990: 200).  

212

(135) (135a)

(135b)

(135c)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Ende des Jahres hat Hans das Buch fertig geschrieben. Ende des Jahres hat Hans das Buch fertig geschrieben, aber über Weihnachten kamen ihm neue Ideen und dann schrieb er es noch einmal vollständig um. Vergangenheitslesart: Ereigniszeitintervall vor Sprechzeit Ende des Jahres hat Hans das Buch fertig geschrieben. Jetzt liegt es bei den Gutachtern. Nachzustandslesart mit Relevanz für den Sprechzeitpunkt. Der Nachzustand des Ereignisses das Buch schreiben herrscht zum angegebenen Zeitpunkt Ende des Jahres und dieser fällt mit dem Sprechzeitpunkt in eins. Ende des Jahres hat Hans das Buch fertig geschrieben, sagt er. Dann will er einen Verlag suchen. Zukunftslesart: Der Nachzustand des Ereignisses das Buch schreiben herrscht zum angegebenen Zeitpunkt Ende des Jahres und dieser liegt nach der Sprechzeit.

Die Perfektambiguität (bzw. Unterbestimmtheit) kann durch den Kontext aufgelöst werden. Im obigen Fall waren dies Textfortsetzungen. Disambiguierende Funktion können aber auch Temporaladverbialia haben. So würde beispielsweise in (135) ein sprechzeitrelatives (deiktisches) Adverbiale (s. dazu C1.1.2.2) das Verhältnis der Ereigniszeit zur Sprechzeitpunkt vereindeutigen: Ende letzten Jahres, gestern schließt die Zukunftslesart aus, Ende des nächsten Jahres, morgen die Vergangenheitslesart. Modifizieren Zeitpunkt spezifizierende (positionelle) Temporaladverbialia einen Satz im Perfekt, dann beziehen sie sich bei der Nachzustandslesart und der Zukunftslesart auf ein Zeitintervall, in dem der Nachzustand des in diesem Satz bezeichneten Ereignisses herrscht. Bei der Vergangenheitslesart beziehen sie sich auf die von diesem Ereignis eingenommene Ereigniszeit selbst (vgl. Herweg 1990: 199 f.). Nachzustandslesart und Zukunftslesart haben also mehr miteinander gemein als mit der Vergangenheitslesart. In kompositionalen Tempustheorien wie in der GDS (1703) wird dem dadurch Rechnung getragen, dass erstere als Modifikation des Auxiliartempus und letzteres als Modifikation des Infinitiv Perfekts (Vergangenheitslesart) beschrieben werden. Die Ambiguität zwischen Nachzustands- und Zukunftslesart ist dann aus der entsprechenden Ambiguität des Präsens herleitbar. Kontextrelative Temporaladverbialia (s. C1.1.2.2) ohne Finitum haben nicht in jedem Fall disambiguierende Funktion; auch in (136) und (137) bleibt die Ambiguität erhalten.  

(136) (137)

Nach einem Sabbatical-Jahr hat Hans das Buch fertig geschrieben. Um Mitternacht hat Hans das Buch fertig geschrieben.

Anders liegt der Fall wieder bei satzförmigen Temporaladverbialia, sprich bei Konstruktionen mit temporalen Subjunktoren. Bei diesen dient zum einen die obliga-

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

213

torische Tempusmarkierung des Adverbiales für eine klarere Verankerung in Bezug auf Sprechzeitpunkt und Ereigniszeit des situierten Sachverhalts, zum anderen sind viele Temporalkonnektoren auch in dieser Hinsicht spezifisch. So schließt (136a) eine Zukunftslesart aus; (136b) ist mit der Zukunftslesart vielleicht kompatibel, Sprecher würden hier aber eher auf einen anderen nicht-primär vergangenheitsbezogenen Konnektor (wenn) ausweichen oder durch ein Futurperfekt den Zukunftsbezug vereindeutigen. Nachdem Hans ein Sabbatical-Jahr zu Hause arbeitete, hat er das Buch fertig geschrieben. (nur Vergangenheitslesart möglich) (136b) ?Nachdem Hans ein Sabbatical-Jahr zu Hause gearbeitet hat, hat er das Buch fertig geschrieben. (in der Zukunftslesart) (136a)

Subjunktoren für Zeitpunktadverbialia wie in (137) sind teilweise nach Vergangenheits- und Zukunftsbezug differenziert; als und wenn (s. C1.3.1.1 und C1.3.1.6) sind in dieser Hinsicht gerade komplementär. (137a) (137b)

Als/*wenn es Mitternacht geschlagen hat, hat Hans das Buch fertig geschrieben. (in der Vergangenheitslesart) Wenn/*als es Mitternacht geschlagen hat, hat Hans das Buch fertig geschrieben. (in der Zukunftslesart)

Mit satzförmigen Zeitpunktadverbialia und Temporalkonnektoren treten also einige der in der Literatur behandelten Probleme und Ambiguitäten mit dem Perfekt (vgl. dazu insbes. Musan 1999 und 2002b, Rathert 2004 und Rothstein 2008) gar nicht erst auf.38 Auch durative Adverbialia zeigen in Perfekt-Sätzen Besonderheiten. So sind sie normalerweise nur mit durativen Prädikaten (Aktivitäten, Zustände), aber nicht mit punktuellen Prädikaten (Achievements, s. A4.5.2) kombinierbar (138a); ferner sind sie in Bezug auf das Merkmal Telizität spezifisch und lassen keine telischen Prädikate zu, auch wenn diese durativ sind (Accomplishments, s. (138b)); telische Prädikate lassen aber unter Umständen wie (138c) eine iterative Lesart zu. Mit einem Verb im Perfekt ist dies aber auch ohne die iterative Lesart möglich, da dann die Nachzustandslesart greift und somit die Forderung des Adverbiales nach Atelizität wieder erfüllt ist (138c).

38 Zu den in vergleichenden Arbeiten am meisten diskutierten „Perfect Puzzles“ gehört die Tatsache, dass das englische Perfekt im Unterschied zum Deutschen keine Modifikation durch Zeitpunktadverbialia zulässt, also keine Sätze wie *John has met Mary yesterday.

214

(138a) (138b) (138c) (138d)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

*Wie lange/*drei Jahre lang platzte der Ballon. *Wie lange/*drei Jahre lang eroberte Napoleon Moskau. Drei Jahre lang eroberte Napoleon eine russische Stadt nach der anderen. Wie lange/drei Jahre lang/seit 1994 hat Hans die Formel schon entdeckt. (nach Musan 2002b nur mit Akzent auf dem Auxiliar in dieser Lesart möglich)

Satzförmige durative Adverbialia (mit den Konnektoren seitdem, seit, solange, bis) lassen ebenfalls beide Arten von Bezug zu, den Bezug auf das Ereignis selbst (in 10b mit der iterativen Lesart) und den auf den Nachzustand (139c, d). (Inwieweit Strukturen wie (139c, d) gebräuchlich sind, wird in C1.4 behandelt.) 1994 war für Karl der Start einer erfolgreichen Forscherkarriere. Seitdem hat er ununterbrochen geforscht. (139b) 1994 war für Karl der Start einer erfolgreichen Forscherkarriere. Seitdem hat er eine Formel nach der anderen entdeckt. (139c) Am Valentinstag schenkte Karl seiner Angebeteten einen riesigen Strauß Rosen. Seitdem hat er ihr Herz erobert. (139d) Solange Maria sich erinnern kann, hat Karl die Formel für die Vorausberechnung des Klimawandels schon entdeckt.

(139a)

Was den Gebrauch der Tempora in Temporalkonnexionen angeht, so gelten zunächst einmal die Regeln für den Gebrauch der Tempora in einfachen Sätzen (dazu vgl. vor allem Hennig 2000, Duden-Grammatik 2005, Welke 2005). Dieser wird, wie oben dargelegt, durch die zeitliche Relation eines Sachverhalts in Bezug zur Sprechzeit und zu einer weiteren Referenzzeit bestimmt. Diese Referenzzeit liefert im Fall von temporalen Konnexionen das Temporaladverbial. Eine erste Faustregel lautet dann: bei Gleichzeitigkeit der relationierten Sachverhalte wird in beiden Konnekten dasselbe Tempus verwendet; bei Vor- bzw. Nachzeitigkeit werden innerhalb einer von zwei „Tempusgruppen“ jeweils einfaches und zusammengesetztes Tempus kombiniert, wobei das zusammengesetzte Tempus dann als Vorzeitigkeitsindikator dient. Zur ersten Tempusgruppe gehören Präsens, (Präsens-)Perfekt, Futur und Futur II (Futurperfekt), zur zweiten Präteritum und Plusquamperfekt (Präteritumperfekt) (vgl. Duden-Grammatik 2005: 511).39 Eine dieser Regel konforme Konnexion mit einem sequenzierenden Temporalkonnektor sieht also so aus:

39 Eine vergleichbare Zweiteilung der Tempora und eine entsprechende Kombinationsregel findet sich in vielen Grammatiken: „In temporalen Satzgefügen werden in der Regel nur Tempora einer Gruppe miteinander kombiniert“ (Duden-Grammatik 2005: 1079); vgl. ferner die Grundzüge (Heidolph et al. 1981: 792), Weinrich (2003: 198).  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(140)

215

Nachdem sie sich beide von Teer und Seife befreit hatten, beschlossen sie, das Dach doch von einem Fachmann decken zu lassen. (Berliner Zeitung, 18.08.2001, S. 7) Nachdem sie die Beute verschlungen hat, zieht sich die Schlange an einen warmen Ort zurück und verdaut zwei bis drei Tage. (Zürcher Tagesanzeiger, 17.07.1997, S. 17)  

(141)



Daraus könnte man folgern, dass der Subjunktor nachdem für sein internes Konnekt das zum Tempus des externen Konnekts passende Vorzeitigkeitstempus fordert, was sich in manchen restriktiven Aussagen in Grammatiken auch findet (vgl. etwa Buscha 1989: 99 und Helbig/Buscha 1999: 462, vgl. ferner die Übersicht in Steidele 2004: 134 f.). Von dieser Konstellation kommt es aber aus einer ganzen Reihe von Gründen zu Abweichungen.  

(i) Einfluss von Aspektualität Ein internes Konnekt mit einem atelischen Prädikat kann das gleiche Tempus aufweisen wie das externe. Hierzu zählen auch Zustandspassive von telischen Verben wie in (143b). Sie verfiel in eine Art Trotz und ging erst drei Jahre, nachdem wir aus Bonn weg waren, in den Kreis, obwohl die sie dauernd einluden. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 266) (143a) Zuerst muss dieser Dachträger runter, den benötige ich sowieso nicht mehr, nachdem die Fahrräder bereits wieder in der Garage stehen. (Kleine Zeitung, 12.09.2000, o. S.) (143b) … nachdem die Fahrräder wieder in der Garage verstaut sind.

(142)





(ii) Nicht-temporale Interpretationen des Konnektors In Verknüpfungen, in denen sich nachdem kausal interpretieren lässt, können die Konnekte gleiches Tempus haben. Eine kausale Deutung lässt auch (144) zu. (144)

Nachdem ohnehin alles elektronisch geht, spielen Distanzen keine Rolle mehr.

(iii) Formgesteuerte Präferenzen bei Verbalkomplexen In mehrteiligen Verbalkomplexen mit Modalverben und Quasi-Modalen (pflegen, scheinen, lassen) erscheint auch zur Anzeige von Vorzeitigkeit eher einfaches als zusammengesetztes Tempus wie in (145). Dies steht im Dienste der Komplexitätsreduktion, passt aber auch semantisch zur Bedingung für atelische Verben. In (146) erscheint der Verbalkomplex reparieren lassen im internen Konnekt im einfachen Vergangenheitstempus Präteritum, das externe Konnekt weist eine Perfektform auf, die sich durch die Gegenwartsrelevanz erklären lässt. Die Tempusverteilung wider-

216

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

spricht also der restriktiven Regel für den Sequenzkonnektor nachdem in jeder Hinsicht, und ist doch in keiner Weise zu beanstanden. (145)

(146)

Nachdem es schien, als ginge der Sieg schon sicher an die Skyliners, kamen die Eisbären doch nochmal in Reichweite. (http://crossover-online.de/BBL/ Top-Four-Turnier/Stimmungsvolles-Frankfurt_8294.html) Nachdem sich die Library mit Alt Shift Starten nicht reparieren ließ (Programm wurde unerwartet beendet), habe ich dann folgendes ausprobiert […]: (http://www.macsolutions.de/forum/showdetails.php?topic_id=1355)

Die Regel, dass temporale Sequenz von zwei Sachverhalten nur durch Kombinationen von Tempora innerhalb der gleichen Tempusgruppe ausgedrückt werden kann, sieht eine Kombination von Präteritum und Perfekt nicht vor. Diese Regel ist aber schon durch die partielle Synonymie von Präteritum und Perfekt als Vergangenheitstempora angreifbar; hinzu kommen zwei weitere „Störfaktoren“: (iv) Textsortenkonventionen Die Distribution von Präteritum und Perfekt ist teilweise textsortenspezifisch;40 schriftliche Berichte und narrative Texte haben eine Affinität zum Präteritum, in mündlichen Gesprächen finden sich mehr Perfektformen. Von einer 1:1-Korrelation kann freilich nicht die Rede sein, da im schriftlichen wie mündlichen die Tempora auch gemischt auftreten. Eine typische Nachrichtenkonstellation ist etwa die Einleitung eines Artikels mit einem Satz im Perfekt und die Fortführung im Präteritum. (v) Regionale Variation Im mündlichen Sprachgebrauch macht sich im Oberdeutschen die Verdrängung des Präteritums durch das Perfekt („Präteritumschwund“) bemerkbar, die nach Schrodt/ Donhauser (2003) schon im 16. Jh. ihren Höhepunkt erreicht hat. Die Verteilung von Perfekt und Präteritum erfolgt aber, wie eine aktuelle empirische Studie zeigt (Jäger 2006), nicht durchgehend so, dass in Gebieten, die vom oberdeutschen Präteritumschwund betroffen sind, im mündlichen Erzählen nur Perfektformen und in den norddeutschen Gebieten nur Präteritumformen verwendet würden. Abgesehen davon, dass sich Sprecher in ihrem Gesprächsverhalten dem Adressaten anpassen, gibt es auch variierenden Gebrauch zwischen den beiden Tempora bei ein und demselben Sprecher, für den nach Jäger keine Motivation ersichtlich ist.

40 In der Tempustheorie Weinrichs (1964) wird mit dem „Register“-Unterschied zwischen besprechenden Tempora (Perfekt, Präsens) und erzählenden Tempora (Präteritum, Plusquamperfekt) die Genregebundenheit zum zentralen Differenzkriterium gemacht.

217

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(vi) „Regelloser“ Gebrauch Angesichts dieser Vielzahl von Störfaktoren verwundert es dann nicht, wenn sich selbst in internen Konnekten mit telischen Prädikaten ohne Modalverben und bei nicht kausaler Interpretation viele Belege mit einfachen Tempusformen finden. Einen Gebrauch wir in (147) oder die Variation in (148), wo bei fast identischer Formulierung einmal Perfekt und einmal – regelwidrig – Präteritum auftritt, kann man evtl. mit der Teilsynonymie dieser beiden Tempora erklären; diese steht dann der Regel der Tempuskombination innerhalb der gleichen Tempusgruppe quasi im Weg. Verwendungen wie (149) und (150), in denen man im internen Konnekt statt des Präteritums ein Plusquamperfekt erwarten würde, sind dagegen nach keiner Regel der Grammatik erklärbar. (147)

Die Landesregierung wird die Anfechtung zwar schon heute beschließen, sie kann jedoch erst eingebracht werden, nachdem das entsprechende Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. (Vorarlberger Nachrichten, 07.11.1997, o. S.) (148a) Gerade ein Jahr ist es her, seit ein schlohweißer Ignacio Gallego mit unsicherem Schritt seine politische Weggefährtin Dolores Ibarruri zu Grabe trug. (die tageszeitung, 26.11.1990, S. 8) (148b) Es ist 16 Jahre her, seit ein Schweizer Schütze an Olympischen Spielen eine Medaille gewonnen hat. (St. Galler Tagblatt, 02.10.2000, o. S.) (149) Und nachdem im vergangenen Jahr aufgrund der Terroranschläge in den USA der Herbstball im September abgesagt wurde, erlebte diese Veranstaltung der SV DJK Eintracht Bürstadt eine Neuauflage im Bürgerhaus Riedrode. (Mannheimer Morgen, 03.12.2002, o. S.) (150) Schwarze Serie für die Linz/Enns-Volleyballer! Nachdem Diebe den Vereinsbus plünderten, wurde in Prag das Klubauto von Spielertrainer Jiri Vojik (Bild) gestohlen. (Neue Kronen Zeitung, 07.12.1997, S. 50)  











Fazit: In Verknüpfungen mit temporalen Sequenzkonnektoren muss keineswegs der vorzeitige Sachverhalt zwingend durch ein zusammengesetztes Tempus gekennzeichnet sein, sondern es gibt bereits standardsprachlich und sprachsystematisch legitimiert einen größeren Variationsspielraum. Darüber hinaus zeigen sich im Sprachgebrauch weitere Verwendungen, die sich einer Erklärung nach den angeführten Mustern entziehen. Dazu gehören sicher auch die bei Rathert (2004) angeführten Belege von Präteritumverwendungen mit Gegenwartsrelevanz. Hennig (1999: 172) kommt auf der Basis einer kleinen empirischen Studie zu dem Schluss, dass die Unterscheidung zwischen Präteritum und Perfekt „im Sprachgefühl des Nicht-Linguisten offenbar kaum noch vorhanden ist“. Inwieweit dies zutrifft, könnte freilich erst eine Korpusstudie auf breiterer Datenbasis sicherstellen. Für die Temporalkonnektoren bedeutet dies, dass es nicht zweckmäßig ist, in ihrem Lexikoneintrag Restriktionen in Bezug auf konkrete Tempusformen in ihren Konnekten anzugeben; die Angabe der semantischen Rollenstruktur (Zuordnung

218

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

von früherem und späterem Sachverhalt bei Sequenzkonnektoren) reicht hier völlig aus. Bei den Finalkonnektoren damit und auf dass, deren internes Konnekt nichtfaktisch ist und im Verhältnis zum externen Konnekt immer einen zeitlich späteren Sachverhalt bezeichnet, kann im internen Konnekt auch ein zusammengesetztes Tempus erscheinen, das dann seine Nachzustandslesart einbringt. (151)

Nur allzuverständlich ist da der Wunsch, möglichst auf einen Streich sämtliche Löcher zu stopfen, auf daß dieses trübe Kapitel wieder für einige Zeit abgehakt ist. (Mannheimer Morgen, 25.05.1988, S. 13)  

4.5.2 Aspektualität Stärker als mit den Tempora interagieren Temporalkonnektoren mit der aspektuellen Charakteristik der von ihnen verknüpften Strukturen, d. h. deren interner zeitlicher Struktur. Sie können als Teil ihrer lexikalischen Ausstattung eine bestimmte aspektuelle Charakteristik in den Konnekten, bei Subjunktoren speziell dem internen Konnekt verlangen, und Verletzungen dieser Forderungen ziehen interpretative Anpassungen nach festen Mustern nach sich. Zur Beschreibung der internen zeitlichen Struktur herrscht besonders in der englischsprachigen und germanistischen Literatur schon seit dem 19. Jh. eine verwirrende Vielfalt an Konzepten und Termini.41 Insbesondere in Bezug auf die Begriffe Aspekt und Aktionsart „remains little consensus about their use“ (Dahl 1994: 240). Die Begriffsverwirrung rührt zum einen daher, dass der Aspektbegriff aus dem Russischen mit seinem grammatikalisierten, morphologisch kodierten Aspektsystem nicht in gleicher Weise auf das Englische und noch weniger auf das Deutsche übertragen werden kann, zum anderen resultiert er aus der Uneinheitlichkeit in Bezug auf das Objekt, das mit Konzepten wie Aktionsart, Aspekt, Situationsklasse, Zeitkonstitution (Krifka 1989) oder Verbalcharakter (Leiss 1992) beschrieben wird.42 Tendenziell – ceteris paribus – beziehen sich Linguisten a) mit dem Terminus Aktionsart eher auf inhärente lexikalische Eigenschaften von Verben, also auf lexikalisierte Unterscheidungen von Kategorien der Aspektualität; eine andere Bezeichnung ist lexikalischer Aspekt. Allerdings  

41 Zur Begriffsgeschichte und zur Abgrenzung von Aktionsart und Aspekt vgl. Herweg (1990: 30 ff.), Kortmann (1991), Sasse (Hg.) (1991), Wiebel (2007: 87–104). Zu Aspekt und Aktionsart im Deutschen vgl. Steinitz (1981), Herweg (1990), Leiss (1992), Dölling (2001), Albert (2003), Andersson (2004), Gautier/Haberkorn (Hg.) (2004). Für eine übereinzelsprachliche Konzeptualisierung von Aspekt/aspect vgl. insbes. Comrie (1976), Dahl (1985), (2000), Smith (1991) und Bybee/Perkins/Pagliuca (1994). 42 Dass die englischsprachige Linguistik mit Comrie (1976) dazu tendiert, den Begriff aspect auch auf den Gegenstandsbereich von Aktionsarten auszudehnen, kommt erschwerend hinzu.  

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

219

findet sich Aktionsart auch zur Charakterisierung von Eigenschaften der gesamten VP; mit dem Terminus Aspekt auf satzsemantische Eigenschaften und grammatikalisierte (in bestimmten Sprachen flexionsmorphologisch kodierte) und damit für den Sprecher frei wählbare Arten der Darstellung von Sachverhalten; mit dem Terminus Situationsklasse auf Eigenschaften von „Situationen“ oder „Sachverhalten“, also eigentlich des Denotats von Sätzen. In der Tradition von Vendler (1967) werden Situationsklassen aber an den Eigenschaften von Verbalphrasen festgemacht, sodass keine strikte Unterscheidung zu Aktionsarten gegeben ist. Situationsklasse und Aktionsart fallen im Begriff des Situationsaspekts zusammen.

b)

c)

Eine grundlegende Verwischung der Grenze von lexikalischer Prädestination und satzsemantischer Determiniertheit kommt schon mit Vendlers „aspect classes“ (Vendler 1967) ins Spiel, die Eigenschaften der VP, also des Hauptverbs und seiner Argumente sind (der „verb constellation“ in der Aspekttheorie von Smith 1991). (In der deutschsprachigen Linguistik werden sie jedoch eher mit „Aktionsarten“ oder „Situationsklassen“ als mit „Aspekt“ übersetzt; vgl. z. B. Rothstein 2007: 8, ten Cate 1988: 17 f.) Auch speziell für das Deutsche ist die Unterscheidung von Aspekt und Aktionsart als Grammatikalisierung vs. Lexikalisierung von Kategorien der zeitlichen Strukturierung nicht unproblematisch. Zwar besitzt das Deutsche kein durchgängig grammatikalisiertes, flexionsmorphologisch kodiertes Aspektsystem, ist aber in der Lage, durch eine Reihe von syntaktischen und lexikalisch-syntaktischen Konstruktionstypen aspektuelle Differenzierungen eines Sachverhalts zum Ausdruck zu bringen: Nach Drossard (1991) gibt es im Deutschen für fast jedes Lexem eine „wie auch immer geartete Aspektvariante“. Durch diese Konstruktionstypen, die sich häufig im Grenzbereich von Lexik und Grammatik bewegen (und deshalb auch in jüngster Zeit in konstruktionsgrammatischen Ansätzen Beachtung finden), kann auch die angestammte lexikalische Aktionsart eines Verbs überschrieben werden. Darunter fallen etwa Funktionsverbgefüge (verbinden – in Verbindung stehen), PPen mit am als Progressiv (nach Hause gehen – am nach Hause gehen sein) und Prospektiv (platzen – am Platzen sein), Resultativkonstruktionen (schreiben – zu Ende schreiben, laufen – sich halbtot laufen) und Verfahren der verbalen Wortbildung (blühen – erblühen, laufen – loslaufen). Auch Tempus kann, wie wir im vorherigen Abschnitt mit der Nachzustandslesart des Perfekts gesehen haben, ein telisches Prädikat mit einer Zustandslesart versorgen. Ferner können durch die Argumentstruktur und den Referenztyp der Komplemente Typveränderungen gegenüber der Basiskategorie hervorgerufen werden (essen – Pizza essen – die Pizza essen). Wenn von Aspekt als Darstellungsweise der zeitlichen Struktur eines Sachverhalts die Rede ist, gilt als zentrale Opposition die zwischen perfektiv und imperfektiv.  



220

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Beim perfektiven Aspekt wird ein Sachverhalt als abgeschlossenes „unanalysiertes Ganzes“ (Herweg 1990: 66) und von außen betrachtet dargestellt, beim imperfektiven als im Verlauf befindlich ohne Information über die Endpunkte, also bezogen auf die interne Struktur und von innen betrachtet. Untertypen des imperfektiven Aspekts sind der Progressiv, bei dem ein Sachverhalt als im Verlauf befindlich in Bezug auf einen im Kontext gegebenen zusätzlichen Referenzzeitpunkt lokalisiert wird, und der Prospektiv, der die Anfangsphase eines in der Zukunft realisierten Sachverhalts bezeichnet. Diese Aspektopposition ist im Deutschen nicht über die Verbmorphologie kodiert. Auch die Tempora sind im Gegenwartsdeutschen nicht an einen bestimmten Aspekttyp gekoppelt: Ein Sachverhalt kann in allen Tempora – im Unterschied beispielsweise zum Französischen auch in allen drei Vergangenheitstempora – als perfektiv/ abgeschlossen wie als imperfektiv/unabgeschlossen dargestellt werden (vgl. Rothstein 2007: 67). (152a) (152b)

PERF Leo schrieb einen Brief an seine Freundin. Danach fuhr er zur Post. Leo schrieb gerade einen Brief an seine Freundin, als es plötzlich klingelte.  

IMP

Erst hat Leo Briefmarken gesammelt. Dann hat er sich ein neues Hobby PERF gesucht. (153b) Leo hat schon immer Briefmarken gesammelt. IMP (154a) Leo hatte einen Brief geschrieben und ihn zur Post gebracht. PERF (154b) Während Leo einen Brief geschrieben hatte, hatte es plötzlich geklingelt. (153a)



IMP

Zwischen Tempus und Aspekt gibt es allenfalls beim Perfekt eine sprachhistorisch bedingte Affinität, insofern es (wie ja auch in der Bezeichnung selbst anklingt) in kontextlosen und nicht weiter temporaladverbial spezifizierten Sätzen als zum Sprechzeitpunkt abgeschlossener Sachverhalt interpretiert wird.43 Die Beispiele lassen bereits erkennen, dass der Ausdruck von Aspektualität eine wesentliche Leistung von Temporaladverbialia und Temporalkonnektoren ist. Diese operieren auf Sätzen, die bereits eine bestimmte aspektuelle Charakteristik mitbringen, die sich ihrerseits wiederum kompositional aus der Aktionsart des Hauptverbs, den Referenzeigenschaften seiner Komplemente und Supplemente und gegebenenfalls bestimmter periphrastischer Konstruktionen zusammensetzt. Diese komplexe Charakteristik wird bisweilen ebenfalls als Aktionsart von VPen oder Sätzen beschrieben, entspricht aber grosso modo auch Vendlers „aspect classes“ oder dem

43 Aus dem Abgeschlossenheitseffekt leitet sich auch die verbreitete „Aspekthypothese“ des Perfekts ab, die von einer primären Aspektfunktion ausgeht und die temporale Vorzeitigkeitsfunktion als eine Art Implikatur aus der Abgeschlossenheit ableitet. (Ein zu einem Zeitpunkt T abgeschlossenes Ereignis liegt notwendig zeitlich vor T.)

221

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Konzept der „Zeitkonstitution“ in der kompositionalen Aktionsarttheorie von Krifka (1989). Die Hauptopposition dieser Kategorie ist die von telischen und atelischen Ausdrücken. Telische Ausdrücke (wie versenken, loslaufen, ankommen, einen Berg besteigen) sind grenzbezogen und implizieren einen Zustandswechsel zu einem Endzustand, der durch den Ausdruck selbst denotiert wird, sie sind „transformativ“. Atelische Ausdrücke (wie laufen, liegen, Eis essen) implizieren keinen solchen Endpunkt, sie sind „nicht transformativ“. (In Analogie zur Unterscheidung von kumulativen homogenen Massennomina wie Gold, Milch und gequantelten wie eine Unze Gold, ein Liter Milch spricht man auch von „homogenen“, zu allen Subintervallen geltenden, bzw. inhomogenen, nicht zu allen Subintervallen geltenden Sachverhalten.) In der Tradition von Vendler (1967) werden diese (Satz-)Aktionsarten noch nach zwei weiteren Merkmalspaaren definiert und aufgeteilt: a) Denotiert der Ausdruck einen statischen Sachverhalt (wie liegen, wissen, besitzen) oder einen dynamischen (wie laufen, essen, aufessen, einlaufen)? b) Denotiert der Ausdruck einen zeitlich ausgedehnten Sachverhalt (wie laufen, liegen, reisen) oder einen punktuellen (wie ankommen, zerbrechen, blitzen)? Als Diagnostika zur Ermittlung der Klassen dienen vor allem folgende Testkriterien: a) Kombinierbarkeit mit Zeitdauer spezifizierenden Adverbialia (stundenlang) bzw. Erfragbarkeit mit wie lange x-te er/sie? oder wie lange brauchte er/sie, um zu x-en?) b) Kombinierbarkeit mit Frequenz spezifizierenden Adverbialia (drei mal) bzw. Erfragbarkeit mit wie oft x-te er/sie? c) Kombinierbarkeit mit Zeitpunkt spezifizierenden Adverbialia (um 12 Uhr) bzw. Erfragbarkeit mit wann x-te er/sie? d) Kombinierbarkeit mit Zeitspannenadverbialia (in/innerhalb/im Laufe von 2 Stunden) e) Bildbarkeit einer Progressivform (gerade x-en; am x-en sein, dabei sein zu x-en)  



Vendler nahm vier Klassen an, deren Merkmalskombination und Diagnostika (sowie gängige deutsche Termini) Tab. A4-5 zusammenstellt. Dabei muss man freilich in Rechnung stellen, dass die Tests mitunter nicht so eindeutig greifen; sei dies, weil Uminterpretationen der aspektuellen Charakteristik des Prädikats vorgenommen werden (s. Tab. A4-6), sei dies, weil ein Prädikat sich nicht eindeutig einer der Gruppen zuordnen lässt.  



222

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Tab. A4-5: Situationsklassen nach Vendler (1967) Nichtveränderungssachverhalte

Veränderungssachverhalte

states (Zustände)

activities (Prozesse/Aktivitäten)

achievements (Ereignisse)

accomplishments (Handlungen)

atelisch

atelisch

telisch

telisch

statisch

dynamisch

dynamisch

dynamisch

durativ

durativ

punktuell

durativ

wissen, glauben, ahnen, besitzen, lieben, kosten, entsprechen, ähneln

laufen, klettern, schwimmen, Milch trinken, Auto fahren, lesen, schreiben, Briefe schreiben, herumlaufen, Englisch lernen, diskutieren

ankommen, einen Schatz finden, die Grenze überqueren, den Gipfel erreichen, einen Preis gewinnen, explodieren, zerbrechen, umfallen, sterben

eine Meile laufen, den Brief schreiben, ein Buch lesen, einen Kreis zeichnen, einen Kurs halten, eine Stadt erobern, einen Gipfel besteigen

wie lange x-te er?/stundenlang

*wie lange x-te er?/stundenlang

*wie oft x-te er/drei mal

wie oft x-te er/drei mal

*wann x-te er?

wann x-te er? *innerhalb einer Stunde

kein Progressiv bildbar

Progressiv bildbar (X war am lesen)

*wann x-te er? innerhalb einer Stunde

kein Progressiv bildbar

Progressiv nur im Substandard (X war ein Buch am lesen)

In der Kombinatorik fällt ins Auge, dass die Merkmale nicht völlig unabhängig voneinander sind. Veränderungssachverhalte sind notwendig stets dynamisch, und bei den Nichtveränderungssachverhalten ist Atelizität immer mit Durativität korreliert. Ein nicht begrenzter Sachverhalt, dem nicht gleichzeitig eine gewisse zeitliche Extension zukommt, ist konzeptuell nicht vorstellbar. Viele Verben determinieren mit ihrer lexikalischen Aktionsart nicht zwingend die aspektuelle Charakteristik des Satzes, in dem sie als Prädikat fungieren, sondern können durch bestimmte Konstruktionsmuster, die immer entweder eine telische oder atelische aspektuelle Charakteristik erzeugen, auch umgedeutet werden (Aspektanpassung). Solche Konstruktionen sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) etwa die folgenden:

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

(i)

223

atelische Aktionsart → telische Gesamtcharakteristik (perfektiver Aspekt)

definite Komplemente: schreiben essen Direktionaladverb: laufen

den Roman schreiben zwei Äpfel essen

nach Hause laufen

Funktionsverbgefüge mit setzen, stellen, geraten, gehen, nehmen, kommen, gewinnen: bearbeiten in Arbeit nehmen Resultativkonstruktionen: trinken zu Ende trinken essen sich satt essen laufen sich müde laufen (ii)

telische Aktionsart → atelische Gesamtcharakteristik (imperfektiver Aspekt)

am x-en sein („rheinische Verlaufsform“); dabei sein zu x-en: überqueren am überqueren sein, dabei sein zu überqueren erklimmen dabei sein, den Gipfel zu erklimmen Funktionsverbgefüge mit sein, halten, haben, bleiben, stehen: verbinden in Verbindung stehen Negation aussterben

nicht aussterben

Die Vendlerschen Situationsklassen sind in ereignissemantischen Arbeiten mitunter als zu grobschlächtig und die Tests zu Recht als nicht immer zuverlässig kritisiert worden. Eine feinkörnigere Einteilung von Ereignistypen bietet etwa Engelberg (2000); Lehmann/Shin/Verhoeven (2000) ordnen und untergliedern die vier Vendlerschen Situationstypen in einem Kontinuum entlang der Dimension Dynamizität. Maienborn (2003) hat gezeigt, dass durch Vendlers Kriterien für Zustandsverben die Positionsverben sowie Verben wie schlafen, warten, kleben, leben, ruhen nicht erfasst werden, da diese mit den nicht-stativen Prozessverben die Progressivierbarkeit teilen. Unter den Konnektoren sind es in erster Linie die Temporalkonnektoren, die als lexikalische Eigenschaft bestimmte Forderungen an die aspektuelle Charakteristik

224

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

ihrer Konnekte haben. Dabei zeigt sich, dass es genau die der Vendlerschen Klassifikation zugrunde liegenden Merkmale Telizität und Durativität (mit den Oppositionen telisch vs. atelisch und durativ vs. punktuell) sind, die ausreichen, um diese lexikalischen Forderungen der Temporalkonnektoren und die bei temporalen Konnexionen wirksamen Prozesse der Aspektanpassung zu beschreiben. Allenfalls muss im Bereich der Zustände im Sinne von Maienborn weiter differenziert werden. Aspektanforderungen von Konnektoren an ihre Konnekte beziehen sich im Übrigen immer auf die aspektuelle Gesamtcharakteristik des Konnekts, die durch kompositionale Verrechnung der Aktionsarteigenschaften des Hauptverbs mit den semantischen Eigenschaften des Kontexts zustande kommt. Telizität und Atelizität wird hier auch nicht verstanden als (absolute) Eigenschaft einer Situation, sondern als Art und Weise ihrer Darstellung in Bezug auf die innere zeitliche Struktur. Aus diesem Grund verzichten wir für das Handbuch auch auf eine durchgehende doppelte Kategorisierung nach Aktionsart und Aspekt und sprechen stattdessen von der „aspektuellen Charakteristik“ der Konnekte. Die Forderung eines Konnektors an die aspektuelle Charakteristik wird in der Regel dadurch gewährleistet, dass Sätze mit unpassender Charakteristik als Konnekte ausscheiden. In vielen Fällen sind aber bei einer scheinbaren Verletzung auch Anpassungen möglich, indem das Prädikat nach konventionalisierten Mustern in seiner aspektuellen Charakteristik uminterpretiert wird. Atelische und damit durative Prädikate fordert etwa der Zeitdauer spezifizierende (durative) Subjunktor solange für beide Konnekte (155a). Verletzungen dieser Forderungen ergeben in der Regel ungrammatische Ausdrücke (155b, c). Dagegen stehen die Beispiele (156) und (157), die diese Forderung nicht erfüllen, aber durchaus wohlgeformt sind. Solange Napoleon an der Macht ist, wird es keinen Frieden geben. (beide Konnekte: +DUR, – TEL) (155b) *Napoleon wurde geboren, solange Frankreich einen König hatte. (Externes Konnekt: – DUR, + TEL) (155b’) *Solange Napoleon geboren wurde, hatte Frankreich einen König. (Internes Konnekt: – DUR, + TEL) (155c) *Napoleon eroberte Moskau, solange es warm war. (Externes Konnekt: + DUR, + TEL) (155c’) ?Solange Napoleon Moskau eroberte, war es warm. (Internes Konnekt: + DUR, + TEL)

(155a)



(156)

[…] wo er die Adresse einer gewissen Madame Gaillard kannte, welche Kostkinder jeglicher Art aufnahm, solange nur jemand dafür zahlte. (Süskind, Parfum, S. 25) Im Führer, der den Fluß beschreibt, heißt’s dann: „Man steuert durch die rechte Öffnung zwischen den Felsen, ungefährlich, solang man genau die  

(157)

225

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Mitte zwischen den meterhoch stehenden Wellen trifft.“ (Neue Kronen Zeitung, 11.09.1996, S. 19)  

Das interne Argument von (165) und (157) und das externe von (156) enthalten telische Prädikate: man kann nicht drei Stunden lang Kostkinder aufnehmen, stundenlang zahlen oder den ganzen Tag die Mitte treffen. Man kann aber innerhalb dieser oder einer beliebig ausgedehnten Zeitspanne den Akt des Kinder Aufnehmens, Zahlens oder des durch die Mitte Steuerns wiederholen. Solche iterativen Aspektanpassungen von telischen und punktuellen Prädikaten finden sich auch bei anderen Temporalkonnektoren mit Atelizitätsforderung; so etwa in (158) und (159) im externen Argument von bis, das immer ein ausgedehntes und nicht begrenztes Zeitintervall bezeichnet (die Zeitbegrenzung wird ja gerade durch den mit dem internen Konnekt bezeichneten Zeitpunkt geliefert; s. zu bis C1.4.2). (158) (159)

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Er bringt es fertig, den Toast morgens dreimal, viermal in die Küche zurückzuschicken , bis Anna genau die richtige Bräunungsstufe herausbringt. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 172)  



Uminterpretationen zu Atelizität sind aber offenbar nicht auf Iterativität beschränkt. In den Beispielen (160–162) treten Prädikate auf, die man – kontextlos – als telische Prädikate (als Achievements oder Accomplishments) einstufen würde, die aber entgegen der Voraussage der Vendlerschen Klassifikation hier mit einem durativen Adverb auftreten. (160)

Genosse Poet verzagt nicht eher, bis er mit Hurra-Schreien die neue Zeit begrüßen kann. Dabei enblößt er minutenlang seine Zähne, irritierend weiß vor einem optimistisch blauen Himmel. (die tageszeitung, 15.03.1990, S. 25) Ein südländisch aussehender Mann hatte sich minutenlang vor dem Sarg niedergekniet, die Hände vor’s Gesicht erhoben und stumm die Lippen bewegt. (die tageszeitung, 17.10.1992, S. 4) Einen Moment lang herrscht Stille, als Gregor Gysi die Bühne verläßt. Dann bricht der Applaus los, minutenlang. (die tageszeitung, 04.06.1993, S. 2)  

(161)



(162)



Die telischen Prädikate seine Zähne entblößen, sich vor dem Sarg niederknien, losbrechen, die aufgrund ihrer Wortbildungseigenschaften Zustandsveränderungen denotieren, sind offenbar in ihrer aspektuellen Charakteristik „elastisch“ interpretierbar, nämlich auch als Zustände und Aktivitäten, was durch die durative Charakteristik des Adverbs minutenlang erzwungen wird. Die Interpretationsanpassung ist dann vergleichbar der Nachzustands- bzw. Resultatslesart beim Perfekt: (160) wird im Sinne von ‚seine Zähne in entblößtem Zustand zeigen‘, (161) als ‚vor dem Sarg knien‘ und (162) als ‚applaudieren‘ verstanden.

226

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Uminterpretationen treten auch in umgekehrter Richtung auf. Bis fordert ein internes und sobald ein externes Konnekt, das telisch zu interpretieren ist. Atelische Zustandsprädikate sind dann möglich, wenn sie ingressiv oder egressiv umgedeutet werden können: in (163) und (164) werden die atelischen Zustandsprädikate schlafen und krank sein bzw. idiomatisch gleichbedeutendes auf der Nase liegen als ingressive und damit telische Ereignisprädikate ‚einschlafen‘ und ‚krank werden‘ interpretiert. (163) (164)

Ich werde bei dir wachen, bis du schläfst. Sobald die ersten Herbstnebel kommen, ist Hans krank/liegt Hans auf der Nase.

Die Funktion der Temporalkonnektoren bedingt eine generelle Restriktion für die Argumente: situierter Sachverhalt und Referenzsachverhalt müssen beide selbst in der Zeit lokalisierbar sein und dürfen keine „zeitlosen“, phasenunabhängigen Zustände oder Eigenschaften bezeichnen. Phasenunabhängige Zustandsausdrücke werden meist unter die Vendlerschen states gerechnet, da sie nicht progressivierbar und weder durch Frequenz spezifizierende noch durch Zeitpunkt spezifizierende Adverbialia modifizierbar sind, sie sind aber darüber hinaus auch nicht mit Zeitdauer spezifizierenden Adverbialia modifizierbar, vgl. *stundenlang 1,80 groß sein, stundenlang aus Gips bestehen. Dennoch finden sich solche Prädikate mit den Konnektoren solange, während und nachdem. (165)

(166)

(167)

Jede Methode hat funktioniert, solange sie nur die Komponente enthielt, dass man Aktien besitzt oder anderweitig vom Preisanstieg der Aktien profitiert. (http://www.michna.com/spekulanten.htm) Auch Geschirrspülmittel besteht größtenteils aus künstlichen Zutaten, während in guter Zitronenlimonade deutlich mehr Zitronensaft ist. (http://www. gutefrage.net/frage/) Nachdem die Ausstellung einen sehr repräsentativen und qualitativ sehr hochstehenden Querschnitt der zeitgenössischen Kunst darstellt, würde sie sich natürlich als Einstieg für ein Tiroler Museum der Moderne geradezu anbieten. (Neue Kronen Zeitung, 14.05.1995, S. 27)  

Die in den obigen Beispielen durch Prädikate wie enthalten, bestehen aus, darstellen bezeichneten Sachverhalte sind unabhängig von einer bestimmten Zeit der Fall. Sie beschreiben permanente Zustände oder phasenunabhängige Eigenschaften und habituelle Handlungen eines Individuums. Treten solche Prädikate dennoch wie oben als Argumente von Temporalkonnektoren auf, erfolgen wie bei der Verletzung aspektueller Beschränkungen adaptive Uminterpretationen. In den obigen Beispielen wird der Konnektor uminterpretiert, und die Argumente des Konnektors behalten ihre Interpretation als atemporales Prädikat. Solange wird in (165) konditional, während in (166)

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

227

adversativ und nachdem in (167) kausal interpretiert; Konnektoren dieser semantischen Klassen sind in Bezug auf die aspektuelle Charakteristik ihrer Argumente nicht spezifisch. Eine andere Möglichkeit, atemporale Prädikate als Argumente von Temporalkonnektoren zu interpretieren, ist ihre Uminterpretation zu Stadienprädikaten, für die sich freilich in vielen Fällen so leicht kein passender Interpretationskontext finden lässt. (168) (169) (170)

Als Hans blond war, interessierte sich kein Mädchen für ihn. (… aber als er seine Haare schwarz färbte/als das Blond herausgewachsen war …) Seit zwei plus zwei vier ist, interessiert sich Hans für Mathematik. (… seit Hans weiß, dass zwei plus zwei vier ist…) Sobald die Sonne aufgeht, ist Hans fast zwei Meter groß. (?)

Interpretative Anpassungen der aspektuellen Charakteristik der Konnekte an die lexikalischen Forderungen von Temporalkonnektoren sind obligatorisch (sofern die Verknüpfung nicht völlig ungrammatisch ist) und teilweise konventionalisiert (vgl. Herweg 1990: 208). Tab. A4-6 gibt eine Übersicht. Tab. A4-6: Aspektanpassungen lexikalische Forderung des Konnektors

kontextuell gegebene aspektuelle Charakteristik

Modus der Uminterpretation iterative Interpretation

atelisches Prädikat

telisches Prädikat

Zeitlupeninterpretation Nachzustandslesart

telisches Prädikat

atelisches Prädikat

ingressive oder egressive Interpretation

Stadienprädikat

Individuenprädikat

passende Ergänzung mit Hilfe von Weltwissen

Individuenprädikat

non-temporale Interpretation des Konnektors : – konditional (solange) – kausal (nachdem) – adversativ (während)  

Stadienprädikat

Dafür, dass wir Interpretationen wie oben als Ergebnis von interpretativen Anpassungen an eine lexikalisch bedingte aspektuelle Restriktion des Temporalkonnektors werten und nicht einfach den Konnektor als diesbezüglich unterspezifiziert betrachten, gibt es Gründe. a) Bei Annahme von Unterspezifikation müsste man generell mit einem höheren Interpretationsaufwand rechnen, was wenig sprachökonomisch ist.

228

b)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Die Möglichkeiten der interpretativen Anpassung bei aspektuellen Verletzungen sind konzeptuell beschränkt und nicht für jedes beliebige Prädikat akzeptabel. So ist z. B. für eine iterative Interpretation eines telischen Ereignisprädikats Voraussetzung, dass das Ereignis innerhalb des kontextuell gegebenen Zeitintervalls auch wiederholt instantiiert werden kann; man kann also (171a), aber wohl kaum (171b) und (171c) temporal-iterativ interpretieren. In (171c) ist ein Ausweichen auf eine konditionale Lesart möglich.  

(171a) (171b) (171c)

Solange Hans die 100 Meter in unter 10 Sekunden läuft, bleibt er in der Nationalmannschaft. #Solange Hans Musik hörte, betrat Ute die Wohnung. Solange Hans seine Dissertation fertig schreibt, kann er in seiner Freizeit machen, was er will.  



Die Temporalkonnektoren des Deutschen zeigen sich damit insgesamt eher als „aspektsensibel“ denn als „tempussensibel“. Das Tempussystem ist stärker auf die temporale Situierung von Sachverhalten in Bezug auf den Sprechzeitpunkt S hin orientiert, der im System der Temporalkonnektoren so gut wie keine Rolle spielt, wenn man einmal von bis und seit absieht, wo S im Defaultfall – aber nicht lexikalisch festgelegt – eine der Grenzen bestimmt (s. C1.4.2). Temporalkonnektoren dienen vielmehr dazu, einen Sachverhalt temporal in Bezug auf einen Referenzsachverhalt zu lokalisieren, spezifizieren also im Reichenbachschen Sinne das Verhältnis von E zu R, und darin haben sie mehr Ähnlichkeit mit Aspekt. (Zur Diskussion, inwieweit Aspekt ausschließlich über das Verhältnis von E zu R definiert werden kann, vgl. Rothstein 2007: 61.)

4.5.3 Modalität Modalität bezeichnet die Einstellung des Sprechers zu Aspekten der Geltung der von ihm geäußerten Proposition. Ein zentraler Aspekt von Modalität bezieht sich auf die Faktivität, also darauf, ob die genannte Proposition als wahr oder falsch dargestellt wird (s. A4.2). Unter den Begriff der Modalität fällt aber auch, ob ein Sprecher eine Proposition für notwendig, möglich oder auch wünschenswert hält, oder ob er selbst oder ein anderer die Quelle seiner Information ist. Für die Kodierung von Modalität spielt – neben Modalverben und modalen Adverbien und Partikeln – vor allem die grammatische Verbalkategorie Verbmodus eine wichtige Rolle. In der Folge konzentrieren wir uns auf diejenigen formalen und funktionalen Aspekte von Modalität, die mit Konnektoren in ähnlicher Weise interagieren wie die Kategorien Tempus und aspektuelle Charakteristik. Das ist der Verbmodus als Indikator von Modalitätskontexten und Indirektheitskontexten (GDS: 1743 ff.). Die Interaktion von Konnektoren mit dem Verbmodus äußert sich allerdings in den seltensten Fällen in einer strikten Forderung (anders als etwa in romanischen Sprachen).  

229

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Unabhängig von den lexikalischen Eigenschaften der Konnektoren können Satzverknüpfungen natürlich im Rahmen von Indirektheitskontexten auftreten. Zwei Fälle sind zu unterscheiden. Erstens können komplexe Satzfolgen ihrerseits unter redeeinleitende Prädikate eingebettet sein und durch einen konjunktivischen Verbmodus als fremdperspektivische Aussagen gekennzeichnet werden. Der Konjunktiv kann dann in beiden Konnekten auftreten. Bei längeren zitierten Passagen, wie sie typisch für zeitungssprachliche Nachrichtenkontexte sind, wird mitunter nicht jede finite Verbform konjunktivisch markiert. (172)

(173)

In allen früheren Fällen von Entlassung an der HUB, an denen Fink auch mitgewirkt habe, sei genauso gehandelt worden. Entlastende Momente, die zugunsten Finks gesprochen hätten, habe er weder in den Gauck- noch in Finks Personalunterlagen finden können. Von daher habe er es auch nicht bei einer Abmahnung belassen können, sondern habe die fristlose Kündigung aussprechen müssen. Er habe mit Fink zuvor ein Gespräch geführt und von daher ein Erscheinen des Rektors bei der entscheidenden Sitzung der Personalkommission der HUB nicht für erforderlich gehalten. (die tageszeitung, 03.12.1991, S. 21) „Mein achtjähriger Enkel kam kürzlich zu mir und bat, einen Streit mit einer anderen Enkelin zu schlichten. Diese hatte ihm erklärt, daß sie Schwarze seien. Das stimme doch aber nicht, beharrte der Junge, denn er sei weiß, gehe er doch in eine weiße Schule.“ Es sei zwar schon sehr gut, daß der Enkelsohn nicht mehr wisse, was Hautfarbe bedeute, meint Mandela, doch andererseits sei durch die Debatte der beiden Kleinen sichtbar, daß es noch immer Diskussionen um die Hautfarbe gebe. (Berliner Zeitung, 01.06.1999, S. 3)  

Der zweite Fall betrifft einen Wechsel von der Perspektive des Sprechers zur Perspektive eines im externen Konnekt genannten (Subjekts- oder Objekts-)Aktanten, was in der Erzähltheorie auch als „Figurenrede“ bezeichnet wird (vgl. dazu Paul 1968: 309). Wenn dieser Modus- und Perspektivenwechsel in kausalen Verknüpfungen auftritt, verdeutlicht der Sprecher damit, dass er sich die vom Protagonisten gegebene Begründung nicht selbst zu eigen macht. (174)

Die EG hatte diese Anordnung zur Bedingung für den Start der Friedenskonferenz gemacht, da bei unvermindertem Blutvergießen nicht über die friedliche Lösung des Konflikts verhandelt werden könne. (Salzburger Nachrichten, 19.10.1991, o. S.) Landwirtschaftsminister Funke hatte Pohlmann die Haltung von Legehennen untersagt, weil er mindestens 60.000 Tiere tierschutzwidrig habe töten lassen. (die tageszeitung, 22.10.1994, S. 40)  

(175)



Konnektorkonstruktionen können auch unter Modalitätskontexte eingebettet sein. Dabei zeigt sich, dass das Gros der Konnektoren keine Beschränkungen in Bezug auf

230

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

den Verbmodus hat. In der Regel können auch die Konnekte von Konnektoren, die als lexikalische Bedeutung Faktizität als Defaultwert haben (wie z. B. viele temporale (C1), kausale (C4.2), konzessive (C4.3), additive (C2.1) und adversative (C2.3); s. die Übersicht in Tab. A4-1) durch konjunktivischen Verbmodus oder andere geeignete sprachliche Mittel im Kontext des Evozierens einer fiktiven Welt zu Nonfaktizität oder Kontrafaktizität umgedeutet werden. In diesem Fall erscheint der Konjunktiv II als Modus des Irrealis.  

(176)

Stellen wir uns eine häusliche Szene vor: Hans säße bequem auf dem Sofa, während Grete in der Küche tätig wäre. Weil Grete Hilfe bräuchte, würde Hans aufstehen und in die Küche gehen. Grete würde seine Hilfe jedoch ablehnen. Danach wäre Hans beleidigt, weshalb Grete nun ihrerseits ärgerlich wäre.

In solchen Konnektorverknüpfungen erscheint dann ein Konjunktiv II im internen Konnekt, wenn dieses einen vom Sprechzeitpunkt aus in der Zukunft liegenden und damit in Bezug auf seine Realisierung offenen Sachverhalt bezeichnet (Bsp. 6). Bei einem Vergangenheitstempus im übergeordneten Satz (wenn der im internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt somit von einem Orientierungspunkt in der Vergangenheit aus betrachtet in der Zukunft liegt) kann der Konjunktiv Plusquamperfekt als Indikator für Kontrafaktizität auftreten (178). Dies ist kein Spezifikum von bestimmten Konnektorverknüpfungen, sondern tritt in entsprechenden Einbettungskontexten (Wunsch, Absicht, Vorstellung; sog. „intensionale Kontexte“) bei abhängigen Relativsätzen oder Komplementsätzen ebenfalls auf, s. (179, 180).  

(177)

Maier hofft auf einen 2.-Ligisten, denn dies brächte mit Sicherheit ein stimmungsvolles Heimspiel, die rechte Kulisse mit einem zahlreichen Publikum. (St. Galler Tagblatt, 07.04.1998, o. S.) Die für Donnerstag vom stellvertretenden Parlamentspräsidenten Mallouli, einem Christen, einberufene Krisensitzung des Parlaments mußte abgesagt werden, da die Anzahl der erschienen Parlamentarier für eine Beschlußfähigkeit der Versammlung nicht ausgereicht hätte. (die tageszeitung, 29.08.1992, S. 8) Ich wollte, es wäre Nacht und die Preußen kämen./dass es Nacht wäre … Wir haben einen Antrag vorgelegt, der ermöglicht hätte, die Fünfprozentklausel […] in der Weise anzuwenden, dass sie lediglich auf die Länder bezogen wird. (Bundestagsprotokolle, Sitzung Nr. 219, 08.08.1990; Bsp. nach GDS: 1752)  

(178)



(179) (180)



Von den im Defaultfall Faktizität induzierenden Konnektoren schließen nur die temporalen Subjunktoren als und wie ein konjunktivisches (einem Modalkontext und nicht einem Indirektheitskontext geschuldetes) internes Konnekt aus. (Zu temporalem als s. C1.3.1.2.) Das gilt auch für die dazu konverse Konstruktion, also für das Bezugskonnekt von damals. Der für temporale Koinzidenzrelationen spezifische Subjunktor während ist in den meisten Kontexten durch den temporal unspezifischen Subjunktor

231

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

als ersetzbar (181a, b), nicht aber in nonfaktischen, konjunktivisch markierten Fiktivitätskontexten wie (181c). Hier kann als nicht auftreten. (181a) (181b) (181c)

Während/als wie Grete in der Küche werkte, saß Hans bequem auf dem Sofa. Stellen wir uns eine häusliche Szene vor: Hans säße bequem auf dem Sofa, während Grete in der Küche werken würde. *Stellen wir uns eine häusliche Szene vor: Hans säße bequem auf dem Sofa, als Grete in der Küche werken würde.

Auf der anderen Seite fordern Konnektoren, die per Default nonfaktische oder kontrafaktische Konnekte haben (s. Tab. A4-1), keineswegs zwangsläufig einen Konjunktiv, so etwa konditionale (182a), irrelevanzkonditionale (182b) oder finale (182c) Subjunktoren und negationshaltige Konnektoren (182d–e). (182a) (182b) (182c) (182d) (182e)

Wenn der ICE Verspätung hat, kriege ich den Anschluss nach Landshut nicht mehr. Egal ob der ICE Verspätung hat oder nicht, wir treffen uns im Café Kaiser. Leo muss sich beeilen, damit er den Zug noch kriegt. Wir erreichen weder den Anschluss nach Ulm, noch kriegen wir den nach Aalen. Beeile dich, sonst/andernfalls kriegen wir den Zug nicht mehr.

Auf ein internes Konnekt im Konjunktiv I oder II festgelegt sind nur von den in HDK-1 genannten, in HDK-2 aber nicht behandelten Konnektoren der syntaktische Einzelgänger als mit Verberstsatz (183, 184) und seine Subjunktorvariante als ob sowie – zumindest standardsprachlich – der vergleichend-konsekutive Postponierer als dass (HDK-1: 617–623). Diese Konnektoren bedingen lexikalisch ein kontrafaktisches internes Konnekt, der Konjunktiv ist hier mithin nicht bedeutungsdistinktiv wie in den Verknüpfungen in Beispiel (176). Die obligatorische Verwendung des Konjunktivs geht auf eine frühere Sprachstufe zurück (vgl. Dal 1966: 146 f. sowie Paul 1968: 284 ff.), in der Kontrafaktizität und Nonfaktizität im untergeordneten Satz immer konjunktivisch kodiert wurden.44  



44 Nach Paul (1968: 284) hat der Gebrauch des Konjunktivs im abhängigen Satz bis zum Mhd. noch „ungefähr das gleiche Gebiet inne wie im Lateinischen und Französischen“ und ist im Nhd. „erheblich zurückgedrängt“. Die strenge consecutio temporum, dass (bei Gleichzeitigkeit) ein Matrixsatz im Präsens den Konjunktiv I im abhängigen Satz und ein präteritaler Matrixsatz den Konjunktiv II im abhängigen Satz bedingen, ist nach Paul spätestens seit der Mitte des 18. Jh.s. unwirksam. Auslöser ist der durch die Abschwächung der Endsilben hervorgerufene Formenzusammenfall, in dessen Folge die Wahl des Verbmodus stärker von der eindeutigen morphologischen Erkennbarkeit einer Form beeinflusst wird.  



232

(183)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Als hätten sie nur auf diesen missionarischen Appell gewartet, tummeln sich inzwischen Dutzende alternativer Songschreiberinnen kollektiv und solo in den Charts. (Berliner Zeitung, 10.10.1997, S. 18) Seltsam schwankt der Dichter zwischen Präsens und Präteritum, als komme es nicht so genau drauf an. (MK1/WSP, Staiger, Poetik, S. 55)  

(184)



Bei der konsekutiv-vergleichenden zu-ADJ-als-dass-Konstruktion sind neben konjunktivischen (185) vereinzelt auch indikativische interne Konnekte belegt (186, 187). (185)

Die Mietrechtsreform […] sei „viel zu wichtig, als daß sie in einem Streit über statusrechtliche Fragen zerrieben werden dürfe“, erklärte Vereins-Geschäftsführer Hartmann Vetter. (die tageszeitung, 03.02.1989, S. 15) Die Politik ist eine zu ernste Sache, als daß sie den Politikern überlassen werden darf. (die tageszeitung, 08.10.1987, S. 8) „Die Lage ist viel zu ernst, als daß sie sich zu Gags eignet,“ wandte Schnoor ein. (die tageszeitung, 25.02.1988, S. 5)  

(186)



(187)



Bei den anderen Subjunktoren mit ausschließlich kontrafaktischem oder nonfaktischem internen Konnekt ist der Konjunktiv nicht mehr obligatorisch. Er wird hier von Sprechern aber oft „unterstützend“ verwendet, so beim negativ-komitativen ohne dass (s. C2.2.6). Hier tritt bei Gleichzeitigkeit entweder eine Indikativ-Form (188a, b) auf oder der Konjunktiv II wie in (188c), unabhängig vom Tempus des externen Konnekts. Konjunktiv-I-Formen sind dagegen äußerst selten; in (188d) möglicherweise auch auf den Indirektheitskontext zurückzuführen. Bei Vorzeitigkeit des im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalts kann statt einer indikativischen Form auch ein Konjunktiv Plusquamperfekt erscheinen (188e). (188a) Ich schätze, dass sich jede Menge Ausgaben sparen ließen, ohne dass der Patient schlechter versorgt wird. (die tageszeitung, 19.08.1999, S. 6) (188b) Beim jüngsten Treffen der EU-Außenminister in Finnland war es zu Verstimmungen gekommen, nachdem Außenminister Joschka Fischer Deutsch sprach, ohne dass ein Übersetzer zur Verfügung stand. (die tageszeitung, 11.09.1999, S. 11) (188c) Ohne dass der Lohn dem Aufwand angepasst würde, müssen sie bleiben, bis die Produktion erledigt ist – maximal 48 Stunden pro Woche. (die tageszeitung, 22.05.2001, S. 12) (188d) Nach der UN-Kinderschutzkonvention dürfen minderjährige Flüchtlinge nicht weggeschickt werden, ohne dass ihr Wohlergehen gesichert sei, sagen sie. (die tageszeitung, 13.08.1999, S. 22) (188e) Der Rheinischen Post sagte sie, betroffen von der Steuer seien schließlich Erben von Großvermögen, denen dieser Besitz in den Schoß falle, ohne dass sie selbst dafür hätten arbeiten müssen. (die tageszeitung, 10.08.1999, S. 4)  











233

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

Von den finalen Subjunktoren, die alle auch mit Indikativ auftreten können (a-Beispiele), erscheinen auf dass häufig und damit gelegentlich mit einem konjunktivischen internen Konnekt.45 (189a) Das Rauchverbot soll schwarz auf weiß festgeschrieben werden, auf daß dem Beschluß nicht auf Dauer die Luft ausgeht. (Mannheimer Morgen, 04.06.1987, S. 19) (189b) Und die lieben Kinder. Die ältesten, Hubert, achtzehn, Margret, siebzehn, dürfen noch ein wenig aufbleiben, auf daß ihnen das Erwachsenengespräch zum Vorteil gereiche. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 167) (189c) Anderthalb Stunden mühten und rackerten die Mannheimer im Volksparkstadion, auf daß der Herr ihnen eine einzige Torchance zukommen lassen möge, ihnen ein einziges Mal erlaube, den hilf- und harmlosen Hamburger SV seiner gerechten Strafe zuzuführen. (die tageszeitung, 14.05.1990, S. 12) (190a) In manchen Städten und Ländern war es Pflicht, Hexenbränden zuzusehen, damit jedermann drastisch abgeschreckt wurde. (Pleticha, Geschichte, S. 139) (190b) Damit der Eifer der Denunzianten nicht nachlasse, bekamen sie zehn Gulden für eine erfolgreiche Anzeige, oft nach dem Brand auch einen Anteil am konfiszierten Vermögen der „Hexe“. (Pleticha, Geschichte, S. 132)  









Exkurs zum Modus bei auf dass Für auf dass ergab eine Korpusauszählung von 100 Belegen folgende Modusverteilung im internen Konnekt. Tab. A4-7: Modusverteilung im internen Konnekt von auf dass Präsensformen

Präteritumformen

Konjunktiv (3. Sg.)

61 (davon 8 mit möge)

2

Indikativ (3. Sg.)

16

1

uneindeutige Formen (Plural)

18 (davon 2 mit mögen)

2

N

95

5

Dabei ist für die Wahl zwischen Konjunktiv und Indikativ in den Belegen keine klare Motivation erkennbar. Der Konjunktiv I ist die Defaultwahl für die konjunktivische Markierung; er tritt unabhängig vom Tempus im externen Konnekt auf, also nicht nur bei Gegenwarts- und Zukunftsbezug, sondern auch bei Vergangenheitsbezug (189c). Allerdings sind externe Konnekte mit einem Gegenwarts- oder Zukunftsbezug, insbesondere solche, die ihrerseits bereits deontisch modalisiert sind wie in (189a),

45 Buscha (1989: 60) vermerkt dazu „Der Konjunktiv unterstreicht den Soll-Charakter des Finalsatzes.“ Die Duden-Grammatik (2005: 516) nennt ihn „redundant“. Paul (1968: 286) gibt zu Finalsätzen an: „In der heutigen Umgangssprache wird der Konjunktiv kaum noch verwendet.“

234

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

der häufigere Fall. In den Belegen mit Konjunktiv II weisen die externen Konnekte bereits selbst einen Konjunktiv II auf und sind in Irrealis-Kontexte eingebettet.

Auch das substitutive statt dass (s. C2.2.4) kann mit einem Konjunktiv im internen Konnekt auftreten. Der Verbmodus hat hier aber noch eine minimale distinktive Funktion. Die substitutiven Konnektoren haben eine AUT-Struktur, insofern immer eines der Konnekte eine realisierte Alternative bezeichnet (faktisch ist) und das andere eine nicht-realisierte Alternative bezeichnet (kontrafaktisch ist). Die Verteilung der Alternativen auf die Konnekte ist aber variabel. Ein kontrafaktisches internes Konnekt kann nur mit Konjunktiv (191a) und Indikativ (191b) erscheinen, ein faktisches nur mit dem Indikativ (191c, d). (191a)

Statt dass schlichtes, kohlensäurearmes Wasser gereicht würde, stapeln sich so genannte Wellness-Getränke in den Fächern. (die tageszeitung, 15.02.2003, o. S.) Doch statt daß seine Frau diesem vortrefflichen Menschen und raffinierten Geschäftsmann huldigt, beklagt sie dessen Egozentrik und zieht zu einer Freundin. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) Statt dass sich Außenminister Fischer amerikakritisch äußert, ist es höchste Zeit, dass die Regierung erklärt, ob und wie weit sie ein eventuelles militärisches Vorgehen der USA gegen Irak mittragen wird. (die tageszeitung, 20.02.2002, S. 5, leicht geändert) *Statt dass sich Außenminister Fischer amerikakritisch äußern würde, ist es höchste Zeit, dass …  

(191b)



(191c)



(191d)

Dagegen treten die temporalen Subordinatoren bis, bis dass, ehe und bevor in Verknüpfungen, in denen das interne Konnekt einen zum Sprechzeitpunkt (noch) nicht realisierten Sachverhalt bezeichnet, heute so gut wie gar nicht mit einem Konjunktiv im internen Konnekt auf, der nicht auf einen Indirektheitskontext zurückzuführen ist. (Vgl. aber die Beispiele bei Paul 1968: 299 f., der in solchen Kontexten den Konjunktiv noch als „am Platze“ erachtet.)  

(192a) (192b)

Er wollte nicht einwilligen, bis alle seine Forderungen erfüllt wären. (Paul 1968: 299) Da er Revision gegen sein Urteil eingelegte hatte, musste er in der Untersuchungshaftanstalt Weiterstadt bleiben, bis dass der Bundesgerichtshof über seinen Antrag entscheiden würde. (Frankfurter Allgemeine, 10.09.1999, o. S.)  

Bei konditionalen (s. C4.1) und negativ-konditionalen Konnektoren (s. C4.6) ist bei kontrafaktischem Gebrauch der Konjunktiv Präteritum oder Plusquamperfekt obligatorisch, wobei der Konjunktiv Plusquamperfekt hier kontrafaktische Interpretation

A4 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen

235

erzwingt. Der Verbmodus ist damit bei konditionalen Subjunktoren bezüglich der Gesamtbedeutung der Verknüpfung bedeutungsdistinktiv. (193a) Wenn ich ein Vöglein wär, und auch zwei Flügel hätt, flög ich zu dir. (193b) Der Bruder des verstorbenen Sängers Ivan Rebroff hat als Pilot im Zweiten Weltkrieg den französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry abgeschossen. […] „Wenn ich gewusst hätte, dass das Saint-Exupéry war, hätte ich niemals geschossen, niemals“, beteuerte der ehemalige Luftwaffen-Pilot. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/536/436282/text/) (194) In Deutschland habe ich mich zum ersten Mal prostituiert aus einer Notsituation heraus. Die Kinder und ich wären ja sonst verhungert. (die tageszeitung, 30.04.2001, S. 17) (195) In Höhe des Hafenplatzes mußte der Überfallene seine Taschen entleeren. Andernfalls wäre er von dem älteren zusammengeschlagen worden, so hatte ihm der Täter angedroht. (Berliner Zeitung, 08.07.1998, S. 22)  



Bei den konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern und ihren Subjunktor-Varianten mit dass, ebenso wie beim negativ-konditionalen, Verbzweitsatz anschließenden es sei denn (vgl. dazu C4.6.2.2.4 a), tritt mitunter ein fakultativer Konjunktiv Präsens oder Präteritum im internen Konnekt auf. In den folgenden Beispielen (196 und 197) kann der Konjunktiv ohne Veränderung des Faktivitätswerts des im internen Konnekt denotierten Sachverhalts durch einen Indikativ ersetzt werden. Inwieweit Sprecher aber einen Formunterschied Indikativ vs. Konjunktiv I vs. Konjunktiv II auch als bedeutungshaltig verwenden bzw. interpretieren (im Sinne einer graduellen Abstufung der Nonfaktizität von höherer zu geringerer Wahrscheinlichkeit des Eintretens des im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalts, s. A4.2), muss offen bleiben. (Zu Einflussfaktoren bei der Wahl des Verbmodus im internen Konnekt von es sei denn (u. a. Textsorte) vgl. auch GDS: 1748.)  

(196)

Angenommen, Sie müßten den Haushalt des laufenden Jahres kräftig beschneiden. An welcher Stelle würden Sie die „Schere“ ansetzen? (Mannheimer Morgen, 31.03.1998, o. S.) Die Gutschrift erfolgt am nächsten Tag. Dadurch geht ein Teil der für garantiert gehaltenen Absicherung gegen Inflationsverluste verloren, es sei denn, es gäbe eine Bank, die sofort Bargeld auszahlt.  

(197)

Zur Verwendung des Verbmodus in Konnektorkonstruktionen lässt sich somit festhalten: a) In Indirektheitskontexten gelten für Konnexionen keine anderen Regeln als für einfache Sätze. b) Konjunktiv Plusquamperfekt im Konnekt signalisiert Kontrafaktizität der Proposition.

236

c) d)

e)

A Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren

Faktizität einer Proposition ist nicht verträglich mit konjunktivischem Konnekt. Außer bei temporalem als und wie ist bei Konnektoren mit im Defaultfall faktischen Konnekten (s. A4.2) der Verbmodus bedeutungsdistinktiv und kann eine faktische von einer nonfaktischen oder kontrafaktischen Lesart unterscheiden. Konnekte, die aufgrund der lexikalischen Eigenschaften des Konnektors obligatorisch kontrafaktisch oder nonfaktisch sind, müssen außer im Falle von vergleichendem als nicht notwendig konjunktivisch markiert werden.

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B

Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B1

Die Forschungslage  242

B2 B2.1 B2.2 B2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs  251 Metakommunikative Konnektoren  253 Temporale Konnektoren  255 Aussagenlogisch basierte Relationen  257 Additiv basierte Konnektoren  258 Alternativebasierte (disjunktive) Konnektoren  262 Konditional basierte Konnektoren  262

Eva Breindl*

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen Die Einteilung satzverknüpfender Einheiten in semantisch begründete Klassen kann zwar auf eine bis in die Antike reichende Tradition1 zurückblicken, ein kanonisches Inventar semantischer Konnektorenklassen bzw. Satzverknüpfungsrelationen hat sich aber noch weniger etabliert als bei der syntaktischen Klassifikation, wo mit der Unterscheidung von subordinierenden Konjunktionen, koordinierenden Konjunktionen und adverbialen Satzverknüpfern sich doch ein weitgehend unangefochtenes Kategorieninventar durchgesetzt hat, ungeachtet der terminologischen Unterschiede und der jeweiligen Feinkörnigkeit bei der Vermessung der „Grenzräume“ an den Kategorienrändern. Auch die in diesem Handbuch getroffene syntaktische Klassifikation macht hier letztlich keine Ausnahme. So sehr auch das Fehlen einer allseits akzeptierten, intersubjektiven und systematisch begründeten semantischen Klassifikation in der einschlägigen Literatur moniert wird (vgl. etwa Rudolph 1984: 207, 215, Abramov 1990: 713, Heinemann/Viehweger 1991: 43, Blühdorn 2003: 6), so schwierig erscheint ein solches Unterfangen angesichts der Heterogenität der Ausgangsbedingungen. Das hat mehrere Gründe: 1. Semantische Klassifikationen sind meist ontologische Einteilungen, für die jenseits der Sichtweise und sprachlichen Kompetenz des klassifizierenden Linguisten Einteilungskriterien nur schwer objektivierbar sind – im Unterschied etwa zu Kriterien für die syntaktische Klassifikation wie „Verbletztstellung auslösend“ oder „vorfeldfähig“. Die Ordnung der Welt, genauer, die Ordnung der Zusammenhänge zwischen Sachverhalten in der Welt ist sowohl in der Abgrenzung der Kategorien als auch im Grad von deren Feinkörnigkeit notgedrungen subjektiv. 2. In den in aktuellen Referenzgrammatiken (vgl. etwa Duden-Grammatik 2005, Helbig/Buscha 1999, GDS 1997) und einschlägigen Spezialwörterbüchern des Deutschen (Buscha 1989, Métrich/Faucher 2009) angenommenen semantischen Klassen fließen heterogene Klassifikationsgrundlagen zusammen. Relationsbezeichnungen wie „kausal“, „konditional“, „instrumental“ beziehen sich auf die ontologisch begründbare Rolle eines der Konnekte bzw. der damit ausgedrückten Proposition in Bezug auf die im jeweils anderen Konnekt ausIT TEL . Temporale Konnektoren gedrückte Proposition: U RSACHE , B EDINGUNG , M ITTEL setzen zwei Ereignisse in eine zeitliche Beziehung zueinander. Mit Relations* Auf Grundlage eines Entwurfs von Ulrich Hermann Waßner. 1 S. zur Einteilung der Syndesmoi bei Dionysios Thrax etwa Dorchenas 2005: 81–95; für eine Übersicht über Klassifikationen seit der Antike, speziell zur Einordnung der Konzessiven, s. Hermodsson 1994: 65 ff.  

240

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

bezeichnungen wie „restriktiv“, „additiv“, „adversativ“ oder „konzessiv“ wird Bezug genommen auf Einstellungen von Sprechern zur textuell-kommunikativen Funktion eines Sachverhalts gegenüber einem anderen; eine ontologische Basis wie etwa bei Kausalität, wo physikalische Ursache-Wirkung-Abfolgen von den Menschen in der Natur unterstellt werden (Regen → nasses Pflaster; Blitz → Donner), gibt es dafür nicht. Eine Kontrastrelation beispielsweise ist nicht per se „in der Welt“, da ja Verschiedenheit von Gegenständen und Sachverhalten immer gegeben ist, sondern vom Sprecher werden zu kommunikativen Zwecken zwei sich in mindestens einem Merkmal unterscheidende Entitäten oder Sachverhalte herausgegriffen und ihre Verschiedenheit betont (vgl. auch Stede 2004: 281). Die semantische Klassifikation der Konnektoren ist traditionell wortartbezogen. Sie ist gut ausdifferenziert in der Form einer Typologie von Nebensatzklassen (s. zum Deutschen das mit ca. 30 Klassen besonders fein differenzierende „Lexikon deutscher Konjunktionen“, Buscha 1989), erfasst darin aber lediglich einen Teil der syntaktischen Konnektorenklassen, nämlich die Subjunktoren und Postponierer. Die koordinierenden Konjunktoren (s. fürs Deutsche Lang 1977, 1991) wurden mit Ausnahme des fälschlich den Konjunktoren zugeschlagenen kausalen denn i. d. R. nicht mit den semantischen Klassen für Nebensätze in Verbindung gebracht, Adverbkonnektoren nicht systematisch erfasst und semantisch den Nebensatzklassen zugeordnet. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sie im Vergleich zu den Subjunktoren eine geringer grammatikalisierte und offenere Klasse an der Schnittstelle zwischen Grammatik und Lexikon darstellen und von Grammatiken nicht ausreichend in ihren lexikalisch-semantischen Eigenschaften, von Wörterbüchern nicht adäquat mit ihren grammatischen Funktionen und Zusammenhängen beschrieben wurden. Überdies befinden sie sich als parataktisch verknüpfende und die Satzgrenze überschreitende Konnektoren im Grunde jenseits des genuinen Gegenstandsbereichs einer Grammatik.

3.





Exemplarisch für diese Perspektive sei hier die Duden-Grammatik genannt. In der 4. Auflage (1984) findet sich im Kapitel „Verhältnisbeziehungen“ unter dem Stichwort „inhaltliche Gruppen“ die übliche nebensatzbezogene Auflistung (Kausalsätze, Konsekutivsätze, Konzessivsätze, Temporalsätze, Lokalsätze etc.). Zwar wird darauf hingewiesen, dass „bestimmte inhaltliche Bezüge wie lokal, temporal, modal und kausal mit Adverbien, Konjunktionen und Präpositionen gleichermaßen ausgedrückt werden“ können, dies wird jedoch nur mit einem knappen Dutzend besonders eingängiger Beispiele wie den als Subjunktor, Präposition und Adverb fungierenden seit und seitdem exemplarisch illustriert. Das ändert sich radikal mit der Neuaufnahme eines Kapitels „Text“ ab der 6. Auflage. Das für dieses Handbuch zugrunde gelegte Konzept der Konnektoren als funktional definierte Mischklasse (s. A1) erfordert eine wortartübergreifende semantische  



B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

241

Klassifikation, die auch für sprachvergleichende Zwecke nutzbar sein sollte. Für die Klassifikation der ca. 350 Konnektoren ist eine ungeordnete Liste semantischer Relationen nicht erstrebenswert, vielmehr sollen Satzverknüpfungsrelationen im Rahmen einer systematischen Darstellung so geordnet werden, dass die Beziehungen zwischen den semantischen Konnektorenklassen (hierarchische Über- und Unterordnungen, Konversenbeziehungen, gemeinsame und unterscheidende Merkmale) nachvollziehbar werden; der Platz einer Relation im „Relationenbaum“ soll über differenzierende Merkmale bestimmbar sein. Gleichzeitig soll die Klassifikation, soweit es im Rahmen der Systematik vertretbar ist, terminologisch und konzeptuell an grammatikographische Traditionen anknüpfen. Aufgrund der eingangs dieses Kapitels dargelegten Verschiedenheit der Relationen kann eine solche hierarchische Systematik nicht deduktiv aus einer einzigen Beschreibungsdimension heraus entwickelt werden, vielmehr ergibt sich aus dieser Verschiedenheit die Notwendigkeit, auf unterschiedlichen Ebenen verschiedene Differenzparameter zu verwenden, um eine sukzessive Aufspaltung von Relationen zu begründen. Exkurs: Alternative Klassifikationsparameter für eine eindimensionale Untergliederung Einer der attraktivsten Kandidaten für eine monodimensionale Klassifikation ist sicherlich das System der aussagenlogischen Junktoren, das ja Anspruch auf Exhaustivität in der Erfassung der Wahrheitswerte erhebt, die sich aus den logisch möglichen Kombinationen wahrheitsbewerteter Argumente ergeben. Damit lassen sich in der Tat Gruppierungen in Grobklassen begründen, alle feineren Untergliederungen müssen aber von Differenzierungsparametern anderer Beschreibungsebenen Gebrauch machen. Unter einer ausschließlich aussagenlogischen Perspektive würden z. B. die meisten temporalen Verknüpfungen, ferner additive und adversative Verknüpfungen, kausale, konzessive und instrumentale Verknüpfungen als Relationen beschrieben werden können, deren Wahrheitswert sich über die aussagenlogische Konjunktion ergibt – eine sicherlich nicht erwünschte Gruppenbildung. Aber auch Beschreibungsdimensionen wie Faktivität/Nonfaktivität (s. A4.2) oder Symmetrie/ Asymmetrie (s. A2.4) können nicht das gesamte Inventar semantischer Relationen erfassen; vor allem würden sie zu kontraintuitiven und von jeglicher Tradition abweichenden Klassenbildungen führen. So finden sich innerhalb der temporalen Konnektoren sowohl symmetrische (p, während q ≈ q während p) als auch asymmetrische (p, nachdem q ≠ q nachdem p), solche mit faktischen Argumenten (p, nachdem q) und solche mit nonfaktischen Argumenten (p, bevor q, vgl. Bevor ich das mache, fresse ich einen Besen.) Diese Dimensionen können also allenfalls als zusätzliche Differenzparameter auf einer hierarchieniedrigeren Stufe des Relationenbaums – und d. h. nur zwischen einzelnen Relationen – genutzt werden.  



Im Folgenden soll zunächst knapp der Forschungsstand zur semantischen Klassifikation von Satzverknüpfern bzw. Satzverknüpfungsrelationen umrissen werden (B1), bevor die zugrunde gelegte Systematik semantischer Klassen dargestellt und die grundlegenden Zusammenhänge zwischen diesen Klassen aufgezeigt werden (B2). Dies geschieht gewissermaßen im Vorgriff auf die Kapitel des C-Teils, in denen vor allem die Untergliederung der Klassen die und Zusammenhänge zwischen den Klassen ausführlicher dargestellt werden.

242

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B1 Die Forschungslage Satzverbindungsrelationen stellen ein Scharnier zwischen satzbezogener und textbzw. diskursbezogener Sprachbeschreibung dar. Dass sie integrativ unter semantischfunktionaler und nicht unter isoliert wortartbezogener Perspektive analysiert werden, ist eine Errungenschaft der Textlinguistik. Als sich in Deutschland ab dem Ende der 60er Jahre die Erkenntnis Bahn bricht, „Es wird, wenn überhaupt gesprochen wird, nur in Texten gesprochen“ (Hartmann 1968: 212), geraten sehr bald, in Einklang mit der starken Oberflächenorientierung in der Frühphase der Textlinguistik, zwei zentrale Verfahren der Herstellung von Kohärenz in den Fokus der Forschung: referentielle Verkettung und Konnexion. Beide sind „transphrastische“ Phänomene, für deren Beschreibung die satzbezogene Grammatik nötig, aber nicht ausreichend ist. Die Textlinguistik bildet durch ihren Perspektivenwechsel vom Satz zu größeren EinheitensicherlicheinenKatalysatorfürdieKonnektorenforschung–dasKonzepteiner wortartübergreifenden, funktional definierten Mischklasse datiert indiese Zeit; erstmals wird es – unter dem Terminus „Konnektiv“ – bei Fritsche 1982 ausführlich behandelt. Die Textlinguistik knüpft hierin zwar an grammatikographische Traditionen („Satzgefüge undSatzreihung“)an, wirktaber aucherneuerndaufGrammatiken zurück,diemit derab den 90er-Jahren einsetzenden Erweiterung um Textkapitel (Duden-Grammatik 2005, Wellmann2008,GDS1997:s.füreinenÜberblickzuTextkapitelninGrammatikenHennig 2001) oder einen deszendenten, vom Text ausgehenden Aufbau (Engel 1988/2004, Heringer 1987) einen veränderten Blickwinkel zur Entfaltung bringen, besonders ausgeprägt in der durchgehend vom Text her perspektivierten Textgrammatik von Harald Weinrich (1993). Neben den Grammatiken des Deutschen sind für die Klassifikation von Satzverknüpfungsrelationen auchtypologische Ansätzezu berücksichtigensowieneuere, unter „Diskurssemantik“ subsumierbare Ansätze, die – in sehr unterschiedlichen Ausprägungen – auf die Textlinguistik und die Illokutionssemantik aufsetzen, aber sehr viel stärker formalisierte Modelle für die lokale und globale Textanalyse entwickeln. (i) Grammatiken des Deutschen In den Grammatiken und Spezialwörterbüchern für das Deutsche hat sich in der Form der Nebensatzklassifikation ein Kernkanon von Relationen herausgebildet, jenseits dessen terminologisch, konzeptuell und hinsichtlich des zugeordneten Konnektoreninventars größere Abweichungen zu beobachten sind. Zu diesem Kern gehören die Relationen temporal, konditional, kausal, konsekutiv, final, konzessiv, und weitestgehend restriktiv und modal. Von diesen scheinen v.a. die Kategorien restriktiv und modal wenig klar definiert, letztere hat stellenweise den Charakter einer Restkategorie (s. zur Kategorie Modalsatz Rohs 2002).2 Die nachfolgende Übersicht präsentiert das

2 In der Duden-Grammatik (1984) werden unter dem semantischen Label „modal“ auch adversative Verknüpfungen mit aber und dagegen angeführt, in der Duden-Grammatik (2005: 1101) gibt es eine

243

B1 Die Forschungslage

Ergebnis einer Auswertung von sechs Grammatiken der letzten beiden Jahrzehnte zuzüglich der „Syntax“ von Dürscheid (2010). Tab. B1-1: Nebensatzklassen in Grammatiken des Deutschen Dürscheid DudenEngel 2010 Grammatik 2004 2009 Lokalsatz

Weinrich 2003

GDS 1997 Helbig/ Buscha 1999

+ +

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Temporalsatz

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Modalsatz

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Konditionalsatz

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Kausalsatz

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+

Konsekutivsatz

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+

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Finalsatz

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+

Instrumentalsatz

+

Hoffmann 2013

+

+

Konzessivsatz

+

+

Adversativsatz

+

+

+ +

+

+ +

+

+

Irrelevanzkonditionalsatz

+

+

Restriktivsatz

+

Komitativsatz

+ +

+

+

+

+

+

+

+

Konfrontativsatz

+

+

Proportionalsatz

+

Negationssatz

+

Komparativsatz

+ +

Ereignispräzisierender Adverbialsatz Vergleichssatz Explikativsatz

+

+ +

Es zeigt sich, dass der terminologisch und konzeptuell übereinstimmende Bereich auf ein halbes Dutzend semantischer Relationen beschränkt ist. Weitere Klassen – instruKategorie „modal-instrumental“ neben einer Kategorie „Modalsatz“ mit indem. Die GDS zeigt, dass bestimmte Typen dessen, was traditionell unter modal/Modalsatz geführt wird, keine Modifikatoren auf der Satzebene sind, sondern als VP-Modifikatoren zu analysieren sind – und somit nicht mit dem Gros der Satzverknüpfungsrelationen vergleichbar sind.

244

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

mental, adversativ, explikativ, irrelevanzkonditional, komitativ, komparativ, proportional und andere – werden jeweils nur von einem Teil der Grammatiken als eigene Klassen ausgewiesen; hier herrscht offenbar wenig Konsens über Abgrenzung und Inventar. Eine Zusammenstellung von Konnektoren verschiedener Wortartzugehörigkeit unter semantischen Gesichtspunkten etabliert sich in der Duden-Grammatik ab der 6. Auflage (2005; Autor: Thomas Fritz). Im Kapitel „Textkohäsion durch Konnektoren“ werden sieben „Bedeutungsgruppen“ mit Untertypen unterschieden (S. 1085), denen verschiedene relationale Ausdrucksmittel zugewiesen werden (Präpositionen, koordinierende und subordinierende Konjunktionen, Relativausdrücke, Adverbien): – kopulativ (mit den Untertypen additiv und alternativ, vor allem durch Konjunktoren und Adverbkonnektoren realisiert), – temporal – konditional – „im weiteren Sinne kausal-gleichläufig“ mit den Untertypen „i. e. S. kausal“, „konsekutiv“, „modal-instrumental“, „final“ – „im weiteren Sinne kausal-gegenläufig“ mit den Untertypen adversativ und konzessiv – spezifizierend mit den Untertypen explikativ (insofern, d. h., und zwar, vielmehr) und restriktiv (außer, zufolge, nur dass, allerdings, jedoch, anscheinend) – vergleichend mit den Untertypen komparativ und proportional  









Auf zwei Problempunkte sei hier hingewiesen: (i) die Unterscheidung von Konsekutivität und Kausalität: Die doppelte Zuordnung des Adverbkonnektors infolgedessen zu kausalen (S. 1096) und zu konsekutiven (S. 1099) macht, ebenso wie die unbegründete Einordnung von deshalb als kausal und demnach, demzufolge als konsekutiv, augenscheinlich, dass der Klassifikation kein klares Modell zugrundeliegt, das semantische und syntaktische Eigenschaften aufeinander bezieht (s. auch die Kritik in A2.4). (ii) die Unterscheidung zwischen Adversativität (1103 f.) und Konzessivität: Der Zusammenhang wird nicht thematisiert; aber erscheint nur unter den adversativen, doch bei den konzessiven als Adverb, bei den adversativen als Konjunktion und Adverb.  





Damit nutzt die Duden-Grammatik zwar das wortartübergreifende Konzept „Konnektor“ und fasst es mit der Berücksichtigung der Präpositionen weiter als dieses Handbuch, lässt aber auch in der neuesten Auflage eine nachvollziehbare Begründung für die semantische Klassifikation vermissen und ist nicht frei von Widersprüchen. In der GDS ist die semantische Klassifikation der Tradition entsprechend als Klassifikation von Adverbialsätzen (dort: „Supplementsätze“) ausgearbeitet, koor-

B1 Die Forschungslage

245

dinierende Konjunktionen werden separat behandelt und nicht auf die semantische Klassifikation der Supplementsätze bezogen. Adverbkonnektoren werden nicht berücksichtigt. Wegweisend ist aber der Versuch, Zusammenhänge zwischen den semantischen Klassen über diesen zugrundeliegende (aussagen-)logische Strukturen aufzudecken. Kausale, konsekutive, konzessive, finale und irrelevanzkonditionale Nebensätze werden als „konditional fundierte Verhältnisse“ (2290 ff.) zusammengefasst, die auf der logischen Struktur des Konditionales mit A NTEZEDENS und K ONSEQUENS basieren (ebd. 2283), wobei jeweils spezifische Elemente zu den einzelnen Klassen hinzutreten. Das Konditionalschema, mit dessen Hilfe die Bedeutung dieser Relationen rekonstruiert werden kann, ist nicht mit der aussagenlogischen materialen Implikation identisch, die den natürlichsprachlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird (s. dazu C4.1), sondern ist in der GDS als hypothetisches Argumentieren mit Hilfe der flexibleren „Mögliche-Welten-Semantik“ definiert. Das konditionale Schema besagt, „daß es aus der Sicht des Sprechers mit dem einschlägigen Wissen eher vereinbar ist, daß p und q der Fall ist, als daß p und nicht q der Fall ist“. Kausalität und Konsekutivität können dann als „faktifizierte Konditionale“ mit entgegengesetzter Verteilung von A NTEZEDENS und K ONSEQUENS beschrieben werden, bei finalen tritt eine zusätzliche deontische Komponente hinzu.3 Neben den konditional fundierten Nebensätzen nimmt die GDS eine weitere Hauptklasse der „peripheren Satzadverbialsätze“ an, als deren Charakteristikum angegeben wird, dass sie den Obersatz weder auf Propositions- noch auf Modusebene modifizieren, vielmehr seien sie selbständig assertierbar und leicht in koordinative Verknüpfungen umformbar. Darunter werden etwa „Konfrontativsätze“ (während, anstatt, außer) und „Komitativsätze“ (wobei, ohne dass) angeführt. Die Bestimmung dieser zweiten Hauptgruppe von Subjunktoren bleibt insgesamt eher vage, die postulierte Verwandtschaft mit den koordinativen Verknüpfungen wird nicht durch eine Verzahnung mit denjenigen semantischen Klassen gestützt, die im Abschnitt „Koordination“ der Klassifikation der Konjunktoren dienen. Für letztere finden sich in der Literatur v.a. Relationsbezeichnungen wie additiv oder kopulativ (zentraler Vertreter: und), disjunktiv oder alternativ (zentraler Vertreter: oder), adversativ oder kontrastiv (zentraler Vertreter: aber).  

3 Für die Zusammenführung von kausalen, konsekutiven, finalen, konditionalen, konzessiven und instrumentalen Konnektoren finden sich freilich Vorläufer in einer Oberklasse der „kausalen Konjunktionen im weiteren Sinne“, etwa bei Fritsche (1982) und noch in der Duden-Grammatik (2005). Erst die Nutzung der Aussagenlogik als Folie für die Beschreibung macht aber die notwendige Rückführung auf die Konditionalität deutlich. Bereits bei Dionysios Thrax werden Konditionalität und Kausalität als „unwirkliche Folge“ und „wirkliche Folge“ in Zusammenhang gebracht.

246

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

(ii) typologische Ansätze Besondere Beachtung verdienen sprachvergleichende und typologische Ansätze,4 da sie der sprachspezifischen Verschiedenheit der Ausdrucksformen Rechnung tragen müssen, sodass notwendig semantisch-funktionale Kriterien als tertium comparationis eine wichtigere Rolle spielen. (S. zum typologischen Ansatz Lehmann 1988, 2005, Haspelmath/König (Hg.) 1995, Haspelmath 2004, Haspelmath et al. (Hg.) 2005). Das ist der Fall beim EUROTYP-Projekt zu den „Adverbial Subordinators“ (Kortmann 1997, 1998, van der Auwera/Baoill (Hg.) 1998), das zwar mit seiner Fokussierung auf Subjunktoren in der Tradition der Nebensatzklassifikation steht – koordinierende Konjunktionen und Konjunktionaladverbien/Adverbkonnektoren bleiben ausgeblendet –, das aber im Inventar doch über die in Grammatiken des Deutschen üblicherweise behandelten semantischen Relationen hinausgeht. Die Subjunktoren werden vier Hauptklassen zugeordnet – TIME, CCC (= Cause, Condition, Concession), MODAL und eine Klasse OTHER, wobei auch hier wieder die letzteren beiden sehr gemischt sind und – nach nicht ganz klaren Kriterien voneinander unterschiedene – Restkategorien zu sein scheinen. So findet sich COMCOMITANCE (Ich nahm das Buch vom Regal, wobei mir die Vase herunterfiel) unter OTHER, das eng verwandte MANNER (Er verbrachte den Nachmittag, indem er Gedichte las) aber unter MODAL, ebenso findet sich hier auch die Relation INSTRUMENT/MEANS (Er löste das Problem, indem/dadurch dass er …). Verwandtschaften und Ähnlichkeiten zwischen den semantischen Klassen werden jeweils genannt. Auch wenn im EUROTYP-Projekt die Klassifikationskriterien nicht immer ganz transparent werden, ist doch – auch terminologisch – die Absicht erkennbar, Relationen zu gruppieren und innerhalb der Gruppe durch die Nennung zusätzlicher Merkmale auszusondern. Das ist besonders augenfällig in der Annahme eines Merkmals Negationshaltigkeit. Neben COMCOMITANCE (q, wobei p) gibt es NEGATIVE COMCOMITANCE (ohne daß p, q), neben PURPOSE (in order to p, q) wird eine Relation NEGATIVE PURPOSE angenommen (lest p, q; q in order that not p). Für die Klassifikation in diesem Handbuch sind auch beim typologischen Ansatz wieder die Kriterien für die Hierarchisierung, die Art und Weise der Gruppenbildung und deren Begründung interessant.  

(iii) diskurssemantische Ansätze Diskurssemantische Ansätze verbreiten sich ab Ende der 80er Jahre; zu ihren einflussreicheren Vertretern gehören die vor allem in die Computerlinguistik wirkende RST (Rhetorical Structure Theory; maßgebliche Literatur: Mann/Thompson 1988, Knott/ Sanders 1998, s. auch Stede 2004 und Kap. 8 in Stede 2007) und die SDRT (Segmented Discourse Representation Theory; Asher/Lascarides 2003, Asher/Vieu 2005, Sanders/  

4 Auf typologisch orientierte Studien zu einzelnen semantischen Relationen wie z. B. Stolz (1998) und Stolz/Stroh/Urdze (2005, 2006) – beide zu Instrumentalität und Komitativität – wird in den entsprechenden Kapiteln des C-Teils Bezug genommen.  

B1 Die Forschungslage

247

Stukker 2012, sowie weitere Arbeiten aus dem Umfeld des von Ted Sanders geleiteten Utrechter Projekts zur Kausalität, s. auch die Beiträge in Fabricius-Hansen/Ramm (Hg.) 2008 und Breindl/Ferraresi/Volodina (Hg.) 2011). Sie stehen insofern in der Tradition textlinguistischer und illokutionsstruktureller Ansätze (vgl. zu letzteren Viehweger 1989, Brandt/Rosengren 1992, Schmitt 2000, Schröder 2003), als ihr Gegenstand semantische Relationen zwischen benachbarten Textsegmenten sind, die nicht explizit – also durch einen Konnektor – ausgedrückt sein müssen, sondern, wenn sie implizit bleiben, vom Leser auf der Folie seines Sprach-, Welt- und Kulturwissens erschlossen werden können.5 Diskursrelationen beschreiben dabei nicht nur inhaltliche Zusammenhänge zwischen benachbarten „minimalen Diskurseinheiten“, sogenannten EDUs („elementary discourse units“), sondern erlauben, durch die Möglichkeit ihrer rekursiven Anwendung, auch eine hierarchische, baumdiagrammartige Gliederung eines gesamten Textes in sukzessiv umfangreichere Textsegmente, die jeweils durch semantische Relationen miteinander verbunden sind, bis hin zur Spitze des Baums, die dann den Gesamttext repräsentiert. Die Relationsinventare der RST variieren ein wenig; Mann/Thompson (1988) etwa gehen von 28 Relationen aus; Knott/Sanders 1998 stellen eine regelrechte Relationentaxonomie vor, in der Relationen selbst hierarchisch geordnet und über distinktive Merkmale definiert sind. Grundsätzlich werden semantische Relationen in der RST nach zwei Dimensionen unterschieden: zum einen nach der vom Sprecher intendierten Wirkung auf den Rezipienten, zum anderen nach dem Verhältnis zwischen den beiden Relata in Nukleus-Satellit-Relationen und multinukleare Relationen – hier erkennt man unschwer ein Echo der syntaktischen Unterscheidung zwischen Hauptsatz-NebensatzVerbindungen und koordinativen bzw. parataktischen Strukturen. Unter den multinuklearen Relationen finden sich denn auch etliche, die als Relationsklassen koordinierender Konjunktionen in der Literatur erscheinen, wie z. B. Contrast (entspricht adversativ) und List (entspricht additiv/kopulativ). In der Computerlinguistik erfuhr die RST eine lebhafte Rezeption, einschließlich der Entwicklung von Analysewerkzeugen für semiautomatische Relationsanalysen und Erzeugung von Relationenbäumen (s. dazu Stede 2007, Kap. 8). Angesichts der hohen und in den einzelnen Anwendungen divergierenden Zahl von Relationen, der bei der Annotation dieser Relationen aufgetreten Unsicherheiten in der Zuordnung und der grundsätzlichen Kritik am Klassifikationsschema (Stede 2004) – und nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die in der RST benutzte englischsprachige Relationsterminologie nur in wenigen Fällen an die lateinisch basierte grammatische Tradition anschließt –, kommt die RST als Klassifikationsbasis für dieses Handbuch nicht in Betracht.  



5 Eine Ausnahme ist Knott/Dale (1994), die Kohärenzrelationen nur auf der Basis expliziter Konnexionen zuweisen.

248

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

Dies gilt analog auch für die Theorie der Illokutionshierarchie (Viehweger/Spies 1987, Brandt/Rosengren 1992, Stede 2007 Kap. 7). Sie erfasst die Sprechhandlungszwecke von Diskurseinheiten in Termini der Sprechakttheorie und bedient sich dafür eines eher offenen Inventars von Sprechakten. Eigenständig ist die Perspektive, dass sich Beziehungen zwischen den illokutionären Rollen von Sprechakten in einem Text gewissermaßen zweidimensional auswirken: sequenziell (als Bezug eines Sprechakts auf vorherige/folgende Sprechakte) und hierarchisch (als Bezug auf einen im Text oder Abschnitt dominanten Sprechakt, der seinerseits gar nicht explizit sein muss): Eine dominierende Illokution kann durch eine oder mehrere andere illokutive Handlung(en) gestützt werden, die in Bezug auf sie subsidiäre Funktionen erfüllt/en; dies ist dann der Fall, wenn „die Erreichung des Ziels der einen [dann subsidiären] illokutiven Handlung notwendige Voraussetzungen für die Erreichung des Ziels der anderen schafft, aber nicht umgekehrt“ (Viehweger/Spies 1987: 113). Die Beschreibungsebene ist hier allerdings eine ganz andere als in diesem Handbuch. Das im Handbuch verwendete Konzept der Verknüpfung auf drei Ebenen, darunter auch einer Sprechaktebene (s. A 4.4), liegt quer zur Klassifikation nach semantischen Relationen; die Theorie der Illokutionshierarchie liefert, da Illokutionen unabhängig von konkreten sprachlichen Mitteln durch die Analyse großräumiger Einheiten ermittelt werden können, keinen Beitrag zur Klassifikation und Gliederung von Konnektoren nach semantischen Kriterien. Auch von Polenz (1985) wählt für seine Klassifikation von Verknüpfungsrelationen eine handlungstheoretische Begründung: „Man sollte sich nicht mit abstrakten Ausdrucksweisen wie ‚Dies ist eine konditionale Beziehung‘ begnügen, sondern danach fragen, welche Sprecherhandlungen der Sprecher/Verfasser bei Aussagen-Verknüpfungen tut“, etwa zu den „kopulativen“: „Eine Aussage P2 zu einer Aussage P1 HINZUFÜGEN, oder eine Aussage P1 durch eine Aussage P2 ERGÄNZEN, oder: Aussagen P1 bis Pn SUMMIEREN usw.“ (268). Von Polenz geht in der Berücksichtigung sprachlicher Ausdrücke weit über das Konnektorenkonzept dieses Handbuchs hinaus. Seine „R-Ausdrücke“ (R=Relation) erfassen neben den üblichen Funktionswörtern (koordinierende und subordinierende Konjunktionen, Adverbkonnektoren. Präpositionen) auch Ausdrücke des Nennwortschatzes wie relationale Verben (p führt zu q, p resultiert aus q, p steht q entgegen) und Substantive (der Grund für p ist q, die Folge von p ist q).  

(iv)

Verhältnis der aussagenlogischen Junktoren zu den semantischen Relationen Konnektoren des Deutschen wurden verschiedentlich auch mit aussagenlogischen Junktoren in Zusammenhang gebracht. Dabei besteht heute Konsens, dass die Bedeutungen natürlichsprachlicher Konnektoren nicht erschöpfend mit den Funktionen von aussagenlogischen Junktoren erfasst werden können. Eine auf den logischen Junktoren basierende semantische Beschreibung für die koordinierenden Konjunktionen des Deutschen hat Lang ausgearbeitet (1977, engl. Übersetzung 1984; 1991). Lang setzt

B1 Die Forschungslage

249

sieben Grundrelationen an, die sich kombinatorisch auf die logischen Junktoren Konjunktion (p Ù q), Disjunktion (p Ú q), Implikation (p → q) und Negation (¬p) beziehen lassen, konzediert aber auch, dass damit nur „eine Art Gerüst für die linguistische Bedeutungsbeschreibung der koordinierenden Konjunktionen“ genutzt wird, „indem wir sie auf das reduzieren, was in den logischen Funktoren enthalten ist“. (Lang 1991: 609). Aber eben: „Das ist natürlich nur eine Approximation, bei der und und aber zusammenfallen, für denn kein rechtes Pendant zu finden ist und die für entweder (…) oder und nicht (…) sondern angegebene Charakteristik durch weitere Bedingungen zu ergänzen ist.“ Zwischen „logischen Funktoren und sprachlichen Konjunktionen“ sieht Lang „prinzipielle Unterschiede“. Der bei Lang vorgebrachten Skepsis gegenüber einer Gleichsetzung aussagenlogischer Junktoren mit den Bedeutungen natürlichsprachlicher relationierender Ausdrücke schließt sich auch dieses Handbuch an.6 So lässt sich etwa das Bedeutungsspektrum des Konjunktors und mit den Möglichkeiten semantischer Anreicherungen, z. B. in Richtung einer konditionalen Beziehung  

(1)

Noch so eine Bemerkung und ich verlasse den Raum.

oder einer temporal-kausalen Beziehung (2)

Eva fiel beim Rosenschneiden von der Leiter und geht jetzt an Krücken.

nicht in Einklang bringen mit der Wahrheitswertverteilung der logischen Konjunktion p Ù q (s. C2.1) Darüber hinaus ist die logische Konjunktion auch nicht sensitiv für die Bedingung der notwendigen „Gemeinsamen Einordnungsinstanz“ die für das natürlichsprachliche und gilt. In der Aussagenlogik sind (3) und (4) unterschiedslos gültige Beispiele für die logische Konjunktion, als Beispiel für das natürlichsprachliche und ist (4) hingegen misslungen. (3) (4)

Für die Konservativen kandidiert der Luxemburger Jean-Claude Juncker und für die Sozialdemokraten der Deutsche Martin Schulz. Jean Claude Juncker ist Luxemburger und Tomaten gehören zu den Nachtschattengewächsen.

Während die Konnektoren inhaltliche Relationen zwischen den in den Konnekten ausgedrückten Sachverhalten (propositionalen Strukturen) denotieren, sind die aus-

6 Schon Döhmann (1966, 1974) hat mit umfassendem Material aus den Sprachen der Welt der Skepsis gegenüber logikbasierten Grundklassifikationen reichlich Nahrung gegeben. Er spricht davon, dass viele Konnektoren gegenüber den Junktoren etwas haben, was sich vom Standpunkt des Logikers als „Beimischungen“ darstellt, aus der Sicht des Linguisten aber eben gerade die wesentlichen Bedeutungsmerkmale der betreffenden Konnektoren sind.

250

B Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

sagenlogischen Junktoren „Namen“ für bestimmte wahrheitswertfunktionale Beziehungen zwischen komplexen Aussagen und ihren Komponentenaussagen. Für die hauptsächlich subordinativ kodierten „konditional fundierten Verhältnisse“ wurde in der GDS zwar ähnlich wie bei Lang (1977) die Logik als Folie einer Erklärung bemüht, aber nicht behauptet, Konditionalität oder die darauf aufbauenden semantischen Relationen seien mit der materialen Implikation der Aussagenlogik zu beschreiben. Dass dies schon für die Trias der subordinierenden konditionalen Konnektoren des Deutschen (wenn, falls, sofern) nicht gilt, wird in C 4.1 ausgeführt. Zum Verhältnis aussagenlogischer Junktoren mit natürlichsprachlichen Konnektoren s. ferner insbes. C3.2.1. Auch dieses Handbuch bedient sich der Aussagenlogik nur für eine grobsystematische Einteilung – und selbst damit können wir nicht alle Zweige semantischer Relationen erfassen: metakommunikative und temporale Relationen z. B. entziehen sich einer aussagenlogischen Beschreibung.  

Exkurs: zur Darstellung der aussagenlogischen Junktoren Der Vollständigkeit halber sollen hier die zweistelligen Junktoren mit ihrem Wahrheitswerten gelistet werden. Den logischen Junktoren werden jeweils einige natürlichsprachliche Konnektoren zugeordnet, für die der logische Junktor einen zentralen Bedeutungsbestandteil ausmacht. In den C-Kapiteln zu den semantischen Relationen wird ggf. darauf zurückgegriffen. Für die Notation der Wahrheitswerte (unter welchen Bedingungen eine Relation wahr ist) nutzen wir die in der Logik verbreitete Darstellungsweise der auf Frege zurückgehenden und von Wittgenstein und Post 1921 in dieser Form eingeführten Wahrheitswerttafeln bzw. -tabellen (s. Wittgenstein 1979: 52). Sie beziehen sich auf zweistellige Relationen mit den beiden Argumenten p und q. Die Möglichkeiten der Kombinationen von deren Wahrheitswerten werden in einer kanonischen Reihenfolge dargestellt: Tab. B1-2: Tabellarische Darstellung von Wahrheitswertzusammenhängen bei zweistelligen Relationen p

q

pRq

1 1

1 0

ww1 ww2

0

1

ww3

0

0

ww4

Aufgrund dieser „Normierung“ kann man die Tafeln vereinfachen und auf ihre „Ergebnisspalte“ (die rechte) reduzieren, die dann aus Gründen der grafisch einfacheren Darstellung waagerecht statt senkrecht präsentiert wird. Die „normierte“ Wahrheitswerttafel der Implikation sieht dann wie in Tab. B1-3 aus und kann als 1011 notiert werden.  

Tab. B1-3: Wahrheitswerttabelle für den logischen Junktor „Implikation“ p

q

1 1 0 0

1 0 1 0

p→q 1 0 1 1

B2 Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs

251

Einige der 16 durch diese systematische Herleitung entstehenden „zweistelligen“ Junktoren der zweiwertigen Aussagenlogik sind genau genommen null- oder einstellig, d. h. der Wahrheitswert der komplexen Aussage ist nur von dem einer oder gar keiner der Teilaussagen abhängig. Es verbleiben zehn echt zweistellige Junktoren, bei denen beide Argumente Einfluss auf den Wahrheitswert der ganzen Aussage haben. Sie können für die Beschreibung der Konnektoren genutzt werden und seien daher hier in einer Übersicht dargestellt.  

Tab. B1-4: Übersicht über die echt zweistelligen (dyadischen) aussagenlogischen Junktoren als Folie für die Bedeutungsbeschreibung der aussagenlogisch basierten Konnektoren 1000

Logische Konjunktion

pÙq

und, sowohl (…) als auch

0100

Postsektion

¬p Ù q

nicht (…), sondern

0010

Präsektion

p Ù ¬q

und/aber nicht

0001

Rejektion

¬p Ù ¬q

weder (…) noch (nicht … und nicht)

1110

Inklusive Disjunktion / Alternation

pÚq

und/oder (oder auch)

p >— q). Gesteuert wird die zeitliche Interpretation von Satzfolgen ohne Temporalkonnektoren durch mehrere Faktoren: (i)

Ein Diskursprinzip der natürlichen (ikonischen) Anordnung: p, q ≈ p < q Die Abfolge der Ausdrücke für zwei Sachverhalte entspricht deren chronologischer Abfolge. Parataktische und additiv koordinierte Satzfolgen werden wie in (1) als zeitliche Sequenz interpretiert, sofern keiner der in (ii) bis (iv) genannten Faktoren dieser Interpretation entgegensteht.

280

(1)

C Semantische Konnektorenklassen

Der Doktor kam, hob mit spitzen Fingern das Laken hoch, warf einen einzigen Blick auf Grenouilles Körper […], und verließ das Zimmer. (Süskind, Parfum, S. 133)  

(ii)

Eine tendenzielle Korrelation der temporalen Interpretation mit dem situationssemantischen Typ des Prädikats Telische Prädikate wie in (1) tendieren zu Sequenzinterpretation, atelische Prädikate wie in (2) hingegen zu Gleichzeitigkeitsinterpretation. (2)

Mitten in der Nacht erwachte das Haus in der Rue Droite zu emsigem Leben. In der Küche flammten die Feuer auf, durch die Gänge huschten die aufgeregten Mägde, treppauf treppab eilte der Diener, in den Kellergewölben klapperten die Schlüssel des Lagerverwalters, im Hof leuchteten Fackeln, Knechte liefen um Pferde, andere zerrten die Maultiere aus den Ställen, es wurde gezäumt, gesattelt, gerannt und geladen. (Süskind, Parfum, S. 262)  

(iii)

Eine tendenzielle Korrelation der temporalen Interpretation mit der Referenz des Subjekts Subjektkonstanz wie in (1) befördert Sequenzinterpretation, Wechsel wie in (2) eher Gleichzeitigkeitsinterpretation. Das hängt zusammen mit der biologischen Beschränkung, dass ein Individuum nur in sehr begrenztem Maße mehrere Aktivitäten gleichzeitig ausführen kann. Solche Tendenzen kommen aber nicht zwingend zum Tragen. Ein Gegenbeispiel ist (3). (3)

Also beschloß Baldini, nichts unversucht zu lassen, um das teure Leben seines Lehrlings zu retten. Er ordnete eine Umsiedlung von der Werkstattpritsche in ein sauberes Bett im Obergeschoß des Hauses an. Er ließ das Bett mit Damast beziehen. Er half eigenhändig mit, den Kranken die enge Stiege hinaufzutragen, obwohl ihn unsäglich vor den Pusteln und den schwärenden Furunkeln ekelte. Er befahl seiner Frau, Hühnerbrühe mit Wein zu kochen. Er schickte nach dem renommiertesten Arzt im Quartier […]. (Süskind, Parfum, S. 132)  

Hier werden einzelne Aktivitäten ein und desselben Individuums aneinandergereiht, die dieses kaum alle im strengen Sinne gleichzeitig durchführen kann; diese Aktivitäten werden aber im Rahmen einer übergeordneten Situation ‚Bemühen um das Leben des Lehrlings‘ unter Absehung von der tatsächlichen chronologischen Abfolge als gleichwertig dargestellt.

281

C1 Temporale Konnektoren

(iv)

Kombination eines einfachen Tempus mit einem zusammengesetzten Tempus Solche Tempuskombinationen sind ein Signal für eine Interpretation als temporale Sequenz. (4)

Er lag auf dem Kanapee im purpurnen Salon und schlief. Um ihn standen die leeren Flaschen. Er hatte enorm viel getrunken. (Süskind, Parfum, S. 170)  

1.1.2.2 Temporale PPen, NPen und Adverbien: kontextrelative, sprechzeitrelative und konventionalisierte Temporaladverbialia Mit Hilfe von temporalen Adverbialia können Sachverhalte, die durch Tempus nur sehr grob in Bezug auf den Sprechzeitpunkt zeitlich lokalisiert sind, sehr viel präziser lokalisiert werden. Temporaladverbialia können die Form von einfachen Adverbien oder Adverbphrasen, Nominalphrasen, Prä- und Postpositionalphrasen oder Subjunktorphrasen haben. (5)

Achthundert Jahre lang hatte man hierher die Toten des Krankenhauses Hôtel-Dieu und der umliegenden Pfarrgemeinden verbracht, achthundert Jahre lang Tag für Tag die Kadaver zu Dutzenden herbeigekarrt und in lange Gräben geschüttet, achthundert Jahre lang in den Grüften und Beinhäusern Knöchelchen auf Knöchelchen geschichtet. Und erst später, am Vorabend der Französischen Revolution, nachdem einige der Leichengräben gefährlich eingestürzt waren […], wurde er endlich geschlossen und aufgelassen […]. Hier nun, am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs, wurde am 17. Juli 1738 Jean-Baptiste Grenouille geboren. Es war einer der heißesten Tag des Jahres. Grenouilles Mutter stand, als die Wehen einsetzten, an einer Fischbude in der Rue aux Fers und schuppte Weißlinge, die sie zuvor ausgenommen hatte. (Süskind, Parfum, S. 7)  



Nur ein kleinerer Teil von diesen Adverbialia fällt unter das Konzept des Konnektors. Ausschlaggebend für die Abgrenzung sind die zwei Konnektorenkriterien (M3) (M5)

semantisch zweistellig (d. h. die Bedeutung eines Konnektors ist eine spezifische zweistellige Relation) Argumentausdrücke potentiell Satzstrukturen (d. h. die Ausdrücke für die Argumente eines Konnektors, die Konnekte, müssen Satzstrukturen sein können)  



282

C Semantische Konnektorenklassen

Nach dem Kriterium (M5) fallen Präpositionen, deren internes Konnekt zwar semantisch eine Proposition, syntaktisch aber kein Satz sein kann, hier nicht unter die Kategorie Konnektoren. In Beispiel (5) gelten deshalb die Präpositionen in den Präpositionalphrasen am Vorabend der französischen Revolution, 800 Jahre lang, am 17. Juli 1738 nach unserer Definition nicht als Temporalkonnektoren. Temporale NPen wie den ganzen Tag scheiden schon allein deshalb aus, weil sie überhaupt keinen relationalen Ausdruck enthalten. Auf den ersten Blick scheinen diese Präpositionalphrasen aber auch Kriterium (M3) nicht zu erfüllen, da die zeitliche Situierung hier nicht durch Bezug auf eine andere, im Kontext genannte Situation, sondern mit Hilfe des metrischen Systems des Kalenders und der konventionalisierten Zeitrechnung erfolgt; solche Zeitangaben werden oft auch als „absolute“ Adverbien von den „relationalen“ unterschieden (vgl. Heidolph et al. 1981: 405, GDS: 1142). Doch beziehen sich auch solche Zeitangaben auf zyklisch wiederkehrende (auf Mond- und Sonnenstand basierende) Naturereignisse (800 Jahre lang, Tag für Tag, am Abend, winters, nach zwei Monaten, tagsüber usw.) oder auf kulturell festgelegte Zeitintervalle (nach einer Woche, im nächsten Jahrzehnt, im 21. Jahrhundert). Der Unterschied zwischen „kontextrelativen“ Präpositionen bzw. Adverbien, d. h. solchen, die einen Sachverhalt durch Bezug auf einen individuellen, im Kontext erwähnten anderen Sachverhalt temporal situieren, und solchen, die dies unter Bezug auf konventionalisierte, kanonische Zeitintervalle tun, ist also streng genommen keiner zwischen relationalen und nicht-relationalen Ausdrücken, sondern eine Frage der Konventionalisierung (vgl. im Detail Haspelmath 1997: 25 ff.). Der Unterschied macht sich jedoch sprachlich bemerkbar. Kontextrelative Zeitangaben lassen sich formal als Konnektorverknüpfungen oder Präpositionalphrasen ausdrücken:  













(5a) (5b)

{Als die Wehen einsetzten/beim Einsetzen der Wehen/dabei} stand Grenouilles Mutter an einer Fischbude. {Nachdem einige der Leichengräben eingestürzt waren/nach dem Einsturz einiger der Leichengräben/danach} wurde der Friedhof geschlossen.

Bei Temporaladverbialia, die auf konventionalisierte Zeitintervalle referieren, wirkt eine (satzförmige) Kodierung als Konnektorverknüpfung hingegen semantisch merkwürdig und umständlich, da das Prädikat in diesem Fall keine zusätzliche Information über das Bestehen des Sachverhalts hinaus liefert. (5c) (5d) (5e) (5f)

Am 17. Juli 1738/am Abend/um 12 Uhr/zu Ostern/in zwei Stunden/ … #Als der 17. Juli 1738 war/#als es Abend war/#als es 12 Uhr war/#als Ostern war/#wenn zwei Stunden vergangen sind … 800 Jahre lang/im Mittelalter #Während 800 Jahre vergingen/#während das Mittelalter herrschte …  







C1 Temporale Konnektoren

283

Solche Verknüpfungen sind jedoch nicht ungrammatisch und werden umso akzeptabler, je mehr zusätzliche Information zur zeitlichen Phasierung durch das Prädikat eingebracht wird. In literarischer Sprache sind auch Subjunktorphrasen für konventionalisierte Temporaladverbialia gängig: als die Nacht hereinbrach, als die Sonne aufging, als der Winter kam, als ein Jahr herum war, als es 12 Uhr schlug usw. (6)

Hänsel und Gretel saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 118)  

Da wir solche Subjunktorphrasen immer als temporale Konnexionen ansehen und umgekehrt Präpositionalphrasen ebenso wie Nominalphrasen von vorneherein aus unserem Gegenstandsbereich ausschließen, spielt die Unterscheidung zwischen kontextrelativen und konventionalisierten Temporaladverbialia und damit die Frage, ob ein Ausdruck als Konnektor zu werten ist oder nicht, nur bei den Adverbien eine Rolle. Zu den konventionalisierten Temporaladverbien rechnen wir Ausdrücke wie abends, mittags, winters, jährlich, täglich, stündlich, tagsüber, nächtelang, jahrzehntelang u. ä. Diese behandeln wir nicht als Adverbkonnektoren, da sie weder syntaktisch noch semantisch zweistellig sind und nicht auf im Kontext gegebene Zeitintervalle Bezug nehmen, sondern nur auf konventionell festgelegte Zeitintervalle. Ein auf einen Sachverhalt im Vortext verweisender Adverbkonnektor ist in unserem Beispiel (5) zuvor; seine anaphorische Funktion kann hier durch Einsetzung einer geeigneten Form des vorhergehenden Satzes transparent gemacht werden.  

(5g) (5h)

Grenouilles Mutter […] schuppte Weißlinge, die sie zuvor ausgenommen hatte. Grenouilles Mutter […] schuppte Weißlinge, die sie, bevor sie sie schuppte, ausgenommen hatte.

Etliche temporale Adverbkonnektoren haben die Form von Pronominaladverbien und damit einen phorischen Bestandteil: davor, danach, daraufhin, seitdem, indessen, unterdessen, währenddessen, dazwischen, derweil(en). (7a)

Damit Brantners Vorträge nicht zu lang erschienen, erklang dazwischen die „Yardbird Suite“ von Charlie „Bird“ Parker, Jobims „Desafinado“ oder das unsterbliche „Summertime“ von George Gershwin. (Mannheimer Morgen, 12.03.2013, S. 18) Der Volkswagen, das hehre Propaganda-Vehikel, war kriegstauglich umfunktioniert worden. Derweilen hielten in der Barackenstadt die Ungereimtheiten an. (Braunschweiger Zeitung, 02.01.2013, o. S.)  

(7b)



Dies ist jedoch weder eine notwendige Bedingung für einen Status als Konnektor – man vergleiche z. B. gleichzeitig, inzwischen, alldieweil, anschließend, zuletzt, zunächst,  

284

C Semantische Konnektorenklassen

mittlerweile, zwischendurch – noch eine hinreichende: vordem z. B. kann sich nicht phorisch auf den Kontext beziehen). Ebensowenig ist das Vorhandensein relationaler Bestandteile wie Präpositionen oder Verben (z. B. anschließend) notwendig für Konnektorstatus – man vergleiche etwa mal, noch, nunmehr, zuerst, endlich, zuguterletzt, gleichzeitig.  



(7c)

Weil der Rheinländer diese Geduld hingegen wohl nicht hat, entlockte Schneider dem Publikum doch noch einen kräftigen Sofort-Beifall. In seinem Vortrag machte er anschließend den Wert von Toleranz deutlich […]. (Braunschweiger Zeitung, 24.01.2013, o. S.) Mal war das Feld blau, dann wieder – wie auch heute – rot. (Nürnberger Nachrichten, 05.12.1998, S. 20) Mit drei Siegen verblüffte der Süddeutsche Hans-Dieter Dreher. Nicht umsonst figuriert Dreher nunmehr als Nummer 19 der Weltrangliste. (St. Galler Tagblatt, 14.01.2013, S. 21)  

(7d)



(7e)



Von diesen kontextrelativen Temporaladverbien, die den Status von Konnektoren haben, sind die deiktischen, sprechzeitrelativen Adverbien abzugrenzen (vgl. auch Fabricius-Hansen 1986: 177 f.). Diese verankern einen Sachverhalt nicht in Bezug auf einen anderen, im Kontext erwähnten Sachverhalt, sondern nur in Bezug auf die Äußerungszeit und ähneln darin eher den einfachen Tempora. Dazu zählen Adverbien wie heute, morgen, gestern, heutzutage, neulich, jetzt, demnächst, vorhin, einst, vordem, bald, sofort, gleich. Einige Temporaladverbien sind „flexibel verankert“ (GDS: 1143) und können sowohl kontextrelativ als auch sprechzeitrelativ verwendet werden. Die GDS rechnet dazu im Anschluss an die Grundzüge (Heidolph et al. 1981: 408) auch die Adverbien sofort, bald, später und nachher, aber auch früher gehört in diese Kategorie.  



(8a) (8b)

Wir werden uns sicher bald wiedersehen. (sprechzeitrelativ) Zum Gipfel hinauf steig er während der ersten Wochen wohl noch ein paar Mal, um den Horizont abzuwittern. Bald aber war dies mehr eine lästige Gewohnheit als eine Notwendigkeit geworden. (Süskind, Parfum., S. 157) (kontextrelativ) Ich habe es mir überlegt. Du sollst die Gelegenheit bekommen, jetzt, sofort, deine Behauptung zu beweisen. (Süskind, Parfum, S. 100) (sprechzeitrelativ) Bis ihn endlich seine eigene Nase von der Qual befreite, indem sie von inner her allergisch anschwoll und sich wie mit einem wächsernen Pfropfen selbst verschloß. Jetzt konnte er gar nichts mehr riechen, kaum noch atmen. […] Gott im Himmel sei Dank. Nun konnte er guten Gewissens ein Ende machen. (Süskind, Parfum, S. 83) (kontextrelativ)  

(9a)



(9b)



C1 Temporale Konnektoren

285

Eine dritte Gruppe von Temporaladverbien, die nicht zu den Konnektoren gerechnet werden können, sind Adverbien, die ohne Bezug auf irgendein Referenzzeitintervall, also weder Kontext oder Sprechzeit noch ein konventionalisierte Zeitspanne, allein über ihre lexikalische Bedeutung eine – relativ ungenaue – zeitliche Situierung eines Sachverhalts leisten. Solche Adverbien finden sich weniger bei den Zeitpunkt spezifizierenden (positionellen) Adverbien als vielmehr bei den Frequenz und Dauer eines Sachverhalts spezifizierenden (iterativen und durativen) Adverbien. (Zu dieser Subklassifikation s. C1.2.2.) Hierunter fallen Adverbien wie irgendwann, (ein)mal, oft, selten, immer, manchmal, bisweilen, dann und wann, n-mal bzw. lang, eine Zeit lang, lange Zeit, ewig. Die Subklassen der iterativen und durativen Adverbien haben generell ein deutlich kleineres Inventar als die positionellen. Als entscheidendes Kriterium für die Zuordnung eines Temporaladverbs zu den Konnektoren gilt damit die Herstellung eines Bezugs zum Kontext. In den allermeisten Fällen ist die Verweisrichtung anaphorisch und der temporale Adverbkonnektor erscheint im linear zweiten Konnekt. Einige wenige Temporaladverbien können jedoch auch kataphorisch aus dem ersten Konnekt heraus verweisen: Es sind ausschließlich solche, die signalisieren, dass dem durch ihr Trägerkonnekt bezeichneten Sachverhalt ein anderer Sachverhalt zeitlich folgt. Oft treten solche Konnektoren korreliert mit einem die Folge markierenden Temporalkonnektor im zweiten Konnekt auf. Kataphorisch auftretende Adverbkonnektoren sind: anfänglich, erst, erstmal, gerade, kaum, zuerst, zunächst. Korrelativ in beiden Konnekten treten bald (…) bald und mal (…) mal auf. (10a)

Die Fallschirmspringer hatten am Samstag keine optimalen Bedingungen. Teils böige Winde und tiefe Regenwolken machten ihnen erstmal einen Strich durch die Rechnung. Am gestrigen Sonntag hatte Petrus dann aber ein Einsehen. (Mannheimer Morgen, 10.09.2007, o. S.) Er hatte gerade die Kerze am Talglicht des Treppenhauses angezündet, um sich den Weg hinauf zur Wohnung zu beleuchten, als er es unten im Erdgeschoß klingeln hörte. (Süskind, Parfum, S. 87) Kaum hatte er die praktischen Arbeiten an der Milcheuterblume beendet, stürzte er sich mit ungebrochenem Forscherelan auf einen großen Essay über die Zusammenhänge zwischen Erdnähe und Vitalkraft. (Süskind, Parfum, S. 178) Und deshalb musste ihm das, was er nun zu sehen bekam und was er zunächst mit spöttischer Distanz, dann mit Verwirrung und schließlich nur noch mit hilflosem Erstaunen beobachtete, als schieres Wunder erscheinen. (Süskind, Parfum, S. 104) Daniela Dahn hält sich für unkonventionell, schreibt „umstrittene Sätze“, bekennt sich zum „ungefilterten Gedankenstrom“. Aber bunt ist ihr Buch nur im Stofflichen, insofern bald von diesem, bald von jenem die Rede ist. (Berliner Zeitung, 02.10.1999, S. VIII)  

(10b)



(10c)



(10d)



(10e)

286

C Semantische Konnektorenklassen

Tab. C1-2 grenzt die Adverbkonnektoren unter den Temporaladverbien aus. Das Inventar der größten Subklasse, der Zeitpunkt spezifizierenden Adverbkonnektoren, wird in Tab. C1-4 vollständig angegeben und weiter untergliedert. Zu den nicht-konnektoralen Temporaladverbien, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, vgl. vor allem Steube (1980), GDS (1143 f.) und Timmermann (2000).  





Tab. C1-2: Konnektoren und Nicht-Konnektoren unter den temporalen Adverbien Konnektoren

keine Konnektoren

Bezug auf Kontext (kontextrelativ)

Bezug auf Sprechzeit (sprechzeitrelativ)

Bezug auf konventionalisiertes Zeitintervall

ohne Bezug auf ein Referenzintervall

ZeitpunktSpezifikation

damals, daraufhin, danach, dann, davor, gleichzeitig, indessen, inzwischen, kaum bald, nachher, nun, später, früher, sofort

heute, heutzutage, gestern, morgen, jetzt, gerade, gleich, demnächst, vorhin, neulich, soeben, einst, bald, nachher, nun, später, früher, sofort

abends, morgens, mittags, nachts, winters, tagsüber, montags, sonntags etc.

(ein-)mal, irgendwann, spät, früh, anfangs

ZeitdauerSpezifikation

seitdem, seither bis dato, bis dahin, solange, fortan, weiterhin

bislang, bisher

stundenlang, jahrelang, minutenlang etc.

lange, lange/kurze Zeit, ewig, dauernd

FrequenzSpezifikation

so oft

stündlich, täglich, jährlich etc.

manchmal, ab und an, dann und wann, bisweilen, selten, oft, immer, nie, n-mal

C1.2 Semantische Charakterisierung der Klasse 1.2.1 Funktion und Bedeutungskomponenten von Temporalkonnektoren Temporalkonnektoren dienen der zeitlichen Situierung eines Sachverhalts, indem sie diesen auf ein Zeitintervall beziehen, das durch die zeitliche Ausdehnung eines anderen Sachverhalts gegeben ist. Dieser dient somit als Referenzsachverhalt für den situierten Sachverhalt, d. h. er liefert die Betrachtzeit R (s. A4.5.1). Bei subordinierenden Konnektoren stellt das interne Konnekt den Referenzsachverhalt, bei Adverbkonnektoren das externe. Abb. C1-1 und Abb. C1-2 zeigen die Zuordnung der  

C1 Temporale Konnektoren

287

semantischen zur syntaktischen Struktur bei konjunktionalen Konnektoren und bei Adverbkonnektoren. (11a) (11b)

Tagsüber arbeitete er, solange es hell war. (Süskind, Parfum, S. 41) Die Sonne schien 14 Stunden lang. Solange arbeitete er.  



Abb. C1-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei temporalen Subjunktoren (ANTEZEDENS -markierend)

Abb. C1-2: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei temporalen Adverbkonnektoren (SEQUENS -markierend)

Der Konnektor solange drückt als Subjunktor wie auch als Adverbkonnektor aus, dass a) der situierte Sachverhalt in das Zeitintervall fällt, das durch den Referenzsachverhalt gegeben ist, und b) dieses Intervall eine über einen „Zeitpunkt“ hinausgehende Mindestausdehnung hat. Weitere Informationen zur zeitlichen Situierung liefern das Tempus Präteritum, das den situierten Sachverhalt vor der Sprechzeit lokalisiert und die Temporaladverbialia tagsüber bzw. 14 Stunden lang, die ihn zusätzlich auf eine konventionell definierte Zeitspanne festlegen. Über die Bedeutungskomponente (a) werden situierter Sachverhalt und Referenzsachverhalt relativ zueinander auf der Zeitachse verortet. Sachverhalte können in ihrer zeitlichen Ausdehnung zusammenfallen oder aufeinander folgen. Konnektoren, die wie solange eine zeitliche Koinzidenz zum Ausdruck bringen, nennen wir Koinzidenzkonnektoren; dazu gehören etwa während, wenn, als, sooft. Sie unterscheiden sich in der Form der zeitlichen Überlappung: manche Konnektoren fordern exakte  

288

C Semantische Konnektorenklassen

Übereinstimmung von Anfangs- und/oder Endpunkt, andere sind demgegenüber neutral. Bei den Sequenzkonnektoren wird danach unterschieden, ob der Konnektor sein internes Konnekt als zeitlich frühere Situation (ANTEZEDENS -Marker) oder als zeitlich spätere Situation ausweist (SEQUENS -Marker) (zur traditionellen Bezeichnung als Konnektoren der Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit s. C1.2.2). Die Bedeutungskomponente (b) beschränkt die Konnexion auf zeitlich ausgedehnte, durative Sachverhalte. Der Referenzsachverhalt liefert eine Antwort auf die Frage nach der zeitlichen Ausdehnung – das wie lange? – eines Sachverhalts und nicht auf die Frage nach dem wann?. Für diese Interpretation fordert der Konnektor solange atelische Prädikate in beiden Argumenten. Diese aspektuelle Beschränkung betrachten wir in Anlehnung an Herweg (1990) und Musan (2002b) als lexikalische Forderung des Konnektors. Verstöße gegen Anforderungen an die aspektuelle Charakteristik sind jedoch unter Umständen reparierbar: durch Aspektanpassung des Prädikats wie in (12a), das iterativ interpretiert wird, oder durch nicht-temporale Interpretation des Konnektors wie in (12b), wo solange konditionale Lesart hat. (Für eine Übersicht über solcher Uminterpretationen s. A4.5.2) (12a)

Solange Zeugnisse der Vergangenheit gewahrt und weitergegeben werden, werden wir an den Schrecken, die Not, aber auch an Beweise von Menschlichkeit erinnert. (Frankfurter Allgemeine, 15.03.1999, o. S.) Ich finde Brünette und schwarzhaarige attraktiver, aber es kommt aufs Gesamtbild an. Solang die Augen schön sind und der Rest vom Gesicht auch, kann sie aber auch rote Haare haben. (http://archiv.raid-rush.ws/t-422930.html)  

(12b)

1.2.2 Zur Untergliederung der Temporalkonnektoren Traditionell vorrangiges Einteilungskriterium für Temporalkonnektoren ist die Relationierung von situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt auf der Zeitachse, wonach die drei Konnektorenklassen der Gleichzeitigkeit, der Vorzeitigkeit und der Nachzeitigkeit unterschieden werden.6 Merkmale wie Frequenz (einmalig vs. wiederholt), Extension (ausgedehnt vs. punktuell), Begrenzung hinsichtlich Beginn oder Ende (begrenzt vs. unbegrenzt) und Bezug zum Sprechzeitpunkt kommen als untergeordnete oder kreuzklassifikatorische Differenzparameter hinzu, z. B.  

(13a)

Kaum hatte die Mutter die Wohnung verlassen, als die Kinder zu streiten begannen. (Bsp. aus Buscha 1989: 25) (einmalig)

6 So in nahezu allen Grammatiken (z. B. Heidolph et al. 1981, Engel 1988, GDS, Helbig/Buscha 1998, Duden-Grammatik 2005), im Lexikon der Konjunktionen (Buscha 1989), ferner in den älteren Gesamtdarstellungen Zschunke (1970), Gelhaus (1974a und b), Petkov (1979) und Steube (1980).  



C1 Temporale Konnektoren

(13b)

289

Dabei hat der kriselnde Autobauer eigentlich keine Zeit zu verlieren. Denn der Absatz geht weiter in den Keller, im Januar sank der Opel-Verkauf in Deutschland abermals um fast sechs Prozent. (dpa, 12.02.2013) (wiederholt)

Die traditionelle Dreiteilung ist aus mehreren Gründen problematisch. (i)

Intransparenz der Benennungskriterien und uneinheitliche Terminologie Für adverbiale Nebensätze hat sich als Benennungsprinzip die Orientierung an der semantischen Rolle der Subjunktorphrase (des Nebensatzes) gegenüber ihrem externen Argument (dem Matrixsatz) eingebürgert, wie dies beispielsweise die Klassifikation von weil-Sätzen als kausal und sodass-Sätzen als konsekutiv spiegelt. Auch bei den Temporalkonnektoren folgen Grammatiken diesem Prinzip mehrheitlich – was zwangsläufig in einer kontraintuitiven Terminologie resultiert, die nachdem als Konnektor der Vorzeitigkeit und bevor als Konnektor der Nachzeitigkeit einstuft.7 Es gibt aber auch die umgekehrte Perspektive, die das externe Argument des Subjunktors (den Matrixsatz) als situierten Sachverhalt in Bezug auf eine Referenzzeit verankert, die mit dem internen Argument (dem Nebensatz) gegeben ist. Gelhaus (1974a und b), Petkov (1979) und Lutzeier (1983) klassifizieren nachdem als Konjunktion, die Nachzeitigkeit ausdrückt und bevor/ehe/bis als Konjunktionen, die Vorzeitigkeit ausdrücken. Bei Haspelmath (1997) ist bevor ein ANTERIOR MARKER , nachdem ein POSTERIOR MARKER . Da die Terminologie auf einer – meist in den Benennungskriterien nicht transparent gemachten – Klassifikation der subordinierenden Konjunktionen basiert, ist dann auch unklar, ob Adverbkonnektoren wie daraufhin, danach, dann bzw. davor, vorher, seitdem in die Klasse der Vorzeitigkeits- oder der Nachzeitigkeitskonnektoren gehören. (ii) temporale „Polysemie“ der Subjunktoren Bei der traditionellen Einteilung müssen eine Reihe von Subjunktoren mehr als einer Klasse zugeordnet werden. Die Subjunktoren als, wenn, seit, bis und sobald werden von den meisten Grammatiken als Gleichzeitigkeits- und Vorzeitigkeitskonnektoren angeführt,8 oder aber die Zuordnungen weichen voneinander ab.9 7 Auch dies findet sich in den meisten Grammatiken und Monographien. Analog auch in Kortmann (1997) after als conjunction of anteriority und before als conjunction of posteriority. 8 „Der Ausdruck von Vorzeitigkeit durch Subjunktionen wie als, sobald, sowie, seitdem und andere wird als Variante eines temporal-gleichzeitigen Verhältnisses gedeutet und dort behandelt“ (DudenGrammatik 2005: 1090). Buscha (1989) beschreibt bis als nachzeitig und vorzeitig, seit und wenn als vorzeitig und gleichzeitig, als als gleichzeitig, vorzeitig und nachzeitig, sobald als vorzeitig und gleichzeitig. Helbig/Buscha (1998) behandeln bis, seit, wenn und als in beiden Klassen. 9 So wird etwa sobald bei Engel (1988) und Buscha (1989) als vorzeitig, in der GDS als gleichzeitig klassifiziert. Steube (1980) ordnet als und wenn in eine vierte Klasse der „Konjunktionen mit offenem Zeitbezug“. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Einordnungen in älteren Grammatiken gibt Petkov (1979).

290

C Semantische Konnektorenklassen

(iii) Zugehörigkeit zu verschiedenen Adverbialklassen Üblicherweise folgt die Einteilung in semantische Adverbialklassen dem allgemein für syntaktische Funktionen geltenden Prinzip, dass die Vertreter einer Klasse unabhängig von ihrer Form durch die gleiche Proform ersetzbar und die gleiche w-Frage erfragbar sind. Nach diesem Kriterium ergeben sich dann die in Tab. C1-3 angegebenen drei Klassen von Adverbialia, die quer zur gängigen Einteilung liegen, die aber ohne Polysemieannahmen auskommt und in die sich auch die konventionalisierten und sprechzeitrelativen Temporaladverbialia gut einordnen lassen. Tab. C1-3: Subklassifikation der Temporalkonnektoren Subklasse

Frageform

Proform

Subjunktoren

Adverbkonnektoren

ZeitpunktSpezifikation (positionell)

wann?

da(nn), zu dieser Zeit

als, wenn, sobald, kaum, während, bevor, ehe, nachdem etc.

danach, davor, dann, indessen etc.

ZeitdauerSpezifikation (durativ)

wie lange?

so lange

solange, seit, bis

solange, seither, seitdem, bis dato, bis dahin fortan, fürderhin

FrequenzSpezifikation (iterativ)

wie oft?

so oft

sooft

so oft, abermals

In Übereinstimmung mit den hier für alle semantischen Konnektorenklassen zugrunde gelegten Klassifikations- und Benennungsprinzipien (s. B) subklassifizieren wir somit die Temporalkonnektoren danach, welche Spezifikation der Referenzsachverhalt gegenüber dem situierten Sachverhalt leistet, in drei Klassen. (i) Die größte Konnektorenklasse bilden die Zeitpunkt spezifizierenden (positionellen) Temporalkonnektoren (s. C1.3).10 Der Terminus Zeitpunkt ist hier nicht im Sinne einer aspektuellen Beschränkung des Referenzsachverhalts auf punktuelle Ereignisse zu verstehen, diese sind hier jedoch immer möglich. (ii) Die drei Zeitdauer spezifizierenden (durativen) Temporalkonnektoren solange, seit und bis und die entsprechenden Adverbkonnektoren (C1.4) haben eine doppelte Funktion. Sie haben wie die Zeitpunkt spezifizierenden Konnektoren die Funktion, einen Sachverhalt relativ zu einem anderen auf der

10 Beschreibungen, die diese drei Klassen terminologisch unterscheiden, wählen für die Zeitpunkt spezifizierenden Konnektoren oft einen Terminus, der für alle drei Klassen passend wäre. Herweg (1990) unterscheidet sie als „temporale Konjunktionen“ (an anderer Stelle: „temporale Konjunktionen im engeren Sinn“) von den „durativen“; Steube (1980) spricht von „zeitrelativen“ (vs. „durativen“ und „iterativen“ Konjunktionen), die GDS (D5) bezeichnet sie als „Zeitspezifikationen/wann-Spezifikation“; auch Pittner (1999) bezeichnet sie als „Temporaladverbial i. e. S.“ und nennt die übergeordnete Kategorie „Temporale Adverbiale“.  



C1 Temporale Konnektoren

(iii)

291

Zeitachse zu verorten, sie spezifizieren aber zusätzlich dessen Mindestdauer, indem der Referenzsachverhalt ein Zeitintervall liefert, zu dem der situierte Sachverhalt „kontinuierlich herrscht“ (Herweg 1990: 294). Sie verlangen für den situierten Sachverhalt deshalb immer eine atelische Interpretation. Der Frequenz spezifizierende Temporalkonnektor sooft (s. C1.5) allquantifiziert über Sachverhalte (‚jedes Mal wenn‘). Er bringt zum Ausdruck, dass es sich beim situierten Sachverhalt ebenso wie beim Referenzsachverhalt um eine Summierung von Sachverhalten des gleichen Typs handelt, die jeweils paarig einander zugeordnet sind, d. h. für alle Sachverhalte vom Typ des Referenzsachverhalts gilt, dass sie begleitet sind von einer Instanz des situierten Sachverhalts. Über die konkrete Anzahl solcher Sachverhaltspaare macht der Konnektor aber keine Angaben – es kann auch die leere Menge sein (Das passiert, sooft Ostern auf Weihnachten fällt …).  

Diese Untergliederung des Inventars der Temporalkonnektoren hat überdies den Vorteil, dass sie die Interaktion der Konnektoren mit der aspektuellen Charakteristik der Konnekte besser erfassen kann, da Bedeutungsmerkmale wie Punktualität, Extension und Frequenz genau darauf Bezug nehmen.11 Besondere Beachtung verdient die Abgrenzung der Zeitpunkt- von den Zeitdaueradverbialia. Zeitpunktspezifikationen können durch ausgedehnte Intervalle erfolgen (in der Steinzeit, als Afrika und Europa noch nicht getrennt waren) und Zeitpunktadverbialia mit während können von manchen Sprechern auch mit wie lange erfragt werden und sind scheinbar durch solange-Adverbialia ersetzbar. (14a)

(14b)

Wann wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet? Während der Wintermonate wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet. #Solange der Winter herrscht, wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet. Wie lange wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet? Solange der Winter herrscht, wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet. ?Während der Wintermonate wird auf den Bauernhöfen weniger gearbeitet.

Telische, durative Prädikate (Vendlers Accomplishments) sind aber nur mit während kombinierbar, nicht jedoch mit solange: (15a) (15b)

Während des Sommers eroberte Napoleon Moskau. *Solange die Schönwetterperiode anhielt, eroberte Napoleon Moskau.

11 Gelhaus (1974a) und Petkov (1979), die ihrer Klassifikation die traditionelle Dreiteilung nach Zeitrelationen zugrunde legen, nennen die nachgeordneten Merkmale Dauer, Wiederholung, Terminierung „aktionsartliche Charakterisierung“.

292

C Semantische Konnektorenklassen

Das Merkmal der Verortung zweier Sachverhalte relativ zueinander auf der Zeitachse, die traditionelle Einteilung in Gleich-, Vor- und Nachzeitigkeit, benutzen wir als nachgeordnetes Subklassifikationskriterium. Es unterscheidet Koinzidenzrelationen von Sequenzrelationen; letztere werden danach unterschieden ob der Konnektor sein internes Konnekt als zeitlich früheren Sachverhalt (ANTEZEDENS -Markierung) SEQU ENS -Markierung). Als lexikaoder als zeitlich späteren Sachverhalt ausweist (SEQUENS lisches Subklassifikationsmerkmal für die Temporalkonnektoren selbst ist es weniger geeignet, da insbesondere temporale Subjunktoren diesbezüglich nur zum Teil festgelegt sind und die tatsächlich zu interpretierende Relation sich erst im Zusammenspiel von Konnektorbedeutung mit Tempus und aspektueller Charakteristik der Konnekte ergibt. Bei den Temporalkonnektoren da, als, wie und wenn ist es angemessener, sie als in Bezug auf die zeitliche Abfolge der situierten Sachverhalte unspezifisch situierend einzustufen, als von zwei- bis dreifacher Homonymie auszugehen, da sie selbst nur signalisieren, dass ihr internes Konnekt als eine Art Rahmen die Betrachtzeit liefert für die zeitliche Situierung des externen Konnekts (im Falle des Adverbkonnektors da leistet das Bezugskonnekt dies für das Trägerkonnekt) und die konkrete Verortung dieser Betrachtzeit kontextuell festgelegt wird. Hinzu kommt, dass das Merkmal bei den Frequenz spezifizierenden Temporalkonnektoren keine Rolle spielt, und auch bei den Zeitdauer spezifizierenden keine eindeutigen Klassen unterscheidet. Ein drittes Subklassifikationskriterium betrifft die zeitliche Begrenzung des situierten Sachverhalts. Einige wenige Temporalkonnektoren legen Anfangs- und/ oder Endgrenze des durch den situierten Sachverhalt eingenommenen Zeitintervalls auf einen mit dem Referenzsachverhalt gegebenen Zeitpunkt fest, die meisten sind diesbezüglich aber unspezifisch. Unter den Zeitpunkt spezifizierenden setzen kaum, sobald und sowie die Anfangsgrenze (linke Grenze) fest. Die Zeitdauer spezifizierenden Temporalkonnektoren (solange, seit, bis) sind aus ihrer Funktion heraus alle notwendig grenzbezogen, wobei im Falle von seit der Sprechzeitpunkt die maximale rechte Grenze darstellt. Von den Adverbkonnektoren sind nur sogleich und sofort eindeutig grenzbezogen. Bei einer Koinzidenzrelation bedeutet Grenzbezug Zusammenfall mindestens einer Grenze des situierten Sachverhalts mit der entsprechenden Grenze des Referenzsachverhalts. Bei Sequenzkonnektoren fällt die Endgrenze des einen Sachverhalts mit der Anfangsgrenze des anderen zusammen. Für diesen Unterschied zwischen unmittelbarer Folge und unbestimmter Folge findet sich mitunter auch das topologische Konzept Proximität vs. Distalität (vgl. Herweg 1990, Ehrich 1992, Schilder 2004). Bei dieser Betrachtung zeigt sich eine Asymmetrie im System der Temporalkonnektoren: Sequenzkonnektoren mit Grenzbezug bringen maximale Proximität zum Ausdruck, es gibt jedoch keinen Temporalkonnektor, der für eine distale Sequenzrelation spezifisch ist, also für ein Konzept, wie es durch das nicht-relationale Adverb einst zum Ausdruck gebracht wird. Grenzneutrale Konnektoren lokalisieren einen Sachverhalt also nur ungefähr, in einer durch den Konnektor selbst nicht genau bestimmten linken oder rechten „Nach-

293

C1 Temporale Konnektoren

barschaftsregion“ des Referenzsachverhalts oder innerhalb des durch diesen eingenommenen Zeitintervalls. Durch Kombination mit konventionalisierten Temporaladverbialia kann der Abstand aber auch exakt ausgedrückt werden. (16)

Ganz nachvollziehbar ist die Handlungsweise der Ministerin nicht: Ganze zwei Wochen nachdem italienische Behörden Hormone in einer Fleischprobe gefunden haben, aber nur wenige Tage bevor ihr Ergebnisse von Kontrolluntersuchungen vorlagen, ging Frau Prammer plakativ an die Öffentlichkeit. (Salzburger Nachrichten, 08.08.1998, o. S.)  

Bei grenzneutralen Konnektoren kann ein Grenzbezug durch zusätzliche graduierende Ausdrücke hergestellt werden. (17)

Andere Überlebende berichten von einem lauten Knall, unmittelbar nachdem die Stewardess vor der geplanten Landung Anweisung zum Anlegen der Sicherheitsgurte erteilt habe. (die tageszeitung, 27.10.1986, S. 7) Und er lächelt. Die ganze Zeit, während er zugleich ungebrochenen Kampfesmut und brennendes Interesse zeigt. (die tageszeitung, 23.07.2002, S. 5) Exakt als Präsident Franz Grad den Platz betrat, schoß Peric seine Paschinger mit 2:1 in Führung. (Neue Kronen Zeitung, 23.05.1999, S. 54)  

(18)



(19)



Generell gilt aber, dass die Beschaffenheit und zeitliche Ausdehnung der zueinander in Bezug gesetzten Sachverhalte einen starken Einfluss darauf hat, wie der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Sachverhalten zeitlich interpretiert wird. In Sequenzrelationen mit Grenzbezug ist die Vorstellung eines Zusammenfalls der Endgrenze des einen Sachverhalts mit der Anfangsgrenze des anderen eine Abstraktion von den wirklichen physikalischen Verhältnissen und bedeutet nicht notwendig, dass keinerlei Zeitintervall zwischen den Sachverhalten liegen darf. Ein Temporaladverbiale wie sofort danach kann realzeitliche Abstände von Sekunden (20), Wochen (21) und selbst Jahrtausenden (22) „überbrücken“. Der Grenzbezug bedeutet in Sequenzrelationen lediglich, dass keine relevante Situation von vergleichbarer Ausdehnung zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalte treten darf. (20)

Eine Nachbarin berichtete, sie habe einen lauten Knall gehört und sofort danach Flammen aus dem Haus schlagen sehen. (die tageszeitung, 05.02.2008, S. 6) Zwischen zehn und elf Semestern dauert das Studium im Schnitt; sieben Semester mindestens. Wer sofort danach zum Examen antritt, erhält als Belohnung einen Freischuß: Wenn er zweimal durchrasselt, bekommt er eine dritte, zusätzliche Chance. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) Urplötzlich, womöglich ausgelöst durch eine genetische Veränderung, welche das Hirn des Steinzeitmenschen entscheidend umkrempelte, sei der  

(21)



(22)

294

C Semantische Konnektorenklassen

Sprung in die Zivilisation gelungen. Und sofort danach […] seien die zivilisierten Vorfahren dann zum globalen Eroberungsfeldzug angetreten – zunächst in Richtung Asien und Europa. (Die Zeit, 22.04.2004, S. 41)  

1.2.3 Syntaktisch-semantische Besonderheiten von Temporalkonnektoren Temporale Konnektoren und die durch sie gebildeten Adverbialia zeichnen sich durch eine syntaktische Flexibilität aus, die Konnektoren anderer Relationsklassen nicht in diesem Maße teilen. In syntaktischen Theorien mit einer ausdifferenzierten hierarchischen Struktur und einer Vielzahl projizierender funktionaler Köpfe kann man dem dadurch Rechnung tragen, dass Temporaladverbialia auf einer niedrigeren Stufe adjungiert werden als z. B. Kausaladverbialia (vgl. z. B. Haegeman 1991, Pittner 1999, Fabricius-Hansen 2011), aber noch oberhalb von VP-Adverbialia. Tatsächlich sind sie aber „nach unten“ flexibel verankerbar und können unter Umständen sogar als Komplemente innerhalb der VP erscheinen, höhere Projektionen (epistemische Einheiten oder Sprechakte) können sie dagegen nicht modifizieren (vgl. auch Pittner 1999: 337).  



(i) Temporale Subjunktorphrasen können als Komplemente fungieren Temporale Subjunktorphrasen mit als und wie können die syntaktische Funktion eines Subjekts oder Akkusativkomplements einnehmen; eine Eigenschaft, die sie mit wenn-Phrasen teilen, die auch in Komplementfunktion nicht immer klar zwischen einer konditionalen und einer temporalen Lesart unterschieden werden können (vgl. HDK-1: 382 ff.; ferner Blatz 1970: 976, Boettcher/Sitta 1972: 118 f., Oppenrieder 1991: 264 f.). Solche Hybride zwischen Komplement- und Supplementfunktion sind auf faktive einbettende Prädikate beschränkt, die die Geltung des im Komplement bezeichneten Sachverhalts präsupponieren. Wie-Phrasen können unter Wahrnehmungsverben eingebettet werden. Bei als-Phrasen ist ein Korrelat es (bei Postposition der alsPhrase) auch im Mittelfeld obligatorisch. Temporalsubjunktoren, die semantisch spezifischer sind als wie und als, können in Komplementfunktion nicht auftreten, da ihre adverbiale Charakteristik die Einbettung als Komplement blockiert (vgl. Oppenrieder 1991: 265).  





(23)

So beschäftigt war Baldini mit seiner inneren Empörung und seinem Ekel vor der Zeit, daß er nicht recht begriff, was es bedeuten sollte, als Grenouille plötzliche sämtliche Flakons verstöpselte, den Trichter aus der Mischflasche zog, die Flasche selbst mit einer Hand am Halse packte, sie mit der flachen linken Hand verschloß und heftig schüttelte. (Süskind, Parfum, S. 107) Sie sah, wie er stolperte.  

(24)

C1 Temporale Konnektoren

295

Auch Zeitdauerspezifikationen können mit ihrer adverbialen Charakteristik bei den Verben dauern und sich erstrecken obligatorisch auftreten. Auf sie treffen nicht alle Eigenschaften prototypischer valenzgeforderter Ergänzungen zu: Sie sind zwar notwendig, in der Form aber nicht spezifisch und haben die für Adverbialia, aber eben nicht für Komplemente typische autosemantische Kodierung mit „adverbialen“ Subjunktoren. Solche nicht-kanonischen Komplemente sind mit einem mehrdimensionalen Valenzkonzept wie in Jacobs (1992) und in der GDS adäquat beschreibbar. (ii)

Temporale Subjunktorphrasen können als Attribut ein Nomen spezifizieren Temporale Subjunktorphrasen und einige temporale Adverbkonnektoren können attributiv einen nominalen Ausdruck für ein Zeitintervall spezifizieren. Als externes Argument des Subjunktors fungiert dann der gesamte Satzrest, der eine Proposition liefert. Subjunktoren anderer semantischer Klassen treten als Attribute nur begrenzt und nur zu propositionsdenotierenden Köpfen auf, die dann auch die Funktion des externen Arguments des Konnektors übernehmen (s. A1.3.2). (25)

Zu der Zeit , da das Haus Giuseppe Baldini stürzte, befand sich Grenouille auf der Straße nach Orléans. (Süskind, Parfum, S. 147) Das geschah erst an jenem Märztag , als er auf dem Stapel saß. (Süskind, Parfum, S. 32) In den Fünfzigerjahren , solange Striptease etwas mit erotischem Ausziehen, mit Show, mit Licht, mit Weiblichkeit, mit Federboas und Glamour zu tun hatte – so lange hatte Striptease auch etwas Persönliches. (die tageszeitung, 02.06.2003, S. 23) der Tag danach; die Feier davor; ?die Zeit seitdem, *die Zeit währenddessen  



(26)





(27)





(28)

(iii) Temporale Adverbialia können untereinander kombiniert werden Temporaladverbialia teilen mit Lokaladverbialia die Möglichkeit der Kombination untereinander. Dabei ist restriktive (wie in 29, 30 und das Adverb erst in 31) von nichtrestriktiver Modifikation (wie die übrigen Adverbialia in 31) zu unterscheiden. Restriktive Modifikatoren von satzadverbialen Subjunktor- und Präpositionalphrasen sind vor allem Fokuspartikeln, die Adverbien erst und schon sowie temporale Adverbialia, die ein Ausmaß (besonders, und – bei temporalen Satzadverbialen – kurz, lange, einige Tage) oder die Frequenz (immer, oft, selten) bezeichnen. (Vgl. zur Modifikation auch HDK-1: 411.) (29) (30)

Immer wenn es regnet, bildet sich am Fenster eine feuchte Stelle im Mauerwerk. Schon wenige Minuten nachdem die letzte Übung geturnt war, konnten Erster Stadtrat Martin Ringhof, Sportausschuss-Vorsitzende Sigrid Haas und

296

C Semantische Konnektorenklassen

VTV-Abteilungsleiter Klaus Sommer die Ehrung der Sieger vornehmen. (Mannheimer Morgen, 02.07.2003, o. S.) Und erst später, am Vorabend der Französischen Revolution, nachdem einige der Leichengräben gefährlich eingestürzt waren […], wurde er endlich geschlossen und aufgelassen […]. (Süskind, Parfum, S. 7)  

(31)



Ein anderer Typ der restriktiven Modifikation besteht darin, dass innerhalb eines ausgedehnteren Zeitintervalls, das gleichsam den Rahmen absteckt, durch die Angabe eines kürzeren Zeitintervalls ein Sachverhalt präziser situiert wird. Bei der Zeitpunktspezifikation in (32) liefert das Adverbiale am nächsten Morgen diesen Zeitrahmen, innerhalb dessen der in der als-Phrase bezeichnete Sachverhalt situiert ist. Solche Modifikationen treten bei Zeitpunktspezifikationen (wann?) wie in (32) ebenso auf wie bei Zeitdauerspezifikationen (wie lange? vgl. (33); dagegen Pittner 1999: 86) und selbst Frequenzspezifikationen (wie oft?) lassen solche eingrenzenden Kombinationen zu. (32)

Als Madame Gaillard ihn am nächsten Morgen ausgrub, war er zerknautscht und zerdrückt und blau, aber nicht tot. (Süskind, Parfum, S. 30) Solange Flohmarkt ist – von 8 bis 16 Uhr am Samstag, 25. September –, solange wird die vom Café Giger organisierte Festwirtschaft geführt, solange wird „Wendi“ am Grill die Bratwürste drehen und wenden. (St. Galler Tagblatt, 23.09.1999, o. S.) Jedes Jahr fuhren sie, sooft sie ein freies Wochenende hatten, in ihr Ferienhaus am Meer.  

(33)





(34)

Die Temporadverbialia der drei Klassen, insbesondere positionelle und durative Adverbialia, können auch untereinander kombiniert werden. In (35) bezeichnet das Adverb tagsüber zwar ein ausgedehntes Zeitintervall, muss aber als positionelles, Zeitpunkt spezifizierendes Adverbiale analysiert werden, da es nur auf die Frage wann, nicht aber auf wie lange eine passende Antwort ist. In diesem Fall ist die Kombination mit einem Durativadverbiale, das ein gleich langes oder kürzeres Zeitintervall denotiert, möglich. (35)

Tagsüber arbeitete er, solange es hell war, im Winter acht, im Sommer vierzehn, fünfzehn, sechzehn Stunden lang. (Süskind, Parfum, S. 37)  

(iv)

Temporale Adverbialia können sich nur auf die propositionale Ebene beziehen Einige genuin temporale Subjunktoren können zwar auf der epistemischen oder auf der Sprechaktebene verwendet werden, sie verlieren dabei aber ihre temporale Lesart und werden implikativ, nämlich kausal (nachdem, wenn) oder konditional (bevor, wenn) interpretiert. Semantisch ist diese Einschränkung gut erklärbar: eine Begrün-

C1 Temporale Konnektoren

297

dung einer Einstellung oder einer Äußerung ist kommunikativ sinnvoll, eine temporale Situierung dieser Einheiten durch einen anderen Sachverhalt dagegen weniger. In der Regel sind Temporaladverbialia auch nur in den nicht-temporalen Lesarten in desintegrierter Position möglich (37, 38); ansonsten sind sie eher desintegrationsfeindlich (39) (s. auch Breindl 2009). (36a) (36b) (37) (38) (39)

Nachdem 17 nur durch sich selbst teilbar ist, muss es eine Primzahl sein. Nachdem du ohnehin nichts zu tun hast: Wie wär’s, wenn du mal den Müll runterbringst? Wenn du es genau wissen willst: Sie ist einfach faul. Bevor ich es vergesse: Hans hat angerufen. *Nachdem Susanne den ersten Dick-Frances-Krimi gelesen hat: Sie geht jetzt immer zum Pferderennen.

C1.3 Zeitpunkt spezifizierende (positionelle) Temporalkonnektoren Nach den in C1.2.4 erläuterten Subklassifikationskriterien werden die Zeitpunkt spezifizierenden Temporalkonnektoren wie in Tab. C1-4 angegeben untergliedert. Tab. C1-4: Einteilung der Zeitpunkt spezifizierenden Temporalkonnektoren unspezi- Koinzidenzfisch relation situierend

Sequenz-Relation A NTEZEDENS -Markierer

S EQUENS -Markierer

Postponierer, Einzelgänger

Subjunktoren

grenzneutral grenzbezogen grenzneutral als da wenn wie wo

alldieweil indem indessen während währenddessen

nachdem

kaum dass sobald sowie

bevor ehe

kaum

wonach worauf woraufhin

grenzbezogen

298

C Semantische Konnektorenklassen

unspezi- Koinzidenzfisch relation situierend

Sequenz-Relation A NTEZEDENS -Markierer

S EQUENS -Markierer

grenzneutral grenzbezogen grenzneutral

Adverbkonnektoren

da

dazwischen derweilen gleichzeitig indessen inzwischen mittlerweile nebenher unterdessen währenddessen zugleich zwischendurch zwischenzeitlich

anfänglich bereits davor erst erstmal vorher zuerst zunächst zuvor

kaum gerade

grenzbezogen

alsbald sofort alsdann sogleich anschließend danach dann darauf daraufhin endlich hernach hinterher nachher nun nunmehr sodann später zuletzt zuguterletzt

1.3.1 Unspezifisch situierende Konnektoren: als, da, wenn, wie, wo Charakteristisch für die unspezifisch situierenden Konnektoren ist ihre semantische Unterbestimmtheit in Bezug auf die zeitliche Relationierung der verknüpften Sachverhalte und deren aspektuelle Charakteristik. Formal gehören sie zu den am stärksten grammatikalisierten Funktionswörtern mit den dafür typischen Merkmalen: phonologisch schwach, etymologisch verdunkelt, stark heterosem, syntaktisch und topologisch gebunden (außer da als Adverbkonnektor), und eben auch geringe semantische Spezifizität. Alle haben sie wesentlichen Anteil an anderen funktionalen Domänen als der temporalen Situierung: als und wie sind zentrale Ausdrucksmittel in der Domäne des Vergleichs, wo und da spielen im lokalen Bereich und bei der Relativierung eine wichtige Rolle und wenn ist der zentrale Konnektor für Konditionalität (s. C4.1.3.1.1).

C1 Temporale Konnektoren

299

1.3.1.1 Der Subjunktor als Für den Subjunktor als wurde bisweilen eine temporale Eigenbedeutung überhaupt bestritten (Bäuerle 1995: 166, Blühdorn 2003, Eggs 2006: 249).12 Als-Verknüpfungen unterliegen der Beschränkung, dass die Ereigniszeit vor der Sprechzeit liegt, was sich im Standardfall durch Vergangenheitstempora in beiden Konnekten niederschlägt.13 Ein zweiter Bedeutungsaspekt, in dem sie restriktiver als wenn-Verknüpfungen sind, ist die Beschränkung auf singuläre Sachverhalte. Darüber hinaus stellen sie keine weiteren Anforderungen an die temporale und aspektuelle Charakteristik ihrer Konnekte. Die Folge ist, dass die durch als relationierten Sachverhalte scheinbar in allen drei möglichen zeitlichen Relationen zueinander stehen können: Gleichzeitigkeit (40, 41), Vorzeitigkeit (42, 43) und Nachzeitigkeit des internen Arguments (44, 45). (40)

Als die Sonne aufging, stand er immer noch am gleichen Fleck und hielt seine Nase in die Luft. (Süskind, Parfum, S. 153) Grenouilles Mutter stand, als die Wehen einsetzten, an einer Fischbude in der Rue aux Fers und schuppte Weißlinge, die sie zuvor ausgenommen hatte. (Süskind, Parfum, S. 7)  

(41)



(42)

Als die Hochzeitsgesellschaft sich entfernt hatte und die Menge sich aufzulösen begann, gab er das Kind seiner Mutter zurück und ging in die Kirche, um sich von seiner Erregung zu erholen und auszuruhen. (Süskind, Parfum, S. 197) Erst als die Flasche mehrmals durch die Luft gewirbelt war, ihr kostbarer Inhalt wie Limonade vom Bauch in den Hals und zurückstürzte, stieß Baldini einen Wut- und Entsetzensschrei aus. (Süskind, Parfum, S. 107)  

(43)



(44)

Als gegen Mittag die Landbevölkerung aus allen Himmelsrichtungen in Massen herbeiströmte, war der Cours schon so dicht besetzt, daß die Neuankömmlinge auf den terrassenförmig ansteigenden Gärten und Feldern […] lagern mussten. (Süskind, Parfum, S. 296) Als die Sonne aufstieg, fett und gelb und stechendheiß, war er längst verschwunden. (Süskind, Parfum, S. 312)  

(45)



12 Bäuerle (1995: 166) sieht in als den „pathologischen Fall einer temporalen Konjunktion ohne temporalen Inhalt“; Eggs (2006: 249) geht davon aus, als habe „streng genommen keine temporale Eigenbedeutung“, sondern werde „durch den jeweiligen Kontext temporal aufgefüllt“. 13 Eggs (2006), die sämtliche – auch nicht-temporale – Verwendungen von als auf eine gemeinsame, etymologisch verankerte Grundbedeutung, nämlich eine „Art von Andersartigkeit“ zurückzuführen sucht, sieht eben in der „Andersartigkeit“ von Betrachtzeit und Sprechzeit die Bedeutung des temporalen als, die es gleichzeitig von temporalem wie unterscheidet, als dessen funktionsübergreifende Grundbedeutung sie eine „Art von Gleichheit“ ausmacht.

300

C Semantische Konnektorenklassen

Statt eine dreifache Homonymie des temporalen als anzunehmen,14 ist es plausibler, die unterschiedlichen Interpretationen als Folge der jeweiligen aspektuellen Charakteristik der Konnekte zu verstehen und die Bedeutung von als weiter zu fassen. Sofern es in neueren Darstellungen als spezifisch bezüglich der temporalen Relation angesehen wird, wird es als Signal einer Art „abgeschwächten“ Gleichzeitigkeit interpretiert (Herweg 1990: 274 f., GDS: 1147, 1709; Duden-Grammatik 2005: 1091). Die temporal situierende Funktion von als besteht darin, dass sein internes Konnekt (als Referenzsachverhalt) eine Art temporalen Rahmen für die Interpretation des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts (des situierten Sachverhalts) liefert und darin eine ähnliche Funktion hat wie die Adjunktor-Verwendungen von als (Als Karaokesänger macht der Direktor eher eine armselige Figur.), die ebenfalls einen Interpretationsrahmen für den Restsatz bereitstellen (vgl. Eggs 2006: 256). Das Adjunktor-als kann auch wie ein Subjunktor den zeitlichen Rahmen abstecken.  

(46)

Als Zwanzigjähriger drang er [= Chlodwig] unter Mißachtung aller bestehenden Verträge in das Pariser Becken ein, siegte bei Soissons und erzwang die Auslieferung des zu den Goten geflohenen Syagrius. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 21)  

Andererseits ist bei als die Gleichzeitigkeitsinterpretation dominant und unmarkiert und die Verwendungen als Sequenzkonnektor sind im Vergleich zu Verknüpfungen mit nachdem und bevor eingeschränkt. Im Unterschied zu diesen lässt nämlich als keine Spezifikation des Abstands zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt zu. (47a) (47b)

Zehn Minuten nachdem Maria eingeschlafen war, klingelte es. *Zehn Minuten als Maria eingeschlafen war, klingelte es.

Ein weiterer Unterschied zu nachdem ist, dass als in der Funktion als SequenzMarkierer nicht auftreten kann, wenn eine Koinzidenz-Interpretation semantisch ausgeschlossen ist. (Herweg 1990: 278). (48a) (48b)

Nachdem/*Als Hans die Tür öffnete, schloss er sie wieder. Nachdem/*Als Hans die Wohnung betreten hatte, verließ er sie wieder.

14 Grammatiken beschreiben als oft als Extremfall temporaler Homonymie. So findet sich bei Buscha (1989) über den Temporalsubjunktor als, er habe „temporale Bedeutung im Sinne der Gleichzeitigkeit“ (ebd. 23), „im Sinne der Nachzeitigkeit“ und „im Sinne der Vorzeitigkeit“ (ebd. 24). Dreifache Homonymie nehmen auch Gelhaus (1974a und b), Petkov (1979), Helbig/Buscha (1989: 454) und die Auflagen 1984 und 1998 der Duden-Grammatik an.

C1 Temporale Konnektoren

301

Daraus folgert Herweg, dass bei als eine „striktere“ Gleichzeitigkeitsforderung vorliegt und Abweichungen pragmatisch begründet werden müssen. Ein möglicher Kompromiss zwischen einer Beschreibung als unspezifisch situierendem Temporalkonnektor und Koinzidenzkonnektor ist die Zerlegung des Referenzsachverhalts in die drei Phasen Vorphase, Kulminationspunkt und Nachphase (Musan 2002b). Jede dieser Phasen kann die Referenzzeit für den situierten Sachverhalt liefern, wobei das außersprachliche Wissen über die temporale und aspektuelle Charakteristik der relationierten Sachverhalte die Interpretation steuert. (49a) (49b) (49c)

Als Hans beim Skilaufen stürzte, brach er sich ein Bein. (überlappend) Als Hans beim Skilaufen stürzte, fuhr ihn Maria ins Krankenhaus. (Nachphase) Als Hans beim Skilaufen stürzte, hatte er in der Skihütte drei Jägertee getrunken. (Vorphase)

Damit lässt sich als Bedeutungskern des temporalen als festhalten: Es liefert mit dem in seinem internen Konnekt bezeichneten Referenzsachverhalt das Zeitintervall, in dem oder unmittelbar um das herum der situierte Sachverhalt zeitlich einzuordnen ist. Bei einer Sequenzinterpretation lässt sich aufgrund dieser zeitlichen Nähe immer in Form einer konventionellen Implikatur ein Kausalzusammenhang zwischen dem früheren und dem späteren Sachverhalt ableiten; Herweg (1990: 274) spricht von einem „Ereignis-Reaktion-Muster“. In (49b) wird der im internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt als Auslöser für den im externen bezeichneten interpretiert, in (49c) ist es gerade anders herum. Als unterscheidet sich in dieser Hinsicht von nachdem, welches eine rein zeitliche Sequenzierung von Sachverhalten erlaubt, die in keinem kausalen Zusammenhang stehen wie in (49d). Mit als sind solche Verknüpfungen unabhängig vom Tempus im internen Konnekt weniger akzeptabel. (49d) (49e) (49f)

Nachdem Hans beim Skilaufen gestürzt war, brach sich im Jahr darauf seine Frau ein Bein. Als Hans beim Skilaufen gestürzt war, brach sich im Jahr darauf seine Frau ein Bein. Als Hans beim Skilaufen stürzte, brach sich im Jahr darauf seine Frau ein Bein.

Die Vorzeitigkeits-Interpretation bei als lässt sich beschreiben als Koinzidenz des situierten Sachverhalts mit der Nachphase/dem Resultatszustand des Referenzsachverhalts. Bei zusammengesetzten Tempora im internen Konnekt ist dafür das Tempus des Finitums ausschlaggebend (die „äußere Betrachtzeit“; GDS: 1147). In (43) (Erst als die Flasche mehrmals durch die Luft gewirbelt war …) ist also nicht die Ereigniszeit des Durch-die-Luft-Wirbelns (die „innere“ Betrachtzeit) für die temporale Situierung des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts relevant, sondern ein Zeitintervall,

302

C Semantische Konnektorenklassen

das mit dem Ende des Durch-die-Luft-Wirbelns beginnt, also ein (pragmatisch zu erschließender) Ruhezustand der Flasche. Ebenso kann (50) entweder interpretiert werden als unmittelbare (temporale und kausale) Folge der Sachverhalte „Klarheit erlangen“ und „Versuche Einstellen“, oder als Koinzidenz von „Klarheit besitzen“ und „Versuche einstellen“. Als er sich über sein Scheitern klar geworden war, stellte er die Versuche ein und wurde lebensbedrohlich krank. (Süskind, Parfum, S. 130)

(50)



Sequenzinterpretationen gehen sehr oft mit Tempusungleichheit einher: Plusquamperfekt im internen Konnekt, wenn als im Sinne von nachdem interpretiert wird (s. Bsp. 42, 43, 50 und 51), Plusquamperfekt im externen (häufig ein Zustandspassiv), wenn es eine bevor-Interpretation erhält (44, 45, 52). (Zur Korrelation von Tempusverteilung und Interpretation vgl. auch Gelhaus 1974a und b.)  

(51)

Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weißes Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herabgezogen hatte , nahm sich der Mann eine andere Frau. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 154) Als Bonifatius den ersten Brief Liobas empfing, hatte er gerade das Pallium des Erzbischofs empfangen . (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 234)  



(52)





Bei Kombinationen zweier präteritaler Sätze sind im Prinzip alle drei Interpretationen möglich. Dabei gibt es eine Tendenz, dass die Kombination atelischer Prädikate eher als Koinzidenz und die Kombination telischer Prädikate eher als Sequenz interpretiert wird. Dieses Interpretationsprinzip ist unabhängig vom Konnektor und wirkt auch bei asyndetischen Satzfolgen (s. C1.1.2.1). (i)

Präteritum, atelisch in beiden Konnekten → Koinzidenz-Interpretation

(53) (54)

Die Kinder schrien, als sie mich schlugen. (die tageszeitung, 15.12.1986, S. 8) Als Dubcek dann am Abend ins Theater ging, verbeugten sich die Schauspieler vor ihm, als sie ihn im Parkett sitzen sahen. (die tageszeitung, 28.01.1988, S. 3) Vor vielen Jahren, als im Spessart die Wege noch schlecht und nicht so häufig als jetzt befahren waren, zogen zwei junge Burschen durch diesen Wald. (Hauff, Wirtshaus, S. 1)  



(55)



(ii)

Präteritum, telisch in beiden Konnekten → Sequenz-Interpretation

(56)

Der älteste lachte, als er das hörte, und dachte bei sich „du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird sein Lebtag nichts.“ (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 51)  

303

C1 Temporale Konnektoren

(57)

Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann über seine Schönheit. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 160) Als die Vögel zu schreien begannen – also noch geraume Zeit vor Anbruch der Morgendämmerung – erhob er sich und vollendete seine Arbeit. (Süskind, Parfum, S. 279)  

(58)



(iii)

Präteritum in beiden Konnekten, internes Konnekt atelisch, externes Konnekt telisch → Koinzidenz-Interpretation Bei dieser Aspekt-Konstellation liefert das interne Konnekt das ausgedehntere Zeitintervall, in das das im externen Konnekt bezeichnete telische Ereignis temporal eingebettet wird. Als entspricht hier weitgehend der Bedeutung von während. (59)

Es war gehorsam, ging hin und hackte ein Loch in das Eis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtiger Wagen hergefahren, worin der König saß. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 111) Der Staatsstreich fand zu einem Zeitpunkt statt, als zum einen der Kalte Krieg in vollem Gange war, zum anderen auch die iranische Gesellschaft eine Phase tief gehender Umwälzungen durchlief. (die tageszeitung, 13.10.2000, S. 2)  

(60)



(iv)

Präteritum in beiden Konnekten, internes Konnekt telisch, externes Konnekt atelisch → Koinzidenz-Interpretation Bei dieser Konstellation ergibt sich eine Koinzidenz-Interpretation, bei der dann gerade umgekehrt zur Konstellation in (iii) der situierte Sachverhalt zeitlich ausgedehnter ist als der Referenzsachverhalt und auf jeden Fall dessen Vorphase mit umfasst. (61)

Sie lief und wollte sehen, wer draußen wäre, als sie aber aufmachte, so saß der Frosch davor. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 40) Eine Stunde lang läuteten die Kirchenglocken, als sie hingerichtet wurde. (die tageszeitung, 30.08.1988, S. 17) Als sie geboren wurden, die Frauen und Männer des Jahrgangs 1936, waren Hitlers Vorbereitungen für einen Krieg in vollem Gange. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) Als 558 bis 561 Chlotar das Frankenreich noch einmal vereinigte, erstreckte es sich von den Pyrenäen bis zur Saale. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 27)  

(62)



(63)



(64)



Zu der eingangs genannten Restriktion für als, dass die Ereigniszeit vor der Sprechzeit liegt, scheinen Verwendungen mit präsentischen Konnekten nicht zu passen. (65)

Chief Inspector Peter Pascoe ist schockiert. Aus dem geruhsamen Wochenende auf dem Land, das er mit Freunden aus Studientagen verbringen wollte, ist ein Alptraum geworden. Als er wie immer verspätet ankommt, findet

304

(66)

C Semantische Konnektorenklassen

Pascoe nur noch die Leichen seiner Freunde in dem idyllischen Cottage. (http://www.krimi-couch.de/krimis/reginald-hill-der-luege-schoener-schein. html) Als plötzlich Bono von der irischen Kultband U2 auf dem Domplatz auftaucht und in seinem Gefolge Bob Geldof, verfallen die jugendliche Fans in Hysterie. (Die Presse, 21.06.1999, o. S.) Als Michael um elf Uhr nachts an ihn herangeht, um Puls und Atmung zu messen, springt das Tier auf die Beine und greift ihn an. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 201) Und als der Koch den Fisch zerteilet, kommt er bestürzt herbeigeeilet. (Schiller, zit. nach http://de.wikisource.org/wiki/Der_Ring_des_Polykrates)  

(67)



(68)

Solche Verwendungen sind aber der allgemeinen Funktionsbreite des Präsens geschuldet. Als „szenisches“ oder „historisches“ Präsens (GDS: 350, 1697; Duden-Grammatik 2005; Eggs 2006: 275 f.) ermöglicht es eine Vergegenwärtigung und Verlebendigung des dargestellten vergangenen Ereignisses, das so in die Vorstellungswelt von Sprecher und Hörer hereingenommen wird. Typisch ist diese Verwendung des Präsens in narrativen Texten, in Inhaltsangaben, in der Geschichtsschreibung oder in biographischen Texten. Neben der Restriktion auf vergangene Ereignisse (in der es sich von während unterscheidet) hat als eine weitere Restriktion: es nimmt Bezug auf singuläre Sachverhalte in einem bestimmten Ereigniszeitintervall, ist „partikularisierend“ (Herweg 1990: 267) und unterscheidet sich darin von wenn. Dass der durch die als-Phrase bezeichnete Sachverhalt durch den Kontext als ein Fall von wiederkehrenden Ereignissen ausgewiesen sein kann, ändert nichts an der partikularisierenden Bedeutung von als. (Dagegen Blühdorn 2003 unter Hinweis auf Beispiele wie 69–71.) In (69a) liefert die als-Phrase ein Zeitintervall, das durch die Dauer des Einkaufs des Protagonisten konstituiert wird; ein spezifisches Ereignis aus einer Serie von wiederkehrenden „Samstags-Ereignissen“. Dieses dient als Referenzzeit, in dem sich ein spezifisches – auch inhaltlich als einmalig ausgewiesenes – Ereignis abspielt. Die analoge wenn-Verknüpfung hingegen drückt aus, dass wiederholt samstags ein Gemüseeinkaufs-Ereignis stattfindet, das regelmäßig mit einem radikal lebensverändernden Ereignis koinzidiert.  

(69a)

(69b) (70)

Doch eines Tages, als er wie jeden Samstag für Frau Rotkohl auf dem Markt Gemüse einkaufen geht, passiert etwas, was sein Leben radikal verändert. (http://www.film-suche.de/Das-Sams-f10296) Wenn er für Frau Rotkohl auf dem Markt Gemüse einkaufen geht, passiert etwas, was sein Leben radikal verändert. Am Morgen, als das Kind abermals verschwunden war, sagten die Leute ganz laut, die Königin hätte es verschlungen. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 50)  

305

C1 Temporale Konnektoren

(71)

Trotz des Wetters sind wir dabei, als er – wie jeden Tag – gegen Mittag einen mit Helium gefüllten Messballon startete. (http://www.helmholtz-muenchen. de/neu/Aktuelles/Presse/2007/spitzbergen-tagebuch5.php)

In der Referenz auf singuläre Sachverhalte unterscheidet sich als nicht nur von wenn, sondern auch von während. (72a)

(72b)

Während meist zwei potentielle Helfer den/die Urlauber ablenken, macht sich ein Dritter unbemerkt an den im Wagen liegen Wertsachen zu schaffen. (http://www.mallorca-webguide.de/menu6/submen6/sicherheit.htm) *Als meist zwei Helfer die Urlauber ablenken …

1.3.1.2 Postponierendes temporales als Von den bisher behandelten als-Verwendungen unterscheiden sich die folgenden durch eine Reihe von Einschränkungen. Die Konnekte unterliegen hier Restriktionen in ihrer aspektuellen Charakteristik, und sie sind in der linearen Abfolge auf Postposition des internen Konnekts beschränkt. Das externe Konnekt muss ein atelisches Prädikat enthalten; es denotiert ein nicht abgeschlossenes Ereignis oder einen Zustand in den der im internen Konnekt bezeichnete obligatorisch telische Sachverhalt abrupt und oft auch überraschend „hineinfällt“ (so Behaghel 1928: 102 zur entsprechenden Funktion von da; Eggs 2006: 246 spricht von „inzidierenden“ als-Sätzen im Unterschied zu den „rahmensetzenden“). Für den Ausdruck des atelischen Aspekts im externen Konnekt finden sich häufig spezielle progressive Konstruktionen wie am x-en sein, dabei sein zu x-en, im Gange sein oder die Adverbien gerade, kaum; der telische Aspekt im internen Konnekt kann durch Temporaladverbien wie plötzlich, auf einmal, auch schon betont werden. Solche zusätzlichen Aspektmarkierungen sind jedoch nicht obligatorisch.15 (73)

Er war schon im Begriff , die langweilige Veranstaltung zu verlassen, um an der Galerie des Louvre entlang heimwärts zu gehen, als ihm der Wind etwas zutrug, etwas Winziges, kaum Merkliches […]. (Süskind, Parfum, S. 50) Sie fuhr in gemächlichem Tempo durch die Hopfenstraße, als plötzlich der Radfahrer auf der Straße aufkreuzte und frontal aufs Auto zuhielt. (die tageszeitung, 20.04.1993, S. 24)  



(74)



15 Die in HDK-1 (377) angegebene Restriktion für solche postponierten als-Verwendungen, dass im externen Konnekt ein temporales kaum, eben oder gerade und im internen Konnekt auch schon auftreten müsse, ist nach Aufweis der Beleglage zu eng formuliert.

306

(75a)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Ausgrabungen waren in vollem Gange , als sich an einem Augustabend des Jahres 1972 der ehemalige Landesarchäologe Adrian von Müller und der örtliche Grabungsleiter Wolfgang Gehrke bei einem Gläschen Rotwein trafen. (Berliner Zeitung, 10.09.2007, S. 27) Dunkel war’s, der Mond schien helle, als ein Wagen blitzesschnelle langsam um die Ecke fuhr. Delia war gerade damit beschäftigt, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu dekorieren, als plötzlich ein Schrei ertönte, dann ein dumpfer Fall. (GR1/ TL1, de Groot, Vater, S. 38) Delia war gerade damit beschäftigt, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu dekorieren, da ertönte plötzlich ein Schrei, dann ein dumpfer Fall.  



(76) (77a)



(77b)

Für solche als-Verwendungen wurde schon öfter ein besonderer Status unter den temporalen Nebensätzen postuliert. In der GDS (2325) werden sie als „periphere Temporalsätze“ eingestuft, „die nicht in der üblichen Weise als Spezifikatoren der Betrachtzeit für den Obersatz interpretiert werden können“; die Grundzüge (Heidolph et al. 1981: 793) und Helbig (1983: 181) klassifizieren sie als „weiterführende Nebensätze“, wofür neben der Postpositionsrestriktion auch ihre Nicht-Erfragbarkeit durch wann (vgl. auch Eggs 2006: 283 ff.) und ihre Äquivalenz mit parataktischen Anschlüssen mit da (s. 77b) sprechen. Im Rahmen der syntaktischen Klassifikation des HDK muss man dieses als als Postponierer klassifizieren (wie die ebenfalls nicht erfragbare Phrasen bildenden temporalen Postponierer worauf, woraufhin, wonach). Semantisch liegt aber wieder die auch anderen temporalen als-Verknüpfungen zugrunde liegende unspezifische Situierung bzw. abgeschwächte Koinzidenz-Relation vor, wobei hier gerade in konverser Zuordnung zum Referenzzeit liefernden als das externe Konnekt die Referenzzeit für die temporale Situierung des im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalts liefert. Postponierertypisch ist auch bei diesen als-Verknüpfungen das interne Konnekt immer fokal; damit bilden sie ein informationsstrukturelles Gegenstück zum Referenzzeit liefernden als, bei dem das interne Konnekt in der Regel den Hintergrund bildet. Problematisch für einen Sonderstatus des postponierenden als ist, dass einige der obigen Belege auch Voranstellung der als-Phrase zuzulassen scheinen. Dabei kann die Vertauschbarkeit durch sequenzanzeigende temporale Adverbkonnektoren im externen und internen Konnekt erschwert sein (s. 77c, 78b).  



(75b)

(77c)

Als sich an einem Augustabend des Jahres 1972 der ehemalige Landesarchäologe Adrian von Müller und der örtliche Grabungsleiter Wolfgang Gehrke bei einem Gläschen Rotwein trafen, waren die Ausgrabungen in vollem Gange. ?Als plötzlich ein Schrei ertönte, war Delia gerade damit beschäftigt, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu dekorieren.

C1 Temporale Konnektoren

(78a)

307

Er hatte das Postamt kaum verlassen, als er seinen Gedanken schon wieder gestattete, sich munter im Kreise zu drehen, statt auf den Verkehr zu achten. (MK1/TPM, Pinkwart, Mord, S. 93) ?Als er seinen Gedanken schon wieder gestattete, sich munter im Kreise zu drehen, statt auf den Verkehr zu achten, hatte er das Postamt kaum verlassen.  

(78b)

Nun ist grundsätzlich auch beim „rahmensetzenden“ als eine Verteilung der aspektuellen Charakteristik „atelisches Prädikat im internen Konnekt, telisches Prädikat im externen Konnekt“ möglich (s. Bsp. 59–60). Die informationsstrukturelle Verteilung in den obigen (b)-Beispielen dreht sich gegenüber den Originalbelegen um: Das externe Konnekt wird fokal und die als-Phrase ist hier auch erfragbar; kurz – es liegt das „normale“, Referenzzeit liefernde als vor. Daraus könnte man schließen, dass die obligatorische Fokalität der postponierten „inzidierenden“ als-Phrasen ein reiner Linearitätseffekt ist. Dagegen spricht aber, dass rahmensetzende als-Phrasen unabhängig von ihrer Position Hintergrundmaterial enthalten können (s. 79), während dies beim „inzidierenden“ als-Typ nicht möglich ist (s. 80).  

(79) (79a) (79b)

A: Wo befand sich Grenouilles Mutter, als die Wehen einsetzten? B: Sie befand sich auf dem FISCHmarkt, als die Wehen einsetzten. B: Als die Wehen einsetzten, befand sie sich dem FISCHmarkt.

(80) (80a) (80b)

A: Was passierte Grenouilles Mutter auf dem Fischmarkt? B: Sie befand sich auf dem Fischmarkt, als plötzlich die WEhen einsetzten. B: *Als plötzlich die WEhen einsetzten, befand sie sich auf dem Fischmarkt.

Die beiden als-Typen unterscheiden sich also auch dahingehend, dass nur der inzidierende Typ informationsstrukturelle Restriktionen aufweist. So untypisch diese alsVerknüpfungen im Hinblick auf andere temporale Subjunktorphrasen mit als, nachdem, bevor, sobald etc. erscheinen, so wenig sind sie es, wenn man sie im Zusammenhang mit Postponiererkonstruktionen sieht, zu denen mit wonach, worauf und woraufhin ja auch drei temporale Konnektoren gehören. Solche Konstruktionen sind im Übergangsbereich zwischen hypotaktischer und parataktischer Verknüpfung angesiedelt; formal weisen sie mit der obligatorischen Verbletztstellung Eigenschaften der Hypotaxe auf, die obligatorische Postposition und Fokalität sind dagegen Eigenschaften von parataktisch angeschlossenen Sätzen. Da das postponierende als in Bezug auf die zeitliche Relationierung jedoch keine grundlegend vom Subjunktor-als verschiedene Funktion hat, sondern nur einen Spezialfall von dessen semantischer und formaler Variationsbreite darstellt, wird es hier nicht als eigenständiger temporaler Konnektor in der Liste geführt.

308

C Semantische Konnektorenklassen

1.3.1.3 Der Subjunktor wie Wie spielt als temporaler Subjunktor in der geschriebenen Standardsprache der Gegenwart eine eher marginale Rolle und ist zumindest mit einem Teil seiner Gebrauchsweisen stilistisch markiert.16 Es ist weitgehend funktionsgleich mit dem rahmensetzenden als, und wird häufig als mit diesem „konkurrierend“ betrachtet (Breindl 1989: 223 f., Buscha 1989: 145, Engel 1991: 733, Duden-Grammatik 1995: 1081, Thurmair 2001: 80), insofern es zwar auf die Kodierung von Sachverhalten beschränkt ist, die vor der Sprechzeit liegen, aber überwiegend mit dem Präsens kombiniert wird. Da Verwendungen, bei denen Ereigniszeit und Sprechzeit zusammenfallen, mit wie ebenso wenig möglich sind wie mit als, muss das Präsens somit als „historisches“ oder „szenisches“ Präsens interpretiert werden.  

(81)

Wie ich gerade einen Berg hinunterbrause, springt mir doch die Kette ab. (MK1/LJA, Johnson, Buch, S. 179) Wie ich hinter dem Nashorn in der Ecke des Stalles stehe, spreche ich es an – und im nächsten Augenblick springt Katharina mit allen vieren gleichzeitig in die Luft, wirft sich herum, schnaubt und stößt mit ihrem Horn auf meinen Leib zu. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 52) Und jetzt, in diesem Augenblick, *wie/*als/während ich diese Zeilen schreibe, ballt sich draußen ein Gewitter zusammen.  

(82)



(83)

Wie für als gilt auch für wie die Restriktion auf singuläre Sachverhalte. (84)

*Wie/*Als/Während meist zwei potentielle Helfer den Urlauber ablenken, macht sich ein Dritter unbemerkt am Wagen zu schaffen.

Verwendungen mit Vergangenheitstempora sind mit wie jedoch nicht ausgeschlossen. (Einige Autoren betrachten nur diese Verwendung als nicht standardsprachlich; vgl. die Übersicht bei Eggs 2006: 434 u. 444). Für einen stilistischen Unterschied zwischen temporalem wie mit Präsens und wie mit Vergangenheitstempus lassen sich aber keine Argumente in der Synchronie finden.17

16 Weinrich (1993: 751) und die Duden-Grammatik (2005: 627) kennzeichnen es als ugs. Herweg (1990), die GDS und Helbig/Buscha (1998) erwähnen es unter den temporalen Konjunktionen nicht. 17 Behaghel (1928: 348) führt das Eintreten von temporalem wie für älteres als auf entsprechende Verwendungen von swie (in Konkurrenz zu als) zurück, die schon im Mhd. belegt sind. Paul (1981, s. v. wie) vermerkt dazu, dieser Gebrauch sei „volkstümlich“ geblieben, während in der Hochsprache sowie verwendet werde (das allerdings eine engere Bedeutung hat).  

C1 Temporale Konnektoren

(85)

309

Wie bei uns die Geschwindigkeitsbegrenzung zunächst eingeführt worden ist […], ist rapide die Unfallzahl gesunken. (FR, xcg S. 83; nach Thurmair 2001: 80) Wie alles auf dem Tisch sie zierlich aufgebaut, So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut. (Adalbert von Chamisso, Das Riesenspielzeug) Wie das geschehen war, leiteten sie das Wasser wieder ins alte Bett zurück und töteten, damit die Stätte von niemand verraten würde, alle die, welche das Grab gegraben hatten. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 348) Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Türe zu, steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune samt den armen Leuten, jung und alt, Mann und Weib. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 248)  

(86)

(87)



(88)



Wie als ist auch wie nur schwach spezifisch in Bezug auf die temporale Relationierung, sodass Koinzidenz-Interpretationen (81, 82) ebenso möglich sind wie Sequenzinterpretationen mit Vorzeitigkeit (85–88) oder Nachzeitigkeit (89–90) des im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalts. (89)

Mit genauer Not erreichte sie einen dabei gelegenen Hügel, hinter ihr drein sank das Schloß zusammen, und wie sie, auf dem Ochsen sitzend, sich vom Hügel umsah, war das Gewässer überall aufgestiegen. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 143) Wie ich am dritten Tag spät abends nach Hause komme, ist Dschingis schon seit anderthalb Stunden verschwunden. (Grzimek, Tiere; nach Eggs 2006: 447)  

(90)

Auch im Fehlen von aspektuellen Restriktionen gleicht wie dem rahmensetzenden als. Mit identischen Tempora, atelischem internem und telischem externen Konnekt ergibt sich die Koinzidenz-Interpretation; dann liegt wieder die Konverse zum „inzidierenden“ als vor (s. 81, 82). Mit wie ist diese Konstruktion nicht möglich. (91a) (91b)

Als/wie ich gerade einen Berg hinunterbrause, springt mir plötzlich die Kette ab. Ich sause gerade einen Berg hinunter, als/*wie mir plötzlich die Kette abspringt.

Bei Tempusungleichheit und mit telischen Prädikaten ergibt sich bevorzugt eine Sequenz-Interpretation, wobei ein zusammengesetztes Tempus im internen Konnekt als Nachzustand und Resultatsphase interpretierbar ist, die mit dem im externen Konnekt bezeichnetem Sachverhalt mindestens teilweise überlappt. Typischerweise weist die Ereigniszeit des im internen Konnekt ausgedrückten Sachverhalts eine gewisse Ausdehnung auf; punktuelle, telische Prädikate (Achievements, s. A4.5.2) sind mit wie – anders als mit als – eher schlecht kombinierbar.

310

(92a)

C Semantische Konnektorenklassen

Als der Reifen platzte, schleuderte die Druckwelle den Baggerfahrer Franz N. (29) zur Seite, der dabei an beiden Beinen verletzt wurde, und beschädigte zwei Autos. (Neue Kronen Zeitung, 21.08.1996, S. 13) ?Wie der Reifen platzte, schleuderte die Druckwelle den Baggerfahrer Franz N. zur Seite.  

(92b)

Temporale wie-Sätze sind weitgehend auf Anteposition beschränkt oder treten allenfalls eingeschoben ins externe Konnekt auf. (93)

Auch zeigt man in der Sakristei die Drachenzunge samt einem alten Kelch, worauf die Passion abgebildet ist, den man vor mehr als elfhundert Jahren, wie man das Fundament des Klosters grub, in der Erde gefunden, also daß der Kelch bald nach Christi Himmelfahrt gemacht war. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 170)  

Die weitgehende Unverträglichkeit mit punktuellen Prädikaten, das Fehlen einer inzidierenden Funktion und die starke Antepositionstendenz deuten darauf hin, dass die Hauptfunktion der temporalen wie-Phrasen darin besteht, für einen zeitlich ausgedehnten Sachverhalt ein Zeitintervall bereitzustellen, das als Hintergrundrahmen für den situierten Sachverhalt dient.

1.3.1.4 Temporales subordinierendes da und wo Als Subordinierer changieren die ursprünglichen Lokaldeiktika wo und da zwischen einer Funktion als Relativadverbien und der Funktion als Konnektor vom syntaktischen Subtyp Subjunktor. (Zu da als Adverbkonnektor s. Abschnitt C1.3.1.5; zum kausalen Subjunktor da s. C4.2.3.1.1.1.2) Beide sind in temporaler Bedeutung im Standarddeutschen nur eingeschränkt verwendbar.18 Wie als sind sie unspezifisch in Bezug auf die zeitliche Relationierung der verknüpften Ereignisse, darüber hinaus sind sie aber auch unspezifisch in Bezug auf die Relationierung von Ereigniszeit und Sprechzeit: die Ereigniszeit kann hier auch um die Sprechzeit herum oder in der Zukunft liegen. Wo kann in temporaler Bedeutung im heutigen Standarddeutschen nur als Relativadverb zu einem Bezugselement auftreten, das selbst eine temporale Charakteristik hat. In dieser Funktion ist es kein Konnektor. Das gilt auch für das relativische da. Wenn das Bezugselement ein temporales Adverb ist (heute, jetzt, nun; s. Bsp. (94)–

18 Pittner (2004) ermittelt für das temporale Relativadverb wo in einer Korpusauszählung einen Anteil von 2% aller Belege als Relativadverb, im gesprochensprachlichen Pfeffer-Korpus 19% und in einem belletristischen Korpus 11%.

311

C1 Temporale Konnektoren

(96)), ist der Relativanschluss mit wo außer durch da allenfalls durch einen temporalen Subjunktor (vor allem wie) ersetzbar; ist das Bezugselement ein Nomen mit Temporalsemantik (s. Bsp. (97)–(98)), konkurriert relatives wo mit einem Relativanschluss aus Präposition + Relativpronomen. (94)

Ja, jetzt, wo die Frauenhäuser da sind, gucken sich die Alten ganz schön um, ne. (die tageszeitung, 06.06.1992, S. 31) Mi hat heut morge schon der Schlag troffe; wo ich des videogerät gsehe hab. (Bsp. aus Günthner 2002a) Doch nun, wo der Einzug der „Republikaner“ ins Münchener Rathaus droht, kann die CSU einen Hardliner a la Gauweiler gut gebrauchen. (die tageszeitung, 12.06.1989, S. 4) Just in dem Augenblick, wo (in dem) Stefan schriftliche Beschwerde gegen diese Behandlung einlegte, wurde ihm vormittags […] eine halbe Stunde früher die Zelle aufgemacht. (die tageszeitung, 08.05.1991, S. 18) Das war der Moment, wo (an dem) die Menschen in Europa begriffen, dass die Bossa Nova eine Kunstform ist. (die tageszeitung, 18.06.2004, S. 15)  

(95) (96)



(97)



(98)



Dieselbe relative Verwendung erlaubt auch da, das in relativer Funktion generell als veraltet und literarisierend gelten muss. (Zur Verdrängung von da durch wo vgl. Paul 1958: 227 f. und Paul 1981: 121, 807)  

(99)

Und jetzt, da es doch passiert ist, trudelt die blau-weiße Basis orientierungslos vor sich hin (die tageszeitung, 06.04.1998, S. 18) Es waren die einzigen Momente, da (in denen) sich in seinem düsteren Hirn fast heitere Gedanken bildeten. (Süskind, Parfum, S. 278) Die Dressur des anfänglich begabten jungen Schriftstellers oder Intellektuellen beginnt in dem Augenblick, da (in dem) er sich entschließt, Karriere zu machen. (die tageszeitung, 15.08.1997, S. 2) Zu gut erinnerte man sich noch der Zeit, da (in der) es geheißen hatte, der Mörder sei nach Grenoble abgezogen. (Süskind, Parfum, S. 287)  

(100)



(101)



(102)



Als temporaler Subjunktor kommt wo im heutigen Deutsch allenfalls im Substandard und gesprochensprachlich vor wie in (94) und (104). Bei Buscha (1989) wird es nicht als Konjunktion erwähnt; Behaghel (1928: 351) bezeichnet die temporale Verwendung als süddeutsch. (103)

Ja, die meisten … Tischlergesellen oder, jedenfalls die älteren, … kann man sehr viel dadran erkennen, die noch … mit der Hand sehr viel gearbeitet, wo’s noch keine Maschinen gab, daß sie doch immerhin ’n bisschen krummer gehen und und … den üblichen Tischlerpuckel haben, nicht? (PFE/BRD. AV004; Bsp. aus Pittner 2004: 365)

312

(104)

C Semantische Konnektorenklassen

Lizzi: da hend die mi BOIde- … die gucket mi boide SO groß a, wo i SAG, ja möchtet ihr NIT die geBURT eures kind(s)- möchtet=er=a baar KÄRTle verschicke? (Günthner 2002a: 315)

Da ist auch als temporaler Subjunktor veraltet und gilt als gehoben (Buscha 1989: 55). Nach Paul (1981) konkurriert bereits bei Luther als mit dieser Funktion von da. (105)

(106)

Da Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach dem Bilde Gottes und schuf sie einen Mann und ein Weib und segnete sie und hieß ihren Namen Mensch zur Zeit, da sie geschaffen wurden. (Lutherbibel 1912, 1 Mose 5,1) Und da die sieben Tage vergangen waren, kam das Gewässer der Sintflut auf Erden. (Lutherbibel 1912, 1 Mose 7,10)

Wo und da sind im Gegenwartsdeutschen beide unspezifisch in Bezug auf die Sprechzeitverankerung. Sie können deiktisch verwendet werden, wobei Ereigniszeit und Sprechzeit zusammenfallen, können in relativer Funktion aber auch zusammen mit Adverbien wie einst oder damals auftreten. Letztere Funktion ist für da als die genuine anzusehen: da weist ursprünglich – in Opposition zu hier – auf das dem Sprecher räumlich ferner Stehende bzw. in temporaler Funktion – in Opposition zu jetzt – auf einen Punkt in der Vergangenheit (vgl. Paul 1981: 121 f.)  

(107)

Germaine Greer fühlt sich heute besser als damals, da sie „in den Armen junger Männer lag, die mich liebten.“ (Der Spiegel, 22.02.1993, S. 231) Einen ukrainischen Dichter heute nach Österreich zu bringen ist natürlich ein weit schwierigeres Unterfangen als einst, da sich Europa noch nicht in den Grenzen der Wirtschaftsunion eingemauert hatte. (Die Presse, 18.01.1997, o. S.) An ihre Kindheit und Jugend in der ehemaligen DDR denkt sie oft mit Wehmut. „Natürlich ist es herrlich, alles kaufen und überall hinfliegen zu können“, sagt sie nachdenklich, „aber manchmal denke ich daran, wie sensationell und toll es war damals, wo man gar nicht wählen konnte beim Konsum, wo man schon froh war, zum Beispiel einen einfachen Fernsehsessel zu ergattern.“ (die tageszeitung, 07.12.1991, S. 35)  

(108)



(109)



In der relativen Unbestimmtheit der temporalen Situierung sind die Subjunktor-Verwendungen mit als und wie vergleichbar. Sie erlauben Sequenz-Interpretationen (104, 106) und Koinzidenz-Interpretationen (105). Die relativen Verwendungen sind dagegen nur als Spezifikation des durch das Bezugselement gegebenen Zeitintervalls zu verstehen und signalisieren Koinzidenz der Zeitintervalle, die durch Relativsatz und Bezugselement denotiert werden. Über die lokale und temporale Verwendung hinaus hat wo sowohl als Relativadverb als auch als Subjunktor noch weitere Verwendungsmöglichkeiten, die es

C1 Temporale Konnektoren

313

seiner semantische Unterbestimmtheit verdankt (vgl. auch Eisenberg 2004: 277 und Pittner 2004: 364). Auch in seiner genuinen lokalen Bedeutung leistet es genauso wie da nicht viel mehr als eine ungefähre Lokalisierung einer Entität in einer durch ein Referenzobjekt gegebenen Region (und ist darin weniger spezifisch als die durch in kodierte Relation). Als Subjunktor kann es kausal und konzessiv verwendet werden. (110) (111)

Iss nicht so viel Salz, wo du eh schon so hohen Blutdruck hast! Der streut sich immer noch extra Salz aufs Essen, wo er doch so hohen Blutdruck hat.

Als Relativadverb kann es in Nichtstandard-Varietäten, besonders im Süddeutschen, für unterschiedlichste im Standardfall präpositional kodierte Relationen eintreten (112a) und schließlich auch als universale „Relativpartikel“ zusammen mit einem Relativpronomen (112b, c) oder allein (112d) an Kasuskomplemente anschließen. (Zu Verwendungen als Relativpartikel vgl. Pittner 2004, Murelli 2009.) (112a)

(112b) (112c)

(112d)

Die Seeliger ist auch jemand, wo ich mich wundere, warum ich ihr nicht schon frueher ueber den Weg gelaufen bin und wo ich seitdem regelmaessig denke, frueher war das Netz fuer mich irgendwie ein angenehmerer Ort. (http://blog.pantoffelpunk.de/oeko-terror/welches-gruene-wahlplakatfindet-ihr-am-besten) Westerwelle und die FDP: Einer, der wo den Durchblick hat. (http://www. sueddeutsche.de/politik/218/499495/text/) Der beste Musiksender den wo ich kenne ist derzeit das tschechische Óčko (gesprochen Otschko). (http://gluehwein.junkies.ws/2005/11/17/der-bestemusiksender-den-wo-ich-kenne/) Der massagehai ist das beste wo ich bis jetzt hatte. (www.beste-collection. de/…/product_reviews_info.php?)

Da ist als Subjunktor im Gegenwartsdeutschen nur noch in kausaler Bedeutung gebräuchlich (s. C4.2.3.1.1.1.2.). Auch die aus der temporalen Bedeutung ableitbare adversative Verwendung, die der noch heute gebräuchlichen analogen Polysemie von während und indessen an die Seite gestellt werden kann, ist nicht mehr üblich. (113)

Die Berge sind hier meistens mit schönen Buchen bewachsen, da sie an der Mur fast durchweg mit Schwarzwald bedeckt sind. (Seume; nach Paul 1981: 121)

314

C Semantische Konnektorenklassen

1.3.1.5 Der unspezifische Adverbkonnektor da Im Unterschied zu seiner Verwendung als Subjunktor ist da in der Verwendung als Adverbkonnektor auch im Gegenwartsdeutschen semantisch extrem unspezifisch und kann als „Allerweltsproform“ (Altmann 1981: 241) Adverbialia der unterschiedlichsten semantischen Klassen anaphorisch aufgreifen. Diese Funktion kommt insbesondere in Linksversetzungskonstruktionen zum Tragen. Da kann außer lokalen, direktionalen und temporalen Adverbialia beispielsweise auch instrumentale, komitative, negativ-komitative, finale, konditionale, kausale, rahmensetzende (limitierende) und substitutive Adverbialia wiederaufgreifen (vgl. auch Altmann 1981: 362 ff.).  

In München, da steht das Hofbräuhaus. Nach München, da fahren wir immer besonders gern. Am Sonntag, da haben sie was Besseres vor. Mit unserem kleinen gelben Wagen, da fährt Grünlich morgens zur Stadt. (114e-KOMIT) Mit dem Kerl, da wirst du noch dein blaues Wunder erleben. (114f-Neg-KOM) Ohne sein Navigationsgerät, da ist Hans aufgeschmissen. (114g-FINAL) Zum Wandern, da nehm ich immer die Stöcke. (114h-KOND) Bei schönem Wetter, da fahren wir ins Gebirge. (114i-KAUS) Wegen dem bisschen Schnupfen, da brauchst du doch nicht zum Arzt! (114j-LIM) Medizinisch, da ist Hans ein Laie. (114k-SUBST) Statt der Jungs, da dürfen jetzt mal die Mädchen an die Werkbank.

(114a-LOK) (114b-DIR) (114c-TEMP) (114d-INSTR)

Diese unspezifische anaphorische Funktion von da erfassen am besten Beschreibungen als „Situations-Adverb“ mit Bezug auf die „Gesprächssituation“ (Weinrich 1993: 557) oder „Topiksituations-Proform“ (Salfner 2006 und Salfner/Salfner 2011). Als Topiksituation gilt dabei die Diskurssituation, vor deren Hintergrund die Trägersatzproposition interpretiert werden muss; sie hat also eine Art Rahmenfunktion. Diese Situation kann auch komplex sein; da kann sich also auf umfangreichere Textpassagen beziehen. (115)

(116)

Auf dem Bahnhof von Biarritz jedoch, im Smalltalk mit dem jungen Mann, im vollen Wartesaal in der dunklen Ecke, da beginnt ein Leuchten. (Bsp. nach Salfner/Salfner 2011) Er bekam hohes Fieber, das in den ersten Tagen von Ausschwitzungen begleitet war und später, als genügten die Poren der Haut nicht mehr, unzählige Pusteln erzeugt, Grenouilles Körper war übersät von diesen roten Bläschen. Viele von ihnen platzten auf und ergossen ihren wässrigen Inhalt, um sich dann wieder von neuem zu füllen. Andere wuchsen sich zu wahren Furunkeln aus, schwollen dick rot an und rissen wie Krater auf und spien

C1 Temporale Konnektoren

315

dickflüssigen Eiter aus und mit gelben Schlieren durchsetztes Blut, Nach einer Weile sah Grenouille aus wie ein von innen gesteinigter Märtyrer, aus hundert Wunden schwärend. Da machte sich Baldini natürlich Sorgen. (Süskind, Parfum, S. 130)  

Paul (1981: 121) paraphrasiert das nicht-räumliche da als „unter diesen Umständen“. Nach Salfner (2006) und Salfner/Salfner (2011) sind Linksversetzungskonstruktionen mit da auf rahmensetzende Adverbialia beschränkt, was z. B. konzessive Adverbialia ausschließt.  

(114l-KONZ)

*Trotz der Finanzkrise, da geben die Leute Geld ohne Ende aus.

Allerdings wird man kaum alle in (114a) bis (114k) auftretenden Adverbialia der Klasse der rahmensetzenden Adverbialia (im Sinne der „Framesetters“, vgl. z. B. Pittner 1999) zuordnen wollen. Die Restriktion auf Rahmensetzung kann überdies kaum erklären, weshalb unter den temporalen Adverbialia die durativen und iterativen sich schlecht mit da wiederaufnehmen lassen. Gemeinsam ist den Adverbialia in (114a–p) aber, dass sie nicht fokal sind.  

(114m-DUR) (114n-DUR) (114o-FREQ) (114p-FREQ)

*Eine Woche lang, da war Hans krank. *Solange das Wetter schön bleibt, da arbeite ich im Garten. *Drei mal die Woche, da geht Hans ins Fitness-Studio. ?Sooft es geht, da arbeite ich im Garten.

In der Funktion als (anaphorisches) Zeitpunkt spezifizierender temporaler Adverbkonnektor ist da unspezifisch in Bezug auf die zeitliche Relationierung. Anders als in Hennig (2007: 130) beschrieben, ist es keineswegs ein „Indikator für temporalen Ikonismus“ und Sequenzmarkierer, sondern kann genauso gut Koinzidenz der verknüpften Sachverhalte zum Ausdruck bringen. Genau darin unterscheidet es sich auch von dann (vgl. auch Ehrich 1992: 125). Koinzidenz (117) Ich habe mir mal den Arm gebrochen. Da/*dann war ich zehn. (Bsp. aus Ehrich 1992: 126) (118) Als Kaiser Rotbart lobesam Zum Heilgen Land gezogen kam, Da musst er mit dem frommen Heer Durch ein Gebirge wüst und leer. (Ludwig Uhland, Schwäbische Kunde) (119) Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege saß und allein noch wachte, wie die Türe aufging und die rechte Königin hereintrat. (GRI/KHM, Grimm, Sagen, S. 101)  

316

C Semantische Konnektorenklassen

Sequenz (120) Und als er vor dem Türlein war, klopfte er an und rief: „Lieb Schwesterlein, laß mich herein.“ Da ging die Tür auf, und der König trat herein, und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keins gesehen hatte. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 98) (121) „Morgen abend dürfen Sie Ihr Gritli sehen“, versprach der Kommissär hilflos. „Das Kind wird dann aussehen, als ob es schliefe.“ Da begann plötzlich die Frau zu sprechen. (Dürrenmatt, Versprechen, S. 28)  



In der Sequenz-Bedeutung ist da auf unmittelbare zeitliche Aufeinanderfolge von zwei Sachverhalten beschränkt. Daraus kann wie bei als pragmatisch ein Effekt von Ursache – Folge, also eine kausale Lesart abgeleitet werden, die sich bei dann nicht einstellen muss. So muss man in (122a) Marias Lachen als Reaktion auf Ernas Singen interpretieren, während man in (122b) keinen solchen Kausalzusammenhang annehmen muss. (122a) (122b)

Erna begann zu singen. Da fing Maria zu lachen an. Erna begann zu singen. Dann fing Maria zu lachen an.

In Bezug auf die aspektuelle Charakteristik der Konnekte ist da ebenfalls unspezifisch. Bei Sequenzinterpretationen tritt entweder ein telisches Prädikat im Bezugskonnekt auf oder es wird telisch interpretiert. (123)

Gerade erst sind die Wahllokale geschlossen, ist die letzte mit Westprominenz als Hoffnungsträger bestückte Großkundgebung beendet worden, da will Bonn zum 1. Juli das Notaufnahmeverfahren für Übersiedler abschaffen, beschließt das Saarland (wie zuvor schon Bremen) gar den sofortigen Aufnahmestopp. (Frankfurter Rundschau, 21.03.1990, S. 3)  



Bei Koinzidenz-Interpretation kann auch ein atelisches Prädikat auftreten. Auch progressiver Aspekt ist möglich; in diesem Fall kann da die gleiche „inzidierende“ Funktion haben wie das postponierende als (s. C1.3.1.2.) Diese Funktion kommt auch in narrativen Texten zum Tragen, in denen mit da oder und da eine unerwartete Wendung eingeleitet wird. (124)

(125)

Paulinchen war allein zu Haus, die Eltern waren beide aus. Als sie nun durch das Zimmer sprang, mit leichtem Mut und Sing und Sang, da sah sie plötzlich vor sich stehn ein Feuerzeug, nett anzusehn. (Hoffmann, Struwwelpeter) Mit einem Ruck stand Terrier auf und setzte den Korb auf den Tisch. Er wollte das Ding loshaben, möglichst schnell, möglichst gleich, möglichst sofort. Und da begann es zu schreien. (PFE/BRD.AV004, S. 24)  

C1 Temporale Konnektoren

317

1.3.1.6 Der Subjunktor wenn Der Subjunktor wenn zeichnet sich ähnlich wie als und wie durch ein hohes Maß an kontextueller semantischer Variabilität und wenig spezifische Eigenbedeutung aus (vgl. Fabricius-Hansen/Sæbø 1983: 31). Als Konnektor tritt er in temporaler und konditionaler Bedeutung auf, seltener wird er kausal (‚faktisches‘ wenn, s. C.4.1.3.1.4) und noch seltener adversativ verwendet; in der Kombination mit Fokuspartikeln ist er an der Bildung von konzessiven und irrelevanzkonditionalen Subjunktoren beteiligt (wenngleich, wenn schon, wenn auch, auch wenn, selbst wenn, sogar wenn; s. C4.3.5.2 und C4.4.3.3). Daneben kann wenn aber auch Komplementsätze einleiten, eine Eigenschaft, die unter den adverbialbildenden Subjunktoren wiederum nur als und wie teilen (s. C1.2.3, C4.1.1.3.6.2). Ursprünglich temporal (aus dem ahd. Temporaladverb hwanne = ‚wann‘) muss für wenn synchron die konditionale Bedeutung als die dominante und allgemeinere angesehen werden, aus der die anderen Verwendungen ableitbar sind und von der sie immer Spuren enthalten (vgl. Diessel 1996, GDS: 2282, Pittner 1999: 230, Volodina 2006: 360). Wenn tritt in den folgenden Verwendungen auf: (126a) (126b) (126c) (126d) (126e) (127a) (127b) (127c) (127d) (128a) (128b) (128c)

(128d) (128e)

Wenn der Zug pünktlich ist, können wir noch ins Konzert gehen. Wenn der Zug später käme, würde ich den Anschluss verpassen. Wenn der Zug pünktlich gewesen wäre, hätte ich den Anschluss noch gekriegt. Wenn du den Anschluss noch gekriegt hast, dann war der Zug pünktlich. Wenn du mich fragst, die hat von Semantik keinen blassen Schimmer. Wenn man Wasser auf 100 Grad erhitzt, verdampft es. Wenn der Zug auch nur 2 Minuten Verspätung hatte, verpasste ich regelmäßig den Anschluss. Wenn es dunkel wird, beginnt im Ramadan das Fastenbrechen. Wenn Hans heute abend nach Hause kommt, wartet eine Überraschung auf ihn. Mir wäre lieb, wenn du schon um drei Uhr hier sein könntest. Ich bedaure es, wenn meine Äußerungen zu Missverständnissen geführt haben. Wenn Goethe schreibt „Werthern liebt Lotte“ – Wer liebt dann wen? „Das Akkusativ-n zeigt an, dass es Lotte ist, die Werther liebt, doch das versteht heute kaum jemand mehr.“ (http://www.bild-der-wissenschaft.de/ bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php/?object_id=32158064) Wenn du das nicht machst, wo du so viel freie Zeit hast, dann muss ich das eben übernehmen. Wenn früher jedes Kind zum ‚kritischen Denken‘ erzogen werden sollte, ist heutzutage der leistungsbereite und flexible Optimist gefragt. (http://www. hof.uni-halle.de/journal/texte/05_1/Lischka_Rez_Below.pdf)  

318

C Semantische Konnektorenklassen

Die Verwendungen unter (126) werden gemeinhin als Konditional eingestuft; bei (126d) liegt eine Relation auf der epistemischen Ebene vor (s. A4.4), (126e) repräsentiert die sogenannten „Relevanzkonditionale“ und ist eine Verknüpfung auf der Sprechaktebene. Konditionale Verwendungen von wenn werden in C4.1.3.1.1 behandelt. Bei den Verwendungen unter (127) ist eine temporale Interpretation möglich, bei (127a) und (127d) ist sie aber nicht die einzige Interpretation. (127a) macht eine zeitunabhängige Aussage vom Typ der generischen Sätze (s. A4.5). (127d) kann – je nach Situationskontext, den man sich dazu vorstellt – rein konditional interpretiert werden (wenn denkbar ist, dass Hans überhaupt nicht nach Hause kommt). Unter (128) finden sich zum einen die Komplementsatzfunktion von wenn-Phrasen (128a, b), zum anderen die sogenannten „faktischen“ Verwendungen (128c–e). (128d) wird oft als kausal klassifiziert. (128e) ist adversativ vom Typ des kontrastiven Vergleichs, eine Verwendung die im Gegenwartsdeutschen auffälliger und seltener ist als die Variante mit Verberstsatz. Exkurs: Wenn an der Nahtstelle zwischen Komplement- und Supplementsystem In seiner besonderen Nähe zum System der Komplementsätze hat wenn einen Sonderstatus unter den Subjunktoren. Es teilt eine Reihe von Eigenschaften mit den Komplementierern dass und ob. a) die Bildung von Komplementsätzen b) die Bildung selbständiger Verbletztsätze mit eigenem Satzmoduspotential c) die Existenz von subjunktorlosen Verberstsatz-Varianten (i) Komplementsatzbildung Als Einleiter von Komplementsätzen ist wenn hybrid, insofern die wenn-Phrase einerseits eine Komplementstelle eines ungesättigten Valenzträgers füllt, andererseits die adverbialtypische autosemantisch kodierte konditionale oder temporale Bedeutung auch in dieser Funktion zum Tragen kommt (vgl. Fabricius-Hansen 1980, Metschkowa-Atanassowa 1983, Breindl 1989: 255 ff., Oppenrieder 1991: 264 ff., GDS: 2288 ff., Eisenberg 2004: 344 ff.). Wenn-Phrasen können als Subjekt (129a), Akkusativ- (129b) und Präpositivkomplement (129c) fungieren.19 Semantisch füllen sie das gleiche Spektrum wie adverbiale wenn-Phrasen: konditionalgenerisch (130a), konditional-hypothetisch (130b), konditional-kontrafaktisch (130c), faktisch-singulär (130d) und eben auch (faktisch) temporal (130e).  



(129a)

(129b)





Am besten ist es also, wenn man sich im Falle eines Falles an einen anerkannten Schädlingsbekämpfer oder Kammerjäger wendet. (WPD/SSS, Schädlingsbekämpfung, Wikipedia 2005) (Subjekt) Wie denken Sie über Lehrer? Als Kabarettist bedauere ich es schon, wenn sie zur Witzfigur der Nation erhoben werden. (die tageszeitung, 07.05.2003, S. 14) (Akkusativkomplement)  

19 Inwieweit bei solchen wenn-Sätzen eine Klassifikation als Komplement zwingend ist und welchen syntaktischen Status die im Zusammenhang damit auftretenden Korrelate es, so und dann haben, ist umstritten. Seit Blatz (1970: 1021) weisen Arbeiten immer wieder auf einen Bastardstatus dieser Sätze hin. Für Pro- und Contra-Argumente und eine Differenzierung verschiedener „ergänzender wennSätze“ vgl. Fabricius-Hansen (1980), Breindl (1989: 255 f.), GDS (2289).  

C1 Temporale Konnektoren

(129c)

319

Deshalb ist die Krankenhausleitung schon froh, wenn der Parkplatz am Ende nicht zum Zuschussgeschäft wird. (Rheinzeitung, 17.11.1999, o. S.) (Präpositivkomplement)  

(130a) (130b) (130c) (130d) (130e)

Katzen genießen es, wenn man sie hinter den Ohren krault. Mir wäre lieb, wenn du schon um drei Uhr da sein könntest. Es wäre gut gewesen, wenn du einen Zug früher genommen hättest. Es ist eine Frechheit, wenn die Bank jetzt pro Überweisung einen Euro von mir verlangt. Die Katze genoss es immer sehr, wenn man sie hinterm Ohr kraulte.

Es liegt die bei allen Komplementen gegebene Selektionsbeziehung zwischen regierendem Prädikat und Form des Komplements vor: „Ergänzende“ wenn-Phrasen können nur unter faktive Prädikate und Präferenzprädikate wie (131) eingebettet werden, die bei Einbettung eines dass-Satzes dessen Wahrheit präsupponieren (s. C.4.1.1.3.6.2). (131a) (131b) (131c) (131d)

Ich {bedaure/begrüße/liebe/verstehe/verüble/verurteile} (es), wenn … Mir {gefällt/missfällt} (es)/mich {freut/betrübt/erschreckt/entsetzt} (es), wenn … Ich bin {froh/wütend/stolz/dankbar/betrübt/erstaunt}, wenn … Es ist/Ich finde es {gut/fein/furchtbar/schön/bedauerlich}, wenn …

Diese Präsupposition ist in den obigen Beispielen mit wenn nicht gegeben und der konditionale „Unbestimmtheitsfaktor“ (Hartung 1964: 371) schlägt in der Bedeutung dieser Verknüpfungen durch. (130a) ist also zu paraphrasieren: Wenn die Situation eintritt, dass eine Katze hinterm Ohr gekrault wird, dann führt diese Tatsache bei der Katze zu einer Genussreaktion. In (130d) und (130e) ist die wenn-Phrase faktisch; anders als bei dass-Sätzen in dieser Umgebung geht Faktizität hier aber nicht auf das Konto der lexikalischen Bedeutung des Komplementsatzeinleiters, sondern ist Ergebnis einer durch den Kontext (hier: Faktizität induzierendes jetzt in (130d), Vergangenheitstempus in (130e) erzeugten Implikatur. Die Bedeutungsparaphrase von (130a) wäre also für (130e) zu erweitern durch etwas wie ‚und es gibt Indizien dafür, dass die Katze hinterm Ohr gekrault wurde‘. (ii) Bildung selbständiger Verbletztsätze Als Einleiter von Wunschsätzen bildet wenn illokutiv selbständige Verbletztsätze von eigenständigem Satzmodustyp, in denen spezifische Modalpartikeln auftreten. Diese Eigenschaft teilt wenn mit den Komplementierern dass (Dass dich doch der Teufel hole! Dass du mir JA die Finger davon lässt!) und ob (Ob sie das wohl weiß?) und den interrogativen w-Pronomina und w-Adverbien, die Exklamative bilden (Wie du bloß wieder AUSsiehst! Wo der sich nur immer rumtreibt!) Unter den Subjunktoren ist wenn dagegen der einzige mit dem Potential, selbständige Verbletztsätze zu bilden (s. C4.1.1.3.6.3). Für all diese Verbletztsätze gilt, dass sie – schon wegen der in diesen Sätzen auftretenden Modalpartikeln – nicht als Matrixsatz-Ellipsen rekonstruiert werden können. (Zu Wunschsätzen vgl. Scholz 1991, Altmann 1993, Grosz 2013). (132a) (132b)

Wenn doch bloß schon Ferien wären! *Ich fände es prima, wenn doch bloß schon Ferien wären.

(iii) Existenz von uneingeleiteten Verberstsatz-Varianten Subjunktorphrasen mit wenn haben in einer ganzen Reihe von Verwendungsweisen auch subjunktorlose Verberstsatz-Varianten (V1) (s. auch C4.1.1.3.1): Diese decken konditional-generische (133a), konditional-hypothetische (133b), konditional-kontrafaktische (133c), temporale (133d), konditionaltemporal ambige (133e), konzessive (133 f), irrelevanzkonditionale (133g) und adversative (133h) wenn-Lesarten vom Typ des kontrastiven Vergleichs ab. Eine V1-Variante haben auch epistemische wenn-Konditionale (133i).  

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(133a) (133b) (133c) (133d)

C Semantische Konnektorenklassen

Erhitzt man Wasser auf 100 Grad, kocht es. Käme der Zug später an, würde ich den Anschluss verpassen. Wäre der Zug nicht verspätet gewesen, hätte ich den Anschluss noch gekriegt. Noch bis zum Sonntag heißt es für Muslime täglich vom Sonnenaufgang an Verzicht zu üben. Wird es dunkel, beginnt das Fastenbrechen. Am Montag wird mit dem Zuckerfest der Ramadan beendet. (Braunschweiger Zeitung, 21.10.2006, o. S.) Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht. Nur soviel kann als sicher gelten: War er auch kein Kolorist wie seine bewunderten Vorbilder Rubens und Tizian, so stellte er doch die Farbe über das Disegno. (Frankfurter Allgemeine, 22.03.1999, o. S.) Bei solchen Gags – und seien sie noch so plump – tobt das Publikum. Erweist sich einerseits eine solche Reduktion forschungspraktisch als durchaus sinnvoll und notwendig, birgt sie andererseits jedoch die Gefahr, dass interne Kategorienstrukturen nicht ersichtlich werden. (Elsen & Michel: Wortbildung, S. 165) Sind sie zu stark, bist du zu schwach. (Werbespruch für Pfefferminzbonbons)  

(133e) (133f)



(133g) (133h)



(133i)

Andererseits lassen wiederum nicht alle wenn-Verwendungen V1-Varianten zu. Keine V1-Variante haben sog. faktische wenn-Phrasen (134a), wenn-Phrasen in Komplementfunktion, insbesondere bei Nachstellung (134b, c), und wenn-Phrasen mit Sprachaktbezug, die sogenannten Relevanzkonditionale (134d). (134a) (134b) (134b’) (134c) (134c’) (134e)

*Bist du schon so erkältet, dann zieh wenigstens eine Jacke an. *Ich bedaure es, haben meine Äußerungen zu Missverständnissen geführt. ?Haben meine Äußerungen zu Missverständnissen geführt, bedaure ich es/das. *Es ist besser, gehst du jetzt. ?Gehst du jetzt, ist es/das besser. *Fragst du mich, die hat von Semantik keinen blassen Schimmer.

Reis/Wöllstein (2010) sehen die Restriktionen in der Austauschbarkeit von wenn-Phrasen durch V1Sätze ausschließlich semantisch begründet. V1-Gefüge seien auf den Ausdruck von Bedingung-FolgeNT EZEDENS offen sei und die Relationen beschränkt (vgl. ebd. 127), in denen die Wahrheit des A NTEZEDENS ONSEQUENS QUENS von der Wahrheit des A NTEZEDENS abhänge, wobei eine Verwandtschaft mit Wahrheit des K ONSE den selbständigen interrogativen V1-Sätzen vorliege (vgl. dazu schon Behaghel 1928: 636, 649 f.). Diese Bedingung kann allerdings nicht alle V1-Varianten zu wenn-Phrasen abdecken, denn bereits für ONSE QUENS unabhängig von der des A NT EZEDENS die Irrelevanzkonditionale gilt, dass die Wahrheit des K ONSEQUENS assertiert wird. Faktisches A NTEZEDENS haben adversative und temporale wenn-Verknüpfungen (auf die temporalen gehen Reis/Wöllstein (2010) nicht ein). Die V1-Variante zu den adversativen stellen die Autorinnen an die Seite einer faktischen‚ ‚deklarativen‘ Nebenbedeutung von V1-Sätzen, wie sie in selbständigen narrativen V1-Deklarativsätzen des Typs Kommt ein Mann in eine Kneipe. Bestellt ein Bier. zum Tragen kommt. Zu denken ist in diesem Zusammenhang aber auch an weitere faktische Verwendungen von V1-Sätzen: als selbständige Exklamative wie in (135a, b) und eine weitere „adverbiale“ V1-Verwendung, die begründend-kausale, die mit obligatorischem doch auftritt (s. C4.2.1.3.1).  

(135a) (135b) (135c)

Frisst der mir (doch) glatt den ganzen Kirschkuchen weg. Hat der alte Hexenmeister sich doch endlich weg begeben! (Goethe, Zauberlehrling) So wurde sie zum Brotbaum des Försters, brachte sie doch höheren Gewinn als die Buche. (Dörfler/Dörfler, Natur, S. 44)  

Angesichts des auch sprachhistorisch belegten Vorkommens von V1-Sätzen in faktischen (deklarativen, exklamativen) wie nicht-faktischen (interrogativen, imperativischen) Zusammenhängen, scheint

C1 Temporale Konnektoren

321

damit die Möglichkeit einer monokausalen semantische Herleitung sämtlicher adverbialen V1-Sätze eher unwahrscheinlich.

Die „Polysemie“ von wenn, insbesondere die Unterscheidung einer konditionalen (durch die Ersetzung mit falls monosemierbaren) von einer temporalen (durch Ersetzung mit sobald monosemierbaren) Verwendung, wird in Grammatiken und in Abhandlungen für den Bereich Deutsch als Fremdsprache notorisch als Abgrenzungsproblem dargestellt (Heidolph et al. 1981: 796, Metschkowa-Atanassowa 1983: 11, Eisenberg 1989: 361, Buscha 1989: 132, Pasch 1994: 42 ff., Diessel 1996: 49, GDS: 2282 ff., Pittner 1999: 230 ff., Lohnstein 2004: 145). Die Relevanz, konditionales und temporales wenn zu unterscheiden, wird dabei vor allem aus der Kontrastierung mit anderen, hier lexikalisch differenzierenden Sprachen begründet (engl. if vs. when; lat. si vs. cum und entsprechend in den romanischen Sprachen frz. si vs. quand, ital. se vs. quando, span. si vs. cuando) (vgl. ferner zum Dänischen und Norwegischen FabriciusHansen/Sæbø 1983, zum Portugiesischen Blühdorn 2005, zum Bulgarischen Stojanova-Jovčeva 1978). Eine Klassifikation der verschiedenen Verwendungsweisen von wenn kann mit Hilfe dreier Merkmalsoppositionen erfolgen (vgl. auch Herweg 1990, GDS, Volodina 2006): a) der Opposition faktisch interpretierbar vs. non-faktisch b) der Opposition singulär vs. nicht-singulär (generisch oder iterativ) c) der Situierung der verknüpften Sachverhalte in Bezug auf den Sprechzeitpunkt: Gegenwartsbezug, Zukunftsbezug, Vergangenheitsbezug  







Mit diesen Merkmalen können die in den Beispielen (126) bis (128) illustrierten konditionalen, temporalen und faktischen Verwendungen unterschieden bzw. der Bereich definiert werden, in dem konditionale und temporale Bedeutung nicht zu trennen sind, und es kann die Position von wenn im Paradigma der neutral situierenden Subjunktoren (als und wie) bestimmt werden. Der entscheidende Unterschied zwischen temporalen und konditionalen Lesarten von wenn-Verknüpfungen liegt darin, dass nur bei konditionalen auch das NichtZutreffen des im A NTEZEDENS genannten Sachverhalts in der Gesprächssituation in Frage kommt, wahrscheinlich ist („hypothetische“ Konditionale) oder feststeht (kontrafaktische Konditionale). Bei temporalen und faktischen Verknüpfungen stellt sich NTEZEDENS EZEDENS genannte Sachverhalt auch nicht zutreffen die Frage gar nicht, ob der im A NT könnte. Dass es dabei auch eine Restmenge von Belegen gibt, die nicht eindeutig zuordenbar sind, hat mit der Uneindeutigkeit der sprachlichen Kodierung der Dimension Faktivität zu tun. Geht man davon aus, dass a) wenn in seiner lexikalischen Bedeutung den Faktivitätsstatus des A NTEZEDENS nicht festlegt und

322

b)

C Semantische Konnektorenklassen

wenn nicht selbst polysem ist, sondern eine einheitliche lexikalische Bedeutung hat, die man in etwa mit der GDS (2282) so beschreiben kann. Mit p, wenn q wird ausgesagt, dass eine Situation q, in der auch p gilt, im aktuellen Diskurs wahrscheinlicher ist als eine Situation q, in der p nicht gilt,

dann ergeben sich die temporale und die in den Beispielen unter (128) als „faktisch“ bezeichneten Lesarten schlicht als Folge einer durch den Kontext und den Inhalt des NTEZEDENS EZEDENS induzierten Interpretation des Hörers, dass der im A NTEZEDENS genannte A NT Sachverhalt mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft und sein Nicht-Zutreffens im aktuellen Diskurskontext gar nicht in Frage kommt. Für Faktizität und Kontrafaktizität gibt es einige lexikalische und strukturelle Indikatoren (s. A4.2), es bleiben aber auch Fälle ohne jegliche sprachliche Hinweise wie z. B. (127d). Im Hinblick auf solche Fälle stellt Eisenberg (1989: 361) zurecht den Sinn des traditionellen Ringens von Grammatiken um eine eindeutige Unterscheidung in Frage. Konditionale wenn-Verknüpfungen sind in Bezug auf die Opposition singulär vs. nicht-singulär neutral. Als „unmarkierter Fall“ gilt in der GDS (2283) das generische hypothetische Konditional, bei dem für alle Situationen vom Typ des A NTEZEDENS die im K ONSEQUENS bezeichnete Folge ausgesagt wird und das Zutreffen des A NTEZEDENS offen ist. Da hier keine Aussage über ein spezifisches Paar von Situationen gemacht wird, bezeichnen solche generischen Konditionale wie (127a) oder (135) zeitübergreifende Sachverhalte. Singuläre Konditionale wie (126a–d) oder (136) machen dagegen eine Aussage über eine ganz bestimmte Situation.  

(135)

Schon Horaz war der Ansicht, daß Natur selbst dann zurückkommt, wenn man sie mit der Mistforke austreibt. (LES/ESS, Lenz, Natur, S. 131) Schluß für heute, grüß meine Nella, wenn Du sie siehst! (DIV/GAW, Grisebach, Frau, S. 294)  

(136)



Was die Situierung gegenüber dem Sprechzeitpunkt betrifft, so sind die meisten Konditionalverknüpfungen zukunftsbezogen. Das scheint insofern logisch, als über das Eintreten von Sachverhalten in der Zukunft der Sprecher ja in der Regel keine Gewissheit hat. Konditionalverknüpfungen können jedoch durchaus auch zwischen Sachverhalten bestehen, die vom Sprechzeitpunkt aus in der Vergangenheit liegen. Das zeigen zweifelsfrei entsprechende Belege mit falls, für das eine temporale Interpretation von vorneherein ausscheidet. (137)

Jeder Anruf auf das Quartiertelefon in Rotmonten kostete 70 Rappen – falls die Verbindung zustande kam. (St. Galler Tagblatt, 17.01.2009, S. 35) Den Thurgauern gelang offensiv nahezu nichts und falls doch, was selten genug vorkam, dann übertrafen sie sich im Auslassen dieser Chancen. (St. Galler Tagblatt, 04.02.2009, S. 42)  

(138)





323

C1 Temporale Konnektoren

Temporale wenn-Verknüpfungen sind in Bezug auf die Oppositionen singulär vs. nichtsingulär und die Situierung gegenüber dem Sprechzeitpunkt eingeschränkter als konditionale. Die Restriktionen haben dabei die Form von Merkmalskombinationen: iterativ temporale können uneingeschränkt Zukunfts- (139) und Vergangenheitsbezug haben (140) – Gegenwartsbezug auf den unmittelbaren Sprechzeitpunkt ist bei iterativen und generischen Aussagen schlecht möglich –, singulär temporale sind auf Zukunftsbezug beschränkt (141). Die Kodierung von singulär temporalen Verknüpfungen mit Vergangenheitsbezug ist die Domäne von als. Der unmittelbare Bezug zum Sprechzeitpunkt bei singulären Aussagen ist wiederum die Domäne von wie, das aber auch den Bereich von als abdecken kann. Damit ergibt sich die in Tab. C1-5 gezeigte Funktionsverteilung der drei temporal unspezifisch situierenden Temporalsubjunktoren. (139)

Falls alles mit rechten Dingen zugeht, werden wohl einige Medaillen in Australien bleiben, wenn demnächst olympisch geschwommen wird. (St. Galler Tagblatt, 16.09.2000, o. S.) Ich ließ sie jedoch vorläufig im Haus wohnen und drückte beide Augen zu, wenn sie Geklautes heimbrachten. (DIV/GAJ, Grisebach, Frau, S. 338) {*Wenn/Als} er am letzten Dienstag plötzlich Geklautes heimbrachte, drückte ich beide Augen zu. Wenn du einmal Geklautes heimbringst, drücke ich beide Augen zu.  

(140)



(141a) (141b)

Tab. C1-5: Funktionale Verteilung der Temporalsubjunktoren wie, als, wenn singulär R,S

RS

RS

wenn

Dafür, ob eine gegebene wenn-Verknüpfung eher temporal oder eher konditional zu interpretieren ist, gibt es eine Reihe von sprachlichen Indikatoren, von denen die meisten aber eher probabilistischen Status haben und keine grammatischen Regeln sind. Diese Mittel werden hier grob sortiert in „Nonfaktizitätsindikatoren“, die eine konditionale Lesart fördern, und Faktizitätsindikatoren, die eine temporale Lesart fördern (s. auch C.4.1.2.2.1). (i) Nonfaktizitätsindikatoren Nach Helbig (1972: 286) ist konjunktivischer Verbmodus in internen Konnekt ein Garant für konditionale Interpretation. Damit kann man jedoch allenfalls hypothetische und kontrafaktische ausfiltern, kann aber die indikativischen nicht unterscheiden. Konjunktiv Plusquamperfekt (als Signal für Kontrafaktizität) und sollte(n) im internen Konnekt sind dagegen eindeutige Merkmale für konditionale Lesart.

324

(142)

C Semantische Konnektorenklassen

Und wenn er die Reise überlebte, würde er sich ein kleines Häuschen auf dem Lande bei Messina kaufen, wo es billig war. (Süskind, Parfum, S. 84) Wenn die NPD eine lammfromme demokratische Partei werden sollte, wäre das auch ein Erfolg. (Berliner Zeitung, 01.02.2001, S. 8) Wenn auch noch Zinedine Zidane mit dem Fuß getroffen hätte, wäre der Erfolg von adidas perfekt gewesen. (Berliner Zeitung, 15.07.1998, S. 29)  

(143)



(144)



Andererseits können auch in temporalen wenn-Gefügen Konjunktive in Indirektheitskontexten auftreten oder die gesamte Verknüpfung in einen hypothetischen Kontext eingebettet sein (s. A4.5.3). (145)

(146)

Ich wollte den Weg über Österreich und den Rhein nehmen, den ich kannte, und sie anrufen, wenn ich Zürich erreicht hätte. (Remarque, Lissabon; Bsp. aus Metschkowa-Atanassowa 1983: 87) Im Grunde vernunftbegabte Wesen, waren beide überzeugt, der Verein verlöre stets dann, wenn sie im Stadion wären. (die tageszeitung, 15.04.2004, S. 1)  

Ein Signal für Nonfaktizität und damit für Konditionalität ist die Thematisierung der Geltung des A NTEZEDENS -Sachverhalts durch Ausdrücke der Geltungseinschränkung oder -graduierung im internen Konnekt oder die explizite Thematisierung der Alternative. (147)

Das nächste Ziel heißt Aufstieg in die Zweite Liga, wenn irgend möglich noch in dieser Saison. (Hamburger Morgenpost, 06.03.2007, S. 25) Wenn überhaupt, dann verdient der Fiskus an den steigenden Preisen. (Mannheimer Morgen, 03.08.2007, o. S.) Für Dieter Gutzler, den Spielertrainer des Fußball-Landesligisten FC Meisenheim, hat die Sonntags-Partie beim TuS Hoppstädten richtungsweisenden Charakter – wenn sie denn stattfindet. (Rheinzeitung, 01.03.1996, o. S.) Denn tatsächlich gewählt werden kann er nur, wenn die Zustimmung der Menschen zu Köhler entweder die SPD doch noch zum Verzicht auf eine Gegenkandidatin bewegt (womit allerdings kaum noch zu rechnen ist) oder wenn Vertreter anderer Parteien sich dem Druck aus dem Volk beugen, das nun mal angeblich Köhler will. (Die Zeit, 29.05.2008, o. S.)  

(148)



(149)



(150)



Konditionale Lesart erzwingt ferner die Fokussierung des Subjunktors selbst, da auf diese Weise wie beim Verum-Fokus die Geltung des A NTEZEDENS vor der Alternative der Nicht-Geltung fokussiert wird. (151)

A: Morgen wird’s wahrscheinlich nicht regnen; der Wetterbericht hat schönes Wetter angekündigt. B: Ja, aber WENN es regnet, was machen wir dann?

C1 Temporale Konnektoren

325

(ii) Faktizitätsindikatoren Iterative Temporaladverbialia können auf iterative temporale Lesart, positionelle Temporaladverbialia auf singuläre temporale Lesart hindeuten, insofern sie ein Hinweis darauf sein können, dass der Sprechers zum Sprechzeitpunkt weiß, dass der im NTEZEDENS EZEDENS genannten Sachverhalts zu einem bestimmten, im Temporaladverb beA NT zeichneten Zeitpunkt, der Fall ist. Sie sind jedoch kein Garant für eine temporale Lesart, da sie auch in einem A NTEZEDENS auftreten können, dessen Realisierung zum Sprechzeitpunkt offen ist (s. (155a) vs. (155b)). (152)

Wenn Brüssel Agrar-Subventionen ausschüttet, war stets der Bund Adressat, der das Geld wiederum an die Länder verteilte. (Hamburger Morgenpost, 18.10.2006, S. 5) Vielleicht geht Magda nur so oft zu ihm, weil auch sie ihm gern zuhört, wenn er von seinem Dorf erzählt. (LES/EPL, Lenz, Exerzierplatz, S. 46) Gelegenheit dazu wird demnächst sein, wenn der Friedensnobelpreisträger Dalai Lama auf Initiative Harrers nach Graz kommt, um in der steirischen Hauptstadt ein tibetisches Grabmal symbolisch zu weihen. (Frankfurter Rundschau, 17.11.1997, S. 3) Diese Tendenzen erwarten die AnalystInnen, wenn Telekom-Chef Ron Sommer am kommenden Dienstag die ersten konkreten Unternehmensdaten nach dem Beginn des Wettbewerbs auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt darlegen wird. (die tageszeitung, 25.04.1998, S. 8) Wenn es am kommenden Dienstag regnet, bleiben wir zu Hause.  

(153)



(154)



(155a)



(155b)

Vergangenheitstempora sind ebenfalls nur tendenziell aber nicht im Sinne einer grammatischen Regel als Hinweis auf eine temporale Lesart zu deuten, wie auch die falls-Beispiele (137) und (138) gezeigt haben. (156) (156a) (156b)

Wenn der Unterricht früher endete, hingen wir am Kiosk herum. = Jedesmal wenn der Unterricht früher endete, … (iterativ, temporal) = Falls/sofern der Unterricht früher endete, … (iterativ, konditional)

Modifikation durch die temporalen Adverbien erst und schon ist ebenfalls ein Indikator für eine temporale Lesart. (157)

Ein Kind will ich erst haben, wenn ich dreißig bin und mir als Sängerin einen Namen gemacht habe. (DIV/GAW, Grisebach, Frau, S. 383)  

Keine Disambiguierungsfunktion haben dagegen Korrelatstrukturen wie dann (…), wenn oder in dem Moment (…), wenn. Sie treten in konditionalen (158, 159) wie temporalen Verknüpfungen (160, 161) auf. Das Korrelat so tritt bei temporalen und konditionalen wenn-Verknüpfungen in der Gegenwartssprache sehr selten auf, es

326

C Semantische Konnektorenklassen

findet sich eher bei den konzessiven Verwendungen von wenn + Fokuspartikel und bei den seltenen adversativen wenn-Verwendungen (162). (158) (159)

Vermutlich ist das, wenn es überhaupt machbar ist, ein ziemlich großer Aufwand. Haben Sie keine Angst vor „Intellektualismus“, das ist ein blöder Vorwurf, berechtigt nur dann, wenn jemand sich prätentiös über seinen eigenen Intellekt hinaushangelt. (DIV/WC4, Brief, S. 230) Außerdem könne sich der BSE-Erreger durch Verschmutzungen ausbreiten, weil es den Futtermittelfabriken nicht immer gelinge, ihre Apparate zu reinigen. Wenn sie dann Schweine- oder Hühnerfutter verarbeiten, dann verarbeiten sie auch Rind. (Mannheimer Morgen, 22.11.2000, o. S.) Manchmal dauert es längere Zeit, bis ich dazukomme, diesen Stapel von Briefen durchzusehen, besonders dann, wenn ich gerade tief in der Arbeit an einem Buch stecke. (DIV/WC4, Brief, S. 396) Es ist durchaus möglich, daß sie anderen Neigungen menschlicher Wesen nicht glaubte, denn wenn sie nach gewissen Richtungen hin übernatürlich aufgeweckt war, so war sie nach andern hin vollkommen blind. (Steinbeck, Jenseits, S. 94)  

(160)



(161)



(162)



Auch die oft erwähnte Ersetzung von wenn durch sofern, falls bzw. sobald (vgl. Hartung 1964) ist kein guter Test für die Disambiguierung, da hierfür die Relation ja bereits erkannt sein muss (vgl. Fabricius-Hansen/Sæbø 1983: 4). Frequenzadverbialia wie immer, jedes Mal, nachts, gewöhnlich etc. sind Indikatoren für eine iterative oder generische Lesart und kommen tendenziell eher in Temporalverknüpfungen (163, 164) vor. Sie sind jedoch in generischen Konditionalverknüpfungen wie (165) nicht ausgeschlossen. (163)

Ich habe während meiner Schulzeit, wenn ich vor dem Direktor oder vors Kollegium zitiert wurde, immer konsequent geschwiegen. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 16) Wenn er morgens zum Frühstück herunterkam, blickte meine Mutter ihn jedesmal an, als erwarte sie, die Spuren seines nächtlichen Ringens mit dem Dämon zu entdecken. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 51) Wenn man Knollenblätterpilze isst, endet das stets tödlich.  

(164)



(165)

Es bleiben ambige Fälle wie (166), die bei einer Übersetzung in Sprachen mit differenzierendem Subjunktorsystem der subjektiven Interpretation des Übersetzers obliegen. Ausschlaggebend ist dann, inwieweit der Inhalt des A NTEZEDENS und der Diskurshintergrund es plausibel erscheinen lassen, dass auch das Nicht-Zutreffen des im A NTEZEDENS bezeichneten Sachverhalts zur Disposition steht.

327

C1 Temporale Konnektoren

(166)

Sie sind jetzt Gast in meinem Haus! Ich setze Sie sofort raus, wenn Sie hier wieder Ihre Endsiegparolen loslassen. (DIV/GAJ, Grisebach, Frau, S. 279)  

Wenn in temporaler Lesart wurde hier der Gruppe der neutral situierenden Subjunktoren als und wie zugeschlagen und nicht (wie in Grammatiken meist üblich) zu den Koinzidenzkonnektoren. Die Variabilität in der zeitlichen Relation der verknüpften Sachverhalte illustrieren die Beispiele in (167). Die Nachzeitigkeitsinterpretation kann auch als Koinzidenz mit dem Nachzustand des im situierten Konnekt bezeichneten Ereignisses verstanden werden. (167a) (167b) (167c)

Wenn ich morgens aufstehe, fühle ich mich schwindlig. (Koinzidenz) Wenn das Kind hinfiel, stellte es der Vater wieder auf die Füße. (Sequenz, Vorzeitigkeit) Wenn er gegen Mittag aus den Federn kriecht, hat seine Frau schon das halbe Haus geputzt. (Sequenz, Nachzeitigkeit)

In Bezug auf Tempus und aspektuelle Charakteristik der Konnekte hat wenn weder in der temporalen noch in der konditionalen Lesart Beschränkungen. Lediglich Individuenprädikate sind für eine temporale Interpretation ausgeschlossen; hier ergibt sich dann eine Interpretation als Konditionalverknüpfung auf der epistemischen Ebene. (168a) Wenn diese Zahl durch neun teilbar ist, ist sie auch durch drei teilbar. (168b) Wenn Maria Französisch kann, hat sie es von ihrem Freund gelernt. Auf die sogenannten „faktischen“ wenn-Verwendungen wird in Kap. C4.1.2.3.2 näher eingegangen.  

1.3.2 Sequenzkonnektoren Wie im räumlichen System, wo z. B. das Konzept „oberhalb“ lexikalisch differenzierter ist als das für „unterhalb“ (auf, über vs. unter), gibt es auch bei der Kodierung zeitlicher Sequenzrelationen Asymmetrien. Für die zeitliche Sequens-Markierung gibt es mehr Adverbkonnektoren als für die A NTEZEDENS -Markierung; die Subjunktoren nachdem und bevor zeigen unterschiedliches Verhalten.  

-Marker nachdem 1.3.2.1 Der A NTEZEDENS -M Nachdem ist der einzige grenzneutrale, das zeitliche A NT NTEZEDENS EZEDENS markierende Subjunktor. Im Unterschied zu grenzbezogenen Temporalkonnektoren kann der Zeitabstand hier durch quantifizierende Adverbien genauer eingegrenzt werden:

328

(169)

C Semantische Konnektorenklassen

Unmittelbar/wenige Minuten/einen Monat {nachdem/*kaum dass/*sobald/*sowie} man die neue Autobahn freigegeben hatte, kam es zu einem schweren Unfall.

In der Linearisierung zeigt sich eine leichte Präferenz für die ikonische Kodierung. Eine Stichprobe von 100 Belegen aus dem DeReKo-Korpus ergibt für die nachdemPhrase einen Antepositionsanteil von 54% gegenüber 40% Postposition und 6% Einschub. Eine strikte Consecutio Temporum – Kombination von einfachem und zusammengesetztem Tempus der gleichen Tempusgruppe wie in (170) und (171) wie in der Duden-Grammatik (2005: 1079) oder bei Buscha (1989) angegeben („entsprechend den allgemeinen Regeln für Vorzeitigkeit“, ebd.: 83), greift für nachdem zu kurz. In manchen Grammatiken werden überhaupt nur diese Tempuskombinationen erwähnt (vgl. die Übersicht in Steidele 2004: 134 f.); sie decken lt. einer Statistik in Gelhaus (1974a und b) immerhin mehr als zwei Drittel der Verwendungen ab.  

(170)

Und wirklich gelang es, den Kaiser noch einmal zu entflammen. Nachdem er, wie Einhard berichtet, viele Töchter des Landes besichtigt hatte , entschloß er sich zu einer neuen Ehe. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 391) Nachdem sie die Beute verschlungen hat , zieht sich die Schlange an einen warmen Ort zurück und verdaut zwei bis drei Tage. (Zürcher Tagesanzeiger, 17.07.1997, S. 17)  



(171)





De facto ist der Tempusgebrauch aber variabler. Im internen Konnekt tritt in einer Stichprobe von 100 Belegen aus dem DeReKo die in Tab. C1-6 angegebene Verteilung auf: Tab. C1-6: Tempusgebrauch im internen Konnekt von nachdem Plusquamperfekt Perfekt Präteritum Präsens N

62 8 22 6 100

Auch bezüglich der aspektuellen Charakteristik gibt es keine ganz strengen Restriktionen. Der situierte Sachverhalt kann telisch (172a) und atelisch (172b) sein, der Referenzsachverhalt muss telisch sein (172a, b); tritt ein atelisches Prädikat auf, wird es egressiv-telisch uminterpretiert (173a–c); das ist regelmäßig bei Zustandspassiven (173b, c) der Fall.

329

C1 Temporale Konnektoren

(172a)

Nachdem Trachman alles betreten hatte , was für den Normalbürger tabu war, wurde er größenwahnsinnig : Er wollte aufs Brandenburger Tor und die Mauer von oben sehen. (Berliner Zeitung, 25.10.1999, S. 13) Nachdem Archimedes die Gesetze der Hebelwirkung entdeckt hatte , pries er nicht die Weisheit der Schöpfung, sondern erwog als erstes den Gedanken, die Welt aus den Angeln zu heben. Es war ein höchst moderner Gedanke. (MK1/WBO, Bamm, Ex ovo, S. 210) Die schlimmen Zeiten seien vorbei, und in der nächsten Saison erwarte man – nun, nachdem wieder Ruhe herrsche – sogar 400.000 Touristen. (die tageszeitung, 20.04.1990, S. 2) Mit der Behendigkeit eines Wiesels kam sie ihm zuvor, als er ihre Koffer holen wollte. Nachdem sie verstaut waren , setzte sie sich mit einem sportlichen Schwung auf den Vordersitz und brachte mit dem Zuknallen der Wagentür die Fensterscheibe in ernstliche Gefahr. (MK1/TPM, Pinkwart, Mord, S. 67) Nachdem die Statuten genehmigt waren , galt es noch neue Vorstandsmitglieder zu bestimmen. (St. Galler Tagblatt, 03.12.2001, o. S.)  





(172b)





(173a)



(173b)





(173c)





Die atelischen Prädikate im internen Konnekt in (173a–c) sind im Übrigen auch nicht durch ein Vorzeitigkeitstempus markiert, sie lassen sich aber immer durch ein telisches Prädikat in zusammengesetztem Tempus ersetzen: (173a’) … nachdem wieder Ruhe eingekehrt sei (173b’) … nachdem sie verstaut worden waren (173c’) … nachdem die Statuten genehmigt worden waren Eine strikte Sequenzrelation besteht in diesem Fall zwischen dem situierten Sachverhalt und dem zu erschließenden telischen Referenzsachverhalt im internen Konnekt, während dessen Nachzustand (den die atelische Sachverhaltsbeschreibung bezeichnet) in das Zeitintervall des situierten Sachverhalts hineinragt. Aus Fällen wie diesen leiten manche Grammatiker eine Ambiguität von nachdem als Sequenz- und Koinzidenzmarker ab.20 Dagegen spricht, dass im internen Konnekt nicht beliebige atelische Prädikate auftreten können, sondern nur solche, die eine resultative Interpretation erlauben. Eine Äquivalenz mit einem reinen Koinzidenzmarker wie während ist in keinem Fall gegeben. (174)

?Nachdem sie an die Wiederauferstehung im Himmel glaubte, glaubte sie an eine Reinkarnation in Gestalt eines anderen Menschen.

20 Für die Möglichkeit partieller Überlappung plädieren Gelhaus (1974a und b) und Steidele (2004). Steube (1980), Herweg (1990) und die GDS sehen dagegen Abgeschlossenheit des Referenzsachverhalts vor.

330

C Semantische Konnektorenklassen

Nachdem-Verknüpfungen mit einer Tempus-Aspekt-Konstellation wie (173a, b) und (174) lassen aber mitunter eine kausale Interpretation zu (s. C4.2.3.1.1.2.1). Diese wird zwar von vielen Grammatiken als nicht normgerecht oder regional süddeutsch eingestuft (vgl. Steidele 2004: 132), entspricht aber einem übereinzelsprachlichen Muster regulärer Polysemie (s. A3.2.2), die durch den Trugschluss des „post hoc ergo propter hoc“ (Schluss von der zeitlichen Folge auf die Kausalfolge) zustande kommt. Kausalinterpretationen von nachdem sind nicht an ein bestimmtes Tempus im internen Konnekt gebunden (s. 175a–e). Bei Vorzeitigkeitsmarkierung im internen Konnekt (175d, e) ist aber meist die temporale Lesart nicht blockiert. Präsens im internen Konnekt wird mitunter als Garant für kausale Interpretation angesehen (so bei Behaghel 1928: 215, Engel 1988: 261 und Weinrich 1993: 748); das trifft jedoch nicht zu: Erstens kann es, bei atelischen Sachverhalten, in der Lesart des Resultats eines telischen Sachverhalts interpretiert werden (176a, b) und zweitens kann das Präsens auch im Sinne eines historischen (tabellarischen, szenischen o. ä.) Präsens verwendet sein (176c). Nur atemporale Prädikate (177) erzwingen eine rein kausale Lesart; Negation wie in (175d) scheint dagegen kein Garant für eine Kausalinterpretation.  

(175a) (175b)

(175c)

Nachdem Hans so spendabel ist , hat er sicher viele Freunde. Nachdem der Entwurf nicht weiter behandelt wurde , hat der Freistaat Bayern am 20.01.2008 beim Bundesrat eine Entschließung beantragt (BRDrucks. 77/08). (http://www.strafverteidiger-stv.de/hlv/stv/stv_home.nsf/ Ressourcen/Dateien/Gesetzgebung/$file/gesetzgebung.pdf) Nachdem es bei Bissau keine Zoll- und Landesgrenze mehr gab , konnte sie wieder ihre Eier, Butter, auch Grünkohl und Winteräpfel auf den Markt bringen. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 209) Nachdem Hans den Marathonlauf nicht durchgestanden hatte , begann er regelmäßig zu trainieren. (Bsp. aus Herweg 1990: 221) Nachdem wir zugestimmt haben , müssen wir uns auch an die Abmachungen halten.  







(175d) (175e)

(176a)





Deshalb nur legen so viele, nachdem sie den Ehering haben , den Minirock ab und rümpfen die Nase über andere Ehefrauen. Ehefrauen, die es wagen, sehr viel Bein zu zeigen. (Bildzeitung, 21.06.1967, S. 4) Nachdem jetzt alle da sind , können wir loslegen. Diego de Velázquez erkennt die Bedeutung der Entdeckung Hernández de Córdobas und sendet Boten nach Hispaniola und Spanien, um ihn zum „Adelantado“ der entdeckten Länder zu machen und die Erlaubnis einzuholen die Länder unabhängig zu erobern. Nachdem die Erlaubnis aus Hispaniola eintrifft […], ernennt er seinen 28jährigen Neffen Juan de Grijalva zum Befehlshaber einer neuen Expedition. 1520 5. März. Pánfilo de Narváez sticht mit 900 Mann in See, Richtung Vera Cruz […].  



(176b) (176c)





331

C1 Temporale Konnektoren

Cortés sendet , nachdem er die Nachricht über die Ankunft neuer Schiffe (Narváez’s Schiffen) erhält , Kundschafter zur Küste. (Die Eroberung Mexikos. http://www.laconquista.de/conquista/mexiko.htm) (176d) 1066. Harald von Kent, gerade zum König von England gewählt, besiegt zunächst die Wikinger bei Stanfordbridge. Nachdem Wilhelm der Eroberer zur Verteidigung Edward des Bekenners in England landet , verliert Harald bei Hastings gegen die französische Normannen, da er von seinen Earls im Stich gelassen wird. (Historische Schlachten. http://www.schule-urtenen.ch/ pi/medieval2/historisch.htm)  





(177)

Nachdem die Ausstellung einen sehr repräsentativen und qualitativ sehr hochstehenden Querschnitt der zeitgenössischen Kunst darstellt , würde sie sich natürlich als Einstieg für ein Tiroler Museum der Moderne geradezu anbieten. (Neue Kronen Zeitung, 14.05.1995, S. 27)  



Ähnlich wie im Falle der Überlagerung einer temporalen Sequenz-Relation durch eine kausale (175d, e) kann auch eine adversative Relation zwischen Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt erschließbar sein, ohne dass die temporale Relation blockiert wäre. (178)

Nachdem Österreichs Sparkassen im von Umstrukturierungen geprägten Jahr 1997 als Gesamtsektor die Ergebnisse von 1996 verfehlt hatten, konnte Verbands-Generalsekretär Christian Domany für das erste Quartal 1998 von „günstiger Entwicklung“ berichten. (Die Presse, 19.05.1998, o. S.)  

Treten einfache Tempora im internen Konnekt von nachdem auf, sind sie in der aspektuellen Charakteristik nur dann auf atelische Prädikate beschränkt, wenn die Resultatslesart vorliegt. Verwendungen von nachdem mit einem historischen Präsens oder in kausaler Lesart haben dagegen keine aspektuellen Restriktionen. Telische Prädikate in einfachen Tempora sind im internen Konnekt von nachdem aber auch mit einer strikten Sequenzinterpretation möglich. Diese Konstellation findet sich vor allem bei mehrgliedrigen Verbalkomplexen mit Modalverben und Quasimodalen (scheinen, pflegen, lassen), bei denen die Wahl des einfachen Tempus einer allgemeinen Strategie der Komplexitätsreduktion folgt (vgl. Gelhaus 1974a und b); in (179) würde eine Markierung der Sequenzrelation über das Tempus einen vierteiligen Verbalkomplex in einem Verbletztsatz erforderlich machen (hatte erzielt werden können). (179)

Nachdem keine Einigung über den Entwurf eines Schlußdokuments für die Wiener Konferenz erzielt werden konnte , wurde beschlossen, die Beratungen auch noch diese Woche fortzusetzen. (Die Presse, 03.05.1993, o. S.)  



332

C Semantische Konnektorenklassen

Gelegentlich treten jedoch in eingliedrigen Verbalkomplexen telische Prädikate in einfachem Tempus auf. Gelhaus (1974b: 153) hält einfaches Tempus nur dann für möglich, „wenn der im Prädikat bezeichnete Prozeß einen (länger dauernden) Zustand oder eine wiederholte Handlung bezeichnet“, aber nicht, „wenn es sich um einen punktuellen Prozeß handelt“. Beispiele wie die folgenden zeigen, dass diese Einschränkung zu eng ist. (180)

Schwarze Serie für die Linz/Enns-Volleyballer! Nachdem Diebe den Vereinsbus plünderten , wurde in Prag das Klubauto von Spielertrainer Jiri Vojik (Bild) gestohlen. (Neue Kronen Zeitung, 07.12.1997, S. 50) Erst nachdem ein Künstler aus dem Ausland beschloss , den zweiten Stock des Gebäudes für seine Arbeit zu nutzen, kam der Durchbruch. Plötzlich wollten alle so etwas haben. (die tageszeitung, 15.03.2003, Beilage, S. III) Knapp acht Jahre nachdem das Teatro La Fenice einer Brandstiftung zum Opfer fiel , machte es seinem Namen alle Ehre und stieg wie ein Phönix aus der Asche. (die tageszeitung, 15.12.2003, S. 15) Zu einer Festnahme kam es auch in Hannover, nachdem ein Molotowcocktail früher als geplant explodierte und der Attentäter dabei schwer verletzt wurde. (die tageszeitung, 05.11.1993, S. 1)  



(181)

(182)







(183)



Abweichungen von den frequenten Tempuskombinationen wie in (170) und (171) ergeben sich auch durch das Auftreten zusammengesetzter Tempora im externen Konnekt, dem Ausdruck für den situierten Sachverhalt, wenn dieser seinerseits als abgeschlossen und vor einem im Kontext verankerten, vor der Sprechzeit liegenden Zeitpunkt verortet wird. (184)

Vier unbekannte Jugendliche haben einen Busfahrer angegriffen und anschließend für eine fast einstündige Unterbrechung des U-Bahn-Verkehrs auf der Linie 1 gesorgt. Wie die Polizei mitteilte, war der 36jährige Busfahrer am Donnerstag abend mit einer Schußwaffe und Messern bedroht worden , nachdem er einen der Täter zum Verlassen des Fahrzeuges aufgefordert hatte .  



Im externen Konnekt können Präsens und Perfekt unabhängig vom Tempus des internen Konnekts auftreten, um einen Bezug des situierten Sachverhalts zur Sprechzeit zu markieren. (185)

Nachdem vor einigen Tagen an der Universität schon das Institut für Politikwissenschaften von einem Dieb heimgesucht worden war , wird jetzt auch aus dem Institut für Statistik ein Einbruch gemeldet: Dem Täter fiel eine Handkasse in die Hände. (Tiroler Tageszeitung, 01.02.1996, o. S.)  



C1 Temporale Konnektoren

(186)

333

Erst vor wenigen Monaten hat der slowakische Verbundkonzern SE eine längst fällige Schuld über 200 Millionen Schilling beglichen – nachdem der Staat eingesprungen war .  



Nachdem unterscheidet sich von als außer dadurch, dass es eindeutig eine SequenzRelation herstellt, noch in drei weiteren Merkmalen. (i)

Neutralität bezüglich der Opposition singulär vs. nicht-singulär (generisch, iterativ) Nachdem kann wie wenn in singulären und generischen (187) oder iterativen (188) Kontexten auftreten.21 In (188) ist auch eine singuläre Lesart möglich. Bei den nichtsingulären Lesarten ergibt sich eine Nähe zur Konditionalität (vgl. auch Blühdorn 2004), die temporale Relation zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt ist jedoch (anders als beim diesbezüglich neutralen wenn) eindeutig die einer Sequenzrelation. (187) (188)

Nachdem Menschen geheiratet haben, können sie sich ändern. Nachdem das Gnu eine halbe Stunde lang kreisgewandelt ist, legt es sich wieder hin. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 202)  

(ii) Neutralität in der Situierung bezüglich des Sprechzeitpunkts Durch Verknüpfungen mit nachdem können nicht nur Sachverhalte vor dem Sprechzeitpunkt kodiert werden, vielmehr ist Gegenwarts- und Zukunftsbezug ebenso möglich. (188a) Nachdem/als das Gnu eine halbe Stunde kreisgewandelt war, legte es sich wieder hin. (188b) Nachdem/*als das Gnu eine halbe Stunde kreisgewandelt ist, legt es sich jetzt wieder hin. (188c) Nachdem/*als das Gnu eine halbe Stunde kreisgewandelt ist, wird es sich bald wieder hinlegen. (iii) Neutralität bezüglich Faktizität Dass nachdem wie in (188c) auch zwei in Bezug auf den Sprechzeitpunkt zukünftige Sachverhalte verknüpfen kann, heißt auch, dass es – wie wenn aber anders als als – an keines seiner Argumente eine Faktizitätsforderung stellt.22

21 Dagegen postuliert Buscha (1989: 84) Restriktion auf singuläre Sachverhalte. 22 Blühdorn (2004) nimmt dagegen für nachdem Faktizität des Referenzsachverhalts an.

334

(189)

C Semantische Konnektorenklassen

„Da könnt ick de Wände hochjehn.“ Braucht sie aber nicht unbedingt; sie kann auch, nachdem/wenn/*als sie sich vielleicht im Bistro mit ostdeutschen Spezialitäten gestärkt hat, ein paar Meter weitergehen zum Buchstand, an dem sich ostdeutsche Verlage präsentieren. (die tageszeitung, 26.10.1994, S. 24)  

1.3.2.2 Die Sequens markierenden Subjunktoren bevor und ehe Bevor und ehe sind bis auf einen leichten Registerunterschied in Bedeutung und Gebrauch äquivalent. Bevor ist im DeReKo etwa 2,5mal so häufig belegt wie ehe;23 ehe hat in literarischen Texten eine etwas größere Frequenz und nimmt seit den 50er Jahren zunehmend in der Frequenz ab (vgl. Krifka 2010: Fn. 4). Aussagen, die im Folgenden über bevor getroffen werden, gelten immer auch für ehe. Bevor und ehe teilen mit nachdem die Grenzneutralität und die daraus folgende Quantifizierbarkeit des zeitlichen Abstands zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt (Lange/kurz/unmittelbar/zwei Stunden/einen Monat bevor die Reise beginnt …). Auch mit ehe sind solche Strukturen belegt (was in Buscha 1989: 47 bestritten wird).  

(190a) Lange noch bevor irgendein sichtbares Zeichen auf die Nähe der Stadt hindeutete, gewahrte Grenouille die Verdichtung des Menschlichen in der Luft. (Süskind, Parfum, S. 149) (190b) Hier spielten oft Maybelle und Sara Carter, damals, in den 40er Jahren, kurz, ehe sich die Carter Family aufgelöst hatte. (http://www.bluerose-records.de/ main.asp?mode=artist&id=3767) (190c) Drei Wochen, ehe er den Amtseid als neuer Präsident der Vereinigten Staaten ablegen wird, hat Kennedy sein Kabinett beisammen. (http://www.zeit. de/1961/02/Kennedys-Kabinett)  

In der Linearisierung zeigt sich (in 100er-Stichproben) mit der Präferenz der Subjunktorphrase zur Postposition eine im Vergleich zu nachdem deutlichere Tendenz zur ikonischen Kodierung:

23 Bevor (ohne Verwendungen von steht … bevor) ist im DeReKo (Stand Juni 2010) 343.578 mal belegt, ehe (ohne Verwendungen des Substantivs (die) Ehe) 142.250 mal.

C1 Temporale Konnektoren

335

Tab. C1-7: Linearisierung der Konnekte bei bevor, ehe und nachdem bevor

ehe

nachdem

postponiert

65

86

40

anteponiert

32

13

54

3

1

6

100

100

100

eingeschoben N

In der Situierung gegenüber dem Sprechzeitpunkt sind bevor-Verknüpfungen wie nachdem-Verknüpfungen neutral. Da Zukunftsbezug möglich ist, sind sie auch in Bezug auf die Faktizität neutral. Eine Einschränkung liegt lediglich darin, dass der Referenzsachverhalt (als der zeitlich spätere Sachverhalt) schlecht direkt mit dem Sprechzeitpunkt zusammenfallen kann. (191a) (191b)

Bevor ich die Küche putzte, machte ich mich erst mal ans Aufräumen. Bevor ich morgen die Küche putze, werde ich mich erst mal ans Aufräumen machen.

Auch bevor hat keine strikten Tempusanforderungen. Anders als bei nachdem zeigen die Konnekte häufiger gleiche Tempusformen (vgl. auch Buscha 1989: 46). Prädikate in einfachen Tempora im externen Konnekt, das den zeitlich früheren Sachverhalt kodiert, sind hier keineswegs markiert oder auf eine bestimmte aspektuelle Charakteristik beschränkt. (192a)

Bevor die Bagger anrücken , kommen die Archäologen. (Mannheimer Morgen, 12.05.1989, o. S.) Ich fragte ihn noch vieles, kurz bevor er starb . (die tageszeitung, 16.03. 2007, S. 14) Die österreichische Ex-Kaiserin und frühere Königin von Ungarn und Böhmen Zita […] wird im Wiener Stephansdom aufgebahrt werden , bevor sie am 1. April, dem Todestag ihres 1922 auf Madeira verstorbenen Mannes Kaiser Karl I, in der Wiener Kaisergruft beigesetzt werden wird . (Mannheimer Morgen, 15.03.1989, o. S.) Und eh er noch das Wort gesprochen , hat ihn der Jubel unterbrochen . (Schiller, zit. nach: http://de.wikisource.org/wiki/Der_Ring_des_Polykrates)  



(192b)





(192c)











(192d)





Wegen der Möglichkeit einer Nachzustandslesart kann sogar im internen Konnekt (das den zeitlich späteren Sachverhalt kodiert) ein zusammengesetztes Tempus auftreten.

336

(193)

C Semantische Konnektorenklassen

Etwa ein Dutzend Jugendliche sammeln sich vor dem Laden, noch bevor die Beamten aus ihren Wagen gestiegen sind . (Frankfurter Allgemeine, 12.09.2005, o. S.)  



Die Sequenzrelation kann aber auch durch ein zusammengesetztes Tempus im externen Konnekt (dem Ausdruck des zeitlich früheren Sachverhalts) markiert werden, um Abgeschlossenheit des situierten Sachverhalts zum Ausdruck zu bringen. (194a) Sichergestellt wurde die hochbrisante Fracht in einer Wiesbadener Wohnung, die zwei enge López-Mitarbeiter, Jorge Álvarez-Aguirre und Rosario Piazza, benutzt hatten , bevor sie ihrem Chef nach Wolfsburg folgten . (Die Zeit, 15.11.1996, S. 17) (194b) Er (= Janos Kadar) hatte seit dem Aufstand von 1956 fast 32 Jahre lang die Geschicke der Kommunistischen Partei Ungarns gelenkt , bevor er im Mai 1988 vorigen Jahres von Karoly Grosz als Parteichef abgelöst wurde . (Mannheimer Morgen, 05.07.1989, o. S.)  













Auch bezüglich der Anforderungen an die aspektuelle Charakteristik zeigen sich Unterschiede zu nachdem. Bei nachdem wird der zeitlich spätere Sachverhalt durch das externe Konnekt (als situierter Sachverhalt) kodiert und kann beliebigen Typs sein. Bei bevor/ehe wird der zeitlich spätere Sachverhalt durch das interne Konnekt kodiert (als Referenzsachverhalt) und unterliegt einer Restriktion: er muss telisch sein. Hier zeigt sich wieder, dass die syntaktische Struktur für die Ausübung von Rektion (im weitesten Sinne) durch einen Konnektor maßgeblicher ist als die rollensemantische Struktur: Restriktionen werden vom Kopf der Phrase, dem Subjunktor, auf sein Komplement, die Subjunktorphrase ausgeübt. Atelische Prädikate (Zustände wie in (195a, b) oder Aktivitäten wie in (195c) sind nicht ausgeschlossen, werden aber ingressiv-telisch umgedeutet ‚bevor der im Prädikat bezeichnete Zustand eintritt/die Aktivität aufgenommen wird‘ (vgl. Schilder 2004: 175, Herweg 1990) (195a) (195b)

Manche Clematis-Arten wachsen erst mal jahrelang, bevor sie blühen . Für offene Karten, bevor das fertige Konzept auf dem Tisch liegt , wollen sich Betriebsrat und Gewerkschaftsleitung gegenüber der Betriebsleitung stark machen. (die tageszeitung, 15.05.1990, S. 7) Der 54jährige Diplom-Betriebswirt studierte einige Semester Jura, bevor er in verschiedenen Wirtschaftsunternehmen arbeitete . (Frankfurter Rundschau, 12.08.1998, S. 3)  





(195c)





Das Verhältnis von bevor und nachdem wird in vereinfachter Darstellung als das von semantischen Konversen beschrieben. Das wird jedoch der unterschiedlichen

C1 Temporale Konnektoren

337

Komplexität ihrer Bedeutungen nicht gerecht.24 Ein solches Verhältnis und eine wechselseitige Umwandelbarkeit von nachdem- und bevor-Verknüpfungen suggerieren Minimalpaare wie (196a, b). (196a) Nachdem Hans seine Zähne geputzt hat, legt er sich ins Bett. (196b) Bevor Hans sich ins Bett legt, putzt er seine Zähne. Wenn jedoch ein kausaler Zusammenhang zwischen den Sachverhalten besteht, sodass der zeitlich frühere Sachverhalt konstitutiv für den späteren ist und dieser ohne den früheren nicht zustande gekommen wäre, ist eine Verknüpfung mit bevor merkwürdig. Nachdem Hans Udo einen Esel nannte, sprach der zwei Wochen nicht mehr mit ihm. (197b) ?Udo nannte Hans einen Esel, bevor der zwei Wochen nicht mehr mit ihm sprach. (198a) Nachdem es den britischen Neo-Nazis gelungen ist, bei Nachwahlen zum Londoner Stadtrat ihren Kandidaten durchzubringen, suchen Labour und Liberale nach einem Schuldigen. (die tageszeitung, 20.09.1993, S. 9) (198b) ?Den britischen Neo-Nazis ist es gelungen, bei Nachwahlen zum Londoner Stadtrat ihren Kandidaten durchzubringen, bevor Labour und Liberale nach einem Schuldigen suchen. (197a)



Der umgekehrte Effekt, nämlich, dass sich ein Kausalzusammenhang aufdrängt, ergibt sich bei der Umwandlung von bevor-Verknüpfungen von inhaltlich voneinander unabhängigen Sachverhalten in nachdem-Verknüpfungen. (199a) Jahrzehntelang haben die Ladenburger im Neckar gebadet, bevor es verboten wurde. (199b) Nachdem die Ladenburger jahrzehntelang im Neckar gebadet haben, wurde es verboten. Die Asymmetrie zwischen bevor/ehe und nachdem liegt also darin, dass nur letztere eine kausale Interpretation oder Überlagerung der temporalen durch eine kausale Relation nahelegen. M. a. W.: in nachdem schwingt immer ein weil mit, in bevor aber kein sodass.25  



24 Bevor wird auch im Spracherwerb später erworben (vgl. Clark 1970, von Stutterheim 1986). 25 Tenbrink/Schilder (2003) machen diesen Unterschied auch zwischen engl. before und after geltend und führen ihn auf die größere Toleranz von before in Bezug auf den zeitlichen Abstand zwischen Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt zurück.

338

C Semantische Konnektorenklassen

Auch in Bezug auf die informationsstrukturellen Eigenschaften zeigen sich Unterschiede, die sich wiederum in den Linearisierungspräferenzen spiegeln. Bei nachdem kodiert der Referenzsachverhalt tendenziell Hintergrundmaterial und das interne Konnekt kann Indikatoren dafür enthalten, dass der Referenzsachverhalt zum gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer (common ground) gehört; eine wannFrage scheint dann unangebracht. Dagegen kann eine bevor-Phrase nicht als zum gemeinsamen Wissenshintergrund gehörig ausgewiesen werden. (200a) Nachdem ja schon der Schulhof ohne unser Wissen verkauft worden ist, soll jetzt dort ein Wohnhaus für das Pflegepersonal entstehen. (Neue Kronen Zeitung, 17.08.1997, S. 12) (200b) *Bevor ja auf dem Schulhof ein Wohnhaus für das Pflegepersonal entstehen soll, soll er verkauft werden.  

Mit diesem Unterschied hängt zusammen, dass – trotz prinzipieller Neutralität von nachdem und bevor hinsichtlich der Verankerung in Bezug auf den Sprechzeitpunkt – nachdem-Verknüpfungen im Sprachgebrauch eher für die Kodierung vergangener (und damit faktischer und tendenziell bekannter) Ereignisse verwendet werden, während unter bevor-Verknüpfungen ein höherer Anteil zukunftsbezogener Verwendungen zu finden ist, womit Nonfaktizität und tendenziell Nicht-Bekanntheit verbunden ist. Das spiegelt auch der Tempusgebrauch im internen Konnekt wider: über 90% der nachdem-Verwendungen haben ein Vergangenheitstempus und sind damit mit hoher Wahrscheinlichkeit faktisch; bei bevor liegt der Anteil der Vergangenheitstempora bei 45%. Tab. C1-8: Tempusgebrauch im internen Konnekt von nachdem und bevor nachdem

bevor

62

1

8

6

22

39

Präsens

6

53

Futur

0

1

nicht zuzuordnen

2

0

100

100

Plusquamperfekt Perfekt Präteritum

N

Das interne Konnekt ist kontrafaktisch zu interpretieren, wenn aus dem externen Konnekt erschließbar ist, dass der Referenzsachverhalt gar nicht eintreten kann oder eintreten konnte, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind (vgl. auch Herweg 1990: 235).

C1 Temporale Konnektoren

339

(201a)

Außerdem gibt es für jedes kranke Tier zwischen ein und zehn weitere Tiere, die zwar infiziert sind, aber keine Symptome zeigen. Sie werden geschlachtet, bevor sie überhaupt alt genug sind, um krank zu werden. (die tageszeitung, 29.01.1993, S. 3) (201b) Die Maschine war schon kaputt, bevor sie sich amortisiert hatte.  

Die kontrafaktische Interpretation ist allerdings ein Sonderfall der Verwendung von bevor/ehe. Üblich ist vielmehr eine Präferenz für nonfaktische interne Konnekte. Das kann eine Bedeutungsverschiebung zur Konditionalität und Substitutivität zur Folge haben. Anders als bei nachdem kann man hier streng genommen auch nicht mehr von einer Überlagerung der temporalen Bedeutung sprechen, denn dass ein Sachverhalt, über dessen Eintreten Sprecher und Hörer keine Gewissheit haben, für die temporale Situierung eines anderen Sachverhalts verwendet wird, ist völlig unplausibel; daraus würde nämlich folgen, dass der „situierte“ Sachverhalt gar nicht temporal situiert wird und es offen bleibt, wann und ob er überhaupt zutrifft. Diese nonfaktischen Verwendungen von bevor sind nicht durch wann erfragbar. Bei nicht-negierten bevor-Verwendungen mit nonfaktischem internen Konnekt kann sich eine substitutive Lesart ergeben, wenn das externe Konnekt ebenfalls nonfaktisch ist. (202a) Bevor Du springst – Notruf 142. (Kleine Zeitung, 25.03.1998, o. S.) (202a’) Statt zu springen – (sollte man) Notruf 142 (wählen). (202b) Man sollte eher Erfahrungen sammeln, bevor Änderungen in rascher Folge beschlossen werden. (Die Presse, 09.02.1996, o. S.) (202b’) Statt dass Änderungen in rascher Folge beschlossen werden, sollte man eher Erfahrungen sammeln. (202c) Spätestens dann sagen sich die meisten: ehe ich meinen Job riskiere, kneife ich lieber die Backen zusammen und rudere weiter mit irgendwo im Boot, wo ich nicht auffalle. (stern, 08.10.1992, S. 250)  





Wenn der Hörer auf der Basis von Kontextindikatoren und Hintergrundwissen auf Nonfaktizität beider Sachverhalte schließen kann, verschiebt sich die Bedeutungsstruktur von p, bevor q von einer temporalen Relationierung zweier Sachverhalte (‚p findet vor q statt‘) auf die Ebene der Wahrscheinlichkeit und der subjektiven Präferenz des Sprechers (vgl. Herweg 1990: 243 f.): Bevor q stattfinden kann, muss p stattfinden; da q aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht stattfindet bzw. unerwünscht ist, ergibt sich daraus zunächst p Ù ¬q, und da auch p zum Sprechzeitpunkt nicht realisiert ist, eine Präferenz für p. Das ist die aussagenlogische Struktur von substitutiven Konnektoren wie statt, wenn die gesamte Verknüpfung in einen nonfaktischen Kontext eingebettet ist. Besonders deutlich ist diese Verwandtschaft bei ehe. Der Temporalsubjunktor ist aus dem komparativen Temporaladverb eher ‚früher‘ abgeleitet, das seinerseits heute nur noch selten temporal verwendet wird, sondern  



340

C Semantische Konnektorenklassen

meist, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Trägersatzsachverhalt mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit/Erwünschtheit eintritt als der im voraufgehenden Kontext genannte. Eher kann wie lieber im externen Konnekt in solchen Verknüpfungen zusätzlich auftreten. Enthält das externe Konnekt einer bevor-Verknüpfung eine Form der Negation (Negationspartikel, negierendes Pronomen, Negationsadverb, negativ-implikative Verben o. ä.), geht das oft mit einer weiteren Negation im internen Konnekt einher, die ohne Einfluss auf die Wahrheitsbedingungen weggelassen werden kann und deshalb in der Bezeichnung „pleonastische“ (Weisgerber 1960) oder „parasitäre“ Negation in Zusammenhang gebracht wurde mit den noch im Mhd. üblichen und im regionalen Substandard erhaltenen doppelten Verneinungen (niemals nicht) und den semantisch „überflüssigen“ Negationen in abhängigen Sätzen nach negativ-implikativen Verben.26 Diese Negation ist bis heute als vermeintlich überflüssige „Sprachdummheit“ Gegenstand der Sprachkritik.27 Das Phänomen ist allerdings übereinzelsprachlich und auch im Englischen, in romanischen und slawischen Sprachen ausgeprägt (vgl. Krifka 2010).  

(203a) Man darf nicht heiraten, bevor man sich nicht gesetzeskonform der ersten Frau entledigt hat. (Kleine Zeitung, 04.01.2000, o. S.) (203b) Äthiopien hat über das lokale Radio erklärt, es könne keinen Frieden geben, bevor nicht die derzeitige Regierung Eritreas gestürzt sei. (die tageszeitung, 09.12.1999, S. 11) (203c) Viele Nachbarn, deren Häuser kaum Schaden nahmen, haben schon wieder Strom. Frau Montis Leitung aber wird nicht angeschlossen, bevor nicht ein zugelassener Elektriker die Kabel geprüft hat. (Die Zeit, 07.10.2004, S. 62) (203d) Dennoch heißt es dann: Es geschieht ja nichts, bevor nicht etwas passiert! (Tiroler Tageszeitung, 12.06.1999, o. S.)  







Die Negation nach bevor zeigt ein von der Standard-Satznegation abweichendes Verhalten. Erstens ist ihre unmarkierte Position die vor allen nominalen Komplementen, also auch vor einer definiten Subjekts-NP (nur pronominale NPen wie in 203a stehen

26 Auch Buscha (1989: 48) spricht von „doppelter Negation“, verbindet damit aber eine propositionale Verrechnung der Negation: es liege eine „doppelte Verneinung zum Ausdruck der Bejahung“ vor. Das ist aber hier semantisch gerade nicht der Fall. 27 Der Duden-Zweifelsfälle beschreibt es in der 5. Auflage als „nicht korrekt, wenn man nach einem verneinten Hauptsatz auch den bevor-Satz zusätzlich verneint“ (Duden-Zweifelsfälle 2001: 157). Dagegen „wird“ bei Voranstellung des Nebensatzes die Negation (korrekterweise) „gesetzt“, da zusätzlich Konditionalität im Spiel sei. Die 6. Auflage (2007) ist liberaler: Bei nachgestelltem Nebensatz sei die nicht negierte Variante „besser“, bei vorangestelltem „ist diese zusätzliche Verneinung zu empfehlen“. Auch in der populären Sprachkritik von Sick findet sich eine „Warnung“ vor der doppelten Verneinung (Sick 2006: 61).  



C1 Temporale Konnektoren

341

davor). Bei der normalen Satznegation ist diese Position markiert und geht mit Kontrastierung einher, vgl. (203b) mit (203b’) und (203b’’). (203b’) weil die derzeitige Regierung Eritreas nicht gestürzt ist. (203b’’) weil nicht die derzeitige Regierung Eritreas gestürzt ist (sondern eine andere Regierung). Zweitens erfolgt vor einer NP mit indefinitem Artikel in der Regel keine Zusammenziehung zu einem Negationsartikel kein, s. (203c); auch nicht etwas wird nicht zu nichts zusammengezogen (203d). Vereinzelt finden sich entsprechende Belege, die aber weniger akzeptabel sind als mit nicht. (204a) Bisher galt die Absprache mit der Ausländerbehörde, daß keine abschiebenden Maßnahmen getroffen werden, bevor kein offizieller Bescheid vorliegt. (die tageszeitung, 07.08.1998, S. 17) (204b) Außerdem äußerte er Bedenken gegenüber der CDU-Forderung nach einer externen Verwaltungsanalyse, bevor keine Klarheit über die hierdurch entstehenden Kosten herrsche. (Mannheimer Morgen, 10.06.2006, o. S.) (204c) Kein Fahrer wird etwas zugeben, bevor nichts bewiesen ist. (dpa, 15.11.2007, o. S.)  





Drittens kann die Negation nach bevor nicht fokussiert und nicht betont werden. Viertens hat diese Negation auch nicht den semantischen Effekt, den eine Satznegation normalerweise in einem Temporalgefüge hat. Propositionale Negationen (Satznegationen) können in temporalen Subjunktorphrasen nur eingeschränkt auftreten. (205a) *Die Expedition startet, bevor das Versorgungsschiff nicht aufgebrochen ist. (205b) *Wir blieben, bis das Versorgungsschiff nicht aufgebrochen war. (205c) *Sobald das Versorgungsschiff nicht aufgebrochen ist, startet die Expedition. Wenn ein Sachverhalt telisch sein muss, um einen anderen Sachverhalt temporal zu situieren, wie das bei den Zeitpunkt spezifizierenden Subjunktoren bevor, sobald und bis der Fall ist, kann er streng genommen nicht negiert werden. Die Negation erzeugt ja eigentlich ein „Nicht-Ereignis“, das im Unterschied zu einem nicht negierten Ereignisausdruck mit den Testverfahren für Atelizität durchaus kompatibel ist (205d vs. 205e). (205d) *Das Schiff brach monatelang auf. (205e) Das Schiff brach monatelang nicht auf, weil der Weg durch die Beringstraße zugefroren war.

342

C Semantische Konnektorenklassen

Wenn solche Verknüpfungen akzeptabel sind, gehen sie mit einer Uminterpretation einher. Sie werden dann z. B. bei nachdem und als im Sinne eines kausal angereicherten Schemas von Anlass – Reaktion interpretiert, aber nicht mehr als temporale Situierung eines Sachverhalts. Negierte temporale Subjunktorphrasen sind jedenfalls nicht mit wann erfragbar.  

Nachdem das Versorgungsschiff nicht aufgebrochen war, startete die Expedition. (205g) Als das Versorgungsschiff nicht aufbrach, startete die Expedition. (kausal) (205f)

Die „pleonastische“ Negation nach bevor hat jedoch weder den Effekt, eine ungrammatische Struktur zu erzeugen, noch macht sie den Sachverhalt zu einem atelischen Zustandsausdruck. Die hier auftretenden Prädikate und ihre Interpretation sind dieselben wie mit temporalem bevor. Treten hier atelische Prädikate auf, müssen sie zu einer ingressiv-telischen Lesart angepasst werden. (205h) Bevor das Versorgungsschiff nicht eisfrei liegt/nicht getauft worden ist/nicht aufbricht, startet die Expedition nicht. Bevor-Verknüpfungen mit pleonastischer Negation sind semantisch im Vergleich zu den Standard-Temporalverknüpfungen mit bevor auffällig. Die Zuordnung der ArguNTEZEDENS EZEDENS und S EQUENS , und damit die zeitliche Relation, ermente (zeitliches) A NT scheint hier konvers. Wäre bevor in beiden Fällen rein temporal, hätte das zur Folge, dass man es als „autokonversen“ Temporalkonnektor bzw. als temporal polysem (nachzeitig und vorzeitig) beschreiben müsste (so etwa bei Buscha 1989). Tab. C1-9: Zuordnung von A NTEZEDENS und S EQUENS bei bevor in Standardverwendung gegenüber bevor mit pleonastischer Negation S EQUENS

A NTEZEDENS Paul putzt seine Zähne gründlich,

bevor

er ins Bett geht.

Paul geht nicht zu Bett,

bevor

er nicht seine Zähne gründlich geputzt hat. A NTEZEDENS

S EQUENS

In der Literatur wird dagegen meist auf die Nähe zur Konditionalität verwiesen und es wird ein temporales bevor von einem konditionalen bevor nicht unterschieden (Weisgerber 1960, Herweg 1990: 235 f., Duden-Grammatik 2005: 1080). Eine semantische Nähe besteht aber nicht zur Konditionalität generell, sondern nur zu denjenigen Verwendungen von wenn, die temporal und konditional interpretiert werden können. Bevor (…) nicht-Verwendungen teilen mit diesen wenn-Verwendungen eine Restriktion, die temporale bevor-Verknüpfungen nicht haben. Während nämlich temporales bevor  

C1 Temporale Konnektoren

343

auch bei Vergangenheitsbezug iterativ (206a) und singulär (206b) verwendet werden kann, kann bevor mit pleonastischer Negation nur bei Gegenwartsbezug iterativ (206c) und singulär (206d) verwendet werden, bei Vergangenheitsbezug ist dagegen die singuläre Verwendung ausgeschlossen (206f) und nur iterative Lesart (206e) möglich. (206a) Bevor ich nach Hause ging, genehmigte ich mir immer einen Kaffee auf der Piazza. (206b) Bevor ich gestern nach Hause ging, genehmigte ich mir einen Kaffee auf der Piazza. (206c) Bevor ich nicht einen Kaffee getrunken habe, gehe ich nie nach Hause. (206d) Bevor ich nicht einen Kaffee getrunken habe, gehe ich heute nicht nach Hause. (206e) Bevor ich nicht einen Kaffee getrunken hatte, ging ich nie nach Hause. (206f) *Bevor ich gestern nicht einen Kaffee getrunken hatte, ging ich nicht nach Hause. Diese Einschränkung stimmt exakt mit der Distribution des temporalen wenn überein und bevor nicht ist weitgehend durch wenn ersetzbar, wobei allerdings die temporale Eindeutigkeit der Relation, in der bevor spezifischer ist als wenn, nicht zum Ausdruck kommt. (207a) Paul geht nicht zu Bett, wenn er nicht (vorher) seine Zähne gründlich geputzt hat. (207b) Paul geht erst dann zu Bett, wenn er (vorher) seine Zähne gründlich geputzt hat. Negierte bevor-Verknüpfungen sind also weniger mit Konditionalverknüpfungen (und deren gesamter Faktivitätsbandbreite) verwandt, als vielmehr mit temporalen wennVerknüpfungen. In der Linearisierung haben Verwendungen von bevor mit Negation eine etwas schwächer ausgeprägte Postpositionstendenz als rein temporale bevorVerknüpfungen. Eine 100er-Stichprobe ergab 58% postponierte gegenüber 42% anteponierten Subjunktorphrasen mit bevor (…) nicht. Die in Weisgerber (1960) behauptete Tendenz zur Anteposition negierter bevor-Sätze kann zwar in dieser Form nicht bestätigt werden,28 es liegt aber doch formal eine erkennbare Angleichung an das Linearisierungsmuster von Konditionalverknüpfungen vor. Die Umkehrung der Sequenzrelation zwischen externem und internem Konnekt und die mit temporalem wenn vergleichbaren Restriktionen machen die zusätzliche Negation im internen Konnekt zu einem Indikator für eine gemischt temporal-kon-

28 Krifka (2010: Fn. 5) gibt auf der Basis des DWDS-Korpus eine noch ausgeprägtere Postpositionstendenz für bevor (…) nicht-Phrasen an.  

344

C Semantische Konnektorenklassen

ditionale Relation. Ihr Auftreten ist ein sprachhistorisches Relikt und letztlich wie jede pleonastische Negation aus Gesichtspunkten der Sprachverarbeitung heraus zu begründen.29 Pleonastische Negationen sind auch belegt bei Negationspronomina (niemand nicht) nach den Konnektoren außer, beim negierten Komparativ (nicht anders … als dass nicht) und vor allem nach negativ-implikativen Verben wie zweifeln, befürchten, abhalten, verhüten, hindern etc., wo sie in älteren Sprachstufen, aber auch z. B. im Lat. üblich waren (timeo ne = ‚ich fürchte dass‘). Reichhaltiges Belegmaterial bietet Paul (1968: 334–357), ferner Dal (1966: 165 f.). Während aber pleonastische Negation in all diesen Fällen heute als nicht normgerecht gilt, hat sie sich im Kontext von bevor und ehe erhalten und ist dahingehend funktionalisiert, eine nicht-temporale Relation anzuzeigen. Entgegen der Behauptung bei Weisgerber (1960: 303) ist aber nicht jede Negation im internen Konnekt von bevor pleonastisch. In den folgenden Beispielen, in denen keine zusätzliche Negation im externen Konnekt auftritt, ist die Verknüpfung temporal zu interpretieren und die Negation muss wahrheitskonditional verrechnet werden: Der situierte Sachverhalt gilt vor dem Eintritt des im internen Konnekt bezeichneten Zustands, der seinerseits durch die Abwesenheit einer Entität charakterisiert wird.  



(208a) Die Leningrader kamen mit dem letzten Zug heraus, bevor keine Maus mehr die Stadt verlassen konnte. (Berliner Zeitung, 19.09.2002, S. 11) (208b) Auch in Bayern kann die Bodenversiegelung gestoppt werden, bevor kein freier Fleck mehr da ist.  

Bevor kann als einer der wenigen temporalen Konnektoren auch auf der Sprechaktebene verknüpfen. Nur in diesem Fall kann die Subjunktorphrase auch desintegriert an der Nullstelle auftreten. (209) (210a)

Bevor jetzt alle weglaufen. Nächste Woche fällt der Kurs aus. Bevor ich es vergesse: Du sollst Hans anrufen.

29 Pleonastische Negationen sind generell ein Problem für eine kompositionale Bedeutungsbeschreibung, die Ausdrücke einzeln verrechnet. Bevor nicht als eine Art idiomatischen komplexen konditionalen Subjunktor zu beschreiben, ist keine Lösung, da die Negation erstens nach negiertem externen Konnekt nicht obligatorisch auftritt und zweitens nicht adjazent zum Subjunktor stehen muss. Ältere Erklärungen als Gliederungsverschiebung aus einer parataktischen Verknüpfung mit einem Adverb eher/bevor (vgl. zu früheren Erklärungen Weisgerber 1960) lassen das Übereinzelsprachliche an diesem Phänomen und die offenkundige Nähe zu anderen Formen doppelter Verneinung (vgl. Jacobs 1991: 568, 595 f.) außer Acht. Eine Verrechnung der Negation auf einer anderen Ebene, nämlich als „propositionale“ Negation, die sich von der „assertiven“ Satznegation unterscheidet, bietet Krifka (2010). Jacobs (1991) erwägt als Ausweg eine Art „holistische“ Verrechnung der Negationsformen bei der kompositionalen Bedeutungsbeschreibung. Auch eine Beschreibung im konstruktionsgrammatischen Rahmen wäre für pleonastische Negationen denkbar.  

345

C1 Temporale Konnektoren

Die temporale Interpretation ist hier nicht getilgt, aber überlagert durch eine finalnegative, die transparent wird durch den Einschub eines Kommunikationsverbs. (210b) Bevor ich es vergesse, teile ich dir mit p (210c) Damit ich es nicht vergesse, teile ich dir mit p.

1.3.2.3 Die Sequens markierenden Postponierer wonach, worauf, woraufhin Die temporalen Postponierer wonach, worauf und woraufhin sind ihrer Form nach Relativadverbien. Worauf und woraufhin sind als Konnektoren nur temporal gebräuchlich, wonach dagegen äußerst selten, wie in (211); in einer Stichprobe von 100 wonach-Belegen fand sich kein einziger temporaler. Die übliche Verwendung ist die attributive als Spezifikation des Inhalts eines Nomens, das einen Kommunikationsakt bezeichnet (Behauptung, Bericht, Vorwurf, Weisung, Resolution, Gerücht etc.) wie in (212). Wonach hat sich damit seiner Bedeutung nach als relative Variante zum Pronominaladverb demnach, aber nicht zum temporalen danach spezifiziert. (211)

An der unteren Seite des Deckels von diesem Kasten werden zwei bis drei Lagen Löschpapier mit Nägeln befestigt, und auf dieses Futter wird ein wenig Lösung von Anilin in Benzol gegossen. Dann wird der Deckel auf den Kasten gelegt, wonach die Anilindämpfe auf das belichtete Papier einwirken und sämtliche der Einwirkung des Lichtes nicht ausgesetzt gewesene Teile schwärzen. (Bild der Wissenschaft, Jan. 1967, S. 12) Bonner Sicherheitskreise bestätigten das Gerücht, wonach der Eingriff damals abgebrochen worden sei. (die tageszeitung, 31.08.1989, S. 1)  

(212)



Worauf und woraufhin haben bezüglich der Tempora nur die Einschränkung, dass das interne Konnekt – das temporale Sequens – nicht durch ein zusammengesetztes Tempus als vorzeitig gegenüber dem externen Konnekt gekennzeichnet werden darf. Üblich sind einfache Tempusformen in beiden Konnekten wie in (213) und (215), aber auch Vergangenheitstempora und Futur treten auf. In der Situierung bezüglich des Sprechzeitpunkts sind diese Postponierer neutral, neben dem (häufigeren) Vergangenheitsbezug wie in (213), (214) ist auch Zukunftsbezug wie in (215), (216) und (217) möglich. (213)

Anschließend forderte er Geld, woraufhin ihm sein Opfer 2000 Schilling gab . (Neue Kronen Zeitung, 04.05.1995, S. 17) Aufkommender Wind hatte die Algen im Lauf des Samstags wieder aufs Meer hinausgetrieben , worauf das Baden überall wieder erlaubt wurde . (die tageszeitung, 11.08.2003, S. 24)  



(214)







346

(215)

C Semantische Konnektorenklassen

Das von der Stadt eingebaute Office für Anlässe wird ebenfalls erneuert, worauf Anfang September auch die Sportvereine wieder einziehen können . (St. Galler Tagblatt, 23.06.2000, o. S.) Wir erleben zwei Paare, zwei Intrigen und jede Menge Verwirrungen. Claudio wird sich in Hero verlieben, Don Juan wird intrigieren , worauf Claudio Hero hassen wird . (Berliner Zeitung, 21.07.2005, S. 1) Ich würde ihr aus Versehen – oops – etwas Bier über das zusammengeknotete Hemd schütten , worauf sie gezwungen wäre , das Teil auszuziehen, was sie mit einem milde tadelnden Lächeln auch tun würde. (die tageszeitung, 25.08.2001, S. 27)  



(216)







(217)







Postponierertypisch ist die Nicht-Erfragbarkeit der Postponiererphrase und die geringe Integriertheit der Verknüpfung. Die beiden Konnekte haben separate Fokus-Hintergrund-Gliederungen und können auch prosodisch vollkommen desintegriert sein – als separate Intonationsphrasen mit fallendem Grenzton wie in (218) und (219), was hier durch die Interpunktion eindeutig gemacht wird. Semantisch geht es weniger um eine temporale Situierung eines Sachverhalts durch einen Referenzsachverhalt als vielmehr um eine quasi-parataktische temporale Sequenzierung von Sachverhalten: p, und dann q. In der aspektuellen Charakteristik sind die Konnekte beschränkt auf telische Prädikate; worauf(hin) signalisiert Ereignissequenzen. In (219) ist eine solche Ereignissequenz in stilistisch auffälliger Weise durch eine Reihung mit woraufhin wiedergegeben. (218)

Paasches „Forschungsreise“ thematisiert mit deutlich antikolonialistischen Akzenten die Mechanismen der Enteignung und Ausbeutung. Woraufhin Paasche für verrückt erklärt und 1920 vom berüchtigten Freikorps „Brigade Ehrhardt“ ermordet wurde. (die tageszeitung, 19.09.1989, S. 5) Sommertheater auf der Landesbühne. Da lassen die Sozialdemokraten die Volkspartei in einer heiklen Causa nach der anderen alleine stehen, um sie als Macher-Durchzieher-Betonierer-Partei bloßzustellen. Die VP sucht im Gegenzug jede Gelegenheit, die Landesrätin für Naturschutz und Wohnbau, Barbara Prammer, als inkompetent und überfordert abzuqualifizieren. Woraufhin die Sozialdemokraten Baulandesrat Franz Hiesl als Intimfeind auserkoren und zum Inbegriff an Tatenlosigkeit ernannt haben. Woraufhin sich Schwarz und Rot den nicht und nicht zustande kommenden Nationalpark gegenseitig in die Schuhe schieben. Woraufhin das Publikum zum ersten Mal gelangweilt entschlummert. Woraufhin die umfrageverliebte VP Daten präsentiert, nach denen SPChef Fritz Hochmair im Ansehen der Landsleute so ziemlich das Vorletzte sei. Woraufhin wiederum die SP mit anderen Umfragedaten kontert, nach denen Landeshauptmann Josef Pühringer drauf und dran sei, samt seinem Lieb 

(219)

347

C1 Temporale Konnektoren

lingskraftwerk die Traun hinunterzuschwimmen. (Oberösterreichische Nachrichten, 30.07.1996, o. S.)  

An (219) kann man auch gut beobachten, dass bei worauf(hin) konsekutive Bedeutungsanreicherungen konventionalisiert sind; man vergleiche auch die entsprechende Verwendung der Präposition auf (… hin) in Sätzen wie auf eine Beschwerde hin wurde die Genehmigung zurückgezogen. p worauf(hin) q wird im Sinne eines AnlassReaktion-Schemas verstanden. In Verknüpfungen von Sachverhalten, die inhaltlich voneinander unabhängig sind und/oder zwischen denen eine größere zeitliche Distanz liegt, wirken diese Konnektoren seltsam. (220a) Schon im 1. Jh. waren keltische Volksstämme in Rom eingefallen, bevor im 5. Jahrhundert die Vandalen Rom verwüsteten. (220b) ? Im 1. Jh. fielen keltische Volksstämme in Rom ein, woraufhin im 5. Jahrhundert die Vandalen Rom verwüsteten.  



1.3.2.4 Sequenzmarkierende Adverbkonnektoren: dann, danach, daraufhin, davor, vorher Unter den temporalen Adverbkonnektoren gibt es einige, bei denen neben einer kontextrelativen (satzverknüpfenden) Verwendung auch sprechzeitrelative Verwendung möglich ist (s. Tab. C1-2). Hier interessieren nur die kontextrelativen Verwendungen. (Zum System der deiktischen Temporaladverbien vgl. Steube 1980, GDS: 338–353 und Timmermann 2000.) (221a) (221b)

Ich komme später. (sprechzeitrelativ) Man drückt auf den Bildschirm und ein paar Minuten später kommen die Bratwürste angerauscht. (Süddeutsche Zeitung, 31.03.2007, o. S.; Bsp. aus Marillier 2008: 77) (kontextrelativ)  

Zum Ausdruck von Sequenzrelationen bieten die Adverbkonnektoren ein zahlenmäßig sehr viel größeres und semantisch feiner differenziertes Inventar als die Subjunktoren und Postponierer. Hinzu kommt, dass einige dieser Adverbkonnektoren auch in der Kombination mit chronometrischen und kalendarischen Ausdrücken eine präzisere Eingrenzung des Abstands zwischen zwei Sachverhalten erlauben. Dafür gibt es mehrere, syntaktisch unterschiedlich zu analysierende Muster, in denen jeweils nicht alle Adverbkonnektoren auftreten können. (i)

p. Am Tag/in der (dritten) Woche/im (ersten) Jahr/am Sonntag/im Dezember danach/darauf/davor/vorher q.

348

C Semantische Konnektorenklassen

Der (kontextrelative) Adverbkonnektor ist Attribut zu einem Nomen in einer adverbialen PP oder NP, das eine konventionell definierte Zeitspanne (Tag, Woche, Monat etc.) bezeichnet. Das gesamte Adverbiale ist Zeitpunkt spezifizierend (positionell) und liefert eine Referenzzeit als Zeitrahmen, innerhalb dessen der im Trägerkonnekt bezeichnete Sachverhalt situiert ist. (222a)

Am Samstag machte Hans einen langen Spaziergang durch den Eichenwald. Am Tag/am Morgen/in der Woche {danach/darauf/*später} bekam er einen heftigen Hautausschlag.

Eine Konkurrenzform hierzu sind adjektivische Erweiterungen des Nomens: am folgenden/nächsten/vorherigen Tag. (Die Adjektive nächst- und vorherig- können auch deiktisch verwendet werden, vorig- kommt nur in der deiktischen Reihe vor.) (ii)

p. Einen Tag/zwei Stunden/vier Wochen/ein Jahr danach/darauf/später/ davor/vorher/früher q.

Der (kontextrelative) Adverbkonnektor ist Kopf einer Adverbphrase, die durch eine linksadjazente NP mit denselben Eigenschaften wie in (i) erweitert ist. Auch hier liefert das gesamte Adverbiale die Referenzzeit für den situierten Sachverhalt, der Abstand wird jedoch stärker betont. Durch die Unmarkiertheit des Kardinalzahlsystems gegenüber dem in (i) zum Einsatz kommenden Ordinalzahlsystem, bei dem nur einige wenige Formen auch lexikalisierte, gebräuchliche Formen sind, steht hier eine größere Bandbreite der temporalen Abstandsbezeichnung zur Verfügung. (222b)

(222c)

(iii)

Am Samstag machte Hans einen langen Spaziergang durch den Eichenwald. Zwei Tage/drei Stunden/anderthalb Wochen {danach/darauf/später} bekam er einen heftigen Hautausschlag. … 20 Minuten danach/#in der zwanzigsten Minute danach/?in der eineinhalbten Woche danach bekam er einen heftigen Hautausschlag  

p, unmittelbar/gleich/direkt/exakt/genau (zwei Minuten/eine Stunde) danach/davor/darauf q

Auch in diesem Fall ist der (kontextrelative) Adverbkonnektor der Kopf der Adverbphrase, die ihrerseits nach dem Muster von (ii) erweitert sein kann. Die gesamte Adverbphrase wird durch ein graduierendes Adjektiv oder Adverb erweitert, das den zeitlichen Abstand zwischen Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt exakt eingrenzt. Auf diese Weise kann kombinatorisch auch mit einem grenzneutralen Adverb ein Grenzbezug ausgedrückt werden.

C1 Temporale Konnektoren

(222d)

(222e)

349

Am Samstag machte Hans einen langen Spaziergang durch den Eichenwald. Unmittelbar/gleich/direkt/exakt/genau {danach/darauf/?hernach/?nachher/hinterher} bekam er einen heftigen Ausschlag. Am Samstag Abend bekam Hans einen heftigen Ausschlag. Unmittelbar/ gleich/direkt/exakt/genau {davor/zuvor/vorher} hatte er einen langen Spaziergang durch den Wald gemacht.

In Hinsicht auf die Modifizierbarkeit nach den Mustern (i) und (ii) bilden die temporalen Adverbkonnektoren zwei Gruppen: in der Regel lassen nur die mit Präpositionen gebildeten eine genauere Bestimmung des Abstands zu. Ausnahmen bilden das nicht modifizierbare daraufhin sowie später und früher, die Modifikation nach dem Muster (ii) erlauben.  

(222f) (222g)

*10 Minuten/einen Tag {dann/alsdann/sodann/alsbald/anschließend/daraufhin/endlich} bekam er einen heftigen Ausschlag. *10 Minuten/einen Tag {anfänglich/zuerst/zunächst} hatte er einen langen Spaziergang durch den Wald gemacht.  



Einige wenige Adverbkonnektoren können auch selbst eine unmittelbare Aufeinanderfolge der relationierten Sachverhalte zum Ausdruck bringen. Sofort und sogleich sind selbst grenzbezogene Adverbkonnektoren, können aber auch als zusätzlicher Modifikatoren zu grenzneutralen Adverbkonnektoren treten. (223)

Nun war ihrem Manne geholfen; folgenden Tags ging er zu dem Stein, klopfte darauf, und sogleich drang das Wasser hervor. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 217) „Die Frau Klapperstock ist krank“, vermeldet er seinem Regisseur. „Aber ich mach das schon, Chef“ beruhigt er ihn sogleich darauf – bevor er mit quietschigem Stimmchen die Hofdame „Ulrike Dorothee“ mimt. (Rheinzeitung, 26.08.2003, o. S.)  

(224)



Bei den A NTEZEDENS NT EZEDENS -Markern sind solche, die quasi kataphorisch aus dem linear ersten Konnekt heraus „nach rechts“ eine Erwartung auf eine Fortsetzung aufbauen, von anaphorischen zu unterscheiden. Letztere haben überwiegend die Form von Pronominaladverbien (davor, zuvor, vorher) und verweisen mit ihrem pronominalen Teil nach links auf einen Sachverhalt, den sie als zeitlich späteren ausweisen. Bei diesen antiikonisch kodierten, parataktischen Verknüpfungen ist der zeitlich frühere Sachverhalt oft durch ein Vorzeitigkeitstempus markiert, das aber nicht obligatorisch ist. (225)

Niemand kontrollierte ihn mehr. Im Wald hatte er bereits drei Stunden zuvor ein Loch gebuddelt. Den Leinensack mit der Million vergrub er dort. (Bildzeitung, 02.01.1967, S. 8)  

350

(226)

C Semantische Konnektorenklassen

Er war sichtlich über die Begegnung erfreut und wollte mir Weimar zeigen. Vorher gingen wir zum Schloss und ich erledigte meinen Auftrag, ohne Angst. Dann ging ich mit ihm in die Mensa, dort aß er zu Mittag. (DIV/IRR, Ripperger, Rückblicke, S. 152)  

Die kataphorisch verwendeten signalisieren, dass der Trägersatzsachverhalt als Auftakt in einer Sequenz von mindestens zwei Ereignissen zu verstehen ist. Oft treten diese Adverbien korrelativ mit einem Sequensmarker oder einem absoluten Temporaladverbial im Folgekonnekt auf. Die Sequenz wird hier in der Regel nicht zusätzlich durch ein Vorzeitigkeitstempus markiert. Die temporale Folge kann gleichzeitig einen Kontrast enthalten: anfangs p, aber dann q. (227)

Die Schüler lehnten ihn anfänglich nicht nur ab, sie machten sich über ihn lustig. Aber allmählich änderte sich das Bild. Poldi wurde Anlaufstation für unzählige Probleme. (DIV/DSP, Scholz, Poldi, S. 231) Sie schrieb anfangs namenlos und dann unter ihrem Spitznamen Marie. (DIV/OFM, Friedrich, Dates, S. 121) Zunächst hatte diese Revolution keine Auswirkungen auf Madame Gaillards persönliches Schicksal. Dann aber – sie war nun fast achtzig – hieß es mit einem Mal, ihr Rentengeber habe emigrieren müssen, sei enteignet und sein Besitz an einen Hosenfabrikanten versteigert worden. (Süskind, Parfum, S. 39)  

(228)



(229)



Bei anaphorischem Verweis muss der Referenzsachverhalt nicht in einem Satz ausgedrückt sein. Als externes Argument des Konnektors kann auch ein propositionsdenotierendes Nomen fungieren wie in (230), oder aber der Referenzsachverhalt bleibt implizit und ist aus dem weiteren Kontext zu erschließen wie in (231). (230)

Das schwere Brandunglück trifft die Pfarrei umso empfindlicher, als kurz vorher die Kirche renoviert, das Pfarrhaus instand gestellt und die Kaplanei neu erbaut worden ist. (St. Galler Tagblatt, 20.09.1997, o. S.) Er könne hier sicher auch Erkenntnisse gewinnen, die er im Berufsleben brauchen könne, sagt zum Beispiel einer der Erstdelinquenten. Er ist Akademiker und war „vorher“ in führender Stellung tätig. (St. Galler Tagblatt, 11.09.1997, o. S.)  

(231)



Die S EQUENS -Marker sind durchweg anaphorisch. Sie denotieren einen bestimmten Abstand oder bringen nur unbestimmt zum Ausdruck, dass der Trägersatzsachverhalt auf einen anderen Sachverhalt folgt. Daraus ergibt sich häufig via Implikatur auch ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten. Bei darauf und in noch stärkerem Maße bei daraufhin ist das Auslöser-Reaktion-Schema auch Bestandteil der Bedeutung und es gilt das in C1.3.2.3 zu worauf und woraufhin Gesagte.

351

C1 Temporale Konnektoren

(232)

Um der Rache der Gangster zu entgehen, war er ins Gefängnis gegangen. Die Gangster hatten daraufhin beschlossen, seine Tochter umzubringen. (MK2/ TRI, Cotton. Teenager, 08.04.1968, S. 13) #Im Januar regnete es. Daraufhin fiel Schnee.  

(233)

Dann kann als der prototypische Sequensmarkierer angesehen werden. Es weist in erzählenden Texten eine hohe Frequenz auf, häufig in der Kombination und dann. (234)

Aus der Schublade des Schreibtischs holte er ein frisches weißes Spitzentuch und entfaltete es. Dann öffnete er den Flakon durch eine leichte Drehung des Stöpsels. (Süskind, Parfum, S. 78) Er holte eine Flasche Wein aus dem Laden, denn die Hitze machte ihn durstig, und Weintrinken, das war auch wie früher. Und dann fing er an, Geschichten zu erzählen, von damals, endlos. (Süskind, Parfum, S. 126)  

(235)



Da kann als neutral situierender Adverbkonnektor mitunter für den spezifischeren Sequenzkonnektor dann eintreten, wobei da in stärkerem Maße als dann einen Kausalzusammenhang impliziert. (236) Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei. (236a) Da nahm der Koch den Löffel, und schlug den Hund entzwei. (236b) Dann nahm der Koch den Löffel, und schlug den Hund entzwei. Umgekehrt kann dann nicht für Koinzidenz markierendes da stehen. (237a)

Nach einer Weile sah Grenouille aus wie ein von innen gesteinigter Märtyrer, aus hundert Wunden schwärend. Da machte sich Baldini natürlich Sorgen. (Süskind, Parfum, S. 130) ≠ Dann machte sich Baldini natürlich Sorgen.  

(237b)

In der reinen Sequenzierungsfunktion hat dann eine Präferenz für die Vorfeldposition. Ist der situierte Sachverhalt ein Resultat des Referenzsachverhalts, ist die Vorfeldposition von dann weniger geeignet als die Mittelfeldposition (Roßdeutscher/von Stutterheim 2006). (238a) Zunächst wird der Karton entfernt, der zur Blockierung und zum Schutz der Typenhebel eingelegt ist; dann klappt man den Zeilenschalthebel nach vorn. (MK2/GBR, Gebrauchsanleitungen, (1960–1974)) (238b) Während die linke Hand den Wagen zurückführt, hält der rechte Zeigefinger die Randauslösetaste niedergedrückt. Der Wagen wird dann automatisch 10 Abstände vor dem links eingestellten Rand angehalten. (MK2/GBR, Gebrauchsanleitungen, (1960–1974))  

352

C Semantische Konnektorenklassen

Drängt sich jedoch bei einer Verknüpfung mit dann ein Kausalzusammenhang inhaltlich auf, ist der so der Unterschied zwischen Vorfeld- und Mittelfeld-dann nicht so auffällig. (S. dagegen aber die Analyse von Roßdeutscher/von Stutterheim 2006). (239a) Er trank eine Flasche Wodka aus. Dann fiel er einfach um. (239b) Er trank eine Flasche Wodka aus. Er fiel dann einfach um. Dann hat neben der temporalen eine wichtige Funktion bei der Kodierung von Konditionalität. Es ist der – einzige – Adverbkonnektor, der die Konverse zu den konditionalen Subjunktoren wenn, falls, sofern und den konditionalen V2S-Einbettern bilden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass das externe Konnekt – beispielsweise durch Modalisierung – als nonfaktisch erkennbar ist. Dafür muss man keine andere Bedeutung von dann annehmen: die temporale Sequenz bezieht sich hier auf einen vorgestellten Sachverhalt als A NTEZEDENS . Konstruktionen dieses Typs sind immer äquivalent mit einer korrelativen Konditionalverknüpfung mit linksversetztem A NTEZEDENS und wiederaufnehmendem dann. (240a) Haben Sie noch Fragen? Dann schreiben Sie bitte an die Ärztinnen der Dr. Carl Hahn KG, Wissenschaftliche Abteilung, 4 Düsseldorf, Postfach 3820. (MK2/GBR, Gebrauchsanleitungen, (1960–1974)) (240b) Wenn Sie noch Fragen haben, dann schreiben Sie bitte an die Ärztinnen. (241a) Es ist daher sinnlos, den Automaten zur schnelleren Anheizung zunächst auf Leinen einzustellen und nachher herunterzuschalten. Der Automat ist dann viel zu heiß und kann Sengschäden verursachen. (MK2/GBR, Gebrauchsanleitungen, (1960–1974)) (241b) Wenn Sie den Automaten zunächst auf Leinen einstellen und nachher herunterstellen, dann ist der Automat viel zu heiß. (242) Wenn ein Keilriemen abgerissen ist, leuchtet das rote Lämpchen für Ladekontrolle am Armaturenbrett auf (die vom Keilriemen angetriebene Lichtmaschine arbeitet dann nicht mehr, ihr Ausfall wird durch rotes Lämpchen angezeigt). Dann sofort anhalten! nicht mehr weiterfahren! (MK2/HAB, Anweisungen, (1961, 1966, 1972))  

Aus dieser Funktion heraus ergibt sich auch die Verwendung von dann als Korrelat in attributiven Korrelatkonstruktionen wie in (243) und in Linksversetzungskonstruktionen wie (244) mit konditionalen Subjunktor- oder V2S-Einbetter-Phrasen. (243)

(244)

Der Musterung dürfen Sie aber nur dann fernbleiben, wenn Sie einen entsprechenden schriftlichen Bescheid vom Kreiswehrersatzamt erhalten haben. (MK2/HAB, Anweisungen, (1961, 1966, 1972)) Wenn ein Keilriemen gerissen ist, dann muss man sofort anhalten.

C1 Temporale Konnektoren

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Diese Funktion kann dann auch textphorisch ausüben: (245)

Dabei gilt in der Thetatheorie: Jedes Argument erhalt genau eine Theta-Rolle und jede Theta-Rolle wird genau einem Argument zugewiesen. Für die Strukturen von (3) und (4) ergibt sich dann eine Repräsentation, die etwa so aussieht. (HDK-2)

Die Adverbien nachher und hernach werden in erster Linie sprechzeitrelativ (deiktisch, s. 26a) gebraucht, doch sind vereinzelt auch kontextrelative Verwendungen (246b, 247) belegt, bei hernach vor allem in Quellen aus der Schweiz und Österreich. (246a) Und weiter? Wir dinieren nachher mit dem Schloßherrn. (MK2/TRI, Uhl, Mitternacht, S. 11) (246b) Es ist daher sinnlos, den Automaten zur schnelleren Anheizung zunächst auf Leinen einzustellen und nachher herunterzuschalten. (MK2/GBR, Gebrauchsanleitungen, (1960–1974) (247a) Erst in der Wortstellungskomponente (W) werden diese Kategorien auf Grund dependentieller, morphologischer und semantischer Merkmale, die ihnen in den Komponenten B und D zugeordnet wurden, in eine geregelte Abfolge gebracht; zunächst in eine „Normalfolge“ (s. 4.4.), hernach unter Umständen in gewisse Folgevarianten. (MK2/WF1, Forschungsberichte, S. 18) (247b) Kohl besprach sich in Poitiers auch mit Premierminister Jospin; beide sagten hernach, sie wollten eine Einigung über den Stabilitätspakt. (St. Galler Tagblatt, 14.06.1997, o. S.) (247c) Die Helfer haben den Zaun durchgesägt und dem Mann Luft verschafft. Hernach hat er sich auf eine Bank gelegt und seinen Rausch ausgeschlafen. Ob er heute noch weiß, was da passiert ist? (Frankfurter Rundschau, 15.07.1999, S. 19)  







Unter den nicht modifizierbaren Sequens-Markierern finden sich mit endlich, schließlich, zuletzt und zuguterletzt (das übrigens keineswegs auf positive bewertete Sachverhalte beschränkt ist, wie der Bestandteil gut suggerieren könnte) Sequenz-Adverbien mit der zusätzlichen Bedeutungskomponente, dass sie den situierten Sachverhalt als letzten in einer Sequenz kennzeichnen. Sie können kombiniert mit dann auftreten (248, 249). Komplementär dazu weisen die kataphorischen A NTEZEDENS -Marker anfangs, anfänglich, erst, zuerst, zunächst den situierten Sachverhalt als ersten in einer Sequenz aus (248). Diese Adverbien treten in Sequenzen mehrerer Sachverhalte auch oft zusammen auf. (248)

Erst die Plackerei mit den Möbeln und die Furcht vor Schäden, dann die mühselige Reinigung am alten Ort. Und zuguterletzt ein pingeliger Vermieter, der bei der Wohnungsabnahme mit dem Finger über die Lamellen fährt

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C Semantische Konnektorenklassen

und das blässliche Fleckchen auf dem Spannteppich mit Garantie findet. Nie wieder! (St. Galler Tagblatt, 11.03.1999, o. S.) Daraufhin sah sich auch der US-Kongreß zum Handeln gezwungen und übte so Druck auf die Bush-Administration aus. Ende Juni dann schließlich stimmte der Geheimdienstausschuß des Senats für eine Beendigung des geheimen Hilfsprogramms an die beiden nichtkommunistischen Partner der Sihanouk-Koalition. (die tageszeitung, 20.07.1990, S. 9)  

(249)



Die Systematik der Adverbkonnektoren, die Sequenzrelationen ausdrücken, ist in Tab. C1-10 zusammengefasst. Adverbien, die auch eine sprechzeitrelative Verwendung haben, sind unterstrichen.  

Tab. C1-10: Adverbkonnektoren zum Ausdruck von Sequenz-Relationen A NTEZEDENS -Markierer grenzneutral

S EQUENS -Markierer (anaphorisch)

grenzbezogen

grenzneutral

grenzbezogen

kataphorisch

anaphorisch

kataphorisch

anaphorisch

nicht modifizierbar

modifizierbar

nicht modifizierbar

anfänglich bereits erst erstmal zuerst zunächst

davor früher vorher zuvor

eben gerade kaum

eben gerade

alsbald alsdann dann daraufhin endlich nun nunmehr schließlich sodann zuguterletzt zuletzt

danach darauf hernach hinterher nachher später

anschließend fortan fürderhin sofort sogleich

Adverbkonnektoren üben in der Regel aufgrund der fehlenden syntaktischen Bindung auch weniger semantische Restriktionen auf ihre Konnekte aus. Das gilt auch für die temporalen Adverbkonnektoren. So haben sie keinerlei spezifischen Bezug zum Sprechzeitpunkt und können zukunfts- und vergangenheitsbezogen verwendet werden. (250)

(251)

Meiner Seel, jetzt sauf ich mir einen an, und dann erschieß ich meine Alte. Und dann spring ich zum Fenster naus, aber vorher zünd ich noch alles an. (Horvath, Nacht; Bsp. aus Marillier 2008: 82) Knapp 22 Minuten dauerte die Männer-Abfahrt und war damit das kürzeste Skirennen in der Weltcup-Geschichte. Vorher war die Abfahrt drei weitere Male verschoben worden, die Frauen-Abfahrt abgesagt, dann – auf Kosten des ebenfalls annullierten Super-G – wieder neu angesetzt worden, ehe die  

C1 Temporale Konnektoren

355

Jury aus Sicherheitsgründen den endgültigen Abbruch des Frauenrennens verfügte. (St. Galler Tagblatt, 14.03.1998, o. S.)  

Strikte Tempusrestriktionen gibt es hier ebenfalls nicht und auch in der aspektuellen Charakteristik sind Verknüpfungen mit temporalen Adverbkonnektoren weniger festgelegt als solche mit temporalen Subjunktoren. In der Regel verknüpfen SequenzKonnektoren Ereignisse, eine Restriktion auf telische Prädikate ist daraus aber nicht abzuleiten, schon allein deshalb, weil der Referenzsachverhalt nicht unbedingt durch den gesamten vor dem Trägersatz stehenden Satz repräsentiert wird. So ist in (252) der Referenzsachverhalt als Zeitintervall, in dem der Reichstag stattfindet, zu interpretieren. Damit eine Verknüpfung mit einem A NTEZEDENS -Marker wie zuvor akzeptabel ist, muss der Referenzsachverhalt lediglich nach links begrenzt sein. Das ist in (252) der Beginn des Reichstags, in (253) ist es der Beginn eines drei Monate währenden Zustands. Entsprechend gilt für Sequenz-Marker, dass der Referenzsachverhalt nach rechts begrenzt und damit telisch oder zumindest telisch interpretierbar sein muss. (252)

Der prominenteste Gast dieses Reichstages war der Dänenkönig Heriold. Er hatte zuvor in St. Alban in Mainz zusammen mit seiner Gemahlin und seinem Sohn Göttrik die heilige Taufe empfangen und kam nun nach Ingelheim, um mit dem frommen Kaiser Geschenke auszutauschen. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 389) Seit drei Monaten stand nun Johann im Feld. Zuvor war ihm in der Garnison der harte Drill verinnerlicht worden, der oft an den Grenzen der menschlichen Würde nagte. (DIV/RMR, Müller, Ritter, S. 117)  

(253)



1.3.2.5 Grenzbezogenen Konnektoren im Übergangsbereich zwischen Sequenz und Koinzidenz: sobald, sowie und kaum (dass) Ähnlich wie nachdem und bevor unter den grenzneutralen Temporalkonnektoren meist (zu Unrecht) als Konversen bezüglich der Zeitrelation zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt beschrieben werden, gehen Grammatiken bei den grenzbezogenen Subjunktoren von einem konversen Verhältnis zwischen sobald, sowie und kaum dass bzw. dem syntaktischen Einzelgänger kaum als VorzeitigkeitsNT EZEDENS markierend) und bis als Nachzeitigkeitskonnektor konnektoren (bzw. A NTEZEDENS (S S EQUENS markierend) aus. Dabei wird übersehen, dass bis-Phrasen eine Zeitdauer und nicht einen Zeitpunkt spezifizieren. Sobald, sowie und kaum (dass) situieren einen Sachverhalt durch Bestimmung seiner linken Grenze, also von seinem Anfang her. Daraus ergibt sich notwendig eine Restriktion in der aspektuellen Charakteristik: Sowohl der situierte Sachverhalt als auch der Referenzsachverhalt müssen telisch (oder telisch deutbar) sein.

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(254)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Verführung beginnt, sobald jemand einen Laden betritt. (die tageszeitung, 19.01.2007, S. 5) Männer können einfach nicht mit Geld umgehen. Sowie man ihnen welches gibt, führt das regelmäßig in die Katastrophe. Ein Blick auf den Bundeshaushalt sagt alles. (Die Zeit, 26.03.1998, S. 33) Kaum wird das Wetter schön, da bricht das Elend aus. Es ist Heuschnupfenzeit. (Berliner Zeitung, 29.04.2004, S. 2)  

(255)



(256)



Atelische Prädikate im internen Konnekt können nur dann auftreten, wenn sie eine Uminterpretation im Sinne des Nachzustands eines Phasenwechsels (Herweg 1990: 287) erlauben wie in (257). Negierte atelische Prädikate (258) oder zeitlich nicht begrenzte Zustände (259) sind hier nicht möglich. Auch im externen Konnekt werden atelische Prädikate ingressiv gedeutet wie in (260). (257) (258)

(259) (260)

Sobald die Erde frostfrei ist, können Obstgehölze gepflanzt werden. → ‚Sobald die Erde frostfrei geworden ist‘ *Sobald die Erde nicht gefroren ist, können Obstgehölze gepflanzt werden. (allenfalls in einer Lesart von nicht als Phasennegation ‚nicht mehr‘ akzeptabel) *Sobald die Peterskirche am Petersbergerl steht, wird es in München gemütlich. Botulinus-Bakterien […] leben im Uferschlamm der Elbmündung und produzieren ein Nervengift, sobald sie an die Luft kommen. (die tageszeitung, 16.08.1995, S. 6) → ‚beginnen ein Nervengift zu produzieren‘  

Der Bezug zum Sprechzeitpunkt ist bei keinem der drei Subjunktoren beschränkt, bei kaum (dass) ist ein Zukunftsbezug wohl nicht auszuschließen, allerdings kaum belegt. Vergangenheitsbezug (261) Sowie er merkte, daß man bei mir nicht landet mit Malerei und Theater und derartigem, redete er kaufmännisch, nicht skrupellos, aber tüchtig. (MK1/ LFH, Frisch, Faber, S. 99) (261b) Kaum, dass die Olympia-Sportler abgereist waren, konzentrierten sich die TV-Kameras in Sydney auf Eric, das 5 m lange und 550 kg schwere Krokodil im Zoo von Sydney. (Kleine Zeitung, 04.10.2000, o. S.)  







Gegenwartsbezug (262a) Die Verbraucher-Zentrale hat also recht: Sowie die Feiertage vorbei sind, bieten die Händler Dumping-Preise. (die tageszeitung, 22.01.1999, S. 21) (262b) Kaum sickert der erste Frühstrahl durchs Fenster, da toben zwei Kuckucksmännchen in den Büschen. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 259)  



C1 Temporale Konnektoren

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Zukunftsbezug (263a) Der Regierungsrat wird weiter informieren, sobald weitere Details bekannt sind. (St. Galler Tagblatt, 08.08.2001, o. S.) (263b) Sowie der Antrag vorliegt, wird er geprüft werden. (263c) ?Eine Führungsdebatte wird kommen, kaum dass der neue Vorsitzende ins Amt gewählt ist.  

Die durch sobald, sowie und kaum (dass) denotierte temporale Relation zwischen situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt wird meist als unmittelbare Vorzeitigkeit beschrieben (vgl. z. B. Neumann 1972, Steube 1980: 40, Buscha 1989: 102 f., Eisenberg 2004: 522, Helbig/Buscha 1998: 682), eine Art „Verschärfung von nachdem“ (Herweg 1990: 284). Der situierte Sachverhalt kann hier keine eigene, vom Referenzsachverhalt unabhängige genauere zeitliche Situierung erhalten.  



(264a) Nachdem am Wochenende DDR-Bürgerrechtler, der Grüne Christian Ströbele, Peter Gauweiler (CSU) und Hans-Ulrich Klose (SPD) die Begnadigung von Krenz, Schabowski und Kleiber angeregt hatten, folgte gestern die Entrüstung. (264b) *Sobald/sowie am Wochenende DDR-Bürgerrechtler […] die Begnadigung […] angeregt hatten, folgte gestern die Entrüstung. Für die Interpretation als Sequenz sind zusammengesetzte Tempora im internen Konnekt in der Kombination mit einfachem Tempus im externen generell förderlich. Sobald, sowie und kaum treten sowohl mit zusammengesetzten (265–267) als auch mit einfachen Tempora (268–270) im internen Konnekt auf, allerdings in unterschiedlicher Gebrauchsfrequenz. Bei sobald und sowie ist Vorzeitigkeitsmarkierung durch zusammengesetzte Tempora im internen Konnekt deutlich seltener als bei nachdem; Neumann (1972: 88) ermittelt in einem Korpus ein Verhältnis von 7:1 einfache zu zusammengesetzte Tempora. Bei kaum (dass) sind dagegen einfache Tempora eher selten. (265)

Den Reisekranken wird sofort speiübel, sobald sich ihr Transportmittel in Bewegung gesetzt hat. (Kleine Zeitung, 27.06.2000, o. S.) Zur Probe wollte er eine der Salzpflanzen abrupfen; aber sowie er sie nur mit den Fingerspitzen berührt hatte, fuhr er entsetzt zurück. (Preussler, Schilda, S. 63) Kaum hatte er ein ernsthaftes Spiel absolviert, da rebellierte der Rücken wieder. Kaum nahm das Taxi im November 1999 Fahrt auf, wurde es von der Jugend „gestürmt“. (Rheinzeitung, 27.05.2000, o. S.) Die Verführung beginnt, sobald jemand einen Laden betritt. (die tageszeitung, 19.01.2007, S. 5)  

(266)



(267) (268)



(269)



358

(270)

C Semantische Konnektorenklassen

Der Steward holte ihren Sessel hervor, sowie er mich erblickte, und klappte ihn auf […]. (MK1/LFH, Frisch, Faber, S. 95)  

Als Koinzidenzkonnektoren werden sobald und sowie bei Gelhaus (1974a: 59), DudenGrammatik (2005: 1081), Eggs (2006) und in der GDS (1147) klassifiziert. Die Bedeutung wäre dann ‚p im gleichen Augenblick beginnend wie q‘, also ein Zusammenfall der linken Ränder von situiertem Sachverhalt und Referenzsachverhalt. Bei zusammengesetzten Tempora im internen Konnekt kann eine Nachzustandsinterpretation greifen (Beginn eines aus einem Ereignis resultierenden Zustands) und für die zeitliche Relationierung als Koinzidenz wäre dann das Tempus des Auxiliars maßgeblich, sodass man auch in diesem Fall keine zusätzliche „Vorzeitigkeitsannahme“ bräuchte (GDS: 1147). Problematisch für diese Analyse sind Belege, die ein Anlass-ReaktionSchema kodieren, aber ein einfaches Tempus im internen Konnekt aufweisen. Sobald und sowie unterscheiden sich genau darin von nachdem, dass sie Sachverhalte ohne inneren Zusammenhang schlecht verknüpfen können (274 vs. 275). (271)

Sobald man ein Witzchen machte, verlor sie ihr Lächeln. (MK1/LFH, Frisch, Faber, S. 21) Sobald Leo den torkelnden Oskar im Bratenrock erblickte, brach er immer wieder in ein Gelächter aus. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 217) Die Frauen von Tahiti erdolchen dich mit Blicken, ersticken vor Entzücken, sobald der Dollar blitzt. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 83) Es begann zu schneien, unmittelbar nachdem Hans sein Examen bestanden hatte. (Herweg 1990: 293) ? Sobald Hans sein Examen bestanden hatte, begann es zu schneien.  

(272)



(273)



(274) (275)

Auf der Denotatebene kann es sich bei solchen Beispielen nicht um einen gleichzeitigen Beginn von Ereignissen handeln. Auf der Basis der Etymologie muss man aber davon ausgehen, dass die Bedeutung eines Zusammenfalls der linken Grenze die ursprüngliche ist: Sowie und sobald liegt eine Vergleichskonstruktion der Positivstufe, ein Identischsetzen, zugrunde. Sowie (aus mhd. swie) ist nach Paul (2002: 1170) erst seit Ende des 19. Jh.s in der temporalen sobald-Bedeutung üblich geworden, davor sei es „temporal-konditional“. Bemerkenswert ist, dass sich auch sobald in der (in älteren Sprachstufen ebenfalls belegten) Form ohne so im Bairischen in der temporal unspezifischen Bedeutung von wenn, aber auch in konditionaler Bedeutung (277) und im Wunschsatz (278) erhalten hat. (276) (277) (278)

Balst mi net in Ruh laßt, kriagst a Watschn. (Behaghel 1928: 276) Boi’a ned kimd, kreikta ninks. (Kollmer 1989: 448) Wenn er nicht kommt, kriegt er nichts. Bal i ned a so miad waar! (Merkle 1983: 12) Wenn ich nicht so müde wäre!

359

C1 Temporale Konnektoren

Nun ist es aber nicht sehr plausibel, dass der gleichzeitige Beginn zweier Ereignisse erwähnenswert ist, wenn die Koinzidenz rein zufällig ist. Wenn aber ein innerer Zusammenhang zwischen den Ereignissen besteht, ist es wiederum naheliegend, dass es sich dabei um irgendeine Spielart von Kausalität handelt. Auf den inneren Zusammenhang, den z. B. der Koinzidenzkonnektor während nicht suggeriert, weisen auch Schmidhauser (1995: 219 f.) und schon Petkov (1979: 220) hin. Die wörtliche Bedeutung ‚identischer Beginn‘ wird dann ausgeweitet auf Fälle von unmittelbarer Aufeinanderfolge von Sachverhalten (Anlass-Reaktion), sodass nun die rechte Grenze des Referenzsachverhalts mit der linken Grenze des situierten Sachverhalts zusammenfällt, wie in den Beispielen (271)–(277). Diese Bedeutung scheint sobald und sowie von Anfang an zuzukommen, nach den Belegen in Behaghel (1928: 276) und Paul (1968: 356) zu urteilen. Dass mit sobald und sowie Koinzidenz zum Ausdruck gebracht werden kann, muss deshalb als der besondere Fall gelten, der vor allem bei der Nachzustandslesart eines zusammengesetzten Tempus und bei Prädikaten, die den Beginn eines Zustands als Resultat einer Veränderung bezeichnen, auftritt. Sobald und sowie sind weitere Beispiele dafür, dass Koinzidenzkonnektoren eine starke Tendenz zur Bedeutungsanreicherung haben, die entweder in Richtung der Betonung eines Kontrasts zwischen den Sachverhalten geht wie bei während, indes, alldieweil (279b, s. auch C1.3.3.2) oder in Richtung Konditionalität (279a) und Kausalität wie bei indem (279c, s. auch C2.4.4) und solange (s. C1.4.3) und diachron bei weil. Beide können auch in generischen Kontexten verwendet werden.  



(279a) Sobald/sowie eine Buslinie nur noch stündlich verkehrt, ist sie nutzlos. (279b) Während wir erst zwei Tage auf eine Antwort Kubas warten, wartet der Fernsehjournalist Andreas Holst schon seit Juni auf eine Antwort des State Departments. (die tageszeitung, 09.09.1989, S. 7) (279c) Husserl hat ein günstigeres Schicksal gehabt, indem sein Nachlaß von behutsamen Händen verwaltet und jetzt zu wesentlichen Teilen veröffentlicht […] wurde. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 170)  



Sobald und sowie werden regelmäßig als synonym beschrieben (vgl. z. B. Buscha 1989: 113 und Herweg 1990: 284). Ein Unterschied besteht zunächst in der Frequenz. Sowie ist im Gegenwartsdeutschen in temporaler Verwendung ausgesprochen selten; im Teilkorpus MK1/MK2 des DeReKo (hauptsächlich literarische Texte und Sachprosa aus der 2. Hälfte des 20. Jh.s) finden sich nur 6 Belege für den Temporalsubjunktor sowie (von insgesamt 423 sowie-Belegen), dagegen 193 Belege für den Temporalsubjunktor sobald. Auch die Linearisierungstendenz ist unterschiedlich: sowie zeigt die für Konditionalverknüpfungen typische ausgeprägte Antepositionspräferenz. Sobald scheint damit in stärkerem Maße als sowie für den Ausdruck der temporalen Sequenz spezifisch.  





360

C Semantische Konnektorenklassen

Tab. C1-11: Linearisierungspräferenzen bei sowie, sobald und kaum sowie

sobald

postponiert

18

46

0

anteponiert

80

46

99

2

8

1

100

100

100

eingeschoben N

kaum

Noch stärker ist diese Funktion bei kaum (dass) ausgeprägt, das etymologisch auf mhd. kûme ‚schwach‘ zurückgeht und neben der temporalen eine zweite Verwendung als abschwächende Intensitätspartikel zu Adjektiven und Verben in der Bedeutung ‚fast nicht‘ hat wie in kaum möglich, kaum berührt (vgl. Breindl 2007b). Die Bedeutungsübertragung auf die temporale Ebene ist gut nachvollziehbar: In der Funktion als Intensitätspartikel signalisiert kaum, dass ein graduierbarer Sachverhalt in nur geringem Grad ausgeprägt ist; angewendet auf temporal situierbare Sachverhalte, sprich als Temporalkonnektor, drückt es aus, dass der zeitliche Abstand zwischen zwei Sachverhalten ein geringer ist. Kaum tritt entweder mit zusammengesetzten Tempora auf, die einen Nachzustand liefern, oder mit einem atelischen Prädikat in einfachem Tempus, das ingressiv zu interpretieren ist. Telische Prädikate in einfachem Vergangenheitstempus sind hier wenig akzeptabel. Die Bedeutung von kaum ist somit, den Beginn des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts in der Anfangsphase des Resultatszustands zu situieren. (280) (281) (282)

Er hatte kaum ausgetrunken, da räumte die Bedienung schon das Glas ab. Das Glas war kaum leer, da räumte die Bedienung schon das Glas ab. *Er trank kaum aus, da räumte die Bedienung schon das Glas ab.

Exkurs: Zu den syntaktischen und semantischen Besonderheiten des Einzelgängers kaum Kaum wurde in HDK-1 (614 ff.) als syntaktischer Einzelgänger beschrieben. Die Kriterien dafür werden hier knapp rekapituliert und mit Daten aus Reis (2011) ergänzt. Kaum-Verknüpfungen weisen folgende idiosynkratischen Eigenschaften auf:  

(i)

Kaum ist wie ein Adverbkonnektor in seinen Trägersatz integrierbar (Vorfeld und Mittelfeld), erscheint aber meistens im linear ersten Konnekt und verweist dann kataphorisch.

(283)

Ich setzte mich […] in ein Café nebenan, Glasveranda mit Infra-Heizung, und hatte noch kaum meinen Pernod bekommen, als das fremde Mädchen mit dem Roßschwanz vorbeiging. (MK1/LFH, Frisch, Faber, S. 128)  

(ii)

Der kaum-Satz selbst hat die Form eines deklarativen Hauptsatzes, das andere Konnekt zeigt extrem variable Realisierungsformen. Es kann ein deklarativer Satz mit oberflächenstruktureller Verberststellung sein (nur diese Funktion wurde in HDK-1 als Konnektor betrachtet) oder ein deklarativer Verbzweitsatz – allerdings nur, wenn in dessen Vorfeld die Proform da, so und/oder das Temporaladverb schon bzw. die Kombination und

C1 Temporale Konnektoren

361

schon erscheint. Bei Vergangenheitsbezug kann das externe Konnekt aber auch ein Verbletztsatz mit dem Temporalsubjunktor als (+ auch schon) sein. (Diese Verwendungen wurden in HDK-1 als einstellige Adverbien klassifiziert.) (284a)

Kaum war draußen im Saal der letzte Laut verklungen, schlug er die Decken zurück und befahl ihr, das Nachthemd auszuziehen. (DIV/SKA, Knodel, Adelheid, S. 51) Kaum standen die beiden Unglücksraben im Flur, so fingen sie auch schon gleichzeitig an zu plappern. (DIV/JBK, Blechschmidt, Karla, S. 28) Kaum saßen wir am Kaffeetisch, schon debattierten die beiden, obwohl wir Frauen vorher darum baten, dass Ruhe sein sollte. (DIV/IRR, Ripperger, Rückblicke, S. 264) Kaum hatte er sich auf das Stroh fallen lassen, da war auch schon wieder seine Maus zur Stelle. (DIV/APR, Planert, Rubor, S. 100) Kaum hatte er sich auf das Stroh fallen lassen, und schon war wieder seine Maus zur Stelle. *Kaum hatte er sich auf das Stroh fallen lassen, seine Maus war schon wieder zur Stelle. Kaum hatte ich mich in mein Zelt zurückgezogen, als ein Schuß krachte. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 54)  

(284b)



(284c)



(284d)



(284e) (284 f) (284g)  



(iii)

Kaum-Verknüpfungen haben unabhängig von ihrer Form eine einheitliche Bedeutung und Informationsstruktur. Die beiden Konnekte haben immer separate Fokus-Hintergrund-Gliederungen und der kommunikative Schwerpunkt liegt immer im zweiten Konnekt. Das interne Konnekt ist fast ausnahmslos anteponiert, und die gesamte Verknüpfung ist mit dem zusätzlichen Effekt gekoppelt, dass der im externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt – analog zu den postponierenden „inzidierenden“ als-Verwendungen (s. C1.3.1.2) – als plötzlich, oft auch überraschend eintretend dargestellt wird. Kaum-als-Gefüge haben gegenüber temporalen Verknüpfungen mit als und nachdem eingeschränkte funktionale, topologische und informationsstrukturelle Distribution und sind ihrerseits schlecht einbettbar. (285) (285a) (285b)

Was ist passiert, als Paul in Urlaub gefahren war? Nachdem/als Paul in Urlaub gefahren war, räumten Diebe sein HAUS aus. *Kaum war Paul in Urlaub gefahren, räumten Diebe sein Haus aus.

(286) (286a) (286b)

Wann haben die Diebe Pauls Haus ausgeräumt? Nachdem/als Paul in URlaub gefahren war, räumten Diebe sein Haus aus. *Kaum war Paul in Urlaub gefahren, räumten Diebe sein Haus aus.

(287a) (287b)

Nachdem Paul in Urlaub gefahren war, wurde da in sein Haus eingebrochen? *Kaum war Paul in Urlaub gefahren, wurde da in sein Haus eingebrochen?

(288a) (288b)

Kaum war Paul in Urlaub gefahren, als auch schon Diebe sein Haus ausräumten. *Als auch schon Diebe sein Haus ausräumten, war Paul kaum in Urlaub gefahren.

(289a)

*Dafür dass Paul kaum in Urlaub gefahren war, als auch schon Diebe sein Haus ausräumten, gibt es keinen Zeugen. Dafür dass Paul in Urlaub gefahren war, als Diebe sein Haus ausräumten, gibt es keinen Zeugen.

(289b)

(iv)

In kaum-Gefügen mit scheinbaren V1 oder V2-Sätzen als externem Konnekt ist das Auftreten hauptsatztypischer Phänomene wie Modalpartikeln oder Einstellungsausdrücke weitgehend blockiert.

(290a) (290b)

*Kaum war Paul in Urlaub, haben eben Diebe sein Haus ausgeräumt. ?Kaum war Paul in Urlaub, haben glaub’ ich/vermutlich Diebe sein Haus ausgeräumt.

362

C Semantische Konnektorenklassen

(v) Kaum-Gefüge haben eine Tendenz zu Desintegration und parataktischer Verbindung. Reis (2011) postuliert für alle kaum-Gefüge einen Status als unintegrierte, parataktische Verbindungen und führt als Argumente die informationsstrukturelle Separiertheit, Kontexteinbettung und Bindungsdaten an. Für kaum-Gefüge mit V2-Folgesätzen kommt eine Analyse als eingebettete Sätze bzw. integrierte Verknüpfungen ohnehin nicht in Frage, für kaum-als-Gefüge wurde gezeigt, dass die alsPhrase sich wesentlich anders verhält als eine „normale“ temporale als-Phrase. Es bleiben kaumGefüge mit einem oberflächenstrukturellen V1-Satz als zweitem Konnekt, die in HDK-1 als Einbettungen analysiert wurden. Die in HDK-1 angegebene Restriktion, dass kaum in diesem Fall nur im Vorfeld erscheinen darf, ist wohl nicht zu halten: Vor allem, wenn im Mittelfeld des nachfolgenden Satzes Partikeln wie auch schon erscheinen, ist kaum in seinem Trägersatz stellungsvariabel. Allerdings ist Mittelfeldstellung von temporalem kaum wenig belegt. (291)

Er hatte sich kaum in Sicherheit gebracht, krachte auch schon ein Schuss los.

Der Test auf Komplexbildung und Einbettung, nämlich Einbettung der gesamten Verknüpfung unter einen einbettenden Ausdruck, ergibt für kaum im Mittelfeld ein negatives, für kaum im Vorfeld ein uneindeutiges Ergebnis.30 (292a) (292b) (292c) (292d)

*Es stimmt nicht, dass er hatte sich kaum in Sicherheit gebracht, auch schon ein Schuss los krachte. ?Es stimmt nicht, dass kaum hatte er sich in Sicherheit gebracht, auch schon ein Schuss loskrachte. ?Es ist verwirrend, wenn das Warnlicht aufleuchtet, kaum hat man die Maschine eingeschaltet. ?Wenn kaum hat man die Maschine eingeschaltet, das Warnlicht aufleuchtet, dann ist das verwirrend.

Reis (2011) schließt aus solchen und weiteren Daten, dass es sich bei kaum-Gefügen mit einem oberflächenstrukturellen V1-Satz als externem Konnekt nicht um Einbettung des kaum-Satzes in das Vorfeld eines V2-Satzes handelt, sondern um die desintegrierte Stellung vor einem deklarativen V1Satz. Sie zieht Parallelen zu vergleichenden konjunktivischen als + V1-Satz-Gefügen (Als wäre nichts geschehen, legte er sich ins Bett; vgl. HDK-1: 617 ff.) und vergleicht die Funktionseinschränkungen und funktionalen Besonderheiten der oberflächenstrukturellen V1-Sätze nach kaum und diesem als allgemein mit denen bei selbständigen deklarativen V1-Sätzen (Kommt ein Mann in eine Kneipe. Bestellt sich ein Bier …). Der Unterschied zwischen deklarativen V2- und V1-Sätzen wird mit einem semantischen Funktionsunterschied beschrieben: deklarative V2-Sätze assertieren die Geltung einer Proposition, bei deklarativen V1-Sätzen stellen eine Proposition als Ereignis dar und der Wahrheitsanspruch bleibt im Hintergrund. Die Variabilität der Strukturen, in denen temporales kaum auftreten kann, und die uneinheitliche Akzeptabilität bei Einbettung der verschiedenen kaum-Verknüpfungen weisen allerdings darauf hin, dass die verschiedenen Typen unterschiedliche Grade von Desintegration aufweisen. Partikeln wie und schon oder auch schon im zweiten Konnekt (292a, b) wirken dabei integrationsfeindlich, reine V1Stellung ohne weitere Partikeln scheint dagegen auf dem Weg der Integration (292d). Hier ist unter Umständen auch Einbettung der Gesamtverknüpfung möglich. Die Subjunktor-Variante kaum dass, bei der Einbettung und Variabilität der Konnektabfolge zulässig ist, könnte hier auch musterprägend sein.  

30 In HDK-1 (616) wird der Einbettungstest mit weil für akzeptabel gehalten. Das ist nicht ganz unproblematisch, da weil seinerseits auch nicht-einbettende Verwendungen hat, die hier interferieren können. Reis hält Einbettung von kaum-Gefügen für nicht akzeptabel.

C1 Temporale Konnektoren

363

Damit bleibt festzuhalten: Temporales kaum bringt einerseits die adverbartigen Eigenschaften seiner Herkunft (des graduierenden/intensivierenden Adverbs) mit, andererseits zeigt es mit der Gebrauchstendenz zu Spitzenstellung und der Annäherung an Einbettungskonstruktionen auch Eigenschaften einer Konjunktion, die aber aufgrund der Verbzweitstellung im Trägerkonnekt weder zu den Konjunktoren noch zu den Subjunktoren zu rechnen ist. Auch wenn die Restriktionen in Informationsstruktur und Kontexteinbettung noch gegen eine Einbettungsanalyse sprechen, deutet sich in den Gebrauchsfrequenzen eine Annäherung an das oberflächenstrukturelle Muster der Einbettung des kaum-Satzes ins Vorfeld eines V2-Satzes an. Die ‚reine‘ oberflächenstrukturelle V1-Stellung beim Folgekonnekt überwiegt bei weitem gegenüber oberflächenstrukturellen V2-Sätzen und als-Sätzen. Tab. C1-12: Form des Folgekonnekts in kaum-Verknüpfungen kaum p, V-fin

78

kaum p, da/so/schon V-fin

18

kaum p, als … V-fin

4

N

100

1.3.3 Koinzidenzkonnektoren 1.3.3.1 Die Subjunktoren indem, indes(sen), während(dessen), (all)dieweil Für die subordinierende Kodierung von zeitlicher Koinzidenz steht im Gegenwartsdeutschen praktisch nur noch während zur Verfügung. Alldieweil, das auch eine seltene Variante als Adverbkonnektor hat, wird heute eher kausal und adversativ (s. C2.3.5.2, C4.2.3.1.1.2.1) gebraucht, ist aber lesartenunabhängig stilistisch als gekünstelt markiert. Von den pronominaladverbialen Formen sind indes(sen) und währenddessen in temporaler Form noch als Adverbkonnektoren gebräuchlich, bei indem, das in temporaler Bedeutung bis zum Ende des 18. Jh. anzutreffen war, ist die Verwendung als Adverb gänzlich untergegangen, die Subjunktorverwendung ist für komitative (s. C2.4.4) und instrumentale Verwendungen reserviert. (Zu indem vgl. Herweg 1990: 280 ff., Homberger 1996; zu alldieweil vgl. Waßner 2008a).  



(i)

nicht mehr gebräuchliche oder stilistisch markierte Verwendungen

temporal (293) (294)

Indem er aber also gedachte , siehe, da erschien ihm ein Engel. (Lutherbibel, Matth 1, 20) Indem nun Robinson so am Strande umherging , fiel ihm ein, daß es wohl nicht übel gethan wäre, wenn er sich einmal badete. (HSP/CAM, Campe, Robinson, S. 91)  





364

(295) (296)

C Semantische Konnektorenklassen

Merope verlangt hierüber Aufklärung. Indem kommt der König herein. (Lessing; nach Behaghel 1928: 190) Anschließend werden die Eltern der Welpen vorgestellt, währenddessen Rudi einen der Welpen liebevoll auf den Arm nimmt . (die tageszeitung, 18.07.1992, S. 22) „Ist das auch wirklich wahr?“ fragt er, indes sich diese furchtbar dunklen Augen in diesem schrecklich bleichen Gesicht noch mehr weiten und noch tiefer bohren . (Die Zeit, 30.12.1994, S. 35) Als der Wirt also trunken anlangt, […] kommt eine gewaltige Angst über ihn, so daß er nicht imstande ist, jemand zu rufen. Indes tritt der Hausknecht herein, ihm die Stiefel abzuziehen, da findet er seinen Herrn halbtot im Sessel liegen. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 319) Die Inkarnation des Gilbs döste versonnen unter einem Savannenbaum, alldieweil die Löwinnen dem Abendessen nachstellten . (Süddeutsche Zeitung, 24.10.1998, S. 8)  



(297)





(298)



(299)





kausal (300)

Der Professor sah sich anno 1790 gezwungen, die „Raçen“ der Welt zu klassifizieren, alldieweil die soeben durch die Franzosenrevolution aufgestachelten „Adels-Stürmer“ und „hitzigen Freyheits-Freunde“ immer frecher nach der Gleichheit aller Erdenbürger schrien . (Die Zeit, 17.10.1997, S. 34)  



adversativ (301)

So beantwortet sich denn auch unmittelbar die Frage, wieso die Arbeitgeber Grund hätten, immer lauter über den Anstieg ihrer Arbeitskosten zu klagen, alldieweil ihre Mitarbeiter, die diese Kosten verursachen, doch schon lange nichts mehr dazuverdienten . (Süddeutsche Zeitung, 30.05.1996, S. 19)  



(ii)

gebräuchliche Verwendungen

temporal (302)

Ein Gong ertönt, und die Stimme aus dem Sprachgenerator befiehlt: „Abbiegen.“ Unbemerkt tauscht sich währenddessen der Bordcomputer per Infrarot mit der Bake an der Ampel aus. (die tageszeitung, 03.04.1989, S. 24) Er schüttelte seinem Patienten verabschiedend die Hand und schickte sich an, das Behandlungszimmer zu verlassen. Katja begann indessen die Nackenmassage mit den Worten: „Schreien Sie getrost, wenn ich zu derb sein sollte.“ (MK1/TPM, Pinkwart, Mord, S. 117)  

(303)



365

C1 Temporale Konnektoren

adversativ (304)

Die Technik selbst ist seit Jahr und Tag im Emsland zur Besichtigung freigegeben. Ihre Wirtschaftlichkeit indessen kann in Deutschland nirgendwo demonstriert werden. (Die Zeit, Januar 1997, S. 1)  

komitativ (Relation zwischen zentralem Sachverhalt und begleitendem Sachverhalt) (305)

„Wenigstens du, Mama“, sagte Anna, indem sie den Arm der Schwärmerin nahm und sie hinkend weiterzog. (MK1/LMB, Mann, Betrogene, S. 20)  

instrumental (Relation zwischen komplexem Ereignis und Teilereignis) (306)

Erst kürzlich ist sie in der US-Rangliste auf Nr. 1 vorgerückt, indem sie „Republic Airlines“ geschluckt hatte . (die tageszeitung, 03.10.1986, S. 6)  





Die Bedeutungsstruktur bei den nicht mehr gebräuchlichen temporalen Subjunktoren ist aber die gleiche wie bei während, worauf in allen Fällen auch die Etymologie hinweist. Sie bezeichnen eine Inklusionsrelation (‚in-Relation‘): das durch den situierten Sachverhalt bestimmte Zeitintervall t(p) ist in dem des Referenzsachverhalts (des internen Konnekts) t(q) enthalten (Herweg 1990: 254, Lohnstein 2004: 154). Bei den Adverbkonnektoren liegt die dazu konverse Inklusionsrelation vor. p, während/alldieweil/indem/indessenSubjunktor q p. Währenddessen/alldieweil/indem/indessenAdverbkonnektor q

t(p) Í t(q) t(q) Í t(p)

Aus der Bedeutungsstruktur folgt zwangsläufig, dass der Referenzsachverhalt eine gewisse Mindestausdehnung haben muss. Nach Herweg (1990: 254) muss er einen (atelischen) Zustand beschreiben und darf überhaupt kein telisches Ereignis sein, weder ein punktuelles (Achievement) noch ein ausgedehntes (Accomplishment). In Bezug auf den situierten Sachverhalt gibt es – über die generelle Bedingung temporaler Situierbarkeit hinaus – keine Beschränkungen. Typische während-Verknüpfungen sind solche, in denen ein telischer – punktueller oder ausgedehnter – Sachverhalt innerhalb des Zeitintervalls situiert wird, das durch einen atelischen Referenzsachverhalt gegeben ist. (307)

Es ist schon eine merkwürdige Koinzidenz der Ereignisse. Während Presse, Funk und Fernsehen „30 Jahre 1968“ begehen, platzt die Meldung vom Ende der RAF herein. (die tageszeitung, 22.04.1998, S. 14)  



366

(308)

C Semantische Konnektorenklassen

Was gucken unsere Kleinen, während wir Großen noch schlafen – welche Programme, welche Werbung? (die tageszeitung, 13.10.1995, S. 20)  

Denotiert das situierte Konnekt einen punktuellen Sachverhalt wie in (307), liegt semantisch eine echte Enthaltenseinsrelation und konzeptuell eine Grund-Figur-Konstellation (s. A2.3.1) vor, bei der der ausgedehntere Sachverhalt den „Grund“ liefert, auf dem das situierte Ereignis profiliert wird, oft als ein „inzidierendes“, plötzlich auftretendes (s. A2.3.1). Bei ausgedehnten, atelischen Sachverhalten wie in (308) überlappen die Zeitintervalle von p und q komplett. Gegen eine strikte Restriktion auf atelische Prädikate im internen Konnekt sprechen allerdings zahlreiche Belege mit Accomplishment-Prädikaten. Nach Herweg (1990: 257) findet dann eine Uminterpretation als progressiv-atelischer Sachverhalt ‚dabei sein zu x-en‘ statt. Solche Verwendungen sind jedoch in keiner Weise stilistisch auffällig oder syntaktisch, lexikalisch oder informationsstrukturell beschränkt. Das deutet darauf hin, dass Accomplishment-Prädikate generell neben einer resultatbezogenen Interpretation auch eine Interpretation zulassen, bei der die Vorphase des Resultats fokussiert wird. (309)

Während der oberste diensthabende Werkschützer mit unseren Presseausweisen verschwindet, um irgendwo heftig zu telefonieren und werkzuschützern, tippt uns jemand von hinten freundlich auf die Schulter: „Ich bin der Jochen Ahlmann. Wollt Ihr zu uns?“ (die tageszeitung, 22.11.1988, S. 17) Während ich die Nummer wählte, ging ich in Gedanken nach Hause, die Koblenzer Straße runter, in die Ebertallee, schwenkte links zum Rhein ab. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 38) Während wir die Abflughalle im Erdgeschoß verlassen, fällt unser Blick auf zwei Anzeigetafeln. (die tageszeitung, 18.03.1991, S. 24)  

(310)



(311)



Vereinzelt finden sich aber auch Belege mit punktuellen telischen Prädikaten (Achievements). Der Effekt ist eine „Dehnung“ eines kurzen Zeitintervalls, eine Art Zeitlupeneffekt (Herweg 1990: 255). In Beispielen wie den folgenden kann aber mitunter keine scharfe Grenze zu den Accomplishment-Prädikaten gezogen werden; zumindest in (313) ist der für Prädikate dieses Typs einschlägige Test (innerhalb von x Minuten; Progressivierung: dabei sein zu x-en) anwendbar. In all diesen Beispielen liegt auch die übliche Figur-Grund-Konstellation vor; man beachte etwa das Auftreten des Adverbs plötzlich in (312). (312)

(313)

Während nun der Mann aus Münster seine Brieftasche zückt, wird Knopf plötzlich schneeweiß und fängt an zu schwitzen. (Bsp. aus Neumann 1972: 82, auch bei Herweg 1990: 255) Dreimal holte ich Luft, während er mir eine Spritze gab, und dann weiß ich von nichts mehr. (die tageszeitung, 05.12.1986, S. 5)  

C1 Temporale Konnektoren

(314)

367

Während die in der Finanzsphäre entstandene Spekulationsblase platzt, vollzieht sich überall auf der Welt die Aneignung des von der Arbeit geschaffenen Reichtums durch das Kapital. (die tageszeitung, 12.12.2008, S. 4–5) Während hinter der Kuh ein Sperriegel ins Schloß fällt, schwenkt schon der Roboter-Arm aus und kommt unter dem Tier zum stehen. (die tageszeitung, 22.05.1991, S. 12)  

(315)



Problematisch sind dagegen Beispiele wie (316) und (317). (316)

Ein Regisseur und ein Autor arbeiten an einem Drehbuch über eine Seuche, während plötzlich eine reale Seuche ausbricht. (die tageszeitung, 22.06.2004, S. 27) Das Entsetzen läßt mich nicht schreien und zwingt mich, die Augen zu schließen, während mir plötzlich bewußt wird, daß ich nicht allein bin und Lo und Lu neben mir sitzen. (Mannheimer Morgen, 15.03.2002, o. S.) Es regnet, während der Schuss fällt. (Lutzeier 1981: 8)  

(317)



(318)

Lutzeier (1981: 8) geht, auf der Basis von konstruierten Beispielen wie (318), davon aus, dass während auch für das interne Konnekt keine aspektuellen Restriktionen habe. In Fällen wie (316)-(318) scheint tatsächlich die Inklusionsrelation umgekehrt und die Verwendung von während ähnelt hier der des „inzidierenden“ als mit ausschließlich postponiertem internen Konnekt (s. C1.3.1.2). Die im Vergleich zu entsprechenden als-Verwendungen verhältnismäßig geringe Zahl von analogen während-Belegen und ihre Markiertheit lassen es allerdings fraglich erscheinen, dass bei während die Möglichkeit der Autokonverse ebenso konventioneller lexikalischer Bestandteil ist wie bei als. Es bleibt lediglich zu konstatieren, dass es vereinzelt Sprecher gibt, die das inzidierende Muster von als auch auf während übertragen. Telische – einschließlich punktueller – Prädikate im internen Konnekt treten unmarkiert auch in iterativer Lesart auf. (319)

Während wir weiter über Spanplatten und Bauschutt stolpern, frage ich mich, ob Sony hier auf das richtige Pferd gesetzt hat. (die tageszeitung, 28.07.1990, S. 27) Ich schaute ihm, während er die Gläser kippte, auf den Adamsapfel. (MK1/ LGB, Grass, Blechtrommel, S. 158)  

(320)



Auch adversative Interpretationen von während (s. C2.3.5.3) treten mit telischen Prädikaten im internen Konnekt häufiger auf, vorausgesetzt, die Sachverhalte sind kontrastfähig (321). Regelmäßig erzwungen werden sie durch atemporale Prädikate (Kratzers individual-level-Prädikate) (322, 323).

368

(321)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Schülerläufe über 2,1 km werden um 14:15 Uhr gestartet, während der Startschuss zum Jedermanns- und Firmenlauf über 5,7 km um 16:30 Uhr erfolgen wird. (http://www.rhein-sieg-tv.de/beitraege___archiv/8_Siegburger _Michaelsberglauf-1910.html) Während für die arabische Seite dieses Datum den Beginn der israelischen Besetzung Ost-Jerusalems darstellt, feiern die Israelis diesen Tag als Wiedervereinigung der geteilten Stadt. (die tageszeitung, 01.06.1992, S. 8) Während die blaue Tonne für die Bürger unentgeltlich ist, müssen die Unternehmen künftig für ihre Tonnen zahlen. (Frankfurter Allgemeine, 15.01.1997, o. S.) Während es früher um örtlich und regional begrenzte Umweltverschmutzung ging, werden heute – wie beim Abbau der lebensschützenden Ozonschicht – ganze Kontinente und sogar die Erde insgesamt in Mitleidenschaft gezogen. (Frankfurter Rundschau, 26.02.1998, S. 10)  



(322)





(323)



(324)



(321) zeigt, dass auf eine adversative Interpretation ausgewichen werden muss, wenn situierter Sachverhalt und Referenzsachverhalt nicht koinzidierende Zeitintervalle einnehmen. In diesem Fall werden gerade die zeitlichen Situierungen der beiden Sachverhalte kontrastiv verglichen. In Beispielen wie (321)–(324) ist eine temporale (Koinzidenz-)Interpretation des während ausgeschlossen. Oft ist aber die adversative eine zusätzliche optionale Lesart, die eine temporale Koinzidenzrelation überlagert. Einfügungen von Temporaladverbialia, die Simultanität denotieren (zur gleichen Zeit, gleichzeitig, im selben Moment), finden sich sogar eher bei adversativ interpretierbaren Verknüpfungen als nicht-redundanter Hinweis darauf, dass die kontrastierten Ereignisse auch gleichzeitig stattfinden, was den Eindruck von Kontrast verstärkt. (325)

Während Gunther und Brunhild auch ringend nicht zueinander finden können und in sperrigen Bewegungen sich verkeilen, ist zur gleichen Zeit bei Siegfried und Krimhild alles Harmonie, und das Liebesspiel erklimmt allmählich seine Höhen. (die tageszeitung, 07.11.1991, S. 26) Frankreich beispielsweise spendete Millionen an die südafrikanische Wahrheitskommission, während es zur gleichen Zeit den Kriegsverbrecher Maurice Papon vor Gericht stellte. (die tageszeitung, 12.11.2004, S. 4–5)  

(326)



Solche Kontrastierungen können auch Tempuskontraste einschließen (324). In der Regel haben externes und internes Konnekt aber gleiches Tempus, da der situierte Sachverhalt innerhalb des Referenzsachverhalts zeitlich verankert wird, was asymmetrische Tempusverteilung unplausibel macht.

C1 Temporale Konnektoren

369

1.3.3.2 Adverbkonnektoren zum Ausdruck von Koinzidenz: währenddessen, indes(sen), (all)dieweil, gleichzeitig, zugleich, zeitgleich, damals Die Bedeutungsstruktur der Adverbkonnektoren währenddessen, indes(sen) und (all) dieweil ist konvers zu derjenigen der gleichlautenden Subjunktoren, die im vorherigen Abschnitt behandelt wurden. Der im Trägerkonnekt bezeichnete (situierte) Sachverhalt definiert ein Zeitintervall, das in dem Zeitintervall, das durch den vom Bezugskonnekt bezeichneten Referenzsachverhalt geliefert wird, echt oder unecht enthalten ist. Diese Bedeutungsstruktur haben auch unterdessen und zwischendurch. Bei indessen sind auch adversative Interpretationen gebräuchlich, insbesondere in der Nacherstposition (s. C2.3.5.2). Bei all diesen Adverbkonnektoren liegt der Anteil der Belege, in denen das Trägerkonnekt einen neuen Textabschnitt einleitet, ungefähr bei einem Drittel der analysierten Stichproben von je 100 Belegen. Dabei handelt es sich in der Regel um den abrupten Übergang zu einem parallel ablaufenden Szenario mit anderen Partizipanten. (327)

In der Erwartung, doch eher mit Wildbrett [sic!] von größerem Prestige vorlieb zu nehmen, bewahrte Sophia ihre Kugel auf, wohingegen die jugendlichen Offiziere an ihrer Seite wild um sich schossen. Währenddessen spielten sich auf der Waidstatt groteske Szenen ab. Tiere unterschiedlichster Art und Gattung, die sich mitunter nur als Jäger und Beute zu begegnen pflegten, versuchten nun einträchtig ihr Heil in der Flucht. (DIV/ RMR, Müller, Ritter, S. 439) Wollte man nicht auch das Auto reparieren, sobald man aus dem Baltikum zurück war? Und die Eltern warteten schon lange auf einen Pflichtbesuch. Susanne stand unterdessen auf dem Wetterdeck und verfolgte das Bunkern der Vorräte für die lange Fahrt. Sogar mehrere in Netze verpackte Kiefern hatte sie darunter entdeckt. (DIV/HHS, Hartwig, Suse, S. 72) „Siehst du“, schrie Zappka durch den Fahrtwind zu Dziobek, „diese Fahrt macht ihr Freude. Sie will noch schneller.“ Unterdessen, in einem luftigen Abteil, ging folgendes vor sich: Hamilkar Schaß, mein Großvater, probierte die Bänke aus und sprach schließlich zum alten Logau: „So ein Bänkchen“, sprach er, „nie hatt’ ich gehabt solch ein bequemes Bänkchen.“ (LES/ERZ, Lenz, Erzählungen, S. 297)  

(328)



(329)



Zwischendurch wird überwiegend mit iterativem situiertem Sachverhalt verwendet, der sich wiederholt in dem durch den Referenzsachverhalt gegebenen Zeitintervall abspielt, typisch ist der Gebrauch in Wetterberichten (zwischendurch kräftige Regenschauer). Daher finden sich in der Umgebung oft auch weitere iterative Adverbien: mal, öfter und immer wieder gehören nach Ausweis der Kookkurrenzanalyse in COSMAS zu den frequentesten Kollokationspartnern von zwischendurch. Iterativität ist aber kein lexikalischer Bedeutungsbestandteil von zwischendurch, da es durchaus

370

C Semantische Konnektorenklassen

auch zur Situierung von singulären Sachverhalten verwendet werden kann, wie (332) zeigt. (330)

Und dann setzte er sich an das Pianino und spielte uns aus dem Kopf die ganze Komposition, den ersten und den ungeheueren zweiten Satz in der Weise vor, daß er seine Kommentare beständig in das eigene Spiel hineinrief und, um uns auf die Führung recht aufmerksam zu machen, zwischendurch begeisterungsvoll-demonstrativ mitsang. (THM/AMF, Mann, Doktor, S. 74) Sein Blick glitt zu einer einsamen Fliege, die auf der hölzernen Schreibschale gelandet war und mühelos über Kugelschreiber, Radiergummi und andere Hindernisse krabbelte, zwischendurch immer wieder kurz innehaltend, um sich zu putzen. ‚Bis zu fünfzig Prozent der Arbeitszeit gehen durch kleine Ablenkungen und Unaufmerksamkeit verloren‘. (DIV/HLV, Lange, Astra, S. 9) Er kauft ihr irgendein Figürchen, aus Speckstein geschnitzt, schließlich finden sie Platz in einem der zahllosen billigen Restaurants, essen Wan-tanSuppe und Fisch mit Mandeln und süß-saures Schweinefleisch; zwischendurch erfährt er, daß sie für MGM arbeitet, die große Film-Company, als Redakteurin. (HES/NRU, Heym, Nachruf, S. 235)  

(331)



(332)



Eine etwas andere Bedeutung hat inzwischen. In erzählenden Texten sind Verwendungen mit einem Plusquamperfekt im Trägerkonnekt typisch. Bei diesen Verwendungen muss der situierte Sachverhalt nicht zeitlich im Referenzsachverhalt enthalten sein, anders als die oben beschriebenen Koinzidenzkonnektoren ist inzwischen aber nach rechts grenzbezogen. Die rechte Grenze des situierten Sachverhalts wird entweder durch den (in der Regel punktuellen) Referenzsachverhalt geliefert oder durch den Sprechzeitpunkt. Zwischendurch und inzwischen sind deshalb nicht austauschbar. Auch inzwischen leitet aber häufig einen Abschnittwechsel ein. (333)

Wir sind erstaunt, wieviel wertvolle Dinge wir besitzen. Wir ließen alles chaotisch stehen, E. hatte inzwischen auf dem Herd einen Kaffee gekocht, wir erfrischten uns u. fuhren hierher zurück. (BIO/TK1, Klemperer, Tagebücher, S. 383) Wir verabschiedeten uns, Eva schlief, ich las ein wenig, dann gingen wir zu Laubert, um mit dem 4 Uhrzug zu fahren. Inzwischen war plötzlich strahlendstes Wetter geworden. Plötzlicher Beschluß: zur Tellkoppe. (BIO/TK1, Klemperer, Tagebücher 1, S. 444)  

(334)



Inzwischen und mittlerweile scheinen der Grundbedeutung nach vergleichbar. Sie unterscheiden sich jedoch darin, dass mittlerweile einen Sachverhalt nicht in einem von der Sprechzeit aus in der Zukunft liegenden Zeitintervall situieren kann. Der Sprechzeitpunkt bildet also die äußerste rechte Grenze.

C1 Temporale Konnektoren

371

Morgen will ich die Kirschen ernten und du kannst dich inzwischen an die Johannisbeeren machen. (335b) ?Morgen will ich die Kirschen ernten und du kannst dich mittlerweile an die Johannisbeeren machen.

(335a)

Aber auch bei Vergangenheitsbezug unterscheiden sich mittlerweile und inzwischen. Mittlerweile lokalisiert den situierten Sachverhalt nicht im Zeitintervall eines im Vortext genannten Referenzsachverhalts, sondern gewissermaßen zwischen diesem und dem Sprechzeitpunkt. Diese Verwendung ist für inzwischen ebenfalls möglich, bei mittlerweile ist sie aber die einzige. (336)

Doch bevor der reagieren konnte, lag sie blutüberströmt am Boden. Der andere hatte ihr einen Kopfstoß versetzt: „Nasenfraktur, Platzwunde am Nasenbein, Schulterprellung, Gehirnerschütterung“, so die Diagnose ihres Hausarztes. Mittlerweile, fast fünf Wochen später, scheint Bewegung in die Ermittlungen der Polizei zu kommen. (die tageszeitung, 27.09.1999, S. 22)  

Grenzbezogen sind auch zeitgleich, gleichzeitig und zugleich. Bei punktuellen Sachverhalten fallen die linken Grenzen von Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt zusammen (337, 338, 339), bei durativen liegt kompletter Zusammenfall der Zeitintervalle vor (340, 341, 342). (337)

„Autostadt“ kommt jetzt in die Gänge. Das Prestigeprojekt von VW in Wolfsburg soll zeitgleich mit der Expo eröffnet werden. (Mannheimer Morgen, 26.05.1999, o. S.) Am Freitag, 30. Juli ’99, beginnt das Fest um 14 Uhr mit einer Leistungsschau des Bundesheeres. Gleichzeitig startet das Kinder- und Familienfest (freier Eintritt). (Tiroler Tageszeitung, 28.07.1999, o. S.) Hessen hat einen Abschiebestopp für Bürgerkriegsflüchtlinge aus BosnienHerzegowina erlassen und zugleich den Abschiebestopp für kroatische Flüchtlinge verlängert. (die tageszeitung, 09.05.1992, S. 4)  

(338)





(339)



(340)

Grundschulkinder und Kleinkinder mit deren Begleitung (Elternteil/Geschwister) treffen sich um 10 Uhr im Raum der Begegnung. Die Eltern sind eingeladen, den Gottesdienst zeitgleich in der Kirche zu feiern. (Mannheimer Morgen, 04.06.2004, o. S.) Heute nimmt nicht nur die Verflechtung der verschiedenen Erdteile durch weltumspannende Kommunikationssysteme oder durch eine zusammenwachsende Wirtschaft immer mehr zu. Zugleich verschärfen sich Probleme wie Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Umweltkrise, grenzüberschreitender Terrorismus und Rauschgifthandel, die sich nicht mehr im  

(341)

372

C Semantische Konnektorenklassen

Alleingang von einzelnen Nationalstaaten, sondern nur noch durch gemeinsames internationales Handeln bewältigen lassen. (Salzburger Nachrichten, 24.06.1995, o. S.) Der Cheffahnder muß in den folgenden Wochen das Unmögliche möglich machen: Er muß alles tun, um Reemtsmas Leben zu schützen. Gleichzeitig muß er die Täter aufstöbern. Der Gegensatz von Opferschutz und Strafverfolgung bestimmt die Taktik. (Die Zeit, 03.05.1996, o. S.)  

(342)



Gleichzeitig, zugleich und zeitgleich kommen in syntaktischen Umgebungen vor, in denen die anderen Koinzidenz-Adverbkonnektoren nicht auftreten können: bei identischen Prädikaten in Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt können die koinzidierenden Sachverhalte als additiv koordinierte NPen (343), als pluralische NPen (344) oder als komitative mit- (345) oder neben-PPen kodiert werden. (343)

Leo Bassi jongliert mit Händen und Füßen gleichzeitig sechs Basketbälle und rappt wie ein Irrer. (die tageszeitung, 04.06.1994, S. 38) Das gute alte Bardentreffen hat die Jahre unbeschadet überstanden und hält sogar die Konkurrenz des Klassik-Open-Airs im Luitpoldhain aus. Wobei man sich schon fragen muss, ob es sinnvoll ist, diese beiden Massenveranstaltungen zeitgleich durchzuführen. (Nürnberger Nachrichten, 28.07.2003, o. S.) Wir beschlossen, gleichzeitig mit dem Umbau eine Erweiterung durchzuführen. (Rheinzeitung, 15.03.2004, o. S.)  

(344)



(345)



Während zeitgleich ausschließlich temporal situiert, kann bei gleichzeitig und mehr noch bei zugleich die temporale Komponente zurücktreten und einer rein additiven Relation Platz machen. Dadurch können diese Adverbien auch mit Individuenprädikaten und Eigenschaftsaussagen auftreten. (346) (347)

9 ist durch 3 teilbar und gleichzeitig/zugleich/*zeitgleich eine Quadratzahl. Das weiße Schiff ist ein unheimliches und beängstigendes Motiv, zugleich aber ist es ein leuchtendes sommerliches Bild in deinem Phantasiegedächtnis […]. (Wolf, Kindheitsmuster, S. 169; Bsp. aus Marillier 2008: 79) Primzahlen sind die „Atome“ der Arithmetik, die Grundlage aller Zahlen – nur durch eins und sich selbst teilbar. Gleichzeitig gehören sie zu den quälendsten Geheimnissen der Wissenschaft. (http://www.perlentaucher.de/ buch/19048.html) Das asiatische Theater wirkt viel ritualisierter, aber das Publikum weiß zugleich auch, dass es eine aktive Rolle spielt. (die tageszeitung, 13.03.2001, S. 23)  

(348)

(349)



Das Adverb damals ist als adverbiale Ableitung zum Nomen Mal ‚Zeitpunkt‘ entstanden und ist in der Reihe der übrigen Adverbien auf -mal wie einmal, mehrmals,

C1 Temporale Konnektoren

373

manchmal, oftmals, abermals, vielmals etc. der einzige Adverbkonnektor. Als Pronominaladverb situiert es einen Sachverhalt über den anaphorischen Verweis mit da in dem Zeitintervall, das durch den Referenzsachverhalt geliefert wird. Damit entspricht es wörtlich der Bedeutung seiner Ableitungsbasis, einer adverbial gebrauchten genitivischen NP oder PP mit einem Demonstrativum: mhd. des mâles/zu dem mâle = ‚zu dem Zeitpunkt‘ (DWB, s. v. damals, Paul 1981: s. v. Mal). Eine Bedeutungsanreicherung über die temporale Situierung hinaus hat, anders als bei da oder dann, bei damals nicht stattgefunden. Damals ist auf Vergangenheitsbezug beschränkt, und zwar eine weiter entfernt liegende (distale) Vergangenheit, wie sie auch in der Bedeutungsangabe bei Campe (1807) ‚zu jener Zeit‘ zum Ausdruck kommt.  

(350)



Im 18. Jahrhundert war die Frage entschieden: Gossau hatte damals seine Rolle im Fürstenland längst schon gefunden: eine Hauptrolle. (St. Galler Tagblatt, 03.01.2009, S. 33) Dort konnte er vier kleine Monde sehen, die den Jupiter umkreisten. Mit solchen und anderen Beobachtungen stellte Galilei die Weltsicht der Menschen damals auf den Kopf: Bis dahin waren viele Menschen nämlich davon überzeugt, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls sei. (Rheinzeitung, 24.01.2009, o. S.) *Gestern hatte Hans den ganzen Tag Halsschmerzen. Damals konnte er auch nichts essen.  



(351)



(352)

Im DWB findet sich aber der Hinweis, „dasz einige es unorganisch für die zukünftige zeit, für dann, alsdann gebrauchen“. Auch Campe (1807) kritisiert solche Verwendungen bei Opitz als „ungewöhnlich und unrichtig.“ Das frühneuhochdeutsche Wörterbuch (Anderson/Goebel/Reichmann 1989 ff.) gibt ebenfalls nur die Bedeutung ‚zu dieser (meist zuvor genannten) weit zurückliegenden Zeit‘.  

(353)

dem volke das nach uns auf erden möchte leben, vermeld ihm unser leid, zeig unser elend an, auf das er damals auch uns noch beweinen kann. (Opitz 2, S. 214; Bsp. aus DWB) damals, wenn sie im stillen noch schleichen, fängt die seele an den fall ihres gefährten voraus zu empfinden (Schiller, S. 695; Bsp. aus DWB)  

(354)



Eine „organische“ Einschränkung auf Vergangenheitsbezug ist jedoch aus dem adverbialen Genitiv nicht abzuleiten, wie man an analog abgeleitete Temporaladverbialia wie eines Tages, abends, morgens etc. sehen kann. Inwieweit die frühneuhochdeutschen Verwendungen bereits die Einschränkung aufweisen, bleibt umfangreicheren Studien an historischen Korpora überlassen. Im Fall einer ursprünglich neutralen Verwendung könnte die Einschränkung auf Vergangenheitsbezug beim Subjunktor als auf das – nicht damit verwandte – damals übertragen worden sein.

374

C Semantische Konnektorenklassen

C1.4 Zeitdauer spezifizierende (durative) Temporalkonnektoren Durativadverbialia spezifizieren die zeitliche Ausdehnung eines Sachverhalts und sind damit notwendig grenzbezogen. Sie werden nicht mit wann, sondern mit wie lange erfragt. Als absolute Adverbialia treten hier Adjektivphrasen wie (zwei Tage) lang, ewig, dauernd, akkusativische NPen (einen Tag, die ganze Woche, 10 Jahre, eine Ewigkeit), Adverbialkomplexe (den ganzen Sommer über, die Nacht durch) und PPen mit den Präpositionen bis und seit auf. Unter den Konnektoren gehören in diese Klasse die Subjunktoren seit(dem), bis (dass) und solang(e) und einige vor allem mit diesen Formen gebildete Adverbkonnektoren. Durative Konnektoren haben neben der Spezifikation der Zeitdauer eines Sachverhalts immer auch die Funktion, diesen zeitlich in Bezug auf den Referenzsachverhalt positionell zu situieren (vgl. Herweg 1990: 294). Durative Konnektoren haben Restriktionen bezüglich der aspektuellen Charakteristik ihrer Argumente. Damit eine Zeitdauerspezifikation funktionieren kann, muss der situierte Sachverhalt selbst durativ und atelisch, aber prinzipiell zeitlich begrenzbar sein, darf also weder vom Typ der Achievements noch von dem der Accomplishments und auch kein atemporaler Sachverhalt sein. (Bei solange gilt diese Forderung zusätzlich für den Referenzsachverhalt.) Prädikate, deren lexikalische Bedeutung der Restriktion nicht gehorchen, erfahren eine – meist iterative – Ausweichinterpretation (355e) oder sind, wenn das bezeichnete Ereignis nicht beliebig oft innerhalb eines begrenzten Zeitraums wiederholbar ist, nicht akzeptabel (355f), oder aber sie erlauben eine nicht-temporale Interpretation.  

(355a) (355b) (355c) (355d) (355e)

Solange/seit/bis Hans studierte, schlief er schlecht. *Solange/seit/bis Hans studierte, bestieg er den Mount Everest. Solange/seit/bis Hans studierte, bestieg er den Mount Everest nicht. Solange/seit/bis Hans studierte, bestieg er drei Achttausender. 1993 studierte Hans in München. Seitdem/bis dahin/fortan stand er um 6 Uhr auf. *1993 studierte Hans in München. Seitdem/bis dahin/fortan heiratete er Anna.  

(355f)

1.4.1 Überlappende Intervalle: solang(e) Solange liefert mit dem im internen Konnekt bezeichneten Referenzsachverhalt ein Zeitintervall, zu dem der im externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt durchgehend der Fall ist. Es unterscheidet sich darin von während, bei dem der situierte Sachverhalt auch nur ein Teilintervall des Referenzsachverhalts sein kann. Solange erlaubt deshalb keine weiteren durativen Adverbialia im externen Konnekt.

C1 Temporale Konnektoren

375

(356a) Solange Hans studierte, rauchte er. (356b) Während Hans studierte, rauchte er einmal drei Monate lang. (356c) *Solange Hans studierte, rauchte er drei Monate lang. In der Situierung im Verhältnis zum Sprechzeitpunkt ist solange neutral. In den meisten Grammatiken wird angegeben, solange liefere mit dem vom Referenzsachverhalt eingenommenen Zeitintervall exakt Anfang und Ende des situierten Sachverhalts (Buscha 1989: 106, Helbig/Buscha 1998: 681, Duden-Grammatik 2005: 1092), mindestens aber die rechte Grenze (Gelhaus 1974a: 59, GDS: 1146). Nach Herweg (1990: 296) legt der Referenzsachverhalt jedoch nur die Mindestdauer, nicht die exakte Dauer des situierten Sachverhalts fest, was Satzfolgen wie (357) zeigten. (357)

Solange Peter in Hamburg wohnte, war er krank. Das war er aber auch schon vorher/das war er aber auch danach. (Bsp. aus Herweg 1990: 296)

Herweg betrachtet Satzfolgen wie (357) als zulässig und schließt daraus, dass der Eindruck einer Grenzbezogenheit von solange bzw. vollständigen Deckung der beiden Ereigniszeiten das Ergebnis einer konversationellen Implikatur auf der Basis der Maxime der Quantität ist, die wie in (357) auch wieder annulliert werden könne. Allerdings scheint (357) als Mitteilung eines Sprechers gegen die Relevanzmaxime zu verstoßen: Wenn die Funktion eines Konnektors die Spezifikation der zeitlichen Erstreckung eines Sachverhalts ist, indem er diesen auf die (abgrenzbare) zeitliche Erstreckung eines anderen Sachverhalts bezieht, dann wäre eine Aussage wie (357) irrelevant, da hier keine zeitliche Grenze abgesteckt wird. Auch aus der etymologisch zugrundeliegenden Vergleichskonstruktion wäre eher darauf zu schließen, dass die Grenzbezogenheit als Bedeutungsbestandteil von solange zumindest konventionalisiert ist. Bei einer anderen kontextuellen Einbettung von solange-Verknüpfungen zeigt sich aber, dass die Grenzbezogenheit tatsächlich nicht immer zur Geltung kommen muss. Das entscheidende Kontextmerkmal ist der informationsstrukturelle Status der solange-Phrase. Ist sie fokussiert und damit die Hauptinformation, die ein Sprecher übermitteln möchte, ist eine Aussage wie (357) unangebracht. Ist die solange-Phrase jedoch im informationsstrukturellen Hintergrund und die Information über die Extension eines Sachverhalts nicht zentral, dann liefert der Referenzsachverhalt nicht notwendig auch die Grenzen für den situierten Sachverhalt. (357a)

A: Wie lange war Peter krank? B: Solange er in Hamburg wohnte. #Und davor und danach war er auch krank. (357b) A: Wie ging es Peter eigentlich in Hamburg? B: Er war die ganze Zeit, solange er in Hamburg wohnte, krank. Er war ja schon angeschlagen nach Hamburg gekommen und auch danach ging es ihm lange Zeit noch schlecht.

376

C Semantische Konnektorenklassen

Bedeutungsunterschiede eines Ausdrucks zwischen Kontexteinbettungen, in denen er fokussiert ist und solchen, unter denen er zum Hintergrund gehört, sind aber ein Indiz gegen einen Status als lexikalisches Bedeutungsmerkmal. Derartige Asymmetrien wurden auch im Zusammenhang mit Präsuppositionen beobachtet. Für solange ergibt sich daraus, dass Grenzbezogenheit kein lexikalisches Merkmal dieses Konnektors ist, sondern nur in bestimmten Kontexten über eine Implikatur ins Spiel kommt. Solange impliziert Gleichzeitigkeit der verknüpften Sachverhalte, was in aller Regel identische Tempora in den Konnekten zur Folge hat. Treten punktuelle Prädikate als Argumente von solange auf, werden sie nach Möglichkeit iterativ oder generisch wie in (360) interpretiert. (358)

Zwischenzeitlich hatte vor allem Stoitschkow für Unterhaltung gesorgt. Sein Mundwerk stand nicht still, aber solange er die Tore macht, „kann er so bleiben, wie er ist“, versprach Kollege Jordan Letschkow. (die tageszeitung, 15.06.1996, S. 13) Wer durchfällt, kann es, anders als in manchen Ländern, die nur drei Anläufe gestatten, immer wieder versuchen, solange er jedesmal die Gebühr von 34 Pfund zahlt. (Frankfurter Allgemeine, 02.11.2005, o. S.) Fremd ist der Fremde eben nur, solange er aus der Fremde kommt. (die tageszeitung, 02.06.1997, S. 24)  

(359)



(360)





In der typischen Verwendung von solange wie im folgenden Beispiel bezeichnen beide Konnekte durative und atelische Sachverhalte (Zustände). Als Zustände zählen auch negierte Prädikate. (361)

Der Bundespräsident hat vor Jahren einmal gesagt, solange das Brandenburger Tor geschlossen bleibe, bleibe die deutsche Frage offen. (WKB/BT1, 176. Bundestagssitzung, S. 13346) Solange du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast, darfst du nicht raus.  

(362)

Über eine Implikatur, die ähnlich funktioniert, wie bei der Konditionalverstärkung kann abgeleitet werden, dass der situierte Sachverhalt nicht mehr besteht, wenn der Referenzsachverhalt nicht besteht. (361) wird deshalb so verstanden, dass die „deutsche Frage“ mit der Öffnung des Brandenburger Tors beantwortet ist, und (362) ist für den Adressaten nur dann eine relevante Aussage, wenn er sie als Versprechen verstehen darf, nach Erledigung der Hausaufgaben ins Freie zu dürfen. Auf diese Weise kommt eine konditionale Lesart von solange zustande. Sie ist obligatorisch, wenn das interne Konnekt einen Sachverhalt bezeichnet, der nicht der Veränderung in der Zeit unterliegt (s. auch A4.5.2). (363)

Solang der Schirm groß genug ist, bleiben beide trocken. (Neue Kronen Zeitung, 19.10.1996, S. 12)  

C1 Temporale Konnektoren

(364)

377

Jede Methode hat funktioniert, solange sie nur die Komponente enthielt, dass man Aktien besitzt oder anderweitig vom Preisanstieg der Aktien profitiert. (http://www.michna.com/spekulanten.htm)

Verknüpfungen mit solange zeigen keine markanten Linearisierungspräferenzen. Solange kann auch als Adverbkonnektor verwendet werden, der überwiegend in Korrelatkonstruktionen auftritt. In Linksversetzungskonstruktionen kann es anaphorisch eine vorangestellte Subjunktorphrase mit solange aufgreifen. (365)

„Solange ein 26jähriger mir sagt, ich finde die deutsche Sprache besser als die hebräische, weil die Befehle so hart und zackig klingen, solange muß man rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr auch in Israel zum Thema machen.“ (die tageszeitung, 06.02.1998, S. 7) Solang der alte Peter Am Petersbergerl steht, Solang die grüne Isar Durchs Münchner Stadterl geht Solang da drunt am Platzl Noch steht das Hofbräuhaus, Solang stirbt die Gemütlichkeit bei de Münchner niemals aus. (Bayerisches Volkslied)  

(366)

In attributiven Korrelatkonstruktionen kann es Kopf einer attributiven Subjunktorphrase mit solange, bis und wie sein. Die nicht standardsprachliche, aber frequente Vertauschung von als und wie in Vergleichskonstruktionen führt ferner zu Konstruktionen mit solange, als. (367)

Die Stabilität dieses Landes und damit auch die Bedingungen für eine Protestpartei werden nur solange gewährleistet sein, solange der Sozialstaat nicht wirklich in Gefahr ist. (die tageszeitung, 15.05.1993, S. 23) Die Wohnung des Ehepaars dürfte für die Afrikanerinnen solange Gefängnis gewesen sein, bis sie gefügig waren. (Salzburger Nachrichten, 07.07.1992, o. S.) Unterstellt wird, daß ein demokratischer Staat solange eine unvollkommene politische Einheit ist, wie er über keine Institutionen verfügt, die es ihm erlauben, seine Staatsbürger mit den Bürgern anderer Staaten in direkter Weise zu verbinden. (FSP/UBW, Beck, Globalisierung, S. 228) Nach vagen Hinweisen auf „fette Beamtenpensionen“ und die Causa Höchtl wird schließlich messerscharf geschlossen, daß sich an dieser Uni-Misere solang nichts ändern werde, als „Forschungsbeamte vormittags Golf spielen und sich von Assistenten vertreten lassen […]“. (Die Presse, 29.06.1996, o. S.)  

(368)



(369)



(370)



378

C Semantische Konnektorenklassen

1.4.2 Links oder rechts begrenzte Intervalle: die Subjunktoren seit(dem) und bis (dass) Bis geht zurück auf mhd. bî ze (wörtl. ‚bei zu‘; vgl. Schieb 1959), seit auf eine germanische adjektivische Wurzel mit der Bedeutung ‚spät‘, im Komparativ sîđan ‚nach dieser Zeit‘ (vgl. Behaghel 1928: 244 f.). Die beiden einfachen Formen werden heute überwiegend als Präpositionen gebraucht, deren Komplement eine positionelle Zeitangabe (bis morgen, seit zwei Uhr) oder eine Sachverhaltsnominalisierung (seit seinem Wegzug, bis zu seiner Ankunft) sein kann. Nur bei der Präposition seit können auch Zeitdauerangaben auftreten (seit zwei Tagen). Seitdem hat neben seiner Verwendung als Subjunktor auch eine als Adverbkonnektor, die etwa dreimal so häufig ist wie jene. Zum Subjunktor bis hat sich kein Pendant unter den Adverbkonnektoren lexikalisiert; die Funktion wird von einer PP mit einem proadverbialen Kern (bis dahin) oder durch das bildungssprachliche bis dato ausgefüllt31.  

Tab. C1-13: Gebrauchsfrequenzen der Heteroseme von seit(dem) und bis in einem Sample von je 200 Zufallsbelegen

seitdem

Subjunktor

Adverbkonnektor

50

150

Präposition

N 200

seit

4

196

200

bis

14

186

200

Zu bis existiert in gleicher Bedeutung die Variante bis dass. Diese ist im Standarddeutschen selten und weitgehend auf die Formel bis dass der Tod euch scheidet bzw. zitierende Variationen davon beschränkt (371a, e; eine Ausnahme bringt 371d). Frei verwendet tritt es noch häufig bei Grimm auf (371b). In der Lutherbibel findet man es regelmäßig bis in die Fassung von 1912, nicht aber in späteren Revisionen, doch kennt bereits die Elberfelder Bibel von 1905 nur bis. (371a)

Im Amtseid geloben sie dem närrischen Treiben zu dienen, „bis daß der Aschermittwoch uns scheidet“. (Frankfurter Rundschau, 12.11.1997, S. 3)  

31 Zwischen bis und seit bestehen in mehrfacher Hinsicht Asymmetrien (vgl. Musan/Klein 2003). Die für die Adverbkonnektor-Lücke bei bis verantwortliche Asymmetrie ist die eingeschränkte Rektionsfähigkeit der Präposition bis: seit fordert eine (dativische) Kasus-NP, was die Bildung eines pronominaladverbialen Konnektors problemlos macht (vgl. auch trotzdem, indem, zudem, dementsprechend, demgemäß); dagegen kann bis standardsprachlich eine NP nicht selbst regieren, sondern bedarf dazu einer „inneren“ Präposition: bis an den Rand, bis auf Weiteres, bis zur Grenze, aber *bis den Rand, *bis Weiteres, *bis die Grenze.

C1 Temporale Konnektoren

(371b)

379

Bald aber heilten dem Hirsch die Wunden, er strich seine alten Schliche und äste dem Mann Kraut und Wurzeln ab, bis daß dieser den Garten listig mit Netzen umstellen ließ. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 469)  

Die Postpositionstendenz ist deutlich ausgeprägter als beim einfachen Subjunktor bis: Das DeReKo bietet nur zwei (fragwürdige) Belege (von insgesamt 305) mit Anteposition. (371c)

Bis dass schließlich die Frauensoulband Schogettes mit ihrem Auftritt das Kulturprogramm abrundet, werden verschiedene Folkloregruppen die Gelegenheit wahrnehmen, ihr Können den Festbesuchern zu präsentieren. (Mannheimer Morgen, 14.05.2003, o. S.)  

Unter den Belegen fällt ferner der hohe Anteil der intonatorisch desintegrierten und nachgetragenen bis dass-Phrasen auf, was zusammen mit der ausgeprägten Linearisierungstendenz eine syntaktische Klassifikation von bis dass als Postponierer nahelegt, der dem Muster der Postponierer sodass und auf dass folgt; in allen drei Fällen ist die Postposition der Subjunktorphrase auch das ikonische Kodierungsmuster, da diese ein K ONSEQUENS oder einen temporalen Zielpunkt bzw. ein intentionales Ziel denotiert. (371d)

Fest im Sattel dagegen sitzen Schirrmacher und Matussek, die Beine breit gespreizt und halten sich an ihren Hosenträgern fest und an ihrer Macht. Bis dass sie platzen. (die tageszeitung, 11.04.2006, S. 20) Auch während der Dauer der Ehe bekommen sie immer nur befristete Aufenthaltsgenehmigungen, und zwar bis dass der Tod sie scheidet. (die tageszeitung, 06.03.2000, S. 18)  

(371e)



Seit kann im Ahd. und Mhd. auf der Basis der Implikatur des post hoc ergo propter hoc noch kausal verwendet werden (vgl. Behaghel 1928: 249; vgl. auch das engl. temporale und kausale since). Diese Verwendung ist im Gegenwartsdeutschen für seit(dem) nicht mehr belegt bzw. auf nachdem übergegangen. Erhalten hat sie sich im wurzelverwandten kausalen Subjunktor sintemal(en) (‚seit dem Mal‘) (vgl. C4.2.3.1.1.2.1), der allerdings stilistisch als altertümelnd markiert ist. (372)

Niemand will und kann bestreiten, dass jeder ein Recht auf Urlaub hat, und es ist auch selbstverständlich, dass derselbe mit der Familie verlebt werden soll, sintemalen man ansonsten kaum Zeit füreinander findet. (Braunschweiger Zeitung, 16.08.2008, o. S.)  

In der Bedeutung sind seit und bis in vieler (aber nicht jeder) Hinsicht spiegelbildlich: Sie legen über einen Referenzsachverhalt ein Zeitintervall fest, zu dem der situierte

380

C Semantische Konnektorenklassen

(notwendig durative) Sachverhalt als kontinuierlicher Zustand oder als wiederholtes Ereignis gilt, wobei seit retrospektiv dessen linke Grenze (Beginn) und bis prospektiv dessen rechte Grenze (Ende) festlegt. Die jeweils andere Grenze ist in den meisten Fällen der Sprechzeitpunkt wie in (373) und (374).32 (373)

Sie wissen ja, dass Simone das Besteck nach jeder Mahlzeit nachzählt, seit sie ihr Talent als Messerwerfer entdeckt hat. (DIV/HHS, Hartwig, Suse, S. 77) Alsbald ward er hinaus ans Meer geführt und vor seinen Augen ein goldener Ring hineingeworfen. Dann hieß ihn der König diesen Ring aus dem Meeresgrund wieder hervorzuholen, und fügte hinzu „wenn du ohne ihn wieder in die Höhe kommst, so wirst du immer aufs neue hinabgestürzt, bis du in den Wellen umkommst“. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 132)  

(374)



Das ist jedoch keineswegs lexikalisch festgelegt: Im Kontext kann auch eine eigene Grenze spezifiziert sein wie in (375), wo die rechte Grenze des situierten Intervalls der „Sonntag vor dem Sprechzeitpunkt“ ist und das Intervall, das der situierte Sachverhalt einnimmt, mit einer zusätzlichen Zeitdauerangabe exakt auf 50 Jahre bemessen ist, oder in (376), wo die linke Grenze irgendein nicht genannter Zeitpunkt in der Vergangenheit ist und das Intervall nur vage mit lange (Zeit) umrissen ist.33  

(375)

Fünfzig Jahre waren es am vergangenen Sonntag her, seit ein Flugzeug auf dem Weg nach London in den Ärmelkanal abstürzte und dabei fünf tschechische und ein slowakischer Eishockeyspieler umkamen. (Zürcher Tagesanzeiger, 11.11.1998, S. 52) Lange mussten Lochers auf einen Hund warten, bis sie im Februar 2004 den damals zweijährigen Gambler übernehmen durften. Heute bildet die Stiftung neben den Blindenhunden auch Sozialhunde aus. (St. Galler Tagblatt, 05.10.2007, S. 76)  

(376)



Seit(dem)-Adverbialia implizieren für den situierten Sachverhalt eine Zustandsveränderung. Erlaubt der Referenzsachverhalt keine Vorphase wie in (377a), kann seit

32 In der traditionellen Klassifikation der temporalen Nebensätze wird seit als vorzeitig oder gleichzeitig, bis als nachzeitig klassifiziert. Da der Referenzsachverhalt aber eine Grenze AD QUEM bzw. A QUO für den situierten Sachverhalt festlegt, handelt es sich auch nicht um eine echte Sequenz wie bei nachdem und bevor. 33 Nach Musan/Klein (2003) spezifiziert bei seit-Adverbialia mit einer kontextuell definierten linken Grenze (wie in Gestern um 2 Uhr hatte Eva seit 2 Stunden geschlafen) diese Grenze die Topikzeit, d. h. die Zeit, über die eine Aussage gemacht wird und die neben Situationszeit und Äußerungszeit die dritte Koordinate des Tempussystems ist, ohne exakt dem Reichenbach’schen R zu entsprechen. Bei bisAdverbialia werde die linke Grenze generell durch einen „kontextuell salienten“ Zeitpunkt geliefert, was im Defaultfall auf den Sprechzeitpunkt zutreffe.  



381

C1 Temporale Konnektoren

nicht auftreten. Eine nachträgliche Streichung der Veränderung ist nicht möglich (s. 377b), die Bedeutungskomponente der Zustandsveränderung ist also keine bloße Implikatur. Negierte Prädikate sind nur akzeptabel, wenn sie als temporale Phasennegation ‚nicht mehr‘ interpretiert werden können wie in (377d). Für die rechte Grenze des situierten Sachverhalts gilt eine solche Implikation nicht: seit(dem)-Adverbialia sagen nichts darüber aus, ob der situierte Sachverhalt nach dem Sprechzeitpunkt bzw. einer kontextuell gegebenen rechten Grenze weiter besteht oder nicht. (377a) (377b) (377c) (377d)

*Seit Peter jung ist, ist er krank. (Bsp. aus Herweg 1990: 303) *Seit Peter 16 ist, leidet er an Asthma. Aber das hatte er zuvor auch schon. *Seit Peter Maria nicht heiratet, ist er unglücklich. Seitdem Peter nicht raucht, geht es ihm gesundheitlich viel besser.

Die Variation des Komplementtyps der Temporalpräposition seit – duratives Komplement (seit zwei Stunden) oder positionelles Komplement (seit 14 Uhr) – spiegelt sich in einer Variation in der aspektuellen Charakteristik beim Subjunktor seit. Dem durativen Komplement entspricht ein atelischer Referenzsachverhalt (Zustand oder Aktivität), der ingressiv gedeutet wird, dem positionellen Komplement ein telisches Sachverhalt, der entweder direkt mit dem denotierten die linke Grenze liefert, oder aber, im Falle von Perfekt-Tempus, mit dem Beginn der Nachphase des denotierten Ereignisses. Durative seit(dem)-Variante (378) Der Vorwurf, die Friedensbewegung würde die Rüstungsexporte des eigenen Landes in den Irak ignorieren, läßt sich so nicht aufrechterhalten, denn aus ihren Reihen wird die Beteiligung deutscher Firmen scharf verurteilt, seitdem sie bekannt ist. (die tageszeitung, 25.01.1991, S. 18) (379) „Wenn vor einem halben Jahr etwas passiert ist, ist immer so ein schicker Herr um die 35 aufgetaucht, einer mit Goldkettchen und so …“ – seitdem der Herr ausbleibt, herrscht Frieden. (die tageszeitung, 11.06.1991, S. 5) (380) Außer mir kümmert sich niemand um ihn. Elisabeth kommt selten, seit sie mit dem Makler verheiratet ist, obwohl sie in der Nähe wohnt. (DIV/SHS, Schneeweiß, Sternenstaub, S. 17)  





Positionelle seit-Variante (381) Seit Ellen zurück war [durativ!], seit sie sich in den Sessel gesetzt hatte, seit Sylvi etwas zu ihr hinüber gesagt hatte, gab es zwei Gruppen im Raum, zwei Zentren. (WAM/OEI, Walser, Ohne einander, S. 210) (382) Sie wissen ja, dass Simone das Besteck nach jeder Mahlzeit nachzählt, seit sie ihr Talent als Messerwerfer entdeckt hat. (DIV/HHS, Hartwig, Suse, S. 77) (383) Hatte sich wirklich nichts verändert? Immerhin war fast ein Jahr vergangen, seit sie hier, an der Endstation der Stadtbahn, das letzte Mal ausgestiegen war. (DIV/HHS, Hartwig, Suse, S. 178)  





382

C Semantische Konnektorenklassen

Durative seit-Komplemente weisen in der Regel ein einfaches, meist mit dem externen Konnekt übereinstimmendes Tempus auf. Positionelle seit-Komplemente sind – anders als die obigen Beispiele suggerieren – nicht auf ein Perfekttempus beschränkt. Dabei kann es sich um iterative (384, 385), aber auch um singuläre Sachverhalte (386, 387) handeln. Die Tempusrestriktionen sind nach Herweg (1990) bei seit damit insgesamt lockerer als bei nachdem. (384)

Geht es ihr nicht besser, seit sie Dr. Holbeins Tabletten nimmt? Doch, es geht ihr besser. (WAM/DVD, Walser, Verteidigung, S. 282) Er las keine Zeitungen mehr, seit sie nur noch grässliche Nachrichten druckten. (DIV/GFT, Fündgens, Ticket, S. 191) Der Datenschutz für europäische Flugpassagiere mit Reiseziel USA hängt in der Schwebe, seit ein entsprechendes Abkommen am Wochenende auslief. (dpa, 02.10.2006, o. S.) Die räuberische Barschart ist eigentlich in den Tropen zu Hause. Doch seit ein Amerikaner vor einigen Jahren mehrere Exemplare einfach aussetzte, futtert der Fisch die Flüsse im Großraum Washington leer. (Hamburger Morgenpost, 21.10.2005, S. 47)  

(385)



(386)



(387)



Der situierte Sachverhalt ist durativ oder iterativ. Er füllt das durch den Referenzsachverhalt gegebene Zeitintervall in der Regel komplett aus, möglich sind allenfalls bei Iterativität mehrere distributiv verteilte Zeitintervalle. Darin liegt ein Differenzmerkmal gegenüber während, bei dem es auch möglich ist, dass der situierte Sachverhalt nur ein Teilintervall des Referenzsachverhalts füllt. (388a) Seit Peter 16 ist, war er mehrmals wegen seiner Asthmaanfälle für ein paar Wochen im Krankenhaus. (388b) *Seit Peter 16 ist, war er wegen seiner Asthmaanfälle für ein paar Wochen im Krankenhaus. (388c) Während seines 16. Lebensjahrs war Peter wegen seiner Asthmaanfälle für ein paar Wochen im Krankenhaus. Auch der situierte Sachverhalt wird überwiegend in einem einfachen Tempus kodiert; in manchen Grammatiken und von manchen Sprachkritikern wird ein Perfekt-Tempus hier als nicht normgerecht betrachtet (vgl. Walter 2007: 273), während es beispielsweise im Englischen und Dänischen obligatorisch ist (vgl. Fabricius-Hansen 2006: 569).34 Das externe Konnekt kann aber ohne weiteres ein telisches Prädikat in einem

34 Nach Fabricius-Hansen (2006) sind beide Tempora motiviert: das Präsens dadurch, dass der situierte Sachverhalt den Sprechzeitpunkt inkludiert, das Perfekt dadurch, dass er in eine Zeit vor dem Sprechzeitpunkt hineinragt (extended now).

C1 Temporale Konnektoren

383

Perfekt-Tempus sein, dessen Nachzustand dann das durch den Referenzsachverhalt linksseitig begrenzte Intervall definiert. (389)

Angst habe er nicht, aber vorsichtiger sei er geworden, seitdem Anfang Juli ein norwegisches Kriegsschiff seine Kanonen auf ihn richtete. (die tageszeitung, 13.08.1994, S. 30) Ironischerweise hat sich dieser Machtkampf noch verstärkt, seitdem Hun Sen im Sommer triumphierend den Bruch der Roten Khmer bekanntgegeben hatte. (die tageszeitung, 28.12.1996, S. 9) Seitdem auch bei der Polizei gespart werden soll, hat NRW-Polizeigewerkschaftsboss neue Missetäter ausgemacht: „Die Ganoven machen uns am wenigsten Kopfzerbrechen. Es ist die Politik der Landesregierung.“ (die tageszeitung, 24.12.2005, S. 1)  

(390)



(391)



In der Situierung gegenüber dem Sprechzeitpunkt ist seit spezifisch: der Sprechzeitpunkt ist die maximale rechte Grenze. Darin unterscheidet sich seit von nachdem, das auch mit Zukunftsbezug verwendet werden kann. Nächste Woche will Hans mit seiner Doktorarbeit fertig sein. Nachdem er sie abgegeben haben wird/abgegeben hat, wird er wieder ausgeglichener sein. (392b) *[…] Seit er sie abgegeben haben wird/abgegeben hat, wird er wieder ausgeglichener sein. (392a)

Die Situierung gegenüber dem Sprechzeitpunkt ist auch einer der Unterschiede zwischen seit und bis. Letzteres hat in dieser Hinsicht keine Einschränkungen und kann zukunftsbezogen wie vergangenheitsbezogen wie in (393) verwendet werden. (393)

Leonardo da Vincis „Leicester Codex“, 1510, wird im Palazzo Querini-Dubois in Venedig bis 29.10. ausgestellt. […] Das Manuskript hieß „Codex Hammer“, bis Microsoft-Vorsitzender Bill Gates es um rund 310 Millionen Schilling gekauft hat. (Die Presse, 02.09.1995, o. S.)  



Dass solche Verwendungen möglich sind, impliziert, dass die linke Grenze des situierten Sachverhalts nicht der Sprechzeitpunkt sein muss. In (393) ist die linke Grenze unbestimmt, sie kann aber auch im Kontext explizit gegeben sein. (394)

Von neun Uhr an trank Hans ununterbrochen, bis der Wirt ihn vor die Tür setzte.

In der aspektuellen Charakteristik gelten für bis die gleichen Restriktionen wie für seit. Der situierte Sachverhalt muss durativ und atelisch sein; typisch für bis-Verknüpfungen sind Prädikate, die die Durativität lexikalisch ausdrücken wie dauern, ausharren,

384

C Semantische Konnektorenklassen

bleiben, warten. Als Korrelat kann solange auftreten. Die exakte Dauer des Intervalls kann auch durch absolute Durativadverbialia angegeben sein. (395)

Ich werde bei dir wachen, solange bis du eingeschlafen bist. (Süskind, Parfum, S. 310) Im Jahre 1908 von der Amerikanerin Ann Jarvis ins Leben gerufen, dauerte es immerhin noch 16 Jahre, bis der Muttertag in Österreich seine Einführung erlebte. (Tiroler Tageszeitung, 12.05.1998, o. S.) Wenn sie anfangen, sind die Mitarbeiter meist über 30, sie bleiben im Schnitt fünf bis acht Jahre, bis sie sich für andere Entwicklungsorganisationen bewerben. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 11.10.2000, o. S.) Sie aßen und aßen, bis von den drei Tauben nichts mehr übrig war als die Knochen. (Sonnleitner, Höhlenkinder, S. 9)  

(396)





(397)



(398)



Telische Prädikate im externen Konnekt werden iterativ interpretiert, sofern sie einen wiederholbaren Sachverhalt bezeichnen. (399)

Manchmal verkrampfte er sich, wenn er ein paar Worte sagte, fing an zu stottern und sagte „der Ka ka ka ka“, oder „das ka ka ka“, und ich hatte Mitleid mit ihm, bis er endlich das restliche „nzler“ oder „tholon“ herausgespuckt hatte. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 130) Sie schreit und schlägt mich ins Gesicht, bis sie nicht mehr kann. (MK1/LFH, Frisch, Faber, S. 197) Ich habe dann zusammen mit Nakari die Knochen aufgedeckt, bis wir merkten, daß das kein Tier war. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 324)  

(400)



(401)



Der Referenzsachverhalt muss, um eine Grenze setzen zu können, telisch sein. Treten hier atelische Prädikate auf, müssen sie ingressiv interpretierbar sein. (402) (403)

Ich werde bei dir wachen, solange bis du schläfst. Bis endlich das Essen auf dem Tisch steht, dauert es bei Hans immer stundenlang.

Anders als bei seit ist bei bis mit der Begrenzung nicht notwendig eine Zustandsveränderung für den situierten Sachverhalt gegeben. Sie ist lediglich eine pragmatische Implikatur, kann aber, zumindest bei zukunftsbezogenen Aussagen, zurückgenommen werden. Diese Differenz zwischen seit und bis ist darauf zurückzuführen, dass Aussagen über die Zukunft immer ungewiss sind. (404)

A: Bis du kommst, setz ich mich gemütlich aufs Sofa und trinke Tee. B: Und danach? A: Werd ich weiter Tee trinken.

C1 Temporale Konnektoren

385

Verknüpfungen mit bis haben überwiegend identische Tempora in den Konnekten. Als „vorzeitig“ wurden mitunter Verwendungen mit einem zusammengesetzten Tempus im internen Konnekt und einfachem Tempus im externen Konnekt beschrieben. Hier ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch zwischen der durch das Tempus ausgedrückten Vorzeitigkeit und der durch bis (angeblich) ausgedrückten Nachzeitigkeit. In solchen Verwendungen ist wieder die Nachzustandsinterpretation des Referenzsachverhalts ausschlaggebend: dessen Beginn bestimmt die rechte Grenze für den situierten Sachverhalt. (405)

Lange redete er auf die Verstörte ein, bis es ihm gelungen war, sie zu beruhigen. (MK1/TJM, Jung, Magd, S. 52)  

1.4.3 Durative Adverbkonnektoren: seitdem, seither, bis dahin, bis dato, weiterhin, fürderhin, solange Für die Adverbkonnektoren seitdem, seither, bis dahin und das bildungssprachliche bis dato gelten die gleichen Restriktionen in der aspektuellen Charakteristik wie für die Subjunktoren seit und bis, nur eben in konverser Zuordnung zu den Konnekten: Das Trägerkonnekt bezeichnet ein Intervall, dessen rechte bzw. linke Grenze durch den im Bezugskonnekt bezeichneten telischen (oder telisch uminterpretierten) Sachverhalt bestimmt wird. (406)

Alles begann, als eine Horde Truthähne einst spontan auf sein Flötenspiel reagierte; seitdem hat er unter anderem mit Wölfen, Delphinen und OrcaWalen Musik gemacht. (die tageszeitung, 17.05.1994, S. 16) Die vier Männer und zwei Frauen waren bereits am 25. Juli festgenommen worden und befinden sich seither in Untersuchungshaft. (Rheinzeitung, 14.12.2006, o. S.) Dort konnte er vier kleine Monde sehen, die den Jupiter umkreisten. Mit solchen und anderen Beobachtungen stellte Galilei die Weltsicht der Menschen damals auf den Kopf: Bis dahin waren viele Menschen nämlich davon überzeugt, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls sei. (Rheinzeitung, 24.01.2009, o. S.) Er ging zum Spiegel und sah hinein. Bis dato hatte er auch noch nie in einen Spiegel gesehen. (Süskind, Parfum, S. 184)  

(407)





(408)



(409)



Die Adverbien weiterhin, das stilistisch als altertümelnd markierte fürderhin und fortan können sowohl deiktisch (a-Beispiele) als auch konnektoral (b-Beispiele) verwendet werden. Im einen Fall eröffnen sie ein Intervall, das mit dem Sprechzeitpunkt beginnt und nach rechts hin offen ist, im anderen Fall liefert ein im Bezugskonnekt bezeichneter Sachverhalt die linke Grenze.

386

C Semantische Konnektorenklassen

(410a) Novartis will Fusion mit Roche. Der Pharmakonzern Novartis ist weiterhin an einem Schulterschluss mit dem Konkurrenten Roche interessiert. (Mannheimer Morgen, 20.11.2002, o. S.) (410b) Als der 22jährige Vorjahressieger am Bergisel über den Schanzentisch ging, nach 113 Metern wieder Boden unter den Füßen und den erneuten Triumph so gut wie sicher hatte, applaudierten rund 35.000 Skisprung-Interessierte. Funaki darf somit weiterhin vom „Grand Slam“ des Sprunglaufs träumen. (Salzburger Nachrichten, 05.01.1998, o. S.) (411a) Dass es „Amerika“ und „Europa“ zukünftig geben wird, ist wahrscheinlich. Doch ob sie fürderhin noch die Extreme einer politischen, kulturellen, ökonomischen, gesellschaftlichen, rechtlichen Alternative markieren? (Berliner Zeitung, 21.11.2000, S. 12) (411b) Doch dann endete der befristete Vertrag, und für Karoline Weiss waren fürderhin die Geburten ihrer Kinder die einzigen Glücks- und Erfolgserlebnisse. (Die Zeit, 20.05.1998, S. 17) (412a) Nach dem 9.November rutschen viele KreuzbergerInnen noch weiter nach unten: „Fortan werden doch alle Gelder im Osten investiert“, befürchtet Fröhling. (die tageszeitung, 25.04.1990, S. 28) (412b) Anfang 1969 trat er noch vor Dubcek von allen Parteifunktionären zurück und widmete sich fortan im Nationalmuseum Käfern und Schmetterlingen. (die tageszeitung, 12.08.1988, S. 19–20)  











Weiterhin kann auch in Kontexten ohne temporale Komponente verwendet werden und hat dann rein additive Funktion. (413)

Es treten Bands und Ensembles verschiedener Berliner Oberschulen auf. Weiterhin sind Diskussionsrunden geplant. (Berliner Zeitung, 11.12.2000, S. 17)  

Solange gibt wie der gleichlautende Subjunktor eine beidseitige Begrenzung des situierten Sachverhalts. Es tritt als Adverbkonnektor in erster Linie in der Funktion als Korrelat zu den Subjunktoren solange und bis auf. (414)

Solange die Europäische Union ein so loses Gebilde bleibt, wie sie allen Kritikern zum Trotz auch nach Maastricht ist, solange hat sie auch nicht die geringste Chance, in die außenpolitische Schwergewichtsklasse aufzusteigen. (Die Presse, 15.03.1994, o. S.)  

C1 Temporale Konnektoren

387

C1.5 Der Frequenz spezifizierende Temporalkonnektor sooft Frequenzadverbialia machen Angaben über die Häufigkeit des Eintretens von Sachverhalten. Frequenzspezifikationen werden in erster Linie durch absolute (einstellige) quantifizierende Adverbialia ausgedrückt, wofür ein differenziertes System an Adverbien zur Verfügung steht, das alle Grade zwischen den Konzepten NIE (niemals, nie), SELTEN (selten, kaum), MANCHMAL (manchmal, dann und wann, hin und wieder, bisweilen, mehrmals, wiederholt), OFT (oft, häufig, meistens) und IMMER (immer, stets, beständig, andauernd) ausdrücken kann (vgl. die Übersicht in Wiebel 2007: 36). Relationale Frequenzspezifikationen durch Bezug auf die Frequenz eines anderen Sachverhalts spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle; als Konnektor ist lediglich sooft lexikalisiert, das als Subjunktor und Adverbkonnektor verwendbar ist. Mit sooft wird über das gemeinsame Eintreten von Sachverhalten allquantifiziert: Für jede Situation, in der p gilt, gilt auch q und es liegt die Bedeutung eines generischen Konditionals (‚jedes mal, wenn‘) vor. Dabei wird aber keine Aussage über die tatsächliche Frequenzausprägung der Sachverhalte gemacht: Sooft p bedeutet keineswegs, dass p oft stattfindet, sondern kann genauso gut in Kontexten verwendet werden, in denen der Hörer aufgrund des Kontexts oder seines Weltwissens auf ein SELTEN, ein NIE oder eben jedes N-MAL schließen kann. Sooft tritt ferner in einer Reihe von phraseologisch verfestigten Wendungen auf wie in (415e). (415a) (415b) (415c) (415d) (415e)

Der Professor raucht, sooft er am Schreibtisch sitzt. [→ also vermutlich oft] Hans raucht, sooft Vollmond ist. [→ also 12 mal im Jahr] Hans raucht, sooft Weihnachten auf Ostern fällt. [→ also nie] Hans raucht, sooft er zu viel getrunken hat. [ohne Kenntnis der Trinkgewohnheiten von Hans offen] Hans raucht, sooft es geht/sooft wie möglich/sooft er kann.

In sooft ist somit die Opposition von oft und selten neutralisiert. Ein Subjunktor so selten ist zwar nach dem Muster so + Adj./Adv. frei bildbar, aber nicht lexikalisiert und wird ohnedies eher irrelevanzkonditional (s. C4.4.3.2) wie in (416) gebraucht. Eine rein temporale Interpretation ergibt sich allenfalls in der direkten Kontrastierung mit sooft wie in (417). (416) (417)

Die Besuche bei mir, so selten sie waren, hatte er gehasst. (geschichten. sternenkratzer.de/RE/Variationen/Liebesleid.pdf) Sie erhalten die Zählerdaten auf Tastendruck, so oft oder so selten Sie wollen. (http://www.neuhaus.de/media/image/Image_Broschuere.pdf)

388

C Semantische Konnektorenklassen

Im Unterschied zu wenn ist bei sooft die Allquantifikation ein lexikalisches Merkmal. Infolgedessen lässt es auch keine separate Frequenzspezifikation für den situierten Sachverhalt zu. (418a) Wenn Enttäuschung und Sorge mich müde macht, flüchte ich immer/oft/ manchmal zu diesen Bildern. (418b) *Sooft Enttäuschung und Sorge mich müde macht, flüchte ich immer/oft/ manchmal zu diesen Bildern. Sooft wird in Klassifikationen, die auf der dreigliedrigen Zeitrelationen-Opposition aufbauen, regelmäßig als Koinzidenzsubjunktor eingeordnet (vgl. Buscha 1989: 110, GDS: 1145, Duden-Grammatik 2005: 1080). Das trifft jedoch nicht die Bedeutung dieses Konnektors. In Bezug auf die zeitliche Relationierung der paarig aufeinander bezogenen Sachverhalte gehört sooft in die Gruppe der unspezifisch situierenden positionellen Konnektoren als, wenn, wie, wo und da, da es auch Sachverhalte aufeinander beziehen kann, die in einer zeitlichen Sequenzrelation zueinander stehen. (419a) Sooft die Regierung ein Sparprogramm ankündigt, geht gleich bei allen Lobbygruppen ein großes Geschrei los. (419b) Sooft der Hase am Feldrand ankommt, ist der Igel schon umgekehrt. Als Adverbkonnektor hat sooft meist Korrelatfunktion. Es kann repetitiv mit dem Subjunktor sooft auftreten, häufiger ist aber die Kombination mit dem Durativsubjunktor bis. In diesem Fall wird nicht die Quantifikation über einen Sachverhalt mit der Quantifikation über einen anderen Sachverhalt in Beziehung gesetzt (sooft p, sooft q), sondern es wird lediglich ausgesagt, dass ein Sachverhalt in einem durch den Referenzsachverhalt rechts begrenzten Zeitintervall mehrmals stattfindet. (420a) Sooft er Favorit war, sooft stolperte Wasmeier. (Die Presse, 18.02.1994, o. S.) (420b) Es gibt für den Theatereinsatz bestimmt geeignetere Instrumente als die klassische Gitarre, aber sooft Stefan Krügers Untermalungen nur nerviger Muzak sind, ebensooft unterstreicht er auch eine schon in der Inszenierung angelegte Stimmung zurückhaltend, aber wirkungsvoll. (die tageszeitung, 03.08.1998, S. 20) (420c) Man kann den Iren sicherlich nicht noch einmal denselben Vertrag sooft zur Abstimmung vorlegen, bis das Ergebnis des Referendums stimmt. (Nürnberger Nachrichten, 11.06.2001, S. 2)  





Subjunktorphrasen mit sooft können desintegriert an der Nullstelle auftreten, ein für Temporalsubjunktoren ungewöhnliches Stellungsverhalten. Hier liegt eine Angleichung an das Bedeutungs- und Formschema der irrelevanzkonditionalen Subjunktoren vom Subtyp der universalen (s. C4.4.3.2) vor: so/wie GRADP auch immer, wobei

C1 Temporale Konnektoren

389

GRADP für einen graduierbaren Ausdruck steht. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Frequenz des Referenzsachverhalts keinen Einfluss auf die Geltung des situierten Sachverhalts hat. Gleichzeitig kann der Hörer bei dieser Verwendung via Implikatur auf eine hohe Frequenz schließen. (421a)

Sooft er das Tempo verschärfte, sooft er sich umdrehte – Indurains Schatten begleitete ihn, bis Chiappucci weder Kraft noch, von Menschenmauern eingekeilt, den Raum hatte, um anzutreten. (Die Presse, 20.07.1992, o. S.) Aber sooft Oskar es auch versuchte, der Chef ging nicht ans Telefon. (die tageszeitung, 16.03.1999, S. 20)  

(421b)



In Bezug auf die aspektuelle Charakteristik und das Tempus von Referenzsachverhalt und situiertem Sachverhalt hat sooft keine Restriktionen und erlaubt auch atelische Sachverhalte. (422)

Sooft ich einsam, sooft ich unbeschäftigt war, trat mir jenes Bild des flehenden Mädchens, mit der ganzen Umgebung, mit jedem Baum und Strauch, dem Platz, wo sie knieete, dem Weg, den ich einschlug, mich von ihr zu entfernen, das Ganze zusammen wie ein frisches Bild vor die Seele. (GOE/ AGM, Goethe, Lehrjahre, S. 133)  

Damit zeigt sooft insgesamt mehr Eigenschaften eines konditionalen Konnektors als eines temporalen.

C2 Additiv basierte Konnektoren

C2

Additiv basierte Konnektoren Einleitende Bemerkungen  393

C2.1

Additive Konnektoren  397

C2.2

Negationsinduzierende additive Konnektoren  451

C2.3

Adversative Konnektoren  511

C2.4

Komitative Konnektoren  567

Eva Breindl

C2 Additiv basierte Konnektoren Einleitende Bemerkungen Als „additiv basiert“ werden hier Konnektoren bezeichnet, deren wahrheitskonditionale Bedeutung mit Hilfe der logischen Konjunktion der in den Argumenten des Konnektors bezeichneten Propositionen erfasst werden kann, und die im Unterschied zu den konditional basierten Konnektoren (s. C4) selbst keine implikative Beziehung zwischen ihren Argumenten denotieren. Für eine deklarative Verknüpfung mit einem additiv basierten Konnektor bedeutet dies, dass beide Argumente gelten, und dass sie unabhängig voneinander gelten. Das Merkmal der logischen Konjunktion teilen die additiv basierten Konnektoren mit manchen Subklassen konditional basierter Konnektoren (kausalen, konsekutiven, konzessiven), sodass sie streng genommen über ein negatives Merkmal Nicht-Implikativität definiert sind. Die logische Konjunktion grenzt sie dagegen eindeutig von der kleinen Klasse der alternativebasierten Konnektoren (s. C3) ab, die über die logische Disjunktion beschreibbar sind. Zu den additiv basierten Konnektoren zählen zuallererst natürlich die additiven Konnektoren (C2.1) selbst mit ihrem zentralen Vertreter, dem Konjunktor und. Sie bilden die merkmalsärmste, am wenigsten spezifische Subklasse, da zur Beschreibung der meisten ihrer Vertreter keine weiteren Bedeutungskomponenten und keine zusätzlichen Hintergrundannahmen nötig sind. Eine zweite Subklasse bilden diejenigen Konnektoren, die fordern, dass mindestens eines ihrer Argumente negativ-faktisch ist, wie z. B. die negativ-additiven weder p noch q und (NEG) p, geschweige denn q, das korrektive (NEG) p, sondern q oder das negativ-komitative p, ohne dass q. Diese Konnektoren haben wir hier in der Klasse der negationsinduzierenden additiven Konnektoren (C2.2) zusammengefasst. Zur logischen Konjunktion kommt hier als Bedeutungsmerkmal also noch eine oder – im Falle von weder (…) noch und geschweige (denn) – mehrere Negationen hinzu. Die adversativen Konnektoren (C2.3) mit dem Prototyp aber und einer Vielzahl weiterer Vertreter, die syntaktisch meist Adverbkonnektoren sind (hingegen, dagegen, demgegenüber, jedoch, allerdings, wiederum etc.), bilden eine weitere große Subklasse unter den additiv basierten. Für die Beschreibung ihrer Bedeutung muss auf Hintergrundannahmen zurückgegriffen werden: Eine Verknüpfung p, aber q signalisiert die Unterbrechung eines Gleichlaufs und wird erst vor der Folie erklärbar, dass p und ¬q zur Debatte stand. Die vierte Subklasse bilden schließlich die komitativen Konnektoren (C2.4) dabei, wobei und (marginal) indem, die sich vom additiven und in ihrer eingeschränkteren Distribution bezüglich der Argumenttypen und in einer obligatorisch asymmetrischen Ereignisstruktur unterscheiden: Eine Verknüpfung p, wobei q perspekti 

394

C Semantische Konnektorenklassen

viert das Zusammentreten von zwei Ereignissen konzeptuell als Haupt- und Nebenereignis. Die Grenze zwischen den konditional basierten und den additiv basierten Konnektoren ist allerdings in der natürlichen Sprache nicht ganz so strikt, wie die Unterscheidung zwischen Konjunktion und Implikation in der Logik. Die Grenze wird zum einen verwischt durch kontextgesteuerte Interpretationsanreicherungen von relativ unspezifischen Konnektoren, zum anderen durch konventionalisierte, lexikalisch verankerte Mehrdeutigkeit eines Konnektors, der neben einer additiven Bedeutung auch eine konditional basierte hat. Konditionale Interpretationsanreicherungen kommen bei Konnektoren aller vier genannten semantischen Subklassen vor. Ein typischer Fall für eine kontextabhängige Weiterinterpretation einer rein additiven Beziehung p Ù q zu einer Folgebeziehung p → q ist die kausale ‚und deshalb‘-Interpretation von und-verknüpften Ereignisprädikaten, die sequentiell ablaufende Ereignisse beschreiben, aus der Alltagserfahrung heraus, dass nacheinander stattfindende Ereignisse oft in einem Ursache-Wirkung-Zusammenhang stehen (s. C2.1.3.1.2.2). (1)

Und als wir dann zum Bahnhof hinübergingen, um mit dem nächsten Zug zurückzufahren, war weder ein Gepäckträger noch ein Boy aufzutreiben, und wir mußten eigenhändig unsere Koffer schleppen. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 263)  

Bei Nicht-Ereignisprädikaten kann eine und-Verknüpfungen auch eine epistemische Folgerungsinterpretation (‚und folglich‘) erhalten. (2)

Mir tat das Mädchen leid. Sie war sicherlich katholisch, und es mußte peinlich für sie sein, mit einem ehemaligen Priester jetzt irgendwo in einer Bude zu hocken und die Details des „fleischlichen Verlangens“ zu erdulden. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 292)  

Konventionalisiert sind konditionale ‚wenn-dann‘-Interpretationen bei bestimmten satzmodusasymmetrischen und-Verknüpfungen (s. C2.1.3.1.2.3): (3)

Mach das noch einmal und du kannst was erleben!

Eine notorisch unscharfe Grenze besteht zwischen Adversativität und Konzessivität. Das Bedeutungsspektrum des Konnektors aber (sowie das von jedoch, aber z. B. nicht das von hingegen oder wogegen) ragt in die Konzessivität (‚trotzdem, dennoch‘) hinein. Die kausale Interpretationsanreicherung findet in diesem Fall auf der präsuppositionalen Ebene statt: Statt einer Hintergrundannahme p Ù ¬q ist dann von einer Hintergrundannahme p → ¬q auszugehen (s. C2.3.3). Diese Anreicherung erlaubt aber freilich nicht in jedem Kontext, wie (5) zeigt.  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(4) (5)

395

Sie war jung, sah aber mies aus. (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 195) → ‚Sie war jung, dennoch sah sie mies aus.‘ „Du bist nicht unsere Mutter. Die hat eine feine und liebliche Stimme, deine Stimme aber ist rau. Du bist der Wolf!“ → *‚Die Mutter hat eine feine und liebliche Stimme, dennoch ist deine Stimme rau‘.  

Konditional basierte Interpretationen erlaubt auch das negativ-additive ohne dass (s. C2.2.6.2). Indem (s. C2.4.4) hat neben der (älteren) rein komitativen Bedeutung wie in (7) auch eine (heute dominante) instrumentale Lesart wie in (8). (6)

(7)

Bisher ist über eine Milliarde Mark an Steuergeldern in das Projekt geflossen, ohne dass ein einziger Arbeitsplatz geschaffen wurde. → ‚obwohl Steuergelder geflossen sind, wurden keine Arbeitsplätze geschaffen‘ Anna küßte ihre Mutter, indem sie die Palette und den nassen Pinsel in ihren Händen weit von ihr abhielt. (MK1/LMB, Mann, Betrogene, S. 11) Kulturell versah sie [= die Stadt Trier] zwar weiterhin eine wichtige Mittleraufgabe, indem sie Anregungen aus dem Mittelmeerraum, die über den klassischen Rhoneweg zur Mosel gelangten, an das Rheintal weitergab. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 71)  

(8)



Die konzeptuelle Unabhängigkeit der Argumente einer additiven Verknüpfung spiegelt sich auch in der Distribution der additiven Konnektoren auf die syntaktischen Subklassen: sie gehören eher selten einer einbettenden Subklasse an, kodieren also tendenziell nicht über syntaktische Dependenz. Im Inventar der additiv basierten Konnektoren finden sich – bis auf das disjunktive oder – alle Konjunktoren; das Gros stellen Adverbkonnektoren. Allerdings finden sich hier auch viele Einzelgänger, insbesondere unter den negationsinduzierenden. Streng symmetrisch in dem Sinne, dass beide Argumente identische semantische Rollen haben, sind von den additiv basierten Konnektoren nur wenige: Im Prinzip trifft es auf die additiven Konjunktoren (und, sowohl (…) als auch, sowie) und die Adverbkonnektoren zu, ebenso auf die negativ-additiven weder (…) noch und geschweige denn. Geschweige denn enthält aber in seiner Bedeutungsstruktur im Vergleich zu weder (…) noch zusätzlich einen Gewichtungsfaktor – dass p, das externe Argument, der Fall ist, wird vom Sprecher mit höherer Wahrscheinlichkeit oder größerer Erwünschtheit unterstellt als dass q der Fall ist. Hintergrundannahmen spielen auch bei additiven Konnektoren, die auf Fokuspartikeln aufbauen (auch, sowohl (…) als auch), eine Rolle. Negationsinduzierende Konnektoren, die nur in einem ihrer Argumente eine Negation induzieren, sind per se asymmetrisch, bei den komitativen liegt wieder eine Gewichtungsasymmetrie (Hauptereignis – Nebenereignis) vor. Bei den adversativen lässt sich die Frage nach Symmetrie oder Asym-

396

C Semantische Konnektorenklassen

metrie nur von Fall zu Fall in Abhängigkeit vom semantischen Subtyp entscheiden. Die vier semantischen Subklassen sind in der nachstehenden Tabelle mit ihren Bedeutungsmerkmalen zusammengefasst. Tab. C2-1: Typologie der additiv basierten Relationen Propositionaler Bedeutungsanteil

Hintergrundannahme

Additive Konnektoren

pÙq

keine (und, sowie) p Ú q (sowohl (…) als auch)

Negationsinduzierende additive Konnektoren

¬p Ù ¬q (weder (…) noch) ¬p Ù q (sondern) p Ù ¬q (statt, stattdessen) ¬p Ù q

p Ú q (weder (…) noch) p (sondern) p aut q (statt, stattdessen)

Adversative Konnektoren

pÙq

p Ù ¬q; p → ¬q (bei konzessiver Interpretation)

Komitative Konnektoren

pÙq

{

}

weitere Bedeutungsmerkmale

q = Nebenereignis

C2.1 Additive Konnektoren

C2.1

Additive Konnektoren

2.1.1 Liste der additiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  399 2.1.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  401 2.1.3 Additive Konjunktoren  407 2.1.3.1 Der Universalkonjunktor und  408 2.1.3.1.1 Syntaktische Eigenschaften  408 2.1.3.1.2 Semantische Eigenschaften: Standardverwendungen und Bedeutungsspielraum  410 2.1.3.1.2.1 Reine Listeninterpretationen  410 2.1.3.1.2.2 Weiterinterpretationen zu anderen additiv basierten Relationen  411 2.1.3.1.2.3 Konditionale Interpretationen  415 2.1.3.1.2.4 Sogenannte „implikative“ Interpretationen  417 2.1.3.1.2.5 Nicht-konnektorales und: „Kollektion“ („Phrasenkoordination“)  421 2.1.3.1.2.6 Besondere Diskursfunktionen von und  424 2.1.3.2 Die vergleichsbasierten Konjunktoren sowohl (…) als auch, sowie und wie  425 2.1.3.2.1 Formvariation  425 2.1.3.2.2 Heteroseme und Vorkommen in anderen Konnektorklassen  427 2.1.3.2.3 Syntaktische Eigenschaften: Restriktionen gegenüber und  428 2.1.3.2.4 Semantische Restriktionen: Ausschluss von Interpretationsanreicherungen  431 2.1.3.2.5 Semantische Restriktionen: Ausschluss von Kollektivund Fusionsinterpretationen  432 2.1.3.2.6 Restriktionen bezüglich der Anzahl der Koordinate  434 2.1.3.2.7 Informationsstrukturelle Restriktionen  436 2.1.3.3 Differenzparameter für additive Konjunktoren und ihre kompositionale Herleitung  438 2.1.3.4 Das Verhältnis korrelativer Konjunktoren zu ihren einfachen Pendants  444 2.1.4 Additive Adverbkonnektoren  445

C2.1 Additive Konnektoren 2.1.1 Liste der additiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren obendrein: VF, MF, NE, Null überdies: VF, MF, NE, Null zudem: VF, MF, NE, Null Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren auch: VF, MF, VE außerdem: VF, MF, Null daneben: VF, MF darüber hinaus: VF, MF, Null dazu: VF, MF des Weiteren: VF, MF ebenfalls: VF, MF, (VE) ebenso: VF, MF, (VE) erstens (…) zweitens: VF, MF ferner: VF, MF, Null fernerhin: VF, MF, Null gleichfalls: VF, MF, (VE) halb (…) halb: VF, MF noch dazu: VF, MF, Null teils (…) teils: VF, MF weiter: VF, MF weiterhin: VF, MF, (VE) weiters: VF, MF zusätzlich: VF, MF Subjunktoren dazu dass Konjunktoren und sowie sowohl (…) als/wie auch wie Additivität wird syntaktisch überwiegend nicht einbettend kodiert, nämlich koordinativ mit Konjunktoren oder parataktisch mit Adverbkonnektoren. Syntaktisch asym-

400

C Semantische Konnektorenklassen

metrische, dependente Kodierungen wie Präpositionen (fachsprachliches plus) oder Subjunktoren (phrasales dazu, dass) sind bestenfalls marginale, stilistisch eingeschränkte und diachron jüngere Ausdrucksmittel für Additivität. Eine solche Kodierungstypik folgt dem Prinzip des konstruktionellen Ikonismus: die syntaktische Symmetrie bringt die semantisch-funktionale Identität der Relata eines additiven Konnektors isomorph zum Ausdruck. Die beiden syntaktischen Hauptklassen additiver Konnektoren zeigen eine gewisse Arbeitsteiligkeit: Adverbkonnektoren verknüpfen Sätze und größere Textpassagen, Konjunktoren dienen vorwiegend der Verknüpfung von Einheiten unterhalb der Satzebene. Der einzige additive Konnektor, der Sätze und Nicht-Sätze aller Art verknüpfen kann, ist der „Universalkoordinator“ und, der gleichzeitig das zentrale, frequenteste Ausdrucksmittel für die additive Relation bildet. (In den IDS-Korpora gesprochener Sprache ist er in der Kategorie allgemeine Umgangssprache über 10.000mal belegt gegenüber 51 sowie- und 187 sowohl-Belegen). Die Konjunktoren sowohl (…) als auch und sowie können dagegen nicht uneingeschränkt Sätze verknüpfen (s. C2.1.3.2). Aber auch und wird überwiegend zur Verknüpfung von Phrasen unterhalb der Satzebene verwendet: Unter 200 zufallsgenerierten und-Belegen aus dem DeReKo finden sich nur 25 Verknüpfungen vollständiger Sätze und 32 Verknüpfungen von fast maximalen Verbgruppen (meist mit Subjektellipse im zweiten Koordinat). In allen übrigen Belegen verknüpft und nicht-finite Einheiten oder Subjunktorphrasen. Die prototypischen Verwendungen additiver Konjunktoren resp. Adverbkonnektoren sehen also etwa wie in (1) aus.  

(1)



Die Daten wurden der Selbstbiographie „Die Gier des Auges“ und dem „Buch der Freunde“ entnommen. Ferner/außerdem/auch/daneben/darüber hinaus/des Weiteren/dazu/zudem wurde der Band „Die Sprache der Farbe“ herangezogen.

Mit der Existenz eines Universalkoordinators ist das Deutsche zwar typologisch zu den Sprachen zu rechnen, die ein Satz- und VP-verknüpfendes „S-AND“ (Stassen 2000, Heine/Kuteva 2001) oder „verbal conjunction“ (Haspelmath 2005) auf die gleiche Weise kodieren wie ein „NP-AND“ oder „nominal conjunction“. Darin entspricht es dem in den europäischen Sprachen verbreiteteren Muster. (Haspelmath 2005 gibt im World Atlas of Language Structures 125 Sprachen mit differenzieller und 161 Sprachen mit großteils identischer Kodierung an). Die in vielen außereuropäischen, vor allem afrikanischen Sprachen beobachtbare Differenzierung bei der Kodierung von S-AND und NP-AND ist aber im Deutschen ansatzweise durchaus ausgeprägt: im übrigen Inventar additiver Konnektoren und in der Konzentration des tatsächlichen Gebrauchs des Universalkoordinators und.

C2 Additiv basierte Konnektoren

401

2.1.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Von den vier additiv basierten Relationen ist Additivität, die UND-Relation, die konzeptuell und semantisch elementarste. Zur Erfassung ihrer wahrheitskonditionalen Bedeutung ist die logische Konjunktion ausreichend und zumindest für ihren zentralen Vertreter, den Konjunktor und, sind keine weiteren Hintergrundannahmen im Spiel, die durch den Konnektor selbst induziert würden. Die konzeptuelle Leistung einer additiven Verknüpfung besteht darin, dass sie zwei (oder mehr) Entitäten unter irgendeinem Gesichtspunkt, der als gemeinsamer Nenner fungiert, „zusammenfasst“ (Eisenberg 2004: 205), „bündelt“ (Lang 1984, 1991; Brauße 1998; Breindl 2004e, 2007a, 2008b) und damit gleichzeitig signalisiert, dass die so zusammengefassten Entitäten unter diesem Gesichtspunkt typgleiche, aber distinkte Instanzen, potentielle Alternativen voneinander, sind. Der übergeordnete Gesichtspunkt ist das, was in der Literatur seit Lang (1984, 1991) als „Gemeinsame Einordnungsinstanz“ (GEI) oder „Common Integrator“ (CI) bezeichnet wird. In der rollensemantischen Struktur additiver Verknüpfungen äußert sich das dahingehend, dass als konnektorspezifische semantische Rolle der Relata (analog zu Rollen wie G RUND und F OLGE , die von kausalen Konnektoren vergeben werden oder die von konditionalen Konnektoren vergebenen Rollen B EDINGUNG und F OLGE ) allenEMENT EINER M ENGE T TYPGLEICHER YPGLEICHER E LEMENTE LEMENT E “ oder „A A DDITUM “ anfalls etwas wie „E E LLEMENT genommen werden könnte. Die Relata bringen dabei in die additive Verknüpfung diejenigen semantischen Rollen bzw. textuellen Funktionen mit ein, die sie unabhängig vom Konnektor aufgrund ihrer Kontexteinbettung haben. Die Leistung des Konnektors reduziert sich damit auf die Bündelungsoperation und darauf, zu signalisieren, dass die Rollen der Relata identisch sind (vgl. Lang 1991: 600: „Die den Konjunkten zugewiesene semantische Rolle ist durch die Rahmenstruktur determiniert und wird durch Konjunktionen wie und, oder etc. nur ‚weitergereicht‘“). Diese Rollen sind nun je nach dem syntaktischen Typ der verknüpften Entitäten von unterschiedlicher Natur. Hier macht sich die syntaktische Klassenzugehörigkeit der additiven Konnektoren bemerkbar, die bis auf den phraseologischen Subjunktor dazu, dass nur Konjunktoren und Adverbkonnektoren sind. Während bei Subjunktoren, Postponierern und Verbzweitsatz-Einbettern die syntaktischen Funktionen der Relata festgelegt sind – das interne Konnekt fungiert als Adverbiale im externen Konnekt –, sind Konjunktoren auch syntaktisch dahingehend „durchlässig“, dass ihre Koordinate ihre syntaktische Funktion aus dem Koordinationsrahmen beziehen. Additive Adverbkonnektoren wiederum können ihrerseits im zweiten Konnekt einer asyndetischen oder syndetischen Koordination auftreten, also auch zusammen mit einem der additiven Konjunktoren (s. 4). In diesem Fall kann dank der Möglichkeit koordinativ gestützter Ellipsen das interne Konnekt genauso wie bei Konjunktoren auf den Adverbkonnektor und das Koordinat reduziert sein, das seine syntaktische Funk-

402

C Semantische Konnektorenklassen

tion aus dem externen Konnekt bezieht. Damit wird aber auch die mit der syntaktischen Funktion verbundene semantische Rolle aus dem Koordinationsrahmen bzw. aus dem externen Konnekt heraus vergeben. Für eine additive Koordination von Termausdrücken lässt sich das wie in (2) darstellen.

Das passivische Prädikat wurden … beschädigt weist seinem Subjekt die semantische Rolle P ATIENS zu. Durch den additiven Konnektor wird, bedingt durch dessen „Identitätsforderung“, diese Rolle an die einzelnen Koordinate Hamburg und Bremen weitergereicht und es wird zum Ausdruck gebracht, dass die Koordinate als Elemente einer Menge anzusehen sind. In (3) haben die Koordinate eine adverbialsemantische Rolle, die man als O RT oder R EGION bezeichnen könnte; in (4) ist das zweite Konnekt über eine syndetische oder asyndetische Koordination mit dem ersten Konnekt verknüpft und durch Koordinationsreduktion auf eine NP reduziert, die ihre T HEMA - Rolle aus dem Koordinationsrahmen bezieht. (3) (4)

Neben zahlreichen Attraktionen in Bremen und Hamburg gibt es auf dem Hanseradweg auch an der Strecke viel Interessantes zu entdecken. Die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Rostock haben eine Bürgerschaft, (und) ebenso/ebenfalls/gleichfalls Bremen.

Die Ableitung der „Gemeinsamen Einordnungsinstanz“ erfolgt ebenfalls kontextgesteuert, ist aber nicht abhängig von der syntaktischen Funktion der Koordinate, sondern ergibt sich aus deren inhärenten semantischen Merkmalen. Dabei werden in einer koordinativen Verknüpfung in der Regel jeweils nur bestimmte semantische Merkmale aus dem lexikalischen Bedeutungspotential aktiviert. Diese Selektion steuert der Kontext, wobei in erster Linie die Koordinate selbst füreinander einen solchen merkmalsaktivierenden und gegebenenfalls auch disambiguierenden Kontext bilden. So wird in (5) durch die Koordinate jeweils ein anderes Bedeutungsmerkmal bzw. eine andere Bedeutung von Bremen relevant gesetzt: in (5a) ist Bremen als Bundesland, in (5b) als Teil einer Verwaltungseinheit gemeint, in (5c) ist überhaupt nicht die Rede von der Stadt, sondern vom Fußballclub Werder Bremen. (5a)

Bremen, Hamburg und Niedersachsen haben bei der Pisa-Studie mit am schlechtesten abgeschnitten.

403

C2 Additiv basierte Konnektoren

(5b)

(5c)

In Bremen und Bremerhaven werden am 13. Mai 2007 die 83 Mitglieder der neuen Bürgerschaft gewählt. (http://www.kandidatenwatch.de/bremen-4350.html) Bremen und Schalke haben die Endrunde um den UEFA-Cup verpasst.  

Durch solche „Übertragungseffekte“ aus einem Koordinat in das andere können auch unterspezifizierte Bedeutungen kontextuell aufgefüllt werden; Lang (1991: 604 f.) gibt als Beispiel sexusunspezifisches Löwen und Nashörner vs. sexusspezifisches Löwen und Löwinnen. Dass die Koordinate selbst wechselseitig füreinander einen Kontext bilden, der zur Ableitung der gemeinsamen Einordnungsinstanz hinreichend ist, ist aber nur ein Spezialfall des kontextgesteuerten Ableitungsmechanismus. Reicht die Bedeutung der Koordinate allein hierfür nicht aus, wird die Suche auf den weiteren Kontext ausgeweitet. Der aktiviert z. B. für das Koordinatepaar Hamburg und Bremen in (6a) als gemeinsames relevantes Bedeutungsmerkmal ‚Bundesland‘ oder, genauer, ‚Stadtstaaten unter den Bundesländern‘, in (6b) ‚Unternehmensstandort‘, in (6c) ‚Hansestadt‘.  



(6a)

(6b) (6c)

Bundesländer im Unternehmer-Test. […]. Am schlechtesten schneiden wiederum die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen mit Rang 15 bzw. 16 ab. (http://www.berlinews.de/archiv-2002/1639.shtml) Airbus zieht Ingenieure aus Hamburg und Bremen nach Toulouse ab. Wegner berichtet von dem Niedergang der Hansestädte während der napoleonischen Besatzung, der daraus erwachsenden Sehnsucht nach Rückhalt in einem geeinten Deutschland und dem Konflikt der Hansestädte zwischen traditioneller Zollfreiheit und der Notwendigkeit von Zöllen zum Schutz der deutschen Industrie, der schließlich zur Gewährung von Freihäfen in Bremen und Hamburg führte. (http://www.luise-berlin.de/Lesezei/Blz00_06/ text35.htm)

In den obigen Beispielen fallen die Koordinate nicht mit den Konnekten in eins, sondern bilden Einheiten unterhalb der Satzebene, identisches Material in den Konnekten ist koordinativ gestützt getilgt und die GEI kann aus den Koordinaten oder allenfalls aus dem Koordinationsrahmen abgeleitet werden. In einer additiven Verknüpfung vollständiger Sätze, d. h. wenn bei einer koordinativen Verknüpfung die Koordinate den Umfang von Konnekten haben, muss die Gemeinsame Einordnungsinstanz wiederum aus den Merkmalen der Koordinate – in diesem Fall Situationen –, oder, wenn dies nicht ausreicht, aus dem die Verknüpfung umgebenden weiteren Kontext rekonstruiert werden. Als Analogon zur semantischen Rolle der Koordinate, die innerhalb eines Koordinationsrahmens eine syntaktische Funktion einnehmen, kann man bei satzförmigen Koordinaten ihre Diskursfunktion innerhalb eines größeren Kontexts sehen. In einem narrativen Kontext etwa denotieren die Koordinate üblicherweise Ereignisse in einer geordneten Ereigniskette:  

404

(7)

C Semantische Konnektorenklassen

Daniels Vater lernte Klavier und gab schon bald Konzerte.

Ein diskursiver Kontext kann wiederum eine andere Textfunktion aktivieren: In (8) fungieren die Relata als Elemente einer Liste von Aussagen, die dazu dienen sollen, eine im voraufgehenden Kontext getroffene Behauptung, nämlich, dass alle Familienmitglieder musikalisch seien, zu exemplifizieren und zu evidenzieren. (8)

In Daniels Familie sind alle musikalisch. Daniels Vater lernte Klavier, sein Großvater spielte Geige, sein Onkel war Flötist im städtischen Orchester und seine Großmutter war sogar Konzertpianistin.

Diese Diskursfunktionen sind freilich rein textsemantischer Natur und haben, anders als die durch Prädikate zugewiesenen semantischen Rollen von Termen, keine Verankerung mehr in der syntaktischen Struktur und in einem lexikalisch gesteuerten Mechanismus der Rollenzuweisung, da hier der Satzrahmen überschritten wird. In ihrer Funktion als Indikatoren für semantisch-funktionale Gleichheit der verknüpften Relata ist denn auch der zentrale Beitrag additiver Konnektoren zur Textkohärenz zu sehen. Sie begrenzen den Interpretationsspielraum, der bei einer nicht konnektoral markierten, parataktischen Reihung zweier vollständiger Sätze sehr groß ist (vgl. Breindl/Waßner 2006), da zwischen diesen die unterschiedlichsten symmetrischen, aber auch asymmetrischen Relationen inferiert werden können (wie beispielsweise in (8) eine Begründungsrelation auf der epistemischen Ebene zwischen dem ersten Satz und der gesamten nachfolgenden koordinativen Verknüpfung). Auch in den folgenden Beispielen verklammern die additiven Konnektoren jeweils vollständige Sätze so, dass dadurch ihre identische diskursive Funktion deutlich wird. In (9) übt erst die vollständige koordinative Verknüpfung die Rolle eines Beispiels für die vorangehende allgemeine Behauptung aus. Ein parataktischer, asyndetischer Anschluss könnte hingegen den Eindruck der Setzung eines neuen Themas (identisch mit dem Rhema des Vorgängersatzes) erwecken und damit eine narrative Fortführung, einen Ausbau zu einer eigenen Episode erwarten lassen. (9)

Es geschieht gar nicht so ganz selten, daß ein scheinbar totes Beutetier unverletzt davonläuft, sobald man den Löwen verjagt. Neulich mußte eine von vier Löwinnen ein Zebrafohlen auf diese Weise fahrenlassen, und das Tierchen lief laut schreiend davon – ein glückliches Zebrakind. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 74)  

Auch in (10) zeigen die additiven Konnektoren an, dass die auf sie folgenden Propositionen die gleiche Textfunktion haben wie die voraufgehende asyndetische koordinative Verknüpfung: sie dienen sämtlich als Argumente für die von den Betreibern der Achterbahn intendierte Suggestion von Spannung und Gefahr. Dieser Zusammenhang bliebe ohne die additiven Konnektoren nur schwer zu erschließen.

405

C2 Additiv basierte Konnektoren

(10)

Die sicherheitsgeprüfte [Achter]Bahn gibt sich höchst fragil, alles suggeriert Zerbrechlichkeit und Ausgeliefertsein: Die Bügel sind dünn, die Füße der Fahrgäste reichen nicht bis zum Boden, rundum freie Sicht auf alle Gefahren. Auch die Musik macht einen großen Teil des Gruseleffekts aus, sagt Gronau. Und wenn nach der großen Schussfahrt alle meinen, das Schlimmste sei ausgestanden, kommt es noch mal ganz dick. (Zeit-Wissen, 31.08.2005, o. S.)  

Dass die Festlegung auf identische semantische Rolle bzw. Textfunktion zu den Gebrauchsbedingungen der additiven Konnektoren gehört, zeigt sich auch in der Wirkung, die zeugmatische Konstruktionen entfalten: bei diesen werden gerade rollensemantisch distinkte Koordinate mit einem additiven Konjunktor verbunden; so hier ein Instrumental- mit einem Modaladverbial: (11) (12)

Mit einer Gabel und mit Müh’ zieht ihn die Mutter aus der Brüh. (BUSCH) Mit einer Axt und stillem Weh sucht man den Peter in dem Schnee. (BUSCH)

Bei der Verknüpfung von kommunikativen Minimaleinheiten sind Verstöße gegen die Gleichheitsforderung in aller Regel nicht so auffällig. Ein äußerungsinitiales und kann vom Sprecher gerade dazu eingesetzt werden, Brüche in der Kohärenz oder einen unter der Hand vorgenommenen Themenwechsel zu kaschieren. Insbesondere beim Sprecherwechsel soll ein Beginn mit und eine geradlinige, thematisch konstante Fortführung und Kooperation signalisieren. Auch wenn ein Sprecher in seinem Redebeitrag durch Nebensequenzen unterbrochen wird, kann er durch und an seinen Beitrag anknüpfen. (Zu Text- und Diskursfunktionen von initialem und vgl. Schlobinski 1994, Polikarpov 1997 und Fernandez-Bravo 2001). Solche Rückbindungen kommen auch in der geschriebenen Sprache vor: (13)

Während Victor Klemperer sich sofort in die Arbeit stürzt und auf vielfacher Ebene aktiv wird, bedrückt es ihn, daß seine Ehefrau, der er seine Rettung verdankte, alles verloren hatte, was ihr neben dem so mühsam erbauten Haus noch wichtig war: ihre Kompositionen, die sie nicht aus den Händen geben wollte und noch auf der Flucht bis nach München mit sich geführt hatte. Und als Eva Klemperer im Juli 1951 stirbt, kann auch er keinen Sinn mehr in seinem Tun und Weiterleben entdecken. (BIH/TK6, Klemperer, Tagebücher, S. 910–919)  

Die Zusammenfassung der in C2.1 angeführten Konnektoren als Vertreter einer semantischen Satzverknüpfungsrelation „Additivität“ ist im Vergleich zu den „adverbialen“ Relationen Kausalität, Konditionalität, Konzessivität, Temporalität u. ä. nicht so sehr Konsens in Grammatiken und Lehrbüchern (vgl. Breindl 2007a). Nicht selten werden hier das syntaktische Verfahren der Koordination und die additive semantische  

406

C Semantische Konnektorenklassen

Relation der Zusammenfassung vermengt und in der Beschreibung wird zwischen den Eigenschaften, die sich durch die additive Bedeutung ergeben, und denen, die der Koordinationssyntax geschuldet sind, nicht klar unterschieden. Langs (1977) „Semantik der koordinativen Verknüpfung“ versucht, gemeinsame semantische Eigenschaften von Konjunktoren an Eigenschaften ihrer Syntax anzubinden. Zentrales Konzept ist dabei die „Gemeinsame Einordnungsinstanz“ und die Tatsache, dass die Konjunktoren selbst keine semantischen Rollen an ihre Argumente vergeben. Da das Prinzip der Gemeinsamen Einordnungsinstanz nicht an das Auftreten eines Konjunktors gebunden ist und sich auch bei asyndetischen Koordinationen und parataktischen Satzfolgen einstellt, kann man es letztlich als Spezialfall eines allgemeineren Kohärenzprinzips auffassen. Eine additive Relation kann nicht durch andere als additive Konnektoren bezeichnet werden, und-Verknüpfungen selbst sind aber durchlässig für Interpretationsanreicherungen, die durch den Kontext ausgelöst werden. Additivität kann auch unsignalisiert bleiben: das ist der Fall in asyndetischen koordinativen Verknüpfungen. Davon zu unterscheiden sind parataktische Verknüpfungen, die mit und ohne Konnektor auftreten können. Asyndese vs. Syndese und syntaktisch verknüpft/koordinierend vs. parataktisch juxtaponiert sind zwei unterschiedliche Merkmale, nach denen additive Verknüpfungen kreuzklassifiziert sind. Dabei steht in asyndetischen Abfolgen wie in (14b/c) als Kriterium zur Unterscheidung von Parataxe und Komplexbildung nur die Prosodie zur Verfügung (vgl. GDS: 2362, HDK-1, Haspelmath 2005). Bei syndetischen parataktischen Verknüpfungen kann im Übrigen auch der Konnektor selbst desintegriert an der Nullstelle erscheinen (14f/g). (14a) (14b) (14c) (14d) (14e (14f) (14g)

Otto hat staubgesaugt und Anna (hat) aufgeräumt. (syndetisch, koordiniert) Otto hat staubgesaugt, Anna (hat) aufgeräumt. (asyndetisch, koordiniert) Otto hat staubgesaugt. Anna hat aufgeräumt. (asyndetisch, parataktisch) Otto hat staubgesaugt. Und Anna hat aufgeräumt. (syndetisch, parataktisch) Otto hat staubgesaugt. Ferner hat Anna aufgeräumt. (syndetisch, parataktisch) Otto hat staubgesaugt. Und: Anna hat aufgeräumt. (syndetisch, parataktisch, desintegrierter Konnektor) Otto hat staubgesaugt. Außerdem: Anna hat aufgeräumt. (syndetisch, parataktisch, desintegrierter Konnektor)

Die Bedeutung des Konjunktors und ist also nicht mit einer „Semantik der Koordination“ gleichzusetzen. Fälle wie (14d) werden in der GDS (2362) als „Quasikoordination“ beschrieben.

407

C2 Additiv basierte Konnektoren

2.1.3 Additive Konjunktoren Unter den additiven Konjunktoren zeigt der Universalkoordinator und den größten syntaktischen und semantische Spielraum. Sowohl (…) als auch und sowie haben dagegen deutliche Kontextrestriktionen und sind semantisch stabil. Wie kommt als additiver Konjunktor praktisch nur in formelhaften Wendungen vom Typ der Zwillingsformeln vor (im Guten wie im Bösen, Jacke wie Hose, damals wie heute). Die Vergleichssemantik des Adjunktors wie ist auch in der Verwendung als Konjunktor noch präsent, auch verknüpft wie eher Adjektive und Adverbien als andere Phrasen (sommers wie winters, nach wie vor, in guten wie in schlechten Tagen, hier wie dort). Bei der Verknüpfung von Subjekten kann wie aber wie jeder Konjunktor pluralische Kongruenz auslösen. Es tritt ausschließlich mit zwei Koordinaten auf – anders als sowie, das in aller Regel mehr als zwei Koordinate verknüpft. Synchron sollte es deshalb besser nicht als Formvariante von sowie beschrieben werden. (15)

Ihre unheimliche Macht in unsrer Zeit liegt darin, daß sie beides, das Gute wie das Böse, ins nicht mehr Absehbare zu steigern vermag. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 96) Dieser für alle hochentwickelten Industrieländer, sozialistische wie kapitalistische, charakteristische Prozeß wirft eine Vielzahl von neuartigen und umfassenden gesellschaftlichen Problemen auf. (MK1/ZUR, Urania, S. 45)  

(16)



Durch die koordinative Syntax mit den Möglichkeiten koordinativ gestützter Ellipsenbildung können koordinative additive Verknüpfungen ein hohes Maß an syntaktischer Verschränkung der Konnekte aufweisen. Diese müssen nicht die Form von Sätzen haben, sie müssen nicht einmal Satzglieder sein. (Zur Syntax der koordinativen Verknüpfung s. im Überblick A1.2, ausführlich HDK-1: B5.7) (17)

Das Spitzmaulnashorn hat eine fingerförmige [Oberlippe] und das Breitmaulnashorn [hat] eine flache Oberlippe.

Es ist nicht immer ganz klar, welche semantischen Eigenschaften koordinativer Konstruktionen auf eine allgemeine „Semantik der koordinativen Verknüpfung“ bzw. der Wortklasse Konjunktor, oder, noch spezifischer, ihrer semantischen Subklasse additive Konjunktoren zurückzuführen sind, und was als lexikalische Eigenschaft eines einzelnen Konjunktors angesehen werden muss. So gehen bestimmte Bedingungen, die die Verträglichkeit der Koordinate miteinander betreffen, wohl auf das Konto additiver Konjunktoren: sie gelten für und, sowohl (…) als auch und sowie gleichermaßen, gelten ebenfalls für den negativ-additiven Konjunktor weder (…) noch, aber nicht für den disjunktiven Konjunktor oder.

408

(18a) (18b) (18c) (18d) (18e)

C Semantische Konnektorenklassen

#Hans ist verheiratet und Junggeselle. #Hans ist sowohl verheiratet als auch Junggeselle. #Hans ist verheiratet sowie Junggeselle. #Hans ist weder verheiratet noch Junggeselle. Hans ist verheiratet oder Junggeselle.

Dass sich kontradiktorische Koordinate „im Prinzip“ nicht additiv verknüpfen lassen ist trivial, da Ausschluss das Wesen der Kontradiktion ist. In der Praxis werden aber solche Verstöße von Sprechern als Paradoxien formuliert und von Adressaten dahingehend repariert, dass die Prädikate als kompatibel uminterpretiert werden. Ebenso steht es mit der Konstruktion einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz, die Adressaten auf der Basis einer generellen Sinnunterstellung auch bei scheinbar inkohärenten Konnekten geradezu zwanghaft zu rekonstruieren versuchen, wie der geneigte Leser am folgenden Beispiel selbst testen möge. (19)

Zwei mal zwei ist drei und du bist der Größte.

2.1.3.1 Der Universalkonjunktor und Und wird oft als der zentrale, semantisch und syntaktisch am wenigsten eingeschränkte Vertreter nicht nur der Additivitätsrelation oder des Inventars der koordinierenden Konjunktionen angesehen, als „die koordinierende Konjunktion ‚par excellence‘, mit dem „weitesten Verwendungsspielraum“ und der „höchsten Kontextabhängigkeit bezüglich seiner Interpretation“ (Lang 1991: 614 f.), als zentraler Repräsentant des Konnektorensystems überhaupt: als „das sondern allgemeinste Bindewort von unbestimmtester Bedeutung“ (Heyse 1908: 543); es habe „von allen Konjunktionen die primitivste Bedeutung“ (Lang 1977, Eisenberg 1989: 320), eine Bedeutung, die der der anderen Konnektoren zugrunde liege (Eisenberg 1989: 320). Es steht im DeReKo nach der und die auf dem dritten Frequenzrang.  

2.1.3.1.1 Syntaktische Eigenschaften Und repräsentiert den Typ der identischen Kodierung von Satzverknüpfungen („S-AND“) und Verknüpfungen von Einheiten unterhalb der Satzgrenze („NP-AND“) (s. C2.1.1). Es kann als „Universalkoordinator“ primäre Koordinate beliebigen Formats verknüpfen: von kommunikativen Minimaleinheiten (20) (zum Konzept vgl. GDS: 85 ff., HDK-1: 35) über vollständige Sätze (21), Verbgruppen unterschiedlicher Komplexität (22), Phrasen (23) und Wörter (24) bis hin zu Einheiten unterhalb der Wortgrenze (25). Kategoriale Identität der Koordinate ist dabei nicht notwendig (s. 23c), entscheidend ist die Identität der syntaktischen Funktion.  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(20a)

409

{Den Empfang hab ich mir aber anders vorgestellt}. Und {du willst eine gelernte Mamsell sein!} (DIV/GAJ, Grisebach, Frau, S. 280) {Ich machte mir Sorgen, wo denn der schwerkranke Mann hin sollte im Westen}. Und {würde er heil über die Grenze kommen?} (DIV/GAJ, Grisebach, Frau, S. 308) {Die äußeren Planeten sind in mehrfacher Hinsicht ungeeignet}, und {die Kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter haben nicht einmal eine Atmosphäre}. (MK1/WGW, Gail, Weltraumfahrt, S. 128) Der Zug {wurde nur rangiert} und {fuhr dann westwärts in Richtung Stolp}. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 350) Die beiden Verunglückten sind […] {auf einem langen Steilhang gestürzt} und {etwa 300 Meter abgerutscht}. (Die Welt, 08.02.1966, S. 1) Wir saßen im Vorzimmer, alle im Straßenanzug, umgeben von {weißen Bräuten} und {Bräutigams, die wie Kellner aussahen}. (MK1/LFH, Frisch, Faber, S. 68) Darum müssen wir uns bemühen, den Begriff der Menschlichkeit von allen {muffigen}, {verschwommenen} und {wehleidig rückwärts gewandten} Vorstellungen freizuhalten. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 90) Der Obertelegraphenassistent war vor der kaiserlichen Disziplinarkammer in Potsdam angeklagt {wegen „Vernachlässigung seiner Dienstpflichten} und {weil er in dieser Zeit mit mehreren verheirateten Frauen in Ärgernis erregender Weise ehebrecherischen Verkehr unterhalten“}. (BIH/BKA.00003, Kerr, Anmerkungen, S. 723) {Vor} und {hinter} der Kolonne ritten die Offiziere […]. (MK1/LJA, Johnson, Buch, S. 167) Das {Ein-} und {Aus}parken macht mit dem großen Wagen etwas Mühe.  

(20b)



(21)



(22a)



(22b)



(23a)



(23b)



(23c)



(24)



(25)

Und kann beliebig viele Konnekte gleichen Typs verknüpfen, wobei es üblicherweise bei Aufzählungen von mehr als zwei Koordinaten wie in (23a) nur zwischen die letzten beiden Koordinate tritt (im Einzelnen vgl. HDK-1: 463 ff.). Dabei bleibt offen, ob es außer den durch und verknüpften primären Koordinaten nicht noch weitere Alternativen gibt, auf die der im Koordinationsrahmen bezeichnete Sachverhalt zutrifft. In beiden Koordinaten kann identisches Material nach den Regeln koordinativ gestützter Ellipsen weggelassen werden (vgl. HDK-1: B6; zur Koordinationssyntax vgl. HDK-1: B5.7). Die sogenannte „Inversion bei und“, in der und statt der konjunktortypischen nicht-integrierten Stellung zwischen den Konnekten wie ein Adverb das Vorfeld eines Verbzweitsatzes besetzt (Wir senden Ihnen die gewünschten Unterlagen und hoffen wir …), ist im Gegenwartsdeutschen ausgesprochen markiert und wird von Grammatikern und Sprachpflegern einhellig abgelehnt: „und empfinden wir sie in der Tat als so unerträglich, dass man am besten tut, den Satzdreh nach und ein für allemal für falsch zu erklären“ (Reiners 1943: 156; vgl. auch Duden-Zweifelsfälle 2001: 848). Als  



410

C Semantische Konnektorenklassen

seltenere Nebenvariante existiert sie seit dem Mittelhochdeutschen bis in die Neuzeit (Dal 1966: 173; Ebert et al. 1993: 432).  

2.1.3.1.2 Semantische Eigenschaften: Standardverwendungen und Bedeutungsspielraum Der Konjunktor und hat weder Heteroseme in anderen Wortarten noch in einer anderen syntaktischen Konnektorklasse. Dafür ist sein semantischer Variationsspielraum relativ groß.

2.1.3.1.2.1 Reine Listeninterpretationen Bei reinen „Listeninterpretationen“ von und-Verknüpfungen hat eine Vertauschung der Konnekte keine Auswirkungen auf die Interpretation; es findet keine über die „Bündelungsoperation“ und die Unterstellung einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz hinausgehende Bedeutungsanreicherung statt. (26a) (26b)

[Was wünschen die Herrschaften?] Ich trinke einen Jägermeister und meine Frau nimmt einen Eierlikör. = Meine Frau nimmt einen Eierlikör und ich trinke einen Jägermeister.

Verblose Koordinate haben in aller Regel eine Listeninterpretationen (s. 23–25). Bei Sätzen und Verbgruppen als Koordinaten tendieren Nicht-Ereignisprädikate (Dispositionsprädikate, Zustandsprädikate) eher zur Listeninterpretation als Ereignisprädikate, die leichter als Ereignissequenzen (s. C2.1.3.1.2.2) gedeutet werden können. (27)

Merkur ist mit Ausnahme einer schmalen Dämmerungszone auf der einen Seite zu heiß und auf der anderen zu kalt, da er der Sonne stets die gleiche Seite zuwendet. Die äußeren Planeten sind in mehrfacher Hinsicht ungeeignet, und die Kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter haben nicht einmal eine Atmosphäre. (MK1/WGW, Gail, Weltraumfahrt, S. 128)  

Als eine Art temporale Listeninterpretationen kann man auch die Simultanitätsinterpretation (‚und dabei‘, ‚und währenddessen‘) von koordinierten Ereignisprädikaten auffassen, die ebenfalls reihenfolgeneutral ist. Ob eine Sequenz von Ereignisprädikaten als gleichzeitig oder nacheinander stattfindend interpretiert wird, ist abhängig von einer Reihe von Faktoren; beide Interpretationen sind im Übrigen nicht an das Auftreten eines und gebunden, wie (29) zeigt. Dass, wie in der GDS angegeben (2393), Verschiedenheit der Agenten in den Konnekten eine Simultanitätsinterpretation und umgekehrt Agensidentität und -ellipse eine Sequensinterpretation fördert, lässt sich allein aus der Beleglage heraus nicht eindeutig bestätigen; (28) und (30) mit identischem Agens haben eher eine Simultanitätsinterpretation, (31) trotz Agensverschie-

C2 Additiv basierte Konnektoren

411

denheit eine Sequensinterpretation. Eine wichtigere Rolle spielen der aspektuelle Charakter des Prädikats (atelisches Prädikat in 28, 29, 30 vs. telisches Prädikat in 31) und die thematische Progression: eine „lineare Themaprogression“ (Daneš 1974) wie in (31), bei der das Thema eines Satzes das Rhema des Vorgängersatzes bzw. aus diesem abgeleitet ist, begünstigt eine Sequens-Interpretation (zur Konstitution der Temporalkohärenz von Texten vgl. Zifonun 2000). (28)

(29)

(30)

Doch der Philipp hörte nicht, Was zu ihm der Vater spricht. Er gaukelt Und schaukelt, Er trappelt Und zappelt Auf dem Stuhle hin und her. (Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter) Kochend wie aus Ofens Rachen glühn die Lüfte, Balken krachen, Pfosten stürzen, Fenster klirren, Kinder jammern, Mütter irren, Tiere wimmern unter Trümmern. Alles rennet, rettet, flüchtet, taghell ist die Nacht gelichtet. (Schiller, Das Lied von der Glocke) (‚und dabei‘) Der Kampf geht weiter. Der Lehrer wehrt sich, ficht und boxt. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 26) Neulich mußte eine von vier Löwinnen ein Zebrafohlen auf diese Weise fahrenlassen, und das Tierchen lief laut schreiend davon. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 74)  

(31)



2.1.3.1.2.2 Weiterinterpretationen zu anderen additiv basierten Relationen Die semantische Unterspezifiziertheit von und erlaubt kontextgesteuerte Interpretationsanreicherungen hin zu anderen Relationen, deren wahrheitskonditionale Bedeutung mit der logischen Konjunktion beschreibbar ist. Das sind vor allem ikonische Interpretationen wie temporale Sukzessivität (‚und dann‘, 32) und Konsekutivität (‚und deshalb‘, 33). Auch Kontrastinterpretationen von und als adversatives ‚und … hingegen, und … jedoch‘ (34) oder konzessives ‚und dennoch‘ (35) sind möglich. Es herrscht weitgehend Konsens darin, dass diese Interpretationsanreicherungen keine nicht-tilgbaren Bestandteile der Grundbedeutung von und sind (vgl. Posner 1979, Lang 1984, GDS: 2392), sondern kontextgesteuert auf dem Weg konversationeller Implikaturen ins Spiel kommen. Eine Zurückweisung „bedeutungsmaximalistischer“ Positionen findet sich schon bei Grimm. mit unrecht sind seit dem 16. jh. der conj. und die verschiedensten und vielseitigsten bedeutungen zugeschrieben, so dasz sie zum knotenpunkt der ganzen syntax, zum exponenten fast aller nebensätze wurde und, mit geheimnisvollen kräften ausgestattet, die andacht zum unbedeutenden weckte. (DWB, s. v. und)  

412

(32)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Russen ließen einen fugenlosen Bretterzaun um die Grundschule hochziehen und strichen ihn grün. (MK1/LJA, Johnson, Buch, S. 171) (temporalnachzeitig) Revierförster Stamm war ein tüchtiger Waldarbeiter und wurde von den Kollegen seines Betriebes auf die Forstschule delegiert. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 99) (konsekutiv) Da hat man gedacht: „Alle anderen gehen jetzt an die Front und sterben, und der will sich drücken.“ (Spiegel 11.11.2002, S. 125) (adversativ) So jung und schon Cellulitis! (konzessiv)  

(33)



(34)



(35)

Die jeweiligen Interpretationen können sich in aller Regel auch bei Asyndese einstellen, unabhängig davon, ob koordinative Verknüpfung oder reine Parataxe vorliegt (vgl. Breindl/Waßner 2006). (36) (37)

Ich kam, ich sah, ich siegte. (temporal-nachzeitig) Fallen zudem noch durch atlantische Tiefdruckgebiete heftige Niederschläge, ist der Rhein schnell überfordert: Es fließt mehr Wasser zu, als er transportieren kann. Es kommt zum Hochwasser. (Geoscience online, 11.04.2005, o. S.) (konsekutiv) 40 Prozent der Frauen sind stolz auf ihre Beziehung. Bei den Männern sind es nur 29 Prozent. (adversativ)  

(38)





Die Interpretationsspielräume von Asyndese und und stimmen jedoch nicht völlig überein. Die Möglichkeit einer konzessiven Interpretation von Asyndese wird von vielen Autoren bestritten (van Dijk 1977, Schmidhauser 1995: 98, Wilhelm 1999: 128). Sie bedarf zumindest zusätzlicher prosodischer Markierungen. Für (39b) ist jedenfalls eine konzessive Interpretation wohl nur schwer zugänglich. (39a) (39b)

Draußen regnet es in Strömen, – und Hans will spazierengehen. Draußen regnet es in Strömen. Hans will spazieren gehen.

Umgekehrt sind antiikonische Interpretationen, bei denen das linear zweite Konnekt ein Ereignis bezeichnet, das zeitlich und/oder ursächlich vor dem Denotat des linear ersten Konnekts liegt (‚und vorher‘, ‚nämlich‘), zwar bei asyndetischen Abfolgen möglich, wenn Tempusmarkierungen die zeitliche Abfolge verdeutlichen, aber kaum mit und (vgl. auch Haiman 1983: 120.) (40a) (40b) (41a) (41b)

Die Flüsse traten über die Ufer. Es hatte wochenlang geregnet. (kausal, ‚nämlich‘) ≠ Die Flüsse traten über die Ufer und es hatte wochenlang geregnet. Sie muss zu Hause sein. Das Licht brennt. (kausal, epistemisch, ‚denn‘) ≠ Sie muss zu Hause sein und das Licht brennt.

413

C2 Additiv basierte Konnektoren

(42a) (42b)

Hans zog seine neuen Schuhe an. Er hatte sie auf Hochglanz poliert. (temporal-vorzeitig, ‚davor‘) ≠ Hans zog seine neuen Schuhe an und er hatte sie auf Hochglanz poliert.

Mit den hier zur Verdeutlichung der Interpretation in der Paraphrase benutzten Adverbien ist und kombinierbar; bei der Kombination mit adversativen Adverbkonnektoren (aber, jedoch, allerdings) wirkt Juxtaposition allerdings nicht immer ganz akzeptabel (S. 47). (Schlobinski 1994: 218 und Polikarpov 1997 führen Belege mit juxtaponiertem und aber aus der gesprochenen Sprache an, weisen aber auch auf ablehnende Sprecherurteile hin.) Die Asymmetrie in der Kodierung von ikonischen und antiikonischen Ereignisfolgen macht sich auch in einer kombinatorischen Asymmetrie bemerkbar: Im linear zweiten Konnekt einer und-Koordination kann zwar ein (KONSEQUENS -markierender) Adverbkonnektor wie deshalb, daher, folglich (48), nicht aber das antezedensmarkierende nämlich auftreten.  

(43)

Die Stadt ist autogerecht zerschnitten worden, Längs- und Querachsen spalten und zerstören die Wohnviertel, und trotzdem herrscht Chaos. (die tageszeitung, 28.02.1987, S. 8) „Sie dachten, sie seien an der Macht, und dabei waren sie bloß an der Regierung!“ (Kurt Tucholsky) Wir haben damit politische Position bezogen – und leisten uns dabei allerdings auch unterschiedliche Antworten. (die tageszeitung, 20.09.1988, S. 4) So steckte er in einer Zwickmühle, da er einerseits keinen Paß bekam und andererseits aber auch kein Visum, um wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. (die tageszeitung, 08.01.1987, S. 5) Und es ist tadelnswert, wenn man mit zwei oder drei gleichgesinnten Freundinnen vor dem Häuschen der alten Puppenliese erscheint, die in einer engen Twiete bei der Johannisstraße mit wollenen Puppen handelt und allerdings ganz merkwürdig rote Augen hat, dort aus Leibeskräften die Glocke zieht […] (THM/AMB, Mann, Buddenbrooks, S. 66) Nach seinen Recherchen wurde das alte Kohl-Band am 23. überspielt und blieb dann bis zum 29. im Studio liegen, weil zwischen dem 23. und 29. für die meisten NDR-Beschäftigten freie Tage lagen und Aufräumarbeiten fürs Archiv deshalb nicht geleistet werden konnten. (die tageszeitung, 03.01.1987, S. 1–2)  

(44) (45)



(46)



(47)



(48)



Die ikonischen Interpretationen beruhen auf dem Prinzip, dass die Reihenfolge der Darstellung der Handlungen so interpretiert wird, dass sie die Reihenfolge der dargestellten Handlungen wiedergibt (Posner 1980: 59). Die konsekutive Interpretation setzt die temporale voraus und ergibt sich als Verstärkung des ‚post hoc‘ zum ‚propter hoc‘ (vgl. Abraham 1976), bzw. mit Grice (1975) als Implikatur, die auf der Konversationsmaxime „erzähle geordnet“ (eine Untermaximen der Maxime der Art

414

C Semantische Konnektorenklassen

und Weise) aufsetzt. Eine Vertauschung der Konnekte ist hier nicht sinnerhaltend oder sachlich abwegig; die Sequens-Interpretation kann aber gecancelt werden. (49a)

Ich goß ihm ein bißchen Kognak ein, brachte ihm das Glas, er nahm es und trank (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 207) ≠ Er trank und nahm das Glas. Ein Schuss fiel und eine Frau schrie auf, aber ich glaube, der Schrei kam vor dem Schuss/aber ich glaube die Frau schrie aus einem anderen Grund.  

(49b) (50)

Eine adversative Interpretation vom Typ des kontrastiven Vergleichs wird durch parallele Strukturierung der Konnekte ausgelöst: diese müssen zwei Paare von Koordinaten gleichen Typs enthalten, die wechselseitig als einander ausschließende Alternativen fungieren können wie in (51) ich – du, ausgehen – dableiben. Kommunikativ kann ein und in einem Kontrastkontext dazu genutzt werden, den Kontrast zu übertünchen und den Anschein von Folgerichtigkeit zu suggerieren. Eine Verknüpfung p und q kann, wie oben dargelegt, auch als ‚p und deshalb q‘ gelesen werden, eine Verknüpfung p aber q signalisiert dagegen gerade ein Zuwiderlaufen gegen eine im Hintergrund unterstellte Folgerichtigkeit (s. C2.3). (51)

„Konrad!“ sprach die Frau Mama, „Ich geh aus und du bleibst da.“ […] Fort geht nun die Mutter und Wupp! den Daumen in den Mund. (Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter)

Dies gilt auch für konzessiv interpretierbare und-Verknüpfungen. (52)

Sie sind nicht geistesgestört, nicht manisch, nicht aufsässig, nicht schwachsinnig, nicht heruntergekommen, sie haben Kinder oder Männer, sie sind intelligent oder redselig oder verschwiegen. Sie lebten als durchschnittliche Frauen und: sie haben einen Mann umgebracht. (die tageszeitung, 08.11.1986, S. 8–9) Ich ruf ihn noch extra im Büro an, dass er an den Geburtstag seiner Mutter denkt, und dann vergisst der das glatt und sie beschwert sich am nächsten Tag. (Hörbeleg)  

(53)

Konzessiv interpretiert wird und auch in der Kombination und wenn, zu der es eine Variante mit Verbspitzenstellung gibt. (Für eine Analyse als eigenständiger Konnektor und wenn in Analogie zu auch wenn vgl. Martin 1997.) (54)

In Fertigfuttern – und wenn zehnmal hoch und heilig versprochen wird, dass keine Haltbarkeitsstoffe etc. zugesetzt werden, – ist immer sonderbarer Kram drin, weil die Halbfertig- oder Zwischenproduktion undeklarierbare Sachen

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(55)

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beinhaltet. (http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20080416062 124AAwYynb&show=7) Und käme die Hölle selber in die Schanken, mir soll der Mut nicht weichen und nicht wanken. (Schiller; nach Dal 1966: 183)

2.1.3.1.2.3 Konditionale Interpretationen Während die im vorigen Kapitel angeführten Interpretationen mit der wahrheitskonditionalen Bedeutung von und kompatibel sind, gilt dies für die konditionale Interpretation nicht: der Faktizitätswert beider Argumente weist hier die für Konditionalverknüpfungen typische Offenheit auf. Formale Voraussetzung für eine konditionale Interpretation einer und-Verknüpfung ist eine Satzmodusasymmetrie, wobei das erste Konnekt auf einen offenen oder negativ-faktischen Satzmodus festgelegt ist: Imperativsätze oder Wunschsätze (s. auch C4.1.1.3.3). Die Konnekte bezeichnen vollständige kommunikative Minimaleinheiten, Koordinationsellipsen sind nicht möglich. (56) (57) (58)

Sprich nur ein Wort und meine Seele wird gesund. Sag das noch einmal und du kannst was erleben! Hättest du doch nur ein Wort gesagt und ich wäre nie weggegangen!

Die konditionale Interpretation stellt sich nur bei der ikonischen Abfolge A NTEZEDENS < K ONSEQUENS ein (57 vs. 57a) und, zumindest bei den Imperativsätzen, nicht in einer konnektorlosen Verbindung (57b). Bei den Wunschsätzen liegt der Fall anders; sie gleichen Strukturen mit hypothetischen Verberstsätzen, die auch eingebettet wie in (58b) konditional interpretiert werden. (57a) (57b) (57c) (58a) (58b)

Du kannst was erleben und sag das noch einmal. (≠ 57) Sag das noch einmal. Du kannst was erleben. (≠ 57) Sag das noch einmal. Dann kannst du was erleben. Hättest du doch nur ein Wort gesagt: ich wäre nie weggegangen. Hättest du ein Wort gesagt, wäre ich nie weggegangen.

Das spricht dafür, die Konditionalinterpretation mit den Satzmoduseigenschaften der Konnekte in Verbindung zu bringen. Die Abfolgebeschränkung ist zunächst einmal nur dem Prinzip der im vorigen Kapitel beschriebenen zeitikonischen Interpretation aufeinanderfolgender Propositionen geschuldet. Der offene Faktizitätswert des ersten Arguments ist durch den nicht-deklarativen Satzmodus Imperativsatz oder Wunschsatz gegeben, das zweite Argument wird dann automatisch als nicht realisierter Sachverhalt interpretiert; futurisches Tempus ist hier als Indikator für offenen Faktizitätswert immer möglich. Ist das erste Argument ein kontrafaktischer Verberstsatz, ist unter Umständen auch statt einer Rekonstruktion als Wunschsatz eine Rekonstruktion als (eingebettetes) hypothetisches Verberstkonditional möglich: entscheidend

416

C Semantische Konnektorenklassen

sind Indikatoren für kommunikative Selbständigkeit der Konnekte wie die Modalpartikeln doch (s. 58), doch nur oder bloß. Auch Nominalphrasen sind in solchen konditionalen und-Verknüpfungen als erstes Argument möglich; sie werden wie die Imperative und Wunschsätze an dieser Stelle als (elliptische) Strukturen mit offenem Faktizitätswert interpretiert im Sinne von ‚wenn ein bestimmtes Ereignis mit NP eintritt, q‘. (59) (60a) (60b) (61)

(Noch) ein Wort/Schritt/eine Frage und es knallt/passiert was/und ich küsse dich! Noch ein Bier und ich falle um/und er fällt um/und er schwebt im siebten Himmel. Am Morgen ein Bier und der Tag gehört dir. Mittwochs nichts zu tun? Boston Legal, 22.05 Uhr, VOX – und der Tag ist gerettet! (www.sftlive.de/?menu=0601&s=thread&bid=2011&tid=5499691&x=7)

Kommunikativ sind diese Koordinationen immer an einen Adressaten gerichtet (das kann auch der Sprecher selbst sein), haben also dominante Appellfunktion. Die in q bezeichnete Folge transportiert in aller Regel auch eine – positive oder negative – Bewertung; die Sequenz kann deshalb als Versprechen, oder aber als Drohung und Warnung eingesetzt werden. Diese und-Verknüpfungen bilden ein konstruktionelles Muster, dessen Bedeutung nicht mehr gänzlich kompositional aus der Bedeutung des Konnektors und seiner Argumente ableitbar ist. Eng verwandt ist es mit entsprechenden oder-Verknüpfungen (s. C3.2.1, C4.1.1.3.3), die ebenfalls konditional zu interpretieren sind. Konditionale und-Verknüpfungen können durch Hinzufügung einer Negation in oder-Verknüpfungen umgewandelt werden (vgl. GDS: 659 ff.):  

(57d) (59a)

Sag das nicht noch einmal oder du kannst was erleben! Kein Wort/Schritt/keine Frage mehr, oder es knallt.

Bei den konditionalen und-Verknüpfungen gilt: qua Implikatur kann daraus abgeleitet werden: Bei den konditionalen oder-Verknüpfungen gilt:

wenn p eintritt, tritt auch q ein. wenn p nicht eintritt, tritt q nicht ein wenn p nicht eintritt, tritt q ein wenn p eintritt, tritt q nicht ein

Die oder-Verknüpfungen weisen allerdings gegenüber den und-Verknüpfungen die Einschränkung auf, dass bei ihnen q auf einen unerwünschten Sachverhalt festgelegt ist; Äußerungen wie (57 f) können nur die kommunikative Funktion von Warnungen und Drohungen haben, (57e) kann dagegen auch als Versprechen verstanden werden.  

(57e) (57f)

Sag das noch einmal und ich küsse dich! Sag das nicht noch einmal oder ich küsse dich!

C2 Additiv basierte Konnektoren

417

2.1.3.1.2.4 Sogenannte „implikative“ Interpretationen Mit den konditionalen und-Verknüpfungen haben die sogenannten „implikativen und-Konstruktionen“ (Terminus nach Reis 1993 in Anlehnung an Karttunens implikative Prädikate) manche Gemeinsamkeiten, sie weisen aber doch deutliche semantische und formale Unterschiede auf. Unter diesen Typ fallen Beispiele wie die folgenden: (62a) (62b) (63a) (63b) (64a) (64b)

Sei so lieb/nett/gut/freundlich und reich mir den Zucker. Sei ein Schatz/ein braves Kind/ein lieber Junge und halt den Mund. Der besitzt die Frechheit/hat die Stirn/wagt es/untersteht sich/erdreistet sich/bringt es fertig und ruft mich mitten in der Nacht an! Sie hatte dass Pech/das Glück/das Vergnügen und geriet an einen Linguisten. Tust du mir den Gefallen/machst du mir die Freude und gehst da für mich hin? Wer war so dumm/blöd/schlau/rücksichtslos und hat das Fenster offen gelassen?

Die Argumente dieser und-Konstruktionen lassen sich nicht als gleichwertige Instanzen einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz auffassen, und ihre semantische Verrechnung erfolgt nicht als „Addition“ zweier unabhängiger Propositionen, vielmehr liegt zwischen den Argumenten eine asymmetrische Beziehung wie zwischen einem implikativen Prädikat und seinem Komplementsatz vor: das zweite Argument ist dem ersten semantisch untergeordnet. Das erste Argument ist ein implikatives Prädikat, d. h. wenn die Gesamtkonstruktion aus p und q wahr ist, ist auch q wahr, wenn die Konstruktion aus p und q falsch ist, ist auch q falsch. Die Interpretation dieser Konstruktionen weist gegenüber normalen und-Konstruktionen Besonderheiten auf. p und q denotieren nicht separate Ereignisse, sondern werden als „fusioniert“ interpretiert: Das in q denotierte Ereignis expliziert das in p denotierte (Donhauser 1982 spricht von „Referenzherstellung“) und die Konstruktion kann ohne Bedeutungsveränderung in eine Konstruktion aus Matrixsatz und eingebetteter Infinitivphrase umgewandelt werden. Gleichzeitig kommt mit dem Prädikat von p eine Bewertung des Sprechers bezüglich des in q ausgedrückten Ereignisses zum Ausdruck. Typischerweise finden sich hier mehr oder weniger formelhafte Wendungen. Wie bei den konditional interpretierten im vorigen Abschnitt beschriebenen und-Konstruktionen haben auch diese häufig Appellfunktion (Aufforderungen, Bitten, Warnungen) und treten in der Form von Imperativsätzen auf. Dies ist jedoch keine Bedingung für die Konstruktion und eine implikative Interpretation kann sich bei geeigneten Prädikaten auch in Deklarativsätzen (63) und Fragesätzen (64) einstellen. Anders als bei konditional interpretierbaren und-Konstruktionen sind hier beide Konnekte vom gleichen Satzmodus. Der Aspekt der Bewertung ist dabei obligatorisch. Prädikate, die eine neutraldeskriptive und eine bewertende Lesart zulassen, erlauben nur mit der bewertenden Lesart diese Konstruktion.  

418

(65a) (65b) (65c) (65d)

C Semantische Konnektorenklassen

Der alte Kerl schaffte es, den Ironman in Hawaii mitzumachen. (‚es gelang ihm q‘) ≠ Der alte Kerl schaffte es und machte den Ironman in Hawaii mit. Der alte Kerl schafft es, den Ironman in Hawaii mitzumachen! Der alte Kerl schafft es und macht den Ironman in Hawaii mit! (‚es ist bewundernswert/außergewöhnlich, dass ihm q gelingt‘)

Syntaktisch gehorchen die Konstruktionen jedoch den Koordinationsregeln und nicht denen für Einbettung: und ist auch in diesen Konstruktionen Konjunktor und nicht Komplementierer, wie Reis 1993 gezeigt hat. Notwendige Bedingungen für eine „implikative“ Interpretation sind eine Reihe von Strukturmerkmalen, die „normale“ undKoordinationen nicht teilen. (i) obligatorische Subjektlücke Erstes und zweites Konnekt müssen für eine implikative Interpretation identische Subjekte haben und im zweiten Konnekt muss das Subjekt im Verbzweitsatz elidiert sein; bei Imperativen kann ein betontes pronominales Subjekt auftreten. (Solche Subjekte können auch in normalen Imperativen auftreten; sie haben atypische Eigenschaften und ihr Subjektstatus ist umstritten, vgl. Rosengren 1993). (66a) (66b) (66c)

Sie tat mir den Gefallen und ging für mich zum Finanzamt. ≠Sie tat mir den Gefallen und sie ging für mich zum Finanzamt. Tu mir den Gefallen und geh DU für mich zum Finanzamt.

(ii) obligatorisches und Die syndetische und-Verknüpfung steht hier nicht in Variation mit asyndetischer Verknüpfung oder anderen additiven Konjunktoren. (66d) (66e)

Sie tat mir den Gefallen, ging für mich zum Finanzamt und beschwerte sich. (≠66a) … weil sie mir sowohl den Gefallen tat als auch zum Finanzamt ging. (≠66a)

(iii) integrierte Fokus-Hintergrundgliederung Die Konstruktion besteht prosodisch aus nur einer Intonationsphrase und weist nur einen Fokusexponenten (mit fallendem Akzent) auf. Der Konjunktor selbst ist nicht fokussierbar. (66f) (66g) (66h) (66i)

*SIE\ war so freundlich und ist für mich zum FiNANZamt\ gegangen. *Sie hat mir den GeFALlen\getan und ist für mich zum FiNANZamt\ gegangen. *Sie hat MIR\ den Gefallen getan und ist für mich zum FiNANZamt\ gegangen. *Sie war so freundlich UND ist für mich zum Finanzamt gegangen.

C2 Additiv basierte Konnektoren

419

(iv) einheitlicher Satzmodus Und kann als Universalkoordinator auch kommunikative Minimaleinheiten mit je eigenem Illokutionsoperator verknüpfen. Implikative und-Konstruktionen lassen nur Einbettung unter einen Illokutionsoperator zu; die Konnekte sind hier also immer vom gleichen Satzmodustyp. (67a) (67b) (67c) (68)

Sei so lieb/nett/gut/freundlich und hol mir eine Flasche Wasser aus dem Keller. Bist du so freundlich und holst mir eine Flasche Wasser aus dem Keller? *Sei so lieb und holst du mir eine Flasche Wasser aus dem Keller? Stellen Sie sich vor, lieber Autodieb, Sie stehlen ein Auto, und dieses Auto besitzt die Frechheit und alarmiert die Polizei! (Kleine Zeitung, 14.09.1996, o. S.)  

(v) implikatives Prädikat in p Implikative Prädikate sind z. B. wagen, sich erdreisten, gelingen, die Frechheit haben, das Pech haben, es schaffen, so nett/lieb/dumm sein. Sie haben typischerweise ein Agens- oder Experiencer-Subjekt. (Allerdings kommt nur eine Teilklasse implikativer Prädikate in implikativen und-Konstruktionen vor, vgl. dazu im Einzelnen Reis 1993). Diese Prädikate könnten potentiell als Kopf einer Einbettungsphrase fungieren und eröffnen eine semantische und syntaktische „Leerstelle“ für einen Komplementausdruck in Form einer Infinitivphrase, die dann mit dem zweiten Konnekt „gesättigt“ wird. Wie Konstruktionen aus Matrixsatz und Komplement können auch implikative und-Konstruktionen im Prinzip rekursiv auftreten.  

(69)

[…] se wollt’n so gnädig sein und wollt’n mir den Gefall’n tun und ließen mir a Vorschuß dasmal nich abrechn’. (Hauptmann, Weber; Bsp. aus Donhauser 1982: 240)

(vi) Handlungsprädikat in q? Implikative und-Konstruktionen treten häufig in imperativischer Form auf; die Prädikate beider Argumente müssen dann die semantischen Voraussetzungen für Imperativbildung mitbringen, d. h. agentisch interpretierbar sein in dem Sinne, dass sie ein vom Subjektsreferenten kontrollierbares Verhalten denotieren. Reis (1993: 227) und Donhauser (1982: 236) sehen Handlungsprädikat in p und q und Möglichkeit der Imperativbildung auch in deklarativen implikativen und-Konstruktionen als Bedingung an.  

(70) (71)

#Er wirkte/schien so lieb/nett/freundlich und reichte mir den Zucker. #Sie war so groß und reichte mir das Buch vom obersten Regalbrett.

Dass dies zu stark ist, zeigen implikativ interpretierbare Verknüpfungen von Deklarativsätzen, die Prädikate enthalten, zu denen kein Imperativ bildbar ist (s. auch 70):

420

(72)

(73)

C Semantische Konnektorenklassen

Ich hatte das Pech und musste nach einer schweren Verbrennung das Krankenhaus in Halle 8 Wochen von innen sehen. → *Hab das Pech! *Müsse … sehen! (http://www.winfuture-forum.de/lofiversion/index.php?t38252. html) Mein Sohn hatte das Glück und ist bei Eintracht Frankfurt untergekommen! (Frankfurter Rundschau, 14.04.1999, S. 46) → *Hab das Glück! *Komm … unter! „Ich war so dumm und glaubte, wir würden über den Wahlkampf sprechen“, sagt sie heute. (Kleine Zeitung, 22.02.1999, o. S.) → *Sei so dumm! *Glaube!  

(74)



(vii) obligatorische Fusionsinterpretation Reis (1993) bringt die Bedingungen für implikative Interpretationen unter den Nenner: Es darf kein Strukturmerkmal vorhanden sein, das eine „unitary-event“-Lesart blockieren und parallele Interpretation der Konnekte erzwingen könnte. (Reis nimmt wegen der obligatorischen Subjektlücke VP-Koordination an.) Fusionsinterpretation von Ereignisprädikaten ist auf der Satzebene semantisch vergleichbar mit der sogenannten „phrasalen Koordination“ oder „Kollektion“ auf NP-Ebene vom Typ: der Arzt und Dichter Gottfried Benn (s. C2.1.3.1.2.5). Die obligatorische Lesart als Fusion von Ereignissen erklärt auch, warum Agenskonstanz ein wesentliches Merkmal dieser Konstruktionen ist. Auch bei nicht-implikativen und-Koordinationen ergeben sich Lesartunterschiede je nachdem, ob im zweiten Koordinat Agensellipse vorliegt oder nicht: (75a) lässt eine Interpretation als zwei unabhängige Ereignisse ohne Raumkonstanz zu, in (75b) ist dies blockiert. (75a) (75b)

Erna geht gern in die Kneipe und Erna trinkt gern ein paar Bier. Erna geht gern in die Kneipe und trinkt ein paar Bier.

Vgl. auch gesprochensprachliches: „Dann geh ich her und …“ (76a)

(76b)

Manchmal bleibt kein Buchstabe aus dem Linktext als Tastenkürzel übrig, dann gehe ich her und schreibe das Tastenkürzel ins title-Attribut. (http:// forum.de.selfhtml.org/archiv/2006/3/t125098/) ?? … dann gehe ich her und ich schreibe das Tastenkürzel ins title-Attribut

Auch bei anderen Relationen spielt Agenskonstanz eine Rolle. Es fungiert als Differenzparameter zwischen instrumentalen und komitativen Lesarten, wo ebenfalls graduelle Unterschiede zwischen Ereignisverschränkung (unitary-event-Lesarten) und Relationierung von zwei separaten Ereignissen eine Rolle spielt (s. C2.4). (i)

Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, indem er ihnen ein offenes Ohr für ihre Sorgen bot.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(ii) (iii)

421

?Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, indem seine Partei ihnen ein offenes Ohr für ihre Sorgen bot. Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, wobei seine Partei einen erheblichen Beitrag dazu leistete.

(viii) spezielle Diskursfunktion Implikative und-Konstruktionen haben spezielle Diskursfunktionen. In der imperativischen Form dienen sie der Modifikation und Abmilderung einer direktiven Illokution, indem gleichzeitig mit p eine Bewertung der Handlung zum Ausdruck gebracht wird, quasi als vorweggenommene Reaktion auf eine erfolgte Erfüllung der Aufforderung durch den Adressaten: wenn du die in q bezeichnete Handlung erfüllst, trifft die in p ausgedrückte Bewertung auf dich zu. An dieser Interpretation lässt sich auch die enge Verwandtschaft mit den konditionalen und-Verknüpfungen erkennen. Dass sich implikative und-Konstruktionen als Konkurrenz zu implikativen Infinitivkonstruktionen in breitem Umfang durchgesetzt haben, liegt nach Reis (1993) daran, dass sie dank ihrer syntaktisch symmetrischen Form als koordinierte Strukturen besser geeignet sind, die tatsächliche kommunikative Gewichtung implikativer Konstruktionen zum Ausdruck zu bringen, als es Infinitivkonstruktionen sind. Bei diesen läuft die syntaktische Unterordnung des infiniten Komplementsatzes unter ein einbettendes Matrixsatzprädikat der kommunikativen Gewichtung eigentlich zuwider. Das implikative Prädikat präsupponiert in beiden Fällen nur die Gültigkeit des implizierten Arguments und gibt darüber hinaus nur ähnlich wie die nicht-propositionalen evaluativen Satzadverbialia (netterweise, dummerweise, freundlicherweise) eine sprechersubjektive Bewertung bezüglich der implizierten Proposition. Das argumentative Gewicht liegt in jedem Fall auf dieser Proposition.

2.1.3.1.2.5 Nicht-konnektorales und: „Kollektion“ („Phrasenkoordination“) Die Herleitung koordinierter Strukturen aus der Verknüpfung vollständiger Sätze mit anschließender Tilgung von identischem Material in den Konnekten führt bei bestimmten Strukturen zu Problemen. Diese Fälle wurden in der frühen Transformationsgrammatik als Sonderfall „Phrasenkoordination“ oder „phrasale Koordination“ (die bereits auf der Tiefenstruktur stattfindet) vom Normalfall der (transformationell ableitbaren) Satzkoordination unterschieden (nicht zu verwechseln mit der in C2.1.1 eingeführten Distinktion von „S-AND“ und „NP-AND“). (Zu phrasaler Koordination vgl. ferner Lang 1984: 89, Marillier 1995, GDS: 2054 ff.) Dieser Unterscheidung wurde in HDK-1 (293–297) grosso modo mit der Terminologie Konnexion (Verknüpfung von Strukturen, die zu Sätzen expandierbar sind) vs. (Term-)Kollektion (Verknüpfung von nicht zu Sätzen expandierbaren Strukturen) entsprochen: gemäß der Definition von Konnexion und Konnektor fungiert damit und nicht als Konnektor, wenn es Kollektionen herstellt. Fälle von Kollektion sind die folgenden:  

422

(77)

C Semantische Konnektorenklassen

Am Spätnachmittag trifft Ramsch seinen väterlichen Zusprecher und Ratgeber, jenen seriösen Herrn mit der Nickelbrille und dem philosophischen Tiefblick. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 143) Die Demokraten präsentierten den badischen Staatspräsidenten und Kultusminister Professor Willy Hellpach […]. (MK1/MHE, Heuss, Erinnerungen, S. 327) „Was der Hennes in seinem ersten großen Länderspiel gezeigt hat, war ganz große Klasse“, lobte „Moses“ Knauss, der Füssener mit dem TschechenKomplex und Deutschlands Torwart Nr. 1, seinen Stellvertreter. (Bildzeitung, 20.03.1967, S. 5)  

(78)



(79)





Die koordinierten NPen sind Charakterisierungen einunddesselben Referenten; würde der Koordinationsrahmen einzeln auf die Koordinate heruntergerechnet werden, ergäbe sich eine Lesart mit Referenzverschiedenheit. Und erlaubt also Koordination von referenzidentischen (extensional identischen), aber unterschiedlich konzeptualisierten (intensional verschiedenen) Entitäten. Dies wird meist als eine koordinations- oder konjunktorspezifische Regel angegeben (vgl. Lang 1977), ist aber tatsächlich eine lexikalische Eigenschaft von und, da der additive Konjunktor sowohl (…) als auch dies nicht zulässt, und für sowie diese Möglichkeit fraglich ist (s. C2.1.3.2). (79a)

Sowohl der Füssener mit dem Tschechen-Komplex als auch Deutschlands Torwart Nr. 1 lobte seinen Stellvertreter. (≠79) Der Füssener mit dem Tschechen-Komplex sowie Deutschlands Torwart Nr. 1 lobte seinen Stellvertreter. (?≠79)  

(79b)



Ein zweiter Typ von Kollektion liegt vor, wenn die Koordinate ein „Kollektiv“ von referenzverschiedenen Individuen bilden, auf die das Prädikat nur in toto und nicht distributiv angewendet werden kann.

(82)

Jan und Jana haben sich miteinander verlobt/sich zerkriegt/das Doppel gegen Hans und Anna gewonnen/kochen gern zusammen/sind ein Paar/ sehen sich sehr ähnlich. Vielleicht hatte er selbst einmal einer der Delegationen angehört, durch die sich das oströmische Reich und die Erben Roms in Westeuropa gegenseitig ihre unverbrüchliche Freundschaft versicherten. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 100) Vermengen Sie das Mehl und den Zucker.

(83) (84)

Kneten Sie die Butter und den Schnittlauch zu einer Kugel. Erdbeeren und Rhabarber ergeben eine schmackhafte Marmelade.

(80)

(81)



C2 Additiv basierte Konnektoren

423

(85a) (85b)

Hans und Hanna sind verlobt. Hans und Erwin sind verlobt.

(86a) (86b)

Kaum eines der Discounter-Produkte ist billig und ökologisch. ≠Kaum eines der Discounter-Produkte ist billig und kaum eines der Discounter-Produkte ist ökologisch.

In (80) bis (82) sind es die Prädikate selbst, die ein Kollektiv als Subjektsreferenten fordern und Einermengen ausschließen (*Jan hat sich miteinander verlobt); statt der koordinierten NPen könnten auch andere Kollektivbezeichnungen auftreten wie das Paar, die beiden, die Geschwister, das Team usw. In (83) und (84) bezeichnet der Koordinationsrahmen ein Prädikat, mit dem man sowohl Aussagen über Kollektive als auch Aussagen über Einermengen treffen könnte (Kneten Sie die Butter zu einer Kugel; gekochter Rhabarber ergibt ein feines Dessert); hier beeinflussen sich aber die Koordinate und der Koordinationsrahmen gegenseitig, denn sobald eine mehr-als-ein-elementige Menge als Referent vorliegt, kann das Prädikat nur kollektiv darauf bezogen werden. In allen Fällen stellt und keine Verknüpfung zwischen zwei Propositionen her, sondern es liegt nur eine einzige Proposition über ein Kollektiv vor. In (85) ist das Prädikat ohne disambiguierenden Zusatz wie miteinander ambig; die – pragmatisch gesteuerte – Defaultinterpretation von (85a) ist unter den hier und heute obwaltenden Gegebenheiten bevorzugt kollektiv, die von (85b) wohl eher distributiv. (86a) mit kollektiver Prädikatverrechnung hat andere Wahrheitsbedingungen als (86b) mit Satzkoordination und distributiver Verrechnung. Die Unterscheidung zwischen distributiver und kollektiver Prädikatverrechnung ist ein Phänomen der Ereignissemantik. Der Koordinator und ist in Bezug auf die Ereignisstruktur unspezifisch: er kann zwei Propositionen verknüpfen, kann aber auch eine Proposition erweitern durch additive Hinzufügung von Partizipanten. Dabei gibt es einen Zusammenhang mit der Form der koordinativen Verknüpfung. Bei lexikalisch ambigen Prädikaten wird eine kollektive Interpretation mit steigendem Grad der syntaktischen Verschränkung der Konnekte umso wahrscheinlicher und akzeptabler; umgekehrt fördert Ausbuchstabierung der Konnekte distributive Lesarten. In den folgenden Beispielpaaren ist für die (a)-Versionen eine Interpretation als Verknüpfung separater Ereignisse wahrscheinlicher, während für die (b)-Versionen eine holistische Interpretation als komplexes Ereignis akzeptabler ist. (87a) (87b) (88a) (88b)

Wir sind nach Köln und nach Hamburg gefahren. Wir sind nach Köln und Hamburg gefahren. Es geht das Gerücht, dass der Direktor gern in Kneipen geht und dass er gern trinkt. Es geht das Gerücht, dass der Direktor gern in Kneipen geht und trinkt.

424

C Semantische Konnektorenklassen

Damit in Einklang steht auch die Tatsache, dass bei diskontinuierlicher Koordination, – bei der ja die Ellipsenbildung eingeschränkt ist, – Kollektivinterpretationen blockiert sind. (87c) (87d)

?Wir sind nach Köln gefahren und Hamburg. Wir sind nach Köln gefahren und nach Hamburg.

Dass mit und verknüpfte Koordinate kollektive wie distributive Verrechnungen des Koordinationsrahmen erlauben, lässt auf diesbezügliche Unterspezifikation von und schließen. Wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, gilt dies für die beiden anderen additiven Konjunktoren, sowohl (…) als auch und sowie nicht in gleicher Weise. Die Bedeutungshomogenität von und als additiver Konnektor wird im Übrigen durch die Tatsache, dass es neben der satzverknüpfenden Verwendung als Konnektor auch eine nicht satzverknüpfende Verwendung hat, nicht tangiert. Das ist allerdings nicht auffällig, da sich etwa auch zwischen den Konnektorlesarten und den Nichtkonnektorlesarten von Pronominaladverbien und w-Relativadverbien ebenfalls keine gravierenden semantischen Unterschiede zeigen, ebenso wenig wie zwischen den Präpositions- und den Subjunktorverwendungen von seit, bis und während.

2.1.3.1.2.6 Besondere Diskursfunktionen von und In Diskursen wird und oft ohne ein identifizierbares externes Konnekt von einem Gesprächspartner in der Reaktion turneinleitend verwendet, wobei das interne Konnekt dann eine kommunikative Minimaleinheit von beliebigem Illokutionstyp sein kann. (89)

(90)

S1: meine mutter, äh, hat immer gesagt zu mir schon als ich ein kleines mädchen war, es gibt dinge die man mit seinem ehepartner nicht besprechen kann S2: ja, die gibt es. S1: und sie finden das richtig? (Freiburger Korpus, FR/XBF, 1966) S1: abends kann ich auch nirgends mehr hin sonst ging ich viermal in der woche zur volkshochschule S2: ja, sagen sie, und sie haben keine verwandten und keine mutter? (Freiburger Korpus, FRxay, 09.06.1968)

Durch diese Art der Diskursverwendung des additiv-relationalen und bezweckt ein Sprecher, dass sein Gesprächsbeitrag als unmittelbar an den vorherigen Turn anknüpfend interpretiert werden soll, auch wenn es sich dabei wie oben um Fragen handelt, mit denen eigentlich eine Wendung herbeigeführt wird. Ein Pendant dazu ist die Verwendung von und ohne internes Konnekt. Im Dialog dient es mit Frageintonation als Fortsetzungsaufforderung für den Gesprächspartner,

C2 Additiv basierte Konnektoren

425

der Sprecher signalisiert damit, dass er die Mitteilung seines Gesprächspartners für ergänzungsbedürftig hält. (91)

Und Mohammed, der älteste Sohn, hat durch Stefanies Fragen auch etwas über die eigene Religion gelernt. „Zum Beispiel, ob schwangere Frauen auch den Ramadan einhalten müssen.“ Und? „Die Antwort habe ich schon wieder vergessen.“ (die tageszeitung, 10.01.2006, S. 18)  

Äußerungsabschließend kann ein iteriertes und die Funktion von und so weiter übernehmen: der Sprecher zeigt damit an, dass er seine eigene Äußerung als unvollständig verstanden wissen will und dass ein Bestandteil der Proposition mit einer typgleichen Fortsetzung ergänzt werden soll. Durch die steigernd wirkende Iteration und dadurch, dass der Sprecher die Fortsetzung nicht selbst gibt, signalisiert er gleichzeitig, dass er die zu ergänzenden Inhalte nicht aufzählen kann, weil es sich um zu viele handelt, oder dass er sie nicht aufzählen will, weil er sie für irrelevant hält. (92)

Voet hat mittlerweile die Doping-Geschichte des Profiradsports, jedenfalls so weit es die Mannschaften betraf, in denen er in den vergangenen Jahren tätig war, öffentlich gemacht. Sie lautet: Epo, Anabolika, Wachstumshormone, Corticoide, Testosteron. Und, und, und. (Frankfurter Rundschau, 25.09.1999, S. 22) „Wir müssen endlich was für die Umwelt tun!“ Gerhard Dorendorf ballt die Fäuste: „Und wir brauchen einen gewählten Betriebsrat.“ Und die Produktion müsse umgestellt und modernisiert werden. Und, und, und: Der riesige Berg von Zukunftsaufgaben erdrückt das kleine Büro. (die tageszeitung, 12.02.1990, S. 7)  

(93)



2.1.3.2 Die vergleichsbasierten Konjunktoren sowohl (…) als auch, sowie und wie 2.1.3.2.1 Formvariation Sowohl (…) als auch tritt in mehreren Varianten auf. (i)

Variation bezüglich des Adjunktors: als oder (seltener) wie

(94)

Sowohl die Kultur als auch die Zivilisation der Chinesen sind der des Westens gleichwertig. (MK1/WBO, Bamm, Ex ovo, S. 36) Damit sind sowohl die nationalen Bereiche der amerikanischen Strategie gemeint wie auch jene, die in den Bereich der Nato übergreifen. (Frankfurter Allgemeine, 16.02.1966, S. 1)  

(95)



426

C Semantische Konnektorenklassen

(ii)

Variation bezüglich des Auftretens von auch: sowohl (…) wie eher ohne auch, sowohl (…) als selten ohne auch

(96)

Sie tat es nur, weil es ein Weg war, der sowohl ihrem Gewissen wie ihrem Konto Konflikte ersparte. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 189) Ob Walter Pauritsch als Intrigant Eutropio, Natalia Biorro als Belisarios Tochter Irene oder Konstantin Sfiris als Kaiser Giustiniano, sowohl vom Stimmtyp als von der gesanglichen Leistung gab es keinerlei Einbrüche. (Berliner Zeitung, 05.12.1997, S. 3)  

(97)



(iii)

Variation bezüglich der Position von sowohl: üblicherweise vor dem ersten Koordinat, selten diesem nachgestellt

(98)

Das gilt für den Blankvers sowohl wie für den Hexameter oder das Maß eines Liedes. (MK1/WSP, Staiger, Grundbegriffe, S. 27) Jede Frau muß das Recht auf ein Kind haben, die Ledige sowohl als auch die Verheiratete mit Einwilligung ihres zeugungsunfähigen Mannes. (Bildzeitung, 24.05.1967, S. 5)  

(99)



(iv)

Variation bezüglich der lexikalischen Form des zweiten Teils: Vereinzelt auch in den Kombinationen sowohl p und q und sowohl p sowie q. Solche Verwendungen gelten in normativen Beschreibungen des Deutschen als nicht korrekt.1 Sie sind Ergebnisse von Kontaminationen aus sowohl (…) als auch mit sowie bzw. und.

(100)

Sowohl SPÖ und ÖVP wollen ein Staatssekretariat für Außenhandelsfragen einrichten. (Tiroler Tageszeitung, 16.02.1996, o. S.) Rafsandjani sagte, beide Staatschefs lehnten sowohl die irakische Besetzung Kuwaits sowie eine dauernde amerikanische Präsenz in der Region ab. (die tageszeitung, 24.09.1990, S. 8)  

(101)



(v)

Variation bezüglich des Auftretens des ersten Teils: Belegt sind auch Verknüpfungen mit bloßem als auch. Sprecher, die diese Form verwenden, interpretieren offenbar den zweiten Teil des korrelativen Konnektors als regulären Konjunktor nach dem Muster von und. Zu weiteren, nicht von allen Sprechern akzeptierten Varianten vgl. Breindl (2009).

1 Vgl. die Bemerkung im Duden-Zweifelsfälle: „Nicht korrekt ist es jedoch, sowohl mit sowie oder und zu verbinden“ (Duden-Zweifelsfälle 2001: 781).

C2 Additiv basierte Konnektoren

(102)

427

Zur Kontrolle sind deshalb sowohl Emissions- als auch Immissionsmessungen regelmäßig durchzuführen. Zur Immissionsüberwachung in Thüringen dient das Luftmessnetz der TLUG, während die Emissionsüberwachung durch die Betriebe als auch durch sachverständige Institute realisiert wird. Die TLUG führt zu ausgewählten Anlagen ebenfalls Emissionsuntersuchungen durch. Informationen zu relevanten Schadstoffemissionen aus dem Anlagenbetrieb als auch zu den Immissionskonzentrationen ausgewählter Luftschadstoffe werden regelmäßig erfasst und bekannt gegeben. (http://www.tlug-jena.de/ umwth/umwth.html)

2.1.3.2.2 Heteroseme und Vorkommen in anderen Konnektorklassen Die vergleichsbasierten additiven Konjunktoren haben entweder selbst Heteroseme und/oder Varianten in anderen Konnektorklassen, oder sie enthalten Elemente, für die das gilt (wie, als, auch). Das hat Auswirkungen auf die Gebrauchsbedingungen der Konjunktoren. Zum Konjunktor wie gibt es mit dem in Vergleichskonstruktionen auftretenden Adjunktor wie und dem Frageadverb wie Heteroseme. Darüber hinaus tritt wie, in der Form eines temporalen und komparativen Subjunktors, auch in einer anderen Konnektorklasse auf. Die Verbletztforderung des Subjunktors schlägt sowohl bei additivkoordinativen Verknüpfungen von Sätzen durch, als auch bei Vergleichskonstruktionen: ein komparativer Adjunktor wie kann in Gradvergleichen Sätze nur in der Form von Verbletztsätzen anbinden (s. 103b). (103a) Fritz ist so faul, wie Hans fleißig ist. (103b) *Fritz ist so faul, wie Hans ist fleißig. Auch sowie tritt als temporaler Subjunktor auf. Herzuleiten ist es aus einer Vergleichskonstruktion mit dem deiktischen Adverb so als Korrelat und dem komparativen Subjunktor wie. Als hat außer seiner Funktion als Adjunktor (Du als Vegetarier solltest Rote Grütze mit Gelatine meiden) auch eine Konnektorfunktion als temporaler Subjunktor (Als der Regen kam), auch gehört als Fokuspartikel zu den Adverbkonnektoren. Die Subjunktorfunktion von als macht sich, wie im Weiteren gezeigt wird, in Restriktionen beim Anschluss von Verberst- und Verbzweitsätzen bemerkbar, die Fokuspartikelfunktion von auch bringt informationsstrukturelle Restriktionen mit sich.

428

C Semantische Konnektorenklassen

2.1.3.2.3 Syntaktische Eigenschaften: Restriktionen gegenüber und Sowie, sowohl (…) als auch und wie weisen eine Reihe von syntaktischen Beschränkungen auf, die für den Konjunktor und nicht gelten. Sie sind in mancher Hinsicht „defektive“ Konjunktoren. Sowohl (…) als auch hat als mehrteiliger, korrelativer Konnektor besondere Stellungseigenschaften. Sein zweiter Teil steht in der konjunktortypischen nicht satzintegrierten Position zwischen den Konnekten, und zwar unmittelbar vor dem zweiten Koordinat, dabei kann er kontinuierliche (s. 104a) und diskontinuierliche (s. 104b) koordinative Verknüpfungen bilden. Der erste Teil steht immer in Juxtaposition zum ersten Koordinat, in aller Regel davor, selten auch dahinter (104d). Er kann adverbtypisch ins Mittelfeld des ersten Konnekts integriert sein (104c–e). (104a) (104b) (104c) (104d) (104e)

Sowohl {in DARMstadt} als auch {in FRANKfurt} hält der ICE. Sowohl {in DARMstadt} hält der ICE als auch {in FRANKfurt}. Der ICE hält sowohl {in DARMstadt} als auch {in FRANKfurt}. […] dass der ICE {in DARMstadt} sowohl als auch {in FRANKfurt} hält. Der ICE soll in Darmstadt sowohl {HALten} als auch {auf die ANschlusszüge warten}.

Gegenüber und zeigen die vergleichsbasierten Konjunktoren auch im Format der Konnekte Einschränkungen, insofern sie das Merkmal M5 für Konnektoren (M5)

Die Relate der Bedeutung von x müssen durch Sätze bezeichnet werden können.

nicht erfüllen. Zwar können sie problemlos Koordinate unterhalb der Satzebene verknüpfen, d. h. die sowohl- und sowie-Varianten der und-Verknüpfungen in den Beispielen (22b), (23a–c), (24) und (25) sind wohlgeformt, Verberst- und Verbzweitsätze sind jedoch nur eingeschränkt mit sowohl (…) als auch, sowie und wie verknüpfbar. Für die meisten Sprecher ausgeschlossen sind Verknüpfungen von Verberst- und Verbzweitsätzen mit zwei unterschiedlichen Prädikaten in den Konnekten (105), damit auch selbständige kommunikative Minimaleinheiten (106); d. h. die sowohlund sowie-Varianten der Beispiele (20a–b), (21) und (22a) werden von den meisten Sprechern als nicht wohlgeformt abgelehnt. Im Folgenden wird dies aus Platzgründen nur mit Beispielen für sowohl (…) als auch demonstriert. Soweit nicht anders angegeben, gelten die Aussagen immer auch für Verknüpfungen mit sowie, und der Leser ist eingeladen, dies selbst zu testen. Allerdings müsste dann die Anzahl der Koordinate um mindestens eines erhöht werden, um abweichende Beurteilungen zu verhindern, die auf einen anderen Faktor zurückzuführen sind.  



C2 Additiv basierte Konnektoren

429

*Sowohl habe ich mir den Empfang anders vorgestellt als auch du willst eine gelernte Mamsell sein! (106) *Ich machte mir sowohl Sorgen, wo denn der schwerkranke Mann hin sollte im Westen als auch würde er heil über die Grenze kommen? (107a) ?Sowohl sind die äußeren Planeten in mehrfacher Hinsicht ungeeignet, als auch haben die Kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter keine Atmosphäre. (107b) ?Es sind sowohl die äußeren Planeten in mehrfacher Hinsicht ungeeignet als auch haben die Kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter keine Atmosphäre. (108) *Der Zug wurde sowohl rangiert als auch fuhr dann westwärts in Richtung Stolp. (109) *Die beiden Verunglückten stürzten sowohl auf einem langen Steilhang als auch rutschten sie etwa 300 Meter ab. (105)

Einige Sprecher scheinen in der Lage, die Defizite von sowohl (…) als auch bei der Verknüpfung vollständiger Verbzweitsätze durch Angleichung an andere Strukturmuster zu „reparieren“ (vgl. dazu Breindl 2009). Das gängigste Reparaturmuster ist hierbei das von weder (…) noch (wie in 107), – wohl aufgrund der semantischen Verwandtschaft. Diese Sprecher interpretieren also beide Bestandteile als vorfeldfähige Adverbkonnektoren. Denn sowohl wird die Erschaffung der Welt in sechs Tagen vollendet, als auch vollzieht sich die Bewegung der Sonne von Wendekreis zu Wendekreis in sechs Monaten. (http://www.unifr.ch/bkv/kapitel272-5.htm) (107d) Sowohl ist die Reihenfolge des Auftretens der Kindelemente definiendum und definiens beliebig, als auch kann das definiens diskontinuierlich auftreten. (http://www.hytex.uni-dortmund.de/) (107c)

Seltener ist die Angleichung an das Muster von entweder (…) oder, bei der sowohl als Adverb interpretiert wird, als auch als voll funktionsfähiger Konjunktor. Alternativ kann bei dieser Lösung auch und an der Konjunktorstelle erscheinen. Solche Konstruktionen werden jedoch nicht von allen Sprechern akzeptiert. (107e)

(107f)

Da ist eben beides möglich im selben Zeitraum: sowohl ist „etwas“ als auch es wird „etwas“. (http://www.foren4all.de/archive/index.php?t-5108-p-3. html) Sowohl wird die Liebe der Sprecherin zur Oper deutlich, als auch die Liebe der Zuhörenden zu Oper wird geweckt. (http://www.amazon.de/Oper-EineLiebeserkl%C3%A4rung-2-CDs/dp/389830583X)

Auch Angleichungen an das Muster von Subjunktoren sind belegt:

430

C Semantische Konnektorenklassen

(107g) Die AGGPG distanziert sich theoretisch sowohl von Körper-, Rasse- und Geschlechternormen als sie auch auf Mängel medizinischer und sozialkonstruktionistischer Diskurse hinweist . (http://www.stachel.de/00.01/1AGG PG.html) (107h) Denn sowohl wird jeder Fehler […] gnadenlos offenbar, als auch jede stilistische „Falschheit“ wahrgenommen wird . (http://www.joergbenner.de/ Hobbies/Musik/musik.html)  



Diese Konstruktionen (107c–h) sind jedoch normativ großteils (noch) diskriminiert. Einer der wesentlichen Störfaktoren bei der Satzverknüpfung mit sowohl (…) als auch liegt in einem Widerspruch zwischen semantischer und syntaktischer Strukturanforderung: die semantische Relation Additivität, die in keiner Sprache subordinativ kodiert wird (vgl. Haspelmath 2007), lässt koordinierende Verknüpfung und Parallelstruktur der Konnekte erwarten, als verlangt als Satzeinleiter (in Vergleichskonstruktionen ebenso wie im Temporalsatz) im Gegenwartsdeutschen aber Verbletztstellung, und die Herkunft des sowohl (…) als auch aus einer Vergleichskonstruktion ist auch heute noch transparent. (107i) (107j)

*Hans schält die Äpfel viel sorgfältiger als Maria rührt den Teig. Hans schält die Äpfel viel sorgfältiger als Maria den Teig rührt.

Problemlos möglich sind Verknüpfungen von Verberst- und Verbzweitsätzen mit sowohl (…) als auch nur dann, wenn sie sich mindestens das Finitum teilen, d. h. sobald eine Verbklammer vorliegt. (108) und (109) mit Präteritum werden deshalb ausgefiltert, (109)’ mit zusammengesetztem Tempus kann passieren, ebenso wird (107b) in der Version (107b)’ mit Modalverb akzeptabel. Auch Verberstsätze sind unter dieser Bedingung mit sowohl (…) als auch koordinierbar (110), und Verbletztsätze wie (111) ohnehin. Dabei müssen die Konnekte immer völlig parallel strukturiert sein.  

Die beiden Verunglückten sind sowohl auf einem langen Steilhang gestürzt als auch etwa 300 Meter abgerutscht . (107b)’ Es dürften sowohl die äußeren Planeten ungeeignet sein als auch die Kleinen Planeten zwischen Mars und Jupiter keine Atmosphäre haben . (110) Werden sowohl die Grünen scheitern als auch/sowie die FDP rausfallen ? (111) Hier könnte eine behutsame Umstellung einzelner Komponenten auf ein steuerfinanziertes Modell dazu führen, dass sowohl die Unternehmen entlastet werden als auch die Arbeitnehmer mehr Geld in die Tasche bekommen . (die tageszeitung, 26.03.2005, S. 15) (112) Schindler besuchte das Ghetto im April, sowohl weil er neugierig war , als auch, weil ein jetzt dort lebender Juwelier zwei Ringe für ihn in Arbeit hatte . (Keneally, Liste, S. 90) (109)’















C2 Additiv basierte Konnektoren

431

Koordination von Sätzen ohne Klammerbildung unterliegt scharfen Restriktionen. Das Finitum muss im ersten und zweiten Konnekt identisch sein, und es darf im zweiten Konnekt nicht an einer nicht-letzten Position zu stehen kommen, wie das Akzeptabilitätsgefälle zwischen (113a) zu (113b) zeigt. Eine regelrechte Verbletztposition nur im zweiten Konnekt (d. h. eine Verwendung von als auch als regulärer Subjunktor wie in 20c) ist aber wiederum wegen der Parallelitätsforderung ausgeschlossen.  

(113a) (113b) (113c)

[A: Kommt nur Ute zur Party? B: Nein,] Sowohl UTE kommt als auch ihr MANN kommt. [A: Kommt nur Ute zur Party? B: Nein,] ?Sowohl UTE kommt zu unserer Party als auch ihr MANN kommt zu unserer Party. [A: Kommt nur Ute zur Party? B: Nein,] *Sowohl UTE kommt zu unserer Party als auch ihr MANN zu unserer Party kommt.

Die Koordinate von sowohl (…) als auch und sowie unterliegen stärkeren Weglassungsbeschränkungen als und-Koordinate. Bei NP- und PP-Koordinationen kann pränominales Material nicht koordinativ gestützt elidiert werden: Weglassung von strukturell notwendigen Teilen wie Artikel (114) und Präposition (115) ergibt ungrammatische Ausdrücke, Weglassung eines attributiven Adjektivs (116) restringiert den Adjektiv-Skopus auf die erste NP. (114a) (114b) (115a) (115b) (116a) (116b)

Die blauen und (die) roten Smarties waren vergiftet. *Sowohl die blauen als auch roten Smarties waren vergiftet. Fußball gespielt wird am Samstag und Sonntag. ??Fußball gespielt wird sowohl am Samstag als auch Sonntag. Rauchende Schüler und Lehrer haben es an Hessens Schulen künftig schwer. Sowohl rauchende Schüler als auch Lehrer haben es an Hessens Schulen künftig schwer.

Sowohl-als-auch-Koordinationen von singularischen Subjekts-NPen lassen auch ein singularisches Finitum zu: (117)

[…] weil sowohl die Einführung des Katalysatorautos als auch die Einführung des bleifreien Benzins „ein Flop“ gewesen sei. (die tageszeitung, 16.12.1986, S. 4)  

2.1.3.2.4 Semantische Restriktionen: Ausschluss von Interpretationsanreicherungen Die vergleichsbasierten additiven Konjunktoren haben nicht den in 2.1.3.1.2 dargelegten semantischen Spielraum von und, sondern sind monosem additiv. In den folgen-

432

C Semantische Konnektorenklassen

den Abwandlungen der entsprechenden und-Beispiele des vorigen Kapitels stellt sich immer nur die Listeninterpretation ein. Dabei ist die Interpretation, anders als bei und-Verknüpfungen von Ereignisprädikaten, immer reihenfolgeneutral. (118a) (118b) (119) (120) (121a) (121b) (122) (123)

(Es heißt, dass) sowohl ein Schuss fiel als auch eine Frau aufschrie./[…] ein Schuss fiel sowie eine Frau aufschrie. = (Es heißt, dass) sowohl eine Frau aufschrie als auch ein Schuss fiel./[…] eine Frau aufschrie sowie ein Schuss fiel. […] weil sowohl die Mama ausgeht als auch Konrad zu Hause bleibt. […] weil der Revierförster sowohl ein tüchtiger Waldarbeiter war als auch von den Kollegen auf die Forstschule delegiert wurde. *Sowohl noch ein Bier als auch der Tag gehört dir. #Noch ein Bier sowie der Tag gehört dir. #Sei so nett sowie reich mir den Zucker. #[…] weil der sowohl die Frechheit besitzt als auch mich mitten in der Nacht anruft.

2.1.3.2.5 Semantische Restriktionen: Ausschluss von Kollektiv- und Fusionsinterpretationen Sowohl (…) als auch erzwingt bei Prädikaten, die kollektive und distributive Verrechnung mit der in den Koordinaten bezeichneten Menge erlauben, immer die distributive Interpretation und ist deshalb mit Kollektivprädikaten nicht kompatibel. Sowie verhält sich in dieser Hinsicht nicht eindeutig. (124a) (124b) (124c) (125a) (125b) (125c)

Uwe und Fritz bilden eine Mannschaft. (distributiv und kollektiv lesbar; bevorzugte Interpretation: kollektiv) Uwe, Fritz, Emma sowie Susi bilden eine Mannschaft. (distributiv und kollektiv lesbar; bevorzugte Interpretation: kollektiv) Sowohl Uwe als auch Fritz bilden eine Mannschaft. (nur distributiv lesbar: separate Mannschaften mit anderen) Karl und Susi bestellten eine Familienpizza. (distributiv und kollektiv lesbar; bevorzugte Interpretation: kollektiv) Uwe, Karl sowie Susi bestellten eine Familienpizza (distributiv und kollektiv lesbar) Sowohl Karl als auch Susi bestellten eine Familienpizza. (nur distributiv lesbar)

Die in 2.1.3.1.2.5 angeführten Beispiele für Kollektion bei und sind mit sowohl (…) als auch durchweg nicht bildbar und mit sowie von zweifelhafter Akzeptabilität. Der Beleg (133) mit dem normalerweise eine Kollektivitätsinterpretation garantierenden Adverb gemeinsam wird von den meisten Informanten als falscher Gebrauch abge-

C2 Additiv basierte Konnektoren

433

lehnt. Sprecher, die solche Konstruktionen akzeptieren (oder gar bilden), verwenden sowohl (…) als auch wie den „normalen“ additiven Konjunktor und. Die Demokraten präsentierten sowohl den badischen Staatspräsidenten als auch den Kultusminister Willy Hellpach. (nur Lesart mit Referenzverschiedenheit) (126b) Die Demokraten präsentierten den badischen Staatspräsidenten sowie Kultusminister Willy Hellpach. (? in der Lesart mit Referenzidentität) (127a) Kneten Sie sowohl die Butter als auch den Schnittlauch zu einer Kugel. (nur in der Lesart als zwei Kugeln und dann sachlich abwegig) (127b) *Verkneten Sie sowohl die Butter als auch den Schnittlauch miteinander zu einer Kugel. (127c) ?Verkneten Sie die Butter, das Salz sowie den Schnittlauch zu einer Kugel. (128a) *Sowohl eins als auch eins ergibt zwei. (128b) ??Zwei, drei sowie vier ergeben zehn. (129a) *Meersalz besteht sowohl aus Natriumchlorid als auch aus anderen Salzen. (129b) Meersalz besteht aus Natriumchlorid sowie aus anderen Salzen. (130a) #Sowohl Karl Marx als auch Friedrich Engels schrieben das Kommunistische Manifest. (130b) ?Karl Marx sowie Friedrich Engels schrieben das Kommunistische Manifest. (131a) *Sowohl Spanisch als auch Portugiesisch sind ähnliche Sprachen. (131b) ??Spanisch, Französisch sowie Portugiesisch sind ähnliche Sprachen. (132a) *Sowohl die Wirkung eines Blutdrucksenkers als auch die eines blutdrucksteigernden Medikaments heben sich gegenseitig auf. (132b) ??Die Wirkung eines Blutdrucksenkers sowie die eines blutdrucksteigernden Medikaments heben sich gegenseitig auf. (133) Sowohl der Bahn als auch dem Schiff ist gemeinsam, dass „in öffentlichen Räumen wie Restaurant und Lounge Badebekleidung nicht erwünscht“ ist. (die tageszeitung, 18.04.2001, S. 24) (126a)



Ausgeschlossen sind auch die mit und möglichen Fusionsinterpretationen bei implikativen Prädikaten (s. C2.1.3.1.2.4) und bei bestimmten Verben wie (her)gehen. (134a) (134b) (134c) (135a) (135b) (135c)

Es heißt, dass Jan das Pech hatte und seinen Job verlor. ≠Es heißt, dass Jan sowohl das Pech hatte als auch seinen Job verlor. ≠Es heißt, dass Jan das Pech hatte sowie seinen Job verlor. Man weiß, dass Aphrodite ihm den Gefallen tat und die Statue zum Leben erweckte. ≠Man weiß, dass Aphrodite ihm sowohl den Gefallen tat als auch die Statue zum Leben erweckte. ≠Man weiß, dass Aphrodite ihm den Gefallen tat sowie die Statue zum Leben erweckte.

434

C Semantische Konnektorenklassen

Wenn ich dann hergehe und die Gelder anschaue, die zum Beispiel für die institutionellen Organe ausgegeben werden, dann sind es insgesamt etwas mehr als 170 Milliarden Lire für das Jahr 2001. (136b) ≠Wenn ich dann sowohl hergehe als auch die Gelder anschaue, […] (136c) ?Wenn ich dann hergehe sowie die Gelder anschaue, […] (136a)



2.1.3.2.6 Restriktionen bezüglich der Anzahl der Koordinate Und kann beliebig viele Koordinate verknüpfen, wobei offen bleibt, ob es noch weitere Alternativen gibt, auf die das im Koordinationsrahmen genannte Prädikat zutrifft. Dagegen bezeichnen sowohl-als-auch-Koordinationen eine aus genau zwei Entitäten bestehende Menge in ihrer Totalität, d. h. die Koordinate bezeichnen Komplementärmengen. Bei Kombinationen mit Fokuspartikeln und Adverbien, die die Existenz höherer Skalenwerte oder die Offenheit der Bezugsmenge implizieren, ergeben sich Unverträglichkeiten.  

(137) (138) (139) (140)

*Bewerber sollten mindestens sowohl Russisch als auch Französisch beherrschen. *In diesem Zoo gibt es unter anderem sowohl Luchse als auch Wildkatzen zu sehen. *Es sind genau/nur sowohl ein Apfel als auch eine Birne übrig geblieben. *Unsere Katze frisst sowohl Brekkies als auch nichts anderes.

Dazu passt, dass sowohl (…) als auch fast nur mit binären Verknüpfungen belegt ist.2 Sowie-Koordinationen unterliegen solchen Restriktionen nicht. Typischerweise wird sowie gerade dazu verwendet, in mehrgliedrigen, vor allem in hierarchisch geschachtelten Komplexen von mehreren Koordinaten, die Struktur für den Adressaten transparent zu machen. Mehrere Fälle sind zu unterscheiden: (i)

Sowie tritt auf in Koordinationen von mehr als zwei syntaktisch-hierarchisch gleichgeordneten Koordinaten, von denen zwei inhaltlich enger zusammengehören; dabei kann es sowohl zwischen den enger zusammengehörenden

2 Sowohl-als-auch-Koordinationen können natürlich ihrerseits eine Koordination enthalten: sowohl a und b, als auch c und d. In einer solchen Koordination kann auch eine weitere sowohl-als-auchKoordination eingebettet sein; die Struktur ist dann hierarchisch: (sowohl p als auch q) als auch r. Generell sind aber solche Verwendungen eher selten. (Eine Stichprobe von 500 Belegen im DeReKo ergab keine einzige Konstruktion des Typs sowohl p, als/wie (auch) q als/wie (auch) r.) Für das englische both … and – der Wortbedeutung nach ein Dual – schließen Huddleston/Pullum (2002: 1305) die Kombination *I both locked the doors and set the alarm and informed the police. explizit aus.

C2 Additiv basierte Konnektoren

435

(143) als auch zwischen den weniger eng zusammengehörenden Koordinaten (141, 142) stehen. (141)

Die Männer […] tragen in der Regel nur {den Langsax} sowie {Pfeil und Bogen}. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 176) Unter den römischen Fundamenten wiederum entdeckte man {Abfallgruben und Grubenhäuser der niederrheinischen Hallstattkultur} sowie {Spuren jungsteinzeitlicher Kulturen}. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 86) Stolz werden {das erste Auto der Welt, der erste Computer der Welt, ein Modell von Gutenbergs Druckpresse} und {der Otto- sowie der Dieselmotor} gezeigt. (Bildzeitung, 29.04.1967, S. 2)  

(142)



(143)



(ii)

Sowie tritt auf in hierarchisch geschachtelten Koordinationen, in denen mindestens ein Koordinat eine Koordination von Einheiten einer niedrigeren syntaktischen Ebene enthält. Hier kann sowie sowohl zwischen den höherrangigen (144) als auch zwischen den hierarchieniedrigeren Koordinaten (145) stehen.

(144)

[…] der Bischof Aldhelm von Sherborne (640–709), der {mehrere Bücher über {Grammatik und Poetik}} sowie {zahlreiche {Traktate, Briefe und Kommentare}} schrieb. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 224) {Er schlug sich mit den Sachsen herum}, {eroberte Thüringen}, {warf die Bajuwaren nieder} und {ließ sich von dem im Kampf gegen Byzanz stehenden Gotenkönig Witigis für das Versprechen wohlwollender Neutralität {Hilfsgelder zahlen} und {{die Provence sowie Teile von Rätien}überschreiben}}. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 86)  

(145)



(iii)

Sowie verknüpft gleichgeordnete Koordinate, wobei das linke Koordinat syntaktisch umfangreich ist (146) oder zwischen den Koordinaten Material aus einer anderen syntaktischen Ebene (147) oder ein parenthetischer Einschub (148) steht.

(146)

Der steigende Beitrag des städtischen Autoverkehrs zur Luftverschlechterung mit teils Herz, Lungen und Kreislauf schädigenden, teils Krebs erregenden Abgasen sowie zur Lärmbelästigung hat nicht nur Bestrebungen gefördert, diese Nebenwirkungen der herkömmlichen Stadtwagen zu vermindern […]. (MK1/ZBW, Wissenschaft, S. 25) Außerdem erhält er Fahrkostenersatz, wenn er von einem anderen Ort an den Ort des Gerichtes reisen muß, sowie eine Dienstaufwandentschädigung (MK1/WUB, Ullrich, Bürger, S. 144) Am 25. April 724 stellte Karl Martell in der Pfalz Jopilla an der Maas jene berühmte Urkunde aus, in der er den alemannischen Herzog Lantfried und  

(147)



(148)



436

C Semantische Konnektorenklassen

den fränkischen Grafen Bertoald anwies, dem Bischof Pirmin die Insel Sintleozesau im Bodensee – die heutige Reichenau – sowie eine Reihe von Dörfern aus dem Königsgut Bodman zu übereignen. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 115)  

Nur auf Fälle wie (149) bis (151), nicht aber auf die weiter oben angeführten Beispiele, trifft die in manchen Grammatiken zu lesende Aussage zu, sowie schließe eine „nachträgliche, oft nachrangige Erweiterung“ an (GDS: 2396) bzw. werde verwendet, „wenn der Sprecher etwas nachtragen oder ergänzen will“ (Buscha 1989: 113). Eine Tendenz zur Abfolge und-Koordinat vor sowie-Koordinat könnte auch dem größeren phonologischen Gewicht des sowie geschuldet sein. Ob man aus dem typischen Vorkommen in komplexen Koordinationen eine grammatische Regel für den Gebrauch von sowie ableiten kann, wie dies der Duden-Zweifelsfälle nahelegt mit der Aussage: „Es ist unnötig, sowie und wie im Sinne von und zu verwenden, wenn nur zwei Glieder zu verbinden sind“ (Duden-Zweifelsfälle 2007: 907), ist fraglich. Sowie-Koordinationen mit nur zwei, syntaktisch einfachen, Koordinaten kommen jedenfalls – wenngleich selten – in geschriebener wie gesprochener Sprache vor. (149)

Ihr organisatorischer Aufbau sowie ihre Entwicklung hängen vom Wachstum der gesamten Volkswirtschaft und den Veränderungen der sozialökonomischen Struktur auf dem Lande ab. (MK1/ZUR, Urania 1, S. 53) Die Ausbildung umfaßt das technische sowie das musikalische Gebiet, auf dem also ein Toningenieur einiges wissen muß, um gute Aufnahmen machen zu können. (PF 231, o. A.) Habe alles selbst gearbeitet, für meine Jungen sowie für mein Mädel. (ZW X 93, o. A.)  

(150)



(151)



2.1.3.2.7 Informationsstrukturelle Restriktionen Sowohl (…) als auch nimmt, anders als und und sowie, auf eine Menge von Entitäten Bezug, die im Diskursuniversum der Gesprächspartner präsent sein muss. Das kann durch kontextuelle Vorerwähnung geschehen (152) oder es handelt sich um eine natürliche bzw. sonstwie bekannte Menge (153). Dabei bilden die Denotate der Koordinate Komplementärmengen. (152)

Die „Befreiungsarmee des sudanesischen Volkes“ (SPLA), d. h. die Guerillaarmee John Garangs hat die sudanesischen Acholi bewaffnet, die unter dem Vorwand politischer Überzeugungen nichts eiligeres zu tun hatten, als über die Madi herzufallen. Die Tatsache, daß beide, sowohl Madi als Acholi, diesseits und jenseits der Grenze leben, verknüpft und verwirrt den Norden Ugandas mit der Entwicklung im Südsudan. (die tageszeitung, 06.09.1986, S. 3)  



C2 Additiv basierte Konnektoren

(153)

437

Man nahm sowohl Männer als auch Frauen in strenge Zucht und war fromm bis frömmelnd. (die tageszeitung, 30.11.1993, S. 19)  

Diskursinitial können sowohl-als-auch-Verknüpfungen nur schwer auftreten. (Harweg 1971 spricht im Rahmen seiner Pronominalisierungstheorie von „Subsequentialkoordinationen“, die anders als „Initialkoordinationen“ eine Vorgängerkoordination verlangen; das ist sicherlich zu eng formuliert.) Generell sind sie umso akzeptabler, je eher es dem Adressaten gelingt, die verknüpften Entitäten als komplementäre Teilmengen zu interpretieren und daraus eine abgeschlossene Vereinigungsmenge zu bilden, was insbesondere dann leichter gelingt, wenn die Koordinate komplementär interpretierbare Begriffe enthalten, wie etwa in den folgenden Beispielen die Paare Vater und Mutter oder USA und Moskau, nicht aber Ziege und Kuh oder 12jähriger Sohn und 14jähriger Sohn. In (155) bilden in die Höhe steigen und sich in die Tiefe hinabbegeben konzeptuell komplementäre Prädikate, in (156) bezeichnen Peking und Dalai Lama vor dem historischen Hintergrund des Tibetkonflikts komplementäre Entitäten. Es war einmal ein Mädchen, das hatte sowohl Vater als auch Mutter verloren. (154b) Es war einmal ein Agent, der spionierte sowohl für die USA als auch für Moskau. (154c) Ein König hatte sowohl einen Sohn als auch eine Tochter. (154d) ??Ein König hatte sowohl einen 12jährigen Sohn als auch einen 14jährigen Sohn. (154e) ?Ein Bauer kaufte sowohl eine Ziege als auch eine Kuh. (154f) *Kennst du den? Sowohl eine Blondine als auch ein Ostfriese stehen an der Bar. (155) Dabei kann man sowohl in die Höhe steigen und das Dach erklimmen als auch sich in die Tiefen hinabbegeben und einen Abstecher in die Katakomben machen. (Berliner Zeitung, 08.10.1998, S. 28) (156) Er ist der Einzige „lebende Buddha“ und religiöse Führer Tibets, den sowohl der Dalai Lama wie auch Peking anerkannt und 1992 als Re-Inkarnation des 16. Karmapa Lama eingesetzt hatten. (Berliner Zeitung, 10.01.2000, S. 9)

(154a)





Sowohl-Koordinationen müssen also in der Diskurswelt von Sprecher und Adressat verankert sein, sie müssen K(ontext)-angebunden im Sinne von Büring (1997) sein. Deshalb können auch Anzahlfragen ohne weiteren Kontext nicht mit sowohl-als-auchKoordinationen beantwortet werden: (157)

*[A: Wieviele Autos habt ihr? – B:] Sowohl ein Cabrio als auch einen Kombi.

438

C Semantische Konnektorenklassen

Sowohl-als-auch-Koordinationen sind umso weniger angemessen, je schwerer für Sprecher und Adressat der Bezug auf eine abgeschlossene, aus den Koordinaten gebildete Menge konstruiert werden kann. Eine solche Mengenbildung fällt bei Individuen leichter als bei Beschreibungen vollständig spezifizierter Sachverhalte, die formal als Sätze kodiert sind. Die durch die Vergleichskonstruktion bedingte, in C2.1.3.2.3 beschriebene syntaktische Restriktion bezüglich des Typs der Koordinate – keine selbständigen Verberst- und Verbzweitsätze – findet hier ihre Unterstützung durch eine semantische Einschränkung. (158)

?? [A: Was ist passiert? B:] Die Realschüler haben sowohl den Rudi Kreuzkamm überfallen als auch die Diktathefte an sich gerissen.

Das spiegeln auch die Gebrauchshäufigkeiten. Eine Auszählung von 100 Zufallsbelegen aus dem Teilkorpus MK1/MK2 des DeReKo ergab 94 sowohl-als-auch-Koordinationen nicht-verbaler Einheiten. Unter den 6 verbalen Koordinaten findet sich lediglich eine mit zwei finiten Verben (in Verbletztposition): (159)

[…] und das tägliche Leben verläuft so glatt und fraglos, sowohl wo wir freundschaftlich mit ihnen zusammenwirken als auch wo wir uns von ihnen angegriffen fühlen. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 183)  

2.1.3.3 Differenzparameter für additive Konjunktoren und ihre kompositionale Herleitung Die in den vorherigen Abschnitten erhobenen Restriktionen werden in der nachfolgenden Matrix zusammengefasst.

Differenzparameter

und

sowie

sowohl (…) als auch

Tab. C2-2: Differenzparameter bei additiven Konjunktoren

Parameter 1 Konnektformate

Universalkoordinator (vs. beschränkt: keine selbständigen kommunikativen Einheiten, keine vollständigen V2- oder V1-Sätze)

+





Parameter 2 Bedeutungsspielraum

semantisch unterspezifiziert, Interpretationsanreicherungen im Kontext möglich (vs. spezifisch: monosem, nur Listeninterpretation)

+





Differenzparameter

sowie

sowohl (…) als auch

439

und

C2 Additiv basierte Konnektoren

Parameter 3 Prädikatverrechnung

Prädikatverrechnung offen: kollektiv oder distributiv (vs. beschränkt: nur distributiv)

+

+/–



Parameter 4 Anzahl der Koordinate

Alternativenmenge offen (vs. beschränkt: komplementär, binär)

+

+



Parameter 5 informationsstrukturelle Restriktionen

Koordinate kontextuell unbeschränkt (vs. beschränkt: kontextangebunden)

+

+



Und erweist sich im Paradigma der additiven Konjunktoren – erwartungsgemäß – als merkmalloser, unspezifischer Konnektor, während sowohl (…) als auch in allen Dimensionen markiert ist und sowie eine Zwischenstellung einnimmt. Das entspricht auch den im Rahmen von Markiertheits- und Grammatikalisierungstheorien aufgestellten Gesetzmäßigkeiten (vgl. Lehmann 1995a/b, 2002). Der hohe Grammatikalisierungsgrad von und korreliert mit phonologischer Kürze, etymologischer Verdunkelung, hoher Frequenz, geringen syntaktischen Restriktionen und unspezifischer Bedeutung. Am markierten, geringer grammatikalisierten Pol sowohl (…) als auch fallen größeres phonologisches Gewicht, morphologische Transparenz, geringere Frequenz, höhere syntaktische Restriktionen, spezifischere Bedeutung und stilistische Einschränkungen zusammen. Ein unterschiedlicher Grammatikalisierungsgrad erklärt jedoch noch nicht, warum genau diese fünf Differenzparameter vorliegen. Eine Herleitung aus dem auffälligen etymologisch-morphologischen Unterschied der drei Konjunktoren liegt hier nahe. Zwar bedingen sowie und sowohl (…) als auch als lexikalisierte Resultate einer Reanalyse aus Vergleichskonstruktionen beim Sprachbenutzer einen eher holistischen, nicht analytischen Zugang, in der linguistischen Analyse lassen sich jedoch die Unterschiede deutlich kompositional aus den Eigenschaften der morphologischen Bestandteile bzw. aus Reflexen ihrer Eigenschaften in nicht-konjunktoraler Umgebung herleiten. Dazu sollen die Differenzparameter sukzessive miteinander konfrontiert werden: (i)

Gemeinsame Differenzparameter von sowohl (…) als auch und sowie gegen und Gemeinsames und sie von und abhebendes Formmerkmal von sowohl (…) als auch und sowie ist ihre Herkunft aus Vergleichskonstruktionen. Darauf lassen sich drei der Differenzparameter zurückführen P1 (Konnektformate beschränkt)

← ursprüngliche Verbletztforderung von wie/als

440

C Semantische Konnektorenklassen

P2 (keine asymmetrischen Interpretationen) P3 (obligatorisch distributive Verrechnung)

← Semantik des Äquativvergleichs mit wie/als ← Semantik des Äquativvergleichs mit wie/als

Während und, das vermutlich auf den Zusammenfall der germ. Formen *anÞi ‚aber‘ (zum idg. Wurzelnomen *hant ‚Stirn, Vorderseite‘) und *enði ‚und‘ (zum idg. Wurzelnomen *hendh ‚Gipfel, Spitze‘) zurückzuführen ist (vgl. Búa 2005), genuin additive Bedeutung hat, haben sich sowohl (…) als auch und sowie durch Verschiebung der syntaktischen Gliederung aus Vergleichskonstruktionen mit einem katadeiktischem Korrelat so entwickelt, das einen mit wie oder als eingeleiteten Verbletztsatz einbettet; Paul (1960: 372) spricht von einer „Überführung von der Unterordnung in die Beiordnung“ bei sowohl (…) als auch und wie und vergleicht mit lat. ut und frz. comme. Für sowie ist das ungefähr wie folgt zu rekonstruieren: Das eigentlich zum ersten Konnekt gehörende so wird als zum zweiten Konnekt gehörig aufgefasst. Die Folge ist Verschmelzung und Erstarrung der Form zu einer neuen Konjunktion sowie, wobei zunächst die durch den Subjunktor wie ausgelöste Verbletztstellung erhalten bleibt. Da aber auch in Subjunktorkonstruktionen kontextuell gestützte Ellipsen auftreten können, kommen, bei Tilgung von verbalem Material, Konstruktionen zustande, die den heutigen NP-, PP- oder AdjP-Koordinationen gleichen und die Konstruktion ist als Koordination interpretierbar. (160a) Sie täuscht dich, so wie [sie] mich [getäuscht hat]. → Sie täuscht dich sowie mich. (160b) Die Kost war fein, so wie [sie] reichlich [war]. → Die Kost war fein sowie reichlich. Die diachrone Verankerung in der Vergleichskonstruktion hat einen synchronen Reflex auf die Verbstellung: Das zweite Koordinat von sowohl (…) als auch und sowie muss, wenn es ein Finitum enthält, zumindest wie ein Verbletztsatz aussehen und darf kein Verbzweitsatz ohne Verbklammer sein. Mit der Verschiebung geht eine semantische Veränderung einher. In Gradvergleichen der Form Susi ist so gebildet wie [sie] charmant [ist]. wird lediglich assertiert, dass der Ausprägungsgrad der genannten Eigenschaften in Bezug auf Susi gleich ist, ohne dass er auf einen bestimmten Wert fixiert wird. Man kann problemlos fortsetzen mit Nämlich beides gleich null. Die „verschobene“ Koordinativkonstruktion Susi ist gebildet sowie charmant. ist dagegen auf einen positiven Wert fixiert. Analog lässt sich koordinierendes sowohl (…) als aus der Vergleichskonstruktion so wohl (Adverb zu gut), (…) als + Verbletztstellung ableiten, wobei als in Äquativvergleichen bis ins 16. Jh. die übliche Partikel war, die im Zuge einer systematischen Verschiebung durch wie ersetzt wurde, (während als seinerseits dann das im Komparativ bis dahin üblichere denn verdrängt, vgl. Thurmair 2001:

C2 Additiv basierte Konnektoren

441

93–101).3 Es liegen Grammatikalisierungsprozesse vor, die mit semantischer Erosion (vom ‚Zutreffen in gleichem Ausprägungsgrad‘ zum ‚Zutreffen auf beide Entitäten‘ schlechthin) und, im Falle von sowie, auch mit positioneller Fixierung auf Kontaktstellung von Korrelat und Subjunktor einhergehen. Die Vergleichsbasiertheit begünstigt die tendenzielle „Resistenz“ gegen Koordinationsellipsen in den Koordinaten und das Unterbleiben pluralischer Kongruenz: die so verknüpften Subjekte können offenbar wie Subjekte in Subjunktorkonstruktionen interpretiert werden, die jeweils separat mit einem Finitum kongruieren. Fritz hat den Test so (wohl) bestanden wie die anderen [den Test bestanden haben]. Auch die beiden semantischen Differenzparameter, P2 (Blockierung asymmetrischer Interpretationen) und P3 (Blockierung von kollektiver Prädikatverrechnung und Fusionsinterpretationen), lassen sich auf die Semantik des durch wie und als induzierten Äquativvergleichs zurückführen. Dieser bringt ja gerade zum Ausdruck, dass die verglichenen Entitäten in Bezug auf einen Vergleichsaspekt identische Eigenschaften haben. Damit ist jegliche asymmetrische Interpretation, wie sie bei undVerknüpfungen möglich ist, ausgeschlossen. Und offenbar ist die zugrunde liegende Vergleichssemantik auch noch präsent genug, um eine Zusammenfassung der „verglichenen“ Entitäten zu einem Kollektiv zu blockieren. Das leichte Akzeptabilitätsgefälle zwischen sowie und sowohl (…) als auch kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sowie auf dem Weg zur additiven Semantik bereits stärker grammatikalisiert ist, und lässt die Prognose zu, dass es bei vollständiger Reanalyse als Additivitätsmarker in Zukunft auch vollständige Sätze koordinieren kann.

3 Dieses komparative Muster (vgl. etwa auch lat. tam … quam; poln. jak … tak (i); finn. sekä … että) ist im Deutschen verhältnismäßig jung. Es verdrängt im Frühneuhochdeutschen allmählich den älteren Typ beide … und, der in den meisten anderen germanischen Sprachen erhalten geblieben ist (engl.: both … and; irisch idir …agus; norweg. både … og; isländ. bæði … og). Hier ist die und-Koordination ursprünglich Apposition zu beide (mhd: beidiu, man unde wîp), die Konstruktion wird später als korrelative Konjunktion reinterpretiert. Der in vielen Sprachen vorhandene repetitive Typ (ndld. en … en, lat. et … et, neugr. και … και (kai … kai), russ. и … и (i … i), rum: şi … şi, alban.: edhe … edhe) existierte im älteren Deutsch ebenfalls, allerdings auch schon mit den Vergleichspartikeln so und als und nicht mit dem Universalkonjunktor und. ahd. Fater unsêr […] uuerde uuillo diin, sô in himile sôsa in erdu. (Vater unser) ahd. sose benrenki sose blutrenki (Merseburger Zaubersprüche) mhd. So balde beide lief unde spranc Segramors. (Parzival, s. Blatz 1970: 738) Bei Luther finden sich beide Typen nebeneinander: Und sei Blut in ganz Ägyptenland, beide in hölzern und steinern Gefäßen. (Luther, nach Blatz 1970: 739). Denn man wird sehen, dass die Weisen auch sterben sowohl als die Toren und Narren umkommen (Luther, nach Dal 1966: 185).

442

C Semantische Konnektorenklassen

(ii)

Gemeinsame Differenzparameter von und und sowie gegenüber sowohl (…) als auch Es liegt nahe, auch für die beiden Differenzparameter, in denen und mit sowie zusammengeht und sich von sowohl (…) als auch unterscheidet, die Ursache in der Form zu suchen: in der additiven Fokuspartikel auch. ← additive Fokuspartikel auch ← additive Fokuspartikel auch

P4 (Alternativenmenge geschlossen) P5 (Kontextangebundenheit)

Mit dieser Partikel kommt eine Präsupposition mit ins Spiel. Dazu ein Beispiel: Als Reaktion auf eine Identifikationskampagne der Bundesregierung mit dem Slogan „DU bist Deutschland“ verbreiteten muslimische Organisationen in Deutschland die Replik (161)

Auch WIR sind Deutschland.

Durch auch präsupponieren die Sprecher, dass es zu der fokussierten Entität mindestens eine weitere Alternative gibt, auf die zutrifft, dass sie „Deutschland ist“. Hinzu kommt ein ebenfalls durch auch ausgelöster „Unerwartetheitseffekt“ (Altmann 1976: 113; Eroms 1998: 188): die Replik ist nur verständlich vor dem Hintergrund, dass die Sprecher sich im Adressaten-Du der Regierungskampagne als nicht mitgemeint empfanden. Sprecher äußern auch p, wenn sie unterstellen, dass der Adressat seinerseits von nicht p ausgeht. Tritt auch als Fokuspartikel isoliert auf, ist die Alternativenmenge, deren Existenz präsupponiert wird, theoretisch offen und unbegrenzt. In der Praxis kann der Adressat sie aber durch Kontextinformationen und Hintergrundwissen einschränken. In der Koordination sowohl p als auch q wird diese Alternativenmenge mit dem ersten Koordinat explizit benannt. Gleichzeitig wird sie damit auch begrenzt. Dadurch wird eine unterstellte Adressatenerwartung zurückgewiesen, dass die Prädikation nur auf eine Teilmenge der Koordinate zutrifft, d. h. zurückgewiesen wird eine Disjunktivitätsunterstellung p oder q. Diese Fokuspartikelherleitung mit der Zurückweisung einer Adressatenerwartung kann man nun für sowohl genauso aufstellen. Tatsächlich hat dieser Bestandteil in mancher Hinsicht selbst Züge einer additiven Fokuspartikel. Die Bedeutung ist die des additiven Adverbs ebenso, das wie auch eine Präsupposition auslöst. Manche Sprecher verwenden sowohl tatsächlich wie ebenso.  

(162)

Die Gesellschaft haftet nicht für die Richtigkeit oder Verwendbarkeit der Preisspiele, sowohl haftet sie auch nicht für den Verlust oder entstandenen Schaden […]. Sowohl kann die Gesellschaft die einzelnen Eigenschaften der Dienstleistung oder die ganze Dienstleistung begrenzen […]. (http://www. fangdirdenpreis.com/info_center.php?column=1&content=34)

C2 Additiv basierte Konnektoren

443

Die Stellungsvariabilität von sowohl in Bezug auf das erste Koordinat (sowohl Hans als auch Anna/Hans sowohl als auch Anna, s. 5/6) wiederum ist typisch für Fokuspartikeln. Das bedeutet, dass auch sowohl p eine Alternativenmenge zu p eröffnet, die wiederum mit dem zweiten Koordinat als auch q explizit benannt und begrenzt wird. Kontextuell gebundene Alternativenmengen mit der speziellen prosodischen Kennzeichnung steigender Akzent werden mit Büring (1997) als „kontrastive Topiks“ bezeichnet. Dieses Konzept wird verschiedentlich auch bei der Beschreibung von Adversativitätsmarkern (Umbach 2001, 2004, Sæbø 2003, 2004) und additiven Fokuspartikeln (Krifka 1999) benutzt und kann sehr gut auch für sowohl (…) als auch herangezogen werden. Unter relevanztheoretischem Gesichtspunkt sollte die formal und semantisch komplexere, für den Sprecher aufwendigere Form sowohl (…) als auch gegenüber den einfachen Formen und und sowie durch einen kommunikativen „Mehrwert“ gerechtfertigt sein. Eine „Aufspaltung“ einer zur Diskussion stehenden Bezugsmenge in zwei komplementäre Teilmengen, in kontrastive Topiks T1 und T2, macht normalerweise dann Sinn, wenn Verschiedenes über diese Teilmengen prädiziert wird wie in (163a). Bei gleicher Prädikation p wirkt eine Aufspaltung der Bezugsmenge mit einer undKoordination (163b) unangemessen (ein Verstoß gegen die Maxime der Quantität). Die Aufspaltung ist aber dann sinnvoll, wenn der Sprecher eine dem Adressaten unterstellte Annahme korrigiert, dass die Prädikation r nur auf ein Element der Komplementärmenge, also entweder auf T1 oder T2 zutrifft. Genau das geschieht mit auch. Eine alternative Formulierung für eine solche Korrektur wäre r(T1), aber auch r(T2) oder nicht nur r(T1), sondern auch r(T2). Der Unterschied zu sowohl (…) als auch besteht darin, dass bei r(T1) aber auch r(T2) und nicht nur r(T1), sondern auch r(T2) asymmetrische Strukturen vorliegen und festgelegt wird, in Bezug auf welche der zur Debatte stehenden Alternativen der Adressat Nicht-Zutreffen unterstellt, nämlich in Bezug auf T2, mit dem symmetrischen sowohl (…) als auch dagegen offen bleibt, für welche Alternative der Adressat annimmt, dass sie nicht zutrifft. (163) Was machen denn deine Eltern? (163a) Mein Vater ist meistens unterwegs und meine Mutter sitzt zu Hause. (163b) #Mein /VAter ist meistens unterwegs und meine MUTter\ ist meistens unterwegs. (163c) Sowohl mein /VAter als auch meine /MUTter sind/ist meistens unterWEGS\. korrigierte Annahme: entweder r(T1) und ¬r(T2) oder ¬r(T1) und r(T2), aber nicht r(T1) und r(T2) (163d) Mein /VAter, aber auch meine MUTter\ ist meistens unterwegs. (163e) Nicht nur mein /VAter, sondern auch meine MUTter\ ist meistens unterwegs. korrigierte Annahme: ¬r(T2) Prosodisch sind die Koordinate von sowohl (…) als auch durch steigende Akzente gekennzeichnet, während der Fokusakzent (hier auf unterWEGS) fallende Kontur hat.

444

C Semantische Konnektorenklassen

Sowohl (…) als auch hat damit in seiner semantischen Struktur zum einen Eigenschaften von Kontrastkonnektoren, zum anderen hat es Ähnlichkeit mit dem Quantor beide – es ist allquantifizierend, insofern die Koordinate eine abgeschlossene Menge bezeichnen, es setzt eine „Dualitätspräsupposition“, d. h. es unterstellt, dass die Menge der Alternativen aus zwei – nicht mehr und nicht weniger – Elementen besteht, es ist „inhärent definit“, insofern die Bezugsmenge im Diskursuniversum gegeben sein muss, und es erzwingt distributive Prädikatverrechnung. Viele der angeführten Minimalpaare von und vs. sowohl funktionieren ganz analog mit zwei vs. beide: *Es kamen nur beide Geschwister. *Ein König hatte beide Kinder. *Beide Kinder spielten vierhändig (vgl. auch die Beispiele in Reis/Vater 1980). Der Unterschied zu sowohl (…) als auch liegt darin, dass beide ein Summentopik bezeichnet und nicht ein Topik in kontrastive Topiks aufspaltet.  

2.1.3.4 Das Verhältnis korrelativer Konjunktoren zu ihren einfachen Pendants Ein Vergleich mit anderen korrelativen Konnektoren des Deutschen bietet sich hier an. entweder (…) oder: disjunktiver Konjunktor weder (…) noch: negativ-additiver koordinierender Einzelgänger Von diesen korrelativen Konnektoren unterscheidet sich sowohl (…) als auch in seinen syntaktischen Eigenschaften, insbesondere in den Stellungseigenschaften (vgl. im Detail zu korrelativen Adverbkonnektoren HDK-1: 523–528; zu korrelativen Konjunktoren 473–478; zu weder (…) noch s. C2.2.3.2, zu entweder (…) oder s. C3). Die drei korrelativen Konnektoren teilen jedoch semantisch eine Eigenschaft, die sie jeweils über ihre morphologisch einfachen Konnektoren-Pendants und, oder und und nicht bzw. noch (aus ne ouh) hinaushebt: die Koordinate denotieren Komplementärmengen und die Verknüpfung eine abgeschlossene Menge. (Man vergleiche auch die ursprüngliche Bedeutung von weder aus ahd. (h)wëdar ‚jeder von beiden‘, got. haþar ‚welcher von zweien‘, mhd. neweder ‚keines von beiden‘, d. h. hier liegt dem Aufschlusswert nach das korrelative beide-und-Muster vor.) „Mit entweder (…) oder besteht für den Sprecher die Möglichkeit, den Interpretationsspielraum einzuschränken, indem die Liste der Wahlmöglichkeiten als abgeschlossen gekennzeichnet wird. Bei Verknüpfung durch oder bleibt die Liste der Alternativen offen“ (HDK-1: 525). Ebenso vereindeutigt weder (…) noch den Interpretationsspielraum von und nicht, indem es festlegt, dass beide Konnekte im Skopus der Negation liegen.  

(164a) Das betrifft Wohnungen, die nicht mit Bad und Zentralheizung ausgestattet sind. (ambig) (164b) Das betrifft Wohnungen, die weder mit Bad noch mit Zentralheizung ausgestattet sind.

C2 Additiv basierte Konnektoren

445

Alle drei korrelativen Konnektoren sind präsuppositional, insofern sie Unterstellungen zurückweisen: mit sowohl p als auch q wird eine exklusiv-disjunktive Unterstellung p oder q, aber nicht beides zurückgewiesen, mit entweder p oder q eine additive Unterstellung p und q, mit weder p noch q eine inklusiv-disjunktive Unterstellung p oder q oder beides.

2.1.4 Additive Adverbkonnektoren Die Gebrauchsunterschiede zwischen den konjunktionalen Konnektoren einer semantischen Klasse sind häufig markanter als die zwischen Adverbkonnektoren und Differenzparameter zwischen den einzelnen Adverbkonnektoren sind weniger leicht zu bestimmen. Generell sind Adverbkonnektoren in geringerem Grad grammatikalisiert und sie bilden vergleichsweise offene Klassen. Die additiven Adverbkonnektoren haben deutlich geringere Gebrauchsfrequenzen als die additiven Konjunktoren und unterscheiden sich darin auch untereinander. In den IDS-Korpora gesprochener allgemeiner Umgangssprache (Zeitraum 1980 bis 2007) finden sich folgende Frequenzen: außerdem 386; ferner: 20; überdies: 2. Für das schriftsprachliche DeReKo wurde folgende Rangfolge ermittelt (auf hundert gerundet): außerdem (408.500), ebenfalls (405.600), zusätzlich (121.900), darüber hinaus (85.600), ferner (49.400), daneben (42.200), überdies (33.900) noch dazu (18.700), obendrein (11.500). Die meisten additiven Adverbkonnektoren können – anders als die Konjunktoren und und sowie – nur zwei Relata verknüpfen. Eine Ausnahme bilden serielle Konnektoren wie erstens (…) zweitens (…) drittens usw. Dieser Konnektor steht stellvertretend für einen Typ von „Aufzählungszeichen“, die teilweise wie Adverbkonnektoren in den Satz integriert werden können und vereinzelt auch gesprochensprachlich auftreten: a, b, …, zum ersten, zum zweiten, …, Punkt 1, Punkt 2, …, ad 1, ad 2, … u. ä. Mit diesen Konnektoren lässt sich auch eine größere Anzahl von Relata verknüpfen, sodass umfangreichere Textpassagen übersichtlich strukturiert werden können – typischerweise überschreiten die Relata dann auch den Umfang eines Einzelsatzes. Die beiden wichtigsten Gliederungssysteme, numerisch und alphanumerisch, erscheinen dabei in unterschiedlichen, mehr oder weniger lexikalisierten Formen. Als reine Gliederungszeichen müssen sie auch nicht mehr adverbial in einen Satz integriert sein.  

(165)

Marias stehende Rede jener Monate, da ich der Quelle nachforschte, war: „Laß den Jung, Oskar. Erstens geht dir das jar nischt an, zweitens frag’ ich, wenn schon jefragt werden muß, und spiel dir drittens nich auf wie sein Vater.“ (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 359) Dabei ist das alarmierende Bild vom verbrecherischen Ausländer mittlerweile als statistisches Phantom entlarvt. Die Kriminologen […] stießen auf ein ganzes Bündel von Faktoren, die Statistik verzerren – mit der Folge, daß die Ausländerkriminalität höher erscheint als sie tatsächlich ist.  

(166)

446

C Semantische Konnektorenklassen

Punkt eins: reine Ausländerdelikte. Ungefähr ein Fünftel aller Straftaten von Ausländern betrifft Verstöße gegen das Ausländerrecht. Wie der Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne gültigen Paß oder ohne Aufenthaltserlaubnis. Das sind Taten, die ein Deutscher überhaupt nicht begehen kann. In einem fairen Vergleich darf man solche Delikte nicht miteinbeziehen. Punkt zwei: häufigere Anzeige. Gerade weil Ausländer als krimineller gelten, werden sie leichter verdächtigt und von der Bevölkerung schneller angezeigt – selbst wegen bloßer Bagatellen. […] Punkt drei: Dunkelfeld der Bevölkerung. Für die von Ausländern begangenen Straftaten ist die ausländische Wohnbevölkerung verantwortlich, die Mitbürger also, die in der Bundesrepublik polizeilich gemeldet sind. […] Punkt vier: soziale Situation. Bestimmte Bevölkerungsgruppen geraten häufiger mit dem Gesetz in Konflikt als andere – ganz unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit: Großstadtbewohner, junge Männer, Personen ohne Berufsausbildung und mit niedrigem Einkommen. Genau diese Gruppen sind aber bei der ausländischen Bevölkerung viel stärker vertreten als bei der deutschen. […] Das Fazit der Untersuchungen: […] „Diese These von der Höherbelastung kann im Ergebnis nicht belegt werden.“ Mit anderen Worten: Ausländer sind nicht krimineller. Die übrigen additiven Adverbkonnektoren entstammen wie und großteils der Raumdomäne und bezeichnen ein „Hinzugefügtes“, „Daraufgesetztes“ oder „Nebenbeigestelltes“. Wenn die Konnekte in der Funktion von Argumenten in einer Argumentationskette verwendet werden, können damit auch unterschiedliche Gewichtungen zum Ausdruck gebracht werden. Dabei zeigen sich dahingehend unterschiedliche Gebrauchspräferenzen, dass einige Konnektoren immer mit einer Gewichtung verbunden sind, andere dagegen auch in neutralen Kontexten verwendet werden können. Die Konnektoren noch dazu, obendrein und überdies wirken im Kontext rein propositionaler Verknüpfungen von inhaltlich gleich gewichtigen Sachverhalten unpassend, da ein Sprecher mit ihnen signalisiert, dass er das Trägerrelat für argumentativ gewichtiger, quasi als „Tüpfelchen auf dem I“ einstuft. (167a)

(167b)

Die Daten wurden der Selbstbiographie „Die Gier des Auges“ und dem „Buch der Freunde“ entnommen. Außerdem/auch/ferner/daneben/des Weiteren/zudem/zusätzlich wurde der Band „Die Sprache der Farbe“ herangezogen. ≠Noch dazu/obendrein/überdies wurde der Band „Die Sprache der Farbe“ verwendet.

Auch in einem argumentativen Kontext, in dem die Prämissen gleichgewichtet sein sollen, wirken diese Adverbien deshalb inadäquat.

447

C2 Additiv basierte Konnektoren

(168)

Die Quersumme von 474 ist durch 3 teilbar. Außerdem/ferner/auch/des Weiteren/zusätzlich/zudem/#noch dazu/#obendrein/#überdies ist 474 eine gerade Zahl. Ergo ist sie durch 6 teilbar.

Mit den Gewichtungen können auch Wertungen verbunden sein. Von den drei gewichtenden Konnektoren bezeichnet obendrein ein ‚zu viel‘ und erscheint häufiger in negativ bewerteten Kontexten, während die anderen gleichermaßen in Unerwünschtheits- wie Erwünschtheitskontexten auftreten. Unter 100 zufallsgenerierten literarischen obendrein-Belegen fanden sich nur 9 Belege in positivem Trägerkonnekt wie in (169), in einem Zeitungskorpus liegt der Anteil mit 31% deutlich höher. (169)

Österreich ist eines der wenigen Länder auf diesem Planeten, das seine Einwohner mit einem freien Bildungssystem, das obendrein noch einen sehr hohen Standard aufweißt (sic!), verwöhnt. (Tiroler Tageszeitung, 08.03.1996, o. S.) Die Verkühlung, die ihn bei der Abfahrt in St. Anton total entkräftet hatte, steckt tief. Und beim Zielsturz hatte sich Stock obendrein eine Dehnung im Innenband des rechten Knies zugezogen. (Die Presse, 21.01.1993, o. S.)  

(170)



Der Aspekt der Bewertung ist allerdings eher ein Seiteneffekt der Gewichtung. In einem nicht wertenden Kontext wie (171a) löst die Ersetzung des gewichtungsneutralen außerdem durch ein gewichtendes obendrein beim Adressaten die Annahme aus, dass der Sprecher einen Grund für seine Gewichtung haben muss. Da in der Trägerproposition nur die Existenz von Aussiedlern konstatiert wird, ergibt sich als Gewichtungsgrund ein abwertendes Moment, durch das sich der Schreiber als Fremden gegenüber ablehnend präsentiert. (171a)

In Hohenschönhausen leben 5.373 Ausländer, das sind knapp 5 Prozent der Einwohner. Die meisten kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Vietnam. Sie wohnen überwiegend in Heimen und haben keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Außerdem gibt es rund 5.000 Aussiedler. (die tageszeitung, 31.08.2000, S. 23) ≠Obendrein gibt es rund 5000 Aussiedler.  



(171b)

Insbesondere für die gewichtenden und wertenden additiven Adverbkonnektoren ist es typisch, dass sie zusammen mit einem additiven Konjunktor auftreten. Auch Kombinationen mehrerer additiver Adverbkonnektoren finden sich. (172)

Nach Kripo-Aussagen neigt der Mann zu „spontanen Aggressivitäten“ und ist überdies vermutlich bewaffnet. (die tageszeitung, 04.09.1992, S. 17) Die Palästinenser bekämpfen sich ja selbst mit dem Mittel des Terrors und sie werden noch dazu von Staaten mißbraucht, die den Terrorismus  

(173)

448

C Semantische Konnektorenklassen

finanziell und militärisch unterstützen. (Mannheimer Morgen 09.08.1986, S. 05) Noch ärmer dran ist Fatima aus „Kismet“, die nicht nur Frau und Türkin, sondern obendrein auch noch querschnittsgelähmt ist. (die tageszeitung, 03.09.1994, S. 30)  

(174)



In vielen Belegen findet sich ein additiver Adverbkonnektor in einen Relativsatz eingebettet. Das Bezugsrelat ist in dann nicht die Proposition des gesamten voraufgehenden Satzes, sondern eine Proposition, die (über die Konstruktion einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz) inhaltlich aus dem nominalen Kopf des Relativsatzes erschlossen werden muss. (175)

Das wiederum ärgert Schüler und vor allen Dingen die Eltern, die darin eine „bequeme Lösung“ sehen – die noch dazu auf dem Rücken ihrer Kinder stattfindet. (Mannheimer Morgen, 24.07.2004, o. S.) → Die Lösung ist bequem und findet obendrein auf dem Rücken der Kinder statt. Das Fatale an der Situation ist allerdings, daß Mami es nie richtig macht. Bleibt sie zu Hause, wird sie als Drohne abgestempelt, die überdies ihr Kind zu sehr an sich bindet. (Salzburger Nachrichten, 05.10.1994, o. S.) → Mami ist eine Drohne und bindet überdies ihr Kind zu eng an sich.  

(176)



Einige gewichtungsneutrale Adverbkonnektoren werden auch temporal verwendet. (177a) (177b)

Wir werden Sie WEIterhin/WEIter/FERnerhin/auch FERner/*FERner in unserer Kundenkartei führen. Wir werden Sie ferner in unserer KUNdenkartei führen.

Die etymologisch sehr ähnlichen Konnektoren weiterhin, weiter, fernerhin und ferner sind nicht äquivalent. Die Konnektoren in (177a) bezeichnen keine additive Verknüpfung von Sachverhalten, sondern stellen lediglich Relationen zwischen Zeiträumen her, sie tragen hier den Satzakzent. (177a) hat nicht wie (177b) die Bedeutung ‚Es gilt p. Zusätzlich gilt q‘, wobei sich p auf eine hier nicht genannte Handlung des Sprechers bezüglich des Adressaten wie etwa regelmäßig beliefern oder Werbepost schicken bezieht. Vielmehr ist (177a) etwa so zu paraphrasieren: ‚Es gilt q bis zum Sprechzeitpunkt. Und es gilt q über den Sprechzeitpunkt hinaus.‘ Für die Konnektoren weiterhin, fernerhin und weiter ist eine additive Verwendung wie in (177b) nicht ausgeschlossen, aber markiert; das regional auf Österreich beschränkte weiters ist wie ferner additiv. Letzteres wiederum ist nur in der Kombination auch FERner temporal. Bei allen additiven Verwendungen dieser Temporaladverbien handelt es sich um metonymische Übertragungen auf die Ebene textuellen Aufzählens.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(178)

(179)

Als Stromversorgung werden vier kleine Stabzellen (AA) benötigt, oder man schließt ein Steckernetzteil (nicht im Lieferumfang) an die vorgesehene Buchse an. Fernerhin gibt es einen 12-Volt Adapter für Auto- und Campingbetrieb. (cc) 34 Fahrzeugführer fuhren unter Drogeneinfluss, ein Fahrzeugführer stand unter Alkohol- und Drogeneinfluss und zwei Fahrzeugführer fuhren „nur“ unter Alkoholeinfluss. 32 Urinproben wurden genommen. Weiter gab es 41 Strafanzeigen, davon 39 wegen Besitz und Erwerb von Betäubungsmittel und zwei wegen illegalem Waffenbesitz. Weiter wurden fünf Verkehrsstrafanzeigen gestellt. (Mannheimer Morgen, 14.08.2000 o. S.) Es bestehen gute Kontakte zu verschiedensten Migrantenvereinen in Oberösterreich, sowie zum österreichweiten Verband freier Radios. Weiters bestehen Kontakte zu ähnlichen Organisationen in Ungarn, Dänemark, Italien, Polen und Mongolei.  



(180)

449

C2.2 Negationsinduzierende additive Konnektoren 2.2.1 Liste der negationsinduzierenden additiven Konnektoren  451 2.2.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  451 2.2.3 Negativ-additive Konnektoren: weder (…) noch, geschweige (denn)  457 2.2.3.1 Semantische Eigenschaften  457 2.2.3.2 Weder (…) noch  458 2.2.3.2.1 Formvariation  459 2.2.3.2.2 Syntaktische Eigenschaften  461 2.2.3.2.3 Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften von weder (…) noch-Verknüpfungen  463 2.2.3.3 Geschweige (denn)  465 2.2.3.3.1 Syntaktische Eigenschaften  465 2.2.3.3.2 Semantische Eigenschaften  467 2.2.4 Korrektive Konnektoren: sondern, vielmehr  471 2.2.4.1 Semantische Eigenschaften  471 2.2.4.2 Formvariation  475 2.2.4.3 Bedeutungsvariation: nicht nur p, sondern auch q – eine additive sondern-Variante?  476 2.2.4.4 Syntaktische und prosodische Eigenschaften  478 2.2.4.5 Informationsstrukturelle Eigenschaften  481 2.2.4.6 Zum Unterschied zwischen Adversativ-und Korrektivverknüpfungen: NEG p, aber q vs. NEG p sondern q  482 2.2.4.7 Differenzparameter zwischen sondern und vielmehr  487 2.2.5 Substitutive Konnektoren: (an)statt, (an)statt dass, anstatt dessen, stattdessen, anstelle dessen  488 2.2.5.1 Semantische Eigenschaften  488 2.2.5.2 Syntaktische Eigenschaften  496 2.2.5.3 Differenzparameter gegenüber korrektiven Konnektoren: statt (dass) p, q vs. NEG p, sondern q  497 2.2.5.4 Differenzparameter zwischen substitutiven und adversativen Konnektoren: p, statt dass q vs. p, während/wohingegen q  500 2.2.5.5 Differenzparameter zwischen den substitutiven Konnektoren  501 2.2.6 Der negativ-komitative Konnektor ohne dass  503 2.2.6.1 Semantische Eigenschaften  503 2.2.6.2 Bedeutungsvariation: ist ohne dass polysem?  504 2.2.6.3 Syntaktische Eigenschaften  508 2.2.6.4 Differenzparameter gegenüber substitutiven Verknüpfungen: p, ohne dass q vs. p, statt (dass) q  509

C2.2 Negationsinduzierende additive Konnektoren 2.2.1 Liste der negationsinduzierenden additiven Konnektoren Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren anstatt dessen: VF, MF, Null anstelle dessen: VF, MF, Null stattdessen: VF, MF, Null vielmehr: VF, MF, NF, Null Subjunktoren anstatt anstatt dass ohne dass statt statt dass Konjunktoren sondern Syntaktische Einzelgänger anstatt: koordinierend geschweige (denn): koordinierend weder (…) noch: koordinierend statt: koordinierend

2.2.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Die Konnektoren dieser Klasse haben gemeinsam, dass sich die wahrheitswertrelevante Bedeutung der mit ihnen gebildeten Konstruktionen aussagenlogisch repräsentieren lässt als Kombination der logischen Konjunktion ihrer Argumente mit der Negation mindestens eines der Argumente. Für das in der aussagenlogischen Repräsentation negierte Argument bedeutet dies, dass es durch den Konnektor auf negative Faktivität, d. h. Kontrafaktizität festgelegt ist. Negative Faktivität, bei der das Gegenteil des denotierten Sachverhalts als tatsächlich bestehend behauptet wird, ist neben positiver Faktivität und neutraler Faktivität eine der drei möglichen Merkmalsausprägungen der Dimension Faktivität. Darunter verstehen wir die semantische Eigenschaft von Sätzen, dass die von ihnen denotierten Sachverhalte als in der textrelevanten Bezugswelt bestehend, als Tatsache, Fakt (faktisch) oder nicht-bestehend (kontrafaktisch) oder als bloß erwogen, möglich (a-faktisch) gekennzeichnet sind (s. genauer  

452

C Semantische Konnektorenklassen

A4.2). Dass ein Konnektor „negationsinduzierend“ ist, bedeutet also genau genommen, dass er Kontrafaktizität für mindestens eines seiner Argumente induziert. Das kann durch die Bedeutung des Konnektors selbst zustande kommen oder dadurch, dass er einen faktizitätsaufhebenden Ausdruck in seiner Umgebung fordert. Bei einigen Konnektoren muss dies ein expliziter Negationsausdruck sein (nicht, kein-, niemand, nie, un- etc.), bei anderen kann es auch hinreichen, dass durch epistemische Modalisierung eines Konnekts (konjunktivischer Verbmodus, futurisches Tempus, Modalverben in epistemischem Gebrauch, rhetorische Frage u. ä.) dieses als kontrafaktisch ausgewiesen wird oder zumindest eine kontrafaktische Lesart erlaubt, die dann im Kontext des negationsinduzierenden Konnektors auch obligatorisch realisiert wird. Letzteres spielt insbesondere bei den substitutiven Konnektoren eine Rolle (s. 3a–c). Die negationsinduzierenden additiven Konnektoren werden wie folgt unterteilt:  

Relation

Konnektorkonstruktion

wahrheitskonditionale Bedeutung

negativ-additiv

weder p noch q NEG p, geschweige (denn) q

¬p Ù ¬q

korrektiv

NEG p, sondern q NEG p, vielmehr q

¬p Ù q

substitutiv

p, (an)statt (dass) q p, (an)stattdessen q

entweder Typ 1 oder Typ 2: Typ 1: p Ù ¬q, Typ 2: ¬p Ù q

negativ-komitativ

p, ohne dass q

p Ù ¬q

Verknüpfungen mit diesen Konnektoren können annäherungsweise durch eine undVerknüpfung mit einer oder mehreren Negationspartikeln paraphrasiert werden. Die möglichen Konnektorverwendungen und ihre Paraphrasen werden im Folgenden hier aufgelistet, wobei die Sachverhaltsvariablen p und q zu explizieren sind als p = dass Otto staubgesaugt hat, q = dass Anna das Zimmer aufgeräumt hat. (1a) (1b)

(2a) (2b)

Weder hat Otto staubgesaugt, noch hat Anna das Zimmer aufgeräumt. ‚p war nicht der Fall und q war nicht der Fall‘ Otto hat nicht staubgesaugt, geschweige denn hat Anna ihr Zimmer aufgeräumt. ‚p war nicht der Fall und q war (erst recht) nicht der Fall‘ Es hat nicht Otto staubgesaugt, sondern Anna hat das Zimmer aufgeräumt. ‚p war nicht der Fall und q war der Fall‘ Otto hat nicht staubgesaugt, vielmehr hat Anna das Zimmer aufgeräumt. ‚p war nicht der Fall und q war der Fall‘

C2 Additiv basierte Konnektoren

(3a) (3b)

(3c)

(3d)

(4)

453

Otto hat staubgesaugt, statt dass Anna das Zimmer aufgeräumt hätte. ‚p war der Fall und q war nicht der Fall‘ (= Typ 1) Otto hätte besser staubgesaugt, statt dass Anna das Zimmer aufgeräumt hat. ‚p war nicht der Fall und q war der Fall.‘ (= Typ 2) Anna hat das Zimmer aufgeräumt. Stattdessen hätte aber Otto staubsaugen sollen. ‚q war der Fall und p war nicht der Fall.‘ (= Typ 1) Anna hat das Zimmer nicht aufgeräumt. Stattdessen hat Otto staubgesaugt. ‚q war nicht der Fall und p war der Fall.‘ (= Typ 2) Otto hat staubgesaugt, ohne dass Anna das Zimmer aufgeräumt hat. ‚p war der Fall und q war nicht der Fall.‘

Nicht alle negationsinduzierenden additiven Konnektoren sind auch selbst negationshaltig (so der Terminus für diese Klasse bei Pasch 1986), in jedem Fall aber sind es die mit ihnen gebildeten Konnektorkonstruktionen. Das hat zur Folge, dass Sprecher mit solchen Konnektorkonstruktionen immer auf Hintergrundannahmen der Kommunikationspartner aufbauen, die sich auf die Geltung der mit den Argumenten bezeichneten Propositionen beziehen. Die Äußerung eines negierten Urteils ist immer vor dem Hintergrund der Diskurspräsupposition zu sehen (Terminus nach Givón 1978: 70), dass in der aktuellen Diskurswelt das affirmierte Pendant dieses Urteils zur Disposition stand oder gar erwartet wurde, denn „negierte Sätze äußert man gewöhnlich nicht einfach ins Blaue hinein“ (Duden-Grammatik 2005: 923), sie können auch nicht ohne besonderen Effekt diskursinitial verwendet werden (Jacobs 1991: 566). Äußert ein Sprecher ein negiertes Urteil ohne Verankerung im Diskurskontext, dann veranlasst er automatisch den Adressaten dazu, die Basis der gemeinsamen Annahmen der Kommunikationspartner auszuweiten und zu akkomodieren; der Sprecher liefert in diesem Fall sozusagen die Präsupposition mit. Die Hintergrundannahmen lassen sich ebenfalls mit aussagenlogischen Funktoren repräsentieren. Sie sind zwar nicht Teil der wahrheitskonditionalen Bedeutung der Konnektoren – mit denen sie mindestens unverträglich, wenn nicht gar kontradiktorisch zu ihnen sind –, sind aber gleichwohl als diesen „vorgelagerte“1 Bedeutungsbestandteile anzusehen: Die negationsinduzierenden Konnektoren haben die kommunikative Funktion, diese Hintergrundannahmen zurückzuweisen und zu korrigieren. Die Bedeutungsbeschreibung ist also wie folgt zu ergänzen:

1 Pasch (1986) beschreibt die Bedeutung der „negationshaltigen“ Konnektoren als Verknüpfung der „eigentlichen Bedeutung“ und der „Erwartungsbedeutung“ unter einem zweistelligen Funktor PRIOR.

454

C Semantische Konnektorenklassen

Relation

Konnektorkonstruktion

wahrheitskonditionale Bedeutung

Hintergrundannahme

negativ-additiv

weder p noch q NEG p, geschweige (denn) q

¬p Ù ¬q

pÚq

korrektiv

NEG p, sondern q NEG p, vielmehr q

¬p Ù q

p

substitutiv

p, (an)statt (dass) q p, (an)stattdessen q

entweder Typ 1 oder Typ 2: Typ 1: p Ù ¬q, Typ 2: ¬p Ù q

Typ 1: q Typ 2: p

p, ohne (dass) q

p Ù ¬q

pÙq

negativ-komitativ

Im Vorhandensein von Hintergrundannahmen, die ganz oder zum Teil Negationen der wahrheitskonditionalen Bedeutung der Konstruktion sind, sind die negationsinduzierenden additiven Konnektoren verwandt mit adversativen (aber s. C2.3) und konzessiven (obwohl, dennoch s. C4.3) Konnektoren. Bei diesen enthält aber die Hintergrundannahme zusätzlich eine implikative Beziehung: NEG p, aber q unterscheidet sich von NEG p, sondern q darin, dass bei der aber-Verknüpfung eine Hintergrundannahme ¬q rekonstruierbar ist, die mittelbar oder unmittelbar aus p abgeleitet werden kann. Negationsinduzierende Konnektoren sind auch die negativ-konditionalen (exzeptiven) Konnektoren sonst, andernfalls, außer, es sei denn und ausgenommen. Verknüpfungen mit diesen lassen sich aber schon im wahrheitswertrelevanten Anteil nicht auf einfache additive Strukturen zurückführen, sondern enthalten immer eine Implikationsbeziehung und werden deshalb bei den konditional basierten Konnektoren behandelt (s. C4). Sie sind wie folgt zu explizieren: p sonst/andernfalls q p es sei denn/außer q

p; p;

¬p → q q → ¬p

Untereinander unterscheiden sich die Konnektoren und die durch sie gebildeten Relationen in erster Linie nach dem „Ort“ des Negationsausdrucks oder, allgemeiner gesagt, eines obligatorisch Kontrafaktizität induzierenden sprachlichen Indikators und der daran gekoppelten Hintergrundannahmen. Nach diesem ersten Differenzparameter lassen sich die negationsinduzierenden additiven Konnektoren in zwei Typen einteilen: Den einen Typ bilden Konnektoren, die in ihrer Bedeutung selbst eine Negation enthalten und Kontrafaktizität für ihr internes Argument bedingen, ohne dass in diesem ein Negationsausdruck oder ein zusätzlicher Kontrafaktizität induzierender Ausdruck vorhanden sein muss; diese nennen wir „negationsinkorporierende“ Konnektoren. Den anderen Typ bilden Konnektoren, die fordern, dass in ihrem externen Argument ein Negationsausdruck oder irgendein anderer Ausdruck vorhanden ist, der dieses Argument als kontrafaktisch ausweist; hier „negationsflankierte“ Konnektoren genannt. (Der Unterschied zwischen negationshaltig und negationsfordernd spielt auch bei Pronomina und einstelligen Adverbien eine Rolle, vgl.

C2 Additiv basierte Konnektoren

455

z. B. die. englischen „negative polarity items“ any und ever, vergleichbar dt. jemals, sonderlich, beileibe, die nur in kontrafaktischer Umgebung bzw. überhaupt nur zusammen mit einem expliziten Negationsausdruck auftreten können). Neben den reinen Typen, die entweder immer ein negativ faktisches externes oder immer ein negativ faktisches internes Argument aufweisen, gibt es Mischtypen bzw. Kombinationstypen. Ein solcher Mischtyp ist zum einen der „negationsaddierende“ Typ, der Kontrafaktizität für seine beiden Argumente induziert, im Deutschen durch den negativ-additiven Konjunktor weder (…) noch und den koordinierenden Einzelgänger geschweige (denn) vertreten. Der andere Mischtyp sind die substitutiven Konnektoren, die in ihrer Bedeutung darauf festgelegt sind, dass eines ihrer Argumente kontrafaktisch und das andere faktisch ist (sofern nicht die gesamte Konnektorkonstruktion in einen faktizitätsaufhebenden Kontext eingebettet ist), aber in Bezug auf die konkrete Zuordnung der Werte faktisch und kontrafaktisch auf die Argumente unterspezifiziert sind; welches das faktische und welches das kontrafaktische Argument ist, wird durch kontextuelle Faktoren, nämlich durch Modalitätsindikatoren in den Konnekten bei der Interpretation der Gesamtkonstruktion festgelegt. So steuert etwa in (3a) und (3b) der Verbmodus Irrealis die Zuordnung der Faktivitätswerte.  

Abb. C2-1: Einteilung der negationsinduzierenden additiven Konnektoren

Ein zweiter Differenzparameter ergibt sich dadurch, dass einige negationsinduzierende Konnektoren zusätzliche Anforderungen an die Natur ihrer Konnekte oder eine unabhängig vom Konnektor bestehende Relation zwischen diesen stellen: So unterscheidet sich das substitutive statt (dass) p, q vom korrektiven NEG p, sondern q darin, dass in einer substitutiven Verknüpfung p und q kontrollierbare und beeinflussbare Sachverhalte repräsentieren müssen, wenn die Verknüpfung nicht semantisch abweichend sein soll:

456

(5a) (5b)

C Semantische Konnektorenklassen

Zwei hoch drei ist nicht sechs, sondern acht. #Statt dass zwei hoch drei sechs ist, ist es acht.

Außerdem weist statt (dass) seinen Argumenten eine asymmetrische Präferenzstruktur zu: mit der Verwendung von statt (dass) signalisiert ein Sprecher immer, dass er eines der beiden Argumente für erwünschter hält als das andere. Auch von den beiden negativ-additiven Konnektoren ist einer semantisch und syntaktisch asymmetrisch: geschweige und seine Variante geschweige denn weisen für das zweite Konnekt die Hintergrundannahme, dass q faktisch sei, mit größerer Vehemenz zurück als die Hintergrundannahme, dass p faktisch sei: ‚p und erst recht nicht q‘ (Pasch 2000). Ein dritter Unterschied liegt im Grad der formalen Fixierung des Kontrafaktizität induzierenden Ausdrucks im externen Konnekt (Faktizitätsaufhebung im internen Konnekt ist durch den negationsinkorporierenden Konnektor selbst festgelegt). In keinem Fall muss dies notwendig die Negationspartikel nicht sein. Während aber anstelle des weder in weder (…) noch und für den Negationsausdruck bei sondern meist ein expliziter syntaktischer Negationsausdruck (nicht, keinesfalls, kein-, nichts, nie, nirgends etc.) erscheint und morphologische Negation (un-) sowie lexikalische Negation durch negativ-implikative Verben (bestreiten, leugnen, verhindern u. ä) von zweifelhafter Akzeptabilität sind (vgl. HDK-1: 469 ff.), ist bei vielmehr, (an)stattdessen und geschweige eine Vielfalt lexikalischer Ausdrucksmittel belegt, mit denen im externen Konnekt Kontrafaktizität induziert wird, einschließlich Ausdrucksmitteln, die deontische oder epistemische Modalisierung anzeigen. Dieser Unterschied hängt auch mit der syntaktischen Subklassenzugehörigkeit zusammen: sondern und weder (…) noch sind koordinierende Konnektoren, die innerhalb eines Koordinationsrahmens zwei typgleiche primäre Koordinate zueinander in eine semantische Relation bringen, wofür sie eine eng fokussierende Negation verlangen. Dagegen stellen Subjunktoren und Adverbkonnektoren jeweils eine semantische Relation zwischen den gesamten in ihren Argumenten bezeichneten Propositionen her, sodass kein eng fokussierender Negationsausdruck vorhanden sein muss. Auffällig ist, dass unter der vergleichsweise kleinen Klasse negationsinduzierender additiver Konnektoren sich mit weder (…) noch, geschweige und statt drei syntaktische Einzelgänger finden, die manche Eigenschaften mit Konjunktoren teilen, aber vor allem in der Verknüpfung vollständiger Verbzweitsätze Restriktionen zeigen. Syntaktische Einzelgänger sind auch die negativ-konditionalen Exzeptivkonnektoren außer, ausgenommen, es sei denn (C4.6); der Einzelgänger als mit konjunktivischem Verberstsatz induziert Kontrafaktizität für sein internes Argument. Damit ist gut die Hälfte der in HDK-1 als syntaktische Einzelgänger klassifizierten Konnektoren negationsinduzierend. Es scheint, dass die kompliziertere Semantik dieser Konnektoren, ihre semantische Markiertheit, auch eine Abweichung von den gängigen, nach einheitlichen (und einfachen) Phrasenregeln aufgebauten syntaktischen Mustern und eine Tendenz zu holistischen, idiomatischen Strukturen befördert. Inwieweit dabei vergleichbare,  



C2 Additiv basierte Konnektoren

457

übergreifende Sprachentwicklungsprozesse zum Tragen kommen, kann ohne einzelsprachübergreifende und die Diachronie mit einbeziehende Forschungen aber nicht beurteilt werden. Die beiden negativ-additiven Subjunktoren ohne dass und (an)statt dass haben Varianten als Einleiter von Infinitivphrasen. Die Bedeutungen von Konnektor und Infinitiveinleiter sind jeweils identisch und im Übrigen vollkommen deckungsgleich mit der Bedeutung der Präpositionen ohne und (an)statt. Um den für die Beschreibung von Konnektoren ansonsten zentralen Satzbegriff nicht allzu sehr zu strapazieren, klassifizieren wir, wie in HDK-1 (4) dargelegt, ohne, statt und um, wenn sie eine Infinitivphrase einleiten, nicht als Konnektoren. Bei einer anderen Fassung des Konnektorbegriffs, wie z. B. neuerdings in Wöllstein (2008), mag dies aber durchaus sinnvoll sein. Dass-Sätze und Infinitivphrasen variieren als Komplementsätze bei bestimmten Verbklassen systematisch ohne Bedeutungsunterschied (z. B. bedauern, begrüßen, sich freuen auf, hoffen, glauben, meinen, versprechen). Die Variation bei ohne und statt kann jedoch nicht in Analogie dazu syntaktisch kompositional beschrieben werden, da Präpositionen im Deutschen satzförmige Strukturen nicht direkt, sondern nur mit Hilfe eines Korrelats einbetten können: (i) *Er spricht von, dass er sie heiraten will/sie heiraten zu wollen. (ii) Er spricht davon, dass er sie heiraten will/sie heiraten zu wollen.  



Einbettung von dass-Sätzen durch eine Präposition kann aber zur Herausbildung zusammengesetzter Subjunktoren führen, die dann als Konnektoren fungieren; neben ohne dass und (an)statt dass auch auf dass, außer dass, bis dass. Direkte Einbettung eines Infinitivs unter eine Präposition ist im Deutschen nur in drei Fällen lexikalisiert: ohne, statt, um. Hier besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der obligatorischen oder möglichen Kontrafaktizität des internen Arguments, die ja auch bei finalem um gegeben ist, und der infiniten Form.

2.2.3 Negativ-additive Konnektoren: weder (…) noch, geschweige (denn) 2.2.3.1 Semantische Eigenschaften Weder-noch-Verknüpfungen und Verknüpfungen mit geschweige (denn) sind die negativen Pendants zu sowohl-als-auch-Verknüpfungen (s. C2.1.3.2): sie bündeln negierte Argumente bei gleichzeitiger Zurückweisung positiver Hintergrundannahmen. Mit weder p noch q und mit p, geschweige denn q weist ein Sprecher die Annahme zurück, dass p oder q oder p und q der Fall sind, also eine VEL-Verknüpfung. Von den vier möglichen Wahrheitswertverteilungen , , und wird nur letztere lizensiert und alle anderen werden zurückgewiesen: eine negativ-additive Verknüp-

458

C Semantische Konnektorenklassen

fung ist genau dann wahr, wenn keines der Argumente wahr ist. Die negativ-additive Relation ist in ihrer aussagenlogischen Repräsentation symmetrisch, jedoch repräsentiert nur weder (…) noch den reinen symmetrischen Typ. Bei geschweige kommt die oben erwähnte Gewichtungsasymmetrie hinzu, dass q mit größerer Vehemenz zurückgewiesen wird. Syntaktisch sind beide negativ-additiven Konnektoren koordinierende Einzelgänger mit weitgehend uneingeschränkten Möglichkeiten der Phrasenkoordination, aber starken Einschränkungen bei der Satzkoordination. Die semantische Symmetrie ist also hier weitgehend zu den syntaktischen Eigenschaften dieser Konnektoren isomorph. Negativ-additive Konnektoren weisen ihren Argumenten identische semantische EG ATUM bezeichnet werden. Bei der Koordination von Phrasen Rollen zu, die hier als N EGATUM sind diese Rollen wie bei allen koordinierenden Konnektoren „transparent“ für die semantischen Rollen, die den Koordinaten durch die Prädikate zugewiesen werden (s. C2.1). wahrheitskonditionale Bedeutung: Hintergrundannahme/zurückgewiesene Proposition:

¬p Ù ¬q pÚq

Abb. C2-2: Rollensemantische Struktur für negativ-additive Konnektoren weder (…) noch und geschweige denn

2.2.3.2 Weder (…) noch Anders als und-Verknüpfungen, aber genauso wie sowohl-als-auch-Verknüpfungen, sind weder-noch-Verknüpfungen gegen Interpretationsanreicherungen immun: Sie erlauben keine temporal-sequentiellen oder konsekutiven Implikaturen, mit der Folge, dass die Konnektabfolge in keinem Kontext Beschränkungen unterliegt (6a und 6b vs. 6c und 6d). Ebenso wenig können sie in nicht-parallelen, mit besonderen Interpretationen verbundenen Konstruktionen auftreten wie bei der konditionalen Interpretation von und in (7a). (6a) (6b) (6c) (6d)

Weder legte er sich ins Bett noch schlief er ein. Weder schlief er ein noch legte er sich ins Bett. Er legte sich ins Bett und schlief ein. #Er schlief ein und legte sich ins Bett.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(7a) (7b)

459

Mach deine Hausaufgaben nicht – und du wirst die Prüfungen nicht bestehen! *Mach weder deine Hausaufgaben noch wirst du die Prüfungen bestehen.

Weder-noch-Verknüpfungen sind also die negativen Pendants der reinen Listeninterpretation von und-Verknüpfungen und bilden semantisch vollständig symmetrische Strukturen. Anders als und, und genau so wie die beiden anderen korrelativen Konjunktoren, das additive sowohl (…) als auch (s. C2.1.3.2) und das disjunktive entweder (…) oder (s. C3; zu korrelativen Konnektoren vgl. auch HDK-1: 523–527), signalisieren sie dabei Abgeschlossenheit der Liste.

2.2.3.2.1 Formvariation Weder (…) noch lässt Formvariation beider Bestandteile zu. Im ersten Konnekt kann statt weder auch ein anderer syntaktischer Negationsträger erscheinen (nicht, kein-, niemand, Negationsadverbien wie nie, nirgends; s. 3 und 4), im zweiten Konnekt statt noch ein Ausdruck, der Negation plus Additivität und fakultativ wie geschweige zusätzlich Skalierung zum Ausdruck bringt (also ein Ausdruck für ‚und erst recht nicht‘ (s. 5, 6 und 7). Die Kombinationen weder (…) oder und weder (…) weder (Bin weder Fräulein, weder schön, Goethe, Faust) sind nach Paul (1981: 782) veraltet, finden sich allerdings auch heute noch gelegentlich (s. 8, 9), vor allem bei mehrgliedrigen Konnexionen. (Zu weiteren älteren Formvarianten vgl. Paul 1981: 782 und Behaghel 1928: 337 ff.) Generell ist die Variationsbreite bei mehrgliedrigen Konnexionen höher (s. 9 bis 12; weitere Belege für Varianten bei Kürschner 1983: 147 ff.).  



(8)

Unmißverständlich gab uns eine Frau […] zu verstehen, daß sie sich mit der taz nicht unterhalten, noch ihren Namen preisgeben wolle. (die tageszeitung, 15.11.1988, S. 20) Rund um die Gulaschkanone herrscht gute Stimmung, kein bißchen Resignation noch Traurigkeit. (die tageszeitung, 19.01.1991, S. 11) Nun handelt es sich bei diesem Vertreter seltsamer Thesen allerdings weder um Heinrich Himmler und schon gar nicht um Peter Sloterdijk, sondern um den Biologen Etienne Alexis […]. (die tageszeitung, 18.11.1999, S. 26) Aber er ist weder strenggläubig, geschweige denn dogmatisch. (die tageszeitung, 11.01.1997, S. 5) Die beiden Installationen zeigen, daß es den Künstlerinnen weder um Name, Zahl und Bildtitel geht, daß sie auch nicht den Glanz des Einzelobjekts suchen, sondern die verbindende Form. (die tageszeitung, 06.12.1991, S. 26) Als der kleine Rene endlich eine halbe Stunde nach seinem Bruder das Licht der Welt erblickte, war er bereits schwerstbehindert. Sauerstoffmangel führte dazu, daß Rene sein Leben lang weder sitzen, stehen, laufen, sprechen oder sehen können wird. (die tageszeitung, 08.01.1987, S. 5)  

(9)



(10)



(11)



(12)



(13)



460

(14)

C Semantische Konnektorenklassen

Er vergißt weder das 750jährige Jubiläum der Stadt Berlin, weder Mielke, weder die Guillotine. (die tageszeitung, 03.05.1991, S. 12) Bei den Welthandelsrunden, deren nächste im Jahr 2003 ansteht, sitzen nämlich weder Lehrer noch Professoren noch Kultusbeamte am Tisch, sondern Handelsvertreter. (die tageszeitung, 04.09.2002, S. 14) Den grundlegenden Konflikt in der Gesellschaft sieht er weder zwischen Kapital und Arbeit noch zwischen Mann und Frau und auch nicht im Rassismus – sondern vielmehr zwischen Familien und Kinderlosen. (die tageszeitung, 03.04.2001, S. 5) Dabei vergisst Herr Stein […] zu erwähnen, dass weder Libanon noch Syrien oder gar das „mächtige“ Ägypten, ganz zu schweigen von den Palästinensern, Massenvernichtungswaffen besitzen […], sondern Israel. (die tageszeitung, 15.02.2002, S. 13)  

(15)



(16)



(17)



Eine sehr häufig anzutreffende Form mehrgliedriger negativ-additiver Konnexion ist die durchgängige Paarung der Koordinate. Entsprechende Belege haben oft den Anschein, die syntaktische und semantische Zweistelligkeit von weder (…) noch veranlasse den Schreiber geradezu, eine Menge von typgleichen Koordinaten in Paare zu gliedern, die unter irgendeinem (formalen oder inhaltlichen) Aspekt engere Zusammengehörigkeit aufweisen. (18)

In den Häusern gab es weder Licht noch Wasser, weder Fenster noch Feuer, weder Stühle noch Betten. (die tageszeitung, 19.11.1990, S. 21) Man mache sich klar: weder die Normandie noch Burgund, weder die Champagne noch die Provence waren ihm bekannt. (die tageszeitung, 10.07.1990, S. 17) Gar bundesweit neu ist, daß weder Ärztinnen noch Therapeuten, weder Vertreter der Gesundheitssenatorin noch der Gewerkschaft irgend etwas bei der Planung oder Durchführung zu sagen haben. (die tageszeitung, 11.11.1989, S. 26) Er telefoniert weder in der U-Bahn noch im Restaurant, weder im Hörsaal noch in der Mensa. (die tageszeitung, 21.02.1996, S. 28)  

(19)



(20)



(21)



Die formale Abweichung beim Negationsausdruck im ersten Konnekt lieferte in HDK-1 die Begründung, dass in der Konnektorenliste der Bestandteil noch als der semantische Kern und „entscheidende Konnektorteil“ des Konnektors figuriert (ebd. 556), der auch mit anderen Negationsausdrücken im ersten Konnekt auftreten kann. Es wurde also (wie im Fall von sondern) ein „einfacher Konnektor“ angesetzt, der in seinem ersten Konnekt einen Negationsausdruck verlangt, als Tribut an Tradition und Benutzungskonventionen wurde der Konnektor in der Konnektorenliste aber sowohl unter noch als auch unter weder angeführt (vgl. ebd. 510 und 556). Historisch gesehen ist freilich auch das weder (gekürzt aus entweder) ein negationsinkorporierender Konnektorbestandteil

C2 Additiv basierte Konnektoren

461

und nach Aufweis der Variation des Negationsausdrucks im zweiten Konnekt wäre die in HDK-1 vertretene Position strenggenommen dahingehend zu revidieren, dass es einen korrelativen Konnektor NEG (…) NEG gibt, dessen erster Teil bevorzugt durch weder und dessen zweiter Teil bevorzugt durch noch ausgedrückt wird, wobei der Konnektor mindestens einen dieser Ausdrücke enthalten muss (um nicht-lexikalisierte Strukturen der Form nicht p, (und auch) nicht q als Konnektoren auszuschließen). Alternativ müsste man wie Kürschner (1983: 147 f.) weder und noch als eigenständige „Negativa“ mit der Forderung nach einem zweiten Negativum im anderen Konnekt beschreiben.  

2.2.3.2.2 Syntaktische Eigenschaften Der Konnektor weder (…) noch wird traditionell den koordinierenden Konjunktionen zugerechnet, – wie auch die beiden anderen korrelativen Konnektoren, die Pendants unter den einfachen Konjunktoren haben, entweder (…) oder und sowohl (…) als auch. Dagegen spricht, dass sowohl der erste als auch der zweite Bestandteil von weder (…) noch in der für Konjunktoren nicht möglichen Vorfeldposition auftreten können (22a), sowie dass der erste Bestandteil ins Mittelfeld integrierbar ist (22b). Die konjunktortypische Nullstellung ist für noch ausgeschlossen (23a/c), für weder nur unter der Bedingung erlaubt, dass die Konnekte bei identischem Hintergrund zwei kontrastierende Foki aufweisen: das zweite Konnekt kann dann elliptisch sein oder das Hintergrundmaterial des ersten wiederholen wie in (23b). (22a) (22b)

Weder sagt Hinz die Wahrheit noch lügt Kunz. Es hat weder Hinz die Wahrheit gesagt, noch hat Kunz gelogen.

(23a) (23b) (23c)

*Es sagt weder Hinz die Wahrheit, noch Kunz lügt. Weder Hinz sagt die Wahrheit noch Kunz (sagt sie/die Wahrheit). *Weder Hinz sagt die Wahrheit noch Kunz lügt.

Weder (…) noch wurde deshalb in HDK-1 als Adverbkonnektor-Einzelgänger angeführt. Konnexionen mit weder (…) noch zeigen jedoch eher Eigenschaften von Koordinationskonstruktionen als von parataktischen, über Adverbkonnektoren verknüpften Strukturen. Erstens bilden sie eine integrierte statt zweier separater Intonationsphrasen. Zweitens lassen sie Koordinationsellipsen zu und erlauben Strukturen, die kontinuierlichen und diskontinuierlichen koordinativen Verknüpfungen (vgl. HDK-1: 281 ff.) gleichen.  

(24a) (24b)

Weder Hinz noch Kunz hat/haben die Wahrheit gesagt. Weder Hinz hat die Wahrheit gesagt noch Kunz.

Drittens erlauben durch weder (…) noch verknüpfte Subjekte wie in (24a) pluralisches Finitum (zu den Bedingungen der Subjekt-Verb-Kongruenz bei weder (…) noch und

462

C Semantische Konnektorenklassen

entweder (…) oder vgl. Findreng 1971). Viertens kann die gesamte Konstruktion anders als eine parataktisch verknüpfte Satzfolge im Skopus höherer Operatoren stehen. (25a) (25b)

Wahrscheinlich haben weder Hinz noch Kunz die Wahrheit gesagt. Wahrscheinlich hat Hinz nicht die Wahrheit gesagt; außerdem hat Kunz nicht die Wahrheit gesagt.

Und fünftens bildet weder (…) noch neben Strukturen, in denen es zwei vollständige Sätze verknüpft, auch solche, in denen es innerhalb eines Satzrahmens Einheiten gleichen Typs unterhalb der Satzebene verknüpft, – eben Koordinationsstrukturen mit Koordinationsrahmen und primären Koordinaten (vgl. HDK-1: 267–281). Dabei können, wie beim Universalkoordinator und, diese Einheiten von beliebigem Typ sein: Morpheme (weder An- noch Verkauf), Wörter (weder hinter noch unter dem Tisch), Nominal- und Präpositionalphrasen (weder in Asien noch in Afrika), der Verbalkomplex (26) und vollständige Sätze (27). (26)

[…] und der schließlich an eine Stelle gerät, die er weder gekannt hat noch erreichen wollte . (die tageszeitung, 15.03.2002, S. 12–13) Weder sind die Pflegeeltern nur die uneinsichtigen Egoisten, die starr an ihrem Besitz festhalten , noch ist die Mutter alleine ein unschuldiges Opfer fremder Bösewichte . (die tageszeitung, 09.01.1992, S. 11)  



(27)







Die fünf Kriterien gelten im Übrigen grosso modo auch für die anderen beiden korrelativen Konnektoren des Deutschen, die in HDK-1 als Konjunktoren klassifiziert wurden. Auch bei diesen kann der erste Bestandteil ins Mittelfeld des ersten Konnekts integriert sein, im Übrigen haben sie aber heterogene Stellungseigenschaften. Die Akzeptabilitätswerte für entweder (…) oder und sowohl (…) als auch in (22) und (23) sind jeweils distinkt: mit entweder (…) oder sind (22a) und (22b) ungrammatisch, (23a), (23b) und (23c) grammatisch; mit sowohl (…) als auch ist nur (23b) grammatisch. Sowohl (…) als auch hat die zusätzliche Restriktion, dass es keine vollständigen Verbzweitsätze verknüpfen und sein erster Bestandteil nicht im Vorfeld stehen kann, Strukturen wie (27) sind damit ausgeschlossen (s. C2.1.3.2). Fazit: Bei den durch die korrelativen Konnektoren hergestellten Konnexionen handelt es sich um koordinative Konstruktionen. Da aber wiederum Adverbkonnektoren nicht selbst koordinative Verknüpfungen erzeugen, muss die syntaktische Klassenzugehörigkeit in einem Punkt modifiziert werden: weder (…) noch ist ein koordinierender Einzelgänger mit den oben beschriebenen Stellungsrestriktionen. (Alternativ müsste bei einer Klassifikation von weder (…) noch als Konjunktor das topologische Konjunktormerkmal M7 „steht zwischen seinen Konnekten“ aufgeweicht werden.) Für die englischen korrelativen Pendants either (or), neither (nor) und both (and) hat Hendriks (2001, 2004) eine (traditionelle) Analyse als komplexe koordinierende Konjunktionen zugunsten einer Analyse dieser Einheiten als Fokuspartikeln vom

C2 Additiv basierte Konnektoren

463

restriktiven (either, neither) resp. additiven (both) Typ, die in fester Korrelation mit einer koordinierenden Konjunktion auftreten, zurückgewiesen. Hendriks Analyse wurde von Johannessen (2003, 2005) auf weitere germanische Sprachen, darunter auch Deutsch, übertragen. Das deutsche weder weist nun in der Tat gewisse Fokuspartikeleigenschaften auf. So muss es z. B. unmittelbar vor seinem ersten Koordinat stehen; eine Ausnahme bildet hier nur das Finitum eines Verbzweitsatzes (30a).  

(28a) (28b) (28c) (29a) (29b) (30a) (30b)

Sabine hat das Bonbon weder {/ANgenommen}, noch {in den MUND\ gesteckt}. * Sabine hat weder das Bonbon {/ANgenommen}, noch {in den MUND\ gesteckt}. Weder {hat Sabine das Bonbon /ANgenommen}, noch {(hat sie es) in den MUND\ gesteckt.} *{/SaBIne} hat weder das Bonbon genommen, noch {GERda\}. *{Anna hat weder den /BOden gewischt}, noch {hat Otto STAUBgesaugt\}. Weder hat /SaBIne den Boden geputzt, noch HANS\. Weder /SaBIne hat den Boden geputzt, noch HANS\.

Eine Fokuspartikelanalyse von weder würde eine Analogie zur Beschreibung der Negationspartikel nicht als Sonderfall einer Fokuspartikel (mit positioneller Fixierung auf den linken Rand des Fokus) konstituieren (vgl. GDS: 57, Duden-Grammatik 2005: 923), insbesondere zur kontrastierenden, fokussierenden Negation, die auch den korrelativen nicht (…) sondern-Konstruktionen zugrunde liegt (s. C2.2.4). Die Nichtwohlgeformtheit von (29a) und (29b) erklärt sich dann damit, dass Material, das links von weder erscheint, nicht in dessen Fokusbereich gehören kann. Dass das Finitum hierzu eine Ausnahme bildet, hängt vermutlich mit der dem Deutschen typologisch zugrundeliegenden Verbletztstruktur zusammen, die zur Folge hat, dass das Finitum in Deklarativsätzen als erst im Nachhinein nach links in die Zweitposition gerückt zu interpretieren ist.

2.2.3.2.3 Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften von weder (…) noch-Verknüpfungen Die durch weder (…) noch verknüpften Koordinate sind akzentuell hervorgehoben. Dabei muss der erste Akzent, da er Unabgeschlossenheit signalisiert, steigend sein, der zweite ist dann fallend, wenn er der letzte Fokusakzent ist. Die Kontur aus steigendem und fallendem Akzent bildet allerdings nicht die für kontrastive Topiks (s. dazu A4.3.1.2) typische Hutkontur, bei der die Akzentsilbe mit dem steigenden Akzent zumindest in der perzeptiven Wahrnehmung, in aller Regel aber auch phonetisch prominenter ist als der dazugehörige fallende Fokusakzent (vgl. Mehlhorn 2001, Steube 2001): Die Hutkonturen von (31a) und (31b) unterscheiden sich durch einen steileren Anstieg auf der Akzentsilbe von Johanna bei (31a).

464

(31a) (31b)

C Semantische Konnektorenklassen

Wie geht’s Johanna? /JoHANna geht es GUT\, [aber ihr /MANN ist KRANK\]. Sind die Meiers krank? (Nein,) weder /JoHANna noch ihr MANN\ sind krank.

Weder-noch-Konstruktionen haben dagegen ihren höchsten Gipfel auf dem Fokusexponenten des zweiten Koordinats, in (31b) also auf Mann. Auch die informationsstrukturelle Gliederung von Korrekturkonstruktionen ist anders als die von Strukturen mit Kontrasttopiks mit dazugehörigen Foki. In weder-noch-Konstruktionen haben die Koordinate identischen informationsstrukturellen Status – beide tragen Fokusakzente (das kann durchaus auch vorerwähnte, aber im Zusammenhang als neu präsentierte Information sein wie in 31b). Die Tatsache, dass bei korrelativen Koordinationen die informationsstrukturell gleichgearteten Koordinate durch unterschiedliche Akzenttypen – einmal steigend, einmal fallend – hervorgehoben werden können, ist im Übrigen ein Indiz gegen eine direkte Koppelung von Akzenttyp und Bedeutung in informationsstruktureller Hinsicht. Durch weder (…) noch verknüpfte Koordinate können – anders als die affirmativen additiven Pendants – offensichtlich nicht zum Hintergrundbereich gehören, bilden also immer gespaltene Foki. (32a) (32b)

Wie geht’s den Meiers? Johanna und ihr Mann sind KRANK. Wie geht’s den Meiers? *Weder Johanna noch ihr Mann sind KRANK.

Eine Aussagenverknüpfung, bei der beide Argumente negiert werden, erscheint in typischen Kontextumgebungen. Wie bei allen negationsinduzierenden Konnektoren wird häufig an einen Vortext angeknüpft, in dem die affirmativen Pendants der negierten Argumente expliziert oder aus dem sie inferierbar sind, jedenfalls zum common ground der Gesprächspartner gehören. Dieses Hintergrundmaterial wird dann durch die Negationsträger in der weder-noch-Verknüpfung neu fokussiert. (33)

Vielleicht steht das Theater ja doch zu sehr am Rand. In den 70er Jahren war es ungeheuer politisch, und aus der politischen Radikalität wurde dann eine ästhetische . Jetzt ist es weder politisch noch ästhetisch radikal, sondern […] von einer geradezu ätzenden Bravheit. (die tageszeitung, 29.05.1993, S. 17) Wenn durch die Erosion der großen Parteien eine kleine Koalition nicht mehr die Mehrheit bilden kann, weder CDU plus FDP noch SPD plus Grüne, dann müßten die Lager in Bewegung kommen. (die tageszeitung, 21.09.1994, S. 18) Das BNI ist nicht für Intensivmedizin ausgestattet und verfügt weder über Beatmungs- noch über Dialysegeräte. (die tageszeitung, 29.11.1994, S. 17)  



(34)



(35)



C2 Additiv basierte Konnektoren

465

2.2.3.3 Geschweige (denn) 2.2.3.3.1 Syntaktische Eigenschaften Geschweige tritt heute vor allem in der Form als zusammengesetzter Konnektor geschweige denn auf (das Verhältnis von einfachem geschweige zu geschweige denn im DeReKo beträgt etwa 1:20); die Formen können als Varianten gelten, mit denen weder syntaktische noch semantische Unterschiede einhergehen. Geschweige ist ein koordinierender Einzelgänger (vgl. HDK-1: 606–614), der zwar weitgehend uneingeschränkt auf die gleiche Weise wie die Konjunktoren und und oder Wörter und Phrasen, aber anders als diese nur unter besonderen Einschränkungen Sätze verknüpfen kann. Bei Phrasenkoordination werden Phrasen in gleicher syntaktischer Funktion verknüpft: z. B. NPen in Komplementfunktion (36), PPen in Komplementoder Supplementfunktion (37), Attribute (38, 39), die Verbgruppe (40) oder infinite Teile des Verbalkomplexes (41). Hierin zeigt geschweige Konjunktoreigenschaften.  

(36)

Damals gab es kein Wasser, keinen Strom , geschweige denn eine Straße . (die tageszeitung, 03.04.1990, S. 13) […] da Anwälte oder Familienmitglieder meistens von einer Festnahme nicht erführen, geschweige denn vom Ort der Inhaftierung . (die tageszeitung, 28.01.1989, S. 3) Eine umfassende Information des Rats der Stadt Potsdam , geschweige denn der Öffentlichkeit , wird verweigert. (die tageszeitung, 16.12.1989, S. 29, 30; 129-Millionen-Luxushotel in Potsdamer Altstadt?) Die Television war noch nie ein wirklich politisches , geschweige denn investigatives Medium. (die tageszeitung, 26.01.2002, S. 11) Jetzt kann sie ihre Hand kaum noch bewegen , geschweige denn „eine Zigarette drehen“ . (die tageszeitung, 02.04.1997, S. 22) Und mit Übervater Stolpe wird eben nicht diskutiert , geschweige denn gestritten . (die tageszeitung, 23.08.1993, S. 4)  





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(38)







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(40)







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Ist das zweite Koordinat von geschweige (sein internes Konnekt) eine eingebettete infinite oder finite Struktur, kann der Fall eintreten, dass das erste Koordinat scheinbar keine negationshaltige Struktur ist wie in den folgenden drei Beispielen. Eine Negation findet sich dann aber im Matrixsatz, der als Koordinationsrahmen für die Koordinate fungiert: koordiniert werden dann genau genommen zwei Matrixsätze mit je einer eingebetteten Struktur, wobei der zweite Matrixsatz bis auf den Konnektor geschweige denn elidiert ist. (42)

Und, nein, sie gehen auch nicht zusammen, um sich über Schminktipps auszutauschen , geschweige denn, weil sie denken, sie bekämen das allein nicht hin . (Berliner Zeitung, 10.01.2005, S. 27)  





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(42a)

(43)

C Semantische Konnektorenklassen

= ‚Sie gehen nicht zusammen, um sich über Schminktipps austauschen, geschweige denn gehen sie zusammen, weil sie denken, sie bekämen das allein nicht hin.‘ Mit anderen Worten, heute weiss niemand, was passieren wird, wenn gentechnisch veränderte Pflanzen im grossen Stil freigesetzt werden , geschweige denn, wenn unsere tägliche Nahrung aus gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren besteht . (Züricher Tagesanzeiger, 26.05.1998, S. 28) Doch kaum jemand weiß, was damit gemeint ist , geschweige denn, wie es geht . (Berliner Zeitung, 17.07.2000, S. 16)  





(44)







Bei der Verknüpfung vollständiger Verbzweitsätze besetzt geschweige jedoch wie ein Adverbkonnektor das Vorfeld. Alternativ kann es einen mit dass eingeleiteten Verbletztsatz anschließen, in dem fakultativ ein hypothetischer Konjunktiv auftreten kann. Konjunktortypische Stellung zwischen den Konnekten ist jedoch ausgeschlossen. In der adverbtypischen Stellung gleicht geschweige dem noch in weder (…) noch. (45a)

Das heißt, die Stute ist noch nie geritten worden, geschweige denn hat sie einen Sattel auf dem Rücken oder Zaumzeug im Gebiss gespürt. (Berliner Zeitung, 07.06.2004, S. 2) […], geschweige denn, dass sie einen Sattel auf dem Rücken gespürt hat/ hätte. *Die Stute ist noch nie geritten worden, geschweige denn sie hat einen Sattel auf dem Rücken gespürt. Die ständige personelle Verstärkung der Polizei hat keine Entlastung gebracht, geschweige denn hat sie Spannungen abgebaut. (Die Zeit, 15.08.86, S. 37) […] geschweige denn, dass sie Spannungen abgebaut hat/hätte. *Die ständige personelle Verstärkung der Polizei hat keine Entlastung gebracht, geschweige denn sie hat Spannungen abgebaut. Stauffenberg hat im entscheidenden Moment nicht einmal die Nerven gehabt, die nötige Sprengstoffmenge zu zünden, damit in der Rasteburger Wolfsschanze der eichene Kartentisch mit in die Luft flog, geschweige, daß einer das Schwein in die Fresse geschossen hätte. (Frankfurter Rundschau, 14.06.1997, S. 3)  

(45b) (45c) (46a)



(46b) (46c) (47)



Das externe Konnekt mit dem flankierenden Negationsausdruck geht in der Regel dem Konnektor und dem internen Konnekt vorauf; diese können aber auch in das externe Konnekt eingeschoben werden; der Negationsausdruck kann dann auch nach dem Konnektor erscheinen. (48)

Seinen eigenen Namen , geschweige denn seine Nationalität , wollte der Gesprächspartner der taz nicht anvertrauen. (die tageszeitung, 29.06.1989, S. 1, 2)  



C2 Additiv basierte Konnektoren

(49)

467

Eine politisch-historische , geschweige denn eine emotionale Aufarbeitung hat nie stattgefunden. (Die Presse, 02.05.1998, o. S.)  



Wie weder (…) noch tritt auch geschweige bei mehrgliedrigen Konnexionen in den unterschiedlichsten Kombinationen von Negationsausdrücken auf. (50)

Ich bin es leid, in einer Sprache zu singen, in der ich weder spreche noch schreibe , geschweige denn träume . (Vorarlberger Nachrichten, 07.11.1997, S. D10) Damit kämen sie noch nicht mal in Hamburg-Rissen so richtig durch, geschweige denn in der Hamburger U-Bahn und schon gar nicht auf der ganzen Welt , nicht zu reden von Tokio oder Mexiko-Stadt oder Bad Salzdetfurth . (die tageszeitung, 18.10.2002, S. 20)  

(51)









2.2.3.3.2 Semantische Eigenschaften Geschweige muss im heutigen Standarddeutschen mit kontrafaktischem externem Konnekt auftreten: Es ist selbst negationsinkorporierend (‚und erst recht nicht‘, ‚und umso weniger‘) und kann nicht die affirmative Bedeutung von ‚und erst recht‘, ‚und umso mehr‘ annehmen. (52)

??Hier kannst du schon für Oben-Ohne-Baden verhaftet werden, geschweige denn für Nacktbaden.

Belege mit affirmativem externem Konnekt sind vereinzelt zu finden, werden aber von befragten Sprechern eher abgelehnt. (53)

??Mir wird nur schon übel, wenn ich diese Statistik sehe, geschweige wenn ich noch deren Text dazu lese. (Züricher Tagesanzeiger, 07.12.1998, S. 24) ??[…] wir haben heute schon Mittel der Kommunikation, geschweige denn morgen und übermorgen, Mittel der Kommunikation, die uns die Welt ins Haus liefern […]. (Frisch, Homo Faber, S. 126; Bsp. aus Pasch 2000) ??Dieses eine Mal im Jahr reißen sich die Spieler von der Insel so richtig zusammen, wohl wissend, daß es ihre einzige Chance ist, von ihren Landsleuten überhaupt wahrgenommen, geschweige denn gefeiert zu werden. (die tageszeitung, 25.06.1992, S. 13) ??Es war jedenfalls das erste Mal in der britischen Rechtsgeschichte, daß ein Urteil der höchsten Instanz angezweifelt, geschweige denn aufgehoben wurde. (die tageszeitung, 18.01.1999, S. 11)  

(54)



(55)



(56)



468

C Semantische Konnektorenklassen

Exkurs: Zu Varianten der geschweige-Konstruktion Auch das englische let alone ist ohne Negationsausdruck nicht unproblematisch und scheint auf markierte Kontexte beschränkt; vgl. Fillmore/Kay/O’Connor 1988: 519 ff. Dt. geschweige scheint in dieser Hinsicht restriktiver; die bei Fillmore/Kay/O’Connor angeführten Beispiele sind im Deutschen mit einer geschweige-Konstruktion nicht möglich. Sie lassen sich aber in eine Konstruktion mit ganz zu schweigen übersetzen. Belege wie (53) bis (56) könnten also das Ergebnis einer Kontamination von geschweige-Konstruktionen mit ganz zu schweigen von-Konstruktionen sein. Ganz zu schweigen von kann negationsflankiert sein, und ist dann mit geschweige äquivalent (i), es muss aber nicht negationsflankiert sein – und in diesem Fall ist es nicht durch geschweige ersetzbar (ii). Es teilt mit geschweige das Merkmal Skalierung, ist aber selbst nicht negationsinkorporierend und auch kein Konnektor: das Komplement der Präposition von bezeichnet einen Term, der ein typgleiches Pendant in der voraufgehenden Proposition hat, und auf den das Prädikat in stärkerem Grad (‚erst recht‘, ‚umso mehr‘) zutrifft als auf dieses Pendant. Enthält das Prädikat eine Negation, dann hat diese auch Skopus über das Komplement der Präposition. Ebendies ist beim negativ-additiven geschweige nicht der Fall, wo jedes Konnekt separat negiert bzw. als kontrafaktisch markiert ist.  

(i)

Sei’n Sie doch mal ehrlich, Service gibt’s bei uns nicht mehr, von Höflichkeit oder Nettigkeit ganz zu schweigen. (die tageszeitung, 01.02.1989, S. 19) ≈ Service gibt es nicht mehr, und erst recht gibt es nicht mehr Höflichkeit oder Nettigkeit ≈ Service gibt’s bei uns nicht mehr, geschweige denn Höflichkeit oder Nettigkeit. Da ist selbst die PDS weiter, ganz zu schweigen von Gorbatschow, der ja auch schon dem „Marktsozialismus“ das Wort redet. (die tageszeitung, 30.07.1990, S. 3) ≈ Da ist selbst die PDS weiter und erst recht ist Gorbatschow weiter. *Da ist selbst die PDS weiter, geschweige denn Gorbatschow.  

(ii)



Schließlich finden sich, insbesondere in der informellen Sprache von Webforen, auch Belege für kontaminierte lexikalische Formen des Konnektors: geschweige von und ganz geschweige von. In (iii) müsste das letzte Glied kongruent als für-PP (für weitere Kontrollen), in (iv) als akkusativische NP (Spiegeleier) realisiert werden. In (v) und (vi) liegen überhaupt keine koordinativen Verknüpfungen vor und das externe Konnekt ist affirmativ. (iii)

Nicht aus „Menschlichkeit“, sondern weil der technische Vorteil bei Rußland wäre, kam das Angebot von ihm, das seinerseits jeden Vorschlag Eisenhowers für kontrollierte Abrüstung, auch nur für gegenseitige Luftinspektion, geschweige von weiteren Kontrollen, ablehnte. (MK1/WJA, Jaspers, Atombombe, S. 225) Ich versteh net, wie man zum Frühstück Wurst essen kann, ganz geschweige von Spiegeleiern. (http://www.hdo.ipx95030.ipxserver.de/wbb2/thread.php?postid=107989) Aber eine Siebzigstundenwoche sei eine Selbstverständlichkeit, die Familie gerate ins Hintertreffen, geschweige von der Angst, ob es gut geht. (Tiroler Tageszeitung, 19.01.1998, o. S.) Mir reicht es schon, wenn ich einen Arzt besuchen muss, der sich nicht auskennt, geschweige von seiner totalen Inkompetenz im Umgang mit Patienten! (http://scleroliga.de/forum/ mix_entry.php?id=1576)  

(iv) (v)



(vi)

Kontrafaktizität im externen Konnekt kann, wie bei stattdessen, durch unterschiedlichste Mittel garantiert werden; es muss sich, anders als bei weder (…) noch dabei nicht um explizite Negationsausdrücke handeln, die bei geschweige von unterschiedlichstem Typ sein können (nichts, nie, niemand, kein-, weder, ohne, un- etc.).

469

C2 Additiv basierte Konnektoren

(57)

Keiner, weder Martin Rubin – vor vier Tagen in Aarau immerhin sechsfacher Torschütze und gefeierter Matchwinner – geschweige denn Urs Schärer, dem lange Zeit nichts gelang, war imstande, das isländische Abwehrbollwerk zu überwinden. (St. Galler Tagblatt, 26.10.1998, o. S.) Immer häufiger ergehen Betretungsverbote, ohne daß gegen die Betreffenden auch nur ermittelt würde, geschweige denn, daß es zu einer rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist. (die tageszeitung, 29.11.1996, S. 24) Seit der Ankunft regnet es indes meist, an ein Training auf Rasen, geschweige denn ein Trainingsspiel zu denken, ist schlichtweg unmöglich. (St. Galler Tagblatt, 05.02.1998, o. S.)  

(58)



(59)



Problemlos möglich ist auch lexikalische Negation durch ein negativ-implikatives Prädikat (60). Dabei kann dieses auch in einem Rahmensatz enthalten sein, der Skopus über die gesamte Konnektorkonstruktion hat. Auch Einbettung in eine rhetorische Frage ist möglich (62, 63). Entscheidend ist immer, dass für das externe Argument des Konnektors Kontrafaktizität abgeleitet werden kann (s. 61). (60)

Eine umfassende Information des Rats der Stadt Potsdam, geschweige denn der Öffentlichkeit, wird verweigert. (die tageszeitung, 16.12.1989, S. 29, 30) Gegenüber dem inhaltlichen Anliegen der einzelnen Lieder blieb sie zu reserviert, um deren Botschaft, geschweige denn das Bekenntnishafte dieser sonst so berührenden Rückert-Vertonungen deutlich zu machen. (Die Presse, 23.11.1999, o. S.) Kann ein derart ernsthaft wirkender Mensch wie Sting eigentlich Spaß an Konzerten haben, geschweige denn, welchen verbreiten? (Tiroler Tageszeitung, 07.05.1996, o. S.) Doch wer weiß schon, daß es sich dabei um kleine Toastbrote mit Tomaten, Kastaniensuppe und Zitronenreis handelt, geschweige denn, wie man solche Köstlichkeiten zubereitet? (Berliner Morgenpost, 20.06.1999, S. 14)  

(61)



(62)



(63)



Allerdings genügt hierbei auch schon eine Annäherung an die Kontrafaktizität: anstelle von faktizitätsaufhebenden Ausdrücken können im externen Konnekt auch faktizitätseinschränkende Ausdrücke wie kaum, selten, wenig, schwierig o. ä. auftreten.  

(64)

Für Tisch und Schemel ist da kaum noch Platz, geschweige denn für die Gefangenen. (die tageszeitung, 26.06.1990, S. 15–16) Diese Pseudosolidarität hat wenig mit ernstgemeinter Unterstützung, geschweige denn mit handfesten Reformplänen zu tun […]. (die tageszeitung, 03.12.1997, S. 6) Der Imageschaden des Spitals Wil ist schwer einzuschätzen, geschweige denn in Franken zu beziffern. (St. Galler Tagblatt, 08.03.2000, o. S.)  

(65)



(66)



470

(67)

C Semantische Konnektorenklassen

Dem CDU-Mann blieb anscheinend verborgen, daß in Zeiten wirtschaftlicher Krisen Privatunternehmer eher in Krisenzeiten ihr Personal stempeln schicken als neues einzustellen. Geschweige denn bauen sie ihre Fabriken aus oder verfallen in Gründungs- oder Umzugsfieber. (die tageszeitung, 22.11.1993, S. 21) Der Bundeskanzler pflegt selten deutliche Worte in den Mund zu nehmen, geschweige denn ein Schimpfwort […]. (Salzburger Nachrichten, 19.10.1991, o. S.)  

(68)



Von weder (…) noch unterscheidet sich geschweige dadurch, dass die beiden negierten Propositionen obligatorisch auf einer Skala der Realisierungswahrscheinlichkeit angeordnet werden, auf der sie distinkte Werte einnehmen. Dabei repräsentiert die durch das interne Argument bezeichnete Proposition die weniger wahrscheinliche (‚und erst recht nicht‘). Der Grund für die geringere Wahrscheinlichkeit kann aus dem Kontext hervorgehen, kann aber dem Adressaten auch verborgen bleiben; selbst wenn er ihn nicht erschließen kann, wird ihm vom Sprecher als Präsupposition mitgeliefert, dass q auf einer Skala „gewichtiger“ und weniger wahrscheinlich ist als p. Dass dies durch den Konnektor selbst und nicht etwa durch den Kontext evoziert wird, zeigt ein Test mit Kunstwörtern: (69) (70)

Die Maschine hat nicht geplinzt, geschweige denn gekrumpft. So etwas ist nicht mal in Eurowanien möglich, geschweige denn in Eurothynien.

Aus (69) kann der Adressat die Präsupposition ableiten, dass aus der Sicht des Sprechers für die Maschine der Akt des Krumpfens unwahrscheinlicher ist als der Akt des Plinzens – in welcher Hinsicht auch immer –, aus (70), dass Eurothynien ein noch unwahrscheinlicher Ort für das Eintreten des nicht näher bezeichneten Ereignisses ist als Eurowanien. Zwischen p und q besteht eine Dependenzbeziehung: normalerweise gilt: wenn q der Fall ist, ist auch p der Fall; wenn p nicht der Fall ist, kann q ‚erst recht nicht‘ der Fall sein. In (71) ist die Dimension, in Bezug auf die p und q stärkere und schwächere Alternativen repräsentieren, sprachlich expliziert; p und q sind auf einer Temperaturskala angeordnet. In (72) lässt sie sich aus dem allgemeinen Wissenshintergrund ableiten und in (73) sind ohne weiteren Kontext mehrere Dimensionen denkbar, etwa dass Austern teurer sind als Miesmuscheln oder dass Austern ekelerregender sind als Miesmuscheln, oder dass sie schwerer zu essen sind usw. (71) (72) (73)

Es ist noch nicht warm genug, um in kurzen Ärmeln draußen zu sitzen, geschweige denn, um Baden zu gehen. Hans kennt nicht einmal seine Mutter, geschweige denn seinen Vater. Hans mag keine Miesmuscheln, geschweige denn Austern.

C2 Additiv basierte Konnektoren

471

Das interne Konnekt repräsentiert also die stärkere Variante, und wird somit in der geschweige-Konstruktion vom Sprecher mit größerer Vehemenz zurückgewiesen. Daraus kann auch auf eine asymmetrische, skalare Hintergrundannahme rückgeschlossen werden: dass p der Fall ist, wird vom Sprecher mit höherer Wahrscheinlichkeit oder größerer Erwünschtheit unterstellt als dass q der Fall ist.

2.2.4 Korrektive Konnektoren: sondern, vielmehr 2.2.4.1 Semantische Eigenschaften Bei einer koordinativen Korrektivrelation wird innerhalb eines Koordinationsrahmens durch einen Negationsträger im ersten Konnekt Material fokussiert und inhaltlich zurückgewiesen – das C ORRECTUM , das im zweiten Konnekt bei Beibehaltung des RahORRIG ENS , ersetzt wird. Der Rahmen „bildet die mens durch eine Alternative, das C ORRIGENS konstante Schablone für die Einsetzung von Alternativen zum Negationsfokus“ (Jacobs ORRECT UM für das erste und C ORRIGENS für das 1991: 577). Die Rollenbezeichnungen C ORRECTUM zweite Relat einer sondern-Verknüpfung beziehen sich streng genommen eigentlich nur auf die fokussierten Teile, die zueinander in der Korrekturrelation stehen und nicht auf den gemeinsamen, von dieser Relation nicht betroffenen Hintergrund. Ein als C ORRECTUM bezeichnetes Relat enthält also die von der Ersetzung betroffenen Teile einer Proposition, muss aber nicht vollständig damit zusammenfallen. Der Rahmen, der den informationsstrukturellen Hintergrund bildet, kann nach den Weglassungsregeln für koordinative Konstruktionen (vgl. HDK-1: B6) in jedem der Konnekte weggelassen werden. (74a) (74b)

Erwin raucht nicht PFEIfe, sondern [Erwin raucht] ZiGARren. Nicht PFEIfe [raucht Erwin], sondern ZiGARren raucht Erwin.

NEG-sondern-Konstruktionen sind monologische Entsprechungen von Dialogsequenzen aus Behauptung und Korrektur, mit denen ein Sprecher B eine Äußerung von Sprecher A oder Aspekte davon zurückweist. Dialogeingebettete Korrekturen können fokussiertes Material und Hintergrundmaterial der Originaläußerung betreffen. (75a)

A: 1954 haben die Deutschen in Ungarn die HANDball-WM gewonnen. B: (Nein,) die FUSSball-WM (haben sie gewonnen). B: (Nein,) in BERN (haben sie gewonnen).

In NEG-sondern-Konstruktionen weist ein Sprecher eine meist nicht tatsächlich verbalisierte, sondern nur unterstellte, in der Kommunikationssituation erwartbare Behauptung seines Gesprächspartners zurück, indem er sie negiert, und korrigiert sie

472

C Semantische Konnektorenklassen

anschließend. Das zu korrigierende Material kann dann nicht im Hintergrund bleiben, sondern muss eng fokussiert werden. (75b) (75c)

*1954 haben die Deutschen nicht in Ungarn die FUSSball-WM gewonnen, sondern in BERN. 1954 haben die Deutschen nicht in UNgarn die Fußball-WM gewonnen, sondern in BERN.

Durch den Negationsfokus wird impliziert, dass es mindestens eine Alternative zur Fokuskonstituente gibt, auf die der Satzrahmen abzüglich der Negation zutrifft, sodass die Ersetzung der Fokuskonstituente durch eine kontextuell passende Alternative die Negation überflüssig machen würde (Jacobs 1991: 586). Die Menge aller in Frage kommenden Alternativen bestimmt den Fokuswert der Negation. Durch die Äußerung eines Satzes mit Negationsfokus wie (76)

Fred hat nicht [FRIEdas]F Fahrrad in den Schuppen gestellt.

wird impliziert, dass es eine Person namens Fred gibt, die ein Fahrrad in den Schuppen gestellt hat, das einer Person gehört, die nicht Frieda ist. Durch den korrektiven sondern-Anschluss „wird gewissermaßen das mit der Fokussierung gegebene Versprechen, bei Ersetzung des Fokus durch eine Alternative könnte die Negation überflüssig werden […], eingelöst“. (Jacobs 1991: 586). Sondern und vielmehr sind „Zurückweisungskonnektoren“, die auf der negationsinduzierten Hintergrundannahme operieren, dass der mit dem ersten Konnekt bezeichnete Sachverhalt p zur Debatte steht. Deshalb werden sie im Gespräch normalerweise nicht diskursinitial, sondern als korrigierende Reaktion auf ihre affirmativen Pendants geäußert. In der geschriebenen Sprache muss ein solcher affirmativer Vortext nicht verbalisiert sein; mit der Äußerung einer Korrekturkonstruktion wird er aber vom Sprecher immer als zur Disposition stehende Alternative präsentiert. Als Hintergrundannahme wird hier lediglich p angenommen und nicht wie in Pasch (1986: 116) die gesamte Verknüpfung in umgekehrter Polarität, also p Ù ¬q. Pasch stützt die Annahme, dass auch mit dem sondern-Konnekt eine gegenteilige Erwartung zurückgewiesen wird, vor allem auf eine etymologisch begründete Negationshaltigkeit von sondern (s. sondergleichen, Sonderfall). Sondern ist aber eher fokussierend und herausgreifend denn negierend, was sich etwa auch in den Bedeutungen von (aus)sondern und besonders spiegelt. Da sondern korrektive Bedeutung hat, folgt aus der Korrektur der Annahme p zwangsläufig, dass irgendetwas anderes als p der Fall ist, ohne dass dieses andere als ein Spezifisches in der Erwartung der Gesprächspartner verankert wäre. Ebenso gilt auf der Ebene der Hintergrundannahmen: Wenn erwartet wird, dass p der Fall ist, wird gleichzeitig ausgeschlossen, dass in der Funktion von bzw. an der Stelle von p etwas anderes der Fall ist, ohne dass dazu an ein spezifisches Anderes, das nicht der Fall ist, gedacht werden muss. Dieses Heraus-

C2 Additiv basierte Konnektoren

473

greifen, das Aussondern, eines Spezifischen aus der Menge der potentiellen Alternativen zu p geschieht eben mit sondern, das hier ganz im Sinne der Bedeutung des zugrundeliegenden Verbs verwendet wird. wahrheitskonditionale Bedeutung: Hintergrundannahme:

¬p Ù q p

Abb. C2-3: Rollensemantische Struktur für sondern und vielmehr als „Zurückweisungskonnektoren“

NEG-sondern-Konstruktionen sind semantisch asymmetrisch. Im Unterschied zu anderen asymmetrischen Relationen ist aber kein Konnektor für eine konverse Konnektorkonstruktion lexikalisiert, sondern diese kann nur kompositional mit und nicht oder asyndetisch realisiert werden, wobei das C ORRIGENS dann durch einen Kontrastakzent hervorgehoben sein muss, der prominenter ist als ein normaler Fokusakzent. (Eine rein aussagenlogisch zu NEG p, sondern q konverse Struktur p Ù ¬q liegt zwar mit den Subjunktorkonstruktionen p, statt dass q und p, ohne dass q vor, doch stehen hier die Argumente nicht in einem Korrekturverhältnis zueinander (s. C2.2.6).) (77)

Wale sind SÄUgetiere, (und) keinesfalls/nicht FIsche.

Für C ORRECTUM und C ORRIGENS gilt, dass sie unter dem Rahmen einer „gemeinsamen Einordnungsinstanz“ (Lang 1977) als Alternativen fungieren können müssen. Somit müssen sie sowohl gemeinsame als auch differentielle Merkmale aufweisen. Dabei darf die Differenz zwischen ihnen nicht zu groß sein: Je umfangreicher und semantisch komplexer beide sind und je weniger Material der gemeinsame Rahmen umfasst, desto schwerer gelingt es offenbar, einen pragmatisch plausiblen Kontext für eine Korrekturrelation zu bilden. Aus diesem Grund wirken korrektive Koordinationen vollständiger Sätze (sofern nicht metasprachlicher Gebrauch vorliegt) befremdlich, und Witze, die ihre Pointe gerade aus dieser vollständigen Zurückweisung und Korrektur einer Proposition beziehen, realisieren immer das Muster schrittweiser Korrektur. (78a)

„Ist es wahr, dass der Kosmonaut Juri Gagarin eine Reise in die USA gewonnen hat?“ „Im Prinzip ja, aber es war nicht der Kosmonaut Juri Gagarin, sondern ein Rentner, und er hieß nicht Juri, sondern Oleg, und auch nicht Gagarin, sondern Gaganoff und es war nicht in die USA sondern in Kiew und er hat keine Reise gewonnen, sondern ein Fahrrad und er hat es auch

474

(78b)

C Semantische Konnektorenklassen

nicht gewonnen, sondern es wurde ihm gestohlen!“ (http://www.witze-fun. de/witze/witz/8021) #Es hat nicht der Kosmonaut Juri Gagarin eine Reise in die USA gewonnen, sondern dem Rentner Oleg Gaganoff wurde in Kiew ein Fahrrad gestohlen.

Die Differenz zwischen C ORRIGENS und C ORRECTUM darf aber wiederum auch nicht zu klein sein. Dem scheinen aber Fälle wie (79) bis (81) zu widersprechen, in denen die Argumente extensional identische oder zumindest einander nicht ausschließende Sachverhalte bezeichnen. (79a) (79b) (80) (81)

Es geht hier nicht um die Entscheidung des AuTOren, sondern um die Entscheidung des AUtors. *Es geht hier NICHT um die Entscheidung des Autoren, sondern um die Entscheidung des AUtors. Luise ist keine PUTZfrau, sondern eine RAUMpflegerin. (Bsp. aus Jacobs 1991: 588) Goethe wurde nicht Mitte des 18. JahrHUNderts geboren, sondern am 28.08.1749. (Bsp. aus Jacobs 1991: 588)

Hier zeigt sich, dass Korrekturkonstruktionen gegenüber Sätzen mit normaler Satznegation („nicht-replaziver“ Negation) eine semantische Besonderheit aufweisen: die Negation kann auch auf der metasprachlichen Ebene (de dicto) operieren und ist dann – bezogen auf die Sachebene (de re) – nicht wahrheitsfunktional (vgl. Jacobs 1982: 307 ff., Steube 2001). Wäre die Negation hier in diesem Sinne wahrheitsfunktional, müssten solche Äußerungen eigentlich kontradiktorisch sein. Dass sie nicht als widersprüchlich empfunden werden, liegt daran, dass hier nicht Aspekte des Inhalts, sondern der Form der Äußerung oder damit zusammenhängende Konnotationen zurückgewiesen und korrigiert werden, was bei nicht-fokussierender, nichtreplaziver Negation nicht möglich ist (s. 79b). Was in solchen Konstruktionen negiert wird, sind Formen (79), Konnotationen (80), konversationelle Implikaturen der Quantität und Relevanz (81, in einer Prüfungssituation geäußert): der Sprecher weist die Äußerung als im Kontext unpassend oder nicht präzise genug zurück. Die Grenze zwischen extensionaler Identität und Verschiedenheit ist allerdings nicht ganz scharf zu ziehen; unterschiedliche Konnotationen wie in (80) können auch zu einer inhaltlich diversifizierten Interpretation führen und in (81) ist das C ORRIGENS immerhin eine präzisere Angabe als das C ORRECTUM . Aufgrund dieser besonderen Bedingungen bei der metasprachlichen Verwendung von sondern und vielmehr führen wir beide auch in der Klasse der metakommunikativen Konnektoren an (s. C5.6). Replazive Negation kann selbst eine ansonsten von einer wahrheitsfunktionalen Negation nicht angreifbare Präsupposition zurückweisen:  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(82)

475

Er hat nicht AUFgehört, seine Frau zu schlagen, sondern er HAT sie gar nie geschlagen/vielmehr HAT er sie gar nie geschlagen.

Auch diesen Verwendungen liegen jedoch semantisch nichts anderes als Zurückweisung und Korrektur zugrunde, nur dass diese auf einer anderen als der Sachebene erfolgen. In der Natur der korrektiven Relation liegt es, dass ihre Argumente als miteinander unverträglich präsentiert werden. Durch eine NEG-sondern-Konstruktion können demzufolge auch kontradiktorische Relata verknüpft werden (wobei die Korrektur in diesem Fall den Informationsgehalt nicht erhöht). Dies teilt die korrektive Relation mit der substitutiven (s. C2.2.4) und der disjunktiven (s. C3); es unterscheidet sie gleichzeitig von der additiven (s. C2.1), der negativ-additiven (s. C2.2.3) und der adversativen Relation (s. C2.3), wo entsprechende Strukturen nur mit einer Uminterpretation der Argumente als nicht-kontradiktorisch akzeptabel sind. (83a) (83b) (83c) (83d) (83e) (83f)

Erwin hat nicht aufgehört zu rauchen, sondern raucht immer noch. Erwin hat nicht aufgehört zu rauchen. Stattdessen raucht er immer noch. Erwin hat aufgehört zu rauchen oder raucht immer noch. #Erwin hat aufgehört zu rauchen und raucht immer noch. #Erwin hat weder aufgehört zu rauchen noch raucht er immer noch. #Erwin hat aufgehört zu rauchen, raucht aber immer noch.

2.2.4.2 Formvariation Der Ausdruck der Negation im ersten Konnekt kann bei den immer von einer Negation flankierten korrektiven Konnektoren stark variieren, solange die Bedingung einer fokussierenden Negation des Satzprädikats erfüllt ist (vgl. HDK-1: 469). Neben expliziten, syntaktischen Negationsträgern finden sich gelegentlich auch Belege mit morphologischer Negation (84) und mit lexikalischer Negation durch negativ-implikative Verben (85). Deren Akzeptabilität ist jedoch beim Konjunktor sondern teilweise fraglich. (Weitere Belege vgl. Lunde 1981, Kürschner 1983: 287 ff. und HDK-1: 469–471.)  

(84)

(85)

Wenn ich mich richtig selbst liebe, dann ist es mir unmöglich stehen zu bleiben, sondern ich will mich ändern, bis ich der bin, den Gott haben will. (Bsp. aus Lunde 1981: 310) Alle kriegten ihr Interview, nur „Tango“ und DIE WOCHE nicht, aber wir können wenigstens sagen, daß wir irgendwie vergessen haben, eines zu beantragen, sondern uns mit der Teilnahme am Empfang („ganz privat“) zufriedengaben. (Die Woche 11.1995, S. 49)  

476

C Semantische Konnektorenklassen

Beim Adverbkonnektor vielmehr ist die Variationsbreite für den Negationsausdruck im ersten Konnekt höher. Da hier nur eine parataktische und keine koordinative Verknüpfung zwischen den Konnekten besteht und nicht Koordinate aufeinander bezogen werden, muss im ersten Konnekt auch keine fokussierende Negation stehen und lexikalische Negationsträger sind akzeptabel (86, 87). Auch einem Ausdruck für eine negative Bewertung im ersten Konnekt (88, 89) kann durch vielmehr eine positive Alternative gegenübergestellt werden; vielmehr ähnelt in solchen Verwendungen dem substitutiven stattdessen. (86)

Winkler bestritt, daß Sandoz „illegal gearbeitet“ habe. Die Frage sei vielmehr, ob die „bestehenden gesetzlichen Vorschriften in allen Teilen ausreichend waren“. (die tageszeitung, 17.11.1986, S. 2) Generell bestand eher Desinteresse an den Kurzstreckenraketen. Die nächsten Abrüstungsbemühungen müßten sich vielmehr auf die angebliche konventionelle Überlegenheit der Warschauer Pakt-Truppen konzentrieren. (die tageszeitung, 05.11.1987, S. 6) Auf diesen Sieg zu setzen sei „politisch naiv“. Es komme jetzt vielmehr darauf an, offensiv zu werden, um einer von der CDU gewollten Verschärfung des Paragraphen entgegenzuwirken. (die tageszeitung, 04.10.1986, S. 4) Das ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß ich als einziges Mitglied gegen eine Pressemitteilung gestimmt habe und stattdessen für ein persönliches Gespräch mit den Abgeordneten eingetreten bin. (die tageszeitung, 07.11.1987, S. 5)  

(87)



(88)



(89)



2.2.4.3 Bedeutungsvariation: nicht nur p, sondern auch q – eine additive sondern-Variante? Neben einem korrektiven sondern führen Grammatiken und Wörterbücher oft auch eine additive Bedeutungsvariante an: sondern in der Verbindung nicht nur (…) sondern auch (vgl. HDG: 1056, Duden-Grammatik 2005: 1986) oder sie führen nicht nur (…) sondern auch separat als mehrteiligen, additiven Konnektor (Buscha 1989: 85). Die additive Bedeutung dieser Kombination lässt sich aber ohne Annahme einer gesonderten Bedeutungsvariante rein kompositional aus der korrektiven Bedeutung von sondern ableiten. Die Negation fokussiert hier eine restriktive Fokuspartikel, deren Bedeutung mit sondern im zweiten Konnekt korrigiert wird. Der – keineswegs obligatorische – Zusatz eines Additivität indizierenden Ausdrucks wie auch, vielmehr, zugleich verdeutlicht, dass nicht die Geltung der von der Fokuspartikel fokussierten Phrase aufgehoben ist, sondern lediglich die Restriktion selbst. Sie spielt nicht nur Klavier, sondern auch Orgel. Es ist der Fall, dass sie kein anderes Instrument spielt als Klavier. CORRIGENS : Es ist der Fall, dass sie Orgel spielt.

(90)

CORRECTUM :

C2 Additiv basierte Konnektoren

477

Auch formal ist die Kombination keineswegs phraseologisch verfestigt. Erstens kann die Partikel auch im Mittelfeld frei floaten und muss nicht juxtaponiert zu sondern stehen: (91)

Nicht nur Gottes Mühlen mahlen langsam, sondern des öfteren auch die der Justiz. (die tageszeitung, 02.09.1986, S. 7)  

Und zweitens ist eine additiv-steigernde sondern-Verwendung in einer Fülle von Varianten belegt. Statt mit einer additiven Fokuspartikel wie auch, noch oder sogar kann die additiv-skalierende Relation auch lexikalisch ausgedrückt oder gar nicht signalisiert sein. a)

Markierung von Additivität und Skalierung mit anderen Partikeln

(92)

Ob sich allerdings der […] Anlageerfolg von mehr als zwölf Prozent wiederholen lassen wird, hängt nicht allein von der Entwicklung in der Bundesrepublik ab, sondern mehr noch von der Zinssituation in den USA. (Die Zeit, 04.01.85, S. 15) Fast von selbst ergebe sich daraus nun dieses zweifache Unrecht an einem gramgebeugten Vater, der nicht nur den Tod eines geliebten einzigen Sohnes zu tragen habe, sondern zugleich das traurige Wissen, zu welchen Taten dieser Sohn fähig gewesen […]. (Leon, Acqua, S. 361)  

(93)



b)

Markierung von Additivität mit anderen lexikalischen Indikatoren

(94)

Das Ergebnis dieser Ermittlungen diskreditiert nicht nur die Ermittlungsbehörden, sondern die gesamte bundesdeutsche Nachkriegsjustiz. (die tageszeitung, 22.10.1986, S. 4) Hier residierte Jacques Chirac, nicht nur Premierminister, sondern nach wie vor Bürgermeister von Paris. (die tageszeitung, 10.09.1986, S. 6) Ein Bauer wurde ausgesucht, weil er anders als die anderen nicht nur eine Kuh, sondern eine Kuh mit Kalb besaß […]. (die tageszeitung, 20.10.1986, S. 8)  

(95)



(96)



c)

Keine Markierung von Additivität und Skalierung

(97)

Rau ist ja in NRW nicht nur als Person, sondern als Symbol für eine gewisse Politik gewählt worden. (die tageszeitung, 16.10.1986, S. 5)  

Fazit: Es ist weder die Annahme einer Mehrdeutigkeit von sondern noch die eines eigenständigen phraseologischen mehrteiligen Konnektors nicht nur (…) sondern auch gerechtfertigt.

478

C Semantische Konnektorenklassen

2.2.4.4 Syntaktische und prosodische Eigenschaften Der Negationspartikel nicht im externen Konnekt des korrektiven sondern wird im Allgemeinen ein besonderer Status als „fokussierende“, „replazive“ (Jacobs 1991), „kontrastierende“ (Jacobs 1982) Negation oder „Sondernegation“ zugeschrieben, die sie von der unmarkierten, nicht-fokussierenden Satznegation unterscheidet. Diese tritt in Sätzen auf, deren Fokusbereich mindestens den Verbalkomplex umfasst. Die Unterscheidung zwischen den beiden Negationstypen kann jedoch nicht allein mit unterschiedlichem Fokusumfang begründet werden – etwa, indem sie als „Satznegation“ und „Satzgliednegation“ unterschieden werden, – da auch die durch NEG (…) sondern fokussierten Koordinate Verbgruppen sein können (98b), und im Grenzfall auch Sätze, insbesondere bei Verbletztsatzkoordination (99), oder wenn, wie in (100), außer dem Finitum kein weiteres zum C ORRECTUM gehörendes Material links von der Negation auftritt. (98a) (98b) (98c) (99) (100)

Otto hat nicht [/SaBIne]F geheiratet, sondern [SuSANne\]F. Otto hat nicht [/SaBIne geheiratet]F sondern [sich mit SuSANne\ verlobt]F. Otto hat nicht [Sabine /geHEIratet]F sondern [sich mit Susanne verLOBT\]F. Es heißt, dass bei der Hochzeit [nicht Otto /TromPEte gespielt]F sondern [die ganze Gesellschaft JAZZplatten\ gehört hat]F Leider [hat nicht ein Abgeordneter /perSÖNlich geantwortet]F, sondern [die FrakTIOnen\ haben sich geäußert]F. (Bsp. aus Duden-Grammatik 2005: 924)

Der Unterschied liegt darin, dass der Fokus in Sätzen mit Satznegationen immer dem unmarkierten Assertionsfokus entspricht, der auch ohne Auftreten der Negation vorliegen würde, während die replazive Negation überhaupt erst Fokussierung bewirkt. Jacobs definiert eine Negation als replaziv, „wenn sie notwendig mit der Ersetzung mindestens eines Teiles des negierten Inhalts verknüpft ist“ (Jacobs 1991: 586). Das Symptom dafür ist gerade das Vorhandensein eines sondern-Anschlusses oder eines asyndetischen, prosodisch markierten Äquivalents, bzw. seine „Einklagbarkeit“ im Falle der Nicht-Realisierung. (98d)

A: Otto hat nicht SaBIne geheiratet. – B: Wen dann?/Sondern?

Ein Indiz für das Vorliegen einer replaziven Negation ist auch eine von der unmarkierten verbnahen Stellung der nicht-replaziven Negation abweichende Position wie in (98d). Auf (Rück-)fragen nach dem Assertionsfokus wie in (98e) und (98f) passt als Antwort nur die Äußerung mit nicht-replaziver Negation in der Stellung vor dem Hauptverb; die replazive Negation steht dagegen tendenziell unmittelbar vor ihrem Fokus.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(98e)

(98f)

479

A: /WEN hat Otto nicht geheiratet? B: Otto hat [SaBIne\]F nicht geheiratet. *B: Otto hat nicht SaBIne geheiratet. Warum ist Sabines Mutter so wütend? B: [Otto hat SaBIne nicht geheiratet] F. *B: Otto hat nicht SaBIne geheiratet.

Wie bei den weder-noch-Konstruktionen ist auch bei NEG-sondern-Konstruktionen der Fokusbereich im unmarkierten Fall rechts vom Negationsträger. Korrekturkonstruktionen mit vollständigen Verbzweitsätzen wie (99a) sind deshalb mindestens markiert. Auch die Voranstellung einer replaziven Negation vor einen vollständigen Satz wie in (99b) ist nicht zweifelsfrei akzeptabel. Bei der Präsentationskonstruktion (99c) hingegen wird wieder nach rechts fokussiert und die Konstruktion ist akzeptabel, optional als zweifache Kontrastierung mit prosodischer Hervorhebung von Subjekt u n d Prädikat (multiple Foki). (99a) (99b) (99c)

?[Stefan hat nicht TromPEte gespielt]F, sondern [Susi hat FlaMENco getanzt.]F ?Nicht [Stefan hat TromPEte gespielt]F, sondern [Susi hat FlaMENco getanzt.]F Es hat nicht [Stefan/STEfan TromPEte gespielt]F, sondern [SUsi hat FlaMENco getanzt.]F

Dass Material im Vorfeld eines Verbzweitsatzes als C ORRECTUM einer Korrekturkonstruktion fungiert, ist aber nicht ganz ausgeschlossen. Erstens kann natürlich die Negationspartikel zusammen mit der fokussierten Konstituente im Vorfeld erscheinen und fokussiert dann ganz normal nach rechts (101). Und zweitens kann auch kontrastfokussiertes Material allein im Vorfeld erscheinen und muss dann über eine Hutkontur mit der ihrerseits kontrastfokussierten Negation verbunden werden (102, 103). In diesen Konstruktionen sind C ORRECTUM und C ORRIGENS dann als separate Intonationsphrasen realisiert, da das erste Konnekt, bedingt durch den Fokusakzent auf der Negation, fallend endet. (101)

Nicht [am 23.08.], sondern [bereits drei Tage früher] sei das Wasser in den Keller des Reaktorgebäudes eingedrungen. (die tageszeitung, 17.09.1986, S. 1–2) [/TromPEte] hat Stefan NICHT\ gespielt, sondern [/PoSAUne\]. /REIche Leute wohnen hier NICHT\, sondern /Spätaussiedler, Rentner, Sozialhilfeempfänger, kinderreiche Arbeiter- und ARbeitslosenfamilien\. (die tageszeitung, 08.10.1986, S. 5)  

(102) (103)



480

C Semantische Konnektorenklassen

Sondern stellt als Konjunktor eine koordinative Beziehung zwischen seinen Argumenten her. Für Koordination gilt die Forderung, dass die primären Koordinate identische syntaktische Funktion gegenüber dem Koordinationsrahmen aufweisen müssen (vgl. HDK-1: B5.7). Sie müssen dabei nicht kategorial identisch oder syntaktisch parallel strukturiert sein, wichtig ist zum einen, dass sie semantisch ähnlich genug sind, um in einer Korrekturkonstruktion aufeinander beziehbar zu sein, zum anderen, dass sie parallele Fokusmarkierung aufweisen (Lang/Adamíková 2007: 206), d. h. dass die Konstituenten, die C ORRECTUM und C ORRIGENS bilden, jeweils den Fokusexponenten und Fokusakzentträger enthalten. Beides zusammen garantiert insbesondere bei strukturell komplexeren, umfangreicheren Koordinaten die Identifikation von C ORORRIG ENS . RECTUM und C ORRIGENS  

(104)

Ich sage das nicht [als BlaBLA]F, sondern [weil meine VerUNsicherungsphase so lang gedauert hat]F. (Gerhard Mauz, Prozesse S. 155)  

In prototypischen Verwendungen sind die syntaktische Struktur aus Koordinaten und Koordinationsrahmen – die gleichzeitig der rollensemantischen Struktur aus C ORRECTUM und C ORRIGENS entspricht – und die informationsstrukturelle Struktur aus kontrastierenden Fokusbereichen und gemeinsamem Hintergrund isomorph und die Koordinate sind jeweils fokal. Diese Struktur wird von den meisten hier angeführten Beispielen repräsentiert. Es gibt aber auch Fälle mit Asymmetrie zwischen FokusHintergrundstruktur und syntaktischer Struktur. In (105) fungieren die fokussierten Konstituenten zwar der Bedeutung nach als C ORRECTUM und C ORRIGENS , sie bilden jedoch nicht auch gleichzeitig Koordinate bezüglich eines gemeinsamen Koordinationsrahmens. Der Koordinationsrahmen umfasst hier nur Subjekt und Finitum und das erste Koordinat enthält Hintergrundmaterial. (105)

Er hatte {Boock erst gar nicht [untersucht]F}K1, sondern {[sich auf Aktenstudium und seine Eindrücke bei der Hauptverhandlung beschränkt]F.}K2 (die tageszeitung, 11.09.1986, S. 5)  

Die kontextuell gegebene informationsstrukturelle Gliederung des ersten Konnekts kann dann eine Anpassung von semantischer und syntaktischer Struktur steuern, sodass (105) zu einer Struktur wie etwa (105a) angepasst wird: (105a) In Bezug auf Handlungen im Zusammenhang mit Boock gilt, der Gutachter hatte ihn gar nicht {[unterSUCHT]F}K1, sondern {[sich auf Aktenstudium und seine Eindrücke bei der HAUPTverhandlung beschränkt]F.}K2

C2 Additiv basierte Konnektoren

481

2.2.4.5 Informationsstrukturelle Eigenschaften Äußerungen mit replaziver Negation sind gegenüber solchen mit nicht-replaziver Negation prosodisch auffälliger. Bei nicht-replaziver Negation wird der Fokusexponent durch fallenden Fokusakzent markiert, bei replaziver Negation zeigt steigender Akzent auf der fokussierten Konstituente Unabgeschlossenheit an und die ZusamORRECT UM und C ORRIGENS wird prosodisch dadurch markiert, mengehörigkeit von C ORRECTUM dass beide akzentuell hervorgehoben sind. Auf diese Weise können auch Strukturen, die oberflächenstrukturell bezüglich des Negationsstatus ambig sind, nämlich Strukturen mit VP-Fokussierung, differenziert werden: (106a) A: Warum war das Fest so langweilig? B: Otto hat auf dem Fest nicht TromPEte\ gespielt. (106b) A: Hat Otto auf dem Fest Trompete gespielt? B: Otto hat auf dem Fest nicht /TromPEte gespielt, sondern PoSAUne\. Die prosodische Markierung dient also in der gesprochenen Sprache der frühzeitigen Identifizierung der Negationsdomäne, d. h. des C ORRECTUMS . In der geschriebenen Sprache kann eine Ambiguität bezüglich der Reichweite des Negationsfokus dagegen erst ex post identifiziert werden, dadurch dass der Leser zu demjenigen Material, das durch sondern im zweiten Konnekt als ein C ORRIGENS ausgewiesen wird, ein passendes, alternativentaugliches und kontrastfähiges C ORRECTUM im ersten Konnekt identifiziert. Die Negationsdomäne, d. h. die Reichweite der Fokusprojektion, wird bei unmarkierter Stellung des Negationsträgers und Akzent auf dem Fokusexponenten wie in (107a/b/c) so ebenfalls erst im Nachhinein als Korrekturdomäne identifiziert.  



(107a) Otto hat gestern nicht [bei Mia an der HAUStür geklingelt]F, sondern [er ist einfach an ihrem Haus vorBEIgefahren]F. (107b) Otto hat gestern nicht bei Mia [an der HAUStür geklingelt]F, sondern [wild gegen das FENster geklopft]F. (107c) Otto hat gestern nicht bei Mia [an der HAUStür]F geklingelt, sondern [an der WOHnungstür]F. (107d) Otto hat gestern nicht [bei MIa] F an der Haustür geklingelt, sondern [bei STEfan]F. (107e) Otto hat gestern nicht bei Mia an der Haustür [geKLINgelt]F, sondern [geKLOPFT]F. Die Konstituente, die das C ORRIGENS repräsentiert, bildet einen Kontrastfokus. Kontrastfoki weisen eine spezifische Form auf, nämlich einen gegenüber normalen Neuinformationsfoki steileren F0-Anstieg, der durch zusätzliche Erhöhung der Akzentsilbe und/oder F0-Absenkung vor dem Akzentgipfel erzeugt wird (zu phonetischen Details vgl. Mehlhorn 2001, Alter 2002, Duden-Grammatik 2005: 121).

482

C Semantische Konnektorenklassen

Die replazive Negation bedingt eine Einschränkung in der Kontexteinbettung korrektiver Konstruktionen. Zwar ist auch bei Sätzen mit nicht-replaziver Negation immer das affirmative Pendant den Gesprächspartnern latent als Hintergrundannahme verfügbar, doch muss diese Annahme keinesfalls explizit verbalisiert sein und nicht-replaziv negierte Sätze können auch vollfokussiert (thetisch) verwendet werden. Konstruktionen mit replaziver Negation können in dieser Umgebung dagegen kaum auftreten. (108a) A: Was ist passiert? Warum kommst du so spät? B: Der BUS hat nicht gehalten. (108b) *B: Der BUS hat nicht gehalten, sondern ich musste zu Fuß gehen. (108c) #B: Der Bus hat nicht geHALten, sondern ist vorBEIgefahren. Diese Einschränkung steht im Einklang mit der kommunikativen Funktion von Korrekturkonstruktionen, mit denen ein Sprecher dagegen protestiert, dass neu angebotene Information zum gemeinsamen Hintergrundwissen der Gesprächspartner gemacht wird (vgl. Steube 2001: 218).

2.2.4.6 Zum Unterschied zwischen Adversativ-und Korrektivverknüpfungen: NEG p, aber q vs. NEG p sondern q Verknüpfungen der Struktur NEG p, aber q und NEG p, sondern q haben die gleiche aussagenlogische Struktur ¬p Ù q. Tatsächlich werden in vielen Sprachen Adversativität und Korrektur anders als in den „A/S-Sprachen“ (nach deutsch aber vs. sondern) nicht lexikalisch unterschieden, sondern diese Sprachen kodieren beide Relationen mit ein und demselben Konnektor (z. B. engl. but, frz. mais, poln. ale), differenzieren sie aber über die syntaktische Struktur der Konnekte, insbesondere über Weglassungseigenschaften (korrektives but und mais verlangen Koordinationsreduktion, adversatives schließt sie aus; vgl. Anscombre/Ducrot 1977, Asbach-Schnitker 1978; Lang 1989: 867 und 1991: 620), oder, wie die westslawischen Sprachen, über die Interaktion von lexikalischen, syntaktischen und prosodischen Mitteln (vgl. Adamíková 2000, 2004; Alter 2002). Gerade Sprechern dieser Sprachen bereitet die Entscheidung, ob nach einem negierten Satz im Deutschen eine kontrastierende Fortsetzung mit aber oder sondern einzuleiten ist, Schwierigkeiten. Adversativ- und Korrektivverknüpfungen sind jedoch semantisch und formal distinkt:  

(i) Status der Negation Bei einer Korrekturkonstruktion ist die Negation obligatorischer Bestandteil der Konstruktion und Bestandteil eines korrelativen (zweiteiligen, beide Konnekte markierenden) Konnektors, bei der Adversativkonstruktion ist sie optional und Bestandteil der Bedeutung des ersten Arguments. Deshalb kann eine doppelte Negation aus Negati-

C2 Additiv basierte Konnektoren

483

onspartikel und lexikalisch inkorporierter Negation nur bei einer Adversativkonstruktion lexikalisch „aufgehoben“ werden, nicht aber bei einer Korrekturverknüpfung. (109a) (109b) (109c) (109d)

Erwin hat nicht aufgehört zu rauchen, aber er raucht jetzt Pfeife. Erwin raucht immer noch, aber er raucht jetzt Pfeife. Erwin hat nicht aufgehört zu rauchen, sondern er raucht jetzt Pfeife. *Erwin raucht immer noch, sondern er raucht jetzt Pfeife.

Die Negationspartikel selbst ist bei einer Korrekturkonstruktion immer vom fokussierenden, replaziven Typ; in adversativen Konstruktionen kann dagegen auch eine nicht-fokussierende Satznegation auftreten. Die nicht-fokussierende Negation trägt nicht zur Strukturierung des Satzes in Hintergrund und Fokus bei, sodass adversative Konstruktionen auch keine parallele Hintergrund-Fokus-Struktur ihrer Konnekte aufweisen müssen. Beide Konnekte können auch total fokal sein, links von einer nichtfokussierenden Negation auftretendes Material muss keineswegs zum Hintergrund gehören und rechts davon stehendes Material muss nicht vom gleichen semantischen Typ sein wie das zweite Konnekt. (110)

[Vielleicht sind ihre speziellen Ergänzungen im einzelnen nicht richtig]F, aber [die Arbeiten zeigen doch, daß das Werk Einsteins nicht länger tabu ist und Änderungen im Einklang mit den bisherigen Beobachtungen möglich sind]F. (Die Zeit, 20.01.1995, S. 39)  

(ii) Art der Hintergrundannahmen Auch aber ist ein Zurückweisungskonnektor, baut aber auf anderen Hintergrundannahmen auf. Während mit dem korrektiven NEG p, sondern q lediglich die Annahme, dass p gilt zurückgewiesen wird, baut NEG p, aber q auf einer implikativen Hintergrundannahme auf: aus p kann auf eine dritte Proposition r geschlossen werden, die im Widerspruch zu einer Schlussfolgerung ¬r aus q steht (s. C2.3 zur Bedeutungsstruktur von aber). Mit sondern wird der gesamte Inhalt dessen, was im ersten Konnekt fokussiert negiert wird, ersetzt, mit aber wird lediglich eine Inferenz aus dem ersten Konnekt zurückgewiesen, es „konzediert partielle Gültigkeit unter einem bestimmten Gesichtspunkt“ (Abraham 1975: 129). Für die Interpretation einer adversativen Relation müssen Adressaten auf Inferenzen aus dem sprachlichen und situativen Kontext und dem außersprachlichen Wissen rekurrieren, eine Korrekturkonstruktion ist dagegen kontextfrei interpretierbar. Aber-Verknüpfungen mit negierten externem Konnekt können vom konzessiv zu interpretierenden Typ sein: hier steht eine erwartungsbasierte (nicht-logische) Folgerung aus p in direktem Widerspruch zu q. (111a)

Es hat (zwar) in den letzten Tagen nicht geschneit, aber die Pisten sind (trotzdem) befahrbar.

484

C Semantische Konnektorenklassen

Überwiegend realisieren Strukturen der Form NEG p, aber q freilich den Typ des „kompensatorischen“ aber, bei dem aus den Relata p und q einander entgegengesetzte Bewertungen hinsichtlich eines dritten, aus den Relata zu inferierenden Sachverhalts abgeleitet werden können, hier etwa die Eignung des beschriebenen Skigebiets für einen Skiurlaub. (111b)

Es sind (zwar) die Pisten im Tal nicht befahrbar, es gehen aber (dafür/ immerhin) oben einige Lifte.

Dabei gibt es eine deutliche Affinität zu einer Werteverteilung im negierten (ersten) Konnekt, im Kontrastkonnekt, umgekehrte Werteverteilung ist aber keinesfalls ausgeschlossen. „Vorteils- und Nachteilsindikatoren“ (Pusch 1976: 132) wie immerhin, glücklicherweise, wenigstens, leider, bedauerlicherweise können die Werteverteilung verdeutlichen. Eine solche asymmetrische Präferenzstruktur kennzeichnet auch die substitutiven Konnektoren statt, stattdessen usw. (s. C2.2.5) (112)

Nicht billig das Ganze, aber zum Glück gab es Fördermittel. (die tageszeitung, 28.10.2000, S. 28) Dem Regisseur (Bernd Mottl) fehlt es nicht an Einfällen, aber leider bleiben sie oft äußerlich […]. (die tageszeitung, 13.07.1992, S. 19)  

(113)



(iii) Verhältnis der Relata zueinander Wenn die Argumente einer NEG-aber-Konstruktionen skalar geordnet sind, kann das zweite Relat nie die stärkere Alternative sein, während bei der entsprechenden NEGORRIG ENS sowohl die schwächere wie die stärkere Alternasondern-Konstruktion das C ORRIGENS tive sein kann. (114a) (114b)

Peter war nicht DREImal verheiratet, aber ZWEImal. ? Peter war nicht DREImal verheiratet, aber VIERmal.

(114c) (114d)

Peter war nicht DREImal verheiratet, sondern ZWEImal. Peter war nicht DREImal verheiratet, sondern VIERmal.

In den aber-Verknüpfungen dieses Typs kann das zweite Relat auf der Basis von skalaren Implikaturen abgeleitet werden. Der Adressat einer Äußerung kann davon ausgehen, dass ein Sprecher unter Befolgung der Quantitätsmaxime (Sei so informativ wie nötig/Sei nicht informativer als nötig) und der Qualitätsmaxime (Sage nichts, was du für falsch hältst/Sage nichts, wofür dir ausreichende Gründe fehlen) von zwei Alternativen die schwächere wählt, wenn er weiß, dass die stärkere nicht zutrifft. Die durch einen aber-Anschluss signalisierte Einschränkung kann deshalb nicht die stärkere Alternative sein. Bei NEG-sondern-Konstruktionen greift dieses Ableitungsschema dagegen nicht. (Zur Beschreibung von sondern vs. aber

C2 Additiv basierte Konnektoren

485

im Rahmen des Modells skalarer quantitätsbasierter Implikaturen vgl. Primus 1997.) Stehen die Relata in einer Inklusionsrelation (Hyperonym-Hyponym-Struktur), ist eine NEG-aber-Konstruktion nur in der Form möglich, dass die stärkere Alternative, das Hyponym, zurückgewiesen wird. Eine NEG-sondern-Konstruktion ist bei solchen wortsemantischen Bedeutungsinklusionen in jeder Richtung ausgeschlossen (metasprachlicher oder präzisierender Gebrauch wie oben beschrieben einmal ausgeschlossen). (115a) (115b) (115c) (115d)

Dies ist keine Buche, aber ein Laubbaum. #Dies ist kein Laubbaum, aber eine Buche. #Dies ist keine Buche, sondern ein Laubbaum. #Dies ist kein Laubbaum, sondern eine Buche.

Kontradiktorische Relata wiederum können mit sondern verknüpft werden. Es ergeben sich dann tautologische Aussagen, da sondern ja gerade Unverträglichkeit der Relata indiziert. (Zu den Verträglichkeitsbedingungen der Relata von sondern vgl. auch Lang 1991.) Verknüpfung mit aber ist hingegen ausgeschlossen, da dieses wie und kompatible Relate verlangt, die einander nicht wechselseitig ausschließen dürfen (vgl. Lang 1991: 608). (116a) (116b)

Er ist nicht ledig, sondern verheiratet. *Er ist nicht ledig, aber verheiratet.

(iv) Dringlichkeit des Alternativenanschlusses Aus dem Status der replaziven Negation folgt nach Jacobs (1991) die Notwendigkeit bzw. kommunikative Einklagbarkeit einer korrigierenden Fortsetzung, die bei einer nicht-replaziven Negation nicht geboten ist. Dabei kann ein Gesprächspartner (oder der Kommentator in einem journalistischen Text) mit der Nachfrage sondern? auch dann eine Spezifizierung einer Alternative erbitten, wenn aus der Äußerung des ersten Sprechers weder formal noch inhaltlich eine klare Fortsetzungsabsicht erkennbar ist. (117)

A: Aber ich sehne mich nicht nach einem anderen Ort. B: Sondern? (die tageszeitung, 21.05.1991, S. 11)  

Obwohl es in (117) keine formalen Anhaltspunkte gibt, die Negation in der Äußerung von A als replaziv zu verstehen und aus der Äußerung eine Implikation abzuleiten, dass überhaupt ein Objekt der Sehnsucht für A existiert, unterstellt der Adressat mit der Nachfrage Sondern? die Existenz einer solchen Alternative; offen bleibt dabei wiederum für A, ob B die Nennung einer Alternative zu einem anderen Ort oder – etwas unwahrscheinlicher – einer Alternative zum Prozess des Sehnens überhaupt einklagen möchte.

486

(118)

C Semantische Konnektorenklassen

„Wir werden nicht hinnehmen, daß die Arbeitgeber mit diesem Tarifabschluß ihre Haushalte sanieren“, formulierte entschieden die ÖTV-Kreisvorsitzende Gisela Hülsbergen. Sondern? Eventuell Überstunden verweigern, drohte Rainer Müller vom ÖTVKreisvorstand an, und – zur Not – warnstreiken. (die tageszeitung, 02.11.1988, S. 18)  

Auch in (118) muss die Sprecherin keineswegs intendiert haben, über die Bekundung der Ablehnung des Tarifausschlusses hinaus irgendwelche Angaben zu weiteren Handlungsabsichten der ÖTV zu machen. Durch die sondern-Nachfrage signalisiert der Gesprächspartner aber, dass er diese Ablehnung als unvollständigen Handlungsschritt betrachtet, und versucht, den Sprecher zur Aufdeckung der Handlungsalternative zu zwingen. (v) prosodische Struktur Korrekturkonstruktionen haben informationsstrukturell und prosodisch parallel strukturierte Koordinate mit Kontrastfoki, die Koordinate bilden im Normalfall eine gemeinsame Intonationsphrase. Adversativkonstruktionen können auch mit zwei separaten Intonationsphrasen realisiert sein. Zwischen den Konnekten einer Korrekturkonstruktion tritt tendenziell eine geringere Pause auf als zwischen den Konnekten einer Adversativkonstruktion. Das erste Konnekt einer Korrekturkonstruktion endet nicht-fallend, bei Adversativkonstruktionen kann es auch fallend enden. Durch die semantische, prosodische und informationsstrukturelle Parallelstruktur kann auch im Deutschen in einer Korrekturkonstruktion Konnektorellipse kompensiert werden; asyndetische Verknüpfungen können also auch korrektiv interpretiert werden. (119) (120)

Otto ist nicht /PHYsiker, er ist CHEmiker\. Nur eines steht nach 53 Sitzungstagen fest: Einer /alLEIN hat Richard Oetker NICHT\ entführt. Es muß mindestens ZWEI\ Täter geben. (Gerhard Mauz, Prozesse, S. 155)  

Ob über diese Unterschiede hinaus auch im Deutschen zwischen adversativen und korrektiven Konstruktionen phonetische und/oder perzeptive prosodische Unterschiede geltend gemacht werden können, ist unklar. Für viele Nicht-A/S-Sprachen spielen diese nachweislich eine Rolle (vgl. Alter 2002, Adamíková 2004, Lang/ Adamíková 2007); für das Deutsche konnte experimentell gezeigt werden, dass Neuinformationsfokus wie in (121a) und Korrekturfokus wie in (121b) zumindest in konnektorlosen Minimalpaaren prosodisch durch einen deutlichen lokalen Unterschied in der Akzentrealisierung differenziert werden: Kontrastfoki werden durch stärkere vertikale F0-Ausrichtung hervorgehoben (Alter et al. 2001, Steube 2001, Alter 2002).  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(121a) (121b)

487

Am Samstagmorgen packte Martina ihre Reisetasche. Sie fuhr zum BAHNhof. Dort kaufte sie eine Fahrkarte […] „Wo Martina hingefahren ist? Nein, nicht in die Innenstadt. Sie fuhr zum BAHNhof.“

Ob und inwieweit aber diese Unterschiede auch dann realisiert bzw. perzipiert werden, wenn Korrektur lexikalisch durch einen Konnektor signalisiert ist, ob also Minimalpaare von Adversativität und Korrektur wie (121c/d) prosodisch distinkt sind, müsste erst noch geprüft werden. (121c) (121d)

Martina ist nicht zum FLUGhafen gefahren, sondern zum BAHNhof. Martina ist nicht zum FLUGhafen gefahren, aber zum BAHNhof.

2.2.4.7 Differenzparameter zwischen sondern und vielmehr Der Adverbkonnektor vielmehr ist seinem Aufschlusswert nach komparativ und bringt keine vollständige, sondern nur eine teilweise Zurückweisung und Korrektur zum Ausdruck. Diese komparative Bedeutung kommt in der festen Verbindung weniger/ nicht so sehr p als vielmehr q noch deutlich zum Tragen. (122)

Bei diesem Termin geht es weniger um ein Glaubensbekenntnis als vielmehr um Beweise für Strauß’ Behauptung, kein Testosteron zu sich genommen zu haben. (die tageszeitung, 25.06.1992, S. 13)  

Enthält aber das erste Konnekt einen Negationsträger, leistet vielmehr die gleiche vollständige Zurückweisung und Korrektur wie sondern. Dabei verknüpft es als Adverbkonnektor in der Regel vollständige Sätze, doch sind auch Konstruktionen mit Ellipsen des Finitums möglich, sodass koordinationsähnliche Strukturen mit aufeinander bezogenen Koordinaten unterhalb der Satzebene entstehen, die den NEGsondern-Konstruktionen gleichen. (123)

Es handle sich dabei um kein Dogma, vielmehr um eine eher „disziplinäre Forderung der Amtskirche“. (die tageszeitung, 08.11.1991, S. 6) Kein Kunststück war’s, vielmehr hartes Training. (die tageszeitung, 11.01. 1990, S. 20)  

(124)



Das zweite Konnekt einer allein durch vielmehr hergestellten korrektiven Verknüpfung kann jedoch, anders als bei einer sondern-Verknüpfung, nicht im Skopus eines der Negation übergeordneten Operators stehen:

488

(125a) (125b)

C Semantische Konnektorenklassen

Leider/vermutlich [hat Georg nicht die Wahrheit gesagt, sondern gelogen]. Leider/vermutlich [hat Georg nicht die Wahrheit gesagt], vielmehr hat er gelogen.

Auf die größere Formvariabilität bezüglich der NEG-Komponente im ersten Konnekt wurde bereits hingewiesen. Konstruktionen mit negationsinkorporierenden Prädikaten wie (126) sind mit vielmehr deutlich akzeptabler als mit dem Konjunktor sondern. Auch auf die Assertion einer negativen Bewertung wie in (127) kann nur eine Korrektur mit vielmehr, nicht aber mit sondern angeschlossen werden. (126)

Das Papier verzichtet auf die Auflistung bekannter grüner Forderungen, Knackpunkte, Positionen und Ziele. Es geht vielmehr um die politische Rolle der Grünen als erste pazifistische Partei in der Nachkriegsgeschichte. (die tageszeitung, 30.09.1986, S. 5) „Dies ist ein kopflastiger und elitärer Lösungsversuch“, sagte Morobe. „Unsere wichtigste Aufgabe liegt vielmehr in der Organisation einer Massenbasis.“ (die tageszeitung, 11.12.1986, S. 8)  

(127)



Sondern und vielmehr können kombiniert werden, eine Bedeutungsänderung gegenüber einer einfachen Korrekturkonstruktion mit sondern oder vielmehr ist dabei nicht erkennbar. (128)

Der Konflikt in Jugoslawien sei aber durchaus kein besonders negatives Beispiel, sondern vielmehr eine Art Auftakt. (die tageszeitung, 17.09.1991, S. 22)  

2.2.5 Substitutive Konnektoren: (an)statt, (an)statt dass, anstatt dessen, stattdessen, anstelle dessen 2.2.5.1 Semantische Eigenschaften Die substitutiven Konnektoren scheinen auf den ersten Blick in negationsinkorporierende konjunktionale Konnektoren der Struktur p, (an)statt/(an)statt dass q und negationsflankierte Adverbkonnektoren der Struktur NEG p, (an)stattdessen/anstelle dessen q zu zerfallen, die rollensemantische Konversen einer Relation bilden. Sie folgen darin einem Muster, dem etwa auch Paare aus Subjunktor und Adverbkonnektor wie seit(dem) und seitdem/seither, dafür dass und dafür u. a. gehorchen.  

489

C2 Additiv basierte Konnektoren

(129a)

Wir gehen sonntags immer essen, A LT L TERNAT ERNATIVE IVE

REALISIERTE

statt dass zu Hause gekocht wird. NICHT REALISIERTE A LT L TERNAT ERNATIVE IVE

(vgl. Wir gehen sonntags immer essen, seit nicht mehr zu Hause gekocht wird. Wir gehen sonntags immer essen, dafür dass nicht mehr zu Hause gekocht wird.) (129b)

Sonntags wird nicht zu Hause gekocht. Stattdessen gehen wir immer essen. NICHT REALISIERTE A LT L TERNAT ERNATIVE IV E REALISIERTE A LT L TERNAT ERNATIVE IVE (vgl. Sonntags wird nicht zu Hause gekocht. Seitdem gehen wir immer essen. Sonntags wird nicht zu Hause gekocht. Dafür gehen wir immer essen.)

In (129a) und (129b) bezeichnet jeweils das Relat mit negativer Faktizität einen nicht realisierten Sachverhalt, zu dem als Alternative ein realisierter Sachverhalt präsentiert wird, der mit dem anderen Relat bezeichnet wird. Gleichzeitig wird eine dieser beiden Alternativen als präferierte und die andere als nicht präferierte Alternative charakterisiert. Die Präferenzverteilung erfolgt primär aus der Sicht des Sprechers, doch kann der Sprecher auch quasi zitierend die Perspektive eines zentralen Partizipanten (häufig des Subjektsreferenten) der Proposition übernehmen. Sprecher gewichten bzw. bewerten die beiden Propositionen p und q in ihrem Verhältnis zueinander als die jeweils wahrscheinlichere, bessere, moralisch akzeptablere, wünschenswertere usw. von beiden (+) gegenüber der jeweils schlechteren, moralisch weniger akzeptablen oder weniger wünschenswerten (–). (GDS: 1436).

Kompliziert wird die Bedeutungsstruktur der substitutiven Konnektoren nun durch zweierlei: (i) Die Kombinatorik von realisierter vs. nicht realisierter Alternative und von präferierter vs. nicht präferierter Alternative ist nicht festgelegt, d. h. es ist keineswegs immer die nicht realisierte auch die präferierte Variante. Aus diesem Grund nehmen wir für die substitutiven Konnektoren an, dass sie ihre Argumente rollensemantisch in zweierlei Hinsicht charakterisieren: einmal in Bezug auf die Faktivitätsdimension mit einem Rollenpaar R EALISIERTE A LLTERNAT TERNAT IVE und N ICHT REALISIERTE A LTERNATIVE und einmal in Bezug auf die Präferenzdimension mit einem Rollenpaar P RÄFERIERTE A LTERNATIVE und N ICHT PRÄFERIERTE A LTERNATIVE . (ii) Die Abbildung der beiden Rollen eines jeden Rollenpaars auf die syntaktische Struktur aus internem und externem Konnekt ist – anders als z. B. bei kausalen oder konditionalen Konnektoren – nicht festgelegt, sondern variabel. In dieser Hinsicht sind alle substitutiven Konnektoren „autokonvers“, d. h. jeder substitutive Konnektor kommt in zwei Konstruktionstypen vor, die rollense 





490

C Semantische Konnektorenklassen

mantisch zueinander konvers sind. Die zwei Abbildungstypen bezeichnen wir als Typ 1 und Typ 2. Einer dieser beiden Typen muss realisiert sein. Exkurs: Zur Autokonversität Autokonversität ist im System der asymmetrischen Konnektoren des Deutschen selten, aber nicht singulär: temporales als beispielsweise (s. C1) bildet konverse Strukturen, in denen jeweils eines der Argumente den (ausgedehnteren) zeitlichen Rahmen bezeichnet, in den das im anderen Argument bezeichnete (punktuelle) Ereignis eingebettet wird. (a) Delia war gerade damit beschäftigt, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu dekorieren, als plötzlich ein Schrei ertönte, dann ein dumpfer Fall. Mamsell Lore war von der Leiter gefallen. (GR 1/TL 1, de Groot, Vater, S. 38) (b) Als Delia gerade damit beschäftigt war, die Bühne mit Girlanden und Flitterzeug zu überziehen, ertönte plötzlich ein Schrei, dann ein dumpfer Fall. (iii) (iv)

Die Präferenzwerte sind komplementär auf die Argumente verteilt. Die Faktivitätswerte sind komplementär auf die Argumente verteilt. Daraus wird mit der GDS (1435 ff., 2325) eine AUT-Struktur substitutiver Konnektoren abgeleitet: Es gehört zu ihrer Bedeutung, dass sie festlegen, dass eines der Relata positiv faktisch, das andere negativ faktisch, d. h. kontrafaktisch ist. Sie legen aber keine Zuordnung dieser Werte zu internem und externem Argument fest. Diese erfolgt erst bei der Interpretation durch Berücksichtigung von faktizitätsindizierenden Kontextcharakteristika wie Verbmodus, Tempus, Satzmodus, Negationsausdrücken oder lexikalisch impliziter Negation. Dass die Unterspezifiziertheit kontextuell aufgefüllt und eine Zuordnung der Faktivitätswerte erfolgen muss, gehört ebenfalls zur Bedeutung der substitutiven Konnektoren.  



Daher gilt als Bedeutungsstruktur für substitutive Konnektoren: Typ 1 aut Typ 2  

Typ 1

            

wahrheitskonditionale Bedeutung: Hintergrundannahme:

p Ù ¬q q

Typ 2

          

¬p Ù q p

                    

Allerdings gibt es Fälle, in denen auf den ersten Blick keines der Relata eine R EALIA LTERNATIVE repräsentiert.

SIERTE

(130a) Wahrscheinlich kuscht morgen auf der Sitzung wieder der gesamte Parteivorstand vor dem Präsidenten, statt dass ihm mal einer ordentlich die Meinung sagt. Hier liegt eine Einbettung einer substitutiven Verknüpfung in einen Einbettungsrahmen vor, mit dem ein vorgestellter, möglicher Weltzustand etabliert wird. In Bezug auf diesen stellt hier das externe Argument die realisierte (und nicht präferierte) Alternative und das interne Argument die nicht realisierte (und präferierte) Alternative dar. (130a) ist also im Sinne von (130b) zu verstehen:

C2 Additiv basierte Konnektoren

491

(130b) Wahrscheinlich ereignet sich morgen dies: Auf der Sitzung kuscht der gesamte Parteivorstand vor dem Präsidenten

statt dass ihm mal einer ordentlich die Meinung sagt. |

| R EALISIERTE EALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE

N ICHT REALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE

N ICHT PRÄFERIERTE PRÄFERIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE

P RÄFERIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE

Im Folgenden werden sämtliche Typen, die sich aus der Kombinatorik der beiden rollensemantischen Dimensionen und der Zuordnung der rollensemantischen zur syntaktischen Struktur zunächst einmal rein rechnerisch ergeben können, an einem einfachen Beispiel konstruiert und durchgespielt, anschließend werden den Typen, soweit möglich, Belege zugeordnet. Typ A: Internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul hängt nur faul herum,

statt dass er endlich mal mehr lernen würde.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| R EALISIERTE A LTERNAT IVE N ICHT PRÄFERIERTE PRÄF ERIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE

| N ICHT REALISIERTE A LTERNAT LTE RNATIVE IVE PRÄFERIERTE A LTERNATIVE LT ERNATIVE

Typ B: internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul sollte endlich mal mehr lernen,

statt dass er so faul herumhängt.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| N ICHT REALISIERTE REALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE PRÄFE RIERTE A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE

| A LTERNAT IVE N ICHT PRÄFERIERTE A LTERNATIVE REALISIERTE

492

C Semantische Konnektorenklassen

Typ C: internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul hat nur Einsen oder Zweien,

statt dass er wie andere auch mal schlechte Noten hätte.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| A LT ERNATIVE PRÄFE RIERTE A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE REALISIERT E REALISIERTE

| N ICHT REAL REALISIERTE ISIERTE A LTERNATIVE LT ERNATIVE N ICHT PRÄF PRÄFERIERTE ERIERT E A LTERNATIVE LTERNAT IVE

Typ D: internes Konnekt , externes Konnekt , Paul wird irgendwann auch mal schlechte Noten haben,

statt dass er wie jetzt nur Einsen und Zweien schreibt. |

| externes Konnekt

internes Konnekt |

| N ICHT REALISIERTE REALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE N ICHT PRÄFERIERTE PRÄF ERIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE

A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE A LTERNATIVE LT ERNATIVE REALISIERTE

Abb. C2-4: Rollensemantische Struktur der nicht-integrierbaren (konjunktionalen) substitutiven Konnektoren: statt, (an)statt dass

Typ A: internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul lernt nicht.

Stattdessen hängt er nur faul herum.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| N ICHT REALISIERTE REALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE PRÄFE RIERTE A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE

| R EALISIERTE A LT ERNATIVE N ICHT PRÄFERIERTE A LTERNATIVE

Typ B: internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul hängt nur faul herum.

Stattdessen sollte er mal mehr lernen.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| A LT ERNATIVE N ICHT PRÄFERIERTE PRÄF ERIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE REALISIERT E REALISIERTE

| N ICHT REALISIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE A LTERNATIVE LT ERNATIVE

PRÄFERIERTE

C2 Additiv basierte Konnektoren

493

Typ C: internes Konnekt , , externes Konnekt , Paul hat nie schlechte Noten.

Stattdessen schreibt er nur Einsen und Zweien.

| externes Konnekt

| internes Konnekt

| N ICHT REALISIERTE REALISIERT E A LTERNATIVE LT ERNATIVE N ICHT PRÄFERIERTE PRÄF ERIERTE A LTERNATIVE LTERNAT IVE

| A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE A LTERNATIVE LT ERNATIVE REALISIERTE

Typ D: internes Konnekt , externes Konnekt , Paul schreibt jetzt nur Einsen und Zweien. | externes Konnekt | A LT ERNATIVE PRÄFE RIERTE A LTERNAT IVE PRÄFERIERTE REALISIERT E REALISIERTE

Stattdessen wird er aber irgendwann auch mal schlechte Noten haben. | internes Konnekt | N ICHT REALISIERTE A LTERNAT LTE RNATIVE IVE N ICHT PRÄFERIERTE A LTERNATIVE

Abb. C2-5: Rollensemantische Struktur der substitutiven Adverbkonnektoren: (an)stattdessen, anstelle dessen

Zwischen den Typen bestehen folgende Beziehungen: (a) Typ A und B, sowie Typ C und D sind jeweils Konversen zueinander. (b) Die korrespondierenden Typen von konjunktionalem Konnektor und Adverbkonnektor sind jeweils Konversen zueinander. (c) Konjunktionaler Typ und Adverbkonnektor-Typ sind jeweils über Kreuz rollensemantisch identisch: Der konjunktionale Typ A mit Typ B der Adverbkonnektoren; ebenso: konjunktionaler Typ B mit Adverbkonnektor Typ A; konjunktionaler Typ C mit Adverbkonnektor Typ D, konjunktionaler Typ D mit Adverbkonnektor Typ C. (i) Beispiele für konjunktionale Konnektoren Nach Aufweis der Beleglage ist bei den konjunktionalen Konnektoren der Typ A am häufigsten. Bei dieser Faktizitätsverteilung kann im internen Konnekt ein (fakultativer) Konjunktiv Präteritum (bei Gleichzeitigkeit, s. 131 und 132) oder Konjunktiv Perfekt (bei Vorzeitigkeit, s. 133) gesetzt werden. Bei der komplementären Faktizitätsverteilung wie in Typ B und D ist das externe Konnekt meist deontisch oder epistemisch modalisiert und enthält faktizätsaufhebende Indikatoren wie die Modalverben sollen, wollen, können, futurisches Tempus oder einen hypothetischen oder kontrafaktischen Konjunktiv. Im faktischen internen Konnekt kann die positive Faktivität hier

494

C Semantische Konnektorenklassen

durch den Einschub wie es der Fall ist/war sichtbar gemacht werden. Für Typ D konnten keine Belege gefunden werden, ebenso wenig wie für den entsprechenden Typ bei den Adverbkonnektoren. Das könnte darauf hindeuten, dass diese Kombination tatsächlich ausgeschlossen ist und in den obigen konstruierten Beispielen vielmehr eine interpretatorische Anpassung unter Vertauschung der Präferenzwerte (also nach dem Muster von Typ B) vorgenommen wird, wobei eine andere Präferenzdimension als die deontische der Erwünschtheit zugrunde gelegt werden müsste, beispielsweise eine rein epistemische Dimension der Wahrscheinlichkeit. Eine Lücke in der Kombinatorik bei gerade dieser Merkmalsverteilung ist auch konzeptuell plausibel, denn dass eine realisierte und als positiv bewertete Alternative durch eine weniger präferente Option „ersetzt“ werden soll, ist wenig einleuchtend.  

Typ A: internes Konnekt , , externes Konnekt , (131)

Leider klagen die meisten ostdeutschen Hochschulen über Mangel an Studenten, statt daß sie den sich daraus ergebenden Vorteil genössen. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) Statt dass schlichtes, kohlensäurearmes Wasser gereicht würde, stapeln sich so genannte Wellness-Getränke in den Fächern. (die tageszeitung, 15.02.2003, S. 35) Aber statt daß sich die Runde nach dieser erschreckenden Enthüllung nun auf die Frage konzentriert hätte, was eigentlich nach dreißig Jahren Kolle aus Deutschlands Schulhöfen geworden ist, entknotete Elisabeth Motschmann nun kämpferisch ihre bisher zweimal überschlagenen Beine. (die tageszeitung, 20.04.1994, S. 6)  

(132)



(133)



Typ B: internes Konnekt , externes Konnekt , (134)

Statt daß jede für sich an dem immer schwerer lastenden Anspruch einer kulturellen Grundausstellung festhält, könnten Koordination und Spezialisierung ein Profil der Akzente und Kontraste ausprägen. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.) Vier SVP-Postulate zielen darauf ab, dass Ausländer vermehrt Deutsch lernen und sich mit der hiesigen Kultur vertraut machen, statt dass sie in der eigenen Sprache und Kultur gefördert werden. (Züricher Tagesanzeiger, 23.12.1998, S. 16) Oberste Zielsetzung sei ein aktuelles, umfassendes und zentrales Angebot wichtiger Daten für Wirtschaft und Bürger zu jeder Zeit. […] Einen möglichen Weg sieht der Obmann der Gemeindammännervereinigung Rheintal in einer neuen Aufgabenzuteilung an die Regionalplanung. Statt dass jede Gemeinde  

(135)



(136)

C2 Additiv basierte Konnektoren

495

ihre Meldungen selbst aktualisiert, könnte ein regionaler Beauftragter diese Aufgabe übernehmen. (St. Galler Tagblatt, 17.01.1998, o. S.)2  

Typ C: internes Konnekt , externes Konnekt , (137)

(138)

„Du hast eine Frau, mit der du dich verstehst, und zwei Söhne, die sich um dich kümmern, statt dass du dich um die Kinder kümmern musst“, sagt mein Bruder neidvoll. (die tageszeitung, 02.06.2001, S.V) Für den neuen Auftritt wurde das Augenmerk auf eine konsistente Benutzerführung [gelegt], einen erweiterten News-Bereich und dem [sic!] Konzept, die Neuigkeiten zum Besucher zu bringen, statt dass er diese suchen muss. (St. Galler Tagblatt, 17.08.2000, o. S.)3  



Typ D: internes Konnekt , externes Konnekt , Für Typ D konnten keine Belege gefunden werden. (ii)

Beispiele für Adverbkonnektoren

Typ A: internes Konnekt , , externes Konnekt , (139)

Niemand aus den umliegenden Eigenheimen verständigt die Polizei. Stattdessen sollen Anwohner Beifall geklatscht und die Täter zu weiteren Zerstörungen angefeuert haben. (die tageszeitung, 17.11.1986, S. 9) Die von Reagan versprochene Aufrichtigkeit des Weißen Hauses blieb bisher aus, stattdessen erlebten Kongreßausschüsse eine Lawine von Aussageverweigerungen. (die tageszeitung, 16.12.1986, S. 7)  

(140)



2 In allen Belegen ist faktizitätsindizierender Einschub im internen Konnekt möglich: statt dass, wie es heute der Fall ist, …. In (136) ist auch eine Interpretation wie bei (130) als Einbettung in eine „gedachte Welt“ möglich ‚Wir stellen uns die Zukunft so vor: Statt dass, wie es in dieser Welt dann der Fall sein wird, jede Gemeinde …‘ Innerhalb dieser gedachten Welt repräsentiert also das interne Argument die Realisierte Alternative. 3 In beiden Belegen ist auch konjunktivisches internes Konnekt möglich. (138) erlaubt wieder die Interpretation der Faktizitätskomplementarität im Rahmen einer nur vorgestellten Welt.

496

C Semantische Konnektorenklassen

Typ B: internes Konnekt , externes Konnekt , (141)

Die Gewaltfrage ist im Grunde nur lähmend. Stattdessen muss man endlich die Mischung und Vielfalt der Aktionen akzeptieren. (die tageszeitung, 29.11.1986, S. 9) Als Teil dieser Initiative sollen außerdem Firmen, die sich aus Südafrika zurückziehen, dazu bewegt werden, sich stattdessen in SADCC-Ländern anzusiedeln. (die tageszeitung, 09.02.1987, S. 3)  

(142)



Typ C: internes Konnekt , externes Konnekt , (143)

Wünsche nach mehr US-Investitionen in ihren Staaten bügelte Außenminister George Shultz mit dem Hinweis ab, die USA hätten keine unbegrenzten Kapazitäten. Stattdessen setzen die USA den Exportanstrengungen der Asiaten ihre Handelseinschränkungen entgegen. (die tageszeitung, 06.11.1986, S. 8)4 In acht Kapiteln stellt Wenserski die spezifische Situation der DDR-Ökologie dar. Er erspart dabei dem Leser ideologische Diffamierungen, bemüht sich stattdessen um eine objektive Zustandsbeschreibung […]. (die tageszeitung, 05.01.1987, S. 9)  

(144)



Typ D: internes Konnekt , externes Konnekt , Für Typ D konnten keine Belege gefunden werden.

2.2.5.2 Syntaktische Eigenschaften Die substitutiven Subjunktoren zeigen keine signifikante positionelle Tendenz: Im DeReKo stehen 147 Belegen mit anteponiertem statt dass und 49 Belegen mit anteponiertem anstatt dass 189 postponierte statt-dass- und 83 postponierte anstatt-dassBelege gegenüber. Generell ist statt dass im Vergleich zu infinitiveinleitendem statt ziemlich selten (vgl. die Frequenzzahlen in HDK-1: 663). Mit der Abfolge der Konnekte sind auch keine semantischen Unterschiede korreliert, wie die Beispiele (131) bis (138)

4 Hier übernimmt der Sprecher einerseits die Präferenzwerte aus einer Fremdperspektive, der von Außenminister Shultz, gleichzeitig distanziert er sich aber durch die negative Charakterisierung in dem Wort abbügeln davon.

C2 Additiv basierte Konnektoren

497

oder eine Reihenfolgevertauschung in den Beispielen für die Typen A bis D zeigen. Auch bei den Adverbkonnektoren ist mit ihren möglichen Positionen (Vorfeld, Mittelfeld, Nullstelle, Nachfeld) keine spezifische semantische Charakterisierung verbunden. Auf die syntaktischen Besonderheiten des Einzelgängers statt wurde in HDK-1 ausführlich eingegangen: statt ist ein koordinierender Einzelgänger, der keine vollständigen Verbzweitsätze und generell Strukturen mit finiten Verben nur in sehr eingeschränkter Form verknüpfen kann. Darin gleicht er z. B. den Konjunktoren sowie und sowohl (…) als auch und den koordinierenden Einzelgängern ausgenommen, außer, es sei denn, geschweige und sei es. Auch die mehrfache Heterosemie bei weitgehender Bedeutungskonstanz wurde in HDK-1 beschrieben. Statt tritt auf als Präposition mit Dativ- und Genitivrektion, als Einleiter von Infinitivphrasen in Supplementfunktion, und im Substandard regional beschränkt auf den niederdeutschen und mitteldeutschen Sprachraum auch als Subjunktor wie statt dass.  



(145)

„Da kann ich ja gleich selber vom Hochhaus springen, anstatt ich da mal mit ’ner Spritze im Arm tot gefunden werd.“ (Dokumentarfilm „Protokoll einer Hilflosigkeit“; ARD 08.08.2001, 23.00)

Diese Verwendung ist bereits im älteren Sprachgebrauch belegt: (146)

so will in Scherz ich mich ergehn, in Possen, anstatt ich jetzt mich bloß an ThräFnen labe, … (Platen 1, S. 178; zitiert nach Behaghel 1928: 73 und Paul 1968: 268)  

2.2.5.3 Differenzparameter gegenüber korrektiven Konnektoren: statt (dass) p, q vs. NEG p, sondern q In der Konstruktionsvariante mit negativ faktischem externem Argument (Typ A und C) haben die substitutiven Adverbkonnektoren die gleiche aussagenlogische Repräsentation wie die korrektiven sondern und vielmehr. (147a) (147b) (147c) (147d)

Paul lernt nicht, stattdessen hängt er nur faul rum. Paul lernt nicht, sondern hängt nur faul rum. Paul hat nie schlechte Noten, stattdessen schreibt er nur Einsen und Zweien. Paul hat nie schlechte Noten, sondern schreibt nur Einsen und Zweien.

Entsprechende Subjunktorkonstruktionen mit negativ faktischem externem Argument (Typ B und D) hingegen sind nicht direkt in sondern-Konstruktionen überführbar, weil im externen Argument von sondern die Faktizität durch einen expliziten Negations-

498

C Semantische Konnektorenklassen

träger aufgehoben sein muss und eine Faktizitätsaufhebung durch deontische oder epistemische Modalisierung nicht genügt. (148a) Paul sollte endlich mal mehr lernen, statt dass er so faul herumhängt. (148b) *Paul sollte endlich mal mehr lernen, sondern er hängt so faul herum. (148c) → Paul lernt nicht, sondern er hängt so faul herum. (149a) Paul wird irgendwann auch mal schlechte Noten haben, statt dass er wie jetzt nur Einsen und Zweien schreibt. (149b) *Paul wird irgendwann auch mal schlechte Noten haben, sondern er schreibt jetzt nur Einsen und Zweien. (149c) → Paul hat keine schlechten Noten, sondern schreibt nur Einsen und Zweien. Sobald die aussagenlogische Negation in einer substitutiven Subjunktor-Konstruktion aber auch sprachlich als Negation repräsentiert ist wie in (148c) und (149c), sind Typ B und D mit den korrektiven sondern-Konstruktionen parallel, und Typ A und D dazu konvers. (150a) Paul hängt nur faul herum, statt dass

(150b) Paul lernt nicht genug,

sondern

er endlich mal mehr lernen würde.

hängt nur faul herum.

In Bezug auf den aussagenlogisch repräsentierbaren Kern sind also substitutive und korrektive Konnektoren identisch oder konvers. Darüber hinaus unterscheiden sie sich aber in drei Faktoren. (i) Kontrollierbarkeit und Prognostizierbarkeit Als spezifisches Bedeutungsmerkmal für substitutive Konnektoren wird geltend gemacht, dass sie nur Argumente verknüpfen, die „verursachbare oder verhinderbare“ Sachverhalte bezeichnen (Pasch 1986: 157). „Sprecher beziehen sich stets mit p und q auf Propositionen, die intentional beeinflussbare Sachverhalte (Zustände, Prozesse, vor allem aber Handlungen) oder aber seltener erwartbare und prognostizierbare Abläufe darstellen“ (GDS: 1435). Korrektive Konnektoren unterliegen dieser Restriktion nicht. (151a) (151b) (152a) (152b) (153a) (153b)

Die Ursache für den Brand war nicht Brandstiftung, sondern Fahrlässigkeit. #Statt dass die Ursache für den Brand Brandstiftung war, war es Fahrlässigkeit. Die Erde ist keine Scheibe, sondern eine Kugel. #Statt dass die Erde eine Scheibe ist, ist sie eine Kugel. Zwei hoch drei ergibt nicht sechs, sondern acht. #Statt dass zwei hoch drei sechs ergibt, ergibt es 8.

C2 Additiv basierte Konnektoren

499

Unter bestimmten Umständen sind substitutive Verknüpfungen auch mit Argumenten möglich, die keine Handlungsprädikate und keine irgendeiner Kontrolle unterliegenden Ereignisse bezeichnen. Es genügt offenbar, dass die Ereignisse hinsichtlich ihres Eintretens der Berechenbarkeit unterliegen. Darin unterscheiden sich etwa (154b) und (155b) voneinander. Nur unter einer entsprechenden Zusatzannahme wäre (154b) reparierbar. (154a) Goethe wurde nicht 1752, sondern 1749 geboren. (154b) #Goethe wurde 1749 anstatt 1752 geboren. (155a) Der kleine Johann erblickte das Licht der Welt nicht nachmittags, sondern schon gegen Mittag. (155b) Statt nachmittags erblickte der kleine Johann das Licht der Welt schon gegen Mittag. (ii) Präferenzstruktur In korrektiven Konstruktionen müssen die Argumente nicht komplementär bewertet sein. In einem Kontext, in dem eine komplementäre Bewertung oder überhaupt eine Bewertung abwegig erscheint wie in den folgenden (b)-Beispielen, wirkt ein substitutiver Konnektor merkwürdig. Sein Auftreten löst wieder Zusatzannahmen bei der Interpretation aus, etwa im Sinne eines ‚wie zuvor gemutmaßt worden war‘. (156a) (156b)

Der Amokläufer hat nicht fünf Menschen getötet, sondern sechs. Statt fünf Menschen hat der Amokläufer sechs getötet.

(157a)

Im Hospital San Martino in Genua z. B. stellte eine Kommission Mäuse nicht nur in der Küche, sondern auch im Operationstrakt fest. (die tageszeitung, 02.09.1986, S. 7) Statt nur in der Küche stellte die Kommission Mäuse auch im Operationstrakt fest.  



(157b)

(158a)

Er führte konkret die Regelungen und Betroffenengruppen auf, die nicht vergessen, sondern bewußt ausgeschlossen worden seien von Entschädigungsregelungen: die Zwangsarbeiter aus Ländern, gegen die das NS-Deutschland Krieg führte, Deserteure, Homosexuelle, Roma und Sinti, die vor 1943 nur wegen ihrer „asozialen Eigenschaften“ (BGH) verfolgt worden seien etc. (die tageszeitung, 04.09.1986, S. 4) (158b) Einige Betroffenengruppe sind, statt dass man sie vergessen hätte, bewusst von Entschädigungsregelungen ausgeschlossen worden.  

500

C Semantische Konnektorenklassen

(iii) metasprachliche Negation Anders als sondern kann statt nicht auf der metasprachlichen Ebene (de dicto) operieren. Oppenrieder (2008: 69 f.) führt den Unterschied darauf zurück, „dass statt sich konzeptuell noch nicht weit genug von seinem lokalen Hintergrund wegentwickelt hat“ und deshalb nur „objektorientiert“, nicht aber in Bezug auf die sprachliche Fassung ein und desselben Objekts kontrastieren kann.  

(159a) Luise arbeitet nicht als Putzfrau sondern als Raumpflegerin. (159b) ≠ Statt dass Luise als Putzfrau arbeitet, arbeitet sie als Raumpflegerin. (160a) Das liegt nicht im Ermessen „des Autoren“ sondern im Ermessen „des Autors“. (160b) ≠ Es liegt nicht im Ermessen des Autoren. Stattdessen liegt es im Ermessen des Autors.

2.2.5.4 Differenzparameter zwischen substitutiven und adversativen Konnektoren: p, statt dass q vs. p, während/wohingegen q Substitutive Konnektoren haben Ähnlichkeit mit adversativen Konnektoren des Typs kontrastiver Vergleich (während, wogegen, wohingegen, hingegen, dagegen; s. C2.3), insofern bei beiden die Argumente des Konnektors oder Teile der Argumente als einander ausschließende Alternativen fungieren. Beim kontrastiven Vergleich werden aber immer Topik und Fokus paarweise kontrastiert (s. 161c), während substitutive Verknüpfungen nur einen einfachen Alternativenbezug aufweisen und umso weniger akzeptabel sind, je umfangreicher und semantisch komplexer die als Alternativen präsentierten Inhalte sind (s. 161d). Hinzu kommt, dass der kontrastive Vergleich weder mit einer obligatorischen Präferenzkomplementarität noch mit einer Faktivitätskomplementarität einhergeht. (161a) (161b) (161c) (161d)

Otto putzt die Wohnung, statt dass er an seiner Doktorarbeit schreibt. *Otto putzt die Wohnung, wohingegen er nicht an seiner Doktorarbeit schreibt. Otto putzt die Wohnung, wohingegen Anna an ihrer Doktorarbeit schreibt. ?Otto putzt die Wohnung, statt dass Anna an ihrer Doktorarbeit schreibt.

Paul (1968: 267 f.) hebt unter Bezug auf Behaghel (1928: 73) als „bemerkenswert“ hervor, dass statt und anstatt vor allem im 18. Jh. im Sinne von adversativem während, wogegen verwendet werden konnten; nach Behaghel Ergebnis einer Konstruktionsmischung. In den eindeutigen, nicht substitutiv interpretierbaren Beispielen, die bei Paul und Behaghel zitiert werden, enthalten die Argumente kein gemeinsames Material, stattdessen liegt paarweise Kontrastierung von Topik und Fokus vor wie beim kontrastiven Vergleich mit während, wo(hin)gegen oder hingegen (s. C2.3).  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(162)

501

{Sie}T1 würden {ihre Gäste zu unterhalten wissen}F1, anstatt daß {ich armes Aschenbrödel}T2 {nichts kann, als mit ungeschickt zitternden Händen die Theetassen präsentieren}F2. (Schücking 1, S. 87; nach Behaghel 1928: 73) anstatt daß {meine Schwester}T1 {mit jedem, wie er sei, zu leben weiß}F1, so kannst {du selbst}T2 {nach vielen Jahren kaum in einen Freund dich finden}F2. (Gellert X, S. 142; nach Behaghel 1928: 73) Anstatt daß {der Franzose}T1 {schreibt, wie er redet}F1, {reden}F2 {diese}T2, {wie sie schreiben}F2. (Rousseau, Neue Heloise 6, S. 57; nach Paul 1968: 267)  

(163)



(164)



Im heutigen Deutsch sind derartige Verwendungen nicht möglich; eine gemeinsame Einordnung der substitutiven Konnektoren und des adversativen während in eine Klasse der „Konfrontativsätze“ (GDS: 2324 f.) bzw. „Adversativen Subjunktionen“ (Duden-Grammatik 2005: 636) ist deshalb fragwürdig.  

2.2.5.5 Differenzparameter zwischen den substitutiven Konnektoren Statt (dass) und anstatt (dass) treten in allen Heterosemklassen (Präposition, Einzelgänger-Konnektor, Subjunktor) ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied als Varianten auf; allenfalls sind mit dem Frequenzgefälle (in HDK-1: 658 wurde das Verhältnis von statt zu anstatt auf der Basis einer Belegauszählung auf ca. 10:1 hochgerechnet) stilistische Unterschiede verbunden; das gilt auch für stattdessen, anstatt dessen und das noch wesentlich seltenere anstelle dessen, das insgesamt im DeReKo nur 69mal belegt ist. (165)

Den Chor gibt es nicht mehr, anstelle dessen müssen die Jungs des Knabenchors in der Unser Lieben Frauen Gemeinde zweimal die Woche proben, um die schwankende Stimme zu stabilisieren. (die tageszeitung, 06.04.1994, S. 19)  

Unterschiede gibt es aber zwischen den konjunktionalen substitutiven Konnektoren und den substitutiven Adverbkonnektoren. Bei den Adverbkonnektoren kann die Faktizitätsaufhebung, ebenso wie beim korrektiven negationsflankierten Adverbkonnektor vielmehr (s. C2.2.4), auch nur lexikalisch implizit sein wie in (166) bis (168). Auch eine Präferenzstruktur ist bei ihnen nicht immer klar ersichtlich; unterschiedliche Sprecherperspektiven und die Möglichkeit der Übernahme einer Fremdperspektive durch den Sprecher lassen hier oft beide Interpretationsmöglichkeiten zu, so etwa auch in (166) und (167). (166)

Zu dem gescheiterten Anschlag auf den ehemaligen französischen Justizminister Alain Peyrefitte, dem stattdessen ein Angestellter zum Opfer fiel, hat sich die Organisation Action Directe bekannt. (die tageszeitung, 17.12.1986, S. 6)  

502

(167)

(168)

C Semantische Konnektorenklassen

Die im Juni verhängten Ausnahmebestimmungen enthielten dann neue repressive Maßnahmen, die Ruhe in den Schulen erzwingen sollten. Stattdessen festigten sich die Boykotte umso mehr. (die tageszeitung, 09.01.1987, 7) Der Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexiko […] hat am Mittwoch, einen Monat vor dem Ende seiner vierjährigen Amtszeit, fünf Todesurteile aufgehoben. Die fünf Insassen von New Mexikos „Death Row“ müssen stattdessen eine lebenslängliche Haftstrafe absitzen. (die tageszeitung, 28.11.1986, S. 6)  

Möglicherweise können die substitutiven Adverbkonnektoren überhaupt auch neutral in Bezug auf die Präferenz, also in etwa wie das korrektive vielmehr verwendet werden. Dafür sprächen auch Akzeptabilitätsunterschiede zwischen statt dass und stattdessen in gemeinhin bewertungsneutralen Kontexten: (169a) #Statt dass der Brand durch Brandstiftung verursacht wurde, wurde er durch Fahrlässigkeit verursacht. (169b) Der Brand wurde nicht durch Brandstiftung verursacht. Stattdessen wurde er durch Fahrlässigkeit verursacht. (169c) Der Brand wurde nicht durch Brandstiftung verursacht, sondern durch Fahrlässigkeit. (170a) (170b) (170c) (171a) (171b) (171c)

#Statt dass die Erde eine Scheibe ist, ist sie eine Kugel. ?Die Erde ist keine Scheibe. Stattdessen ist sie eine Kugel. Die Erde ist keine Scheibe, sondern eine Kugel. #Statt dass Erna in Ohnmacht gefallen wäre, sank sie nur matt aufs Sofa. ?Erna fiel nicht in Ohnmacht. Stattdessen sank sie nur matt aufs Sofa. Erna fiel nicht in Ohnmacht, sondern sank nur matt aufs Sofa.

Sprecher, die die (b)-Varianten mit stattdessen als weitgehend bedeutungsgleich mit dem korrektiven sondern-Konstruktionen in (c) akzeptieren, legen offensichtlich den substitutiven Adverbkonnektoren eine Bedeutungsstruktur zugrunde, bei der eine komplementäre Präferenzstruktur der Argumente kein obligatorischer Bedeutungsbestandteil ist, sondern fakultativ hinzutreten kann. Bei statt und statt dass ist sie hingegen Bedeutungsbestandteil; wenn für die Relata wie hier in den (a)-Beispielen eine Bewertung als erwünscht und unerwünscht nicht in Frage kommt, dann wird bei der Interpretation eine andere Dimension zugrunde gelegt, bezüglich der die Relata komplementär sind und Erwünschtheit/Unerwünschtheit wird zu etwas wie Vorhersagbarkeit/Nicht-Vorhersagbarkeit abgeschwächt. Insbesondere beim Konnektor anstelle dessen sind manche Verwendungen auch als anaphorische Bezüge auf einen Termausdruck interpretierbar (allerdings unter Verletzung der Regeln der Genuskongruenz); dann liegen keine eindeutigen Konnektorverwendungen vor.

503

C2 Additiv basierte Konnektoren

(172)

Wie wäre es also mit einer echten Bahnreform ? Aber anstelle dessen gibt es satten Reformstau – auf den Autobahnen und in den Stadtgebieten. (die tageszeitung, 07.10.2004, S. 12) Knallharte Selbstkritik blieben die Oberliga-Basketballerinnen der Homburger TG der Öffentlichkeit dennoch schuldig, ebenso wie zuvor auf dem Parkett die nötige Treffsicherheit. Anstelledessen waren eher schönfärberische Töne seitens des Klubs zu vernehmen […]. (Frankfurter Rundschau, 05.11. 1997, S. 6)  



(173)



2.2.6 Der negativ-komitative Konnektor ohne dass Die negativ-komitative Relation p ohne dass q kann annäherungsweise paraphrasiert werden als ‚p, und q ist nicht dabei‘; sie ist die negative Entsprechung der Komitativrelation ‚p, und q ist dabei‘, die im Deutschen als Relation zwischen Sachverhalten mit den Konnektoren dabei, wobei und indem (s. C2.4.3 und C2.4.4), als Relation zwischen Partizipanten mit der Präposition mit kodiert wird. Im Konnektorensystem ist sie nur durch den Subjunktor ohne dass lexikalisiert, in dem die Grundbedeutung der Präposition uneingeschränkt zum Tragen kommt. Eine potentiell denkbare pronominaladverbiale Form darohne ist auch im Alt- und Mittelhochdeutschen nicht nachzuweisen, nach DWB nur in der Kanzlei- und Volkssprache bisweilen belegt, allerdings nicht in Konnektorfunktion (er hat den kopf immer voll intriguen und ränke und meint andere leute könnten ebensowenig darohne leben; Lenz 1, 278). Das Pronominaladverb ohnedies hat nicht negativ-komitative, sondern irrelevanzkonditionale Bedeutung (s. C4.4). Zum Subjunktor ohne dass existiert als weitgehend bedeutungsgleiche Alternative die Infinitivkonstruktionen einleitende Partikel ohne, die auf Identität der Subjektsargumente in den verknüpften Strukturen festgelegt ist. In ohne-dass-Verknüpfungen ist Subjektidentität eher selten, ohne dass sie ganz ausgeschlossen wäre. (174)

Markant ist, dass die Männer dies tun, ohne dass sie dadurch mehr verdienten oder Aufstiegs-Chancen hätten. (die tageszeitung, 03.08.1999, S. 17)  

2.2.6.1 Semantische Eigenschaften Als negationshaltiger Konnektor markiert ohne dass sein internes Argument als einen Sachverhalt, der nicht zutrifft; das externe Argument erhält dagegen keine spezifische Rolle zugewiesen. Da auch ohne dass ein Zurückweisungskonnektor ist, sind externes und internes Argument wieder über eine Hintergrundannahme verknüpft: Ein Sprecher äußert p, ohne dass q, wenn im Diskurs eine additive Verknüpfung der mit p und q beschriebenen Situationen, d. h. ihre Kookkurrenz, zur Disposition stand. Analog  

504

C Semantische Konnektorenklassen

zur Redeweise vom „fehlenden Begleitumstand“ (Duden-Grammatik 2005: 636) für das interne Argument von ohne dass, kann man diesen Redehintergrund als „erwartbaren Begleitumstand“ bezeichnen (GDS: 1750). p Ù ¬q pÙq

Wahrheitskonditionale Bedeutung: Hintergrundannahme: Rollensemantische Struktur:

ohne dass sie mehr verdienen.

Die Männer machen Überstunden,

|

|

internes Konnekt N ON -C OMITANS

externes Konnekt

Abb. C2-6: Rollensemantische Struktur für ohne dass

2.2.6.2 Bedeutungsvariation: Ist ohne dass polysem? In der Literatur wird ohne dass häufig als mehrdeutig beschrieben (Bærentzen 1995 gibt sechs semantische Typen, Stojanova 1990 nennt acht, die GDS spricht von „kategorienvariablen Negationssätzen“), wobei insbesondere eine „negativ-konsekutive“ und eine „negativ-konzessive“ Variante (vgl. Bobillon 1986, Bærentzen 1995) erwähnt werden. Für das Vorliegen einer konzessiven und konsekutiven Relationen müsste in der Bedeutungsstruktur von ohne dass eine Implikation vorhanden sein. Eine solche kann allenfalls auf der Ebene der Hintergrundannahmen geltend gemacht werden und die Annahme eines gemeinsamen Auftretens von p und q (p Ù q) müsste verstärkt werden um einen Faktor „aus p erwartbares K ONSEQUENS q“ (p → q). (Pasch 1986: 149 setzt beides als Hintergrundannahme an.) Im Zusammenhang mit Kausalrelationen spielt die temporale Sequenzierung der Ereignisse eine wichtige Rolle. In dieser Hinsicht sind aber ohne-dass-Verknüpfungen nicht festgelegt, wie Belege mit Temporaladverbien zeigen. p ANTE q (175) Unter Herbert Prohaska hatte unser Team 1993 und 1995 in diesem Sportzentrum im Norden Roms Quartier bezogen – ohne dass es danach durchschlagende Erfolge in der Qualifikation für WM und EM gegeben hätte. (Neue Kronen-Zeitung, 1702.2000, S. 55) (176) Der Bericht über die Gefährdung unserer Kinder durch Dioxin und Furane zeigt auf, in welchem Land wir leben. In einem, das durch die chemische Industrie verseucht wurde, ohne dass diese danach zur Verantwortung gezogen wurde. (die tageszeitung, 26.10.2000, S. 12)  



505

C2 Additiv basierte Konnektoren

p POST q (177) Notfalls wird das griechische Zypern, das als Musterschüler auch dieses Mal die besten Noten im Fortschrittsbericht erhalten hat, in die Union aufgenommen, ohne dass die Zypernfrage zuvor gelöst worden ist. (die tageszeitung, 21.11.2001, S. 6) (178) Die britische Teerkolonne führt Teerarbeiten aus, ohne dass zuvor ein Eintrag in die Handwerksrolle erfolgt ist. (die tageszeitung, 29.12.2004, S. 20)  



Eine Hintergrundannahme p → q zu einer Verknüpfung mit der wahrheitskonditionalen Struktur p Ù ¬q hätte dann eine Analogie in den Konzessivkonstruktionen, bei denen eine wahrheitskonditionale Struktur p Ù q sich mit einer Hintergrundannahme p → ¬q verknüpft, also einem Schluss von p auf das Gegenteil dessen, was assertiert wird (s. C4.3). Wenn man die im Falle von ohne dass in den Konnektor integrierte Negation in das interne Argument „exkorporiert“, müssten sich also ohne-dass-Verknüpfungen in obwohl-NEG-Verknüpfungen umwandeln lassen. Dabei verhält sich aber der Sequenzierungstyp p POST q anders als der Typ p ANTE q. p POST q (178a) Die britische Teerkolonne führt Teerarbeiten aus, ohne dass zuvor ein Eintrag in die Handwerksrolle erfolgt ist. (178b) = Die britische Teerkolonne führt Teerarbeiten aus, obwohl zuvor kein Eintrag in die Handwerksrolle erfolgt ist. p ANTE q (176a) Das Land wurde durch die chemische Industrie verseucht, ohne dass diese danach zur Verantwortung gezogen wurde. (176b) ≠ Das Land wurde durch die chemische Industrie verseucht, obwohl diese danach nicht zur Verantwortung gezogen wurde. (176c) = Obwohl das Land durch die chemische Industrie versucht wurde, wurde diese danach nicht zur Verantwortung gezogen. Es gelten also folgende Zusammenhänge, wobei der Faktor NEG in der Hintergrundannahme im Falle von ohne dass im Konnektor inkorporiert ist, im Falle von obwohl als Bestandteil der Proposition expliziert werden muss. p POST q: p, ohne dass q ≈ p, obwohl NEG q; Hintergrundannahme: q → NEG (NEG p) p ANTE q: p, ohne dass q ≈ q, obwohl NEG p; Hintergrundannahme: p → NEG (NEG q) Beim Typ p ANTE q kann der kausale bzw. genau genommen konsekutive Zusammenhang auch durch Konsekutivadverbien sichtbar gemacht werden werden:

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(179)

C Semantische Konnektorenklassen

Temelin ist ans Netz gegangen, ohne dass die Tschechische Republik dadurch ihre Chance verspielt hätte, in der ersten Gruppe neuer Mitglieder zu sein. (die tageszeitung, 18.10.2000, S. 9) Eltern dürfen jetzt auch deutlich mehr Einkommen haben, ohne dass ihre Kinder deshalb aus der Bafög-Förderung herausfallen. (die tageszeitung, 14.10.2000, S. 6)  

(180)



Es zeigt sich, dass ein Kausalzusammenhang bei ohne-dass-Verknüpfungen nicht in einer einheitlichen Richtung, aber immer ikonisch zur Temporalstruktur rekonstruiert wird: vom anterioren Argument wird auf das Gegenteil des posterioren Arguments geschlossen. Der Zusammenhang könnte also genauso gut als inferenzierte Bedeutungsanreicherung auf das Konto des allgemeineren und im Konnektorensystem an vielen Stellen wirksamen Prinzips ‚post hoc ergo propter hoc‘ verbucht werden, und müsste nicht unbedingt als (Hintergrund-)Bedeutungsbestandteil [p → q aut q → p] von ohne dass veranschlagt werden. Bei SIMUL-Relationen kann die konzessive Interpretationsanreicherungen unter Umständen in beide Richtungen erfolgen. p SIMUL q (181) Es wird eine weitere Gebühr eingeführt, ohne dass gleichzeitig die Grundsteuern gesenkt werden. (St. Galler Tagblatt, 13.01.1999, o. S.) = Es wird eine weitere Gebühr eingeführt, obwohl nicht gleichzeitig die Grundsteuern gesenkt werden. = Obwohl eine weitere Gebühr eingeführt wird, werden nicht gleichzeitig die Grundsteuern gesenkt.  

Wenn sich nun auch Verwendungen finden ließen, in denen ohne dass-Verknüpfungen keine konsekutive oder konzessive Relation realisieren, wäre die einfachere Bedeutungsbeschreibung, die ohne eine implikative Beziehung für die Hintergrundannahme auskommt, adäquater. Solche Verwendungen gibt es in der Tat: Sie werden meist als reine Exemplifizierungen des „fehlenden Begleitumstands“, der „negierten Assoziation“ (Bobillon 1986) oder negierten Komitativität (GDS: 2341) beschrieben. Die Argumente müssen hier auch keine Ereignisprädikate sein. (182)

[Durch die langen Ansagen] verging etwa ein Viertel des Konzerts, ohne dass die fünf alten Männer sich musikalisch verausgaben mussten. (die tageszeitung, 26.08.1999, S. 27) ≠ Obwohl durch die langen Ansagen ein Viertel des Konzerts verging, mussten die alten Männer sich nicht musikalisch verausgaben. ≠ Obwohl die alten Männer sich nicht musikalisch verausgaben mussten, verging etwa ein Viertel des Konzerts.  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(183)

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Das ist Kraftmeierei, ohne dass Kompetenz dahinter steckt. (die tageszeitung, 08.09.1999, S. 10) ≠ Obwohl das Kraftmeierei ist, steckt keine Kompetenz dahinter. ≠ Obwohl keine Kompetenz dahinter steckt, ist das Kraftmeierei.  

Neben diesem reinen negativ-komitativen Typ, den negativ-konsekutiven und negativ-konzessiven Typen wird in der Literatur auch ein negativ-konditionales ohne dass angenommen (Stojanova 1990, Bærentzen 1995). Da aber in einer (nicht kontrafaktischen) Konditionalbeziehung die Argumente in ihrem Faktivitätswert offen, a-faktisch sind, setzt eine Konditionalinterpretation von ohne dass-Verknüpfungen ein externes Konnekt voraus, das in seiner Faktizität aufgehoben ist. (184a) Nach der UN-Kinderschutzkonvention dürfen minderjährige Flüchtlinge nicht weggeschickt werden, ohne dass ihr Wohlergehen gesichert ist. (die tageszeitung, 13.08.1999, S. 22) (184b) Minderjährige Flüchtlinge dürfen nicht weggeschickt werden, wenn ihr Wohlergehen nicht gesichert ist. (185a) Wir wollen nicht in den Geschichtsunterricht einbezogen werden, ohne dass man uns vorher fragt. (die tageszeitung, 19.11.1999, S. 15) (185b) Wir wollen nicht in den Geschichtsunterricht einbezogen werden, wenn man uns vorher nicht fragt.  



Mit positiv faktischem externem Argument ist eine Konditionalinterpretation nicht möglich: das interne Argument von ohne dass fungiert – anders als das von wenn – dann nicht als einschränkende Bedingung, deren Realisierung die Voraussetzung dafür ist, dass das externe Argument gilt. (184c) Flüchtlinge werden weggeschickt, ohne dass ihr Wohlergehen gesichert ist. (184d) ≠ Flüchtlinge werden weggeschickt, wenn ihr Wohlergehen nicht gesichert ist. In konditional interpretierbaren Strukturen der Form NEG p, ohne dass q hat der Negationsausdruck Skopus über die gesamte Verknüpfung und es ist zu explizieren: es ist nicht der Fall, dass p erfolgt, ohne dass q erfolgt. In der Umkehrung heißt das: p erfolgt nur zusammen mit q, oder eben: immer dann, wenn p erfolgt, erfolgt auch q, – das entspricht der Struktur der Konditionalrelation. Somit kann eine konditionale Interpretation von ohne dass problemlos aus seiner wahrheitsfunktionalen Charakteristik und einer spezifischen Kontextbedingung, nämlich Einbettung unter Negation, abgeleitet werden. Fazit: Es ist weder eine Mehrdeutigkeitsannahme für ohne dass nötig, noch braucht man für die Hintergrundannahme mehr als die rein additive Verknüpfung der Argumente. Darin unterscheidet sich ohne dass von obwohl, bei dem die implikative

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C Semantische Konnektorenklassen

Beziehung ein nicht aufhebbarer Bedeutungsbestandteil ist (s. C4.3). Die im vorigen Abschnitt angegebene sparsame semantische Charakterisierung von ohne dass ist also völlig ausreichend, um alle Bedeutungsvarianten zu erfassen. Sie hat im Übrigen auch den Vorteil, dass sie identisch ist mit der für die gleichlautende Präposition anzusetzenden Charakteristik. Die Folgerungsbeziehung in der Hintergrundannahme ist bei ohne genauso wie bei ohne dass eine fakultative, durch geeignete Kontextbedingungen induzierte Bedeutungsanreicherung, eine Implikatur; bei obwohl und trotz ist sie dagegen ein lexikalischer Bestandteil. Aus Tee ohne Zucker kann nicht gefolgert werden, dass im Normalfall Tee immer mit Zucker getrunken wird, sondern lediglich, dass Tee mit Zucker als eine mögliche Alternative zur Disposition stand. Dagegen muss aus Müdigkeit trotz zehn Stunden Schlaf gefolgert werden, dass im Normalfall zehn Stunden Schlaf immer das Gegenteil von Müdigkeit zur Folge haben. Der lexikalische Unterschied bringt es mit sich, dass auch solche ohne-dass-Verknüpfungen, für die eine implikative Beziehung zwischen den Argumenten konstruiert werden kann, gegenüber ihren obwohlPendants eine geringere Folgerungsstringenz aufzuweisen scheinen. (186a) Die Männer machen Überstunden, ohne dass sie deshalb mehr verdienen. (186b) Die Männer machen Überstunden, obwohl sie deshalb nicht mehr verdienen.

2.2.6.3 Syntaktische Eigenschaften Ohne dass ist ein Subjunktor, kommt allerdings in Anteposition vergleichsweise selten vor: Im DeReKo stehen 13.690 postponierten ohne-dass-Vorkommen gerade einmal 265 anteponierte gegenüber. Wie beim substitutiven Subjunktor statt dass kann auch beim negativ-komitativen Subjunktor ohne dass im (negierten) internen Konnekt ein Konjunktiv Präteritum oder Konjunktiv Plusquamperfekt auftreten. (187)

Die Muster der Stoffe, die die Frauen tragen, ihre Hände, ihre Gesten – es wird einem Zeit gelassen, das alles wahrzunehmen, ohne dass viel erklärt würde. (die tageszeitung, 09.12.1999, S. 14) Ohne dass es jemand gewollt hätte, liefen die französischen und deutschen Interessen in dieser Zeit häufig auseinander. (die tageszeitung, 15.10.1999, S. 18–19)  

(188)



Ähnlich wie bei bevor, ehe und bis lassen sich auch für ohne dass Verwendungen mit redundanter (pleonastischer) Negationsmarkierung im internen Konnekt finden. Bedingung für deren Auftreten ist in jedem Fall ein negationshaltiges externes Konnekt (zu pleonastischen Negationsträgervorkommen vgl. Kürschner 1983: 178 ff.).  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(189)

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Kaum eine Woche vergeht inzwischen, ohne dass nicht eine Mariele Millowitsch oder eine Iris Berben die Wechseljahre als Chance zur Selbstverwirklichung nutzt. (die tageszeitung, 22.01.2001, S. 15)  

2.2.6.4 Differenzparameter gegenüber substitutiven Verknüpfungen: p, ohne dass q vs. p, statt (dass) q Statt (dass) und ohne dass haben identische wahrheitskonditionale Bedeutung (vgl. auch Pasch 1986: 78 ff.), unterscheiden sich aber in drei Punkten.  

Differenzparameter: Ereigniskonzeptualisierung: ‚Ersatz‘ vs. ‚Begleitung‘ Die substitutive Relation unterscheidet sich konzeptuell von der negativ-komitativen darin, dass das Substituens als Alternative an die Stelle einer Entität treten soll, die in irgendeiner Weise an einem Ereignis partizipiert; meist werden überhaupt nicht zwei separate Ereignisse zueinander in Relation gesetzt. Dagegen geht es bei der negativ-komitativen Relation um die Zurückweisung eines begleitenden und nicht eines zu ersetzenden Ereignisses; wie bei der komitativen Relation werden im prototypischen Fall also zwei Ereignisse in Relation zueinander gesetzt (s. C2.4). Der Unterschied hat einen syntaktischen Reflex in der prototypischen Relationskodierung: Die substitutive Relation wird sehr viel häufiger mit dem koordinierenden Einzelgänger statt als mit dem Subjunktor statt dass kodiert und erlaubt dann die Bildung von Koordinatepaaren innerhalb eines Koordinationsrahmens; eine solche Verknüpfung enthält gerade nicht zwei distinkte Prädikate (außer natürlich bei der Koordination von Prädikatsteilen). Eine Komitativrelation kann als Sachverhaltsrelation im Deutschen dagegen nur subjunktoral kodiert werden – und das bedingt in aller Regel auch zwei vollständige finite Strukturen mit distinkten Prädikaten. Aber selbst in statt-dass-Verknüpfungen weisen die Konnekte meist mehr referenzidentisches Material auf als in ohne-dass-Verknüpfungen: dass zwei unterschiedliche Ereignisse mit verschiedenen Sachverhaltsbeteiligten füreinander als Substitutum und Substituens fungieren, ist weniger plausibel, als dass in einer Relation p ohne dass q zwei solcherart verschiedene Ereignisse aufeinander bezogen werden. (i)

(ii) Differenzparameter: implikative Bedeutungsanreicherung Die bei ohne dass mögliche implikative Bedeutungsanreicherung der Hintergrundannahme findet bei statt dass keine Entsprechung, da die Argumente hier in einem Substitutionsverhältnis und nie in einem Folgeverhältnis zueinander stehen; eine zusätzliche Verknüpfung der Konnekte durch deshalb, dadurch o. ä. ist nicht möglich.  

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C Semantische Konnektorenklassen

(190a) Die Männer machen Überstunden, ohne dass sie deshalb mehr verdienen. (190b) ≠Die Männer machen Überstunden, statt dass sie mehr verdienen. (190c) #Die Männer machen Überstunden, statt dass sie deshalb mehr verdienen. (iii) Differenzparameter: Präferenzwerte Die Argumente von statt dass und statt sind anders als die von ohne dass obligatorisch mit Präferenzwerten gekoppelt: eines der Argumente wird vom Sprecher als bevorzugt dargestellt. (191a) (191b)

Hans putzt die Schuhe, ohne dass er sich seine Hose mit Schuhcreme beschmiert. #Hans putzt die Schuhe, statt dass er sich die Hose mit Schuhcreme beschmiert.

C2.3 Adversative Konnektoren

C2.3 Adversative Konnektoren 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3 2.3.3.4 2.3.3.5 2.3.3.6 2.3.4 2.3.5 2.3.5.1

2.3.5.2 2.3.5.3 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.8.1

2.3.8.2

Liste der adversativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  513 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  516 Verwendungen von aber und Ausprägungen von Adversativität  521 Kontrastiver Vergleich („contrastive comparison“, „semantic opposition but“)  522 Konzessivität („Erwartungsgegensatz“, „denial of expectation but“)  525 Planvereitelung („restriktives aber“, „frustrated plan“)  527 Kompensatorischer Gegensatz („Bewertungsgegensatz“, „evaluatives aber“)  529 Schwacher Kontrast („Topikwechselmarkierung“, „konnexiv-adversatives aber“)  532 Nicht-propositionale adversative Verknüpfungen  533 Doch/DOCH, und DOCH und jedoch  535 Konnektoren des kontrastiven Vergleichs  540 Monoseme Konnektoren des kontrastiven Vergleichs: dagegen, dahingegen, hingegen, dementgegen, demgegenüber, wogegen, wohingegen  541 Temporal-adversativ polyseme Konnektoren: während(dessen), indes(sen), alldieweil, dieweil, derweil, (hin)wieder(um), wieder  545 Die Polysemie von während: eine exemplarische Analyse  547 Konnektoren zwischen Affirmativität und Adversativität: allerdings, dafür, freilich, zwar  551 Adversative Konnektoren mit Fokuspartikelherkunft: allein, bloß, nur, bloß dass, nur dass  559 Korrelative adversative Konnektoren  562 Korrelative adversative Konnektoren der Form ein- (…) ander-: einerseits/einesteils/zum einen (…) ander(er)seits/ andernteils/zum andern  562 Korrelativ-repetitive adversative Konnektoren: bald (…) bald, halb (…) halb, mal (…) mal, teils (…) teils  565

C2.3 Adversative Konnektoren 2.3.1 Liste der adversativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren allerdings: VF, MF, NE, Null (einerseits) (…) and(e(r))erseits: VF, MF, NE, Null bloß: VF, MF, VE dafür: VF, MF, NE dagegen: VF, MF, NE, Null dahingegen: VF, MF, NE, Null dementgegen: VF, MF, NE, Null demgegenüber: VF, MF, NE, Null freilich: VF, MF, NE, Null hingegen: VF, MF, NE, Null hinwieder(um): VF, MF, NE, Null indes(sen): VF, MF, NE, Null jedoch: VF, MF, NE, Null nur: VF, MF, NE, Null VE währenddessen: VF, MF, NE, Null wiederum: VF, MF, NE, Null (zum einen) (…) zum ander(e)n: VF, MF, NE zwar: VF, MF, NE, Null Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren (einesteils) (…) ander(e)nteils: VF, MF, Null (einmal) (…) ein andermal: VF, MF bald (…) bald: VF, MF mal (…) mal: VF, MF Nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren aber: MF, NE, Null allein: Null, VE Adverbkonnektor-Einzelgänger doch: VF, Null DOCH: MF und DOCH: VF, VE wieder: NE

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C Semantische Konnektorenklassen

Subjunktoren alldieweil da (veraltet) derweil(en) dieweil(en) indem (veraltet) indes(sen) während währenddessen Postponierer bloß dass nur dass wogegen wohingegen Der syntaktischen Subklasse nach stellen parataktisch verknüpfende Adverbkonnektoren den größten Teil der adversativen Konnektoren; subordinierende adversative Konnektoren – Postponierer und Subjunktoren mit ausgeprägter Postpositionstendenz – sind durchweg jüngere, sekundäre Bildungen: relativische Varianten zu Pronominaladverbien (wogegen, wohingegen), Sekundärinterpretationen von genuin temporalen Subjunktoren (während(dessen), derweil, (all)dieweil) und um dass erweiterte Adverbkonnektoren (nur dass, bloß dass). Mit aber, doch und (weniger eindeutig) jedoch enthält die Liste auch drei Adverbkonnektoren, die an der Nullstelle die konjunktortypische, für Adverbkonnektoren ungewöhnliche prosodische Integration aufweisen können. Diese offensichtliche Zwittrigkeit schlägt sich in Grammatiken häufig in widersprüchlichen syntaktischen Klassifikationen nieder.1 In HDK-1 wurde zum Zwecke einer einheitlichen Klassifikation von der Konjunktionstradition zugunsten einer Klassifikation als nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor abgewichen. Es lässt sich allerdings zeigen, dass mit den Positionen an der Nullstelle und den integrierten Positionen bei aber und doch jeweils unterschiedliche Bereiche im Bedeutungsspektrum dieser Konnektoren abgedeckt werden; im Fall von aber rechtfertigen diese u. E. aber nicht die Annahme von Polykategorialität. Die syntaktische Subklassenzugehörigkeit des Inventars hat zur Folge, dass Adversativität überwiegend im oder vor dem linear zweiten Konnekt markiert wird, was konzeptuell sicherlich plausibler ist als eine vorweggenommene Markierung von Kontrast im ersten Konnekt. In der Kodierung spielt syntaktische Unterordnung eine  

1 In der Duden-Grammatik (2005) werden im Kapitel Wortarten aber, doch und jedoch als nebenordnende Konjunktionen angeführt, mit dem Hinweis, dass sie im Mittelfeld Konjunktionaladverbien sind (ebd. 630); im Textkapitel werden aber und doch als Konjunktionen, (je)doch als Adverb klassifiziert.

C2 Additiv basierte Konnektoren

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geringere Rolle, ist aber nicht ganz ausgeschlossen, auf der anderen Seite liegt aber auch kein rein symmetrisches Koordinationsmuster wie bei und vor. Adversativität spielt sich syntaktisch also in einem Übergangsbereich zwischen Symmetrie und Asymmetrie ab; das spiegelt die semantische Zwischenstellung zwischen der (überwiegend symmetrisch-koordinativ kodierten) Additivität einerseits und der (überwiegend asymmetrisch-subordinativ kodierten) Konzessivität andererseits: aber, der zentrale adversative Konnektor, füllt diese gesamte Bandbreite zwischen und und obwohl. (1)

(2)

Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand. (König Drosselbart) ≈ und besonders machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand. Wir haben alle für sie gefleht und gebeten, sagte die Königin, aber der Zorn des Königs war nicht zu erweichen. (Die Gänsehirtin am Brunnen) ≈Obwohl wir alle gefleht […] haben, war der Zorn des Königs nicht zu erweichen.

In der etymologischen Herkunft lassen sich im Wesentlichen vier Quellbereiche erkennen. Eine dieser Quellen ist der lokale Bereich, speziell Ausdrücke, die eine „konfrontative“ Raumrelation denotieren: hingegen, da(hin)gegen, demgegenüber, dementgegen, anderseits sowie weitere nicht lexikalisierte Bildungen (s. C2.3.5.1); die metaphorische Umdeutung ist auch in anderen Bereichen des Deutschen (vgl. die metaphorischen Bedeutungen von gegenüberstellen, konfrontieren, die Stirn bieten oder Front (< lat. frons ‚Stirn‘) und in anderen Sprachen ausgeprägt (engl. but (< utan ‚außerhalb‘), on the other hand). Auch aber gehört in diese Gruppe (Komparativbildung zu idg. *apo/apu ‚ab, weg‘, also wörtlich ‚weiter entfernt, später‘, woraus sich über die Zwischenstufe ‚wieder, noch einmal‘ (vgl. abermals) die adversative Bedeutung entwickelte; vgl. Pfeifer 1997: 3). Die zweite Quelle bilden Interpretationsanreicherungen von Temporalkonnektoren, die Gleichzeitigkeit oder Repetitivität ausdrücken: während, währenddessen, indes(sen), alldieweil, derweil, wieder, (hin)wieder(um) (s. C2.3.5.2 und C2.3.5.3). Bei diesen Konnektoren liegt reguläre Polysemie vor (s. A3.2.2); auch sie ist in anderen Sprachen belegt (vgl. etwa engl. while) und bei Heine/Kuteva (2002) als regulärer Grammatikalisierungspfad angegeben. Die Umdeutung erfolgt nach der Logik, dass ein Nebeneinander zweier Ereignisse im Prinzip wenig informativ und besonders dann erwähnenswert ist, wenn über die zeitliche Koinzidenz hinaus noch ein weiterer Zusammenhang besteht. (s. A3.2.2). Eine dritte Quelle bilden ursprüngliche Affirmativitätsmarker, die häufig in einer dreischrittigen Argumentationskette gebraucht werden: Erst wird p behauptet, dann (von einem anderen Sprecher oder monologisch argumentierend) p bestritten und schließlich gegen diesen Einspruch bekräftigend erneut affirmiert. Dies trifft auf doch,

516

C Semantische Konnektorenklassen

jedoch, allerdings, freilich zu. In einem solchen Kontext kann die Affirmation gegen einen vorherigen Einspruch leicht ihrerseits als Kontrastmarker gedeutet werden. (Zur diachronen Herleitung von adversativem allerdings aus affirmativem betontem allerDINGS = ‚in der Tat‘ s. C2.3.6 und im Detail Breindl 2003 und 2004d). Generell erscheinen adversative Konnektoren häufig in Kombination mit einem Affirmativitätsmarker: zwar/wohl/schon/durchaus p, aber q oder p, aber freilich/doch q, was solche Umdeutungen von der Bejahung zur Verneinung befördert; vergleichbar wohl auch der unter der Bezeichnung „Jespersens Zyklus“ im Französischen und anderen europäischen Sprachen beobachteten Übertragung der Negationsbedeutung von der ursprünglichen Negation (frz. ne) auf eine damit kombinierte Verstärkungspartikel (pas). Die vierte Quelle sind Einheiten mit einer skalaren Bedeutung. Die restriktiven Fokuspartikeln allein, bloß und nur werden zu adversativen Konnektoren, wenn sie Satzskopus haben (s. C2.3.7), ein ebenfalls in vielen Sprachen verbreitetes Polysemiemuster. (Im Englischen hat umgekehrt das adversative but eine sekundäre Verwendung als Fokuspartikel. vgl. life is but a dream.) Da Skalierung gleichbedeutend ist mit Einordnung der Konnektbedeutung in eine Skala von geordneten Alternativen, ist mit diesen Konnektoren häufig eine sprechersubjektive Wertung und Gewichtung verbunden. Noch ein Wort zur Frequenz: Mit weitem Abstand ist aber der meistgebrauchte adversative Konnektor. In den Tonkorpora des IDS folgen in der Kategorie allgemeine Umgangssprache den über 10.000 aber-Belegen mit absteigendem Rang 940 allerdings-Belege, 43 jedoch-Belege, 17 hingegen-Belege und 4 Belege mit demgegenüber. Doch ist zwar über 10.000 mal belegt, darunter finden sich aber hauptsächlich Abtönungspartikel-Verwendungen (ich bin doch nicht blöd). In der geschriebenen Sprache dagegen sind doch-Verwendungen sehr viel häufiger adversativ: eine Stichprobe von 100 zufallsgenerierten doch-Belegen ergab einen Anteil von nur 21 Verwendungen als Abtönungspartikel.

2.3.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Als adversativ werden hier Konnektoren klassifiziert, die mit ihrer lexikalischen Bedeutung signalisieren, dass ihre Argumente unter irgendeinem Aspekt miteinander kontrastieren. Dass adversative Verknüpfungen recht unterschiedliche Ausprägungen haben können und in ihnen ganz unterschiedliche Entitäten in eine kontrastive Beziehung gesetzt werden können, mögen vorderhand einige aber-Verknüpfungen aus den Grimm’schen Hausmärchen zeigen (GRI/KHM, Grimm, Märchen). (3a)

Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug und gescheit und wußte sich in alles wohl zu schicken, der jüngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(3b)

(3c) (3d) (3e) (3f)

(3g)

(4)

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Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach „Tischchen, deck dich“. Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Die Kinder gaben sich alle Mühe, aber sie konnten den Bart nicht herausziehen, er steckte zu fest. Da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Dann schüttelte sie dem Kind sein Kißchen, legte es wieder hinein. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Da gab ihr Gretel einen Stoß, daß sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu ! Da fing sie an zu heulen, ganz grauselich; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe mußte elendiglich verbrennen. Gretel aber lief schnurstracks zum Hänsel, öffnete sein Ställchen und rief: „Hänsel, wir sind erlöst, die alte Hexe ist tot.“ Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist groß und wird sich, aber wem sage ich das, weiterhin verschärfen. (http://www.stadt-koeln.de/imperia/md/content/pdfdateien/pdf134/ob-reden/2007/10-oktober/19.pdf)

Was die Beispiele jenseits der ausdrucksseitig identischen Kodierung inhaltlich miteinander gemeinsam haben, ist, dass in den Argumenten Informationseinheiten als vergleichbare Größen und potentielle Alternativen aufeinander bezogen werden, ihre Gleichheit oder allgemeiner „Gleichläufigkeit“ und Zusammenfassbarkeit unter einem bestimmten Aspekt und vor einem gegebenen Diskurshintergrund aber explizit in Abrede gestellt wird. Dabei wird der Hintergrund mit der gleichläufigen Textfortsetzung erst im Nachhinein aus der gesamten Verknüpfung oder dem sie umgebenden Kontext rekonstruierbar. In (3a) werden zwei Brüder hinsichtlich ihrer Intelligenz miteinander verglichen und durch die Charakterisierung mit antonymen Prädikaten als entgegengesetzte Pole auf einer Skala eingeordnet. Hintergrund für die Kontrastierung ist, dass eine identische Charakterisierung zur Disposition stand; (3a) ist eine passende Antwort auf die Frage: Sind beide Söhne klug? Den Hintergrund für den Kontrast in (3b) bildet, dass – im Kontext des Märchens – normalerweise der Ausspruch Tischchen deck dich zur Folge hat, dass das Tischchen sich regt und sich füllt. Mit der Aussage aber q wird das Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse in Abrede gestellt. (3c) ist ähnlich zu verstehen. Die Unterbrechung des Gleichlaufs von Ereignissen besteht hier darin, dass das externe Argument eine Intention bezeichnet, deren Erfüllung mit dem internen Argument explizit verneint wird. Der Unterschied zu (3b) besteht lediglich darin, dass zwischen einem Vorhaben und dessen Realisierung keine so strenge Folgerichtigkeit besteht wie (in der Welt des Märchens) zwischen

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C Semantische Konnektorenklassen

einem Zauberspruch und dessen Wirkung. In (3d) wird mit aber q ebenfalls eine Ereigniskette von der Intention zur Realisierung durchbrochen, q drückt dies aber nicht direkt aus, sondern bezeichnet einen „hindernden“ Umstand, der das Scheitern des Vorhabens zur Folge haben dürfte. Die Eigenschaftszuschreibungen arm und eine schöne Tochter haben in (3e) können anders als klug und dumm in (3a) nicht als Kontraste auf einer Vergleichsdimension verstanden werden. Verglichen werden hier vielmehr Bewertungen, die sich an die Argumente knüpfen, diese Bewertungen repräsentieren dann aber wieder wie in (3a) entgegengesetzte Pole auf einer Skala. (3f) scheint der Definition auf den ersten Anschein zuwider zu laufen, da hier über zwei Entitäten dem Sinn nach identische Prädikationen (‚sich kümmern‘) getroffen werden. Der Kontrast ist hier vor dem Hintergrund zu verstehen, dass distinkte Charakterisierungen zur Disposition standen. (3f) wäre z. B. eine passende Erwiderung auf die Frage: Kümmerte sie sich nur um das Kind? oder eine Korrektur-Replik auf die Aussage: Sie kümmerte sich um das (wichtige) Kind und vergaß das (weniger wichtige) Reh. Auch in (3g) ist kein Kontrast zwischen Propositionen erkennbar. Die als Hintergrund rekonstruierbare gleichläufige Fortsetzung, deren Unterbrechung mit aber signalisiert wird, betrifft hier nur die Konstanz des Satztopiks: aber zeigt hier lediglich einen Topikwechsel und leitet – nach einer Absatzgrenze – einen neuen thematischen Abschnitt ein. In (4) wird der Kontrast auf einer metakommunikativen Ebene hergestellt: der Sprecher stellt hier (kokettierend) den Mitteilungswert der Äußerung für den Adressaten in Frage. Aus den Beispielen lassen sich mehrere Erkenntnisse ableiten. Erstens zeigen sie, dass die Interpretation adversativer Verknüpfungen stark kontextabhängig ist, da der zu rekonstruierende Hintergrund mit der gleichläufigen Verknüpfung, der durch die adversative Verknüpfung korrigiert wird, durch ganz unterschiedliche Entitäten definiert sein kann. In vielen Fällen bietet die Konnektorkonstruktion selbst einen ausreichenden Kontext für die Identifikation dieser Entitäten und die Rekonstruktion des Hintergrunds; es kann aber auch sein, dass erst der umgebende Kontext eindeutige Hinweise auf den Hintergrund und damit den intendierten Kontrast liefert. Aus dem Bedeutungsspektrum von aber werden in den Beispielen durch den Kontext unterschiedliche Lesarten aktiviert. Deren Verschiedenheit zeigt sich auch daran, dass die jeweiligen semantischen „Äquivalenzklassen“ für aber, d. h. die Menge der für aber – gegebenenfalls unter Anpassung der syntaktischen Konstruktion – substituierbaren adversativen Konnektoren, teilweise distinkt ist (zur Methode der Bildung von Äquivalenzklassen bei adversativen Konnektoren vgl. auch Stede 2004). In den obigen Beispielen ist aber etwa durch folgende Konnektoren ersetzbar.  



(3a) (3b/c)

hingegen, dagegen, während, wo(hin)gegen dennoch, trotzdem, obwohl

C2 Additiv basierte Konnektoren

(3d) (3e) (3f) (3g)

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allerdings, doch, nur allerdings, dafür, immerhin Ø Ø, und

Neben der „Universal-Adversativkonjunktion“ aber (Lang 1991), deren Interpretation die größte Kontextabhängigkeit hat, existiert also eine Reihe von semantisch spezifischeren adversativen Konnektoren, die jeweils nur Teilbereiche von Adversativität abdecken. Aus dieser Situation heraus wurde das Problem der Subklassifikation von Adversativität meist in der Form der Frage formuliert, wie viele abers zu unterscheiden seien und ob für diese überhaupt noch ein gemeinsamer Nenner zu finden sei. Die Situation ist in anderen Sprachen vergleichbar, wo häufig ein prototypischer, semantisch unterspezifizierter Kontrastkonnektor (engl.: but, frz.: mais, ndld.: maar, ital.: ma) neben spezifischeren Konnektoren existiert, wobei die Art und Weise der Aufteilung der Kontrastlandschaft in den Einzelsprachen durchaus unterschiedlich erfolgt. So deckt beispielsweise im Englischen, Französischen, Niederländischen, Norwegischen, Dänischen, Italienischen, Lateinischen der zentrale Kontrastkonnektor auch den korrektiven Bereich ab, der in anderen Sprachen (Spanisch, Schwedisch, Iwrith, Mandarinchinesisch) differentiell kodiert wird, im Deutschen durch sondern und vielmehr (s. zu den Differenzparametern zwischen adversativ und korrektiv C2.2.4.7), während eine dritte Gruppe – darunter die slawischen Sprachen – gemischte Systeme hat (vgl. Adamíková 2004). Zweitens zeigen die Beispiele, dass die weit verbreitete „konzessive“ Beschreibung von aber als Zurückweisung einer Folgerung aus dem ersten Konnekt, die vor allem mit den Namen Lakoff (1971) und Anscombre/Ducrot (1977) in Verbindung gebracht wird, sich aber schon bei Becker (1870/1969) und Frege (1918) findet, keine geeignete Bedeutungsbeschreibung für alle aber-Verwendungen sein kann, wenn man an einer bedeutungsminimalistischen Klammer festhalten möchte. Diese Beschreibung geht davon aus, dass das externe Argument eines adversativen Adverbkonnektors eine Erwartung auslöst, die im Widerspruch steht zu seinem internen Argument oder einer Folgerung aus diesem. Der Aspekt der „Erwartung“ kann dabei als eine nicht-logische, auf Alltagserfahrung und Kontextwissen basierende „im Defaultfall“ (D) geltende implikative Beziehung zwischen p und ¬q beschrieben werden: p aber q:

für die direkte Zurückweisung: für die indirekte Zurückweisung

D (p → ¬q) D (p → ¬r) Ù (q → r)

Stellvertretend hier einige solche Standardexplikationen für aber. „Zwei Gedanken stehen miteinander in einem adversativen Verhältnis, wenn der eine Gedanke nicht den anderen Gedanken selbst, sondern eine aus anderen Gedanken gezogene Folgerung

520

C Semantische Konnektorenklassen

aufhebt, in dem der Grund nur ein partieller, und die aus ihm gezogene Folgerung daher nicht eine notwendige sondern nur eine mögliche ist.“ (Becker 1870/1969: 294) „Das Wort ‚aber‘ unterscheidet sich von ‚und‘ dadurch, dass man mit ihm andeutet, das Folgende stehe zu dem, was nach dem Vorhergehenden zu erwarten war, in einem Gegensatze.“ (Frege 1918: 63) „direkte oder indirekte Negierung einer impliziten Schlussfolgerung“, „Zurückweisung einer unterstellbaren Folgerung“ (Brauße 1983: 10) „Aber zeigt an, dass p und q im relevanten Kontext K (vor dem gegebenen Redehintergrund) zu einander widersprechenden Schlüssen r und ¬r berechtigen, wobei das zweite Konnekt und die darauf basierende Folgerung größeres argumentatives Gewicht hat.“ (König 1991a: 635) „indicating that the assertion rendered by the second clause is in contrast to an ASSUMPTION that either may be read off, or must be inferred from, previous information“ (Lang 2000: 247)

Diese Beschreibungen decken sich weitgehend mit der Standarddefinition von Konzessivität (s. C4.3), die mit dem Konzept des „Widerspruchs gegen eine Normerwartung“ ebenfalls eine kontrakausale Beziehung zwischen den Argumenten annimmt und p, obwohl q wie oben als D (p → ¬q) formalisiert (vgl. Breindl 2004c). Während aber diese Implikation bei den monosem konzessiven Konnektoren allein der lexikalischen Bedeutung des Konnektors geschuldet ist, ist sie bei den adversativen Konnektoren eine Inferenz, die in Abhängigkeit vom Kontext erfolgen kann, aber nicht erfolgen muss. Konzessive Konnektoren gehören damit wie kausale oder finale Konnektoren zu den konditional basierten Konnektoren; die Konditionalbeziehung zwischen Bedingung und Folge ist bei ihnen eine durch den Konnektor obligatorisch mitgelieferte Präsupposition. Für einen „Nonsens“-Satz wie (5), bei dessen Interpretation wir durch keinerlei Sach- und Kontextwissen von der lexikalischen Bedeutung des Konnektors abgelenkt werden, liefert uns nur der Konnektor die konditionale Präsupposition, dass das „Prempeln von Knullen“ normalerweise zum „Nicht-Urzen von Fipis“ führt. (5)

Der Knull hat geprempelt. Trotzdem hat das Fipi geurzt.

In aber-Verwendungen wie (3a) und (3e–g) ist die Unterstellung einer Konditionalbeziehung dagegen sinnlos und Ersetzung oder Ergänzung von aber durch trotzdem ist nicht möglich. Die Bedeutung von aber ist hier weniger spezifisch: Es blockiert keine wenn-Beziehung zwischen dem externen Argument und der Negation des internen Arguments, sondern lediglich eine und-Beziehung. Dabei ist es in erster Linie Ansichtssache des Sprechers, was er als gleichläufige, durch und verknüpfbare Information verstanden wissen will, und was er als Unterbrechung der Kontinuität darstellen will: auch die Argumente einer und-Verknüpfung müssen sowohl gemeinsame Merkmale aufweisen (um eine „Gemeinsame Einordnungsinstanz“ zu garantieren) als auch

C2 Additiv basierte Konnektoren

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distinkte Merkmale (um Informativität zu garantieren). Dieser Gedanke steht hinter der Redeweise aber sei „und plus Weltanschauung“. In den obigen Beispielen (3a–g) ist aber immer ohne Beeinträchtigung der Wahrheitsbedingungen mit und austauschbar (bei syntaktischer Anpassung); was dabei verloren geht, ist ein Hintergrund, vor dem sich nur die aber-Äußerung kontrastierend abhebt, der aber für eine und-Verknüpfung nicht existiert. Umgekehrt sind auch und-Verknüpfungen belegt, deren Argumente lexikalisch kontrastieren (s. C2.1.3.1.2.2). (6)

Und ich hätte ihn auch gern ernährt, nur er hatte viel Geld und ich hatte keins (Bottroper Protokolle, S. 108; Bsp. aus Polikarpov 1997: 187) Zu mehr als 500 in Irak getöteten US-Soldaten sagte er [= Bush]: „Der Aufbau eines neuen Irak ist hart, und er ist gerecht.“ (Die Rheinpfalz, 22.01.2004, S. 1)  

(7)



Die hier angenommene Bedeutung von aber steht mehr in Einklang mit Beschreibungen, die auf die Eröffnung von Alternativen abheben und die Rolle des Kontexts in den Vordergrund rücken. Brauße (1998) zeigt die Kontextabhängigkeit der Wahl einer und- gegenüber einer aber-Verknüpfung; Umbach/Stede (1999) beschreiben konzessive aber-Interpretationen als „kausale Überinterpretation“. Sæbø (2003), Umbach (2005) und Breindl (2008a) bedienen sich mit dem Alternativenbezug eines Konzepts, das in der Analyse für Fokuspartikeln etabliert ist. Die GDS (2403) spricht von „Fokusumlenkung“ (gemeint ist hier allerdings nicht der informationsstrukturelle Satzfokus) und Markierung von Diskontinuität. Auch Rosengrens Formulierung (1984: 223) kommt in ihrer Allgemeinheit unserer Auffassung näher: „Es ist die Aufgabe von aber, zwei Sachverhalte auf dem Hintergrund ihrer Kompatibilität als Gegensätze zu indizieren“ – wohlgemerkt Kompatibilität, nicht Folgerichtigkeit!

2.3.3 Verwendungen von aber und Ausprägungen von Adversativität Vor dem Hintergrund dieser Beschreibung erscheint das Bemühen, eine exhaustive Liste von „aber-Lesarten“ aufzustellen, nicht sinnvoll, da ja der Kontinuitäts-Hintergrund, vor dem sich eine aber-Verknüpfung abheben soll, aus ganz unterschiedlichen Teilen der Proposition gebildet sein kann. Solche Listen fallen denn auch quantitativ wie qualitätiv recht heterogen aus (vgl. Breindl 2004b, 2004e). Wenn sich dennoch eine Reihe von aber-Verwendungen als Konstanten in der Diskussion etabliert hat, dann liegt das daran, dass sie aufgrund von formalen Eigenschaften relativ gut identifizierbar sind: Zum einen, weil ihre jeweiligen Äquivalenzklassen verschieden sind, zum anderen, weil sie sich im formalen und informationsstrukturellen Bau ihrer Konnekte unterscheiden, vor allem in den topologischen Positionen des Konnektors selbst. Im Folgenden werden einige relativ gut abgrenzbare Typen von aber-Verwendungen beschrieben, wobei jeweils typische Verwendungsbeispiele, die „Äquivalente“ und

522

C Semantische Konnektorenklassen

besondere formale Eigenschaften angegeben werden. Aufgrund der Tatsache, dass bei manchen Adverbkonnektoren die Bedeutung sensitiv gegenüber ihrer Stellung ist, werden die Äquivalente hier anders als in Stede (2004) immer positionell spezifiziert.

2.3.3.1 Kontrastiver Vergleich („contrastive comparison“, „semantic opposition but“) (8)

(9)

Wenn der Regen niederbraust, wenn der Sturm das Feld durchsaust, [bleiben]K1 [Mädchen oder Buben]T1 [hübsch daheim in Ihren Stuben]K1. [Robert]T2 aber [dachte: Nein! Das muß draußen herrlich sein!]K2 (Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter) [Die Schermaus, welche keinen Winterschlaf hält]T1, [lebt fast ausschließlich unter der Erde in hochovalen etwa 5 cm breiten und 7 cm hohen Gängen]K2. [Die Gänge des Maulwurfs]T2 hingegen [sind queroval]K2. (http://www.dlrrheinpfalz.rlp.de/Internet/global/themen.nsf) Aber [der Text, der damals beschlossen wurde]T1, [stieß seinerzeit auf wenig Interesse und Beachtung]K1. [Heute]T2 jedoch [könnte seine Kenntnis dazu beitragen, die Diskussion aus ihrer Einseitigkeit herauszuführen]K2. (Limas Korpus, LIM/LI1.00180) Während [wir]T1 [erst zwei Tage auf eine Antwort Kubas warten]K1, [wartet]K2 [der Fernsehjournalist Andreas Holst]T2 [schon seit Juni auf eine Antwort des State Departments]K2. (die tageszeitung, 09.09.1989, S. 7) [In Mischehen]T1 [werden nur ganz geringfügig mehr Kinder geboren als in deutsch-deutschen Ehen]K1, wohingegen die Kinderzahl [in rein ausländischen Ehen]T2 [etwa doppelt so hoch ist]K2. (Mannheimer Morgen, 07.09.1985, S. 17)  

(10)

(11)





(12)



Dass der „kontrastive Vergleich“ sich einer konzessiven Bedeutungsbeschreibung widersetzt, war für Lakoff (1971) Anlass für eine Polysemieannahme für das engl. but, die in der Kontrastliteratur weit verbreitet ist: Ein kontrastiv vergleichendes „semantic opposition“-but wird von einem konzessiven „denial of expectation“-but unterschieden. Beim kontrastiven Vergleich haben die Konnekte eigenständige, parallel strukturierte Topik-Kommentar-Gliederungen, wobei die Topiks als kontrastive Topiks im Sinne von Büring (1997) aufeinander bezogen sind und die darüber ausgesagten Kommentare im gegebenen Kontext als antonym oder kontradiktorisch zu interpretieren sind. (Dazu müssen sie nicht lexikalische Oppositionen denotieren.) Ein kontrastives Topik löst die Implikatur aus, dass es zur Topikkonstituente eine geschlossene Menge von Alternativen gibt, auf die ein Element aus der Menge der Fokusalternativen des dazugehörigen Fokus im Kommentarteil zutrifft, nicht aber dieser Fokus

C2 Additiv basierte Konnektoren

523

selbst. Die Topik-Alternativen sind „Teiltopiks“ und die Kommentare zu diesen liefern Unterantworten auf Unterfragen, in die eine Überfrage aufgespalten wird. Das formale Korrelat hierfür ist eine prosodische Hervorhebung: Ein kontrastives Topik trägt einen steigenden Akzent und ist über eine Hutkontur mit dem Fokusakzent verbunden. Diese prosodische Kontur signalisiert kommunikative Unvollständigkeit der Proposition. Bei impliziten Kontrastierungen (13) oder gespaltener Topikalisierung (14) darf der Adressat eine Fortsetzung erwarten und einfordern, da die prosodische Hervorhebung des Topiks im Zusammenwirken mit dem Kontext signalisiert, dass die zur Debatte stehende Frage vom Sprecher erst dann erschöpfend beantwortet ist, wenn auch die übrigen Teiltopiks „abgearbeitet“ sind. Ein kontrastiver Vergleich ist nun genau die „natürliche“ Einlösung der Adressatenerwartung, indem die Teiltopiks nacheinander abgearbeitet werden. (13)

[Scarlett O’Hara flieht während des amerikanischen Bürgerkriegs aus dem brennenden Atlanta auf die heimatliche Plantage Tara und fragt ihren Vater nach der Mutter und den Schwestern.] Scarlett: „Pa, sind sie wieder gesund?“ – Vater: „Den /MÄDchen geht es BESser\. … “. (Mitchell, Wind, S. 362) → „natürliche“ Fortsetzung: Aber deine /MUTter ist gestern geSTORben\.“ /ROTwein habe ich nur franZÖsischen …\, → „natürliche“ Fortsetzung: aber /WEISSwein habe ich auch EINheimischen\.  

(14)

Die Konstruktion wird in erster Linie durch die informationsstrukturelle Parallelität und das prosodische Muster der Hutkontur getragen, die zumindest für das zweite Konnekt obligatorisch ist. Ansonsten ist der kontrastive Vergleich nicht an ein bestimmtes syntaktisches Verknüpfungsverfahren gebunden: Er tritt in der Asyndese (15, 16a), in koordinativen und-Verknüpfungen (16b), in parataktischen Verknüpfungen mit adversativen Adverbkonnektoren (16c) und in subordinativen Konstruktionen (16d) gleichermaßen auf. (15)

Frage an Radio Eriwan: „Was ist der Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Pessimisten?“ Antwort: „Der Optimist lernt Englisch, der Pessimist Chinesisch.“

(16a)

[Die /KAMmerfrau]T1 [ward die /TREPpe hinaufgeführt]K1, [die /WAHre Königstochter]T2 [mußte UNten\ stehen bleiben]K2. [Die /KAMmerfrau]T1 [ward die /TREPpe hinaufgeführt]K1, und [die /WAHre Königstochter]T2 [mußte UNten\ stehen bleiben]K2. [Die /KAMmerfrau]T1 [ward die /TREPpe hinaufgeführt]K1, [die /WAHre Königstochter]T2 hingegen [mußte UNten\ stehen bleiben]K2. [Die /KAMmerfrau]T1 [ward die /TREPpe hinaufgeführt]K1, während [die /WAHre Königstochter]T2 [UNten\ stehen bleiben musste.]K2.

(16b) (16c) (16d)

524

C Semantische Konnektorenklassen

Eine Hutkontur im ersten Konnekt und strukturelle Parallelität der Konnekte ist nicht obligatorisch; wichtig ist, dass zum kontrastiven Topik des zweiten Konnekts eine passende Alternative aus dem ersten Konnekt inhaltlich zugeordnet werden kann. In (17) kontrastiert das Topik des zweiten Konnekts mit prosodisch nicht hervorgehobenen Hintergrundmaterial des ersten Konnekts. (17)

Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sind Plutoniumteilchen in einem Umkreis bis zu 800 km gefunden worden, so ein Bericht der Universität Groningen. [In /soWJEtischen Berichten]T2 hieß es hingegen, [Plutonium wäre im Umkreis von 30 km\ aufgetreten]K2. (die tageszeitung, 02.10.1986, S. 1)  





Einige adversative Konnektoren sind auf den Ausdruck des kontrastiven Vergleichs spezialisiert (hingegen, dagegen, wohingegen, während), die unspezifischeren Adversativkonnektoren aber und jedoch haben in der Lesart des kontrastiven Vergleichs eine Affinität zur Nacherstposition, die generell die Funktion hat, Topikwechsel zu signalisieren (vgl. Breindl 2008a). Kontrastive Vergleiche mit diesen Konnektoren im Mittelfeld sind seltener, noch schlechter stellt sich die Lesart mit dem Adverbkonnektor im Vorfeld ein. (18)

Ihren Ruf verspielte die UNO in den Augen der Malaysier, als sie Kuwait geholfen, die Moslems in Bosnien aber im Stich gelassen habe. (Die Presse, 16.10.1996, o. S.)  

Nach Lang (2001, 2004) und Lang/Adamíková (2007) unterscheidet sich die kontrastiv-vergleichende von der konzessiven Lesart topologisch, informationsstrukturell und prosodisch: (19) (19a) (19b)

Was machen deine Eltern? Ich bin entsetzt! [[Mein /VAter]T [ist ernsthaft /KRANK]F, aber [meine Mutter geht ARbeiten.\] F]IP Es geht ihnen unterschiedlich: [[Mein /VAter]T [ist ernsthaft /KRANK]F]IP, [aber [meine /MUTter]T [geht ARbeiten.\] F]IP

Bei der konzessiven Lesart in (19a) liegt nach Lang anders als beim kontrastiven Vergleich weiter Fokus vor und die gesamte Verknüpfung bildet eine Intonationsphrase. Beim kontrastiven Vergleich umfasst der Fokus dagegen nur die VP und es gibt zwei Intonationsphrasen. Der Konnektor hat in dieser Lesart einen niedrigen Ton und der erste Akzent im zweiten Konnekt ist fallend-steigend, bei der konzessiven Lesart sind Konnektor und erster Akzent des zweiten Konnekts beide hoch. Eine Überprüfung durch ein Perzeptionsexperiment (Umbach et al. 2004) konnte allerdings die Annahme so deutlich distinkter prosodischer Muster nicht bestätigen. Hinzu  

C2 Additiv basierte Konnektoren

525

kommt, dass Lang die Lesart des kontrastiven Vergleichs auf Fälle mit symmetrischer Elaboration der Konnekte beschränkt (er sieht sie als notwendige Bedingung für diese Lesart), was dann allerdings Fälle wie (17) ausschließt. Wir gehen davon aus, dass für eine eindeutige Identifizierung eines kontrastiven Vergleichs andere Indikatoren wichtiger sind: Notwendig sind informationsstrukturelle Zweigliedrigkeit des zweiten Konnekts in Topik und Kommentar, die Möglichkeit, dieses Topik als mit einer Konstituente des ersten Konnekts kontrastierend zu interpretieren und die kontrastive Interpretierbarkeit der Kommentare. Hinreichend, aber nicht notwendig, sind Konnektoren, die spezifisch für kontrastiven Vergleich sind (hingegen, dagegen, während, wo(hin)gegen) und Nacherstposition des Konnektors. Äquivalenzklasse: a) Adverbkonnektoren: aber (NULL, NE, MF), jedoch (NULL, NE, MF), hingegen (VF, NE, MF), dagegen (VF, NE, MF), indes(sen) (NE), wieder(um) (NE, MF?), doch (NULL), allerdings (NE), andererseits (NE) b) Subjunktoren/Postponierer: während, währenddessen, wogegen, wohingegen Besonderheiten der Konstruktion: c) bei Adverbkonnektoren Affinität zur Nacherstposition; im Vorfeld fraglich d) Obligatorische Strukturierung des Trägerkonnekts in kontrastives (prosodisch hervorgehobenes) Topik und Kommentar e) kontrastierende Kommentare (als antonym oder kontradiktorisch zu interpretieren) f) (8): ‚zu Hause bleiben‘ vs. ‚ausgehen‘; (9): ‚hochoval‘ vs. ‚queroval‘; (10): ‚wenig Beachtung finden/unwichtig sein‘ vs. ‚wichtig sein‘ g) häufig syntaktische und informationsstrukturelle Parallelstruktur h) Konnektor weglassbar i) keine implikative Beziehung zwischen den Argumenten

2.3.3.2 Konzessivität („Erwartungsgegensatz“, „denial of expectation but“) (20)

Auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin wurden zwar erheblich mehr Personenwagen als an den Vortagen gezählt, aber die Abfertigung verlief im allgemeinen reibungslos. (Frankfurter Allgemeine, 24.12.1965, S. 1) Eine vorzeitige Haftentlassung habe zwar einen „wirklichen Gesinnungswandel“ zur Voraussetzung. Aber: Von staatlicher Seite werde „mit Sicherheit nicht ein Papier verlangt, in dem sie offiziell abschwören“. (die tageszeitung, 15.08.1988, S. 4) Kurtchen ermüdete, schaufelte aber unentwegt. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 336)  

(21)



(22)



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(23)

C Semantische Konnektorenklassen

Für den kommenden Sonntag ist in Köln ein Gründungstreffen für eine grünnahe Stiftung geplant. Die Idee ist nicht neu, doch fühlen sich grüne Gremien übergangen. (die tageszeitung, 10.09.1986, S. 3) Deutsche Behörden […] sollen laut „Stern“ vom Bundesnachrichtendienst, dem amerikanischen CIA, dem britischen und sogar dem sowjetischen Geheimdienst seit Jahren Hinweise auf den illegalen Handel erhalten haben. Sie hätten die zahlreichen Warnungen jedoch „systematisch ignoriert“. (die tageszeitung, 22.03.1989, S. 2) Der Vorwurf der Manipulation sei leider zutreffend, erklärte Lutter. Jedoch sei die Wahl gültig, da derartige Absprachen nicht rechtswidrig seien. (die tageszeitung, 15.09.1986, S. 2)  

(24)



(25)



Eine konzessive Interpretation von aber und anderen adversativen Adverbkonnektoren kann sich einstellen, wenn die von den Konnekten denotierten Sachverhalte die Konstruktion einer auf Alltagserfahrung basierenden implikativen Beziehung wenn p, dann normalerweise nicht q erlauben. Das interne Konnekt kann dann als „Behauptung entgegen andersliegender Erwartung“ verstanden werden (Lang 1977: 168). Konzessive Interpretationen erlauben von den adversativen Adverbkonnektoren zweifelsfrei nur die drei relativ unspezifischen aber, doch und jedoch, die auch die anderen Typen von Adversativität ausdrücken können. Adversative Subjunktoren oder Postponierer mit konzessiver Interpretation gibt es nicht. Eindeutig konzessive Verwendungen von aber sind vergleichsweise selten. Adversative Adverbkonnektoren haben bei konzessiver Lesart eine Affinität zu einer Position an der Nullstelle oder im Vorfeld; Mittelfeldposition kommt hier ebenfalls vor, aber wohl keine Nacherstposition. Der Konnektor ist (zumindest in den obigen Belegen) nicht weglassbar, ohne die Kohärenz zu gefährden (vgl. auch Lang 2001). Die Konnekte sind in der Regel weder syntaktisch noch informationsstrukturell parallel strukturiert, zumindest ist dies anders als beim kontrastiven Vergleich keine Bedingung. Äquivalenzklasse: a) Adverbkonnektoren mit einer konzessiven Lesart: aber (NULL, MF), jedoch (NULL, VF, MF), doch (NULL, VF) b) monosem konzessive Adverbkonnektoren: trotzdem, dennoch, nichtsdestotrotz etc. c) monosem konzessive Subjunktoren/Postponierer: obwohl, obzwar etc. (bei konverser Konstruktion) Besonderheiten der Konstruktion: d) Konnektor überwiegend im Vorvorfeld oder Vorfeld e) Keine Beschränkungen bezüglich des Topiktyps: kann konstant sein (24) oder neu etabliert

C2 Additiv basierte Konnektoren

f) g) h) i) j)

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Konditionalbeziehung zwischen den Argumenten inferierbar (24): ‚warnende Indizien vorhanden‘ → ‚reagieren‘ (23): ‚alte/fremde Idee‘ → ‚nicht gefragt werden müssen‘ (25): ‚Wahl manipuliert‘ → ‚Wahl ungültig‘ Konnektor nicht weglassbar

2.3.3.3 Planvereitelung („restriktives aber“, „frustrated plan“) (26) (27)

Der Riese machte den Versuch, konnte aber nicht über den Baum kommen, sondern blieb in den Ästen hängen. (GRI/KHM, Grimm, Märchen) Nach dreijähriger gemeinsamer Arbeit gedachte Willibrord, mittlerweile ein Mann in den Sechzigern, einen Teil der Verantwortung an den jüngeren Gefährten abzugeben. Bonifatius verzichtete aber auf die angebotenen Titel und Ehren. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 227) Viele Marokkaner hatten auf Arbeitsplätze in Libyen gehofft, Handels-Delegationen reisten nach Tripolis, um einen neuen Markt zu erschließen. Doch der Ölpreisverfall ließ auch Libyen in eine Wirtschaftskrise schlittern. (die tageszeitung, 02.09.1986, S. 4) Andere Länder bekundeten ebenfalls ihre Absicht, Gelder bereitzustellen. Allerdings war die erste Euphorie schnell verflogen. (Mannheimer Morgen, 02.11.85, S. 7). Eine immer größere Zahl von Wienern sucht auf immer mehr Quadratmetern Wohnfläche zu logieren. Bloß, die neue Wohnungsnot […] verbietet es ihnen. (Die Presse, 23.05.1992, o. S.)  

(28)



(29)



(30)



Ein „Planvereitelungs-aber“ wird in der Literatur seltener als eigene Lesart angegeben (weitere Bezeichnungen „limitierendes aber“, „restriktives aber“, „intentionales Widerspruchs-aber“, s. Posch/Rieser 1976). Beispiele dieses Typs werden bei Annahme von nur zwei Kontrasttypen mal der Lesart des kontrastiven Vergleichs, mal der konzessiven zugeordnet. Die Äquivalenzklasse von aber in diesen Verwendungen deckt sich aber weder mit der der einen noch mit der der anderen. Tatsächlich ist ein erheblich höherer Anteil von aber-Verwendungen diesem Typ zuzuordnen als dem konzessiven; bei Ereignisprädikaten kann er im Prinzip als die Standardverwendung schlechthin gelten, weil hier die Unterbrechung einer Ereigniskontinuität zum Ausdruck kommt. Das externe Konnekt denotiert einen Sachverhalt, der im Dienste eines Ziels steht, und das interne Konnekt drückt entweder direkt oder indirekt durch Nennung eines hindernden Umstands aus, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Es liegt also keine Unterbrechung einer Konditionalbeziehung (p → ¬q), sondern einer Finalbeziehung zugrunde: p, aber q:

(p damit r) Ù (q → ¬r)

528

C Semantische Konnektorenklassen

Häufig enthält das externe Konnekt intensionale oder inchoative Prädikate (wollen, (ver)suchen, beabsichtigen, anfangen) oder einen hypothetischen Konjunktiv (x hätte gerne p’) – dann bezeichnet der Restsatz nach Abzug der Intentionalitätskomponente das Ziel – und das interne Konnekt enthält grammatische oder lexikalische Negationsausdrücke. Die Unterbrechung der Ereigniskontinuität ist verwandt mit der konzessiven Beziehung, insofern „alltagslogisch“ aus einer Absicht oder einem Versuch auf die Durchführung oder Verwirklichung des Vorhabens geschlossen wird (was in der klassischen Logik natürlich nicht geht). Allerdings wirken die obigen Beispiele mit monosem konzessiven Konnektoren semantisch abweichend: (30a) (31a) (31b)

#Obwohl immer mehr Wiener größere Wohnungen suchen, verbietet es ihnen die Wohnungsnot. Da fing sie an zu flechten, doch die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. #Sie fing an zu flechten, dennoch stachen ihr die harten Weiden die Hände wund.

Es gibt aber auch Beispiele von Planvereitelungskontexten, in denen ein adversativer Ausdruck durch einen konzessiven ersetzbar oder um einen solchen ergänzbar ist. (32a)

Sie rüttelte ihn und rief ihn, aber sie konnte ihn nicht aufwecken. (GRI/KHM, Grimm, Märchen, S. 472) = Obwohl sie ihn rüttelte und rief, konnte sie ihn nicht aufwecken.  

(32b)

Eine Verschiebung hin zur Konzessivinterpretation kann umso leichter erfolgen, je stärker im externen Konnekt ein bestimmter Modus der Planverwirklichung fokussiert wird; auch ein Ausdruck, der einen hohen Grad des Bemühens denotiert, hat dieselbe Wirkung. (33a) (33b)

?Sie versuchten es, trotzdem gelang es nicht. Sie versuchten es mit aller Macht, trotzdem gelang es nicht.

Äquivalenzklasse: Adverbkonnektoren: (zwar) aber (NULL, NE, MF), jedoch (NULL, VF, MF), doch (NULL, VF), allerdings (VF, MF), nur, bloß, allein (NULL, VF) Subjunktoren/Postponierer: nur dass, bloß dass Besonderheiten der Konstruktion: a) p und q denotieren Ereignisse b) p zeitlich vor q c) p denotiert eine zielgerichtete Handlung, q drückt entweder das Nicht-Erreichen dieses Ziels aus, oder einen Umstand, der zur Vereitelung des Plans führt

C2 Additiv basierte Konnektoren

d) e) f)

529

in p häufig Ausdrücke für intentionale Modalität oder inchoativen Aspekt: (26): anfangen; (27): gedenken; (29): Absicht bekunden; (30): suchen in q häufig grammatische und lexikalisch inkorporierte Negationselemente: (27): x verzichtet; (29): x verfliegt; (30): x verbietet es konzessive Weiterinterpretation möglich nach der Alltagserfahrung, dass Anstrengung zum Erfolg führen kann

2.3.3.4 Kompensatorischer Gegensatz („Bewertungsgegensatz“, „evaluatives aber“) (34)

Es sei ja sehr schön in London, aber er vermisse die sonntäglichen Spaziergänge mit seinem Vater zu Gordon. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 24) Diese beiden, ein Londoner und ein Schotte, arbeiten wie die Pferde, aber wir müssen sie in der Hitze fleißig mit Bier versorgen. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 90) Weder Oskar noch Klepp schlugen sich auf den Daumen. Allerdings schlugen wir einige Nägel krumm. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 426) Die Kleinstadt Kukes quillt über von Kosovo-Flüchtlingen. Viele von ihnen haben die letzte Nacht unter freiem Himmel verbracht. Doch sie sind wenigstens in Sicherheit. (Salzburger Nachrichten, 31.03.1999, o. S.) Mein Zimmer in China Town hatte zwar keine Klimaanlage, sondern nur einen Ventilator, verfügte aber andererseits über einen zuverlässigeren Service […] als das Wisma Belia. (http://www.jutta-walz.de/malaysia.html)  

(35)



(36)



(37)



(38)

Beim „kompensatorischen“ aber besteht der Kontrast zwischen einem positiven und einem negativen Wert, der den Konnektbedeutungen aus der Sicht des Sprechers in Hinblick auf eine bestimmte, nicht in der Verknüpfung selbst genannte Funktion zuzuschreiben ist; externes und internes Konnekt fungieren hier im argumentationstheoretischen Sinne als Pro- und Kontra-Argument. Die Relata sind hier also immer einstellungsbewertete Sachverhalte und es handelt sich um Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene im Sinne von Sweetser (1990). Für diese Art der Verknüpfung, die in der Literatur regelmäßig als eigener Kontrasttyp beschrieben wurde, finden sich neben den Bezeichnungen „Bewertungsgegensatz“ (Posch/Rieser 1976) und „evaluativ“ (Eggs 1977) noch „argumentativ“ (Métrich/Courdier 1995) und „Kontrast durch implizierten Gegensatz zwischen Koprädikaten“ (Lang 1991: 618). Aber-Verknüpfungen von Adjektiven repräsentieren meist diesen Kontrasttyp; dabei können sie auch syntaktisch tiefer eingebettet sein. (39)

Georgi behauptete, daß sie zwar schön, aber von Herzen kalt und ränkesüchtig sei. (MK2/TLP, Larsen, Wege, S. 13)  

530

(40)

C Semantische Konnektorenklassen

Dies schlägt sich in der Speisekarte nieder, die mit bodenständigen, aber raffiniert zubereiteten Köstlichkeiten aufwartet. (St. Galler Tagblatt, 21.10. 1998, o. S.)  

Einige adversative Konnektoren kommen vorzugsweise oder ausschließlich in Kontrastkonstruktionen dieses Typs vor, insbesondere dafür, allerdings sowie korrelative adversative Konnektoren wie einerseits (…) anderseits, zum einen (…) zum andern. Dabei gibt es neben den wertungsneutralen auch einige wertungsspezifische, nämlich negativ wertende. Für den Ausdruck positiver Wertung gibt es keine adversativen Konnektoren, sondern nur skalierende (immerhin, wenigstens), die in solchen kompensatorischen Kontexten meist in Kombination mit einem adversativen Konnektor auftreten. wertungsneutral: aber, allerdings, jedoch, doch, einerseits (…) anderseits, dafür (41a) (41b)

Das Haus liegt (zwar) einerseits sehr günstig, aber/allerdings/jedoch/ doch/anderseits/dafür es ist/ist es ziemlich baufällig. Das Haus ist (zwar) einerseits ziemlich baufällig, aber/allerdings/jedoch/ doch/anderseits/dafür es liegt/liegt es sehr günstig.

negativ wertend: nur, bloß, nur dass, bloß dass (41c) (41d) (41e) (41f)

Das Haus liegt sehr günstig, nur/bloß ist es ziemlich baufällig Das Haus liegt sehr günstig, nur dass/bloß dass es ziemlich baufällig ist. #Das Haus ist ziemlich baufällig, nur/bloß liegt es sehr günstig. #Das Haus ist ziemlich baufällig, nur dass/bloß dass es sehr günstig liegt.

positiv wertend: (aber) immerhin, wenigstens, zumindest (41g) (41h)

#Das Haus liegt sehr günstig, aber immerhin/wenigstens ist es ziemlich baufällig. Das Haus ist ziemlich baufällig, aber immerhin/wenigstens liegt es sehr günstig.

Ob quer zu dieser Unterscheidung auch noch eine lexikalische Unterscheidung zwischen „gewichtungsneutralen“ und „gewichtenden“ kompensatorisch-adversativen Konnektoren angenommen werden sollte, ist umstritten. Gewichtend würde bedeuten, dass der Konnektor sein internes Konnekt als das (im argumentationstheoretischen Sinne) gewichtigere Argument markiert, so dass eine kongruente Diskursfortsetzung die Schlussfolgerung nur aus diesem ziehen dürfte – unabhängig davon, ob es sich um das Pro- oder Kontra-Argument handelt. Insbesondere für aber wurde eine stärkere Gewichtung oder Relevanz des internen Konnekts rekla-

C2 Additiv basierte Konnektoren

531

miert (Lang 1977: 66, Brauße 1983: 20, König 1991a: 635; Lang 2000: 249 „aber/but is intrinsically asymmetric in what has been called a change of perspective“), während sie umgekehrt für allerdings bestritten wurde (Breindl 2003, 2004d) oder hier geringere Gewichtung im Vergleich zum externen Konnekt angenommen wurde (Brauße 1983: 33). In (42a) gibt der erste Satz ein positives Resümee (Langsam geht es auch auf den anderen Baustellen voran.), das in der Textfortsetzung durch Beispiele erhärtet werden soll. Zwischen (42a), wo der positiv zu bewertende Inhalt des aber-Satzes mit dieser Eingangsbewertung übereinstimmt, und (42b), wo aber das negativ bewertete Argument einleitet, gibt es ein leichtes Akzeptabilitätsgefälle. (42a)

Langsam geht es auch auf den anderen Baustellen voran. Etwa dort, wo nach osteuropäischem Vorbild neue Wohnblocks aus Betonfertigteilen entstehen – […] keine architektonischen Kleinode, aber mit Stromanschluß, fließendem Wasser und Zentralheizung. (die tageszeitung, 22.12.1986, S. 8) ?Langsam geht es auch auf den anderen Baustellen voran. Etwa dort, wo nach osteuropäischem Vorbild neue Wohnblocks aus Betonfertigteilen entstehen – mit Stromanschluß, fließendem Wasser und Zentralheizung, aber keine architektonischen Kleinode.  

(42b)

Freilich ist nicht auszuschließen, dass eine eventuelle stärkere Gewichtung des internen Konnekts von aber dem informationsstrukturellen Prinzip der Späterstellung wichtiger Information geschuldet ist. Anders bei allerdings, wo in einer typischen Verwendung der mit dem internen Konnekt vorgebrachte Einwand in der folgenden Argumentation „überrannt“ wird (s. C2.3.6) und die Verwendung in einem Kontext, in dem das interne Argument sachlich den Inhalt des externen Arguments vollständig zurückweist, Ironieeffekte zeitigt. (43)

A: „25 ist ein Primzahl.“ B: *„Allerdings ist es durch 5 teilbar!“ (Bsp. aus Lötscher 1989: 224)

Da kompensatorische Kontrastverknüpfungen ein argumentatives PRO-CONTRA oder Ja-aber-Muster realisieren, treten sie auch gerne mit dem Affirmativitätsmarker zwar im externen Konnekt auf. Die Kombination mit skalaren Konnektoren (aber immerhin/ wenigstens/zumindest) erklärt sich wiederum daraus, dass die Einstufung in eine Werteskala ja selbst bereits eine skalierende Operation darstellt. Äquivalenzklasse: Adverbkonnektoren: (zwar) aber (NULL, MF), allerdings (NULL, VF, MF), jedoch (NULL, VF, MF), doch (NULL, VF), einerseits (…) anderseits (VF, MF), zum einen (…) zum anderen (VF, MF), nur, bloß (NULL, VF), dafür (VF), immerhin (NULL, VF, MF)

532

C Semantische Konnektorenklassen

Besonderheiten der Konstruktion: a) typischerweise mit bewertenden Ausdrücken in den Konnekten; p und q oft Eigenschaftsprädikate b) oft korreliert mit affirmierendem zwar im externen Konnekt c) oft zusammen mit skalierenden Konnektoren: aber wenigstens/immerhin/zumindest d) keine Konditionalbeziehung zwischen den Argumenten

2.3.3.5 Schwacher Kontrast („Topikwechselmarkierung“, „konnexiv-adversatives aber“) (44)

Damit verließ er uns. Wir aber schauten ihm nach und beneideten ihn. (PREUSSLER, S. 91) Sobald der Knabe hinausgejagt war, erschien Jungfer Eli und ward in die Davert verbannt. Die Davert ist aber ein Wald im Münsterschen, wo Geister umgehen und wohin alle Gespenster verwiesen werden. (GRI/SAG, Grimm, Sagen, S. 94) Und Gott befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken; und sie zogen durch einen anderen Weg wieder in ihr Land. Da sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum und sprach […]. (Lutherbibel, Matth. 1.12,13) Er hatte keine Lebensart mehr, und der alte Baron war unglücklich über die plebejischen Charakterzüge seines Sohnes. Der junge Baron hinwiederum war unglücklich über den Irrglauben seines Herrn Vaters. Der Alte behauptete, der Horizont sei eckig und wollte das beweisen. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 86)  

(45)



(46)

(47)



Die Funktion, einen Topikwechsel anzuzeigen, ohne dass damit eine Kontrastierung der Prädikate verbunden ist, haben von den adversativen Konnektoren vor allem aber, wieder(um) und die mit ander- zusammengesetzten. Diese Verwendung ist auf die geschriebene Sprache beschränkt und wirkt im Gegenwartsdeutschen etwas veraltet; frequent ist sie in der Lutherbibel und in den Grimm’schen Hausmärchen, in beiden aber nur mit aber. Blatz (1970: 703) hat sie als „konnexiv-adversative Beiordnung“ bezeichnet, bei der „durch die Adversativpartikel oft nur die Überleitung zum folgenden und die Weiterführung der Rede bezweckt wird“. Auch hier ist wieder eine Affinität zur Nacherstposition zu beobachten, allenfalls eine frühe Mittelfeldposition kommt noch in Frage, aber keine Vorfeldposition. Auch einige nicht adversative Adverbkonnektoren haben in der Nacherstposition die Funktion der Topikwechselmarkierung (vgl. Breindl 2008a).

C2 Additiv basierte Konnektoren

(48)

533

Nachdem die Kegel gefallen sind, werden sie von einem Raster […] erfaßt und in kürzester Zeit in der richtigen Position aufgestellt. Dieses Raster nun entspricht in einer gewissen Weise einem Enzym. (Limas Korpus, LIM/ LI1.00110)

Äquivalenzklasse: Adverbkonnektoren: aber (NE, MF), wieder(um) (NE), freilich (NE), ander(er)seits, andernteils Besonderheiten der Konstruktion: a) Affinität zur Nacherstposition b) kein Kontrast zwischen den Kommentaren c) nur schriftsprachlich; auf narrative und diskursive Kontexte beschränkt Ähnlich „schwachen“ Kontrast signalisiert auch aber in Kombination mit einer additiven Fokuspartikel: aber auch, vor allem aber, insbesondere aber. Dadurch wird der Bezugsausdruck der Fokuspartikel mit einer typgleichen Entität im voraufgehenden Konnekt additiv verknüpft. Die so verknüpften Entitäten haben meist nicht Topikstatus, sondern sind fokal und häufig Termausdrücke (Nominal- oder Präpositionalphrasen), die korrespondierenden Prädikate stehen in keinem Gegensatz. Möglich ist auch, dass das gesamte interne Konnekt den Bezugsausdruck der Fokuspartikel stellt und mit dem externen Konnekt verknüpft wird (51). Adversativer Konnektor und Fokuspartikel tendieren zur Juxtaposition und zur Bildung einer Bedeutungseinheit mit additiv-skalierender Bedeutung. (49)

Die Hauskapelle Bullert spielt [Volkslieder, Bauerntänze, Charakterstücke], aber auch [neue Schlager]. (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 96) Der Schorsch hingegen behauptete immer, die Angela sähe ihrer Mutter gleich, auch habe sie [dieselben Bewegungen], vor allem aber [das gleiche herzliche und sonnige Lachen]. (MK1/TPM, Pinkwart, Mord, S. 24) Immer noch [werden zu viele Kinder mißhandelt, zu viele Schulkinder geohrfeigt], vor allem aber [zu viele Kinder in ihrer Begabung verkannt und nicht richtig gefördert]. (Bildzeitung, 11.04.1967, S. 3)  

(50)



(51)



2.3.3.6 Nicht-propositionale adversative Verknüpfungen (52)

„Während ich im Schweiße meines Angesichts mein Brot verdiene, konferieren Sie mit meiner Frau, ohne mich anzuhören. Unfair und doppelzüngig, aber was soll man von einem Ästheten anderes erwarten?“ (MK1/LBC, Böll, Ansichten, S. 156)  

534

(53)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Tiere können sich nicht selber helfen, wenn sie angefahren sind, übrigens wir Menschen auch nicht, auch wir lassen uns helfen, aber das ist ja etwas anderes! (St. Galler Tagblatt, 19.04.2000, o. S.) Noch wenige Tage, dann heißt es wieder den Schulranzen schnüren, Hefte und Bücher ordnen, Hausaufgaben machen, strebern … Aber, nur nicht jetzt schon daran denken … brrrr. (Tiroler Tageszeitung, 22.08.1998, o. S.) Etwas leichter haben es die Autofahrer. Die Autobahn nach Berlin, die seit Jahren modernisiert wird, ist immer besser befahrbar. Nur, was hat Stettin von dieser Nähe? (die tageszeitung, 29.04.2005, S. 23)  

(54)



(55)



Einige adversative Konnektoren erlauben auch Verknüpfungen auf der Sprechaktebene. Damit wird eine Unverträglichkeit zwischen Folgerungen, die sich aus den Sprechakten S(p) und S(q) ergeben, zum Ausdruck gebracht. Ein eindeutiger Indikator dafür sind satzmodusverschiedene Konnekte oder die Möglichkeit des Einschubs eines metakommunikativen Kommentars wie „(aber) man wird fragen dürfen“, „(aber) man muss zugeben“ o. ä. In der dialogischen Interaktion indiziert turneinleitendes aber, in der Gesprächsforschung oft als Gliederungssignal oder Diskursmarker bezeichnet, vorzugsweise in der Kombination mit doch oder ja einen Widerspruch. Der Sprecher weist einen Aspekt zurück, den sein Gesprächspartner für seine Äußerung voraussetzt, und der mit seinem Wissen und seiner Einschätzung der Gesprächssituation unverträglich ist. Der Widerspruch kann sich gegen den Wahrheitsanspruch richten, den der Gesprächspartner mit seiner Äußerung erhebt (auch in der Form eines Präsuppositionsprotests), er kann sich aber auch auf die Angemessenheit der Äußerung oder des Sprechakts im aktuellen Gesprächskontext beziehen (Rosengren 1984: 229). Auch in diesen Fällen liegen nicht-propositionale Verknüpfungen vor.  

(56) (57) (58)

„Ich glaube, ich habe gestern meinen ehemaligen Deutschlehrer auf der Straße gesehen.“ – „Aber der ist doch schon lange tot!“ „Halt mal schnell mein Glas.“ – „Aber ich hab selber beide Hände voll.“ „Hast du die Zeitung schon reingeholt?“ – „Aber heute ist doch Feiertag!“

Nicht-propositional ist schließlich auch die Verwendung von aber als Modalpartikel im Mittelfeld von Verberst- und Verbzweit-Exklamativsätzen. In diesen Verwendungen fungiert aber nicht als Konnektor. (59) (60)

DU bist aber blass! Jetzt geht’s aber RUND!/JETZT geht’s aber rund.

Die Bedeutung dieses abtönenden aber wird meist mit „Überraschung“ umschrieben; Thurmair (1989: 190) nimmt als Merkmal mit Sprecherbezug an,

C2 Additiv basierte Konnektoren

535

womit auch der Bezug zur Bedeutung des Adverbkonnektors aber gegeben ist. Das Moment des Unerwarteten betrifft hier aber nicht die Trägersatzproposition selbst, sondern einen Ausprägungsgrad der im Exklamativsatz bezeichneten Eigenschaft. Dadurch wird auch der Illokutionstyp Exklamativ vereindeutigt, der seinerseits bereits Überraschung über den Ausprägungsgrad einer Eigenschaft zum Ausdruck bringt (‚ich bin erstaunt, wie sehr p‘). (Zum Zusammenhang zwischen Konnektorfunktion und Abtönungspartikelfunktion vgl. auch Asbach-Schnitker 1978, Bublitz 1977.)

2.3.4 Doch/DOCH, und DOCH und jedoch Doch und jedoch unterscheiden sich ungeachtet ihrer Formähnlichkeit voneinander und beide unterscheiden sich von aber. Jedoch deckt nicht ganz die Verwendungen von aber ab, vor allem ist es weitgehend auf die Schriftsprache beschränkt: In den Mannheimer Korpora gesprochener Sprache ist es in Diskursen der Kategorie „allgemeine Umgangssprache“ 43 mal vertreten – gegen mehr als 10.000 aber-Belege. Auch doch ist ähnlich frequent, doch handelt es sich bei den Belegen fast immer um Modalpartikel-Verwendungen im Mittelfeld (ich hab doch gesagt) und nicht um die adversative Konnektorfunktion, wie sie in diesem Satz hier vorliegt. Die in der gesprochenen Sprache ausgeprägten aber-Verwendungen, turneinleitend und als Modalpartikel (56– 60 im vorherigen Abschnitt), sind mit jedoch nicht möglich. Fraglich ist, ob jedoch in Sprechaktverknüpfungen auftreten kann: Entsprechende aber-Belege (52–54 oben) wirken mit jedoch weniger akzeptabel; vereinzelt finden sich aber Belege. (61)

Zu spät! Jedoch war es zu spät? (THM/AMF, Mann, Doktor, S. 493)  

Darüber hinaus weicht der Gebrauch von jedoch von dem von aber vor allem bei den schwach kontrastiven Verwendungen ab. Als reiner Topikwechselmarkierer ist es nicht belegt. Bei Luther gehen die – spärlichen – Verwendungen von jedoch immer mit Kontrasten zwischen den Prädikaten einher. Auch in der Kombination mit einer additiven Fokuspartikel jedoch auch, vor allem jedoch markiert es einen Kontrast und ist nicht nur anreihend-skalierend. Mit kontrastierenden Prädikaten ist jedoch problemlos. Es kommt in kontrastiven Vergleichen vor, (62)

[…] der Text, der damals beschlossen wurde, stieß [seinerzeit] auf wenig Interesse und Beachtung. Heute jedoch könnte seine Kenntnis dazu beitragen, die Diskussion aus ihrer Einseitigkeit herauszuführen. (Limas Korpus, LIM/LI1. 00180)

es kann konzessiv (63), planvereitelnd (64), und kompensatorisch (65) verwendet werden.

536

(63)

C Semantische Konnektorenklassen

Wir haben betont, daß wir über eindeutig belastendes Material noch nicht verfügen. Jedoch am Tag nach unserem Gespräch brach der bekannte politische und publizistische Sturm los. (die tageszeitung, 19.01.1988, S. 1–2) Brand glaubt, daß die Studenten kürzere Ausbildungszeiten wollen. Ein starres System von Studienordnungen und Pflichtveranstaltungen stehe dem jedoch entgegen. (die tageszeitung, 02.09.1986, S. 5) Es sei ja sehr schön in London, jedoch vermisse er die sonntäglichen Spaziergänge mit seinem Vater.  

(64)



(65)

Anders als allerdings und eindeutiger als aber scheint aber jedoch mit einer stärkeren Gewichtung des internen Konnekts einherzugehen; so wirkt es in der Kombination mit wenigstens nicht einwandfrei akzeptabel; im Originalbeleg stand hier doch. (66)

?Die Kleinstadt Kukes quillt über von Kosovo-Flüchtlingen. Viele von ihnen haben die letzte Nacht unter freiem Himmel verbracht. Jedoch sie sind wenigstens in Sicherheit.

Jedoch unterscheidet sich auch syntaktisch von adversativem doch. Anders als dieses kann es im Mittelfeld stehen. Die konjunktortypische Null-Position ohne prosodische bzw. graphematische Separierung kommt bei doch vergleichsweise häufig vor, während jedoch in der Position vor dem Finitum fast immer vorfeldbesetzend ist. Erscheint jedoch vor dem Vorfeld, kann es – anders als doch – an der Nullstelle abgesetzt werden (67). Inwieweit Belege ohne Absetzung wie (68) und (69) eine konjunktorartige Verwendung spiegeln, ist schlecht zu beurteilen, da spontansprachliche Verwendungen von jedoch nicht vorkommen. (Duden-Zweifelsfälle 2001: 470 lässt jedoch mit und ohne „Inversion“ von Subjekt und Finitum zu.) Jedoch verhält sich tendenziell adverbartiger, adversatives doch tendenziell konjunktorartiger.  

(67)

Wichtig ist also, daß die Beschäftigungseffekte einer öffentlichen Nachfragepolitik vom Ceccini-Bericht gesehen werden. Jedoch, erst muß dieser Angebotszauber seine Wachstumskräfte hervorbringen, um öffentliche Flankierungen finanzieren zu können. (die tageszeitung, 15.04.1989, S. 8) Der Philosoph Hegel ging davon aus, daß ein Weltgeist eine schon vorhandene Idee, die sich aber laufend verändert uns beeinflusst. Jedoch Marx war es, der erkannte, daß nicht die Idee zuerst vorherrscht, sondern die materielle Umgebung. (die tageszeitung, 07.09.1988, S. 20) Absprachen werde es sicher keine geben, jedoch ein gemeinsames Vorgehen bei Sachentscheidungen sei nicht auszuschließen. (die tageszeitung, 14.10. 1986, S. 3)  

(68)



(69)



Doch gilt, anders als jedoch, als mehrfach heterosem. Beide sind ursprüngliche Affirmativitätsmarker (aus ie = ‚immer, unter allen Umständen‘; doch vermutlich aus

C2 Additiv basierte Konnektoren

537

dem Personalpronomen der 2. Sg. + verstärkendes -ŭh/-h).). Doch hat diese Funktion in der betonten Form auch heute noch: trägt es den Fokusakzent, wird die Trägersatzproposition affirmiert gegen die Negation dieser Proposition; es lieg also ein Dreischritt von der Affirmation über die Negation zurück zur Affirmation vor: „Doch heißt, eine verneinende Aussage über denselben Sachverhalt als stillschweigend anerkannt voraussetzen und über deren Verneinung zur ursprünglichen Bejahung zurückkehren.“ (Sekiguchi 1977: 3)

Aus der satzintegrierten adverbialen Funktion dieses betonten doch wie in (70) und (71) ist auch die Antwortpartikel-Verwendung wie in (72) abzuleiten. (70) (71) (72)

*[Die Erde dreht sich nicht.] Und sie dreht sich DOCH. Ich wollte ja ursprünglich nicht mitkommen, aber nun fahre ich DOCH mit. Wusstest du das nicht? – DOCH.

In diesen betonten Verwendungen wird doch in HDK-1 (515, 679) als einstellig klassifiziert. Das ist nicht ganz unproblematisch. In HDK-1 wurden auch Fokuspartikeln als relational eingestuft (s. C2.3.7 zu adversativem nur/bloß/allein), da sie die Trägersatzproposition mit einer Präsupposition verknüpfen. Diese muss nicht verbalisiert sein, und das gilt nun auch für die verneinte Aussage, auf die betontes doch Bezug nimmt. Sie kann aber auch durchaus expliziert sein und als externes Argument fungieren. Insbesondere in konzessiven Verknüpfungen tritt betontes doch im K ONSEQUENS -Argument auf. In dieser Funktion ist es auf das Mittelfeld beschränkt und äquivalent mit konzessiven Adverbkonnektoren wie trotzdem, dennoch etc., nicht aber mit jedoch. (73)

Obwohl das Fest vom Bezirk verboten worden war in der Hoffnung, daß dann auch die anschließende Randale ausbleiben werde, hatten Teile des autonomen Spektrums das Fest DOCH veranstaltet. (die tageszeitung, 02.05.1990, S. 5) Neben den großen Alten ist in den letzten Jahren nichts nachgekommen. Und falls DOCH, dann nicht auf diesem Kanal. (die tageszeitung, 04.09.1986, S. 5)  

(74)



Im Vorfeld und vor dem Vorfeld kann betontes (konzessives) doch nur in der Kombination und doch auftreten (s. C4.3). (75)

Auch in Hamburg kochen sie nur mit Wasser. Und DOCH bin ich auf die nächste Titelgeschichte, das nächste Gespräch, den nächsten Essay gespannt. (Züricher Tagesanzeiger, 04.01.1997, S. 44). Deswegen bietet auch diese Zeitschrift eine breite Themenpalette von Politik, Unterhaltung, Kultur und Sport. Und DOCH: Die Umsetzung unterscheidet  

(76)

538

C Semantische Konnektorenklassen

sich erheblich von der der Berliner Konkurrenz. (die tageszeitung, 31.05.1999, S. 18)  

In Umgebungen wie diesen nimmt der Affirmationsmarker die konzessive Bedeutung selbst an und wandelt sich von einem reinen Indikator des Widerspruchs gegen eine negierte Äußerung (Du hast das nicht gesagt – Ich habe es DOCH gesagt) zu einem Indikator des Widerspruchs gegen eine aus dem Vortext abgeleitete Erwartung (Es war verboten, aber ich habe es DOCH getan). Damit ist auch der Schritt zur Zweistelligkeit vollzogen. Die Liste der Konnektoren in HDK-1 ist damit um ein (konzessives) betontes doch mit Beschränkung auf das Mittelfeld zu ergänzen, zu dem als Vorfeldvariante ein phraseologisches und DOCH existiert. Als einstellig wurde in HDK-1 auch das gemeinhin als Modalpartikel beschriebene unbetonte doch im Mittelfeld von deklarativen Verbzweitsätzen (77), Imperativsätzen (78), Exklamativsätzen (79) und Wunschsätzen (80) betrachtet. Auch hier wird affirmierend auf eine fiktive unterstellte Negation der Trägersatzproposition Bezug genommen. (Zum semantischen Zusammenhang zwischen Konnektorfunktion und Abtönungspartikelfunktion vgl. Sekiguchi 1977, Franck 1980, Doherty 1982, Graefen 1999, Brauße 2001, Foolen 2003; zur lexikographischen Darstellung vgl. Bastert 1985 und Wolski 1986.) (77) (78) (79) (80)

Ich bin doch nicht BLÖD! Mach doch mal das Licht an! Springt der doch glatt nackt in den See! Ach hätt’ ich doch den König Drosselbart genommen!

Begründend-kausal werden Verberstsätze mit unbetontem, im Mittelfeld realisiertem doch (wie in (81) und (82)) gedeutet. Die kausale Bedeutung wird hier aber nicht allein durch die Präsenz des lexikalischen Markers determiniert, daher wird doch in dieser Verwendung nicht als kausaler Konnektor behandelt (für weitere Gründe s. C4.2.1.3.1). (81)

Sie wurde so zum Brotbaum des Försters, brachte sie doch höheren Gewinn als die Buche. (Dörfler und Dörfler, Natur, S. 44) Es lässt sich nicht gerade sagen, dass sich Benjamin von Stuckrad-Barres gleichnamiger Poproman leicht verfilmen ließe, besteht er doch vorwiegend aus Innenansichten eines jungen Mannes, dem seine Freundin weggelaufen ist. (die tageszeitung, 27.03.2003, S. 23)  

(82)



Adversative Bedeutung hat doch an der Nullstelle (wo es wie aber konjunktionsartig verwendet wird) sowie im Vorfeld; ein Bedeutungsunterschied oder eine formale Motivation für die Stellungsvariation ist dabei nicht erkennbar.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(83)

539

Werner Mühlbach ist heute zwar von „Rechts wegen“ wieder ein freier und selbständiger Mensch, doch er lebt im gesellschaftlichen Abseits. (die tageszeitung, 17.09.1986, S. 9) Mit Gesang, Spiel und Musik endete der Abend viel zu rasch, doch lebt er in den Gedanken der „wackren Mannen und Frauen“ noch lange weiter. (St. Galler Tagblatt, 17.03.2000, o. S.) Bisher war Fahren im betrunkenen Zustand verboten, doch es gab keine Promillegrenze, von der an ein Autofahrer als betrunken zu gelten hatte. (Frankfurter Allgemeine, 25.07.2003, o. S.) Zwar war die vorwiegende Antwort, man müsse vor einem vereinigten Deutschland keine Angst haben, doch gab es auch recht bittere Stimmen. (die tageszeitung, 10.07.1990, S. 11)  

(84)



(85)





(86)



Der Kontrastbereich, den dieses adversative doch abdecken kann, ist kleiner als der von aber. Es kann Konzessivität (87) und Planvereitelung ausdrücken (88), (87)

(88)

Auch bei der Erforschung dieses Medikamentes wurden zahlreiche Tiere dem vermeintlichen Wohl des Menschen „geopfert“. Doch diese Tieropfer konnten die betroffenen Menschen nicht vor ihrem Herzinfarkt oder Schlaganfall bewahren. (http://www.tierversuchsfreie-medizin.de?Das_Ende_der_Tierver suche/) Da fing sie an zu flechten, doch die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund.

ist in kompensatorischen Kontexten verwendbar und dann wie aber wertungsneutral. (89)

In ihrer Halbtagskita haben sie kein Spielzeug und nicht mal ein Dach über dem Kopf. Auch gegessen wird unter freiem Himmel. Doch dafür sind sie immer an der frischen Luft. (Berliner Zeitung, 09.10.1998, S. 24) „Die Bäume stehen noch immer“, sagt Anja Hoffmann. „Doch sie sind schwarz und tot.“ (St. Galler Tagblatt, 31.03.1999, o. S.)  

(90)



Für den kontrastiven Vergleich scheint doch weniger gut geeignet; anders als jedoch kann es auch nicht in der Nacherstposition stehen. Bei der Abwandlung von Belegen mit monosemen Konnektoren des kontrastiven Vergleichs, deren Konnektbedeutungen auch eine Interpretation nach dem kompensatorischen Muster kaum gestatten, kippt die Bedeutung zur Konzessivität um: die Trägersatzproposition wird als „wider Erwarten“ charakterisiert. (91a)

Die Schermaus […] lebt fast ausschließlich unter der Erde in hochovalen etwa 5 cm breiten und 7 cm hohen Gängen. Die Gänge des Maulwurfs hin 



540

(91b) (92a) (92b)

C Semantische Konnektorenklassen

gegen sind queroval. (http://www.dlr-rheinpfalz.rlp.de/Internet/global/the men.nsf) ≠[…] Doch die Gänge des Maulwurfs sind queroval. Aluminiumhydroxid kann Verstopfungen hervorrufen, wohingegen Magnesiumhydroxid die Darmtätigkeit eher anregt. ≠Aluminiumhydroxid kann Verstopfungen hervorrufen, doch Magnesiumhydroxid regt die Darmtätigkeit eher an.

Anders als jedoch ist es auch als Sprechaktverknüpfer problemlos möglich. (93)

Es gibt, ein halbes Jahr später, noch nicht einmal einen Tatverdächtigen. Stattdessen geht die CIA wieder mit neuen „Hinweisen“ hausieren, die sich gegenüber drei Libanesen erst vor zwei Tagen erneut als völlig haltlos erwiesen haben. Doch was sind Beweise, wenn es darum geht, Stimmung in den USA zu machen. (die tageszeitung, 05.09.1986, S. 4)  

2.3.5 Konnektoren des kontrastiven Vergleichs Beim kontrastiven Vergleich werden zwei Topiks und die darüber getroffenen Kommentare paarweise verglichen; die Konnekte zeigen oft prosodische und syntaktische Parallelstruktur. Zwischen den Relata besteht keine implikative Beziehung. Es gilt die generelle Bedingung für Vergleichbarkeit von Entitäten, dass sie „typgleich“ sein müssen, also gemeinsame Merkmale und mindestens ein Differenzmerkmal aufweisen müssen. Genau darauf hebt die Bedingung der Subsumierbarkeit unter eine „Gemeinsame Einordnungsinstanz“ (GEI) ab, die Lang (1977) für die „Semantik der Koordination“ geltend gemacht hat. Dieses Prinzip gilt aber nicht nur für additive und disjunktive koordinative Verknüpfungen, sondern für alle syntaktischen Ausprägungen des kontrastiven Vergleichs, – auch für parataktische und subordinative Verknüpfungen. Unter den adversativen Konnektoren, die kontrastive Vergleiche zum Ausdruck bringen können, gibt es monoseme, die auf diesen Typ von Adversativität spezialisiert sind (dagegen, hingegen, dahingegen, dementgegen, demgegenüber, wogegen, wohingegen) und mehrdeutige. Die mehrdeutigen wiederum zerfallen in die Gruppe der bezüglich des Subtyps unterspezifizierten adversativen „Allround“-Konnektoren aber, jedoch und allerdings, und die Gruppe der Konnektoren mit regulärer Polysemie temporal-adversativ während, währenddessen, indes, alldieweil, dieweil, derweil und (hin)wieder(um). Zur letzteren Gruppe gehören marginal auch da und indem: bei da ist die adversative Bedeutung heute nicht mehr üblich und die temporale nur noch in bestimmten attributiven Verwendungen (die Zeiten, da … /jetzt, da …) gebräuchlich, bei indem sind adversative und temporale Verwendungen veraltet (s. 19/20 in diesem Abschnitt sowie für indem C2.4.4).

541

C2 Additiv basierte Konnektoren

2.3.5.1 Monoseme Konnektoren des kontrastiven Vergleichs: dagegen, dahingegen, hingegen, dementgegen, demgegenüber, wogegen, wohingegen Die monosemen adversativ-vergleichenden Adverbkonnektoren lassen sich schlecht in konzessive (94) oder kompensatorisch-adversative (95) Kontexte einfügen. (94a) (94b) (94c)

(95a) (95b) (95c)

In diesem Park herrscht Leinenzwang für Hunde, aber die meisten Hundebesitzer lassen ihre Tiere frei laufen. (dennoch/jedoch/trotzdem) ≠In diesem Park herrscht Leinenzwang für Hunde, dagegen/hingegen/demgegenüber lassen die meisten Hundebesitzer ihre Tiere frei laufen. ≠In diesem Park herrscht Leinenzwang für Hunde, wogegen/wohingegen die meisten Hundebesitzer ihre Tiere frei laufen lassen. Katzen sind im Wesentlichen pflegeleicht. Sie haaren allerdings/freilich/ aber sehr. ≠Katzen sind im Wesentlichen pflegeleicht. Sie haaren hingegen/demgegenüber sehr. ≠Katzen sind im Wesentlichen pflegeleicht, wogegen/wohingegen sie sehr haaren.

Wortbildungsmorphologisch sind sie von einheitlichem Typ: Zusammensetzungen der „konfrontativen“ Raumpräposition gegen mit einem deiktischen Ausdruck. Adversativität ist hier wörtlich als „vergleichsweise Gegenüberstellung“ ausgeprägt (DWB, s. v. wogegen), ein auch in der Gegenwart produktives Muster. Neben den frequenten Konnektoren hingegen, dagegen, wo(hin)gegen und dem etwas weniger frequenten demgegegenüber finden sich auch die deutlich schwächer belegten dahingegen (im DeReKo ca. 50 gegenwartssprachliche Belege), dementgegen (28 Belege), demhingegen (3 Belege im DeReKo, aber 1.600 Internet-Belege) und vereinzelt wogegenüber. Behaghel (1928: 175 f.) nennt ferner heute ungebräuchliches herentgegen und hergegen.  



(96)

Der US-Botschafter in Tokio, Walter Mondale, sagte gestern, er sei „enttäuscht“. Der japanische Staatsminister Masayoshi Takemura betonte dementgegen, die Regierung werde sich bemühen, weitere Schritte zur Öffnung der japanischen Märkte einzuleiten. (die tageszeitung, 31.03.1994, S. 7) Rund 140 € soll es hier in Deutschand kosten, demhingegen nur ca. 75 € mit Shipping-Kosten in England. (http://www.dartsforum.de) Nur etwas merkwürdig, dass die ZIP-Datei etwa 6,6 MB groß ist, wogegenüber die EXE nur knapp 5 MB groß ist. (http://www.nickles.de/c/a3/5377 95793.htm)  

(97) (98)







Dahingegen ist heute nur Adverbkonnektor; bei Goethe findet es sich überwiegend als Postponierer, wo heute wohingegen verwendet wird.

542

(99)

C Semantische Konnektorenklassen

Der Ausrichter des Wettkampfes wies darauf hin, daß die Situation in Belgrad stabil sei. Das Auswärtige Amt warnt dahingegen weiterhin vor Reisen nach Serbien. (Berliner Zeitung, 15.03.1999, S. 39) So sind […] Hals und Extremitäten auf Kosten des Körpers bei der Giraffe begünstigt, dahingegen beim Maulwurf das Umgekehrte stattfindet. (GOE/ AGS, Goethe, Naturwissenschaft, S. 176)  

(100)



Kontrastiv-vergleichende Adverbkonnektoren haben eine Affinität zur Nacherstposition. Ein Adverbkonnektor in dieser Position bildet zusammen mit der voraufgehenden Konsituente ähnlich wie Linksversetzung oder Freies Thema eine spezielle informationsstrukturelle Konstruktion, in der der Konnektor neben seiner Relationierungsfunktion die spezielle Zusatzfunktion übernimmt, einen Topikwechsel zu markieren. Die adversativen Konnektoren „binden“ dabei immer ein kontrastives Topik, zu dem im voraufgehenden Konnekt ein typgleicher Ausdruck vorhanden sein muss, der mit dem Topik eine geschlossene Menge von Alternativen bildet. Die Kommentare über die beiden Alternativen sind kontradiktorisch oder antonym (s. zur Konstruktion der Markierung eines kontrastiven Topiks mit adversativen Konnektoren Breindl 2008a; 2011). Die Nacherstposition hat den Vorteil, dass sie für den Rezipienten in Bezug auf die semantische Struktur des Kontrasts und die Informationsstruktur maximal transparent ist: Sie signalisiert durch die Erzwingung eines steigenden Akzents auf der Vorfeldeinheit dessen Identifikation als neu etabliertes, kontrastives Topik und durch die adversative Bedeutung den Kontrast zwischen den Kommentaren. (101)

[Die sozialdemokratische Partei PVDA]T1 [unterstützt aus der Opposition heraus diesen Antrag ohne Wenn und Aber]K1. [Die regierende christdemokratische CDA]T2 hingegen [sabotiert jeglichen Versuch, den Euthanasieparagraphen zu verändern.]K2 (tageszeitung, 21.03.1987, S. 9) [Leas Augen]T1 [waren ohne Glanz]K1, [Rahel]T2 dagegen [war schön von Gestalt und von Angesicht]K2. (Lutherbibel, 1. Mose 29.17)  

(102)

Bei Vorfeld- oder Mittelfeldstellung des Konnektors kann die Auffindung des kontrastiven Topiks im Trägerkonnekt schwieriger sein, da es sich dann irgendwo im Mittelfeld befinden kann bzw. muss. Es ist dann auch nicht formal-prosodisch markiert und der Rezipient muss beide kontrastierenden Topiks durch inhaltlichen Abgleich der Konnekte und Suche nach alternativentauglichen Einheiten in diesen identifizieren. Dies ist umso schwieriger, je weniger strukturelle Parallelität die Konnekte aufweisen. (103)

Die Angst in den heimischen Wäldern auf einen Bär, Luchs oder gar auf einen Wolf zu stoßen, ist unbegründet, denn der „böse Wolf“ existiert in unseren Breitengraden nur in den Märchenbüchern. Hingegen könnte es einem Italien-Urlauber schon passieren, daß er im Appennin auf ein Rudel Wölfe stößt. (Kleine Zeitung, 11.06.1997, o. S.)  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(104)

543

Während es in Beirut vermutlich am Mittwoch zu einer zweiten Entführung gekommen ist, forderten die außenpolitischen Sprecher von CDU/CSU und FDP, Klein und Schäfer, die Bundesregierung gestern auf, den in Frankfurt verhafteten Mohamed Hamadeh zunächst nicht an die USA auszuliefern. Das Leben des in Beirut mutmaßlich von der Schiitenorganisation „Hizbollah“ als Austausch-Geisel entführten Hoechst-Managers Cordes dürfe nicht gefährdet werden. Mit Verweis auf den Entführungsfall Schleyer 1977 riet hingegen der damalige Justizminister und heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Vogel der Bundesregierung, auch im Falle Cordes nicht nachzugeben. (die tageszeitung, 22.01.1987, S. 1,6)  

Kontraststruktur in (103): Topiks: [in unseren Breitengraden]T1 [in Italien]T2 Kommentare: [Wölfe existieren nur im Märchenbuch]K1 [Wölfe existieren real]K2 Die Kontraststruktur in (104) ist schwer nachvollziehbar. Topiks: [die außenpolitischen Sprecher von CDU/CSU und FDP, Klein und Schäfer]T1 [der damalige Justizminister und heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Vogel]T2 Kommentare: [die Bundesregierung auffordern, […] nicht an die USA auszuliefern]K1 [der Bundesregierung raten, […] nicht nachzugeben (= auszuliefern?)]K2 Mit anderen Worten: beim kontrastiven Vergleich ist nur im zweiten Konnekt ein kontrastives, prosodisch hervorgehobenes Topik obligatorisch. Zu diesem kann retrospektiv eine Konstituente aus dem ersten Konnekt als Kontrastziel zugeordnet werden. Diese kann Bestandteil des Hintergrunds, aber auch fokal sein. Adversative Adverbkonnektoren fordern also keine strikte informationsstrukturelle und prosodische Parallelstruktur. Gerade in der Nacherstposition können sie eine Konstituente eindeutig als kontrastives Topik markieren, das dann dem Adressaten als „Anker“ für die Auffindung eines im Typ passenden Kontrastziels dient. Am ausgeprägtesten ist die Tendenz zur Nacherstposition bei hingegen: Von 100 zufallsgenerierten hingegen-Belegen haben 54 den Konnektor in der Nacherstposition, in 45 Fällen tritt er im Mittelfeld auf und in nur einem Fall im Vorfeld. Demgegenüber zeigt der – ebenfalls nur für den kontrastiven Vergleich lexikalisierte – Adverbkonnektor dagegen deutlich andere positionelle Präferenz. Hier überwiegen Stellungen im Mittelfeld (55 bei einer Zufallsauswahl von 100 Konnektorverwendungen), Vorfeld (22 von 100) und Nacherstposition (20 von 100) sind statistisch etwa gleich verteilt.

544

C Semantische Konnektorenklassen

Anders als dagegen ist hingegen weitestgehend auf die geschriebene Sprache beschränkt, was für die Nacherstposition generell gilt. Laut Behaghel (1928: 175) ist hingegen eine neuhochdeutsche Nachschöpfung zu älterem anaphorischem dagegen. Anders als dieses war es vermutlich von Anfang an auf den kontrastiven Vergleich festgelegt und kennt auch die für dagegen bis in die Goethezeit belegte subordinierende Verwendung nicht. Auch die Neubildung dahingegen tritt deutlich seltener als hingegen in Nacherstposition auf. (105)

Man schimpft, man flucht, man spricht sich gegen Ostern aus, ja, es haben sich sogar schon Stimmen gegen den Frühling im großen und ganzen erhoben. Wir dahingegen sagen uneingeschränkt ja zum Frühling! (die tageszeitung, 06.04.1999, S. 22)  

Bei demgegenüber/dementgegen sind Nacherstpositionen kaum belegt, Vorfeld und Mittelfeldposition sind in etwa gleich verteilt. Beide treten häufig in Verwendungen auf, in denen der Vergleichsaspekt den Gegensatzaspekt dominiert: ‚K1(T1), im Vergleich dazu K2 (T2)‘. (106)

Die drei westeuropäischen Länder werden vor allem für ihre fantasielose Aufforstungspolitik – Anpflanzung standortfremder Nadelhölzer – getadelt. Demgegenüber hapert es bei den baltischen Ländern am Reservatschutz. (Züricher Tagesanzeiger, 21.01.2000, S. 11) „Afrikanische Literatur ist eine Performance“, erklärte Hove dieses Phänomen aus der afrikanischen Tradition der mündlichen Erzählkunst heraus. „Europäische Literatur ist demgegenüber eine intellektuelle Übung.“ (die tageszeitung, 29.01.1998, S. 27)  

(107)



Die Postponierer wogegen und wohingegen sind relativische subordinierende Varianten von dagegen/hingegen/dahingegen und unterscheiden sich semantisch nicht von diesen. (108)

Die Violinen blieben streckenweise blaß, wogegen die Bläser sich in vielen dankbaren Solopartien bewähren konnten. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.) Aluminiumhydroxid kann Verstopfungen hervorrufen, wohingegen Magnesiumhydroxid eher die Darmtätigkeit anregt und laxierend wirkt. (Antazidum, Wikipedia, o. A.)  

(109)



Die bei Postponierern ohnehin vorhandene latente „Hauptsatzartigkeit“ des zweiten Konnekts wird bei den adversativen Postponierern noch dadurch unterstrichen, dass sie vereinzelt in gesprochener Sprache auch mit Verbzweitstellung belegt sind, insbesondere kombiniert mit Linksversetzung.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(110)

(111)

545

Ehrlich gesagt als Winzer kann ich das behaupten, es gibt nur Trauben, die wo edelfaul werden und ein edelfauler Trauben, der hat die Brühe, wogegen ein wurmfauler Trauben, der wird schimmelig. (ZW1P1) Äh Lehmann selber und ein Teil von den, äh von der Lehrerkörperschaft waren äh Buber sehr nah. Und er war auch öfters in Ben Schemen eingeladen und äh hielt seine Gespräche ab. Wogegen in der Tietz-Schule war ein, war ein schärferer, sang wir mal, Kon- nicht Kontrast in den Anschauungen […]. (IS 127)

Die bei V2-weil beobachtbaren Bedingungen sind auch hier gegeben: potentielle kommunikative Selbständigkeit und eigenständige Fokus-Hintergrund-Gliederung. Da die Mitteilung eines Kontrasts nie im informationsstrukturellen Hintergrund derjenigen Aussage stehen kann, zu der Kontrast hergestellt wird, erklärt sich auch, weshalb gerade adversative und konzessive subordinierende Konnektoren Verbzweitvarianten entwickelt haben. Außer bei wogegen ist sie auch bei während(dessen) (C2.3.5.2), obwohl (C4.3.3) und wobei (C2.4.3) belegt.

2.3.5.2 Temporal-adversativ polyseme Konnektoren: während(dessen), indes(sen), alldieweil, dieweil, derweil, (hin)wieder(um), wieder Die Ableitung einer adversativen Interpretation aus der temporal-simultanen Grundbedeutung erfolgt im Form einer Implikatur, dass die Erwähnung gleichzeitig ablaufender Ereignisse erst dann wirklich informativ ist, wenn zwischen den Ereignissen über die zeitliche Koinzidenz hinaus ein weiterer Zusammenhang besteht. Der besteht hier in der Vergleichbarkeit und gleichzeitigen Unterschiedlichkeit der Ereignisse. Die Verwendbarkeit für die vergleichende Gegenüberstellung ist bei vielen temporal-simultanen Konnektoren konventionalisiert; sie findet sich bei Adverbkonnektoren und Subjunktoren, in älteren Sprachstufen und in vielen anderen Sprachen, kann also als reguläre Polysemie gelten (s. A3.2.2). Am geläufigsten ist die kontrastiv-vergleichende Verwendung von während; für die anderen, ohnehin deutlich selteneren und stilistisch markierten Konnektoren, ist sie nicht in gleichem Maße konventionalisiert (und wird z. B. auch im DUW außer für indes(sen) nicht vermerkt). Im Gegenwartsdeutschen nicht mehr gebräuchlich ist sie für da und indem:  

(112) (113)

Über diese findet sich der Verstand zurecht, da jene das Herz vergiften. (Herder; nach Paul 1981: 121) Indem Ferdinand alles tat, seine mißlichen Umstände zu verbessern, unterließ Friedrich nichts, seine gute Sache zu verschlimmern. (Bsp. aus Stojanova-Jovčeva 1976: 115)

546

C Semantische Konnektorenklassen

Für die Subjunktorvarianten von indes(sen), währenddessen, derweil, dieweil und alldieweil sind temporale und kontrastiv-vergleichende Verwendungen nicht sehr häufig; die letzteren beiden werden vor allem kausal verwendet (s. C4.2.3.1.2.1). (114) (115)

Ich habe Martern gehabt, indes er Vergnügen hatte. (Mann, Branzilla, S. 364) Frauen lokalisieren den Sitz ihrer Gefühle häufig im Bauch, währenddessen sich Männer eher als verstandesorientiert und kopflastig bezeichnen. (Salzburger Nachrichten, 04.04.1998, o. S.) Deren Vorsitzende Birgit Homburger hielt entgegen, daß sich danach lediglich die Söhne reicher Eltern vom Wehrdienst freikaufen könnten, dieweil weniger gutgestellte ihre Dienstpflicht ableisten müßten. (die tageszeitung, 28.05.1991, S. 4) China ist nach wie vor der wachstumsstärkste Markt Asiens, derweil sich die exportorientierten Industrien in Indien abschwächten. (http://www.gendorf. de/index.php?id=67&select=show&year=2008&sid=695) Kann der Präsident eines Landes einem Gast nur „Ehre“ erweisen, indem er ihn an starr blickenden Uniformierten entlangschleift, möglichst aller Waffengattungen wie in Denver (alldieweil aus Sparsamkeitsgründen die Bibliotheken der Amerika-Häuser geschlossen werden)? (Die Zeit, 18.07.1997, S. 41)  



(116)



(117)

(118)



Ungewöhnlich ist die Verwendung von wenn in kontrastiven Vergleichen wie im folgenden Beleg. Voraussetzung dafür ist eine faktische Lesart des internen Arguments von wenn. (119)

Was vielleicht einmal ehrliche Erfüllung des Generationenvertrages war, ist nur zur oft lamentierten Belastung der „arbeitenden“ Bevölkerung geworden. Dennoch werden Männer mit 65 und Frauen mit 60 aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden. Wenn dieses Alter früher als der Beginn des Lebensabends angesehen wurde, erfolgt heute ein willkürlicher Schnitt in ein oft noch sehr aktives Leben. (Die Presse, 28.12.1992, o. S.)  

Von den gleichlautenden Adverbkonnektoren fanden sich nur für indes(sen) und währenddessen Belege mit kontrastiv-vergleichender Lesart; allerdings werden derweil und (all)dieweil ohnehin kaum als Adverbkonnektoren verwendet. Für das temporal-repetitive wieder ist die adversative Lesart weitgehend an die Nacherstposition gebunden; für (hin)wiederum sind auch desintegrierte Position vor dem Vorfeld und Vorfeldposition möglich. In der Nacherstposition werden beide oft nur verwendet, um einen Topikwechsel anzuzeigen. Die gleiche Form der Polysemie findet sich auch bei den repetitiv-korrelativen Konnektoren mal (…) mal und bald (…) bald (s. C2.3.8.2); auch aber hatte in einer früheren Sprachstufe die Bedeutung des heutigen wieder (wie heute noch in abermals, tausend und aber tausend).

547

C2 Additiv basierte Konnektoren

(120)

Die Technik selbst ist seit Jahr und Tag im Emsland zur Besichtigung freigegeben. Ihre Wirtschaftlichkeit indessen kann in Deutschland nirgendwo demonstriert werden. (Die Zeit, Januar 1997, S. 1) Selbst Traditionsklubs wie der AC Bavaria Goldbach äußerten in den letz-ten Wochen Gedanken, sich aus finanziellen Beweggründen eventuell freiwillig aus der Ersten Liga zu verabschieden. Für den Athletenverein ist ein Abstieg währenddessen kein Thema. (Frankfurter Rundschau, 27.12.1997, S. 9) Elemente, die vielleicht von großer Wichtigkeit für die Zeit damals waren und die an den Zeitgeist gebunden sind. Andere Elemente wieder sind zeitlos – wie die Suche nach Ordnung, der Weg vom Chaos zur Ordnung. (Die Presse, 13.05.2000, o. S.) Die einen sagen, daß die Pensionsgrenze bei uns viel zu hoch liege, und verweisen auf andere Länder […]. Andere wiederum sagen, daß es gerade die Inaktivität ist, die den Menschen früher sterben lässt. (Bericht SWF1, 03.02.1971) Die Kostüme der männlichen Darsteller sahen meist ein bißchen nach Mackie Messer aus, hinwiederum andere wirkten echt proletarisch. (Berliner Zeitung, 07.04.1999, S. 12)  

(121)



(122)



(123)

(124)



2.3.5.3 Die Polysemie von während: eine exemplarische Analyse Bei während ist die kontrastiv-vergleichende Bedeutung nicht nur konventionalisiert, sondern auch mit bestimmten formalen und informationsstrukturellen Merkmalswerten korreliert. (i) Merkmal: Konnektreihenfolge Beim Merkmal Konnektreihenfolge gibt es Korrelationstendenzen. Bei anteponierten während-Phrasen ist eine adversative Interpretation äußerst selten – hier spielt die Rahmensetzungsfunktion von Temporaladverbialen eine Rolle –, postponierte während-Phrasen sind dagegen eher (zu mindestens einem Drittel in einem gemischten Korpus) adversativ; während zeigt hier also in der adversativen Lesart eine gewisse Tendenz zur Anpassung an die monosemen Postponierer wogegen und wohingegen. Einschub der Subjunktorphrase in das externe Konnekt begünstigt temporale Lesart, schließt aber wohl adversative Lesart nicht völlig aus. (125)

Auf der ganzen Welt sitzen, während wir reden, Leute in ihren kleinen Studios an ihren kleinen Computern und schreiben das nächste „Pulp Fiction“-Drehbuch. (die tageszeitung, 14.09.1995, S. 15) ?Heute hat Fritz, während er gestern zehn Seiten zu Papier gebracht hat, mal gar nichts geschrieben.  

(126)

548

C Semantische Konnektorenklassen

(ii) Merkmal: strukturelle Parallelität der Konnekte Ein Korrelat im externen Konnekt erzwingt temporale Interpretation (127), Verbzweitstellung im internen Konnekt wie in (128) und (129) lässt nur adversative Interpretation zu. Der „gemeinsame Nenner“ dieser beiden Merkmale ist der Grad der strukturellen Parallelität der Konnekte: je geringer er ist, desto schwerer kann sich eine adversative Interpretation einstellen. (127) (128)

(129) (130)

Während er dies aber überlegte, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum. Aber des ist doch im wesentlichen des, woraus die Stadt Worms ihren Etat finanziert. Während die große Masse der sonst aufzuwendenden Steuern gehen ja entweder nach Bonn, an die Bundesregierung, oder an die Länder, nach Mainz. (Pfeffer-Korpus, Deutsche Umgangssprache, PF 100) Das Sommerkorn ist sehr schlecht ausgefallen, währenddessen das mit dem Winterkorn, das ging noch einigermaßen. (Zwirner-Korpus, ZW 1Q8, 1959) *Hans und Fritz unterhalten sich, während: sie hocken gemeinsam in der Kneipe.

(iii) Merkmal: Einbettbarkeit in den Skopus höherer Operatoren Die Einbettung der Gesamtkonstruktion unter eine Fokuspartikel, ein einstellungsoder geltungsbezogenes Satzadverbiale führt immer zu einer temporalen Interpretation. (131a) (131b) (132a) (132b)

Während Lea emsig das Haus putzt, lümmelt Fritz faul herum. (ambig) Nur/sogar/auch während Lea das Haus putzt, lümmelt Fritz faul herum. (nur temporal) Leider/wahrscheinlich pfeift Fritz Opernarien, während er duscht. (temporal) Glücklicherweise/wahrscheinlich trinkt der Präsident heute nicht mehr, während er früher ein ernstes Alkoholproblem hatte. (adversativ, nur 1. Konnekt im Skopus)

Die Restriktion erklärt sich etwa so: Eine Einbettung einer adversativen währendKonstruktion unter eine restriktive Fokuspartikel nur wäre gleichbedeutend mit dem Ausschluss von Alternativen zum Fokusausdruck, hier also „Es besteht ein Kontrast zwischen p und q, nicht aber bestehen zusätzliche Kontraste.“ Ein adversativer Konnektor etabliert aufgrund seiner Zweistelligkeit aber einen Kontrast zwischen genau zwei Entitäten: die Funktion von während (wie die von anderen Kontrastkonnektoren) ist ja gerade, die Menge relevanter Alternativen, die mit der Existenz von kontrastivem Topiks und korrespondierenden Foki implikatiert werden, gleichzeitig zu begrenzen. Eine Einbettung der Gesamtkonstruktion unter einen Rahmensatz ergibt dagegen keine klare Korrelation. Auch Einbettung unter einen Illokutionsoperator scheint mit temporaler wie adversativer Lesart verträglich.

549

C2 Additiv basierte Konnektoren

(133a) (133b) (133c) (133d) (134)

Es stimmt, dass der Präsident heute nicht mehr trinkt, während er arbeitet. Es stimmt, dass der Präsident heute nicht mehr trinkt, während er früher ein ernstes Alkoholproblem hatte. Warum trinkt der Präsident keinen Alkohol, während er arbeitet? Warum trinkt der Präsident heute keinen Alkohol, während er früher ein ernstes Alkoholproblem hatte? Wird Gorbi doch mit Frau Raissa anreisen und Reagan seine First Lady zuhause lassen müssen, weil sie Angst hat, sich einen Schnupfen zuzuziehen, während, wie wir alle wissen, die Russen an die Kälte gewöhnt sind? (die tageszeitung, 09.10.1986, o. S.) Warum ist für Indianer Spiritualität und Ökologie dasselbe, während wir einen ökologischen Umbau ohne das Wort Gott entwerfen. (die tageszeitung, 07.03.1989, S. 16)  

(135)



Hier sind allerdings die Skopusverhältnisse bei der adversativen Lesart nicht eindeutig: Diese Konstruktionen lassen sowohl eine Lesart mit weitem Skopus zu (warum (kontrast (p, q)), als auch eine mit engem Skopus: (warum (p), kontrast (q)). Wegen dieser Uneindeutigkeit bei der Einbettung scheint uns die Annahme eines unterschiedlichen syntaktisch-kategorialen Status von adversativem und temporalem während (so Clément/Thümmel 1996) nicht gerechtfertigt. (iv) Merkmal: aspektuelle Charakteristik der Konnekte Temporale Interpretation von p, während q wird i. d. R. gedeutet als Inklusion des mit dem externen Konnekt bezeichneten Zeitintervalls t(p) in das mit dem internen Konnekt bezeichnete Intervall t(q), also t(p) Í t(q) (vgl. z. B. Lohnstein 2004: 154). Unterschiedliche Ereigniszeiten in den Konnekten wie (136) oder Konnekte, die zeitlich ungebundene Zustände bzw. Eigenschaften bezeichnen wie wissen, abstammen, ähneln, schlau sein (vgl. dazu Maienborn 2003), blockieren anders als temporal situierbare Sachverhalte (sitzen, schlafen, warten, glänzen, müde sein) temporale Interpretationen.  





(136)

Während heute noch ca. zwei Drittel der Bremer Professoren Geisteswissenschaftler sind, sollen es nach dem HEP im Jahr 2010 nur noch 50 Prozent sein. (die tageszeitung, 25.11.1988, S. 18) Während Fritz Spanisch kann, beherrscht Franziska keine Fremdsprache. (adversativ) *Während Fritz Spanisch kann, nuschelt er. Bei der Ersatzmutterschaft wird der Leihmutter nur der Samen inseminiert, sie bleibt also die „normale“, biologische Mutter, während bei der Tragemutter auch die Eizelle von einer anderen Frau stammt. (die tageszeitung, 13.09.1986, S. 5)  



(137a) (137b) (138)



550

C Semantische Konnektorenklassen

(v) Merkmal: kontrastierende Topiks in den Konnekten Der entscheidende Unterschied zwischen adversativer und temporaler während-Interpretation liegt in der informationsstrukturellen Bedingungen des Vorliegens von kontrastiven Topiks bei der adversativen Interpretation. Bei Topikkontinuität oder Inklusion des einen Topiks im anderen wie in (140) ist eine adversative Interpretation blockiert. (139)

[/SIE]T1 [wollen die Umweltagentur so schwach wie MÖGlich halten\]K1, während [/WIR]T2≠T1 [das GEgenteil versuchen\]K2. (die tageszeitung, 08.06.1990, S. 9) [Wir]T1 rauchen beide nicht und trinken auch nicht, während [wir]T2=T1 spielen. (die tageszeitung, 11.03.1991, S. 4)  

(140)



Die obligatorische informationsstrukturelle Zweigliedrigkeit von adversativen Vergleichen bedingt wiederum, dass adversative während-Verknüpfungen anders als temporale nicht thetischen Status haben können: (141) (141a)

(141b)

Was ist passiert? Zwei Männer haben eine Bank überfallen und 20.000 Euro erbeutet, während ganz in der Nähe zwei andere Bankräuber verhaftet wurden. (temporal; ?? adversativ) ??Zwei Männer haben eine Bank überfallen und 20.000 Euro erbeutet, wohingegen ganz in der Nähe zwei andere Bankräuber verhaftet wurden.  



Auch die adversative Bedeutung von während lässt sich mit der Grundbedeutung einer Inklusionsrelation vereinbaren, wenn man davon ausgeht, dass die Inklusion hier auf einer anderen Ebene als der der Ereignisse stattfindet (vgl. Lohnstein 2004). Temporales p, während q bettet das mit dem externen Konnekt bezeichnete Zeitintervall t(p) in das mit dem internen Konnekt bezeichnete Intervall t(q) ein. Kontrastivvergleichendes p, während q bettet den im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalt in einen Diskursrahmen ein, der durch das interne Konnekt abgesteckt wird und innerhalb dessen die Erwähnung dieses Sachverhalts relevant ist. Die Kontrastbedeutung entsteht erst durch die semantisch symmetrische Strukturierung in kontrastierende Topiks und Kommentare. Neben den hier besprochenen semantisch eindeutigen Fällen gibt es auch viele Belege für während-Verknüpfungen, die sich sowohl temporal als auch adversativ lesen lassen. Bedingung ist, dass die Topiks und Kommentare als kontrastiv verstehbar sind und dass es sich um Ereignisprädikate handelt. Solche „Shift-Kontexte“ (Heine 2002) spielen beim Bedeutungswandel eine entscheidende Rolle. (142)

Die soziale Not nimmt nach den Erfahrungen des Caritas-Verbandes im MainKinzig-Kreis immer mehr zu, während gleichzeitig die Möglichkeiten, die

C2 Additiv basierte Konnektoren

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Betroffenen zu unterstützen, ständig abnehmen. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.) Während Männer zu Millionen in die Städte des Südens abwandern, um dort ein besseres Auskommen zu finden, müssen sich die zurückgelassenen Frauen neben Kindererziehung und Haushalt noch um die Feldarbeit kümmern. (http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=9209666 &top=SPIEGEL)  

(143)

2.3.6 Konnektoren zwischen Affirmativität und Adversativität: allerdings, dafür, freilich, zwar Den drei Konnektoren allerdings, freilich und zwar ist gemeinsam, dass sie in ihrer ursprünglichen Bedeutung einstellige Affirmativitätsadverbien sind und dass sie – auf unterschiedliche Weise – im Gegenwartsdeutschen zwischen affirmativer und adversativer Funktion oszillieren. Ihre Verwendungsdomäne sind Kontexte der Argumentation, in denen sie Pro- und Kontraargumente markieren, also „kompensatorische“ Verwendungen wie in C2.3.3.4 für aber beschrieben. Dafür, das auch in seiner Grundbedeutung relational ist, kann insofern zu dieser Gruppe gerechnet werden, als es bei einer wertungsneutralen Grundbedeutung sowohl das Pro- als auch das Kontraargument markieren kann. Es kann nur im zweiten Konnekt erscheinen und markiert damit immer das kontrastierende Argument. Dagegen ist zwar, das nur im ersten Konnekt einer adversativen Verknüpfung auftreten kann, selbst streng genommen kein adversativer, sondern ein affirmativer Konnektor mit „einräumender“ Funktion, es tritt aber obligatorisch mit einem adversativen Konnektor im zweiten Konnekt auf: Damit ist es der „rechtskonnexe“ (kataphorische) Teil eines korrelativen Konnektors, dessen zweiter Teil in der Form nicht festgelegt ist: Es tritt mit Ausnahme der Konnektoren des kontrastiven Vergleichs (dagegen, hingegen, demgegenüber etc.) praktisch mit allen adversativen (aber, doch, jedoch, allerdings, dafür, nur, bloß, allein), aber auch mit den konzessiven Adverbkonnektoren (trotzdem, dennoch, gleichwohl, nichtsdestotrotz) auf (vgl. Primatarova-Miltscheva 1986: 128). Allerdings und freilich können sowohl affirmativ als auch adversativ gebraucht werden, wobei im Gegenwartsdeutschen nur noch freilich wie zwar im ersten Konnekt die kataphorischeinräumende Funktion übernehmen kann, während bei allerdings eine Formdifferenzierung stattgefunden hat und synchron zwischen einem einstelligen betonten Affirmativitätsmarker allerDINGS und einem zweistelligen unbetonten adversativen Adverbkonnektor allerdings unterschieden werden muss (vgl. im Detail Breindl 2003, 2004d); historisch finden sich freilich allerlei Zwischenstufen. Dieses synchrone und diachrone Oszillieren zwischen affirmativer und adversativer Bedeutung ist auch in der älteren Germanistik gut beschrieben, am detailliertesten in der 9-schrittigen Herleitung von zwar (aus mhd. ze wâre = ‚in Wahrheit‘) als

552

C Semantische Konnektorenklassen

„entwicklung von der bestätigung zur einräumung“ bei DWB. Behaghel (1928) parallelisiert die Entwicklung von allerdings (ebd. 64) und freilich (ebd. 174) und bemerkt ebenfalls den Wortartwechsel von „Adverbia, die der Anerkennung, der Bestätigung dienen“ zu „Konjunktionen des Gegensatzes“ (ebd. 49). Der adversative Adverbkonnektor allerdings hat sich aus dem einstelligen Affirmativitätsadverb allerDINGS entwickelt, das Träger des Fokusakzents ist. Dieses einstellige Adverb tritt in der Funktion als geltungsbekräftigendes Satzadverbial (‚in der Tat‘) in Sätzen auf, die informationsstrukturell komplett zum Hintergrund gehören; durch den engen Fokus auf dem Adverb wird als einzige Alternative eine unterstellte oder im Vortext verbalisierte Nicht-Geltung der Trägersatzproposition zurückgewiesen – betontes allerdings hat ähnliche Funktion wie der Verum-Fokus (s. 1b). Durch Weglassung des Hintergrundmaterials entwickelt sich daraus in dialogischen Strukturen eine Antwortpartikel-Funktion wie in (144c). 144a)

Hatte Thamar, das Landeskind, die Tochter schlichter Baals-Ackerbürger, die in der Episode einer Episode lebte, eine Vorstellung von dieser Tatsache? Wir antworten: allerDINGS hatte sie eine solche. (THM/AMJ, Mann, Joseph, S. 1539) (144b) […] Sie HATte eine solche. (144c) A: „Hatte Thamar eine Vorstellung von dieser Tatsache?“ – B: „AllerDINGS!“  

Dieses bekräftigende allerDINGS p kann nun nach dem geläufigen einräumenden Argumentationsmuster (der rhetorischen „concessio“-Figur) einschränkend fortgeführt werden. (145)

„Sie wissen, daß er krank ist und daß ihm Ruhe dringend noth thut!“ „Allerdings, aber man hat uns gesagt, daß er sich seit einigen Tagen besser befindet und namentlich in den Abendstunden ziemlich frei von Beschwerden ist.“ (HSL/NOR, Nordau, Kreml, S. 126)  

Affirmatives allerdings konnte schließlich auch zusammen mit dem adversativen Adverb in einem Satz auftreten. In solchen Kontexten kann es durch Reanalyse mit der Kontrastbedeutung selbst assoziiert und seinerseits als adversativ interpretiert werden. Der Übergang zur adversativen Bedeutung und zur Zweistelligkeit ist dann vollständig, wenn die Funktion der Geltungsbekräftigung im ersten Konnekt durch andere Adverbien ausgedrückt wird, wie in (147). Hat allerdings Konnektorfunktion wie in (146) und (147), dann ist das Trägerkonnekt fokal. (146)

Die Oper und die Schauspielhäuser, deren es zur Zeit meines Aufenthalts in Stockholm drei große gab, sind allabendlich ausverkauft. Allerdings ist aber der Theatergenuß auch nirgends so billig wie hier. (HSL/NOR, Nordau, Kreml, S. 126)  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(147)

553

Der Palmbaum wächst freylich wohl auch in etwas schwerer Erde, die jetzt beschriebene aber hat allerdings den Vorzug. (HFL/DVG, Dießkau, Vortheile, S. 300)  

In Folge davon, dass allerdings selbst weitgehend als adversativ interpretiert wird, ist es im Gegenwartsdeutschen nur noch schlecht mit adversativem aber kombinierbar – Belege sind selten und von fraglicher Akzeptabilität, insbesondere bei Juxtaposition –, ganz anders als freilich, das in der Kombination freilich aber oder aber freilich auftreten kann. (148) (149)

Ein Politikwechsel ist durch die Veränderung an der Regierungsspitze aber allerdings nicht zu erwarten. (Vorarlberger Nachrichten, 06.04.2000, S. A2) „Wir hatten die richtige Strategie, das Team hat eine tolle Arbeit geleistet“, sagte der Finne, der sich von einer schier unglaublichen Pechsträhne nie entmutigen ließ. Diesmal aber hatte er allerdings sein ganz persönliches Maskottchen dabei: Ajax, seinen Schäferhund. (Berliner Zeitung, 01.08.2005, S. 18) Sie sollen auch während der vierjährigen Bauarbeiten Zugang haben. Spätestens ab 2008 müssen sie allerdings ihren Wagen aber auf dem Festland abstellen und entweder zu Fuß gehen oder den 30 Stundenkilometer langsamen Pendelzug besteigen. (Mannheimer Morgen, 17.02.2003, o. S.) Trotzdem ist Nursel Colak stolz darauf, bisher noch nie Arbeitslosengeld bezogen zu haben. Zur Zeit allerdings fehlt es ihr aber am Nötigsten. (Vorarlberger Nachrichten, 04.09.1999, S. A, o. S.)  

(150)





(151)



(152)



Pflichtzölibat und Weiheverbot für Frauen sind zwar mit einem Federstrich aufzuheben – aber freilich nur vom Papst selbst. (Die Presse, 30.06.1995, o. S.) Nachdem Leopold II. am 21. Juli 1859 zugunsten seines Sohns der großherzoglichen Würde entsagt, wurde dieser nun der legitime Fürst, konnte aber freilich seine Rechte bloß durch Protest gegen die piemontesische Herrschaft ausüben. (Funktionale Bewertungslehre, Wikipedia 2005) Der „TGV-Effekt“ einer praktischen Zwei-Stunden-Verbindung hat sich zwar eingestellt, freilich aber mit noch größerem Profit für Paris als für Lyon. (Die Presse, 28.10.1991, o. S.) Eine Abwehrverordnung sei zwar geboten, erfasse freilich aber nicht das „friedliche Lagern und Trinken“, und eine „Vertreibung von Ärmeren“ habe auch niemand im Sinn. (Frankfurter Rundschau, 18.09.1997, S. 14)  

(153)

(154)





(155)



Freilich kann wie jeder andere adversative Adverbkonnektor im zweiten Konnekt stehen, auch in der Kombination mit affirmativ-einräumendem zwar im ersten Konnekt:

554

(156)

C Semantische Konnektorenklassen

Eine Dachstube konnte in dem Mietshaus frei gemacht, eine Sekretärin gewonnen werden – der Verlag übernahm sie. Der Start freilich war peinlich. (MK1/MHE, Heuss, Erinnerungen, S. 189) Herausgekommen ist eine zwar souveräne, freilich etwas uninspirierte Auftragsarbeit. (die tageszeitung, 12.03.1999, S. 17)  

(157)



Möglich ist aber auch die auf einen Kontrastkonnektor vorausweisende, affirmativeinräumende Verwendung im ersten Konnekt einer Kontrastverknüpfung. In dieser Verwendung wird es vereinzelt auch mit zwar kombiniert. (158)

Mit dem Wort „Rosinenbomber“ fand der Volksmund die beklemmend treffende Formel für den freilich rettenden, aber doch erstaunlich reibungslosen Übergang vom Luftkrieg zur Luftbrücke. (Berliner Zeitung, 19.10.1999, o. S.) Über solche Traumbedingungen verfügt Österreich als Binnenland mit einem Durchschnittswert von rund fünf Metern pro Sekunde im offenen Land zwar freilich nicht, doch in bestimmten Regionen weht günstiger Wind. (Die Presse, 07.11.2000, o. S.) Der typische Zuschauer von Arztserien ist deutlich über fünfzig, besitzt gerade mal Volksschulabschluss und verfügt über weniger als 3500 Mark Monatseinkommen – eine Zielgruppe wie pures Zyankali. Da die Alten freilich zwar sterben, aber heutzutage immer mehr von ihnen nachwachsen, wird das Genre dennoch überleben. (Die Zeit, 11.11.1999, o. S.)  

(159)



(160)



In solchen Verwendungen hat freilich oft eine Art Scharnierfunktion, insofern es nicht nur auf einen Kontrastkonnektor vorausweist, sondern selbst einschränkend an den Vortext anknüpft. (161)

Das Thema des Abends lautet „Massenmedien und was für eine Kommunikation“. Eine Antwort gibt es freilich nicht, dafür aber zahlreiche Stimmen und Interpretationen. (die tageszeitung, 18.06.1988, S. 32) In dem von uns gefahrenen CLK 230 Kompressor sorgt ein 2,3-Liter-Vierzylinder für Fahrspaß bis an die Tempo-230-Marke. Der Motor, der dank Kompressor-Beatmung 193 PS leistet, läuft freilich etwas rauher als ein V6, tut sich aber akustisch wirklich nie unangenehm hervor. (Berliner Zeitung, 13.12.1997, S. 23)  

(162)



Auch für allerdings sind Verwendungen im ersten Konnekt einer Kontrastverknüpfung belegt; die Funktion der adversativ-einschränkenden Verknüpfung des Trägerkonnekts an den Vortext erscheint aber hier stärker ausgeprägt; allerdings macht nicht in dem Maße wie zwar und freilich eine adversative Textfortsetzung erwartbar.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(163)

555

Ein noch größerer Hit ist die auch hierzulande bekannte Serie „L.A. Law“ am Sendernetz NBC. Ihre Gerichtsszenen aus Los Angeles sind allerdings erfunden und gestellt, dafür aber angereichert mit Anwaltsintrigen hinter den Kulissen. (Salzburger Nachrichten, 16.07.1991, o. S.) […] denn erst 1988 hat es eine umfassende Reform des Dienstrechts gegeben, das allerdings zunächst einige Kinderkrankheiten aufwies, aber mittlerweile recht gut eingeführt ist. (Die Presse, 16.05.1995, o. S.) Wer diese Forderung umsetzen soll, darüber hat er schon konkrete Vorstellungen. Die gibt er allerdings noch nicht preis, große Veränderungen werde es aber nicht geben. (Frankfurter Rundschau, 20.11.1998, S. 37)  

(164)



(165)



Auf einer Skala zwischen Affirmativität und Adversativität sind also die drei Konnektoren zwar, freilich und allerdings wie folgt geordnet. Tab. C2-3: zwar, freilich und allerdings zwischen Affirmativität und Adversativität affirmativ

einräumend

adversativ

anaphorisch im 1. Konnekt kataphorisch im 1. Konnekt

anaphorisch im 2. Konnekt

zwar





freilich

+

+

+

allerdings

+ (betont)

?

+

+

Der Anwendungsbereich von adversativem allerdings ist nicht ganz identisch mit dem von aber. Die Bedeutung von allerdings wird meist als irgendwie schwächerer Kontrast beschrieben, als „relative Einschränkung“, „ausgleichende Funktion“ (Brauße 1983: 33), als „höflicher“. Für einen direkten Widerspruch im Dialog kann allerdings nicht benutzt werden. (166) (167) (168)

?„Ich glaube, ich habe gestern meinen ehemaligen Deutschlehrer auf der Straße gesehen.“ – „Der ist allerdings doch schon lange tot!“ ?„Halt mal schnell mein Glas.“ – „Allerdings hab ich selber beide Hände voll.“ ?„Hast du die Zeitung schon reingeholt?“ – „Heute ist allerdings Feiertag!“

Solche Sequenzen sind allenfalls akzeptabel, wenn sie als ironische Erwiderungen aufgefasst werden, mit denen ein Einwand, der inhaltlich so gewichtig ist, dass er die Geltung des zuvor geäußerten außer Kraft setzt, vorgebracht wird wie ein argumentativ irrrelevanter, allenfalls unter einem bestimmten Aspekt einschränkender Sachverhalt. Diese Asymmetrie zwischen Inhalt und Form trägt auch im folgenden Beispiel zum Witz bei.

556

(169)

C Semantische Konnektorenklassen

Frage an Radio Eriwan: Gibt es in der Sowjetunion eine Postüberwachung? Antwort: Im Prinzip nein. Briefe mit antisowjetischem Inhalt werden allerdings nicht befördert.

Auch in kompensatorischen Kontexten kann ein mit allerdings angeschlossenes Argument für den gesamten argumentativen Zusammenhang als nicht ausschlaggebend markiert werden, wenngleich es in der unmittelbaren Text- oder Diskursfortsetzung meist nicht einfach „übergangen“ wird. Allerdings ist somit anders als aber im Prinzip gewichtungsneutral. (170)

Neuberger jetzt, und dazwischengefahren is Höttges, der den Ball mit einem weiten Schlag aus der Gefahrenzone herausschlägt, allerdings etwas unkontrolliert, und Pees kann noch einmal einen Angriff der Dortmunder Borussen starten. (Freiburger Korpus, FR 008, 11.05.1968)

Es eignet sich auch besser als aber, Nebensequenzen (171) oder metakommunikative Kommentare (172) zu markieren. (171)

Die neue Verfassung erlaubt die Wahl von Regionalparlamenten, die einen eigenen Haushalt aufstellen und eigene Gesetze verabschieden können (wobei die Beschlüsse allerdings dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden müssen). Eritrea soll es darüberhinaus zugestanden werden, eigenständig Industrien zu entwickeln und eigene Schulen aufzubauen. (die tageszeitung, 10.11.1987, S. 3) Von der Länge her schlägt der Premacy den Multipla um knapp 30 und den Scenic um 16 Zentimeter, ist aber nur um zwei Zentimeter kürzer als der Zafira (obwohl der Opel zwei Sitze mehr bietet, wobei man allerdings der Fairneß halber dazusagen muß, daß der Kofferraum dann eigentlich nicht mehr als solcher zu bezeichnen ist). (Die Presse, 28.08.1999, o. S.)  

(172)



Ein Ausdruck einer Einschränkung von geringerer Relevanz sind auch kompensatorische Verwendungen, in denen allerdings in eine NP eingebettet mit einem Adjektiv oder Partizip als internem Argument und ohne erkennbares externes Argument auftritt. Solche Verwendungen sind für aber nicht möglich, das in eingebetteten Sekundärpropositionen immer ein externes Argument vom gleichen Typ braucht (*ein aber defekter Revolver vs. ein schwerer aber defekter Revolver). (173)

Tatsächlich wurde der Mann fündig: genau wie von S. beschrieben, hatte er in einem Schacht neben einem Kabelkanal eine blaue Schachtel gefunden, in der ein allerdings defekter Revolver lag. (Mannheimer Morgen, 12.07.2001, o. S.)  

C2 Additiv basierte Konnektoren

(174)

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Das letzte Vorbereitungsspiel vor dem Meisterschaftsstart gewann das Team von Trainer Marcel Koller in Buchs gegen ein allerdings schwaches Casino Bregenz mit 4:0. (St. Galler Tagblatt, 05.07.1999, o. S.)  

Als externes Argument muss hier ein Faktum aus dem Kontext erschlossen werden, das in seiner Wertung entgegengesetzt zu der im internen Argument ausgedrückten Wertung ist. (173a) (173b)

Positiver Wert: S. fand eine Schachtel mit einem Revolver. Negativer Wert: Der Revolver war defekt. Positiver Wert: Das Team gewann gegen Casino Bregenz. Negativer Wert: Casino Bregenz war schwach, und der Sieg deshalb wenig wert.

In Kontexten des kontrastiven Vergleichs kann allerdings nur eingeschränkt verwendet werden. In rein deskriptiven Vergleichen wie (175) und (176) wirkt es unangebracht; möglich ist es aber, wenn die verglichenen Entitäten gleichzeitig bewertet sind wie in (177). (175)

#Die Schermaus, welche keinen Winterschlaf hält, lebt fast ausschließlich unter der Erde in hochovalen etwa 5 cm breiten und 7cm hohen Gängen. Die Gänge des Maulwurfs allerdings sind queroval. (http:// www.dlr-rheinpfalz.rlp.de/Internet/global/themen.nsf; im Original: hingegen) #Cäsium 137 hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren, Plutonium allerdings die einer Ewigkeit von 24.000 Jahren. (im Original: dagegen) Das festliche Concerto Grosso von Arcangelo Corelli, auch „Weihnachtskonzert“ genannt, gab dem Orchester die Möglichkeit, in kantablen, melancholischen Passagen weiche Klangfülle zu zeigen. In den schnelleren, virtuosen Sätzen allerdings hatten die Streicher Probleme mit der Intonation. (Mannheimer Morgen, 21.01.1991, o. S.)  

(176) (177)



Eine konzessive Relation kann allerdings nicht selbst herstellen. Ersetzt man in konzessiven Verknüpfungen einen konzessiven Adverbkonnektor wie trotzdem oder dennoch durch allerdings, kippt die Bedeutung oder die gesamte Verknüpfung wirkt inkohärent. Einer allerdings-Verknüpfung liegt also keine konditionale Beziehung zwischen den Argumenten zugrunde. (178) (179)

?Es regnet. Allerdings gehen wir spazieren. Was machen denn deine Eltern? ?Ich bin entsetzt! Mein Vater ist ernsthaft krank, allerdings geht meine Mutter arbeiten.

558

C Semantische Konnektorenklassen

(180a) In den vergangenen Jahren waren die Lohnerhöhungen in Deutschland äußerst moderat. Trotzdem haben die Unternehmen kaum neue Arbeitsplätze geschaffen. (180b) ≠In den vergangenen Jahren waren die Lohnerhöhungen in Deutschland äußerst moderat. Allerdings haben die Unternehmen kaum neue Arbeitsplätze geschaffen. Wie allerdings kann auch dafür als adversativer Adverbkonnektor nur in kompensatorischen Kontexten auftreten. Dabei ist es wertungsneutral (entsprechend seiner ursprünglichen eher substitutiven Bedeutung) und kann, wie allerdings, den positiv bewerteten (181) wie den negativ bewerteten Pol (182) markieren. Mit anderen adversativen Adverbkonnektoren (aber, jedoch, allerdings) ist es kombinierbar. (181)

Er war kein hübscher, dafür aber ein stattlicher, liebenswerter Mensch, auf den seine Mutter stolz sein konnte. (MK1/TJM, Jung, Magd, S. 28) Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen […], dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen. (Goethe, Faust, S. 27).  

(182)



Entsprechend seiner substitutiven Grundbedeutung signalisiert dafür, dass der im Trägerkonnekt bezeichnete Sachverhalt als „Ausgleich“ für den im ersten Konnekt bezeichneten Sachverhalt dient. In vielen Verwendungen ist es im Sinne eines stattdessen zu interpretieren (s. C2.2.5). (183)

Wir haben zwar keine Regenmacher, aber dafür Astrologen und Wunderdoktoren. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 276) Futter kam nicht, dafür die Meldung: „Keine Aussicht auf Futterimporte!“ (MK1/LSO, Strittmatter, Bienkopp, S. 350) Das Ostergeschäft war gut, obgleich der Laden auf Matzeraths Wunsch, der ja Protestant war, am Karfreitag geschlossen werden mußte. Mama, die sonst immer ihren Willen durchsetzte, gab jeweils an den Karfreitagen nach, machte den Laden zu und beanspruchte dafür am Fronleichnamstag das Recht, aus katholischen Gründen das Kolonialwarengeschäft geschlossen zu halten. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 118) Schwarze Journalisten, die sich dort besser auskennen und Zulu oder Xhosa sprechen, haben weiße Kollegen schon oft aus brenzligen Situationen gelotst. Dafür wurden sie umgekehrt im Stich gelassen, wenn rechtsradikaler Burenmob auf sie losging. (die tageszeitung, 17.02.1994, S. 16)  

(184)



(185)



(186)



559

C2 Additiv basierte Konnektoren

2.3.7 Adversative Konnektoren mit Fokuspartikelherkunft: allein, bloß, nur, bloß dass, nur dass Die üblicherweise als „restriktive Fokuspartikeln“ klassifizierten Adverbkonnektoren allein, nur und bloß haben eine adversative Lesart, wenn ihr Bezugsbereich das gesamte interne Konnekt ist. In dieser Funktion stehen sie bevorzugt desintegriert vor dem Vorfeld; für bloß und nur ist auch Vorfeldposition möglich. In der Literatur zu Fokuspartikeln wird dann meist ein Wechsel zu einer konjunktionalen Funktion angenommen (vgl. König 1993, Altmann 2007). In HDK-1 (575 ff.) wurden zweistellige Fokuspartikeln als (nicht vorfeldfähige) Konnektoren beschrieben, deren spezifische Konnektorfunktion darin besteht, dass sie eine Relation zwischen einer assertierten Proposition und einer Präsupposition bezeichnen (vgl. auch Brauße 2000), die nicht verbalisiert sein muss. Eines der Relata ist jeweils die Trägersatzproposition ohne die Partikel – bei additiven ist die Trägersatzproposition der assertierte Teil, bei restriktiven der präsupponierte. Restriktive Fokuspartikeln können systematisch adversative Bedeutung annehmen. Im Deutschen betrifft dies bis auf lediglich alle restriktiven Fokuspartikeln, zu bloß und nur existieren mit den Postponierern bloß dass und nur dass auch subordinierende Varianten. Diese Polysemie ist auch in anderen Sprachen ausgeprägt; so hat etwa die englische Standard-Adversativkonjunktion but auch eine Fokuspartikel-Verwendung (they are but children), ebenso ndld. maar (vgl. Foolen 1983); umgekehrt wird für die Fokuspartikel only (that) eine Konjunktionsfunktion attestiert; vergleichbare Doppelfunktion haben auch frz. seulement, ital. solo (che), soltanto (che), russ. тóлько (tol’ko). Als adversative Konnektoren verknüpfen die fraglichen Einheiten selbständige kommunikative Minimaleinheiten.  

(187) (188)

Die Botschaft hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube. (Goethe, Faust, S.) Das „Vernetzte Studium Chemie“ strebt eine Reform der Chemikerausbildung an. Eine Art Baukastensystem kleiner Studieneinheiten soll effizientere und berufsorientiertere Wege durch das Studium ermöglichen. Allein, warum braucht man dafür die neuen Medien? (Die Zeit, 07.05.1998, S. 75) „Ich war mir sicher, dass meine Erfindung mehr wert ist“, sagt er, nach so vielen Jahren ohne Groll. „Bloß, was sollte ich machen?“ (Die Zeit 06.07.2000, o. S.) Da braucht es Melanie. Die ist 16, unabhängig und wird zur Freundin in der Not. Nur, wie soll sie helfen, wenn die so erwachsene Welt so völlig versagt? (Züricher Tagesanzeiger, 29.01.1997, S. 9) SN: Das hat Haider schon vorher zur Sprache gebracht. BUSEK. Nur, beim Haider hat es immer einen anderen Akzent. (Salzburger Nachrichten, 25.01.1992, o. S.)  

(189)



(190)



(191)



Die Postponierer sind Varianten der Adverbkonnektoren, wenn diese einen Deklarativsatz einleiten. Nur dann ist auch die vorfeldbesetzende Variante von nur und bloß

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C Semantische Konnektorenklassen

möglich; für allein ist in adversativer Verwendung nur die Position vor dem Vorfeld möglich. Eine ähnliche Situation also wie achthundert Jahre vorher, nur daß diesmal Germanen gegen Germanen standen. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 340) (192b) […] Nur, diesmal standen Germanen gegen Germanen. (192c) […] Nur standen diesmal Germanen gegen Germanen. (193a) Mit Schwung passierte er die erste Tür. Und dann die zweite. Bloß, dass die eigentlich verschlossen war. (Berliner Zeitung, 04.01.2003, S. 24) (193b) […] Bloß, die war eigentlich verschlossen. (193c) […] Bloß war die eigentlich verschlossen. (192a)





Bei Mittelfeldposition ist eine adversative Konnektorfunktion nicht mehr eindeutig erkennbar; hier wird immer eine Interpretation als Fokuspartikel mit engerem Fokus bevorzugt. Dabei kann der vor der Fokuspartikel befindliche Satzrest als zum Hintergrund gehörig aufgefasst werden und die Reichweite der Fokusprojektion ist kontextabhängig, bei der Lesart als adversativer Konnektor muss das gesamte interne Konnekt fokal sein. Diesmal standen nur [Germanen]F gegen Germanen./nur [Germanen gegen Germanen.]F (190a) Die Botschaft hör ich wohl, mir fehlt allein [der Glaube]F. (192d)

Die adversative Bedeutung lässt sich aus der restriktiven ableiten, wenn man eine Verknüpfung auf der Sprechaktebene zugrunde legt. Ganz allgemein besteht die Bedeutung restriktiver Fokuspartikeln im Ausschluss von Alternativen zur Fokuskonstituente; bei einer skalar geordneten Alternativenmenge ergibt sich eine skalare Interpretation (Ich habe im Urlaub nur einen Krimi gelesen und kein höherwertiges Buch), bei einer ungeordneten eine quantifizierende Interpretation (Ich habe nur einen Krimi gelesen und kein weiteres Buch) (vgl. Altmann 1976, 2007; König 1993; Brauße 2000). Bei der hier vorliegenden Verwendung werden alternative Äußerungen als im aktuellen Diskurskontext nicht relevant ausgeschlossen. Dass ein Bezug auf der Sprechaktebene vorliegt, kann durch eine metasprachliche Ergänzung sichtbar gemacht werden, z. B. formelhafte Wendungen wie wichtig ist allein, das Problem ist nur, die Frage ist bloß o. ä., die in der Tat häufig belegt sind. Durch den Kontextbezug verlagert sich die Funktion von der für Fokuspartikeln charakteristischen Verknüpfung von Assertion und Präsupposition auf die „normale“ Konnektorfunktion und es werden zwei explizit verbalisierte Argumente verknüpft. Wenn nun im Kontext einer bestimmten Äußerung nur eine einzige weitere Äußerung als relevant präsentiert wird, muss es, unter Zugrundelegung konversationeller Maximen, dafür einen Grund geben: dieser Grund ist eben eine Unverträglichkeit zwischen den Inhalten der beiden Äußerungen. Mit dem Sprechaktbezug erklärt sich auch die weitgehende Restriktion  



C2 Additiv basierte Konnektoren

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von adversativem allein, bloß und nur auf die desintegrierte Nullstelle (Vorvorfeld), der in der Literatur allgemein ein Status als metakommunikative Anweisung an den Adressaten zugeschrieben wird (vgl. Thim-Mabrey 1988, Eroms 1995, Auer 1998, Fiehler 1999, Breindl 2009; Auer 1998: 61 betrachtet allerdings adversatives nur und bloß als Fall von Propositionenverknüpfung, da eine semantische Kontrastrelation vorliegt; semantische Relationalität und Sprechaktbezug schließt sich nach unserem Verständnis aber nicht aus). In der adversativen Verwendung gibt es einen leichten Unterschied zwischen nur (dass) und bloß (dass) einerseits und allein anderseits. Erstere sind immer untereinander, aber nicht in allen Kontexten gegen allein austauschbar, während allein immer durch nur und bloß ersetzt werden kann. Bei den folgenden allein-Varianten der nur-Belege ergeben sich Bedeutungsverschiebungen im Sinne einer Höhergewichtung des internen Konnekts. Eine ähnliche Situation also wie achthundert Jahre vorher, allein diesmal standen Germanen gegen Germanen. (≠ 6a–c) (193d) Mit Schwung passierte er die erste Tür. Und dann die zweite. Allein, die war eigentlich verschlossen. (≠ 7a–c) (194a) Trotzdem wird noch auf alte Art und Weise gepflügt, bloß daß statt zwei Ochsen zwei magere Esel ins Joch eingespannt sind. (die tageszeitung, 25.05.1996, S. 28) (194b) ≠Trotzdem wird noch auf die alte Art und Weise gepflügt, allein, es werden statt zwei Ochsen zwei magere Esel ins Joch eingespannt. (195a) Da trat schon ein fremdes Mannsbild an sie heran, grün gewandet nach Jägerart, rank und schlank, bloß daß er beim Gehen ein bissel hinkte. (195b) ≠ Da trat schon ein fremdes Mannsbild an sie heran, grün gewandet nach Jägerart, rank und schlank, allein er hinkte beim Gehen ein bissel. (192e)



In den allein-Varianten hat das interne Konnekt größeres argumentatives Gewicht, in den nur- und bloß-Varianten das externe; bei diesen wäre etwa eine Textfortsetzung wie „aber das fällt nicht ins Gewicht“, „aber das ist nicht so wichtig“ möglich. (Eroms 1995: 302 spricht von einer im Vergleich zu aber „weicheren Korrektur“.) In den alleinVarianten dagegen ist das interne Konnekt mindestens ebenso gewichtig wie das externe, meist tatsächlich stärker gewichtet (so auch GDS: 2420); eine typische Verwendung ist die im Rahmen einer „Planvereitelung“. Dazu passt, dass adversatives allein häufig absatzbeschließend verwendet wird. Adversatives nur und bloß ähneln eher allerdings, allein ist eher mit jedoch und aber äquivalent. (196)

Du möchtest den Namen Berlins von dem Makel des Nationalsozialismus mit dem Wasser des Widerstandes reinwaschen. Allein, es gelingt Dir nicht, und es kann auch niemandem gelingen. (die tageszeitung, 19.10.1990, S. 18)  

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C Semantische Konnektorenklassen

Die Asymmetrie liegt daran, dass nur und bloß anders als allein neben der quantifizierenden auch eine qualifizierende Lesart haben: Hans ist nur/bloß Assistent vs. *Hans ist allein Assistent. Bei der qualifizierenden Lesart einer restriktiven Fokuspartikel sind die ausgeschlossenen Alternativen höherrangig, der Fokuswert ist der niedrigste Skalenwert. In der adversativen, metakommunikativen Verwendung von nur und bloß kann also gleichzeitig zum Ausdruck kommen, dass die mit dem internen Konnekt getroffene Äußerung zwar als einzige im Diskurskontext relevant ist, dass sie aber im Vergleich zu den ausgeschlossenen Alternativen weniger wichtig ist. In den subordinierenden Varianten nur dass und bloß dass tritt diese Herabstufung des internen Konnekts, gestützt durch die syntaktische Unterordnung, noch stärker zu Tage. Dass sich zu allein keine Postponierervariante allein dass herausgebildet hat, mag als weiteres Indiz für einen solchen Gewichtungsunterschied gelten. Wie allerdings können auch nur und bloß „gegen den Strich“, ironisch verwendet werden, d. h. in Kontexten, in denen rein inhaltlich das interne Konnekt schwerer wiegt und die Gültigkeit des externen Konnekts praktisch außer Kraft setzt.  

(197)

Frage an Radio Eriwan: „Ist es wahr, dass der liebe Gott Parteigenosse werden kann?“ Antwort: „Im Prinzip ja, nur müsste er vorher aus der Kirche austreten.“

2.3.8 Korrelative adversative Konnektoren Unter den korrelativen adversativen Konnektoren lassen sich nach ihrer Form zwei Gruppen unterscheiden. In der einen finden sich Variationen der Form ander- (anderseits/andrerseits/andererseits, andernteils, zum andern), die typischerweise zusammen mit einer Variation der Form einer- (einerseits, einesteils, zum einen) im ersten Konnekt auftreten; die andere Gruppe bilden die repetitiven Formen bald (…) bald, halb (…) halb, mal (…) mal.

2.3.8.1 Korrelative adversative Konnektoren der Form ein- (…) ander-: einerseits/ einesteils/zum einen (…) ander(er)seits/andernteils/zum andern Bei den korrelativen Konnektoren der Form ein- (…) ander- ist weder der Status als korrelativer Konnektor, noch sind im Falle korrelativer Verwendung die jeweils korrelierenden Formen so verfestigt wie etwa beim zweiteiligen entweder (…) oder. (198)

„Lebenslänglich“ ist ein merkwürdiger Film, der einen ratlos zurücklässt. Einesteils ist er voll mit Witzen, die von der albernen Zote bis zum schwarzen

563

C2 Additiv basierte Konnektoren

Humor reichen. Andererseits lacht man hier über Menschen, deren Leben im Eimer ist. (Mannheimer Morgen, 31.05.2000, o. S.) Die Gesprächspartner Lehmans wirken einerseits ein bißchen lebensunsicher, andernteils halt, wie französische Intellektuelle so wirken. (die tageszeitung, 21.02.1998, S. 39) Ähnlich wie beim Nationalitätenkonflikt sind die spontanen Streikaktionen ambivalent. Lösen sie zum einen zentrale Anliegen der neuen Politik ein, so destabilisieren sie andererseits das System […]. (die tageszeitung, 19.07.1989, S. 3) Wenn man in den Kategorien der Grünen denkt, bedeutet diese Theorie einerseits ein Maximum an Fundamentalismus […] und auf der anderen Seite ein Höchstmaß an praktischer, ganz konkret und realpolitisch umsetzbarer Politik. (die tageszeitung, 26.05.1990, S. 39) Der persönliche Kontakt wird einerseits als sehr befriedigend und positiver als reine Aktenbearbeitung bewertet, bringt aber auch erhebliche Belastungen mit sich. (die tageszeitung, 03.07.1998, S. 24)  

(199)



(200)



(201)



(202)



Bei den korrelativen Verwendungen dieser Konnektoren gibt es einen Übergang von additiv-reihenden zu adversativen Verwendungen. (203)

Ein spezielles Computerprogramm ermöglicht einerseits die Volltextsuche und anderseits die Suche nach Schlagwörtern in elektronischen Dossiers. (Süddeutsche Zeitung, 06.10.1995, S. 989) Die Stoffwechselvorgänge, die Steuerung der Lebensvorgänge durch die verschiedenen Nervensysteme einerseits, durch die Hormone andererseits, die Beziehungen dieser verschiedenen Steuerungssysteme untereinander, Geheimnis nach Geheimnis wurde enthüllt, eines immer überraschender und wunderbarer als das andere. (MK1/WBO, Bamm, Ex ovo, S. 26) Mancher gibt sich viele Müh’ mit dem lieben Federvieh; Einesteils der Eier wegen, welche diese Vögel legen; Zweitens: Weil man dann und wann einen Braten essen kann; Drittens aber nimmt man auch ihre Federn zum Gebrauch. (BUSCH) Inzwischen haben sich nämlich einesteils die Studenten mit Sailer verkracht und andernteils ist Hrdlicka von der Wissenschaftssenatorin zum 1. Oktober gekündigt worden. (die tageszeitung, 12.10.1989, S. 24)  

(204)



(205)

(206)





Bei den eher reihenden Verwendungen wie oben schlägt die ursprüngliche Bedeutung von ander-, das bis ins 17. Jh. die Ordinalzahl der Zwei war (vgl. anderntags, anderthalb = ‚das andere (zweite) halb erreichend‘), durch. Bei einesteils (…) andernteils ist die additive, eigentlich „ergänzende“ Verwendung auch heute noch häufiger als bei einerseits (…) anderseits, wo der Aspekt der räumlichen Konfrontation stärker zum Tragen kommt. Das zweite Konnekt kann bei allen korrelativen

564

C Semantische Konnektorenklassen

adversativen Konnektoren auch additiv-koordinativ angeschlossen sein, sodass es zu einer Juxtaposition von und und andererseits/andernteils kommt; beim Kern der adversativen Adverbkonnektoren ist dies nicht möglich (*und aber, *und allerdings, *und jedoch). Durch kontrastierende Aspekte in den Konnekten kann sich die Bedeutung hin zur Adversativität verschieben; es finden sich dann auch zusätzliche adversative Konnektoren im zweiten Konnekt. (207)

Einerseits erfordert diese Tradition ja hartes Hinlangen, wie wir spätestens seit dem historischen Tag wissen, an dem M. Streibl die Weltpresse im hiesigen Brauchtum unterrichtet hat. Anderseits, bei uns paßt eben alles zusammen, steckt in jedem harten bayerischen Manne immer wieder auch ein Kern, der bei Bedarf weich wird. (Süddeutsche Zeitung, 30.09.1995, S. 1) Etwas sperrig zeigen sich allerdings die Bayern. Stolz auf ihre bisherigen Fahndungserfolge wollen sie weiter zwischen „vollbusigen“ und anderen Frauen unterscheiden, was einerseits, aus der Alltagsperspektive vorwiegend männlicher Beobachter evident erscheinen mag, andererseits aber schnurgerade in den Geschlechterkampf hineinführt. (Süddeutsche Zeitung, Freitag 14.11.1997, S. 1) Wo sich die einzelnen aufhalten weiß ich nicht. Das ist einesteils traurig. Andernteils aber erfüllt es mich mit Genugtuung. (Preussler, Schilda, S. 127) Wir hatten dergleichen noch nie gesehen. Einesteils nahm es sich aus wie ein Hirschkäfer, denn es hatte am Kopf vorn zwei mächtige Greifzangen. Andernteils war er für einen Käfer entschieden zu groß geraten; auch hatte es mehr als sechs Beine. (Preussler, Schilda, S. 51)  

(208)



(209)



(210)



Nicht-korrelative Verwendungen von andererseits zeigen, dass der Konnektor selbst als adversativ interpretiert werden kann. Dabei deckt er ein breites Spektrum von Adversativität ab. Er kann in konzessiv interpretierbaren Kontexten auftreten (äquivalent mit dennoch), (211)

So kannte er keine Bedenken, Aachen mit Athen zu vergleichen. Als Christ fühlte er sich den antiken Schriftstellern und Philosophen durchaus überlegen. Andererseits verachtete er – und mit ihm seine Gelehrtenschule – alle Mitchristen, denen das griechisch-römische Altertum nichts bedeutete. (MK1/ WPE, Pörtner, Erben, S. 291) Die Franken waren also bereit, sich ihrer neuen Umwelt anzupassen und deren Gewohnheiten zu respektieren. Andererseits hielten sie daran fest, ihre Toten nach der Art der Väter mit reichen Beigaben zu verabschieden. (MK1/WPE, Pörtner, Erben, S. 40)  

(212)



565

C2 Additiv basierte Konnektoren

in kontrastiven Vergleichen auch in Nacherstposition (äquivalent mit hingegen), (213)

Im italienischen Fußball […] finden wir „Inspiration, Phantasie, Einfallsreichtum“ – alles Eigenschaften, „die Italien traditionell auch in anderen Bereichen zugeschrieben werden“. Von den Bulgaren anderseits […] hat die englische Sun herausgefunden, daß sie „von breakfast bis zur bed-time im Militärstil gedrillt werden“, ähnlich wie die Russen. (Süddeutsche Zeitung, 29.06.1996, S. 903)  

und kompensatorisch in bewertenden Kontexten: (214)

Welches wird wohl der schlimmste Moment sein am Samstagnachmittag? „Wenn die Busse mit den Spielern wegfahren“, sagt Alfons Reger. „Ich weiß ja, die kommen nie wieder hierher.“ Anderseits: Eine „Beerdigung“ sei es ja auch wieder nicht, schließlich ziehen die Löwen um, weil sie in diesem Jahr so gut gespielt haben und jetzt noch besser werden wollen. (Süddeutsche Zeitung, 09.06.1995, S. 37) Im Jahre 1966 werden in der Sowjetunion etwa 7 Milliarden kWh: Elektroenergie aus Kernenergie erzeugt. Einerseits ist das eine recht beachtliche Zahl, andererseits sind das aber nur 1,25 Prozent des für dieses Jahr geplanten Bedarfs an Elektroenergie von 560 Milliarden kWh […]. (Urania 1/1967, S. 5)  

(215)









2.3.8.2 Korrelativ-repetitive adversative Konnektoren: bald (…) bald, halb (…) halb, mal (…) mal, teils (…) teils Die zweite Gruppe der korrelativen Konnektoren, die in Kontrastkontexten auftreten können, bilden die repetitiven halb (…) halb, teils (…) teils, mal (…) mal und bald (…) bald. Bei diesen kommen überhaupt nur die letzteren beiden als Kandidaten für eine adversative Bedeutung des Konnektors selbst in Betracht, insofern sie dem Muster der regulären temporal-adversativ-Polysemie folgen und sich genauso verhalten wie wieder(um), das in seiner Bedeutung einen Aspekt der „Repetitivität“ zum Ausdruck bringt (s. C2.3.5.2). Kontrastverknüpfungen mit diesen Konnektoren sind vom Typ des kontrastiven Vergleichs. (216)

Denn bald geben wir löblichen Absichten einen verdienten Beifall, bald aber, von glänzendem Erfolg hingerissen, wenden wir uns zu demjenigen, dessen Vorsätze wir würden getadelt haben. (GOE/AGD, Goethe, Leben, S. 113) Auf dem Gebiet der Arbeitswelt aber können wir nur von zwei Übeln das kleinere wählen: zwischen einem Staat, der die Arbeitsplätze ohne Rücksicht auf Rentabilität und Gewinnstreben zur Verfügung stellt und dafür seine  

(217)

566

C Semantische Konnektorenklassen

Steuerzahler zur Kassa bittet – und einer Marktwirtschaft, die je nach Gewinnchance Arbeitsplätze bald vernichtet, bald aber auch wieder neu schafft. (Neue Kronen Zeitung, 17.04.1998, S. 2) Salzburg agierte wie auf einer Hochschaubahn, mal war die Form großartig, mal wieder schwach. (Salzburger Nachrichten, 27.11.1995, o. S.) Die viel zitierte „neue Eleganz“ tritt mal üppig und barock, mal aber auch edel und zurückgenommen auf. (Mannheimer Morgen, 11.11.2000, o. S.)  

(218)



(219)



Bei den beiden anderen repetitiven Konnektoren geht die Kontrastbedeutung der Konstruktion dagegen wohl nur auf das Konto der Kontexteigenschaften und wir klassifizieren sie als additiv (C2.1); (zu halb (…) halb vgl. Waßner 2001). Verwendungen in Kontrastkontexten sind etwa die folgenden: (220) (221)

Halb zog sie ihn, halb sank er hin. (Goethe, Fischer, S. ???) Die studentischen Rebellen witzeln sarkastisch über die bevorstehende Attacke und empfehlen halb im Scherz, halb im Ernst, noch ein paar Erinnerungsfotos von ihrem Camp zu machen. (die tageszeitung, 10.12.1993, S. 12) Manches an wissenschaftlicher Zuwendung und an öffentlicher Förderung ist – teils aus Taktik und Alibi, teils aber auch aus Überzeugung und Verantwortung – positiv gediehen. (die tageszeitung, 25.07.1987, S. 8)  

(222)



C2.4 Komitative Konnektoren

C2.4 Komitative Konnektoren 2.4.1

Liste der komitativen Konnektoren  569

2.4.2

Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  569

2.4.3

Dabei und wobei  575

2.4.4

Indem  582

C2.4 Komitative Konnektoren 2.4.1 Liste der komitativen Konnektoren dabei: nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor (VF, MF, Null) indem: Subjunktor wobei: Postponierer

2.4.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Komitativität (andere Bezeichnungen: Kookkurrenz, Konkomitanz, begleitender Umstand) ist eine konzeptuell elementare Relation, die die gemeinsame kooperative, aber im typischen Fall nicht gleichgewichtige Beteiligung von zwei Partizipanten an einer Situation beschreibt; sie ist eng verwandt mit der Relation der Instrumentalität. Beide Relationen finden ihre primäre sprachliche Kodierung mit den Mitteln, mit denen periphere Partizipantenrollen im einfachen Satz kodiert werden, also vor allem in Form von Präpositionalphrasen, im Deutschen üblicherweise mit den Präpositionen mit und durch. In der Übertragung auf Sachverhaltsverknüpfungen und die Kodierung zusammengesetzter Sätze bedeutet Komitativität zunächst nicht mehr, als dass ein Sprecher eine Situation als mit einer anderen einhergehend, als von ihr „begleitet“ konzipiert (‚p, und dabei q‘). Komitativität ist damit die am wenigsten spezifische der adverbialen Relationen, und ihre Beschreibung als „Begleitumstand“ in der traditionellen Grammatik ist oft genug identisch mit der Beschreibung von Adverbial schlechthin. In der konzeptuellen Verankerung in der Domäne der Partizipantenrollen unterscheidet sich die komitative Satzverknüpfungsrelation von konditionalen und kausalen Relationen, die konzeptuell primär Relationen zwischen Ereignissen, oder allgemeiner, Situationen sind. Sprachlich schlägt sich dies darin nieder, dass komitative Adpositionen zur primären, älteren Schicht der Präpositionen gehören (vgl. Breindl 2006) und komitative Konnektoren von diesen abgeleitet sind, während konditional basierte Relationen umgekehrt die Satzverknüpfung eher durch morphologisch einfache, primäre Konnektoren kodieren und die Verknüpfung von Termausdrücken durch abgeleitete, sekundäre Präpositionen. Tab. C2-4: Präferenzen bei der Kodierung komitativer und konditional basierter Relationen primär (Simplizia)

sekundär (Derivate, Komposita)

Komitativität, Instrumentalität

Präpositionen: bei, mit, durch

Konnektoren: dabei, wobei, indem, dadurch (…) dass

Kausalität, Konditionalität

Konnektoren: da, weil, denn, wenn

Präpositionen: wegen, aufgrund, halber, im Falle

570

C Semantische Konnektorenklassen

Als funktionale Domäne für Partizipantenrollen beschreiben Lehmann/Shin (2005) „C C ONCOMITANT “ als eine Art Makrorolle, die sich in ein Set verschiedener instrumentaler und komitativer Partizipanten-Rollen auffächert: P ARTNER , C OMPANION , V EHICLE , AT ERIAL , M ANNER , C IRCUMSTANCE . Diese sind auf einem Kontinuum entlang T OOL , M ATERIAL der Dimensionen „Sprecher-Empathie“ und „Kontrolle/Involvierung“ angeordnet. Das Empathiekontinuum ist im Wesentlichen eine Belebtheitsskala und reicht vom Sprecher bis zu abstrakten Begriffen und Propositionen. Partizipanten-Rollen und Partizipanten-Merkmale sind im Prinzip zwei voneinander unabhängige Dimensionen, es gibt aber tendenzielle Korrelationen, etwa die bevorzugte Füllung von Agens, Rezipient und Experiencer durch belebte Partizipanten oder der Umschlag einer Komitativ- zur Instrumentkodierung mit dem Wechsel von einem belebten zu einem nicht-belebten Partizipanten. Das Kontinuum Involvierung/Kontrolle reicht von zenCT OR ) bis zu periphetralen, maximal in eine Situation involvierten Partizipanten (A A CTOR ren, maximal distanzierten und der Kontrolle entzogenen Partizipanten (U U NDERGOER ). Komitative Satzverknüpfungen lassen sich auf einem Kontinuum entlang einer Dimension der Ereignisinvolvierung anordnen. Das reicht von zentraler (ursächlicher oder resultativer) Beteiligung eines Ereignisses an der Konstitution eines anderen Ereignisses über eine periphere Involvierung, die etwa auch eine rein temporale Kookkkurrenz zweier Ereignisse sein kann, bis hin zur bloßen Assoziation zweier Sachverhalte aus der Perspektive des Sprechers im Sinne eines p. Dabei fällt mir ein q. Der Kern der Komitativität ist auf diesem Kontinuum etwa in der Mitte zu sehen, in der Strukturierung zweier Ereignisse als Haupt- und Nebenereignis (1b-d). Am Pol maximaler Involvierung findet der Umschlag zu den konditional basierten Relationen Instrumentalität (C4.5.4) und Kausalität (C4.2) (1a) statt; am Pol minimaler Involvierung findet keine spezifische semantische Relationierung mehr statt. Solche komitativen „assoziativen“ Verknüpfungen sind aber wiederum aufgrund pragmatischer Implikaturen empfänglich für konzessive und kontrastive Bedeutungsanreicherungen (s. 1e). Die zentrale Kodierung für Komitativität, der Adverbkonnektor dabei und seine Postponierervariante wobei, sind insofern semantisch unterspezifiziert, als sie das gesamte Kontinuum der Ereignisinvolvierung abdecken können. Der Subjunktor indem deckt auf diesem Kontinuum einen im heutigen Standarddeutsch nur teilweise mit dabei/wobei überlappenden Bereich ab, weist aber in älteren Sprachstufen ein ähnlich breites Bedeutungsspektrum auf (s. C2.4). (1a) (1b)

(1c)

Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Dabei wurde die Stadt Pompeij vollkommen zerstört. (q = K ONSEQUENS von p; Überlappung mit dadurch) Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Dabei spuckte der Vulkan Millionen Tonnen Asche, Lava und Gesteinsbrocken. (q = Teilereignis von p; Überlappung mit indem) Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Die Einwohner der nahen Stadt Pompeij waren dabei völlig unvorbereitet. (q = zeitlich und räumlich kookkurrierend mit p)  





C2 Additiv basierte Konnektoren

(1d)

(1e)

571

Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und zerstörte die Stadt Pompeij vollständig. Dabei hatte es erst einige Jahre davor eine Warnung in Form eines Erdbebens gegeben. (q = Sprecherassoziation zu p, Kookkurrenz auf der illokutiven Ebene) Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und zerstörte die Stadt Pompeij vollständig. Dabei galt der Vesuv eigentlich als inaktiv. (q = blockierte Bedingung für p; konzessive Interpretation bei Kookkurrenz auf der illokutiven Ebene)  



Synkretismus in der Kodierung von Komitativität und Instrumentalität ist im Deutschen, wie in fast allen europäischen und in vielen außereuropäischen Sprachen, auch bei der Kodierung von Partizipantenrollen gegeben: mit dem Hammer die Scheibe einschlagen, mit dem Fahrrad fahren, mit dem Freund ins Kino gehen (vgl. Stolz 1997, Stassen 2000, Lehmann/Shin 2005, Stolz/Stroh/Urdze 2005). Eindeutig instrumental kodiert sind im Deutschen Partizipantenrollen mit der Präposition durch, Sachverhaltsrollen mit den Subjunktoren dadurch dass und damit dass (A A NTEZEDENS markierend) und den Postponierern wodurch und womit (K K ONSEQUENS -markierend) sowie den Adverbkonnektoren dadurch und damit (ebenfalls K ONSEQUENS -markierend) (s. C4.5.4). Das Involvierungskontinuum korreliert grosso modo mit dem Grad der Konstanz von Partizipanten, Ort und Zeit der beiden Ereignisse: stärkere Involvierung bedeutet in der Regel höhere Übereinstimmung in den Partizipanten und in der raumzeitlichen Situierung. Beim Pol maximaler Involvierung, der mit indem kodierten Instrumentalrelation, ist die Übereinstimmung in der Agensrolle weitgehend grammatikalisiert, am Pol minimaler Involvierung, der Komitativrelation auf der illokutiven Ebene, braucht überhaupt keine Konstanz von Partizipanten, Zeit und Ort mehr gegeben zu sein. (2a) (2b) (2c)

?Hans bastelt einen Drachen, indem sein Vater die Holzleisten und das Papier zusammenleimt. Hans bastelt einen Drachen, wobei sein Vater die Holzleisten und das Papier zusammenleimt. Hans bastelt einen Drachen, wobei sein Vater sicher später wieder allerhand Verbesserungen vornehmen wird.

In anderen Sprachen ist Komitativität die Kernbedeutung von Konverbkonstruktionen (vgl. Haspelmath/König 1995). Ein Konverb ist „a nonfinite verb form whose main function is to mark adverbial subordination“ (Haspelmath 1995: 3 f.), wie etwa die Gerundkonstruktionen der romanischen Sprachen oder die adverbialen Präsenspartizipien im Englischen. Konverbkonstruktionen sind semantisch noch weniger spezifisch als die dabei-/wobei-Konstruktionen des Deutschen (vgl. die Übersicht über mögliche Interpretationen bei Kortmann 1995: 218). Ihre häufigste und nach König (1995) auch die angemessenste Interpretation ist aber gerade die des „attendant“ oder  

572

C Semantische Konnektorenklassen

„accompanying circumstance“. Vgl. auch Becker (1870/1969: 263): „Die der deutschen Sprache so geläufige Bezeichnung dieser Verhältnisse [= „das Verhältnis der mit dem Prädikate verbundenen Thätigkeit“] durch die Präposition bei gehört zu den besonderen Eigenthümlichkeiten derselben, indem die anderen Sprachen bei dem Mangel einer diesen Verhältnissen eben so entsprechenden Präposition meistens ein Gerundium gebrauchen.“ Die typischen Verwendungen von indem und bestimmte Verwendungen von dabei/wobei decken das ab, was in der Rhetorical Structure Theory als „Elaboration“ bezeichnet wird, – eine Relation der „Expansion“ einer Situation S1 durch eine Situation S2, mit einer unscharfen Grenze zur Relation „Accompanying Circumstance“. „Roughly speaking, it demands that we understand S2 as describing the same eventuality as S1, or part of that event, in a more specific or less abstract manner.” (Fabricius-Hansen/Behrens 2001: 10) In Grammatiken und Wörterbüchern werden dabei, wobei und indem häufig auch der in sich sehr heterogene Restklasse der „modalen“ Adverbiale zugeordnet. (Zur Beschreibung von dabei in der deutschen Lexikographie und Grammatikographie vgl. Calvet Creizet 2004; zu indem und zur Kategorie „Modalsatz“ vgl. Rohs 2002.) Mit der additiven Relation teilt Komitativität die Basierung auf der aussagenlogischen Konjunktion. In der Kodierung gibt es im Deutschen aber keine Überschneidungen zwischen Additivität und Komitativität; auch gehen die additiven Konnektoren des Deutschen diachron auf Raumausdrücke oder auf Vergleichskonstruktionen und damit auf andere Quellen zurück. Das Deutsche repräsentiert in der differentiellen Kodierung von Additivität und Komitativität den typologisch verbreiteteren Typ einer UND-Sprache; SAE-Sprachen sind fast durchgängig UND-Sprachen. MIT-Sprachen, die Additivität und Komitativität identisch kodieren, machen nach Stassen (2000) nur ca. 20% aus; Stassen (2005) ermittelt allerdings einen deutlich höheren Anteil von MIT-Sprachen. In vielen Sprachen bilden freilich Komitativmorpheme eine Quelle für UND-Morpheme: Es gibt „unzählige Belege dafür“, dass sich UND-Morpheme aus MIT-Morphemen herleiten lassen, „der umgekehrte Fall wurde jedoch bislang nicht verbucht“ (Stolz 1998: 120). Auch Heine/Kuteva (2002: 80 f., 327) geben sowohl für OMIT ATIVE an. NP-AND als auch für S-AND als Quelle C OMITATIVE Als Bedeutungsstruktur für komitatives p, dabei/wobei/indem q halten wir fest:  

pÙq

Wahrheitskonditionale Bedeutung: Der Hebel wird nach hinten geklappt, | externes Konnekt

wobei er leicht nach links gedrückt wird. dabei wird er leicht nach links gedrückt. internes Konnekt

C OMITATUM

OMIT IT ANS C OM

Abb. C2-7: Rollensemantische Struktur für komitatives p, dabei/wobei/indem q

C2 Additiv basierte Konnektoren

573

Prototypische komitative Konstruktionen unterscheiden sich von prototypisch additiven konzeptuell in der Art der Involvierung: Additiv, mit und bzw. dem entsprechenden Morphem in UND-Sprachen, werden Partizipanten verknüpft, die in ein Ereignis „indifferentiell involviert“ sind (Lehmann/Shin 2005), komitativ, mit einem MIT-Morphem, werden „differentiell involvierte“ Partizipanten verknüpft: vgl. Hans kommt mit dem Fahrrad vs. #Hans und sein Fahrrad kommen. Komitative Sachverhaltsrelationierung erfolgt im prototypischen Fall ganz analog zu dieser Struktur aus Haupt- und Nebenrolle. Abgeleitet aus der Bedeutung eines „Begleitumstands“ wird für das interne Argument eines komitativen Konnektors meist ein kommunikativ im Vergleich zum externen Argument herabgestufter, weniger salienter oder für den Diskursverlauf weniger wichtiger Status behauptet, es denotiere ein „Nebenereignis“ oder „Begleitereignis, das im Verein mit dem vom Hauptsatz bezeichneten auftritt, jedoch nicht in den Vordergrund gerückt werden soll“ (GDS: 2323). Für wobei-Verknüpfungen ist dies meist der Fall, sie haben oft parenthetischen Charakter, insbesondere als Kommentierungen auf der metakommunikativen Ebene wie in (4) (wo sich das interne Konnekt nur auf einen Aspekt des externen Konnekts bezieht) und für die Textkohärenz ist dann allein das C OMITATUM ausschlaggebend. (3)

Während sich Italiens Umweltminister Giorgio Ruffolo immerhin so besorgt über den mehrere Dutzend Kilometer langen Algenteppich an der Adria zeigt, daß er umgerechnet 70 Millionen Mark für angebliche Sofortmaßnahmen ausgibt (wobei er allerdings auch nur mittelfristig Erfolg verspricht, etwa durch den Bau von Kläranlagen zum Binden von algennährenden Phosphaten), hat Gesundheitsminister Carlo Donat-Cattin bereits wieder zur bewährten Manier des Gesundbetens gegriffen. (die tageszeitung, 14.07.1989, S. 6) Der Anteil der vielsternigen Hotels ist hoch (wobei, wie überall, nicht alles Gold ist was hell glänzt), doch findet sich neben kochlöffelprämiierten Restaurants auch noch die eingesessene Buschenschänke, wo selbsterzeugte Lebensmittel – Speck, Butter, Brot, Käse und Most – auf den Tisch des Hauses kommen. (Süddeutsche Zeitung, 27.04.1996, S. 90)  



(4)



Zwingend ist dies jedoch nicht und wie (5) zeigt, kann der Textverlauf auch an das C OMITANS OMIT ANS anknüpfen. (5)

Kurz nach dem Autobahnrastplatz Kefikon-Süd überholte er einen Personenwagen, wobei gleichzeitig ein Fuchs die Fahrbahn überquerte. Beim Versuch, dem Tier auszuweichen, geriet das Auto gegen die Mittelleitplanken und konnte schliesslich nach einer heftigen Kollision angehalten werden. (St. Galler Tagblatt, 02.06.1997, o. S.)  

574

C Semantische Konnektorenklassen

Für das interne Argument des Adverbkonnektors dabei ist parenthetischer Status mit kommunikativer Herabgestuftheit wie in (6) eher untypisch, meist enthält es gerade Information, die im weiteren Textverlauf thematisiert wird, wie in (7). (6)

Aber nur der, der sich für die Harley entscheidet (und dabei die vielen, auch unter Harley-Fahrern immer wieder diskutierten Unzulänglichkeiten hinnimmt), hat die Chance, auf der Straße von anderen Harley-Lenkern wiedergegrüßt zu werden. (die tageszeitung, 10.11.1993, S. 11) Fundamentalisten neigen immer noch dazu, die „Systemfrage“ in erster Linie als Frage nach den ökonomischen und politischen Formen zu stellen, dabei hat sie längst sämtliche Formen des Alltagslebens durchdrungen. Gerade deshalb kann sie nicht mehr durch Enteignung und Zerschlagung gelöst werden, denn Kapital und Staat sind gegenüber dem Alltagsleben keine äußerlichen Formen mehr. (die tageszeitung, 21.05.1987, S. 9)  

(7)



Das liegt am syntaktischen Unterschied: das interne Konnekt von dabei ist ein selbständiger Satz, während das interne Konnekt des Postponierers wobei im Übergangsbereich zwischen abhängiger und selbständiger Struktur angesiedelt ist: Es ist subordiniert und syntaktisch unselbständig, kann aber, anders als Subjunktoren, nicht in sein externes Konnekt eingebettet werden und muss fokale Information im Sinne der Fokus-Hintergrund-Gliederung liefern: (8a) (8b)

A: Das Holz hat sich verzogen. B: Ja, und jetzt klemmt die TÜR, weil sich das Holz verzogen hat. A: Das Holz hat sich verzogen. *B: Ja, wir haben hier sehr starke TemperaTURschwankungen, wobei sich das Holz verzogen hat.

Typisch für einen solchen Übergangsstatus ist die synchrone Parallelität von subordinierender und Verbzweitsatz anschließender Variante, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird. (9)

Dem gebürtigen Lesachtaler, mit vier Geschwistern auf einem Bergbauernhof in Liesing aufgewachsen, ist eher Zurückhaltung eigen. Wobei: Daheim im Dorf habe er auch gelernt, sich durchzusetzen. (Kleine Zeitung, 21.07.1999, o. S.) Als Tanguero bist du ritterlich. Es ist gut zu vergleichen mit dem Samurai, der auch dies und jenes nicht machen durfte und eher sterben musste, als dass er verlor. Wobei: Der Tanguero stirbt nicht gerade, er schreibt einfach einen Tango über die Situation und geht dann in die nächste Beiz. (Züricher Tagesanzeiger, 01.11.1997, S. 2)  

(10)



C2 Additiv basierte Konnektoren

575

Auf den Hybridstatus hebt auch die traditionelle Klassifizierung als „weiterführender Relativsatz“ ab (Helbig 1980, Holly 1988, Brandt 1990, GDS: 2326 ff., Holler 2005).  

2.4.3 Dabei und wobei Dabei und wobei haben wie die meisten Pronominal- und Relativadverbien Heteroseme in Lokaladverbien in Supplement- und Komplementfunktion (dabei stehen) und, peripher, in der Funktion von Präpositivkomplementen (jdn. dabei ertappen, sich etwas dabei denken, jdn. dabei begleiten) (s. A3.2.1.1.8). Die spatiale Verwendung von dabei und wobei ist, wohl aufgrund ihrer geringen semantischen Spezifizität und Informativität, deutlich seltener belegt als die komitative Verwendung, die heute als die Hauptverwendung von dabei gelten kann. Der komitative Adverbkonnektor dabei und der Postponierer wobei haben identische rollensemantische Struktur und Konnektabfolge und gleichen sich weitgehend auch in ihrem Bedeutungsspielraum. Das ist für Paare von Adverbkonnektor und wPostponierer typisch, vgl. etwa auch deshalb und weshalb, da(hin)gegen und wo(hin) gegen, damit und womit, dadurch und wodurch. Die dabei und wobei zugrundeliegende Präposition bei ist im Paradigma der primären räumlichen Präpositionen die merkmalsärmste, unspezifischste: sie lokalisiert ihr externes Argument lediglich als „im Nahbereich“ ihres internen Arguments befindlich (vgl. Wiese 2004) und hat aufgrund dieser semantischen Unterspezifiziertheit ein weites Interpretationsspektrum: neben spatialen (die Weide beim Teich) und temporalen (beim Mittagessen, beim Lesen) sind auch konditionale (bei Feuer Scheibe einschlagen), kausale (bei deiner Intelligenz müsstest du das wissen) und konzessive (bei allem Respekt, das mache ich nicht) Lesarten möglich (vgl. Schröder 1986, König 1995: 62, Grabski/Stede 2003). Die relativ allgemeine Bedeutung haben die Konnektoren von der Präposition „geerbt“, sodass ihre Bedeutung angegeben werden kann als Verortung einer Situation „im Nahbereich einer anderen Situation“. Sie gehen damit nicht wesentlich über das hinaus, was Konnexion prinzipiell signalisiert. (Vgl. auch die Beschreibung im Grimmschen Wörterbuch (DWB, s. v. wobei): in dem durch wobei eingeleiteten satz handelt es sich gewöhnlich um die aussage über handlungen und umstände, die mit denen des im vorangehenden satz ausgedrückten in einer engeren beziehung, meist der der gleichzeitigkeit, stehen, oder um ergänzende und anmerkende hinzufügungen.) Der Adverbkonnektor dabei erscheint in seiner komitativen Kernbedeutung mitunter redundant, ist aber gerade in Fachtexten, in denen hoher Wert auf argumentative Kohärenz gelegt wird, frequent: bei Übersetzungen in Sprachen, in denen kein direktes Pendant existiert, wird er durch semantisch ebenfalls unterspezifizierte Gerundialkonstruktionen wiedergegeben, fällt aber auch oft ganz weg und taucht umgekehrt bei Übersetzungen aus diesen Sprachen auf; Fabricius-Hansen (2004) bezeichnet ihn als „flüchtigen“ Konnektor, Wilss (1997: 110) sieht ihn in Fachtexten „manchmal zu häufig“ auftreten (vgl. auch Fabricius-Hansen/Behrens 2001).  

576

C Semantische Konnektorenklassen

Die Situationsverortung im „Nahbereich“ ist auch bei den Konnektoren so unspezifisch, dass in Bezug auf den aspektuellen Charakter der Argumente kaum Einschränkungen bestehen. Letztlich können sämtliche der Vendlerschen Ereignistypen auftreten (telische Achievements und Accomplishments, atelische Prozesse), aber auch beide Zustandstypen (D(avidsonsche)-Zustände und K(imsche)-Zustände; vgl. Maienborn 2003) sind möglich. Ähnlich wie bei der Korrelation von Partizipantenrollen mit inhärenten Partizipantenmerkmalen (z. B. +/– menschlich, +/– belebt) in der Domäne der Kodierung von Sachverhaltsbeteiligung scheint es auch bei der Sachverhaltsrelationierung Korrelationen zu geben zwischen dem Grad der Ereignisinvolvierung und dem dadurch repräsentierten Relationstyp (instrumental – komitativ – „assoziativ“ auf der illokutiven Ebene) und dem inhärenten Merkmal ‚Dynamizität‘ der durch das Prädikat repräsentierten Situation: dynamische, telische Prädikate tendieren bei dabei-/wobei-Verknüpfungen zu instrumentaler Interpretation, Zustandsprädikate zur kohärenzreduzierten Assoziations-Interpretation; für das im Kern instrumentale indem sind im Standarddeutsch Zustandsprädikate nur schlecht möglich. Die prototypische Verwendung von dabei und wobei ist eine zeitliche Relationierung von zwei Ereignissen als ko-okkurrent, und zwar ohne Einschränkungen bezüglich der aspektuellen Charakteristik der Prädikate, die telisch (11) und atelisch (12) sein können.  

(11)

Am Dienstag, 25. August, lenkte um etwa 12.10 Uhr ein unbekannter Chauffeur seinen Sattelschlepper in Widnau auf der Rietstrasse rechtsabbiegend auf die Bahnhofstrasse. Dabei drückte die linke hintere Ecke des Aufliegers den Holzlattenzaun der Liegenschaft Rietstrasse 2 nieder. (St. Galler Tagblatt, 27.08.1998, o. S.) Er schlug den Kragen hoch und ließ sich vom Wind schieben, wobei er sich rechts, dicht an den Gebäuden hielt, um der Gischt auszuweichen, die von der Mauer hochsprühte. (Leon, Acqua, S. 75)  



(12)



Gleichzeitigkeit ist jedoch keine Bedingung für dabei und wobei. Beide Konnektoren können Ereignisprädikate ohne zeitliche Überlappung der Ereignisintervalle verknüpfen (13)

So wurde der Tote mitunter zu einem kompakten Mumienpaket zusammengeschnürt, wobei ihm vorher die Wirbelsäule durchtrennt und die Rippen gebrochen wurden, damit er in einen möglichst kleinen Sarg paßte. (die tageszeitung, 30.01.1990, S. 25) Für 9,50 DM gibt es dann etwa „Schweinefilet mit Birne, Gorgonzolasauce und Rösti“, „Hähnchenbrust in Walnußöl-Vinaigrette mit Salzkartoffeln und Blumenkohl“ oder „Spaghetti mit Lachsstreifen in Sahnesauce“, wobei zu jedem Gericht wahlweise vorher ein gemischter Salat oder nachher ein Eisdessert gereicht wird. (die tageszeitung, 03.08.1996, S. 27)  

(14)



C2 Additiv basierte Konnektoren

577

und sie können auch Nicht-Ereignisprädikate verknüpfen, bei denen eine zeitliche Relationierung überhaupt keine Rolle spielt. Ein typischer, insbesondere fachsprachlicher Gebrauch ist die metakommunikative Präzisierung oder Explikation eines Ausdrucks des externen Arguments durch das interne; hier liegt keine Verknüpfung auf der Sachverhaltsebene vor. (15)

Die eigentliche Codierungseinheit ist der einfache Satz, wobei unter ‚Satz‘ hier sowohl Hauptsätze wie Nebensätze verstanden werden. (MK2/WF1, Forschungsberichte, S. 150) 6,3 Attogramm konnten die Forscher bei einem Experiment messen, wobei ein Attogramm einem Trillionstel Gramm entspricht – also eine Eins mit 18 Nullen davor. (spektrumdirekt, 06.04.2004, o. S.)  

(16)



Für den Adverbkonnektor dabei gilt, dass das im externen Konnekt bezeichnete Ereignis, in Bezug auf welches das interne Argument verortet wird, nicht durch das Prädikat des externen Konnekts ausgedrückt sein muss; es kann auch in Form einer Ereignisnominalisierung nur ein Teil dessen sein. Die Konnektorfunktion fällt hier mit der pronominaladverbialen Funktion zusammen. (17)

„Über Insolvenzen größerer Unternehmen wird in den Medien immer viel berichtet, weil dabei viele Arbeitsplätze auf einen Schlag verloren gehen“, sagt Christiane Siegel von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.) in Bottrop. (die tageszeitung, 12.03.2004, S. 1) → bei diesen Insolvenzen Das zweite Bremer Thema im Überseemuseum widmet sich den Überfällen auf bremische Segler vor der „Barbaresken-Küste“ vor Algier und Tunis im 18. und 19. Jahrhundert . Dabei wurden immer wieder Bremer Seeleute von den Arabern als Sklaven auf die Galeeren geschickt. (die tageszeitung, 26.01. 1999, S. 24) → bei diesen Überfällen  

(18)







Was als C OMITATUM OMITAT UM gelten soll, muss oft aber auch aus dem weiteren Kontext inferiert werden, oder es kann ganz im Unklaren bleiben. (19)

Die Hamburger Björn Lafrenz und Rik Reinking verbindet außer der Leidenschaft für moderne Kunst die Passion für die Weserburg. Vor drei Jahren haben die beiden erstmals Teile ihre Sammlungen zur Verfügung gestellt. Jetzt kam die zweite Lieferung. 40 neue Exponate sind unter dem Titel „66– 03“ ab sofort zu besichtigen. Dabei steht Lafrenz in bester Familientradition: Sein Vater war Mitbegründer des Sammler-Museums. (die tageszeitung, 07.05.2004, S. 23) → beim Sammeln von moderner Kunst  

578

(20)

C Semantische Konnektorenklassen

Unter der Regie von Martha Coolidge haben sie sich nun erneut für eine Komödie der reiferen Jahrgänge auf der Leinwand zusammengetan: ihr zehnter gemeinsamer Film und der achte Buddies-Film. Sozusagen als Stahlkorsett. Denn die dünne Story à l’americaine würde ohne diese beiden gestandenen Mimen klanglos in den Fluten jedes Ozeans untergehen. Dabei gelingt es dem dezent agierenden, liebenswerten Jack Lemmon weit besser, seinen Part des späten Glücksritters überzeugend auszuspielen. (Berliner Morgenpost, 20.05.1998, S. 24) → bei diesem Film ? In der anonymen Anzeige wurden dem Fernsehbericht zufolge 700 geleaste Bohrgeräte genannt, weiter hieß es: „Diese Systeme wurden nie produziert.“ Dabei gehe es um eine Summe von 700 Mio. DM. (Mannheimer Morgen, 26.06.2001, o. S.) → bei ??  

(21)



Für komitative Ereignisverknüpfungen wird in der Literatur in der Regel zeitliche Simultanität der Ereignisse postuliert. In der GDS (2323) werden wobei-Verknüpfungen mit p, dabei zugleich q paraphrasiert; Lehmann/Shin (2005) definieren C IRCUMSTANCE als sekundäre Situation, die simultan mit der primären geschieht. FabriciusHansen/Behrens (2001) weisen darauf hin, dass dabei keine neue zeitliche Situierung einführt, vielmehr in narrativen Texten gerade dazu dient, den sequentiellen Fortgang der Erzählung „aufzuhalten“ und eine – bei asyndetischer Satzfolge präferierte – Lesart als Ereignissequenz zu blockieren, indem es das im Trägerkonnekt bezeichnete Ereignis als zeitlich überlappend mit dem im externen Konnekt bezeichneten Ereignis präsentiert. Dennoch sind dabei- und wobei-Verknüpfungen nicht äquivalent mit Verknüpfungen mit den Simultanitätskonnektoren während oder währenddessen. In Bezug auf die Temporalstruktur sind sie gerade konvers: Während bettet das im externen Konnekt bezeichnete Zeitintervall in das im internen bezeichnete ein, bei dabei und wobei ist dies umgekehrt. Das externe Argument von während darf nicht zeitlich ausgedehnter sein als das interne, das interne Argument von dabei/wobei nicht ausgedehnter als das externe. p, während q p, dabei/wobei q

→ →

t(p) Í t(q) t(q) Í t(p)

In den folgenden Beispielen sind jeweils die a- und d-Versionen wohlgeformt und weitgehend zueinander äquivalent, und die b- und c-Versionen sind äquivalent, aber semantisch abweichend bzw. schwer interpretierbar. (22a) (22b)

Hans isst eine Pizza, wobei ihm eine Salamischeibe auf die Hose fällt./Dabei fällt ihm eine Salamischeibe auf die Hose. #Hans isst eine Pizza, während ihm eine Salamischeibe auf die Hose fällt.

C2 Additiv basierte Konnektoren

(22c) (22d) (23a)

579

#Hans fällt eine Salamischeibe auf die Hose, wobei er eine Pizza isst./Dabei isst er eine Pizza. Hans fällt eine Salamischeibe auf die Hose, während er Pizza isst. Der Korrespondent der US-Fernsehgesellschaft ABC, Timothy Roos, wurde festgenommen, während er Aufnahmen von Demonstrationen machte. (die tageszeitung, 27.03.1987, S. 6) #Der Korrespondent wurde festgenommen, wobei er Aufnahmen von Demonstrationen machte./Dabei machte er Aufnahmen von Demonstrationen. #Der Korrespondent machte Aufnahmen von Demonstrationen, während er festgenommen wurde. Der Korrespondent machte Aufnahmen von Demonstrationen, wobei er festgenommen wurde./Dabei wurde er festgenommen.  

(23b) (23c) (23d)

Über die zeitliche Struktur hinaus unterscheiden sich komitative und temporal-simultane Ereignisverknüpfungen auch im Grad der Ereigniskohärenz: komitative Ereignisverknüpfungen scheinen einen höheren Grad an gemeinsamen Partizipanten und situativen Umständen zu fordern und können Ereignisse, die über die reine temporale Koinzidenz keinen weiteren Zusammenhang mehr aufweisen, schlecht verknüpfen (vgl. auch Krause 2001: 133 f.). Das scheint eine Bedingung dafür zu sein, dass sich die komitative Standardinterpretation von Haupt- und Nebenereignis einstellen kann; bei einer Konzeption als rein temporale Kookkurrenz können auch zwei ansonsten gänzlich unabhängige und nicht weiter miteinander verschränkte Ereignisse zueinander in eine Relation gebracht werden.  

(24a) (24b) (24c) (24d)

Wir verbrachten den Sommer in Mexiko. Indessen/Währenddessen brach in Europa der Krieg aus. Während wir den Sommer in Mexiko verbrachten, brach in Europa der Krieg aus. ?Wir verbrachten den Sommer in Mexiko. Dabei brach in Europa der Krieg aus. ?Wir verbrachten den Sommer in Mexiko, wobei in Europa der Krieg ausbrach.

Die Verschränkung ist aber bei komitativen dabei- und wobei-Verknüpfungen wiederum geringer als bei instrumentalen indem-Verknüpfungen; diese haben in der Standardverwendung identische Partizipanten in der Agensrolle. (25a) (25b)

Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, indem er ihnen ein offenes Ohr für ihre Sorgen bot. ?Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, indem seine Partei ihnen ein offenes Ohr für ihre Sorgen bot.

580

(25c)

C Semantische Konnektorenklassen

Der Politiker gewann das Vertrauen der Wähler, wobei seine Partei ihnen ein offenes Ohr für ihre Sorgen bot.

Bei den dabei- und wobei-Verknüpfungen liegt eine Konzeption einer Relationierung von zwei distinkten, aber nicht gleich gewichteten Ereignissen vor, bei den indemVerknüpfungen ist das im internen Konnekt bezeichnete Ereignis als Teilereignis oder Spezifizierung, konkretere „Ausbuchstabierung“ des im externen Konnekt bezeichneten Ereignisses konzeptualisiert. Ist eine solche Interpretation sachlich nicht möglich, ist die Verwendung von indem blockiert; dabei/wobei wiederum kann nicht das verursachende Ereignis in einer kausativen Konstruktion einleiten. (26a) (26b) (27a) (27b)

Hans bezwang die Zugspitze, wobei es heftig regnete. *Hans bezwang die Zugspitze, indem es heftig regnete. Hans zerschmetterte die Scheibe, indem er einen Stuhl dagegen warf. ≠Hans zerschmetterte die Scheibe, wobei er einen Stuhl dagegen warf.

Komitative Verknüpfungen mit dabei und wobei erfolgen häufig nicht auf der Ebene der Sachverhalte, sondern auf der illokutiven Ebene. Sie bezeichnen dann keine Kookkurrenz von Ereignissen, sondern einen Kommentar zu der durch das externe Konnekt repräsentierten Äußerung, den der Sprecher assoziativ an diese anschließt (diktumsanknüpfend in der Terminologie der GDS: 2330). Die Relata müssen in diesem Fall keine Ereignisprädikate enthalten. Dass es sich um Verknüpfungen auf der illokutiven Ebene handelt, wird bei diesen Verwendungen oft durch explizite illokutionsthematisierende Einschübe deutlich gemacht: (28)

Aber auch das Hypnotisieren ist verboten, wobei allerdings gleich bemerkt werden muß, daß es dem Hypnotiseur gegen den Willen des zu Vernehmenden schwerlich gelingen wird, Erfolg zu haben. (MK1/WUB, Ullrich, Bürger, S. 63) Ich halte sie [die Nashornbüffel] für etwa so gefährlich wie Hauskühe, wobei nicht zu vergessen ist, daß auch unsere zahmen Bullen und sogar auch einmal eine Kuh hier und da Menschen angreifen, verletzen oder gar töten. (MK1/WGS, Grzimek und Grzimek, Serengeti, S. 118) Ich möchte meinen, daß hier eine große pädagogische Aufgabe für die landwirtschaftlichen Führer liegt, wobei ich gleichzeitig fürchte, daß sie sich dieser Aufgabe entziehen werden. (MK1/MHE, Heuss, Erinnerungen, S. 427) Boulin, der Staatssekretär im Haushaltsamt ist, bezeichnete seine Wahl als Probe auf den Gaullismus, wobei freilich zu bedenken sei, daß sein Sieg auch auf persönliche Wirkung zurückgeführt werden müsse. (Frankfurter Allgemeine, 11.01.1966, S. 4)  

(29)



(30)



(31)



Solche Verwendungen sind bereits im Frühnhd. belegt:

C2 Additiv basierte Konnektoren

(32)

581

… worbey zu mercken, das bey uns Deutschen das kurtzeste e gleich ist dem hebräischen scheva (Deutsche Rechtschreibung, 1666, S. 28; nach DWB)  

Illokutive komitative Verknüpfungen werden häufig kontrastiv interpretiert. Dabei und wobei exemplifizieren die in A3.2.2.2 beschriebene reguläre Polysemie zwischen Kookkurrenzkonnektoren einerseits (komitativ und temporal-simultan) und Kontrastkonnektoren (konzessiv und adversativ) andererseits. Kontrastive Bedeutungsanreicherungen erfolgen vor dem Hintergrund, dass die reine Kookkurrenz von zwei Situationen insbesondere dann erwähnenswert ist, wenn es sich aus der Sicht des Sprechers um eine auffällige und unerwartete Koinzidenz handelt – das ergibt die konzessive Lesart – oder wenn es sich um Situationen handelt, die zwar ähnlich und vergleichbar sind, sich aber in einigen Merkmalen auffällig unterscheiden – dann ergibt sich die Lesart des kontrastiven Vergleichs. Diese Polysemie ist in vielen Sprachen beobachtet worden; Kookkurrenz ist eine typische Quelle für konzessive und adversative Konnektoren (vgl. König/Eisenberg 1984, König/Traugott 1988, Traugott/König 1991, Heine 2002, Heine/Kuteva 2002: 291 ff.).  

„Mere cooccurrence or concomitance of two situations is never highly relevant information. There are so many things going on simultaneously that this is only pointing out in special cases. And one of these cases where co-occurrence is highly relevant and newsworthy is that where there is a general incompatibility between two situations, where one situation does not normally cooccur with the other. And this is exactly what concessive connectives express.“ (König/Traugott 1988: 114)

Kontrastinterpretationen von dabei und wobei sind entweder vom konzessiven Typ (s. C4.3) oder sie repräsentieren den adversativ-restriktiven allerdings-Typ (s. C2.3). Häufig treten hier zusätzlich konzessive oder kontrastive Adverbkonnektoren im internen Konnekt auf (s. auch 28 und 31). (33)

(34)

„Und ewig rennt er beten.“ „Dabei glaubt er an nischt, sag ich.“ (Grass, Katz und Maus; Bsp. aus Krause 2001: 135) → Er rennt beten, obwohl er an nichts glaubt. Ich finde das albern, aber der Amerikaner freut sich’n Keks, dass er die Begrüßung auf Deutsch hinkriegt. Dabei: Viel war da nicht zu begrüßen. (die tageszeitung, 17.04.2000, S. 23) → Der Amerikaner freut sich, dass er die Begrüßung auf Deutsch hinkriegt. Allerdings war da nicht viel zu begrüßen. Es war kürzer als das vorletzte Konzil, das Konzil der Gegenreformation von Trient (1545 bis 1563), das achtzehn Jahre dauerte, wobei allerdings nur acht Jahre von Sitzungen ausgefüllt waren. (Frankfurter Allgemeine, 09.12.1965, S. 1) → *Es war kürzer als das vorletzte Konzil, obwohl nur acht Jahre von Sitzungen ausgefüllt waren.  

(35)



582

(36)

C Semantische Konnektorenklassen

→ Es war kürzer als das vorletzte Konzil, allerdings waren nur acht Jahre von Sitzungen ausgefüllt. Nervös ist sie, als erwarte man von ihr etwas, das zu leisten sie nicht imstande ist. Dabei soll sie doch nur lesen. (die tageszeitung, 20.08.1992, S. 19) Hie und da sieht man wohl schon Kleider für Mollige (um einmal diesen Ausdruck wieder zu gebrauchen) auch für Ältere. Aber es ist eben nicht genug. Und dabei könnte die Wirtschaft ganz gut dabei ihr Schäfchen ins Trockene bringen, finden sie nicht auch? (Freiburger Korpus, FR 87, o. A.)  

(37)



Für dabei gibt es klare Korrelationen zwischen Stellung und Interpretation. An der Nullstelle wie in (34) wird es ausschließlich kontrastiv interpretiert, im Vorfeld eher kontrastiv als komitativ, im Mittelfeld fast ausschließlich komitativ; Krause (2001: 136) erachtet „Spitzenstellung“ für konzessives dabei als obligatorisch. Wobei gehört wie weil, während und obwohl zu den Subjunktoren, die bei Verknüpfung auf der illokutiven Ebene auch Verbzweitstellung zulassen, was insbesondere in der gesprochenen Sprache belegt ist: diese Variante erzwingt Kontrastinterpretation (vgl. Günthner 2000, Breindl 2004c). Eine typische Diskursverwendung von wobei mit Verbzweitsatz ebenso wie von dabei an der Nullstelle ist die assoziative Anbindung thematischer Abschweifungen oder allgemeinerer Betrachtungen zum Inhalt des Voraufgehenden (diktumsanknüpfend in der Terminologie der GDS), eine Art „dabei fällt mir ein“: der Themenwechsel kann so durch die scheinbar komitative Anbindung etwas abgemildert werden. (38)

Mit Ausnahme eines, nun ja, doch etwas vulgären Blechs zeigten die internationalen Strauß-Musiker ein recht seriöses Strauß-Spiel, mit den bekannten Prosit „Neujahr“-Einlagen, aber ohne damit ihr Programm zur peinlichen Show aufzumöbeln. Walzer und Polka hatten bei ihnen Fahrt und durchaus den richtigen Schmäh, wobei: Es gibt wohl kaum ein mittelmäßiges ProfiOrchester irgendwo, das das nicht so hinbekommen würde. (Frankfurter Rundschau, 09.01.1997, S. 25) „Es war“, sagt George „eine ganz besondere Intensität.“ Fast alle Bewohner der Kommune waren auf dem Seminar, wobei: „Kommune haben wir nie gesagt“, George zieht an seiner gelben Zigarette. (die tageszeitung, 25.05.2005, S. 23)  

(39)



2.4.4 Indem Indem tritt im heutigen Standarddeutschen als Subjunktor mit deutlicher Postpositionstendenz auf, das Verhältnis anteponiertes zu postponiertem internem Konnekt beträgt etwa 1:10. Eine ältere Form indem dass (vgl. Behaghel 1928: 190 und Paul

583

C2 Additiv basierte Konnektoren

1981: 325) ist heute standardsprachlich ungebräuchlich, aber vereinzelt belegt; dabei bildet die gelegentlich anzutreffende Interpunktionsvariante indem, dass den Grammatikalisierungsprozess aus der Attributkonstruktion mit pronominalem Kopf ab. (40)

(41)

„Wenn etwas Blutzucker erhöht ist, dann muss sich die Betazelle anpassen, das macht sie, indem dass sie das Interleukin 1 Beta freisetzt, und das gibt dann ein Signal für die Zellvermehrung und für die Mehrinsulinproduktion […].“ (Deutschlandradio Kultur, 12.04.2007) Liebe Tierfreunde, bitte haben Sie Verständnis für die armen Tiere! Helfen Sie indem, dass Sie nur mehr „Freilandeier“ kaufen. Danke (Kleine Zeitung, 29.01.2000, o. S.)  

Die bis zum Ende des 18. Jh. anzutreffende Verwendung von indem als temporaler Adverbkonnektor ist heute nicht mehr üblich. (42)

Merope verlangt hierüber Aufklärung. Indem kommt der König herein. (Lessing; nach Behaghel 1928: 190)

Attributive Korrelatkonstruktionen sind mit indem unüblich, vereinzelt findet sich, wohl in Analogie zum bedeutungsverwandten komplexen Subjunktor dadurch (…) dass, die Form dadurch (…) indem. (43)

„Man kann Diskriminierung nicht dadurch aufheben, indem man eine andere verhängt“, pflichtet Schily bei. (die tageszeitung, 16.09.1986, S. 9)  

Eine komitative Lesart ist für indem im heutigen Standarddeutsch eher peripher. Die zentrale Verwendung ist die als instrumentaler Konnektor (s. C4.5.4). In der protoypischen und frequentesten Verwendung bezeichnet das externe Argument ein komplexes, in seiner Intervallstruktur nicht-homogenes Ereignis, und das interne Argument verifiziert ein Teilereignis davon. Das externe Konnekt enthält typischerweise ein telisches, dynamisches, punktuelles oder duratives Prädikat (Achievements und Accomplishments im Vendlerschen Sinne), häufig handelt es sich um einen „kausativen Ereigniskomplex“: das interne Konnekt bezeichnet dann das in der Bedeutungsstruktur kausativer Prädikate präsupponierte verursachende Ereignis. Indem ist hier grosso modo mit dem instrumentalen dadurch dass äquivalent. Beide Konnekte enthalten identische oder aufeinander beziehbare Partizipanten mit Agensrollen. (44)

Seit die Zahl der Flüchtlinge im Juli gestiegen ist, vereinfachte der BGS das Verfahren , indem er den Asylsuchenden einen Fragebogen mit nur noch zwei Fragen aushändigte. (die tageszeitung, 18.09.1986, S. 1–2)  



584

(45)

C Semantische Konnektorenklassen

Erst kürzlich ist sie in der US-Rangliste auf Nr. 1 vorgerückt , indem sie „Republic Airlines“ geschluckt hatte. (die tageszeitung, 03.10.1986, S. 6) „Der revolutionäre Soldat muß sich das Vertrauen der Bauern erwerben , indem er ihnen Beweise für seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit liefert“. (die tageszeitung, 08.11.1986, S. 7) Den Vogel schoß Italiens gerade-nicht-mehr-Premierminister Bruno Craxi ab , indem er Arafat als schwachsinnig bezeichnete, den Kompromiß mit den radikalen Palästinenserfraktionen eingegangen zu sein. (die tageszeitung, 27.04.1987, S. 3) Indem wir den Holocaust in vergangene Zeiten entrücken, verspielen wir das wichtigste Vermächtnis der Opfer von gestern – den Einsatz für die Opfer von heute. (die tageszeitung, 09.10.1986, S. 9)  





(46)





(47)





(48)



In den meisten Fällen trägt wie in den obigen Beispielen das Subjekt die Agensrolle und die Subjekte von internem und externem Konnekt sind referenzidentisch; Stojanova (1976: 113) ermittelt für ein Korpus mit 300 indem-Belegen eine Quote von fast 80% Subjektidentität. Die Agensrolle kann aber auch, bei passivischem Prädikat in einem der Konnekte oder in beiden, implizit bleiben; Subjektidentität ist also keine strenge Gebrauchsbedingung für indem. (49)

Schräg gegenüber von seinem Haus wurde ein Kinderspielplatz saniert, indem der Rasen und der Sand entfernt wurden. (die tageszeitung, 06.10. 1986, S. 5) Für die Hanauer BI-Umweltschutz erklärte deren Sprecher Elmar Diez, daß die KWU wohl beabsichtige, den „Schandnamen ALKEM“ auszulöschen, indem der Plutoniumfabrik das „Mäntelchen“ einer noch namenlosen Dachgesellschaft übergehängt werden soll. (die tageszeitung, 03.12.1986, S. 4)  

(50)



Auch atelische Prädikate im externen Konnekt (durative, in ihrer Intervallstruktur homogene Prädikate – Vendlers Activities bzw. Prozesse) blockieren nicht die Verwendung von indem. Das interne Konnekt bezeichnet in diesem Fall nicht ein Teilereignis des im externen Konnekt bezeichneten Ereignisses, sondern es beschreibt dieses, in konkreterer Form, zur Gänze. (51)

Wir wollen eine Politik der Zustimmungssicherung betreiben , indem wir alles offenlegen […]. (die tageszeitung, 27.10.1986, S. 9) Lambsdorff zeigte während des Plädoyers demonstrative Abgebrühtheit , indem er zeitweise Akten bearbeitete und ein Buch las. (die tageszeitung, 30.01.1987, S. 1) Indem sie den beteiligten Unternehmen satte Gewinnspannen bei der Abonnentenwerbung ermöglichen, halten Verlage die Geschäftemacherei an der Haustür am laufen . (die tageszeitung, 09.12.1987, S. 8)  



(52)





(53)





585

C2 Additiv basierte Konnektoren

D(avidsonsche)-Zustandsprädikate wie liegen, sitzen, glänzen und K(imsche)-Zustandsprädikate wie wissen, besitzen, abhängen von scheinen als externe Konnekte in indem-Verknüpfungen nicht möglich. (54a) (54b)

?Hans sitzt auf dem Sofa , indem er seine Beine ausstreckt. ?Hans ist blond , indem er sich die Haare gefärbt hat.  



Völlig ausgeschlossen sind sie jedoch nicht. D-Zustände können dann durch einen indem-Satz spezifiziert werden, wenn sie verursachbare Zustände beschreiben und der im internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt entweder als das verursachende Ereignis interpretiert werden kann (dann liegt die Ereignis-Teilereignis-Struktur wie bei den Achievement- und Accomplishment-Prädikaten vor), oder als Exemplifizierung ebendieses Zustandes (dann liegt Identität der Ereignisse vor). Das interne Konnekt enthält in jedem Fall ein Ereignisprädikat. (55)

„Mosambik lebt hauptsächlich von Einkünften aus Südafrika , indem wir den Hafen von Maputo benutzen, Nahrungsmittelhilfe geben und Produktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen“, sagte Miller. (die tageszeitung, 10.10.1986, S. 16) Keine menschliche Ordnung besteht von sich allein , sondern nur indem sie in beständiger Anstrengung immer neu gegen den Ansturm der Unordnung verteidigt wird. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 22)  



(56)





Selbst K-Zustandsprädikate sind – allerdings sehr selten und eher bildungssprachlich – als externe Konnekte von indem belegt. In solchen Verwendungen überlappt indem mit dem Gebrauch von insofern. Abweichend von der sonst bei indem üblichen Postposition überwiegt in dieser Verwendung die Anteposition. (57)

Dennoch sollen seine Filme auch didaktisch sein. Wie das? „Indem wir dieses Leben zeigen und nicht irgendein anderes, ist dieser Film didaktisch “. (die tageszeitung, 30.06.1988, S. 15) Indem die Uni-Leitung Gruppierungen unterstützt, „die die Militarisierung der Gesellschaft propagieren und vehement demagogisch vorantreiben“, argumentiert der Freiburger Asta, sei ihr politischer Standpunkt eindeutig . (die tageszeitung, 21.07.1988, S. 12) Indem der Dichter eine eigene Sprache entwickelt, ist er ein Erneuerer . (die tageszeitung, 30.11.1988, S. 11–12) Indem die Universität der Schule in der geistigen Bewältigung von Wirklichkeiten helfen soll, ist für beide Bildungsanstalten ein hohes Maß an Stofflichkeit unvermeidbar . (MK1/WHK, Heimpel, Kapitulation, S. 69)  



(58)





(59)





(60)





586

C Semantische Konnektorenklassen

Auch kausale Interpretationen von indem-Verknüpfungen sind möglich: in (61) bis (64) liefert das interne Konnekt eine Begründung für das im externen Konnekt getroffene Urteil des Sprechers; indem verknüpft hier auf der epistemischen Ebene (s. A4.4). Typisch für diesen Gebrauch sind einstellungsbekundende und bewertende Ausdrücke im externen Konnekt. Diese Verwendung ist im DeReKo nicht in aktuellen Pressetexten belegt. (61) (62)

Meine Offenheit schien ihm zu gefallen , indem er sie mit großer Freundlichkeit erwiderte. (Goethe; nach Behaghel 1928: 191) Er war gewiß nicht ohne Verdienste , indem er, ursprünglich Lehrer in Nordschleswig, dazu beitrug, die „Hilfe“, neben Hans Delbrücks „Preußischen Jahrbüchern“, zu dem Blatt zu machen, in dem scharf und tapfer gegen die Plumpheit der Köllerschen Verwaltungspraxis im nördlichen Grenzbezirk gekämpft wurde. (MK1/MHE, Heuss, Erinnerungen, S. 18) Denn schon das reguläre Sechseck ist zum Aufbau eines regulären Polyeders unbrauchbar , indem drei solcher Sechsecke, Kante an Kante gelegt und um einen gemeinsamen Punkt E geschart, sich zu einem geschlossenen ebenen Gebiet zusammentun, das nicht aufgefaltet (aufgeklappt) werden kann, ohne die ebenen Flächen zu verbiegen. (MK1/ZBW, Wissenschaft, S. 79) Husserl hat ein günstigeres Schicksal gehabt, indem sein Nachlaß von behutsamen Händen verwaltet und jetzt zu wesentlichen Teilen veröffentlicht […] wurde. (MK1/WBM, Bollnow, Maß, S. 170)  





(63)





(64)



In den bisher beschriebenen Verwendungen bezeichnen externes und internes Konnekt immer ein und dasselbe Ereignis, sei es in Form einer Ereignis-SubereignisStruktur, sei es in Form einer spezifischeren Verifizierung oder einer Begründung. In den folgenden Belegen ist dies nicht der Fall: der vom internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt kann weder als für den im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalt ursächliches Teilereignis, noch als dessen konkrete Ausbuchstabierung interpretiert werden. In (65) ist das Stromabstellen weder die Ursache für das Verlassen der Kammer, noch ist es ein damit identisches Ereignis. Hier überlappt indem vielmehr mit wobei und dabei: es liegt die komitative Ereignisstruktur aus Hauptereignis und damit kookkurrierendem Nebenereignis vor. Belege für diese Verwendung finden sich im DeReKo allerdings hauptsächlich in literarischen Texten. (65)

Ich, Oskar, verließ die Kammer der Schwester Dorothea, indem ich jener Vierzig-Watt-Glühbirne den Strom nahm, die mir während des ganzen Besuches zugesehen hatte. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 413) „Wenigstens du, Mama“, sagte Anna, indem sie den Arm der Schwärmerin nahm und sie hinkend weiterzog. (MK1/LMB, Mann, Betrogene, S. 20) Kremer ließ die ausgewählten Häftlinge auf dem Seziertisch Platz nehmen. Indem er sie siezte, fragte er freundlich nach früheren Krankheiten, dem  

(66)



(67)

C2 Additiv basierte Konnektoren

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Gewicht vor der Verhaftung und dem aktuellen Gesundheitszustand. (die tageszeitung, 30.01.1989, S. 13) Achselzucken unsrerseits – wir blickten uns an, Herbert und ich, indem es jeder dem andern überließ, zu sagen, daß wir auf einen Jeep warten. (MK1/ LFH, Frisch, Faber, S. 50) Störtebeker gab nickend die Einwilligung und Oskar sagte, indem er sich die Trommel für den Heimweg bequem rückte: „Jesus geht euch voran.“ (MK1/ LGB, Grass, Blechtrommel, S. 307)  

(68)



(69)



Bei manchen indem-Verwendungen ist nicht klar entscheidbar, ob das interne Konnekt das im externen Konnekt bezeichnete Ereignis expliziert bzw. verifiziert oder ob es ein davon unabhängiges Begleitereignis bezeichnet: (70)

Zwar referiert Eisenberg zunächst, dass indem teils modal, teils instrumental charakterisiert werde, indem er sich auf die Grundzüge und auf Drosdowski beruft, dann aber erläutert er den indem-Satz ausschließlich als Instrumentalsatz. (Homberger 1996: 27)

Grammatiken, die für indem eine temporale Lesart veranschlagen, oder es gar als Temporalkonnektor klassifizieren, sind sich in der Bewertung als ‚veraltet‘ einig (vgl. Homberger 1996: 21 f.). Die temporale Bedeutung des nicht mehr gebräuchlichen Adverbkonnektors indem findet sich beim Subjunktor indem tatsächlich vor allem in älteren Verwendungen. Sie ist als die aus der Präposition in ableitbare Grundbedeutung ‚Inklusion des externen Arguments im internen‘ anzusehen, aus der sich die anderen Verwendungen nach den in A3.2.2 beschriebenen pragmatischen Mechanismen der Bedeutungsanreicherung entwickelt haben: das im externen Argument bezeichnete Zeitintervall ist eingebettet in das durch das externe Argument aufgespannte; diese Bedeutung ist bei indem zugunsten anderer Bedeutungen obsolet geworden, hat sich aber bei indessen gehalten, das wiederum keine instrumentalen und kausalen Bedeutungsanreicherungen hat. Auch bei der temporalen Verwendung sind die in internem und externem Argument bezeichneten Ereignisse als distinkt und unabhängig voneinander konzeptualisiert. Wie temporale während-Sätze sind auch temporale indem-Sätze typischerweise anteponiert.  

(71) (72) (73)

Indem er aber also gedachte, siehe, da erschien ihm ein Engel. (Matth 1, 20) Indem ich ihnen schreibe, liegt alles von Schnee begraben. (Schiller; nach Behaghel 1928: 190) Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu dem Geschwister. (HLO/LES, Lessing, Nathan, S. 176) Indem nun Robinson so am Strande umherging, fiel ihm ein, daß es wohl nicht übel gethan wäre, wenn er sich einmal badete. (HSP/CAM, Campe, Robinson, S. 91)  

(74)



588

C Semantische Konnektorenklassen

Das gängige Muster einer Bedeutungsanreicherung von Simultanitätskonnektoren zu Adversativkonnektoren bei Fokussierung kontrastierender Aspekte von kookkurrierenden Ereignissen (s. A3.2.2.2) ist auch für ältere Verwendungen von indem belegt; für indessen ist sie auch heute noch standardsprachlich (s. C2.3). Bei solchen kontrastiven Vergleichen sind die in den Argumenten bezeichneten Ereignisse ebenfalls als distinkt und unabhängig konzeptualisiert und zudem informationsstrukturell gleichgewichtet, es liegt also keine Struktur von Haupt- und Nebenereignis vor. (75) (76)

[…] daß er immer seinem eigenen Kopfe zu folgen glaubte, indem er bloß das Werkzeug des meinigen war. (Wieland; nach Behaghel 1928: 192) Indem Ferdinand alles tat, seine mißlichen Umstände zu verbessern, unterließ Friedrich nichts, seine gute Sache zu verschlimmern. (Bsp. aus Stojanova 1976: 115)

Fazit: Bezüglich der Dimension der Involvierung von kookkurrierenden Ereignissen oszilliert indem zwischen einer Konzeptualisierung von Koinzidenz als singuläres Ereignis mit einem konstitutiven Teilereignis und einer Konzeptualisierung von Koinzidenz als zwei distinkte, voneinander unabhängige Ereignisse. Letzteres ist die historisch grundlegende Lesart, indem hat sich aber eindeutig hin zu einer Konzeptualisierung als Ereigniseinheit entwickelt: die Kernbedeutung ist heute eher instrumental als komitativ.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

C3

Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

C3.1 3.1.1 3.1.2

Liste der disjunktiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  592 Bestand  592 Syntaktische und morphologische Charakterisierung des Inventars  596 Nicht-konnektorale Ausdrucksmittel zur Kodierung der Alternative-Relation  605

3.1.3

Semantische Charakterisierung der disjunktiven Konnektoren  611 Die Alternative-Relation als Grundlage der Bedeutungsbestimmung der disjunktiven Konnektoren; semantische Merkmale  611 3.2.2 Systematische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen  624 3.2.2.1 Systematische Polysemien bzw. Weiterinterpretation der disjunktiven Konnektoren  624 3.2.2.2 Austauschbarkeit disjunktiver und additiver Konnektoren unter Beibehaltung der Bedeutung der Gesamtkonstruktion  632 3.2.2.3 Disjunktive und irrelevanzkonditionale Konnektoren  638

C3.2 3.2.1

C3.3

Semantische Besonderheiten einzelner disjunktiver Konnektoren: Differenzparameter  641 3.3.1 Einschließende (inklusive) vs. ausschließende (exklusive) Alternativen  643 3.3.1.1 Definition  643 3.3.1.2 Verallgemeinerung auf mehr als zwei Konnekte  645 3.3.1.3 Ein- vs. ausschließende Alternative als Differenzparameter  648 3.3.2 Offene vs. geschlossene Listen  668 3.3.3 Unterschiedlich gute Möglichkeit der Mehrstelligkeit; „Klammerung“  672 3.3.4 Distributive Verwendung von bzw./resp.  675 3.3.5 Kombinatorik mit korrektiven/substitutiven und metakommunikativen Konnektoren, Möglichkeit und Unmöglichkeit der ‚Ersatz‘-Lesart  676 3.3.6 Reduktion des internen Konnekts auf einen reinen Negator  680 3.3.7 Zusammenfassung  681

Ulrich Hermann Waßner

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren Wie die Klassenbezeichnung schon andeutet, signalisieren die alternativebasierten Konnektoren, dass die Konnekte bzw. die von diesen denotierten Sachverhalte in einer Beziehung der Alternative zueinander stehen. In manchen Fällen wird diese Relation noch einmal zusätzlich explizit gemacht, etwa mit dem vorangestellten Substantiv Alternative, das in (1) als eine Art Hyperprädikat über die beiden syndetisch (mit oder) verbundenen Konnekte fungiert, oder auch, indem die Floskel eine weitere Möglichkeit ist abwechselnd mit oder (2) verwendet wird. (1)

Nach der abgelehnten Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer stelle sich die Alternative, die Strassen zu vernachlässigen oder sie aus allgemeinen Steuermitteln zu unterhalten , begründete Hoffmann gestern seine Motion. (St. Galler Tagblatt, 23.10.1997, o. S.) Neue Formen des Wohnens im Alter stellen außerdem gemeinschaftliche Wohnformen […] oder spezielle Altenwohngemeinschaften dar. Eine weitere Möglichkeit ist das „Wohnen in der Pflege“ […]. (Mannheimer Morgen, 29.10.1998, o. S.)  



(2)



Die Bezeichnung für diese Klasse bzw. diesen Typ von Satzrelationen variiert in der Literatur. Drei Benennungsprinzipien werden vor allem genutzt: a) auf der Grundlage des prototypischen, zentralen Konnektors oder. Eine „ODER-Klasse“ hat etwa Fritsche (1982, z. B. S. 46); das ist generell nicht das Benennungsprinzip in diesem Handbuch, obwohl analog auch so etwas wie „und-Klasse“ oder „wenn-Klasse“ möglich gewesen wäre; b) nach dem lateinischen Wort disiungere ‚trennen, unterscheiden‘ (von Polenz 1985: 270), das aber die Bedeutung dieser Konnektoren nicht gut trifft. Die Benennung der Klasse als „Disjunktive“ ist jedoch die überwiegend übliche, läuft allerdings wiederum eine gewisse Gefahr, die Unterschiede dieser Konnektoren zu den gleichnamigen aussagenlogischen Junktoren zu verschleiern bzw. Formulierungsprobleme zu bereiten, welches von beiden jeweils gemeint ist. Heidolph et al. unterstellen ganz dezidiert, dass oder und entweder (…) oder das „logische Verhältnis der ‚Disjunktion‘“ koordinativ ausdrücken (1981: 701). Eine solche Gleichsetzung der Bedeutung der sprachlichen Konnektoren und der logischen Junktoren darf als widerlegt gelten; c) und in verschiedenen Varianten auf Grundlage der klassenbestimmenden Eigenschaft, Alternativen zu formulieren (z. B. alternativebasierte, calternationsbasierte, alternative). Helbig/Buscha (1996: 451) etwa listen unter der  







592

C Semantische Konnektorenklassen

Rubrik „Alternativ“ oder, beziehungsweise und entweder (…) oder (ebenso im Konjunktionen-Wörterbuch von Buscha 1989: 16). Dieses Benennungsmotiv haben wir übernommen, dabei aber die Klassenbezeichnung alternativ vermieden, da sie manchmal zu missverständlichen Formulierungen wie „der alternative Konnektor“ führt. Auch wieder in der Logik gibt es für die entsprechenden Junktoren eine konkurrierende Bezeichnung für die Disjunktion auf der Grundlage der „Alternativität“. So ist der Buchstabe A in der polnischen Präfix-Notation (einer klammerfreien Schreibweise für logische Formeln, bei der der Junktor vor allen seinen Argumenten geschrieben wird) motiviert durch die Bezeichnung Alternation. Wir haben, um die Analogie zu und Verwandtschaft mit den anderen aussagelogisch basierten Haupt-Klassen (den additiv und konditional basierten Konnektoren in C2 und C4) auch schon terminologisch zu betonen, für die Gesamtklasse die Bezeichnung „alternativebasierte“ gewählt. Da es aber innerhalb dieser Großklasse keine relevanten semantischen Unterklassen gibt, können wir im Weiteren in Übereinstimmung mit der Tradition auch von „disjunktiven“ sprechen, d. h. in diesem Sinn und mit der aus den genannten Gründen angebrachten Vorsicht alternativebasiert und den traditionell weitverbreiteten Terminus disjunktiv als synonym behandeln. Auch in der Literatur werden beide Bezeichnungen relativ beliebig verwendet. Die Duden-Grammatik spricht in älteren Auflagen (vgl. etwa 41984:373 und 376 f.) von disjunktiven, in ihrer neueste Auflage (82009: 622) von weitgehend denselben als alternativen Konjunktionen. Dieselbe Extension wie die „disjunktive“ von Engel (1996: 740) hat die „alternative“ Subklasse der Konjunktoren in der GDS (61, 2423 ff.).  





C3.1 Liste der disjunktiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar 3.1.1 Bestand Der Bestand an alternativebasierten Konnektoren im Deutschen ist sehr überschaubar. Es gibt nur die Varianten von oder und die von beziehungsweise. Im Einzelnen, hier nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach morphologischen Gruppen und darin nach Wichtigkeit geordnet: Konjunktoren: oder entweder (…) oder und/oder (überwiegend schriftsprachlich)

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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

beziehungsweise / bzw. respektive / respective / resp. (überwiegend schriftsprachlich)1 (3)

So gibt es nur zwei Möglichkeiten : Man stoppt den Neat-Countdown und nimmt sich Zeit für eine umfassende Finanzierung. Oder man geht schrittweise vor und einigt sich zunächst einmal auf die Realisierung und Finanzierung der dringendsten Projekte. (Züricher Tagesanzeiger, 11.10.1996, S. 7) Oskar konnte die Wohnung seiner Eltern entweder durch den Laden verlassen, dann stand er auf dem Labesweg, oder er schlug die Wohnungstür hinter sich zu, befand sich im Treppenhaus, hatte links die Möglichkeit zur Straße geradeaus, die vier Treppen hoch zum Dachboden, wo der Musiker Meyn die Trompete blies, und als letzte Wahl bot sich der Hof des Mietshauses. (MK1/LGB, Grass, Blechtrommel, S. 76) Wiederholungen von außergewöhnlichen Ereignissen sind selten. Außer man heißt Monty Alexander und/oder es passiert Unvorhergesehenes. (Salzburger Nachrichten, 09.04.1997, o. S.) Von den Akademiemitgliedern kam keine Antwort. Beziehungsweise das „Gerichtsverfahren“ war eben die Antwort. (die tageszeitung, 06.12.1988, S. 11–13) Glauben die Künstler dieses Plakats, dass damit Aids gestoppt werden kann? Was hat ein gesunder nackter Frauen- und Männerkörper mit Aids zu tun? Respektive, was warnt vor dieser schrecklichen Krankheit? (St. Galler Tagblatt, 30.10.1999, o. S.) Mozarts Requiem erschallte. Respektive hallte: Der besonders breite, kahle und zudem recht hohe Innenraum der Kirche nahm wie immer einen großen Einfluss auf die Aufführung. (Mannheimer Morgen, 04.11.2002, o. S.)  



(4)



(5)



(6)



(7a)



(7b)



Über den Kernbereich des Bestands dieser semantischen Klasse besteht in den deutschen Grammatiken und der Forschungsliteratur weitgehende Einigkeit. Oder und entweder (…) oder werden praktisch überall genannt. Und/oder dagegen wird so gut wie nie erwähnt, wahrscheinlich, weil es eine ursprünglich fachsprachliche, aus dem Englischen adaptierte Kunstbildung ist; darin ähnelt es dem konditionalen genau dann wenn/gdw. (englisch iff). Meist – wenn auch etwas seltener als [entweder …] oder – findet sich auch beziehungsweise. Dessen Fremdwort-Äquivalent respective dagegen zählen nur manche Autoren explizit auf.

1 Bzw. ist die konventionalisierte Abkürzung von beziehungsweise, also eine rein graphische Variante; dito resp. für respektive oder die alternative Schreibweise respective. Wir werden im Weiteren i. d. R. jeweils nur die abgekürzte Variante anführen, zur Verkürzung des Textes und da es zwischen dieser und den ausgeschriebenen Formen keine relevanten Unterschiede gibt (eventuelle Ausnahmen werden eigens vermerkt). Es ist also in diesen Fällen immer die Langform bzw. es sind immer alle Schreibweisen mitgemeint.  



594

C Semantische Konnektorenklassen

Diese relativ große Übereinstimmung in der Literatur mag auch damit zusammenhängen, dass es sich durchweg um „koordinierende Konjunktionen“ handelt. Meist wird die Klasse – wie auch die der additiv basierten etwa – ausschließlich unter den koordinierenden Konjunktionen behandelt. Der prototypische (von denen der Klasse am häufigsten vorkommende und unmarkierte) alternativebasierte Konnektor ist oder. Für ihn gilt ähnliches wie für und (vgl. C2.1.3.1, C2.1.3.3): Er ist hochgradig grammatikalisiert, phonologisch und graphematisch sehr kurz, mit geringen syntaktischen Restriktionen versehen; er ist einerseits einer der mit der höchsten Frequenz verwendeten Konnektoren neben wenn sowie eben und, andererseits einer der bedeutungsärmsten; seine Etymologie ist synchron nicht mehr nachzuvollziehen (vgl. etwa DUW 2001: „oder […] ahd. odo (das -r unter Einfluss von aber, weder), verdunkelte Zus., 2. Bestandteil das zugrunde liegende Demonstrativpron. der“). Des Weiteren ist es in zusammengesetzten Formen enthalten: Einige der anderen Konnektoren dieser Klasse sind aus oder zusammen mit weiteren Bestandteilen gebildet. Oder, entweder (…) oder und und/oder fassen wir im Folgenden aufgrund ihres gemeinsamen Bestandteils – wo nötig – als „oder-Gruppe“ zusammen, beziehungsweise und respective mit ihren Schreibvarianten als wörtliche Entsprechungen zueinander als „bzw.-Gruppe“. Die beiden Gruppen sind aber auch semantisch in sich homogener als gegenüber den Elementen der anderen Klasse; bzw. und resp. dürfen als weitestgehend synonym gelten. In manchen Veröffentlichungen werden außer den genannten noch einige wenige weitere Konnektoren zu den „disjunktiven“ oder „alternativen“ gezählt. Hier soll kurz angedeutet werden, warum wir diese nicht zu den alternativ basierten rechnen. Oder aber und oder auch (vgl. Duden-Grammatik 72005: 1088) werten wir ebenso wie oder vielmehr als frei bildbare, und d. h. auch in ihrer Semantik dem Kompositionalitätsprinzip unterliegende Konnektoren und führen sie deswegen nicht eigens in der Bestandsliste der alternativebasierten Konnektoren an. Weitere gehören primär anderen Klassen an und werden nur abgeleitet auch alternativebasiert verwendet; dazu gehören vor allem konditional basierte, nämlich die irrelevanzkonditionalen ob … ob und sei es … sei es mit ihren Varianten, relevanzkonditionales je nachdem sowie die negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Marker sonst und andernfalls etc. Die Entstehung neuer Konnektoren bzw. die zunehmende Lexikalisierung von zunächst freien Bildungen findet auch in diesem semantischen Bereich statt (was die Behauptung falsifiziert, es handele sich bei Konnektoren um eine geschlossene Klasse im strengen Sinn, vgl. Waßner 2002). In der Rückschau gilt z. B., dass bzw. eine neuere Bildung ist. Das DWB hat 1854 noch kein Lemma beziehungsweise. Prognostisch ist auch an Fälle wie den folgenden zu denken, der exemplarisch genügen soll: Auf dem Weg zu einem repetitiven (identisch-zweiteiligen) alternativebasierten Konnektor –  



C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

595

einem Muster, das sich unter den deutschen Konnektoren und denen anderer Sprachen nicht selten findet – ist nämlich z. B. kann sein … kann sein mit der Variante (mit Subjunktorphrasen als Konnekte) kann sein dass … kann sein dass:  

(8)

Sind sie einmal fertig, ziehen […] soziale Projekte ein und das investierte Fördergeld produziert weiteren Mehrwert. Kann sein, die jugendlichen Hilfsarbeiter selbst werden zu Mietern, kann sein, Frauen in Not erhalten ein geschütztes Quartier. (Frankfurter Rundschau, 30.07.1998, S. 6) → (Es ist möglich, dass) … oder … Kann sein, daß wir uns mit der Steiermark, kann sein, daß wir uns ohne Steiermark bewerben … (Kleine Zeitung, 18.03.1997, o. S.) → Wir bewerben uns mit der oder ohne die Steiermark.  

(9)



Auch er kennzeichnet seine beiden Konnekte bzw. die von diesen denotierten Sachverhalte als möglicherweise vorkommende Alternativen zueinander und kann oft als Ganzes durch oder ersetzt werden, übernimmt also dessen Funktion. Dadurch, dass das wiederholte Modalverb beiden Konnekten die Faktizität nimmt, eignet sich diese Konstruktion gut für die Signalisierung derselben Relation, wie dies auch die disjunktiven Konnektoren tun. In (8) steht es sogar zwischen Konnekten, die vollständige Verbzweit-Sätze sind (insbesondere vor einem solchen, zweiten), weswegen man annehmen darf, dass es wohl als koordinierender Konnektor enden wird. In (8) ist es auch möglich, dass weder das eine noch das andere eintritt. Dasselbe wie für kann sein … kann sein – dass es also nicht in allen Fällen zwingend impliziert, dass mindestens einer der Konnektsachverhalte tatsächlich stattfindet, sondern dass beide reine denkbare Möglichkeiten bleiben können – gilt auch für oder. Typisch außerdem hier auch, dass auch drei und mehr Konnekte mit wiederholtem kann sein miteinander verbunden werden können. Dieser Ausdruck ist allerdings den Weg der Lexikalisierung noch nicht so weit gegangen wie z. B. die beiden irrelevanzkonditionalen Konnektoren sei es (dass) … sei es (dass) und ob … ob. Wie bei diesen beiden findet man auch bei kann sein … als zweiten Teil anstelle der Wiederholung des ersten Teils ein oder (kann sein … oder) bzw. wird manchmal ein oder hinzugefügt (kann sein … oder kann sein). Die Analogie ist weitgehend perfekt, die lexikalische Verfestigung aber doch noch nicht so weit fortgeschritten, dass dieser Kandidat in die Konnektorenliste aufzunehmen wäre. (Vgl. zu phraseologischen Konnektoren die Bemerkungen in A1.4 und zum Ausschluss nicht-lexikalisierter, „frei bildbarer“ Bildungen schon in HDK-1: B.9.) Ganz ähnliche Erwägungen kann man sodann auch für die Variante mag sein … mag sein und weitere anstellen.  

596

C Semantische Konnektorenklassen

3.1.2 Syntaktische und morphologische Charakterisierung des Inventars Die Type-Token-Ratio ist bei den Konnektoren der alternativebasierten Klasse besonders extrem: es gibt sehr wenige disjunktive Konnektoren, aber sie kommen in Texten z. T. sehr häufig vor. Das berechtigt, sie als eigene Klasse anzusetzen und sogar in der Klassifikationshierarchie relativ weit oben zu platzieren.  

Exkurs: Zur Häufigkeit von oder Oder kommt in den Korpora des Archivs W-gesamt des IDS 3.584.984mal vor (Stand: 19.06.2008; Bezugsmenge: 1.815.048.058 Textwörter) und gehört damit nach und (40.174.821) – einem der drei häufigsten Wörter insgesamt – zu den am häufigsten vorkommenden Konnektoren (und Wörtern) überhaupt (vgl. dazu http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/methoden/derewo.html). Zum Vergleich die Zahlen für und/oder (9.315) und entweder (83.290). (Da entweder neben oder auch andere zweite Paarglieder annehmen kann, kann hier nicht die Zahl für die Teilmenge entweder (…) oder angegeben werden, da mechanisch nicht zu vereindeutigen ist, ob sich ein entweder tatsächlich auf ein im gleichen oder nächsten Satz folgendes oder bezieht.) Im Wortschatz-Portal der Uni Leipzig, http://wortschatz.uni-leipzig.de/, hat (Stand 19.06.2008) oder im Korpus die Häufigkeitsklasse 4, und hat 1, entweder 10, undoder 21 (und/oder 350); zum Vergleich: wenn und weil haben 5, beide sind also – obwohl ebenfalls sehr häufig vorkommende Konnektoren – signifikant seltener als oder. (Eine bestimmte Form hat die Häufigkeitsklasse n, wenn die häufigste Form – i. e. der – etwa 2n-mal häufiger vorkommt als die betreffende Form. Im DeReKo lauten die Zahlen für und 2, für oder und wenn 6; für entweder 11, für weil 7; und/oder ist in der Liste der 30.000 häufigsten Wörter nicht enthalten. Bezugsgröße mit n=0 ist hier d-.)  



Auch aus systematischen Gründen ist es notwendig, sie als eigene Hauptklasse zu konstituieren, da ihre Elemente semantisch in keine andere hineinpassen und ihre Ansetzung die Gesamt-Systematik erst vervollständigt (vgl. B2). Semantisch ist sie ja in sich sehr homogen, hat auch keine Untergruppen. Und auch syntaktisch ist sie extrem gleichförmig und unterscheidet sich darin deutlich von anderen Gruppen. Wie man sieht, sind alle Mitglieder dieser Klasse Konjunktoren. Diese auffällige Tatsache lässt sich leicht als konstruktioneller Ikonismus erklären: Koordinative Verknüpfung und Identität der semantischen Rollen spiegeln die Tatsache, dass die von diesen Konnektoren denotierte Relation ihrerseits semantisch symmetrisch ist. Sie ist allerdings sogar die einzige, die nicht auch durch Subordinatoren ausgedrückt werden kann. Selbst bei den additiven gibt es wenigstens einen Subjunktor (dazu dass, vgl. C2.1.1). Bzw. wurde in HDK-1 als Adverbkonnektor mit Einzelgängerstatus eingestuft, resp. als Konjunktor. Eine eindeutige Zuordnung ist hier schwer, da beide sowohl in Vorfeldstellung belegt sind (10a, 10b) als auch in der Konjunktorposition zwischen den Konnekten ohne prosodische oder interpunktorische Abgrenzung (10c, 10d). (10a)

Leider lassen sich mit solchen Tests nie alle Allergene finden beziehungsweise ist in der Regel nicht nur ein Stoff der Übeltäter, sondern meistens sind

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(10b)

(10c)

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es mehrere Substanzen oder eben Stoffgemische. (www.haut-und-schmerzzentrum.ch/?Seite=deutsch/haut_erkrankungen_neurodermitis.asp) Viele untenstehende Eigenschaften erschweren es dem Körper, genügend Vitamine aufzunehmen, respektive sind Anzeichen für einen Vitaminmangel. (http://www.health4life.ch/therapiemethoden/vitamine.php) Macht man dieselbe Rechnung für einen Benzinpreis von fünf DM auf, ist das Ergebnis genauso klar, „der Dicke“ bliebe in der Garage beziehungsweise er würde früher oder später gegen einen „dünnen“ Renault R5 ausgetauscht. (die tageszeitung, 21.11.1988, S. 3) Die Meinung des Journalisten […] wird nicht klar deklariert respektive sie wird nicht deutlich vom Bericht abgegrenzt. (St. Galler Tagblatt, 18.06.1999, o. S.)  

(10d)



Allerdings kann die große Mehrzahl der Beispiele mit Vorfeldstellung auch anders analysiert werden: als Ergebnis einer Koordinationsreduktion, bei der Material im Vorfeld des zweiten Konnekts durch identisches Material aus dem ersten Konnekt ergänzt werden kann. Eine Ersetzung von bzw. und resp. durch und oder oder, die zweifelsfrei Konjunktoren sind, ist meist möglich. Aus diesem Grund klassifizieren wir beide als Konjunktoren. (10a’)

(10b’)

Leider lassen sich mit solchen Tests nie alle Allergene finden beziehungsweise/und/oder [leider] ist in der Regel nicht nur ein Stoff der Übeltäter, sondern meistens sind es mehrere Substanzen oder eben Stoffgemische. (http://www.haut-und-schmerzzentrum.ch/?Seite=deutsch/haut_erkrankungen_neurodermitis.asp) Viele untenstehende Eigenschaften erschweren es dem Körper, genügend Vitamine aufzunehmen, respektive/und/oder [viele untenstehende Eigenschaften] sind Anzeichen für einen Vitaminmangel. (http://www.health4life. ch/therapiemethoden/vitamine.php)

Als solche stehen die alternativebasierten immer zwischen ihren Konnekten bzw. genau vor dem zweiten (internen) Konnekt. Allerdings sind zwei Besonderheiten zu beachten: Der erste Teil des zweiteiligen Konnektors entweder (…) oder steht demgegenüber natürlich vor dem (oder auch im) ersten (dem externen) Konnekt und hat dabei verschiedene Stellungsmöglichkeiten, kann nämlich in dessen Vor- oder Mittelfeld vorkommen, verhält sich also wie ein Adverb. Näheres dazu in HDK-1: 457 und 473 f. Von bzw. (und auch resp.) gibt es eine – allerdings sehr seltene – Variante, bei der sie tatsächlich das Vorfeld des zweiten Konnekts besetzen und bei der die Konstruktion anders als in (10a)/(10b) nicht als elliptisch erklärt werden kann, ähnlich wie es auch bei dem genuinen Konjunktor und vorkommt (vgl. C2.1.3.1.1):  

598

(11a)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Polizei stellte bei dem Flitzer schwere Alkoholisierungsmerkmale fest. Der Mann weigerte sich standhaft, seinen Namen und seine Wohnadresse bekanntzugeben, beziehungsweise machte er absichtlich falsche Angaben zu seiner Person. (Niederösterreichische Nachrichten, 19.08.2009, S. 5) Ich weiß […], dass gerade in Idar-Oberstein das Stadtteildenken sehr ausgeprägt ist. Respektive gilt das speziell für die Obersteiner und Idarer. (Rhein-Zeitung, 18.12.2008, o. S.)  

(11b)



Diese Tatsache – bekannt und in der Literatur als „Satzdreh“ schon seit langem beschrieben: Er tat dies und das, und hatte er / bzw. wollte er … – hat wohl dazu geführt, dass bzw. in HDK-1: 702 als einziger alternativebasierter Konnektor syntaktisch als Adverbkonnektor-Einzelgänger eingestuft wurde – ein Adverbkonnektor, der ganz untypisch nicht das Mittelfeld besetzen kann (vgl. HDK-1: 498), dafür aber – eben wie ein nichtkonnektintegrierbarer Konnektor – die Nullstelle. Der „Satzdreh“ hat uns auch bei und nicht gehindert, es schlichtweg als Konjunktor einzustufen. Und auch mit bzw. absolut gleichbedeutendes (und nur stilistisch verschiedenes) und weitestgehend identisch verwendetes resp. wird in HDK-1: 721 – wie die anderen alternativebasierten auch – als Konjunktor klassifiziert. Wir betrachten bzw. hier anders als HDK-1 analog zu und sowie eben auch resp. als Konjunktor. Die Verwendung als Vorfeldbesetzer wurde und wird auch bei und weitgehend als von höchst zweifelhafter Grammatikalität angesehen, zumindest aber als stilistisch hochgradig (negativ) markiert (als bürokratisch und unelegant), und wird von Sprachkritikern scharf abgelehnt. Interessanterweise scheint es eine analoge Erscheinung bei oder nicht zu geben. Der Versuch jedenfalls, einen Beleg dafür in den IDS-Korpora zu finden, scheiterte, und auch die versuchsweise Bildung „künstlicher“ Beispiele oder Umstellung realer Belege führt nicht zu Ergebnissen, die wie die bei und und bzw./resp. so wirken, als ob sie durchaus im realen Sprachgebrauch vorkommen könnten. Wir haben für dieses Phänomen keine schlüssige Erklärung; allerdings könnte es sein, dass bei oder – das ja auch mit gemischten Konnektformaten vorkommt – bei Inversion im zweiten Konnekt die Interpretation als Frage allzu naheliegend wäre, worauf auch die Ergebnisse einer kursorischen Recherche im Internet nach erlaube ich mir hindeuten, man vergleiche den Kontrast: (12a)

(12b)

(12c)

Der Antrag auf Freigabe des Betrages dafür liegt bei Ihnen vor, und erlaube ich mir, Sie ergebenst zu bitten, ihn unter Berücksichtigung meiner Notlage zu genehmigen. (www.juedische-geschichte-hameln.de/1933bis1945/8depor tation/birnbaum.html) […] und ich werde mich nicht selbst zitieren bzw. erlaube ich mir […], eine eigene Meinung zu vertreten. (www.islam-deutschland.info/forum/viewtopic.php?p=205995&sid=2a1eaa2e92ebb868984be60675ac65ef) *Ich bitte Sie um rasche Erledigung, oder erlaube ich mir, Sie persönlich aufzusuchen.

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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

Der syntaktischen Homogenität der alternativebasierten Konnektoren steht nun die genau entgegengesetzte Tendenz gegenüber, dass sie wortbildungsmorphologisch eine Vielfalt von Möglichkeiten abdecken: Es finden sich … I. einteilige, und zwar a) einfache (oder) wie auch b) morphologisch komplexe (beziehungsweise, respective) sowie c) speziell auch aus Konnektoren zusammengesetzte (und/oder) II. sowie mehrteilige, potenziell diskontinuierliche (vgl. zu unserem Gebrauch dieses Terminus HDK-1: § B8., vor allem S. 336; sowie zu der folgenden Unterscheidung ebd.: 523), und zwar a) korrelative (vgl. HDK-1: 523) (entweder (…) oder). b) Nicht hingegen repetitive (identisch wiederholende), und zwar vor jedem Konnekt stehende (*Oder p oder q)2. Oder kommt zwar auch im Deutschen wiederholt vor (bei der sog. Polysyndese), aber im mehr-alszweistelligen Fall nur zwischen den Konnekten, nicht vor dem ersten. In anderen Sprachen ist dagegen gerade diese Form der identischen Paarbildungen für diese Klasse weit verbreitet (vgl. a. DWB: Sp. 647/ 48), dabei meist, aber nicht nur, im Sinne von ‚entweder (…) oder‘ (lat. vel … vel, aut … aut, frz. ou … ou, span. u. it. o … o, poln. albo … albo, ungar. vagy … vagy); dieselbe Lage wie im Deutschen findet sich dagegen im nahe verwandten Englischen. In anderen semantischen Klassen kommt diese Bildungsweise auch im Deutschen durchaus vor (vgl. die adversativen bald (…) bald, halb (…) halb, mal (…) mal, teils (…) teils), vor allem auch bei gewissen Wörtern aus Nachbarklassen mit einem alternativebasierten Anteil: irrelevanzkonditionale ob … ob (ungar. akár … akár; engl. whether … whether) und sei es … sei es. Damit stellt auch das Deutsche ein Muster für eventuelle Neubildungen bereit (vgl. das oben angesprochene kann sein … kann sein).  





Oder wurde zwar offenkundig bei seiner ursprünglichen Bildung aus zwei Teilen zusammengesetzt, vgl. Paul (1908: 392) und Kluge (1999: 597) – vor-ahd. ëddo = got. aiþþau ist eine Zusammensetzung „aus zwei Partikeln“ (nähere Informationen sind an den angegebenen Stellen nicht erhältlich, außer noch, dass der zweite Teil þau „als Einleitung des zweiten Teils einer Doppelfrage“ erscheint (Paul) bzw. „der Dual des Demonstrativums“ ist; „der erste Bestandteil ist unklar“ (Kluge)). Diese Kompositionalität einer diachronen Vorform aber ändert nichts daran, dass oder synchron

2 Überraschenderweise findet man aber auch diese Form in älteren Sprachstufen, z. B. in einem Brief von Leopold Mozart von 1764: „Um 2 Uhr ist die Mittagstafel. Diese bestehet, oder in einem grossen Schöpsernen Schlägel der gebraten ist, oder in einem Roasted Beef, das ist den englischen Rindsbraten.“ (zit. nach www.swr.de/swr2/programm/sendungen/musikstunde/-/id=11486932/property= download/nid=659552/1eowbwf/swr2-musikstunde-20130704.pdf).  

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C Semantische Konnektorenklassen

undurchsichtig, d. h. morpho-semantisch unhergeleitet, und also ein Simplizium ist, etwa vergleichbar mit aber, vgl. dazu C2.3.1. Beziehungsweise ist auch für den heutigen Sprecher aus erkennbaren Bestandteilen zusammengesetzt, aber das Bildungsprinzip ist synchron nicht mehr nachvollziehbar, die Bildung also nicht durchsichtig, möglicherweise, weil eine frühere Bedeutung des Verbs beziehen, mit der es über das Abstraktum Beziehung in den Konnektor eingegangen ist, heute verlorengegangen sind. Beziehungsweise war ursprünglich – im 19. Jh. – wörtlich als ‚die Beziehung betreffend, in dieser Beziehung, mit Beziehung darauf, bezüglich‘ zu verstehen, eine Bedeutung, die heute völlig verschwunden ist und einerseits die Synonymie mit respective < respectus (‚Bezug, Rücksicht, Berücksichtigung‘) als dessen wörtliche Übersetzung motiviert (vgl. z. B. Paul 102002: 170 und 797), andererseits aber unerklärt lässt, wie es von da aus bei beiden zu einer modernen Bedeutung ‚oder‘ (‚alternativ dazu‘) kommen konnte. Neben entweder wurde nach dem DWB auch die Flexionsform entweders als Konjunktion verwendet. Zeitgenössische standardsprachliche Belege dafür sind weder in Cosmas noch ohne weiteres (d. h. nach Abzug von offenkundigen Tippfehlern etc.) in Google zu finden. Möglicherweise hat sich die Form in Dialekten (Schweizerdeutsch, Bairisch) noch erhalten, aber wir betrachten diese Form als bestenfalls ein Randphänomen und gehen nicht weiter darauf ein. Diverse Belege zeigen, dass kataphorisches entweder faktisch auch anders als mit oder fortgesetzt wird (vgl. zur analogen Erscheinung bei weder und zwar Waßner 2008b): vor allem mit bedeutungsähnlichen zweiten Paargliedern wie bzw., aber auch u. a., darunter auch nicht-disjunktive, aber nahe verwandte Ausdrücke (sonst, andernfalls). Diese Korrelate kommen bei mehr als zwei Konnekten auch gemischt mit oder vor: entweder (…) aber auch … oder, entweder (…) oder … bzw. Wo das aber nicht im Sinne einer Klammerung oder distributiv zu verstehen ist, ist es wohl als abweichend anzusehen; desgleichen scheinbare Fortsetzungen mit und. In (13) hat das entweder nichts verloren:  







(13)

Seine Flucht wurde durch den Umstand, daß die Bundesautobahnen mehr und mehr zu Großbaustellen werden, nicht gerade begünstigt. Dem Fahrer springen entweder Wallache ins Fahrzeug, und auf weiten Streckenabschnitten ist überhaupt kein Fortkommen. (die tageszeitung, 10.10.1987, S. 4–7)  

Im zweistelligen Fall kommt vor allem die Mischform entweder (…) bzw./beziehungsweise nicht ganz selten vor, wir betrachten sie jedoch als Satzbruch; stichprobenartig befragte Muttersprachler (auch aus der Schweiz) neigen ebenfalls zu dieser Ansicht. Die Belege für diese Kombination stammen überwiegend, aber nicht ausschließlich, aus Österreich. Möglicherweise – und dafür spricht gerade die abwechselnde Verwendung mit oder – setzen Schreiber diese Form aus Gründen der delektierenden Variatio auch gegen die Sprachnorm bewusst ein; gerne ist bzw. über das exklusive

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entweder hinaus auch als ‚oder vielmehr‘ gemeint oder liefert eine (zusätzliche) distributive Lesart (14b) – von den dreien beteuern die einen dies, die anderen jenes: (14a)

37 Prozent NATO-Gegner stehen 18 Prozent Befürwortern gegenüber. Der Rest ist entweder unschlüssig beziehungsweise hat sich über das Thema noch keine Gedanken gemacht. (Vorarlberger Nachrichten, 12.09.1997, S. A3; ebenso in der Tiroler Tageszeitung, 12.09.1997, o. S.) Alle drei hatten vor Gericht beteuert, entweder so gut wie nichts gewußt beziehungsweise das Wenige auch noch vergessen zu haben. (Mannheimer Morgen, 03.05.1996, o. S.)  





(14b)



Und sogar auch entweder (…) und/oder findet man; allerdings sind diese Fälle selten und abweichend, weil widersprüchlich – entweder deutet auf exklusive, und/oder auf inklusive Alternativen hin, was nicht beides zugleich vorliegen kann: (15a)

Wer der Knochenmühle Tennis-Zirkus einmal zum Opfer fiel, weil er entweder mit dem psychischen Druck nicht fertig wurde wie Capriati und/oder weil er dem langjährigen Raubbau an der Gesundheit körperlichen Tribut zollen muß wie Graf, hat es schwer, auf den immer schneller fahrenden Zug wieder aufzuspringen. (Frankfurter Rundschau, 29.06.1998, S. 30) Eine öffentliche Diskussion wird entweder deshalb nicht geführt, weil wir funktionieren und/oder weil wir uns in besonderer Nähe zu den Menschen befinden. (Rhein-Zeitung, 12.06.2001, o. S.)  

(15b)



Würde man solche Mischformen als korrekt und völlig sprachrichtig akzeptieren, dürfte man nicht entweder (…) oder als feste Verbindung und damit als eigenen Konnektor angeben, sondern nur kataphorisches entweder alleine. Wir gehen hier aufgrund der genannten Einwände gegen die Akzeptabilität der scheinbaren Gegenbeispiele mit der Tradition in Grammatiken von einer obligatorischen Fortsetzung mit oder aus, womit – wie in Wörterbüchern (vgl. z. B. DUW) üblich – entweder (…) oder als Lemma anzusetzen ist. Bisher haben wir weitgehend nur die Fälle berücksichtigt, in denen genau zwei Konnekte vorliegen. Eine Besonderheit der Konnektoren der oder-Gruppe ist aber, dass sie ohne Veränderung der zugrundeliegenden Relation mehr als zwei Konnekte miteinander verbinden können. Für diese Fälle ergeben sich weitere Formvarianten: Die einteiligen alternativebasierten Konnektoren können einmal, nämlich vor dem letzten Konnekt, gesetzt (Monosyndese) oder polysyndetisch (zwischen allen Konnekten) wiederholt werden, im Deutschen aber nicht „hypersyndetisch“, also auch noch vor dem ersten Konnekt. Im einfachsten, dreistelligen Fall: P, q oder r; P oder q oder r; *Oder p oder q oder r (gegenüber z. B. lat. aut p aut q aut r). (Im Fall der Monosyndese sprechen wir in Übereinstimmung mit der allgemeinen Gepflogenheit nicht von Asyndese zwischen den Konnekten, zwischen denen kein Konnektor steht,  



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C Semantische Konnektorenklassen

sondern betrachten die Konstruktion als Ganzes, quasi alle Konnekte auf einmal.) Polysyndetische Beispiele: (16)

Die Regierung würde gestürzt, wenn sie nicht auf eine Armee zählen könnte, die verhältnismäßig reichlich mit amerikanischen oder russischen oder tschechoslowakischen oder französischen oder britischen oder chinesischen Feuerwaffen und Lastwagen versehen ist und zufrieden mit der Regierung […]. (LIM/LI1.00427 Schwarz, Abkehr, S. 269) Ihr „Verbrechen“: Sie machten zu viele Schulden und/oder trafen Fehlentscheidungen in der Firma und/oder meldeten zu spät den Konkurs an. (Kleine Zeitung, 14.08.2000, o. S.)  

(17)



Bei dem per se mehrteiligen entweder (…) oder wird der erste Teil in der Regel nur einmal, beim (vor dem oder im) ersten Konnekt, gesetzt; der zweite Teil kann entweder nur einmalig, nämlich vor dem letzten Konnekt gesetzt werden (Entweder p, q oder r, analog zur Monosyndese) oder auch beliebig oft wiederholt werden (vergleichbar der Polysyndese: Entweder p oder q oder r) wie in (18). (18a)

Die wegen Trunkenheit am Steuer verurteilte Milliardärin Alice Walton kann ihre Bestrafung auswählen. Wie Richter Stanley Ludwig mitteilte, zahlt sie entweder die 925 Dollar Busse oder sie leistet einen Tag gemeinnützige Arbeit oder sie geht für einen Tag ins Gefängnis. (Züricher Tagesanzeiger, 19.06.1998, S. 14) Und all diese Bestimmungen stehen außer Frage. Sie in Frage zu stellen hieße, entweder die Existenz Gottes oder seine Wahrhaftigkeit oder seine Güte oder seine Gerechtigkeit in Frage zu stellen. (die tageszeitung, 13.02.1998, S. 3)  

(18b)



Daneben gibt es eine Art „gemischte Polysyndese“, nämlich mit unterschiedlichen Ausdrücken zwischen den Konnekten. Es kommen also auch Mischungen der Art p oder q bzw. r. vor. All diese formalen Varianten begründen keinerlei Bedeutungsunterschied gegeneinander, sondern sind stilistisch motiviert, können der Abwechslung dienen, aber auch der semantischen Klammerung (i.e. der engeren Bindung von näher Zusammengehörigem, vgl. C3.3.3). Das gilt auch für die durchaus vorfindlichen Belege, in denen umgekehrt der erste Teil des Konnektors wiederholt gesetzt wird und der zweite nur einmal, nämlich vor dem letzten Konnekt (entweder p, entweder q oder r). Sie sind selten, scheinen oft rhetorisch-stilistisch markiert zu sein (als ungeschickt), können aber auch eine eigene Funktion haben: Die Form entweder (…) entweder … oder klammert nämlich ggf. z. B. alle entweder-Konnekte gegenüber dem einen oder:  

(19)

Entweder lösen wir unsere internen Probleme, entweder stellen wir eine gemeinsame Handlungsfähigkeit her, entweder finden wir nicht nur in

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einem gemeinsamen Markt zusammen, sondern auch in einer gemeinsamen Demokratie und einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, entweder wird die Europäische Union zum politischen Subjekt auf internationaler Bühne oder die Welt wird sich ohne den wesentlichen Einfluss der Europäer fortentwickeln. (REI/BNG.00723; Fischer, Rede im Deutschen Bundestag am 11.12.2003) Die vom DWB (Sp. 648) als Möglichkeit angeführte völlige Weglassung eines oder bzw. eines anderen disjunktiven Konnektors oder gleichbedeutenden Ausdrucks nach entweder ist zumindest synchron als abweichend, als Vertextungsfehler anzusehen; ebenso die auch vom DWB als „schlecht“ bezeichnete Ersetzung von oder durch entweder, also identisch wiederholend entweder (…) entweder, was heute auch gar nicht mehr vorzukommen scheint. Ein weiteres formales Merkmal der Klasse, nämlich die Kongruenz bei oder bzw. entweder (…) oder, kann auch semantische Konsequenzen haben, was aber für unsere weiteren Erörterungen nicht zum Tragen kommt. Diesbezüglich verweisen wir daher auf Findreng (1971, 1976); Ulvestad (1981); van de Velde (1988). Die Konnektformate der alternativebasierten Konnektoren sind genauso vielfältig wie bei anderen Konjunktoren. Diese Konnektoren können Satz- und Nichtsatzkonnekte aller Art koordinativ verknüpfen, von der Satzmehrheit über Paare von Hauptoder von Nebensätzen (also Sätze aller Art, mit V1, V2 oder V-letzt), Satzgliedern, Wörtern bis hinunter zu Morphemen. Dabei tendieren bzw. und resp. eher zu den kleineren sprachlichen Einheiten, kommen mit Sätzen und Satzmehrheiten eher selten vor, was aber wie gesehen auch nicht ausgeschlossen ist, jedoch wenn, dann häufig mit koordinativ gestützten Ellipsen. Die Grenzfälle seien hier am Beispiel von oder belegt. Recht weiten Skopus (zumindest das zweite Konnekt umfasst deutlich mehr als einen Satz) hat es in (20); zur Verdeutlichung haben wir den Bereich der Konnekte durch geschweifte Klammern markiert. Nur Wortteile verbindet es in anderen Fällen, exemplifiziert durch (21): meist solche von substantivischen Komposita, wie in (a), gerne auch (aber deutlich seltener) präpositionale Verbpräfixe, wie in (b), und auch gemischte syntaktische Kategorien wie in (c); weitere (d) und auch dreistellige Fälle (e) kommen ebenfalls vor.  

(20)

Nur von einem ist nicht gesprochen worden: Dass nämlich diese MultiMilliarden„branche“ Krankenversicherungsanstalten ohne strategische Führung, ohne wirkungsvolle Kostenrechnung und ohne effiziente Koordination vor sich hin arbeitet. Dort aber liegen viele Milliarden an Einsparungsmöglichkeiten, die genutzt werden könnten. {Wo liegt der Sinn für die Krankenversicherten, wenn jede Anstalt eine eigene (und dadurch unnötig teure) EDV besitzt?} Oder: {Kein wirtschaftlichen Gesichtspunkten verpflichteter Konzern würde sich so organisieren, wie es die Krankenversicherungsanstalten sind. Da „herrschen“ Funktionäre, die politisch eingesetzt, von ihrem Fach-

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wissen her aber Amateure sind – diese Gremien „halten“ sich Generaldirektoren, die in etlichen Fällen nichts anderes als Erfüllungsgehilfen der Funktionäre sind. All das führt dazu, dass trotz lobenswerter einzelner Initiativen von diversen Krankenanstalten eine effektive Kooordination [sic!] und damit Kosteneinsparung nicht stattfindet.} (Neue Kronen-Zeitung, 04.03.2000, S. 1) Auch in diesem Sommer liegen wieder vor allem edle Gartenserien aus Teak oder Eukalyptus holz […] im Trend. (Braunschweiger Zeitung, 26.03.2010, o. S.) Eltern und Kindern bleibt nichts übrig, als entweder vor - oder hinter einander zu sterben, und man weiß am Ende nicht, was man vorziehen sollte. (GOE/AGX Goethe, Maximen, S. 543) Den Straßen, Rinnen, Gräben und Kanälen dürfen keine Spül -, Haus -, Fäkal - oder gewerbliche Abwässer zugeleitet werden. (Rhein-Zeitung, 23.01.1998, o. S.) Ein Spiel wird vom zuständigen Rechtsorgan grundsätzlich für eine Mannschaft als verloren und den Gegner als gewonnen gewertet, wenn bei ihr ein nicht spiel - oder nicht einsatz berechtigter Spieler mitgewirkt hat. (RheinZeitung, 18.12.2008, o. S.) […] dürfen nur österreichische Eier aus Bio -, Freiland - oder Boden haltung mit diesem Gütesiegel ausgezeichnet werden. (Niederösterreichische Nachrichten, 11.08.2008, Großformat S. 32)  

(21a)







(21b)







(21c)







(21d)







(21e)









Insbesondere können die alternativebasierten des Weiteren auch ihrerseits zwischen Konnektoren zu stehen kommen, so gerne zwischen einem konzessiven und einem kausalen – trotzdem oder deswegen, obwohl oder weil und je umgekehrt. (22a)

Stramme Waden und markige Männerkinne verzückten die Damenwelt, auch wenn – oder gerade weil – die Herren der Schöpfung in blonden Perücken mit Zöpfchen und in feschen Trachtenröcken einmarschierten. (Rhein-Zeitung, 29.01.2007, o. S.) Obgleich oder weil mir das überfüllte Geschäft so grauenhaft vorkam, blieb ich zwei Stunden wie hypnotisiert in der Nähe zweier MacBooks stehen […]. (die tageszeitung, 31.08.2006, S. 27)  

(22b)



Exkurs: Zum unterschiedlich häufigen Vorkommen von Paaren von Konnektoren als Konjunkte von oder Eine Suche nach diesen Fällen ergab merkwürdige Asymmetrien. Es findet sich nicht etwa Zufallsverteilung, sondern die verschiedenen Kombinationen kommen deutlich unterschiedlich häufig vor, und dasselbe gilt jeweils für die beiden möglichen Reihenfolgen desselben Konnektoren-Paares; was das zu bedeuten hat, ist derzeit noch offen: Eine Erklärung für dieses Phänomen ist nicht in Sicht. Einige der Ergebnisse laufen scheinbar plausiblen Vorerwartungen geradezu diametral zuwider. So kam obwohl/obschon/obgleich oder weil im Korpus TAGGED-T-gesamt unter 264 Belegen der Form „ko-/subordinierende Konjunktion < oder < ko-/subordinierende Konjunktion“ 55mal vor, dieselbe

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Konnektorenkombination in umgekehrter Reihenfolge weil oder obwohl dagegen nur 8mal. Viele denkbare Kombinationen waren gar nicht aufzufinden.

Ein Fall von Heterosemie ist schließlich noch anzuzeigen (vgl. HDK-1: 459/60). Oder kommt auch ganz ohne ein folgendes explizites zweites Konnekt als Interjektion bzw. tag question (vor allem in der Schweiz) vor: P, oder?, vergleichbar mit nicht (wahr)?, gell/gelt?, ne?, wa?, woll? etc. in anderen Regionen. DUW 2001 sieht das als eine Bedeutungsvariante von oder. Es drückt nämlich als nachgestellte rhetorische Frage – auch mit einem erfragten expliziten (metasprachlichen) internen Konnekt – aus, „dass ein Einwand des Gesprächspartners […] möglich ist“; ähnlich Paul (1908: 392): „Besonders südwestdt. ist bloßes o[der] mit Frageton in Sätzen wie du hast jetzt genug, oder?, wo man wartet, ob der Angeredete vielleicht einen Einwand zu machen hat.“ Der Zusammenhang mit der disjunktiven Konnektorverwendung ist evident: Es wird erfragt, ob der Gesprächspartner eine zweite Inhalts- oder Form-Alternative oder gar die ersetzendes Behauptung eines alternativen Sachverhalts beitragen will und/ oder kann. (Erwartet wird allerdings seine Zustimmung.) Dass die Verwendung also von der disjunktiven Grundbedeutung her motiviert ist, zeigt sich auch in der Anmerkung zum „paraexpeditiv verwendeten Konjunktor oder“ als „Sprechhandlungsaugment“ in GDS (384): „Oder wird nachgeschaltet, wenn […] der Sprecher […] eine Alternative zum assertiven Sachverhalt für möglich oder wahrscheinlich hält.“ Man könnte das nachgestellte oder für elliptisch halten und einen ganz allgemeinen Ausdruck für ein zweites Konnekt ergänzbar sehen, etwa oder (ist das) nicht (so)?, oder glaubst du das etwa nicht?.

3.1.3 Nicht-konnektorale Ausdrucksmittel zur Kodierung der Alternative-Relation Neben den Konjunktoren gibt es im Deutschen auch andere Marker für die Alternative-Relation. Von den weiteren Ausdrucksformen, wie sie bei anderen Konnektorenklassen begegnen, fehlen hier allerdings – wie übrigens auch in vergleichbaren Sprachen – die bei vielen anderen Klassen als Ausdrucksalternativen bereitstehenden Präpositionen (und Präpositionalphrasen) völlig. Da die alternativebasierten Konnektoren ja auch Einheiten unterhalb der Satzebene (Nominalphrasen etc.) verbinden, verwundert das auf den ersten Blick, es ist aber wohl ähnlich erklärbar wie das analoge Phänomen bei den additiv basierten Konnektoren (vgl. am Anfang von C2.1.1). Die alternativebasierten gehen in dieser Hinsicht gewissermaßen aber noch weiter als jene, denn hier gibt es darüber hinaus auch keine Entsprechung wie additiv (und) – komitativ (mit). Andererseits gibt es aber auch in diesem semantischen Bereich die üblichen Ausdrucksmöglichkeiten für Hyperprädikate (mit satzförmigen Argumenten), etwa

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C Semantische Konnektorenklassen

der – naheliegenden – Art Dass p, ist die Alternative dazu, dass q. Allerdings finden sich für diese Formulierung nur ganz wenige wirkliche Belege; ihre Nennung z. B. bei von Polenz (1985: 270) ist wohl eher als Versuch zu verstehen, analytisch die Bedeutung der alternativebasierten Konnektoren „sichtbar“ zu machen. In komplexeren Kommunikationsverläufen findet man sie dann aber doch:  

(23a)

(23b)

A: Ja, da hab ich wieder ein Problem: Meine Katze lässt sich nicht aufheben und in den Korb rein tun B: Doch, du kannst das. Du bist nämlich größer und stärker als sie. Es ist die Alternative dazu, dass sie stirbt. (www.gutefrage.net/nutzer/Israel4ever/ antworten/beliebte/3) → Du hebst deine Katze auf und tust sie in den Korb oder sie stirbt. wenn etwas nicht wahr ist […], so ist die Alternative dazu, dass es gelogen ist (www.iberty.net/2011/09/straenbahnlinie-d-wien-eine.html bzw. www. iberty.net/2011_09_18_archive.html) → etwas ist (entweder) wahr oder gelogen.

Vergleichbares gilt für das (prädikativ – als Bestandteil eines zweistelligen Hyperprädikats über Sätze – genutzte) Adjektiv oder Adverb alternativ. Auch hier ist Ersatz durch oder möglich, wobei eine in der Originalformulierung evtl. vorhandene Modalisierung im zweiten Konnekt überflüssig wird, da sie bereits von oder geleistet wird, und im ersten desgleichen, sofern die Konstruktion bereits in eine Modalisierung eingebettet ist: (24)

Eine einfache Fusion ist allerdings an keinem der beiden Standorte möglich. Deshalb werden verschiedene andere Varianten diskutiert: Möglich wäre eine Verlagerung der beiden Gymnasialzweige an die Grundschule Delfter Straße bei Erhaltung der Schulzentren. Alternativ dazu steht die Zusammenfassung der Schulzentren an der Delfter Straße im Raum. Die Grundschule müsste in diesem Fall an den Willakedamm umziehen. (die tageszeitung, 14.09.2000, S. 21) → eine Verlagerung … oder die Zusammenfassung …  



Das Substantiv Alternative als Bestandteil eines Hyperprädikats kennen wir schon aus Beleg (1) als Einleiter und Ankündiger einer Formulierung für die Alternative-Relation. In anderer syntaktischer Funktion und Position als dort, nämlich isoliert und syntaktisch desintegriert wie ein Konjunktor zwischen den beiden Konnekten stehend, kann es daneben auch selbst als zu oder alternatives Ausdrucksmittel für diese Relation dienen (25), sich gewissermaßen auf dem Weg befinden, selbst ein Konnektor zu werden, wie ja auch in der Vergangenheit Konnektoren aus dem Nominalwortschatz geschöpft wurden – all das Aspekte eines Phänomens, das sich ja auch bei anderen Klassen findet.

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(25a)

Strenge ist jedoch ein Rätsel, wie der Rückzug vollzogen werden könnte: „Dann müßte ja eigentlich das Gelände an Hertie zurückgegeben werden.“ Alternative: B & L bietet das Grundstück zum Kauf an. (die tageszeitung, 14.05.1993, S. 21) Jetzt erscheinen die Musiker. Sie spielen „Totenmarsch, Trauermarsch oder Trauerchoral“. Alternative: „Soweit nur Trommler zur Verfügung stehen, schlagen diese einen rhythmischen Wirbel.“ (die tageszeitung, 14.05.1993, S. 3)  

(25b)



(Häufig steht hier das eigentliche externe Konnekt nicht direkt vor dem KonnektorKandidaten, sondern distant weiter vorn). Ein Substitutionstest ergibt die semantische und syntaktische Gleichheit mit oder, das ganz ohne sonstige Veränderung dafür eingesetzt werden kann. Wieder finden sich auch Wörter anderer Hauptwortarten in vergleichbarer Funktion, und wieder ist das in benachbarten Sprachen ähnlich. Im Englischen nennen z. B. Halliday/Hasan (1976: 249) das Adverb alternatively neben or und or else als Beispiel für die alternative „conjunctive relation“. Im Deutschen sind Ausdrücke wie das Adverb wahlweise (oft mit … auch) in gewissen Fällen und mit den notwendigen syntaktischen Anpassungen durch oder substituierbar, etwa in (26a) (statt wahlweise besteht auch die Möglichkeit zu kann man mit gleicher Bedeutung auch oder man kann formulieren) und (26b) (Hier braucht nach Ersetzung von wahlweise durch oder nur das folgende Verb hinter sein Subjekt verschoben zu werden; auch hier ist das eigentliche externe Konnekt – der hier gerahmte berichtete direktive Sprechakt – in einigem Abstand davor platziert).  

(26a)

Im Anschluss daran ist durchgehend bis 23 Uhr stille Anbetung. Wahlweise besteht im Anschluss an die Eucharistiefeier auch die Möglichkeit , um 20.45 Uhr im Pfarrsaal an einer Pascha-Feier teil zu nehmen […]. (St. Galler Tagblatt, 29.03.1999, o. S.) Beim Parkgang am 14. Februar hielt ein Radfahrer neben mir an und verlangte die Übergabe meiner Tasche . Ohne deren Inhalt zu kennen, behauptete er, sie enthalte Tierfutter. Offensichtlich handelte es sich um einen Parkangestellten. Er sagte, ich könnte die Tasche später am Ausgang Fernsehturm wieder in Empfang nehmen. Wahlweise hätte ich den Park sofort zu verlassen. (Mannheimer Morgen, 01.03.2007, o. S.)  





(26b)







Andererseits kann wahlweise auch alternativ zu entweder stehen und kataphorisch ein explizit folgendes oder ankündigen bzw. erwarten lassen: (27)

Die Bad Kreuznacher […] schafften es […] nicht, in Führung zu gehen. Wahlweise waren das Torgestänge oder HSV-Keeper Karsten Herz im Weg, oder der HGC war durch Zeitstrafen geschwächt. (Rhein-Zeitung, 03.12.2007, o. S.)  

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Vor allem in Logiklehrbüchern findet man des Weiteren zur Umschreibung der Disjunktion Formulierungen wie Nicht beides, p und q. Nur eines von beiden gilt: p oder q. p schließt q aus. Es bleibt offen, ob p oder q oder beides der Fall ist. (vgl. a. von Polenz 1985: 270). Und auch die Interpunktion kommt hier ins Spiel: Gewisse Satzzeichen können ebenfalls die in Rede stehende Relation signalisieren. Graphisch lässt sich ‚oder‘, ‚bzw.‘ etc. z. B. durch den Schrägstrich „/“ darstellen, gewissermaßen als drucktechnische Abkürzung, als Notationsvariante für das Wort. Die Bedeutung dieses Satzzeichens ist aber nur wenig eindeutig. So stellen Ortner/Ortner (1984: 299 Fn. 350) fest, dass gewisse Schrägstriche die „Konjunktionen“ oder und bzw., aber auch und im Satz „vertreten“. Gallmann (1985: 296; vgl. a. passim) schreibt, dass der Schrägstrich „in neuerer Zeit immer häufiger als Ideogramm verwendet [wird], das durch die alphabetisch geschriebenen Partikeln ‚und‘, ‚oder‘ und ‚bzw.‘ ersetzt werden kann“; dieser Gebrauch sei allerdings „noch nicht normiert“. Eine Interpretation des Schrägstriches, hier speziell in und/oder als „Meta-Oder“, erwägt auch Lang (1982: 94). Das heißt auch, und/oder wäre exakterweise als „und oder oder“ zu lesen; meist kürzt man aber beim Lesen zu „undoder“ ab, quasi mit asyndetisch unausgedrückter Alternativbeziehung zwischen dem und und dem oder. Damit hätten wir im weitesten Sinn sprachliche Zeichen genannt, die die Funktion haben, die Alternative-Relation zu signalisieren. Auch asyndetischer Ausdruck der Alternative-Relation ist prinzipiell möglich, aber nur unter sehr restriktiven Bedingungen. Diese sollen hier – da nicht eigentliches Thema dieses Handbuchs – nur angedeutet werden, sie müssen Gegenstand künftiger Darstellungen bleiben. Wir gehen darauf nur so weit ein, wie für die Beschreibung des syndetischen Ausdrucks der Alternative-Relation durch disjunktive Konnektoren ein Mehrwert generiert wird. Notwendig ist sicherlich eine Fallunterscheidung hinsichtlich der Typen von Konnekten, was ihren Satzmodus i. S. v. HDK-1 angeht. Konnektorlos aufeinanderfolgende Paare von Konstativsätzen im Sinne des HDK1 (vgl. etwa 224) sollten nicht so verstanden werden können, dass zwischen ihnen eine Alternative-Relation besteht. Die GDS formuliert diese Sachlage allgemein: demnach „kann im Aussage-Modus ein alternatives Verhältnis im Gegensatz zu einem additiven nicht durch reine Juxtaposition ausgedrückt werden; wenigstens vor dem letzten Konjunkt muß ein Konjunktor erscheinen“ (2423). Als Universale ist das eine viel zu weitreichende Behauptung. In anderen Sprachen und auch in älteren Sprachstufen geht das wohl, da ihnen z. T. sogar ein Lexem für ‚oder‘ fehlt, sie die Relation aber asyndetisch durchaus übermitteln können (vgl. fürs Dyirbal Dixon 1972: 361, 363– 364). Aber für das Deutsche scheint die Verallgemeinerung zuzutreffen und ist auch erklärbar. Zwei einfach juxtaponierte Konstativsätze haben als Default-Interpretation die, dass sie beide faktisch durch eine additive ‚und‘-Relation miteinander verbunden sind (vgl. (28a) und (28b)); vielfach sind auch spezifischere Weiterinterpretationen bzw. semantische Anreicherungen von und impliziert, vgl. kausal zu verste 









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hendes (‚daher‘) (28c)). Das aber widerspricht einem Status als mögliche Alternativen. Anders als mit Oder q lässt sich die zunächst vorhandene Faktizität eines ersten Konstativsatzes nicht einfach durch einen asyndetisch angeschlossenen zweiten nachträglich aufheben. Ist den Sprachteilhabern schon von ihrem Sachwissen her bekannt, dass die von asyndetisch hintereinandergestellten Konstativsätzen denotierten Sachverhalte in einem Alternative-Verhältnis zueinander stehen, sich gar gegenseitig ausschließen, scheidet also eine ‚und‘-Lesart aus, so sollte man annehmen, dass die Relation zwischen den Sätzen eben als eine verstanden wird, die auch mit einem disjunktiven Konnektor explizit gemacht werden könnte. Tatsächlich aber werden diese Satzfolgen meist – wenn es nicht doch noch gelingt, einen Kontext konstruieren, in denen beide Aussagen wahr sein können (vgl. (28d)), was dann aber wieder zu einer Interpretation mit einer faktischen Relation führt – eher als widersprüchlich gelesen oder als Unsinn empfunden (28e). (28a) (28b) (28c) (28d) (28e)

Der Knull hat geprempelt. Das Fipi hat geurzt. Es regnet. Es ist neblig. / Es regnet. Es hagelt (sogar?). Es regnet. Die Straße ist nass. / Es gibt nichts mehr zu tun. Ich komme früher nach Hause. Es regnet. Die Sonne scheint. (‚und gleichzeitig‘) (eine ja durchaus mögliche Wetterlage) Ich habe eine 5 in der gestrigen Mathe-Arbeit. Ich habe eine 1 in der gestrigen Mathe-Arbeit.

Unter welchen Bedingungen dann doch Alternative-Interpretationen asyndetisch aneinandergereihter Konstativsätze – wie im folgenden Fall eines „Selbstgesprächs“ – möglich sind, ist derzeit unklar: (29)

Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht, …

Der weitere Kontext allerdings kann auch im Deutschen diese „Regel“ trivialerweise aufheben, wenn nämlich im Satz vorher explizit angekündigt (30a) oder in einem Folgesatz nachträglich eigens darauf hingewiesen wird (30b), dass die asyndetisch gereihten Sätze Alternativen benennen oder dass es sich um eine offene Beispielliste handelt. (30a)

Es bestehen folgende Alternativen/Es gibt zwei/mehrere Alternativen/Möglichkeiten : Wir gewinnen. Wir verlieren. … (30b1) Wo ich hingehe? Mal sehen: ins Kino, zum Boxkampf, …; irgendwas wird mir schon einfallen . (30b2) Wie ist denn das Wetter bei Euch im Moment? Es regnet, die Sonne scheint, es ist kalt, es ist warm, was weiß denn ich . (30b3) Es regnet, es regnet nicht – wen kümmert das schon ?  







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Außerdem kann ein asyndetisch einem anderen nachgeschobener Konstativsatz mit entsprechender Betonung, Sprechtempo etc. in der gesprochenen Sprache in der Korrektur-Bedeutung gelesen werden, die ja auch eine – wenn auch nicht die zentrale, klassenbestimmende – Funktion der alternativebasierten Konnektoren ist. Das ist also kein Widerspruch zu der allgemeinen Aussage der GDS, die ja auf die AlternativeRelation zielte. Tatsächlich aber können andere asyndetisch juxtaponierte Satzpaare (und NichtSatz-Konnekte), genauer: ihrer Denotata, unter gewissen Bedingungen, wenn auch nicht generell, als in einem Alternative-Verhältnis zueinander stehend interpretiert werden. Diese Relation zwischen den denotierten propositionalen Strukturen kann dann durch einen alternativebasierten Konnektor explizit gemacht werden. Das gilt insbesondere für Folgen von Sätzen mit einem Satzmodus, dessen Default-Lesart ‚nonfaktisch‘ ist, also für modalisierte Deklarativsätze und Fragesätze. Wird durch eines der in A4.2.2 genannten Mittel und Methoden unverkennbar die Faktizität weggenommen, kann per Implikation auf eine Relationen aus den Klassen von Konnektoren, die zwei nonfaktische Konnekte haben, geschlossen werden, von denen es nur zwei gibt, nämlich die konditionalen und die alternativebasierten. Bei Aufforderungen kommt Faktivität gar nicht erst ins Spiel, kann also Faktizität einer disjunktiven Interpretation nicht in die Quere kommen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Alternative-Interpretation von Asyndese auch innerhalb von Konstativsätzen bei Einheiten unterhalb der Satzebene möglich ist, so bei Numeralia und Adjektive zu einem gemeinsamen Bezugsnomen, da ja auch bei Satzteilen (drei, vier Mal …) die Kategorie Faktivitätswert erst gar nicht ins Spiel kommt. Wie Döhmann (1974: 41/42; ganz ähnlich schon 1966: 407) bemerkte: „Die Disjunktion kann ganz unbezeichnet bleiben, wie man auch im Deutschen (umgangssprachlich) sagen kann ‚sieben acht Stück‘ für ‚7 oder 8 Stück‘.“ Auch hier wieder gilt, dass, da sich die Zahlenwerte bei Bezug auf dieselbe Größe (Ich hätte gern sieben acht Stück Kuchen) gegenseitig ausschließen, keine Interpretation z. B. als ‚und‘ in Betracht gezogen werden kann. Diese Art der Aufzählung von einander ausschließenden Zahlen ohne zwischengeschobene alternative Konjunktion scheint geradezu universal zu sein. Allerdings ist die Interpretation auch dieser asyndetischen Fälle oft nicht eindeutig, worauf schon Eisenberg (2004: 511) hinweist: „Bei Koordination [von mehreren attributiven Adjektiven] wird mit jedem Adjektiv für sich über das vom Substantiv Bezeichnete prädiziert. Zwischen den so entstehenden Propositionen können ganz unterschiedliche semantische Beziehungen bestehen. Es finden sich folglich neben und auch andere koordinierende Konjunktionen, z. B.: ein schöner, teurer Teppich vs. ein schöner aber teurer Teppich; nicht verschnittener, reiner Alkohol vs. nicht verschnittener, sondern reiner Alkohol. In anderen Fällen ergibt sich das semantische Verhältnis nicht aus der Bedeutung der Adjektive allein, sondern es muss lexikalisiert sein, z. B. ein grüner oder gelber Pullover vs. *ein grüner, gelber Pullover.“ In geeigneten Kontexten scheint aber auch bei asyndetisch kombinierten Farbadjektiven die Unmöglichkeit einer Alternative-Lesart nicht  





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so streng, wie Eisenberg unterstellt. So ist folgender Beleg (31a) sicherlich mit einer Alternative-Relation zwischen den Kennzeichnungsfarben zu lesen, und in (31b) lässt sich bedeutungsbewahrend das oder weglassen. Sicher ist die ‚oder‘-Interpretation eine der möglichen in Fällen von Listen, wenn und soweit sie als offenen Beispiellisten interpretiert werden (können) (31c) – wo allerdings wegen des Existenzquantors genauso gut ‚und‘ stehen könnte: (31a)

Die vieldiskutierte Ampel-Kennzeichnung mit rot, gelb, grün wird demnach nicht in der EU verpflichtend eingeführt. (Mannheimer Morgen, 15.03.2010, S. 4) Die Spieler bekommen jeweils 15 Zylinderhüte einer Farbe (die Hüte sind mit einem roten, gelben oder blauen Punkt beklebt). (Kleine Zeitung, 06.04.1997, o. S.) Das ist sie wieder, die perfekte Zeit für den Kapuzenpulli. Und das Beste ist: Es gibt ganz viele verschiedene. Grüne, blaue, gelbe, rote, pinke, graue , mit Schrift, ohne Schrift, mit Bändern, ohne Bänder… (Braunschweiger Zeitung, 13.06.2007, o. S.)  

(31b)



(31c)





C3.2 Semantische Charakterisierung der disjunktiven Konnektoren 3.2.1 Die Alternative-Relation als Grundlage der Bedeutungsbestimmung der disjunktiven Konnektoren; semantische Merkmale Den alternativebasierten Konnektoren liegt, wie ihre Bezeichnung schon sagt, eine Relation der Alternative zwischen den Konnekten zugrunde. Da Alternativen auch bei anderen, z. B. bei Kontrast-Relationen und im Rahmen der „Gemeinsamen Einordnungsinstanz (GEI)“ (vgl. schon A4.3.1.3 sowie zur Anwendung dieses Konzepts auf die additiv basierten Konnektoren C2.1.2) generell bei koordinierenden Konnektoren eine Rolle spielen, muss dies noch im Abgrenzung zu jenen spezifiziert werden. Bei additiven wie bei adversativen oder konzessiven Konnektoren werden beide Alternativen im assertiven Default-Fall als faktisch gegeben behauptet. Als „alternative-basiert“ werden hier demgegenüber Konnektoren bezeichnet, die zwischen zwei oder mehr Konnekten stehen, die mögliche, denkbare, „hypothetisch“ präsentierte Sachverhalte bezeichnen, die von diesen Konnektoren als Alternativen zueinander präsentiert werden: diese Konnektoren signalisieren, dass die Konnektsachverhalte mögliche (potenzielle) Alternativen oder alternative Möglichkeiten zueinander sind (für die Zwecke hier sind beide Ausdrucksweisen äquivalent).  

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C Semantische Konnektorenklassen

Deutlich wird der Möglichkeits-Charakter der Alternativen bei der disjunktiven Klasse, wenn ein reiner Modalisierer (‚es ist möglich dass‘) abwechselnd mit einem disjunktiven Konnektor immer noch dieselbe Relation signalisiert: (32)

ITO kann entweder aufgedruckt oder aufgesputtert werden. Eine weitere Möglichkeit ist das Sol-Gel Tauch-Verfahren, das auf dünnen aber großflächigen Schichten eingesetzt wird. (Indiumzinnoxid, Wikipedia 2005) → oder man kann (auch) das Sol-Gel Tauch-Verfahren verwenden, das …

Auch die Etymologie der Entsprechungen zu oder in anderen Sprachen belegt die Nähe der alternativebasierten Konnektoren zu Modalisierung (‚Möglichkeit‘), vgl. Döhmann (1966: 409; 1974: 51; ausführlicher und mit diversen konkreten Beispielen aus verschiedenen ide. und nicht-ide. Sprachen 44). Bekannt ist, dass lat. vel von einem Wort für ‚wollen‘ (velle) kommt; dasselbe gilt z. B. für finnisch tai (vgl. Fromm 1982). Die Grundbedeutung der alternativebasierten Konnektoren ist also folgende: Oder etc. signalisieren hinsichtlich der möglichen Gegebenheit der beiden Sachverhalte p und q bzw. der Gültigkeit der beiden Sprechakte F1(p) und F2(q), die von ihren Konnekten denotiert werden, dass der Sprecher zwei Fälle für möglich hält:  

h)

Es kann sein, dass der Sachverhalt p der Fall, die Aussage p also wahr ist (wahrheitsfunktionale Fassung bzgl. assertiver p und q) oder dass (übertragen auf nicht wahrheits-orientierte Sprechakttypen) F1(p) gilt, z. B. p getan werden soll (Implikation: und q bzw. F2(q) jeweils nicht); und es ist möglich, dass q der Fall bzw. q wahr resp. dass F2(q) gültig ist (Implikation: und p bzw. F1(p) nicht).  

i)

Ob dann auch beide gemeinsam der Fall sein können oder nicht; und ob es auch sein kann, dass beide Sachverhalte nicht der Fall sind oder nicht, darüber wird mit einer alternativebasierten Verknüpfung im ganz allgemeinen Fall nichts ausgesagt, ebensowenig wie über das Gelten beider Konnekt-Sprechakte oder keines von beiden. Bei den (positiv) additiven (C2.1) und adversativen (C2.3) sowie auch bei den negativ-additiven (C2.2.3), korrektiven (C2.2.4) und substitutiven Konnektoren (C2.2.5) hingegen (und auch noch bei weiteren) wird ausschließlich einer der vier kombinatorisch möglichen Fälle aus p/nicht p und q/nicht q erwogen – bei den additiven z. B. nur der Fall ‚Es kann sein, dass p und q der Fall sind‘, m. a. W. die Bedeutung dieser Konnektoren ist etwa ‚Es kann nur sein …‘, wodurch die Modalisierung im obigen Sinn letztlich wegfällt: p und q werden eben als der Fall seiend postuliert, dito bei weder (…) noch nicht-p und nicht-q, etc. Wieder anders bei den konditionalen, die wie die disjunktiven durch die Zulassung zweier Fälle charakterisiert sind, aber komplementär zu jenen durch Akzeptanz gerade der beiden anderen, dass ‚p und q‘ für möglich erklärt wird und auch ‚nicht p  







C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

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und nicht q‘, während über die beiden affirmativ/negativ gemischten Fälle – die für die disjunktiven die maßgeblichen sind – im allgemeinen gerade nichts ausgesagt wird. Erst bei der Spezifizierung zu einer hinreichenden Bedingung wird der Fall „p, aber nicht q“ gerade ausgeschlossen, bei der notwendigen Bedingung genau der umgekehrte. Ein diesem ähnlicher Versuch, den Definiens-Begriff der Alternative zu schärfen, findet sich in der Literatur häufig: Es wird nämlich das „umgangs-“ oder „natürlichsprachliche“ oder mit einem (oder vielmehr: mehreren) Junktor(en) der Aussagenlogik gleichgesetzt. (Vgl. nur etwa von Polenz (1985: 270): „Disjunktive Verknüpfungen […] entsprechen der ‚Disjunktion‘ bzw. ‚Kontravalenz‘ der Logik“; oder Heidolph et al. 1981: 701. Auch HDK-1: 287 rechnet entweder (…) oder und oder zu den „Konnektoren, deren Bedeutung auf eine Wahrheitsfunktion zurückgeführt werden kann“.) Die beiden o. g. zulässigen Fälle entsprechen denen, die den verschiedenen Arten der logischen Disjunktion gemeinsam sind. Aber: Von den disjunktiven (und auch den anderen aussagenlogischen) Junktoren unterscheiden sich die normalsprachlichen alternativebasierten Konnektoren in mehreren wesentlichen Hinsichten, wie Sprachphilosophie und Linguistik seit einem halben Jahrhundert nicht müde werden nachzuweisen und worauf auch in jüngerer Zeit z. B. Mauri (2008: 24, mit weiterer Literatur) nochmals hinweist. Wir verzichten hier um der leichteren Verstehbarkeit auch für in der Logik nicht so Bewanderte willen auf allzu viel logischen Symbolismus, arbeiten aber die inhaltlichen Erkenntnisse, die sich aus der Kontrastierung von Junktoren und Konnektoren ergeben, ein und machen an der passenden Stelle auch auf wesentliche Unterschiede aufmerksam. Psycholinguistische Untersuchungen zur Interpretation der Negation von u. a. mittels alternativebasierten Konnektoren verbundenen Sätzen durch „normale Sprecher“, deren Ergebnisse gegen die Angemessenheit jedes schlichten wahrheitsfunktional fundierten Ansatzes bzgl. dieser Konnektoren sprechen, finden sich bei Fillenbaum (1977); vergleichbares auch bei Noveck et al. (2002). Wie generell koordinierende Verknüpfungen (und nicht nur sie) brauchen auch die mit alternativebasierten Konnektoren zu ihrer Interpretation eine „Gemeinsame Einordnungsinstanz“ („common integrator“, „CI“) (vgl. Lang 1977/1984, sowie auch ders. 1991: 600, 605 und 607). Diese GEI trägt einerseits zur semantischen Interpretation der koordinierten Struktur bei – kompositionell aus Konnektor-Bedeutung, Konnekt-Bedeutungen und Kontext-Rahmen –, indem sie den Rahmen für das Herausfinden der gemeinten Relation zwischen den Konnekt-Sachverhalten vorgibt, andererseits ist die Möglichkeit ihrer Konstruktion aus den Konnekt-Bedeutungen eine Voraussetzung für die Akzeptabilität der Verknüpfung (vgl. Lang 1991: 607). Die GEI ist ein übergeordneter Gesichtspunkt, der gemeinsame Nenner der Konnekt-Sachverhalte, die unter diesem Aspekt gemeinsame Merkmale haben (also alle in eine nachvollziehbare Übergruppe gehören) und zugleich in mindestens einem Merkmal verschieden sein müssen und insofern eben potenzielle Alternativen zueinander sind.  









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C Semantische Konnektorenklassen

Ähnlich weist Mauri (2008: 25/26, vgl. dort näheres mit weiterer Literatur) darauf hin, dass zwei Sachverhalte, um Alternativen zueinander sein zu können, einerseits einen „common denominator with respect to which they stand in a paradigmatic relation“ haben müssen, andererseits nicht kookkurieren dürfen bzw. in einem gewissen Kontrast stehen müssen; so können mehr oder minder synonyme Sätze nicht in einer ‚oder‘-Relation zueinander stehen. (33a)

?Heute Abend gehe ich nicht aus oder bleibe zu Hause

Dieser Satz ist sinnlos; die Konnekte verlangen etwas wie sondern; bzw. das oder verlangt eine Alternative. (Auch eine metakommunikative Interpretation – vgl. C.5.6.2 – liegt hier nicht gerade nahe.) Umgekehrt ergibt eine Satzverknüpfung wie  

(33b)

?Löwen sind Großkatzen oder morgen ist Neumond.

wegen einer nicht rekonstruierbaren GEI keinen Sinn bzw. ist wegen einer fehlenden GEI semantisch nicht wohlgeformt. Exkurs: Zu Fällen der Abweichung von der Forderung nach dem Vorhandensein einer Gemeinsamen Einordnungsinstanz Auch typische Beispiele aus Logiklehrerbüchern, in denen die Konnekte keine GEI verbindet, der Art 2+2=4 oder der Papst ist eine Frau, sind sprachsystematisch als abweichend zu kennzeichnen. Das gilt wie immer nur kontextentbunden, gewissermaßen in einem neutralen Setting. In aller Regel ist der Hörer bei solchen Äußerungen, wenn sie in der kommunikativen Praxis vorkommen, bemüht, einen passenden Kontext und damit doch eine GEI zu konstruieren, damit die Satzfolge kohärent wird (vgl. ebenso in C2.1.3) – bzw. umgekehrt will der Sprecher mit einer solchen Äußerung gerade auf die Widersinnigkeit und Zusammenhanglosigkeit einer anderen Äußerung oder eines anderen Gedankens aufmerksam machen, indem er unterstellt, dass jener dieselbe Struktur hat; oder die Äußerungen dienen unter Ausnutzung pragmatischer Prinzipien – nicht zuletzt, weil das zweite Konnekt eine sehr unwahrscheinliche Möglichkeiten darstellt – zur Betonung des Nachdrucks einer Vermutung (der Behauptungskraft) oder der Stärke eines Schlusses, zur Unterstreichung der Intensität eines Wunsches (Mauri 2008: 26) oder zur Erhöhung des Sicherheitsgrads z. B. einer Prognose im ersten Konnekt. Es liegt streng genommen keine Alternative vor, sondern die Alternative-Struktur wird ausgenutzt; hierher gehören auch Wettangebote (b). Ganz analoges findet sich bei den konditionalen (wenn das so ist, fresse ich einen Besen/heiße ich Kasimir), vgl. C4.1.  

(a) (b)

Da läuft Geopolitik oder ich fresse einen Besen samt Putzfrau. (juergenelsaesser.wordpress.com/2011/04/24/misrata-das-neue-srebrenica/, 01.06.2012) Wenn er nicht gerade Z bekommt wird das die nächste Runde oder ich fresse einen Besen. Top die Wette gilt! (www.fragster.de/cmy/match/26477/, 01.06.2012)

Damit haben diese Fälle aber auf die semantische Beschreibung der Alternative-Relation und ihres Ausdrucks durch die entsprechenden Konnektoren keinen Einfluss, denn es handelt sich um das Ausnutzen anderer, übergeordneter Prinzipien.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

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Da die Alternative-Beziehung eine symmetrische Verknüpfung ist (vgl. HDK-1: 287), gibt es wie bei Relationen dieser Art generell keine unterschiedlichen Argumentrollen und damit auch keine unterschiedlichen Bezeichnungen für die semantischen Rollen; wir sprechen einfach bei beiden (bzw. allen dreien oder mehreren) von (möglichen) Alternativen. Soweit der disjunktive Konnektor tatsächlich eine Alternative-Relation signalisiert, ist dann auch die Abfolge der Konnekte – von Aspekten wie Fokus und textuellem Bezug abgesehen – gleichgültig. Die drei aussagenlogische Junktoren der „disjunktiven“ Gruppe (Adjunktion, Kontravalenz und Exklusion) sowie die Tautologie, die gemäß obiger Bestimmung als Analoga zur wahrheitsfunktionalen Bedeutung der Klasse der alternativebasierten Konnektoren in Frage kommen – prinzipiell mit den Konnektoren „gemeint“ sein können –, sind alle ebenfalls symmetrisch. Die Kernbedeutung der alternativebasierten Konnektoren lässt sich somit wie folgt grafisch darstellen.

Abb. C3-1: Zuordnung von rollensemantischer und syntaktischer Struktur bei alternativebasierten Konnektoren mit zwei Konnekten

Der einfachen Übersicht halber ist diese Darstellung zunächst auf den Fall n = 2 reduziert. Tatsächlich kann die Alternative-Relation beliebig viele Argumente annehmen. Eine Erweiterung des Schemas, etwa entlang dem Prinzip Alternative – Alternative – Alternative – … bringt aber hier auch keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn, sondern mindert nur die Übersichtlichkeit. Eine andere Bedeutungsbestimmung für die disjunktiven Konnektoren ist verbreitet, die über ein Kriterium „Wahl“. So spezifiziert, um nur ein Beispiel zu nennen, Buscha (1989: 50) die Tatsache, dass beziehungsweise alternative Bedeutung hat, mit der Charakteristik, dass es angibt, „daß das in den beiden Teilen Benannte zur Wahl gestellt wird“. Bestimmungen dieser Art finden sich für die disjunktiven Konnektoren generell so häufig, dass wir begründen müssen, warum wir sie nicht für adäquat halten.

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C Semantische Konnektorenklassen

Exkurs: Zur Zurückweisung des Kriteriums „Wahl“ oder „Entscheidung“ als grundlegend für die Bedeutungsbeschreibung der disjunktiven Konnektoren Eine Bestimmung der Grundbedeutung der Konnektoren der disjunktiven Klasse mittels des Kriteriums Wahl kann „sich auf eine lange Tradition berufen“ (Marillier 2005: 6/7) und ist bis heute in der einschlägigen Literatur weit verbreitet, wird vielfach als wichtiges und grundlegendes Bedeutungsmerkmal präsentiert. Das reicht mindestens von Blatz (1900), Sütterlin (1907: 381) und Behaghel (1928) über Döhmann (1966: 415) und diverse Wörterbücher sowie Grammatiken (auch noch die neueste Auflage der DudenGrammatik (82009: 622) bestimmt die alternativen Konjunktionen als „zur Wahl stellende“) bis hin zur Standardliteratur der Konnektorenforschung, vgl. etwa Lang (1977: 178) oder Buscha (1989: 94 bzgl. oder, fast identisch 72 bzgl. entweder (…) oder und 49/50 bzgl. beziehungsweise). Bei der Unterstellung, der Sprecher würde mit oder die Alternativen „zur Wahl stellen“, geht es meist um die „Zulassung“ einer Wahl zwischen den verknüpften Alternativen (zwischen denen vom Adressaten gewählt werden kann oder soll). Lang allerdings verschärft das zu der These, die Bedeutung von oder enthalte die Anweisung, zwischen den von den Konnekten repräsentierten alternativen Sachverhalten zu wählen, und auch andernorts ist die Rede davon, dass der Adressat zu einer Entscheidung zwischen den Alternativen aufgefordert wird (vgl. etwa DUW: 1094). 1991 nennt Lang (614) das „Auswählen unter bzw. Entscheiden über Alternativen“ als eine Komponente der Bedeutungen der koordinierenden Konjunktionen, „die auf unverträglichen Konjunkten operieren“; diese involvieren ein „Auswählen unter den Konjunkten“ (619). „Die Annahme einer semantischen Komponente CHOICE für die […] kognitive Elementaroperation des Auswählens oder Entscheidens macht es möglich, die Bedeutung von oder als Wahl unter verträglichen, die von entweder – oder als Wahl unter unverträglichen Konjunkten zu beschreiben“ (ebd. 620). Marillier (2005: 7) vermutet, die „Wahl“-Interpretation erkläre sich „vielleicht zum Teil durch die Herkunft gewisser äquivalentiver [sic] Konjunktionen in den indoeuropäischen Sprachen“ und verweist auf Döhmann (1966). Etymologische Argumente aus verschiedenen Sprachen für die Existenz eines Bedeutungsaspekts „Wahl“ finden sich z. B. auch bei Döhmann (1974: 44). Diese Argumente stammen aber aus anderen indoeuropäischen Sprachen und lassen sich – soweit sie überhaupt für jene schlüssig sind – jedenfalls aufs Deutsche nicht übertragen. Die Belege zeigen demgegenüber: Die Alternative kann in vielen Fällen offen bleiben, nicht die Wahl ist das entscheidende, sondern überhaupt die Benennung der möglichen Alternativen. Eine „Wahl“ steht – sowohl in der Bedeutung „dem Adressaten die Wahl anheimstellen“ als auch in der schärferen „ihn vor die Wahl stellen, ihn zur Wahl auffordern“ – in sehr vielen Fällen überhaupt nicht aktuell oder konkret, oft nicht einmal potenziell zur Debatte, kann also jedenfalls kein allgemeines Bestimmungskriterium für die Bedeutung der disjunktiven Konnektoren sein. Mehr noch: in oder-Konstruktionen steckt keineswegs zwingend die Aussage, dass [der Sprecher will, dass der Hörer glaubt, dass] mindestens eine der genannten Möglichkeiten tatsächlich der Fall ist, viel mehr kann es sich um nur exemplarische Möglichkeiten handeln, von denen auch gar keine der Fall sein kann, so dass eine Wahl zwischen ihnen ins Leere ginge. Umgekehrt lässt gerade die „inklusive“ Form der Alternative auch die Möglichkeit zu, dass beide Konnektsachverhalte der Fall sind, womit sich eine Wahl zwischen ihnen erübrigt. Auch die neuere Forschungsliteratur zur Alternative-Relation bzw. zur Bedeutung von oder ist der Meinung, dass bei der sprachlichen Enkodierung dieser Relation nicht in allen Fällen „a need or request for a choice“ zwischen den Alternativen besteht, sondern diese vielfach schlicht und einfach als Alternativen präsentiert werden und nur zusätzliche Formeln (welcher denn jetzt?) das Wahlbedürfnis hervorrufen, so Mauri (2008: 26) mit Dik (1968: 276), und vglb. auch schon Marillier (2005: 7). Nur in bestimmten Spezialfällen wird dem Hörer eine Entscheidung abgenötigt oder zumindest nahegelegt; dies muss explizit deutlich gemacht werden, wie in folgendem Fall, wo eine solche Entscheidungsverpflichtung berichtet wird:  

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(34)

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Im Verhältnis zum Parlament erfuhren die bisherigen Prärogativen des Präsidenten ebenfalls eine Einschränkung. Diese Veränderungen lassen sich etwa daran ablesen, daß […] der Präsident […] sich bei Einwänden gegen Gesetzesvorhaben zwischen dem Veto oder dem Gang vor das Verfassungsgericht entscheiden muß, also nicht mehr beide Wege beschreiten kann. (Frankfurter Allgemeine, 24.05.1997, o. S.)  

Als Formulierung eines Spezialfalls ist die Angabe „Wahl“ auch für disjunktive Verwendungen der alternativebasierten Konnektoren im assertiven Fall durchaus brauchbar, sind doch Wahl-Kontexte hier tatsächlich typisch (schon z. B. in (4) ist explizit von einer Wahl die Rede). So handhabt es etwa von Polenz (1985: 270) mit seinen Umschreibungen „zur Wahl stellen“ vs. „die Entscheidung offenlassen“. Und Haspelmath (2007: 25) betrachtet beide Fälle – Disjunktion mit und ohne Wahl – folgerichtig unter sprachtypologischem Gesichtspunkt als semantische – sprachuniversale (26)! – Subtypen der Disjunktion, und zwar sogar als die wichtigsten, bezieht sie aber spezifisch auf die Sprechakttypen Aussage vs. Entscheidungsfrage (alternative bzw. disjunktive Frage): Bei der Standard-Disjunktion (schon von der Bezeichnung her der neutrale Normalfall) ist die Wahl zwischen den Alternativen irrelevant, bei der „interrogativen Disjunktion“, wie er sie nennt, dagegen wird eine Wahl benötigt (vgl. a. die Darstellung von Mauri 2008: 27). Die Standard-Disjunktion ist neutral gegenüber Satzart bzw. Sprechakttyp und taucht sowohl in deklarativen wie in interrogativen Sätzen auf (25/26). Ein solcher Unterschied zwischen einer Standard- und einer interrogativen Disjunktion ist offenkundig in vielen Sprachen lexikalisiert (vgl. S. 25/26; Beispiele Chinesisch, Finnisch, Baskisch), aber eben gerade im Deutschen nicht. Mit diesen Erwähnungen im Sinn sind dann auch Umschreibungen wie die von Engel (31996 (= 1988): 740) durchaus akzeptabel: „disjunktive Konjunktoren“ „signalisieren Alternativen oder Wahlmöglichkeiten“; oder die Bestimmung des WDG, oder „dient zur Verknüpfung von Alternativen, die eine Wahl zwischen ihnen zulassen“ (41981: 2690). In Aussagen wird der Hörer also über mögliche Alternativen informiert und nur in speziellen Fällen vor eine Wahl gestellt. Anders in Alternativfragen, wo eine und nur eine der beiden angebotenen, einander ausschließenden Propositionen als Antwort erwünscht ist bzw. der Adressat aufgerufen ist oder gebeten wird (so die illokutionäre Rolle), eine der Alternativen als seine Antwort auszuwählen. Hier resultiert das aber aus der Frageform, kommt vom Sprechakttyp dazu, nicht schon vom Konnektor her, wie natürlich in expliziten Aufforderungen, zwischen Alternativen zu wählen: etwa Beispiel (91)(b) Sei Herr oder Knecht, aber entscheide dich (für eins von beiden)! Eine Wahl, eine Entscheidung – und zwar schon vom Sprecher selbst – findet auch dann durchaus statt, wenn der disjunktive Konnektor in seiner ‚Ersatz‘-Lesart verwendet wird, aber dieser Fall ist gerade nicht der, den die alternativebasierte Grundbedeutung repräsentiert. In einer weiteren speziellen Sonderverwendung schließlich findet sich tatsächlich ein obligatorischer Bedeutungsaspekt ‚Wahl‘, nämlich bei der substantivierten Form das Entweder Oder, die – z. B. nach DWB Sp. 647/48 – eine notwendige Wahl zwischen zwei Alternativen denotiert, also insbesondere auch eine exklusive Form der Alternative: Es kann nicht beides der Fall sein oder befolgt werden sollen (höchstens eins der beiden gilt); und umgekehrt ‚es gibt keine weitere Möglichkeit (tertium non datur)‘ (mindestens eines der beiden ist der Fall). Die Belege passen tatsächlich alle auf diese Bedeutungsangabe:  







(35a)



Verkehrsminister Viktor Klima legte Dienstag sowohl zum Semmeringtunnel als auch zur Südostspange anläßlich eines Besuches in Kärnten ein Bekenntnis ab. „Für mich gibt es kein Entweder-Oder, sondern nur ein Und “, sagte er in Villach. (Salzburger Nachrichten, 26.08.1992, o. S.) „Ich würde mir eine klare Linie wünschen, kein Entweder – Oder!“ (Niederösterreichische Nachrichten, 14.04.2011, o. S.)  



(35b)



618

C Semantische Konnektorenklassen

Einige allgemeine Merkmale der disjunktiven Konnektoren und Konstruktionen sollen nun genannt werden. Für die Gesamtaussage p oder/bzw. q. wird Faktizitätsanspruch (im nicht-assertiven Fall I(p oder q): Geltungsanspruch) erhoben, aber die Konnekte der disjunktiven Konnektoren in alternativebasierter Lesart sind im Default-Fall nonfaktisch, werden nur „hypothetisch“ erwogen, auch wenn für diese Interpretation keine weiteren sprachlichen Signale bereitstehen bzw. die Form der Konnekte – etwa als Konstativsätze – sogar dagegen zu sprechen scheint. Es handelt sich eben um mögliche Alternativen. Keiner dieser Einzelsachverhalte wird als definitiv bestehend gekennzeichnet. Oder und die anderen Konnektoren dieser Klasse drücken somit auch Unentschiedenheit des Sprechers bezüglich des – im assertiven Fall – Wahrheits- bzw. – bei Sprechaktbezug – Geltungsanspruchs eines der Konnekte aus. Diese Eigenschaft, in beide Konnekte Nonfaktizität (und entsprechend: Geltungsneutralität) zu induzieren, teilen die disjunktiven Konnektoren mit den konditionalen (und unterscheidet beide von anderen (aussagelogisch basierten) Klassen); vgl. dazu A4.2 und B2.3. Auch etymologisch sind die beiden zentralen Vertreter dieser Klassen verwandt; vgl. zur Etymologie oder < wenn Pfeifer (1997: 943), Lühr (1976). Mit dieser Nonfaktizität ist die Alternative-Relation auch dem Fragesprechakt verwandt; dem entsprechend ist das Wort für oder in vielen Sprachen homonym mit der Fragepartikel (vgl. Döhmann 1966: 410; vgl. a. dt. ob … ob für ‚oder‘). Insbesondere kann mit einer nachgeschobenen Alternativfrage einem Konstativsatz nachträglich die Faktizität weggenommen werden: P. Oder (doch) q? P. Bzw. q? In nicht wenigen Fällen wird in der linearen Sprachproduktion und -rezeption auch schon im ersten Konnekt durch entsprechende Sprachmittel deutlich, dass es nonfaktisch ist, wobei hier neben den in A4.2.2 genannten Ausdrucksmitteln (vgl. (36a-d)) auch entweder bzw. ein damit vergleichbarer kataphorischer „Vorankündiger“ für ein folgendes oder (36e) diese Funktion übernehmen kann. (36a)

Dann hätte das gemeinderätliche Sparmanifest seinen Zweck wohl gründlich verfehlt. Oder etwa nicht? (St. Galler Tagblatt, 02.12.1997, o. S.) New British Art. Wird vermutlich wieder für Aufregung sorgen. Oder auch nicht […]. (Kleine Zeitung, 08.01.2000, o. S.) Fahren wir mit dem Aufzug in den 13. Stock ? […] Oder riskieren wir lieber einen Blick in das Kaleidoskop? (Salzburger Nachrichten, 09.08.1991, o. S.) In Diskussionen […] deutete Hurd […] zwei mögliche Auswege an . Wenn genügend Beweise vorlägen , könne den Beschuldigten die britische Staatsbürgerschaft entzogen werden, woraufhin die Bundesrepublik einen Auslieferungsantrag stellen könne. Oder man könne versuchen, das Parlament zu einer Abänderung des Auslieferungsabkommens mit Israel zu überreden. (die tageszeitung, 04.03.1987, S. 6)  

(36b)



(36c)





(36d)







C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(36e)

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Eigentlich ist auch das Dazwischen Nebensache. Oder doch nicht? Feststeht, dass das Ganze äusserst witzig niedergeschrieben ist. (St. Galler Tagblatt, 12.06.1997, o. S.)  

Wie in den Belegen (1) und (3) schon zu sehen war, weist oft eine sich auf beide Konnekte beziehende gemeinsame Einleitungsformel wie Es gibt verschiedene Möglichkeiten schon vor dem ersten Satz auf die Alternativität der kommenden Sachverhaltsbezeichnungen hin; dadurch wird schon das erste Konnekt „entfaktifiziert“. Wie bei den Konditionalen kommen aber auch Fälle vor, wo ein Konstativsatz ohne eine solche Kennzeichnung durch ein Oder-Konnekt fortgesetzt wird. Das ist sowohl dialogisch (als weiterführender Beitrag des Gesprächspartners) wie auch monologisch nicht gerade selten und besonders eklatant, wo mit einem der alternativebasierten Konnektoren sogar ein neuer Satz begonnen wird (zumindest, soweit es die Interpunktion andeutet). In diesen Fällen wird der Default-Wert des Konstativsatzes – „faktisch“ – durch den disjunktiven Konnektor nachträglich mit dem Wert „nonfaktisch“ überschrieben, also der zunächst sprachlich suggerierte Behauptungsoder Geltungscharakter des ersten Konnekts wieder zurückgenommen. (37a)

Nachfolger für die aktuellen Zivis haben sich noch nicht gemeldet. Bis die Neuen […] ihre Arbeit aufnehmen, macht das Pflegepersonal zwei Monate lang Überstunden. Oder es müssen Aushilfskräfte eingestellt werden, um das gewohnte Angebot für die Heimbewohner aufrecht zu erhalten. Denn die jungen Männer sind nicht das ganze Jahr über da, sondern nur zehn Monate. (Mannheimer Morgen, 15.01.2004, o. S.) Knapp ein Jahr später war das realsozialistische Projekt […] erledigt. Oder etwa nicht? (Frankfurter Rundschau, 07.10.1999, S. 3) Andy Warhol ist nicht gestorben. Oder vielleicht doch? (die tageszeitung, 28.04.1995, S. 23)  

(37b)



(37c)



Hier wird bis Oder das dann erste Konnekt absolut und nicht als eine potenzielle Alternative präsentiert; erst mit der Fortsetzung mit dem Oder-Satz muss der Leser seine Interpretation nachträglich korrigieren. Alternativebasierte Konnektoren kommen in vergleichbaren Fällen auch sogar erst nach einer Absatzgrenze vor: (38a)

„[…]. Der Mythos erzählt sich selbst.“ Oder er wird neu erzählt, zum Beispiel im Medium des Romans „Die Muse“ von Mary Gordon. (die tageszeitung, 25.07.2000, S. 15) Der Assistent liefert sich die obligatorischen Schusswechsel, hechtet gegen geschlossene Türen und überwältigt den Gangster. Der Chef legt ihn im Verhör psychologisch und rhetorisch aufs Kreuz. Beziehungsweise die Chefin legt ihn aufs Kreuz. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 30.11.2006, S. 59)  

(38b)



620

C Semantische Konnektorenklassen

Dazu gehören auch die „tag questions“, bei denen ebenfalls erst nachträglich die Faktizität des vorhergehenden Satzes in Frage gestellt wird: (39)

Dafür haben wir unsere Abgeordneten gewählt, damit sie dauernd etwas beschließen. Oder? (Die Presse, 29.07.1999, o. S.)  

Manchmal wird der Behauptungscharakter des ersten Satzes vom Sprecher sogar noch explizit verstärkt und der Faktizitätsanspruch betont, um eine umso größere Fallhöhe zu der anschließenden Rücknahme herzustellen: (40a)

Star wars findet nur bei Sonnenschein statt – oder wenn nachts wirklich Sterne am Firmament funkeln. (Die Zeit, 28.06.1985, S. 54) Zweifellos hatte er für einige Zeit genug vom Maresciallo – oder sollte auch ihn der kühlende Regen etwas milder gestimmt haben? (Nabb, Tod, S. 197)  

(40b)



Linear in der Sprachproduktion betrachtet handelt es sich also bei Fällen dieser Art stets um eine Revision, sei sie textuell geplant oder eine Folge von PerformanzPhänomenen (Nachklapp, Selbstkorrektur); für die Gesamtkonstruktion gilt immer noch dieselbe Analyse: In dem Textausschnitt P. Oder q. als Ganzem betrachtet sind p und q nonfaktisch. Die Nonfaktizität wird rückwirkend vom Konnektor induziert, so dass weitere Indikatoren nicht vonnöten sind. Bei nachträglichem Oder q. wird die Aussage p durch die Aussage p oder q ersetzt, wobei p nicht mehr explizit wiederholt zu werden braucht. Es gibt aber natürlich wie sonst (vgl. A4.2) auch die Möglichkeit der Verschärfung zu tatsächlich faktischen Konnekten, z. B. bei Aufzählungen beispielhaft berichteter, in der Vergangenheit tatsächlich stattgefundener „historischer“ Ereignisse. Der Sprecher ist sich durchaus sicher, dass die Konnekte wahr sind, und will das auch übermitteln; oder steht aber auch hier zwischen alternativen Situationen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkte oder an verschiedenen Orten stattfanden. Der Faktor „Möglichkeit“ und damit Nonfaktizität, was für die Alternative-Relation wesentlich ist, kommen über den Moment des Exemplarischen ins Spiel. Zwei Belege von vielen:  

(41a)

In seiner 35jährigen Laufbahn sind dem ehemaligen Eisenbahner etliche Kuriositäten widerfahren. Als ihm ein Spieler etwa die Gelbe Karte zerriß. Oder als er unbeabsichtigt niedergeschossen wurde – mit dem Ball, natürlich. Oder als nach einem Spiel die Kabinentür geklemmt hat, kein Mensch mehr am Fußballplatz war und er sich schon auf eine Nächtigung eingestellt hat – bis die Befreiung im letzten Moment gelang und er gerade noch den Zug nach Hause erwischte. (Kleine Zeitung, 12.10.1997, o. S.)  

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(41b)

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Urs Dietrich […] bringt […] ein buntes Kaleidoskop […] auf die Bühne. […] Anfangs und im Schlussteil entfachen Urs Dietrich und Ensemble einen dichter-geht-nicht Bilderbogen. In einer geradezu verschwenderischen Abfolge von Szenen und Szenchen streifen bildschöne NarzistInnen ihr Selbstwertgefühl wie eine Hülle von sich […]. Da persifliert eine Tänzerin mit künstlichen Lolo-Ferrari-Titten und Entenarsch eine TV-Show. Oder es taumelt eine andere kopflos im Lackmantel über die Bühne. Und ein Dritter lässt seinen Kopf bis zum Schwindlig-werden rotieren. (die tageszeitung, 20.05. 2000, S. 23)  

Eine ähnliche Funktion von oder wie die der nachträglichen Streichung der Faktizität ist die als Präsuppositionsfilter analog zu dem, was Max (2004: 106–108) im Anschluss an HDK-1 (158) am Beispiel von konditional basierten Konnektoren (wenn, es sei denn) darstellt. Gewisse Sätze (etwa Bringt doch bitte euren Ehepartner mit) bringen in Isolation gewisse Existenzpräsuppositionen mit sich (hier, dass es definitiv einen solchen Ehepartner gibt). Manche Konnektoren, eben u. a. die disjunktiven, setzen ex post diese Präsuppositionen außer Kraft. Wenn mit ihnen im Text solche Aussagen fortgesetzt werden, z. B. mit … oder habt ihr gar keinen?, bewirkt das die Aufhebung dieser Unterstellung. Diese Fähigkeit zur „Herausfilterung“ von Präsuppositionen unterscheidet Konnektoren, die mit nonfaktischen Konnekten daherkommen, von anderen (z. B. kausalen, aber auch und), die das gleiche nicht zu leisten vermögen. Dasselbe wie bei der ex post-Aufhebung der Faktizität bzw. der Funktion der disjunktiven Konnektoren als Präsuppositionsfilter funktioniert dann auch mit der Geltung von nicht-assertiven Sprechakten, etwa Bitten, die in ihrer verbindlichen Kraft (bei diesen anderen Sprechakten das Analogon zur Faktizität bei den Assertiven) nachträglich wieder aufgehoben werden (Tue x. Oder lieber doch nicht.). Muss in Bringt doch bitte euren Ehepartner mit, oder habt ihr gar keinen? die Frage nach oder wahrheitsgemäß mit Ja beantwortet haben, d. h. existiert kein Partner, hebt diese Tatsache nachträglich die Geltung der Aufforderung auf, da sie ja gar nicht mehr befolgt werden kann. Disjunktive Konnektoren können als Konnekte Sätze von verschiedenen Satzmodi und Sprechakte verschiedenen Typs – sowohl zwei gleichartige als auch zwei unterschiedliche – annehmen. Die Frage der prinzipiellen Wahrheitsfunktionalität von oder ist eine alte Debatte, die wir hier nicht weiter ausbreiten wollen (vgl. etwa Cohen 1979: 416 ff. vs. Gazdar 1979: 71). Oder, bzw. usw. können – anders als die ihnen „entsprechenden“ Junktoren – auch Aufforderungen miteinander verbinden und damit Sprechakttypen, bei denen Wahrheitswerte gar keine Rolle spielen; hier besteht keine Wahrheitswertfunktionalität, sondern Geltungsfunktionalität: Bei Bezug auf die Sprechakte geht es um deren (nicht) zwingende Gültigkeit oder (nur vorbehaltlichen) Vollzug. Analog zur Alternative-Relation auf propositionaler Ebene kann man hier formulieren: Akzeptabel für Sp sind: p ist gültig, wird performiert (und soll z. B. befolgt werden), aber  











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C Semantische Konnektorenklassen

nicht q; umgekehrt: q gilt und wird befolgt, aber nicht p. Ob beide gelten und befolgt werden sollen, bleibt offen. Auch der Fall, dass auch akzeptabel ist, dass keiner der beiden Sprechakte gilt, z. B. befolgt werden soll, ist zwar selten und oft seltsam, aber doch auch möglich: Tu x! Oder tu y! Oder lass halt beides ganz bleiben. Allerdings ist dabei genau zu beachten, auf welche Ebene sich der Konnektor jeweils bezieht, zwischen welchen Größen (Propositionen, Sprechakten usw.) die Alternative-Relation besteht. Oft, wenn auch nicht immer, erweist sich eine scheinbar sprechaktbezogene Alternative-Verwendung von oder als propositionsbezogene (und damit auch wahrheitsfunktionale), indem die illokutionäre Rolle „propositionalisiert“ wird, d. h. von ihrem Vollzug zu ihrem Bericht übergegangen wird. In dem Falle, dass sich der Sprechakttyp der beiden Konnekte nicht unterscheidet, ist das nicht klar zu differenzieren bzw. sind prinzipiell beide Interpretationen möglich: Man kann das oder oft sowohl als Signal für eine Beziehung zwischen zwei illokutionären Rollen analysieren als auch für eine zwischen den Propositionen, die den komplexen propositionalen Gehalt innerhalb eines Sprechaktes bilden. Sind beide Konnekte eines mit seiner alternativebasierten Hauptbedeutung verwendeten Konnektors Deklarativausdrücke (HDK-1: 224), dann besteht die Alternative-Relation naheliegenderweise zwischen den zwei Propositionen innerhalb eines gemeinsamen assertiven Sprechaktes (dessen komplexer propositionaler Gehalt die beiden sind), bezieht sich auf deren Wahrheitswerte; m. a. W. : im assertiven Fall ist die oder-Relation eine sprechakt-interne. Das ist aber isomorph dazu, dass der Sprecher den einen oder den anderen Sprechakt vollzieht, also ASS (p oder q) ↔ ASS (p) oder ASS (q) (Ich behaupte hiermit, dass p oder q ist so gut wie Ich behaupte hiermit, dass p, oder ich behaupte hiermit, dass q, wobei die propositionale Version der – allerdings möglicherweise durch die Aussagenlogik vorgeprägten – Intuition besser entspricht). Dieselben zwei Analysemöglichkeiten bestehen bei zwei durch oder verbundenen direktiven Sprechakten: Versteht man die Relation als zwischen den illokutionären Rollen bestehend und sich auf die Gültigkeit der vollzogenen Sprechakte beziehend, gilt nur einer der beiden, soll nur einer befolgt werden; betrachtet man oder als propositionsbezogen, handelt es sich um eine Aufforderung mit einem komplexen propositionalen Gehalt, der zwei Möglichkeiten beinhaltet, die alternativ zueinander befolgt werden sollen.  





(42)





Gebt uns was dafür! Oder macht Neuwahlen! Oder akzeptiert eine Volksbefragung über den Landeshauptmann! Oder redet wenigstens mit uns! Oder macht sonst etwas! (Die Presse, 20.05.1994, o. S.)  

‚Ich fordere euch auf: Ihr tut p! Oder ich fordere euch auf: Ihr tut q! etc.‘ ist in diesem Fall äquivalent zu ‚Ich fordere euch auf: (Ihr tut p oder q oder …)‘. Auch bei Fragen (vgl. für resp. schon (7a)) gibt es zwei mögliche Interpretationen: die als eine komplexe Alternativfrage oder die als zwei voneinander unabhängige

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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

Fragen. Je nachdem haben wir eine Alternative-Relation, die sich auf die zwei Propositionen innerhalb eines Frage-Sprechaktes bezieht, oder eine additive Relation bezüglich der beiden Sprechakte mit je einem einfachen propositionalen Gehalt (eine und-Beziehung zwischen den illokutionären Rollen). Das gilt auch bei Asyndese wie in (43b): Haben Sie schon alles für einen Sommer im Garten zusammen – Grill, Liegestuhl und bunt blühende Blumen? Oder haben sie sich gar vorgenommen, besser heute als morgen das Wohnzimmer neu zu tapezieren? (Rhein-Zeitung, 22.05.2004, o. S.) Doch warum brechen sie immer wieder ein? Ist es die Kraft? Ist es die Konzentration? (Hamburger Morgenpost, 14.01.2010, S. 36–37)

(43a)



(43b)



P? Oder q? ist also sprechaktbezogen zu analysieren als: F(p) UND F(q) – ‚ Ich frage Dich , ob p, und ich frage dich , ob q‘, äquivalent dazu, aber propositionsbezogen als F(p oder q) „Ich frage dich { ob p oder (ob) q }; in (a) ggf. weiterinterpretiert zu ‚und daher frage ich dich …‘. Wenn die Sprechakttypen der Konnekte unterschiedlich sind, handelt es sich natürlich immer um zwei Sprechakte. Das ist exemplarisch an Belegen wie dem folgenden zu demonstrieren, der für einen weitverbreiteten Typ von Äußerungen steht, die oberflächlich gesehen eine Kombination einer Aufforderung !p mit einer (i. d. R. zukunftsbezogenen) Aussage q enthalten, wobei letztere typischerweise die Androhung einer negativen Konsequenz aus dem Nichtbefolgen von p enthält. (In Duden-Bedeutungswörterbuch (1985: 472/73) ist dies die Bedeutungs-Variante 2.c) von oder: es „leitet einen Satz ein, der enthält, was eintritt, wenn das zuvor Genannte nicht gemacht wird oder nicht eintritt“.)  









(44a) (44b)

Ruhe, oder ich lasse den Saal räumen! (die tageszeitung, 17.08.1990, S. 25) Beim nächsten Mal die Militärs ganz weglassen und nur noch die schnellen Pressekommandos schicken: „Sofort die Waffe fallen lassen! Oder es gibt ein Titelbild auf dem Stern!“ (die tageszeitung, 02.01.1993, S. 22)  



Die oder-Relation besteht aber hier zwischen den Propositionen, es handelt sich nicht um einen Fall von Sprechaktbezug. Die Formulierung in der explizit performativen Fassung macht das deutlich: ≠Ich fordere Sie auf, Ruhe zu geben, oder ich kündige an, den Saal räumen zu lassen wäre keine adäquate Umschreibung der Äußerung. Vielmehr besteht in Fällen wie diesem zwischen den Sprechakten, hier also zwischen der Aufforderung, die dem ersten Konnekt entspricht, und der Drohung, die als Gehalt die komplexe Proposition der ganzen Äußerung hat (etwa [Ich drohe Ihnen:] {Sie geben Ruhe oder ich lasse den Saal räumen} = …, dass ich, wenn Sie nicht Ruhe geben, den Saal räumen lasse) eine und-Beziehung. Das Ganze ist eine Drohung, die Aussage ASS(H vollzieht p oder es geschieht q) (oder auch ASS(wenn nicht p, q)) ist im Modell

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C Semantische Konnektorenklassen

der Illokutionshierarchie ein subsidiärer Sprechakt, die Aufforderung !p dominant, aber beide Sprechakte sind gültig, als vollzogen gemeint. Ein oder-Zusammenhang besteht dagegen auch hier sprechaktintern zwischen den Propositionen, die den komplexen propositionalen Gehalt der Drohung ausmachen, und von denen die eine dem propositionalen Gehalt der Aufforderung entspricht, also der (wahrheitswertfähigen) Aussage, dass die Aufforderung befolgt wurde. (Vgl. so auch schon die illokutionäre Logik von Searle/Vanderveken 1985.) Ein weiterer typischer und häufig vorkommender Fall, wo die Sprechakte – sogar trotz womöglich gleicher Ausdrucksform (Frage) – von gemischter Rolle sind, ist der aus einer Einladung (oder einem anderen Sprechakt aus der Aufforderungsklasse) und der Angabe eines möglichen Ablehnungsgrundes (Gehst du mit essen? Oder hast du schon was vor?). Er ist ganz analog zu analysieren: Die illokutionären Rollen sind trotz des Oder wiederum mit ‚und‘ zu verbinden (‚Ich lade dich ein … und ich frage dich, ob …‘). Die propositionalen Gehalte dagegen sind alternativ zueinander, was aber erst im zweiten Sprechakt zum Tragen kommt, so dass wir erhalten: „{Ich lade dich ein (du gehst mit essen)} und {Ich frage dich ob (du hast schon etwas anderes vor oder du gehst mit essen)}“. Vgl. dazu a. Knott (2001).

3.2.2 Systematische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen Wir gehen jetzt auf systematische Zusammenhänge verschiedener Art der disjunktiven Konnektoren mit anderen Konnektorenklassen ein.

3.2.2.1 Systematische Polysemien bzw. Weiterinterpretation der disjunktiven Konnektoren Neben der zentralen Grundbedeutung, die wir bisher behandelt haben, finden sich auch Lesarten von disjunktiven Konnektoren, die zwar auf der Alternative-Relation beruhen, aber über sie hinausgehen und damit z. T. andere Eigenschaften annehmen. Folgende drei sind die wichtigsten dieser Verwendungsweisen. – Auf der Grundlage gewisser logischer Äquivalenzen fungieren disjunktive Konnektoren wie negativ-konditionale (s. C4.6), so wie umgekehrt genuin negativ-konditionale Konnektoren wie sonst und ander(e)nfalls auch gerne zu den disjunktiven gezählt werden (vgl. etwa von Polenz (1985: 270) oder Fritsche (1982: 72 sowie 88 mit Verweis auf die Duden-Grammatik) sowie auch Jude (131971: 202)). Die Paraphrasierbarkeit von oder und wenn nicht … dann gilt für Propositionsbezug wie auch sprechaktbezogen. – „Korrektiv“ finden sie sich in Verwendungen, in denen es statt um Alternativen um (inhaltlichen oder formulierungsorientierten) Ersatz geht, also ‚statt 

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dessen, vielmehr‘ (q STATT p). Propositional heißt das dann: ‚nicht p, aber/ sondern q‘. Das kann aus alternativer (pÚq bzw. p>——< q) ↔ ¬(p ↔ q) und vor allem ↔ (¬p ↔ q) (sowie auch ↔ p ↔ ¬q) (entweder p oder q und nicht p gdw. q sowie auch nicht q gdw. p)

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und von der Exklusion zur Implikation mit negiertem K ONSE QUENS (p | q) ↔ (p → ¬q) bzw. zur Replikation mit negiertem Vorderglied (p | q) ↔ (¬p ← q), was aber beides sprachlich weniger relevant ist; das mag ein Argument dafür sein, oder bevorzugt der inklusiven Disjunktion zuzuordnen. Beide konditionalen Formeln sind ihrerseits wiederum äquivalent NT EZEDENS -Marker unter den negativ-konditionalen Konnektoren zur unterliegenden Relation der A NTEZEDENS (außer etc.), (p | q) ↔ q → ¬p. Wegen der Symmetrie der drei Disjunktions-Arten ist es gleichgültig, wo links vom Äquivalenz-Zeichen p und q stehen. Und auch rechts davon lassen sich hier p und q vertauschen, ohne dass sich an der logischen Äquivalenz etwas ändert. Sprachlich dagegen gehört die Negation, wo eine vorhanden ist, zum Konnekt, und nicht-p und q lassen sich in wenn nicht-p, dann q eben nicht ohne Bedeutungsveränderung vertauschen (und eine solche Vertauschung behält eben auch logisch die Äquivalenz zur inklusiven Disjunktion nicht bei).

Eine besonders enge Verwandtschaft zwischen disjunktiven und (positiv und negativ-)konditionalen zeigt auch die Tatsache, dass gerade und genau bei diesen Relationen defaultmäßig Nonfaktizität in beiden Konnekten vorliegt, so dass sie sich auch unter diesem Aspekt für eine solche Äquivalenz/Synonyme eignen. Und für den Zusammenhang der negativ-konditionalen Konnektoren, vor allem der K ONSEQUENS -Marker (sonst, ander(e)nfalls etc.), mit denen der oder-Gruppe sprechen auch die nicht ganz seltenen Fälle der Zusammenstellung von entweder – andernfalls: (45a)

Entweder Herr Werner zahle 3000 Schilling mehr Miete, andernfalls werde er gekündigt. (Vorarlberger Nachrichten, 13.02.1999 (ebenso 22.04.2000), je S. F1) Wurde eine ausländische Arbeitnehmerin schwanger, zwang man sie entweder zur Abtreibung, andernfalls wurde die Frau aus dem Land gewiesen. (Salzburger Nachrichten, 18.07.1991, o. S.) → ‚oder, wenn sie nicht gehorchte, …‘  

(45b)



Eine forschungspraktische Konsequenz aus diesen Sachlagen ist, dass Konnektoren aus der negativ-konditionalen Klasse gerne bei den disjunktiven mitgenannt bzw. die disjunktiven eher im Sinne der negativ-konditionalen definiert werden. Auch Wörterbücher geben z. T. für disjunktive Konnektoren negativ-konditionale als Synonyma an (z. B. Duden-Bedeutungswörterbuch (1985: 472/73) sonst und andernfalls für eine Bedeutung von oder). Eisenmann (1973: 231 und 324) argumentiert mit der genannten Äquivalenz bzw. mit den angesprochenen Synonymien dafür, sonst und andernfalls / im anderen Fall statt unter die konditionalen unter die disjunktiven Konnektoren zu rechnen. Vgl. die Angabe zur Etymologie von oder bei Pfeifer (1997: 943): „weist ferner  



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auf eine mögliche Konsequenz hin (‚sonst, andernfalls‘)“; ebd. den Hinweis auf den Vorläufer „mhd. od(e) ‚oder, oder sonst, es sei denn ‘“. Wie man aber leicht sieht, könnte diese Art von Argumenten auch genauso gut dazu dienen, die disjunktiven unter die negativ-konditionalen zu rechnen. Tatsächlich ist ja die Funktion von oder in gewissen Konstruktionen (vor allem der Struktur Tue p, oder es geschieht q), in denen es problemlos durch sonst ersetzt werden kann, semantisch sprachadäquater durch ein ‚(tue p, aber/denn) wenn du p nicht tust, geschieht q‘ als durch eine Formulierung mit einem alternativ bzw. disjunktiv verstandenen oder darzustellen, das eine größere Beliebigkeit der Auswahl zwischen Handlung und möglicher Folge suggeriert, wo wir doch in diesen Formulierungen klar ein hierarchisches Verhältnis haben: Bevorzugt soll die Aufforderung ausgeführt werden, die Nennung des Bedingungszusammenhangs zwischen der Nichtbefolgen und der prophezeiten daraus folgenden negativen Konsequenz hat nur stützende Funktion. Es spricht aber vieles dafür, weder die einen unter die anderen noch die anderen unter die einen zu subsumieren, sondern beide Klassen unabhängig voneinander zu konstituieren und sogar unter unterschiedliche Äste der Klassifikation zu hängen. Wir führen daher die negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Marker hier nicht auf, sondern behandeln sie an anderer Stelle, nämlich eben in C4.6 zusammen mit den NTEZEDENS EZEDENS -Markern, da das ihre Beihnen eng verwandten negativ-konditionalen A NT deutung unmittelbarer und unmissverständlicher beschreibt und auch allein schon wegen ihres Aufschlusswertes (mehrfach sind darunter Bildungen auf -falls vertreten!). Würde man sonst und ander(e)nfalls nicht nur dort, sondern auch hier aufnehmen, so müsste man konsequenterweise den gesamten Bestand der negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Marker (also auch widrigenfalls – bei dem der aussagenlogische Zusammenhang wegen seiner Einschränkung auf Normen viel weniger unmittelbar einsichtig ist als bei den anderen – und ansonst(en)) hier ein zweites Mal aufführen, was nur zu unnötigen Aufblähungen und verwirrenden Dopplungen führen würde. Außerdem: Zu jenen gehören neben Adverbkonnektoren auch Subjunktoren und Postponierer sowie syntaktische Einzelgänger, vgl. C4.6.1, was das sonst vorhandene hohe Maß an syntaktischer Homogenität der Disjunktiven erheblich verwässern würde. Schließlich: Die Einschränkung hinsichtlich der sprachlichen Gleichwertigkeit der disjunktiven und der negativ-konditionalen Konnektoren zeigt sich schon an der logischen Formel „wenn nicht p, dann q“, die im Gegensatz zu dem disjunktiven „p und/oder q“ ersichtlich asymmetrisch ist; die Propositionen spielen als Argumente der Relation unterschiedliche Rollen. Wie und kann zwar auch das an sich symmetrische oder kontextgesteuert zu einer asymmetrischen Relation weiterinterpretiert werden, jedoch nicht im Sinne der äquivalenten negativ-konditionalen, sondern der ‚Ersatz‘-Interpretation, bei der es sich ja nicht mehr um eine schlichte ‚Alternative‘Lesart handelt.  

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C Semantische Konnektorenklassen

b) Disjunktive Konnektoren und die ‚Ersatz‘-Relation In nicht wenigen Verwendungsfällen haben (gewisse) disjunktive Konnektoren eine zweite zentrale Lesart, die sich mit der Kategorie Ersatz beschreiben lässt: Ersetzung des ersten (externen) Konnekts durch das zweite (interne), sei es hinsichtlich (des Wahrheitsanspruchs bezüglich) der Denotat-Sachverhalte, also des ersten Arguments der propositionalen Relation durch das zweite; oder sei es hinsichtlich (des Geltungsanspruchs bezüglich) der illokutionären Kraft, mit der das erste und zweite Konnekt ggf. jeweils ausgestattet ist; oder sei es schließlich hinsichtlich der Angemessenheit (Genauigkeit etc.) der Konnekt-Formulierung, also Ersatz der ersten durch die zweite Äußerungsform. In diesen Fällen handelt es sich eindeutig nicht um mehr oder minder gleichberechtigte Alternativen, die beide grundsätzlich der Fall sein könnten. Sprachlich kann die Ersatz-Lesart vereindeutigt werden durch Zusatzsignale wie oder vielmehr , oder stattdessen , oder besser gesagt . Sie kann aber auch ohne solche – also bei einem alleinstehenden disjunktiven Konnektor – zum Tragen kommen. Ersatz ist vor allem korrektiv zu verstehen, sei es in Bezug auf eine Äußerung des Gesprächspartners (Fremdkorrektur), sei es auf eine eigene vorherige Äußerung des Sprechers selbst. Ein (propositionaler) Ersatz als Selbstkorrektur findet sich durchaus textuell geplant (Einsatz des Kontrasts zu einer vorherigen, damit zurückgenommenen Äußerung etwa zur Spannungssteigerung und Herstellung von Fallhöhe), z. B. in (47).  







(47a)

Die Einheimischen neben uns beginnen aus Langeweile einheimisches Liedgut zu trällern, bis ein Mitarbeiter des englischen Filmteams […] die HobbyCarusos bittet, leise zu sein. Fertig lustig . Oder eben nicht : Die aufgetakelten Panamaerinnen mittleren Alters, die neben uns auf Plastikstühlen ausharren, beginnen mit einer Tirade von schlüpfrigen Witzen. (St. Galler Tagblatt, 26.04.2008, S. 32) Aber gut . Oder vielmehr: nicht gut . (Kleine Zeitung, 03.08.2000, o. S.)  





(47b)







Ersatz bei Sprechaktbezug meint: Der erste geäußerte Sprechakt wird gemeinsam mit seinem propositionalen Gehalt durch den zweiten in seiner Gültigkeit ersetzt, so dass zuletzt nur I(q) übrigbleibt (am Beispiel des Fragesprechaktes: Ich frage Sie, ob …; nein, stattdessen frage ich Sie dann, ob …). Dies ist textuell eher ungeplant (eine neue Idee während des Sprechens) und kann daher als Performanz-Erscheinung und damit bei der Bedeutungsbeschreibung irrelevant vernachlässigt werden. Auch eine Aufforderung kann eine andere ersetzen, wenn sie mit oder oder bzw. angeschlossen wird (Gib Ruhe! Oder besser noch/Oder nein, geh ins Bett, und zwar sofort!). Analytisch ist häufig unklar, ob bei der Verknüpfung z. B. zweier Interrogativsätze mit oder / bzw. die eine Frage durch die andere ersetzt wird oder die zweite alternativ  

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hinzugefügt wird, wie auch, ob bei sprechaktbezogenem Ersatz bei zwei Sprechakten gleicher Art der Sprechakt oder nur der propositionale Gehalt ersetzt wird. Ein Beispiel für Formulierungs-Ersatz ist (48). (48)

Das Geld der Anleger [ist] – bisher jedenfalls – futsch. Dass der Beschuldigte dieses Geld mit seinen Geschäften und in seinen anderen Firmen (zusammengefasst in einer Holding) „verbraten“ oder vielmehr „unterschlagen“ hat, wie die geprellten Gläubiger überzeugt sind, muss aber noch bewiesen werden. (Nürnberger Nachrichten, 10.02.2001, S. 7)  

Die Ersatzfunktion setzt die exklusive Alternative voraus. Hierzu Beispiel (49), mit dem Buscha eine von zwei Bedeutungen von „Alternativität“ am Beispiel bzw. spezifiziert (1989: 50). Hier muss bzw. wohl als ‚oder (stattdessen) genauer gesagt‘ zu verstehen sein, da die Zahlenangabe nur für eine der Nutzungsweisen (die allgemeinere oder die spezifischere), nicht aber für beide zutreffend sein kann. (49)

Nur 11 Prozent der festen Erdoberfläche werden als Ackerland bzw. für den Anbau von Dauerkulturen benutzt.  

Ersatz ist allerdings kein generelles und unumgängliches Merkmal von Konstruktionen mit disjunktiven Konnektoren und somit nicht für eine allgemeine semantische Bestimmung der Klasse dieser Konnektoren geeignet, da bei weitem nicht alle Vorkommen dieser Konnektoren mit dieser Lesart verbunden sind. Vielmehr liegt die Ersatz-Relation als klassenbegründend Konnektoren zugrunde, die nicht zu den alternativebasierten zu rechnen sind, nämlich solchen wie substitutivem stattdessen (C2.2.5) und korrektivem sondern und vielmehr (C2.2.4) (beides negationsinduzierende additive Konnektoren) einerseits und metakommunikative Konnektoren bzw. metakommunikative Verwendungen von Konnektoren andererseits (zur „de dicto“-Verwendung der korrektiven Konnektoren sondern und vielmehr vgl. C5.6.1). Mit diesen können disjunktive Konnektoren in ‚Ersatz‘-Verwendung substituiert werden. Nach der gesamten Äußerung haben wir bei diesen Verwendungen von eigentlich alternativebasierten Konnektoren eine Relation ‚nicht p, sondern q‘. Die Herleitung dieser spezifischen Verwendungsweise aus der der allgemeinen Klassen- und nach wie vor Hauptbedeutung der disjunktiven Konnektoren, der Bestimmung der Alternative-Relation als ‚möglich (p & nicht-q) und möglich (nicht-p & q)‘, kann so geschehen, dass von diesen beiden (womöglich vom Sprecher tatsächlich ursprünglich für möglich gehaltenen Alternativen) die eine – erste – ausgeschlossen wird und nur ein Fall – der zweite – übrigbleibt, ausgewählt und „auf Kosten des/der anderen“ weiterhin beibehalten wird; „Ersatz“ reduziert also Alternativität auf diesen einen dieser Fälle (nur der wird als möglich offengelassen und wird somit – da die einzige Option – als faktisch gegeben charakterisiert, als alleine gültig hingestellt).

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C Semantische Konnektorenklassen

Durch eine Implikation „nicht p“ folgt auch per logischem Schluss gemeinsam mit „p oder q“ „also (nicht-p und) q“. Falls p zunächst ausgesagt wurde, wird diese Behauptung revidiert. Entsprechend bei Ersatz von Sprechakten oder Formulierungen. Insofern könnte man diese Lesart als spezifischere, eingeengte Art der Alternative auffassen, aber die Reduktion auf nur einen möglichen Fall hat Konsequenzen, die darüber hinausweisen: Die Argumente der Ersatz-Relation sind im Default-Fall faktisch, während die der Alternative-Relation prinzipiell nonfaktisch sind: mit oder vielmehr ersetzt der Sprecher eine erste Aussage oder Formulierung durch eine dann gültige zweite, mit oder alleine lässt er cet. par. offen, welche von beiden Aussagen gilt, bleibt ein Wahrheitswertanspruch hinsichtlich eines der Konnekte unentschieden. Nachträglich wird der Faktivitätswert von p, falls es faktisch war oder zu sein schien, bei ‚Ersatz‘ nicht etwa auf nonfaktisch reduziert, wie bei der alternativebasierten Verwendung der disjunktiven Konnektoren, sondern auf kontrafaktisch umgekehrt, d. h. nicht-p wird jetzt definitiv behauptet. Bei oder ist das eine Implikatur, bei oder vielmehr vom zweiten Bestandteil semantisch erzwungen. Wieder gilt Analoges für Gültigkeit bei Sprechakten. Die Alternative-Relation ist symmetrisch. Aber in der Ersatz-Lesart werden alternativebasierte Konnektoren im Sinne semantischer Asymmetrie verwendet: Das zu ersetzende und das es ersetzende spielen zwei unterschiedliche Rollen. Die Argumente sind (daher) als Rollenträger, als Substituendum und Substituens, nicht vertauschbar und konsequenterweise sind die Konnekte nicht linear um den an sich koordinierenden Konnektor herum vertauschbar; bei ‚Ersatz‘-Lesart des disjunktiven Konnektors ist also ihre Reihenfolge relevant und nicht wie bei Alternativen unter semantischem Aspekt prinzipiell beliebig. In diesem Sinn, nur in ganz spezifischen Fällen, aber bei weitem nicht generell, ist die „Reihenfolge der Konjunkte […] auch für oder relevant“ (GDS 2425).  

c)

Metakommunikative (Zweit-)Verwendungen der disjunktiven Konnektoren Die Verwendungen der disjunktiven Konnektoren nach a) sind somit „eigentlich“ konditional basiert (in diesen Verwendungen sind sie synonym zu negativ-konditionalen Konnektoren) und die nach b) additiv basiert (mittels kontextuell sich ergebender Zusatzannahmen werden die disjunktiven Konnektoren zu einer solchen Relation weiterinterpretiert). Über diese Verwandtschaft mit den anderen aussagelogisch basierten Klassen hinaus gibt es noch den Fall, dass Konnektoren, die „eigentlich“ – d. h. in ihrer Grundbedeutung – alternativebasierte sind, systematisch auch in metakommunikativer Verwendung vorkommen und hier insbesondere der Unterart der Reformulativen gleichen. Die Bedeutungsbestimmung der Klasse mittels der Kategorie ‚Alternative‘ eröffnet die Möglichkeit, ihre Elemente nicht nur sach-, sondern auch äußerungsbezogen, also unter Beibehaltung ihrer Grundbedeutung (und auch  

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

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unter Ausnutzung ihrer Weiterinterpretation) zur Markierung von Formulierungsalternativen zu verwenden. Hier beziehen sie sich auf die Form- oder Ausdrucksebene, verknüpfen nicht i. e. S. Sachverhalte oder auch Einstellungen oder Sprechakte. Dazu Döhmann (1966: 409): Zugunsten einer exakten Funktorwiedergabe war ein wichtiger Schritt „der Übergang von lat. sive in die Bedeutung ‚oder mit anderen Worten‘, ‚oder anders ausgedrückt‘ […], sowie das seu potius ‚oder vielmehr‘, ‚oder besser gesagt‘“. Damit ergab sich eine deutliche Unterscheidung von „epexegetischem“ (in Form einer Apposition hinzugefügte Erklärung, also ‚m. a. W.‘) und korrigierendem (‚vielmehr‘) oder einerseits, „funktoriellem“ andererseits. Metakommunikative Verwendung kann im Sinne einer Alternative (‚anders ausgedrückt‘-Interpretation) wie auch einer Korrektur (Ersatz: Substitution, oder auch Spezifizierung, vgl. C5.4.3) geschehen. Eine Formulierungsweise wird alternativ zu einer anderen angeboten oder eben durch eine andere, präsumtiv bessere ersetzt. Im ersten Fall wird das erste Konnekt durch das zweite inhaltlich oder formal gerade nicht ersetzt, p bleibt sachlich und sprachlich gültig, d. h. die erste Formulierung oder der erstgewählte Blickwinkel bleibt als Möglichkeit bestehen, die bzw. der zweite wird nur als Alternative hinzugefügt. Die von den Konnekten denotierten Sachverhalte sind in beiden Fällen, (metakommunikative) Alternative wie Ersatz, gleich, auf der Inhalts- oder Sachebene haben wir also eine Tautologie der Form p oder p. (Allerdings kann man den Fall, dass eine allgemeinere Sachverhaltsbeschreibung durch eine spezifischere ersetzt wird, auch so interpretieren, dass hier doch auch „zwei Sachverhalte“ vorliegen.) Metakommunikative Verwendungen kommen auch mit anderen Sprechakten vor, z. B. bei Ersatz:  











(50)

Was ist für Sie an diesem Rechtsstaat zu verteidigen beziehungsweise wäre er für diese Länder eine Verbesserung? (die tageszeitung, 15.01.1992, S. 18)  

Hier lässt sich beziehungsweise durch (oder) anders gefragt (also einen metakommunikativen Konnektor, vgl. zu diesem C5) ohne spürbare Bedeutungsveränderung ersetzen. Semantisch bleiben die Verhältnisse bei metakommunikativen Alternativen symmetrisch; textuell dagegen kann es sein, dass die Fortsetzung eher an das zweite als an das erste anschließen kann und soll. Metakommunikativer Ersatz dagegen ist wiederum asymmetrisch. Beide Konnekte können faktisch sein, da die Beziehung als möglichen Alternativen eben nicht auf der Sachebene besteht und im Extremfall beide Konnekte im Wesentlichen denselben Sachverhalt, nur auf andere Weise, beschreiben. Oft kommt oder in dieser Funktion in Kombination mit einem expliziten primär metakommunikativen Konnektor (oder andersherum, oder besser, oder in den Worten

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C Semantische Konnektorenklassen

von etc.) vor, wie in (51a); vor allem auch wieder mit vielmehr, einem genuin additiv basierten, nämlich korrektiven Konnektor (vgl. C2.2.4), der aber typischerweise auch metakommunikativ verwendet wird (vgl. C5.6.1) – wie der andere korrektive, sondern, das aber so nicht mit oder kombiniert werden kann. (Tatsächlich finden sich keine akzeptablen Belege für die Kombination *p, oder sondern q, weder in Google noch in Cosmas. Das verwundert aber nicht weiter, da sondern ein Konjunktor, die Kombinierbarkeit mit einem Konjunktor wie oder aber nur für Adverbkonnektoren gegeben ist, wie eben für vielmehr oder auch den substitutiven – vgl. C2.2.5 – Konnektor stattdessen, der nun wiederum nicht metakommunikativ verwendet werden kann, vgl. C5.6.1.) Und auch andere alternativebasierte Konnektoren finden sich in metakommunikativer Verwendung auch in Kombination mit genuin metakommunikativen Konnektoren, etwa bzw. mit anders ausgedrückt (51b). (51a)

Die Umweltbelastung pro Langstreckenflug nach Costa Rica entspricht etwa 14 Jahre Autofahren. Oder, anders gesagt, 50 bis 100 Bäumen. (die tageszeitung, 09.03.1996, S. 20–21) Wir sind noch Lichtjahre entfernt von der wirklichen Gleichberechtigung bzw. anders ausgedrückt: Es kann sich allenfalls noch bis zum Jahre 3720 handeln, bis wir die Männer endlich eingeholt haben. (die tageszeitung, 15.10.1988, S. 9)  



(51b)



Oder kann die metakommunikative Funktion aber auch ohne Zusatzsignale wie anders/besser gesagt etc. erfüllen, und für bzw. gilt das erst recht. Die abgeleiteten metakommunikativen Verwendungen von oder, bzw. und resp. behandeln wir in C5.2, C5.4 und vor allem C5.6.2 näher.

3.2.2.2 Austauschbarkeit disjunktiver und additiver Konnektoren unter Beibehaltung der Bedeutung der Gesamtkonstruktion Ein Phänomen, das die klassifikatorische Grenzziehung zwischen additiv und alternativebasierten Konnektoren in Frage zu stellen scheint und das von einem logischen Standpunkt aus zunächst verblüffend erscheinen mag, aber gerade auch mit den Kategorien der modernen Logik erklärt werden kann, ist die bedeutungsbewahrende Substituierbarkeit von additiven und disjunktiven Konnektoren in gewissen Kontexten und unter bestimmten Bedingungen. Zwei Arten von solchen Fällen sind hier hervorzuheben: In Listen (…, nämlich x, y und bzw. oder z) signalisiert und Vollständigkeit der Nennungen, oder Offenheit der Menge, dass es sich also nur um Beispiele handelt. Wenn die Aufzählung aber schon explizit als exemplarisch gekennzeichnet ist (es sich also aufgrund anderer sprachlicher Signale – etwa einleitendes (zum) Beispiel, wie,

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etwa, so – erkennbar um Beispiellisten handelt), ist der Unterschied aufgehoben: …, z. B. x, y und z ist genauso gut wie … oder z. Diese Listen sind immer offen, gleichgültig, ob sie mit und oder mit oder zusammengefasst werden. Hier kann also oder mit und sowie weiteren additiven und additiv basierten Konnektoren (erstens (…) zweitens, einerseits (…) and((e)r)erseits etc.) ausgetauscht werden, ohne dass sich die Bedeutung der Gesamtkonstruktion ändert. Die Formulierungen mit und bzw. mit oder sind äquivalent.  

(52a)

15 Projekte wurden jetzt für eine Förderung empfohlen. Einen Zuschuß erhalten unter anderem das Kammerensemble Neue Musik Berlin, das Ensemble Oriol, die Konzertreihe Unerhörte Musik in der Berliner Kabarett-Anstalt und die Krytonale V […]. (Berliner Zeitung, 02.03.1999, S. 19) Û Einen Zuschuss erhalten das Kammerensemble …, das Ensemble .., die Konzertreihe … oder (auch, etwa) die Krytonale … Janna Schimka tanzt dabei zu den Klängen von Jazz-Musikern wie Jan Garbarek und Keith Jarrett. (Mannheimer Morgen, 23.07.1998, o. S.) Konzepte wie Mini-Jobs oder Ich-AGs seien ein „Schlag ins Wasser“. (Berliner Zeitung, 15.04.2003, S. 16)  

(52b1)



(52b2)



In (52b1) kann statt und genauso gut oder stehen, in (52b2) statt oder gleichbedeutend und. Der andere Fall einer Substituierbarkeit von oder mit und bestimmt sich wie folgt: Beide erhalten z. B. bei Anwendung auf Attribute (Adjektive zu einem gemeinsamen Nomen: Adj oder/und Adj N) als ihre Konnekte verschiedene Lesarten: Sie können extensional (bzgl. der Elemente von Mengen) oder intensional (bzgl. Merkmalen) verstanden werden, und ergeben dann – in Termini der Mengentheorie – einmal die Vereinigungs-, einmal die Schnittmenge, und zwar genau komplementär zueinander: oder intensional verstanden denotiert ebenso die Vereinigungsmenge wie und extensional gelesen (vgl. Ansätze bei Reichenbach 1947: 195). Deutlich wird das an dem folgenden Text eines Werbeprospektes:  

(52c)

Bezaubernde Mode … … speziell für kleine und für vollschlanke Damen.

Wie die entsprechende Variation, nämlich Mode für kleine oder für vollschlanke Damen, ist das nur so zu verstehen, dass die Mode für die Vereinigungsmenge der beiden Gruppen gedacht ist; und das ergibt sich nur so, dass sich oder (inklusiv verstanden) auf die Eigenschaften bezieht (diese Mode ist geeignet für alle, die klein sind oder die vollschlank sind oder beides), und auf die Elemente der Mengen (diese Mode ist geeignet für alle Kleinen und für alle Vollschlanken, incl. natürlich der Schnittmenge der Kleinen-und-Vollschlanken).

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C Semantische Konnektorenklassen

Ein ähnlicher Fall sind gewisse modalisierte Deklarativsätze als Konnekte, d. h. von vorneherein als nur möglich gekennzeichnete Sachverhalte (vgl. für das Entsprechende im Englischen Fillenbaum 1977: 81): Es ist möglich, dass p, und es ist möglich, dass q, entspricht Es ist möglich, dass p, oder es ist möglich, dass q. oder auch Es ist möglich, dass p (und/)oder dass q, nicht aber Es ist möglich, dass p und dass q, was nur die Möglichkeit des Auftretens beider Sachverhalte „zugleich“ postuliert. Auch im Falle von Bedingungen sind Formulierungen mit und sowie anderen additiven Konnektoren und entsprechende mit oder in einmal extensionaler, einmal intensionaler Lesart äquivalent.  

(52)

Mit dem „Bronnbacher Stipendium“ erhalten herausragende Studenten sowie Absolventen und damit künftige Führungskräfte die Chance, zwei Jahre lang auf exklusive Art ihren kulturellen Horizont zu erweitern. (Mannheimer Morgen, 09.10.2004, o. S.)  

Wenn jemand Student ist und bzw. oder wenn jemand künftige Führungskraft ist, erhält er diese Chance: Alle, die die Eigenschaft Student oder die Eigenschaft Führungskraft haben = alle Elemente der Menge {Studenten} und alle der Menge {Führungskräfte} (Vereinigungsmenge). Natürlich ist in all diesen Fällen nicht die Bedeutung der beiden Konnektoren gleich, sind sie keineswegs (partial-)synonym, sondern die der Konstruktionen als Ganze, in die die Konnektoren mit verschiedenen Bedeutungen eingehen. Zu beachten ist, dass zwar – wie dargelegt – intensionales oder dem extensionalen und, nicht aber intensional verstandenes und (N’s, die A1 UND A2, also z. B. Pullover, die weich und blau sind; N’s haben die Eigenschaft A1 UND N’s haben die Eigenschaft A2: weiche-und-blaue Pullover) dem oder in extensionaler Lesart (weiche Pullover oder blaue Pullover) entspricht: ersteres ergibt als Interpretation die Schnittmenge (die, wenn N gar nicht beide Eigenschaften zugleich haben kann – m. a. W., wenn die zugrundeliegenden Mengen disjunkt sind – leer ist) (Pullover, die passen und nicht passen), letzteres die Vereinigungsmenge, und zwar unabhängig davon, ob exklusives oder inklusives oder vorliegt (was sich nur dahingehen auswirkt, ob die Schnittmenge leer ist oder nicht) (N’s, die A1 ODER A2 sind, also z. B. alle weichen und alle blauen Pullover, unabhängig davon, ob es weiche-und-blaue Pullover gibt oder nicht. (Von der Sache her) exklusiv zu verstehendes oder (52e) kann nicht durch und ersetzt werden, da es den ‚und‘-Fall (beide Konnektsachverhalte sind der Fall) nicht zulässt.  







(52e)

Heute sind sie gesetzte Herren mit graumeliertem oder fehlendem Haar – damals waren sie „jung, sportlich, frech“: Ehemalige Flakhelfer erinnerten sich jetzt im Reiß-Museum an ihren Einsatz in den Kriegsjahren. (Mannheimer Morgen, ?.04.1991, o. S.)  

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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

Auch bei ganzen Sätzen als Konnekten ist die Substitution durch und nicht möglich, wo zwar beide Konnektsachverhalte möglicherweise der Fall (die Konnekte entsprechend modalisiert) sind, es sich aber um exklusive Alternativen handelt: (52f)

Du kannst hier Glück haben und gewinnst, oder du hast Pech und bist ganz hinten. (Salzburger Nachrichten, 16.09.2000, o. S.) Du kannst einen Hamburger um Mitternacht bekommen oder chinesisch essen gehen. (Berliner Zeitung, 08.05.2004, Beilage Magazin, S. 4) Er […] zog sein Klappmesser und rief: „Du kannst es schmerzhaft haben oder schmerzfrei.“ (Neue Kronen-Zeitung, 17.02.1999, S. 13)  

(52f)’



(52f)’’



Hier ist (trotz Modalisierung kannst ‚es ist möglich dass‘) für das oder nicht bedeutungsbewahrend und einsetzbar. Offenkundig liegt das daran, dass hier Sachverhalten vorliegen, die in kontradiktorischem Gegensatz zueinander stehen, was in Bezug auf sie die exklusive Lesart des oder erzwingt. Wäre auch das zweite Konnekt modalisiert, wenn es also hieße … oder du kannst Pech haben, wäre Ersatz durch und in Bezug auf den Modus (es ist möglich … und es ist möglich …) möglich. Es gibt auch Fälle, wo trotz Modalisierung der Konnekte zu bloßen Möglichkeiten und nicht durch oder ersetzt werden kann: (52g)

Du kannst keinen GTZ-Vertrag für dich bekommen, und dein CIM-Vertrag kann nicht verlängert werden […]. (DIV/EEB.00001 Ellmer, Bettelfrau, S. 132)  

Beide Sachverhalte sind hier ausgeschlossen: weder kannst du (ist es möglich dass …) … noch kann dein … (ist es möglich dass …). Wir haben also eine weder – nochBeziehung, die wieder nicht durch das exklusive oder ausgedrückt werden kann, jetzt aber auch nicht durch das inklusive. Würde es zur Bedeutung von natürlichsprachlichem oder gehören, auch die logische Relation der Exklusion (vgl. Tab. B1-4) ausdrücken zu können, müsste eine solche Interpretation bei Du kannst keinen GTZVertrag für dich bekommen, oder dein CIM-Vertrag kann nicht verlängert werden möglich sein. Ein ähnliches Phänomen findet sich im Englischen, hier mit dem Skopus der Negation. Hier kann nach Haspelmath (2007: 17) negative Koordination des Typs Wir trafen weder Franz noch Fritz entweder als Konjunktion (denn eine mögliche Paraphrase ist Wir trafen Franz nicht und wir trafen auch Fritz nicht) oder als Disjunktion beschrieben werden, welchletzteres im Deutschen nicht geht. (Im Englischen ist eine andere mögliche Paraphrase We didn’t meet either F. or F. Im Englischen heißt NEG either … or generell ‚weder noch‘, Deutsch wir trafen entweder F. oder F. nicht hat dagegen nur die Interpretationsmöglichkeit ‚wir trafen genau einen der beiden nicht‘; nicht aber (nur, definitiv) ‚wir trafen beide nicht‘.) Die Verhältnisse im Englischen entsprechen der logischen Äquivalenz von Disjunktion mit Negation mit weitem Skopus (über die ganze Disjunktion hinweg: nicht

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C Semantische Konnektorenklassen

(p oder q)) und Konjunktion mit Negation mit engem Skopus (der beiden Argumente: (nicht p) und (nicht q)). Wie oder steht bzw. im folgenden Fall für die Vereinigungsmenge und ist damit durch extensional zu verstehendes und substituierbar: (53)

Die letzten deutschen Fußballmeister waren der FC Bayern bzw. Schalke 04 bzw. der 1. FC Köln.

Dieses Faktum zeigt zum wiederholten Male, dass gemeinsprachliche Konnektoren und die mit ihnen umschriebenen Junktoren der Aussagenlogik nicht gleichgesetzt werden dürfen (der „Übersetzungsalgorithmus“ kann nicht von Isomorphie ausgehen) (vgl. Bucher 1987: 171 oder Næs schon 1969: 329 mit Beispielen und weiterer Literatur); andererseits können gerade die Junktoren als Beschreibungsfolie hier für Eindeutigkeit der Bedeutungsanalyse der Konnektoren dienen. Auch die Etymologie von oder zeigt die dargestellte Nähe der disjunktiven Konnektoren zu und. Sprachhistorisch scheint im Deutschen der Vorläufer von oder, oda (9. Jh.), beide Bedeutungen gehabt zu haben (mit anderen Worten die Bedeutung ‚oder, und‘ war ungeschieden, so Pfeifer 1997: 943) und in vielen Sprachen scheint überhaupt nur ein Wort für beide Bedeutungen zu stehen (konkrete Hinweise vgl. Döhmann 1974: 42/43 mit weiterführender Literatur; dort: „In frühen Sprachstadien ist vielfach der Unterschied zwischen Ù und Ú unausgedrückt; sei es, daß für beide überhaupt kein Wort oder für beide dasselbe Wort vorhanden ist“ (ähnlich Döhmann 1966: 408), so dass sich erst aus dem Zusammenhang ergibt, ob „die Idee ‚und‘ oder ‚oder‘ ausgedrückt werden soll“). Man kann wohl annehmen, dass in konkreten Verwendungsfällen die beiden Bedeutungen durch andere sprachliche Signale oder den Kontext auseinandergehalten wurden, denn die additive und die AlternativeRelation müssen auf jeden Fall auseinandergehalten werden können. Speziell fürs Deutsche gilt: „Die gesprochene Sprache kann sich hier außer mit dem Zusammenhang auch noch mit dem Tonfall helfen, um zu unterscheiden, ob ‚und‘ oder ‚oder‘ gemeint ist“ (Döhmann 1974: 42). Mit unserer Analyse brauchen wir den disjunktiven Konnektoren jedenfalls keine weitere – additive – Bedeutung zuzuschreiben.  

Über diesen Zusammenhang mit den (positiv/affirmativ) additiven Konnektoren hinaus findet sich auch noch ein enger mit den negativ-additiven, der im Gleichklang von entweder und weder schon hörbar wird. Die Funktion von entweder entspricht seiner etymologischen Herkunft von ahd. ein wëdar ‚welches von beiden‘ über mhd. ein(t)wëder, entwëder ‚eins von zweien/ beiden‘ (pragmatisch ist naheliegend ‚nur, genau eines‘, auch ‚höchstens eines‘, denkbar und semantisch möglich wäre aber auch ‚mindestens eines‘) zu eben entweder (vgl. Becker 1870: § 204; Blatz 1900: 745; Paul 1919: § 52, vgl. a. Paul 1908: 139; Pfeifer 1997: 288/289). Blatz weist darauf hin (und gibt Belege dafür), dass entweder  



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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

früher anstatt mit oder auch mit sonst und wo nicht, so verwendet werden konnte, also mit anderen Elementen, die eine Alternative kennzeichnen (vgl. Marillier o. J.: 13, Fn. 10). Das heißt aber auch: Das entweder in entweder (…) oder ist tatsächlich etymologisch mit dem weder von weder (…) noch ‚nicht … und auch nicht‘ verwandt und das zeigt aufs Neue die Verwandtschaft der additiv und der alternativebasierten Konnektoren auf. Bei weder ‚keines der genannten‘ ist eine im Mhd. z. T. noch vorhandene Negationspartikel (enweder) „abgefallen“ (vgl. Pfeifer 1997: 1544). Nach Paul (1908: 641) hieß es eingebettet in Negation „früher zuweilen weder – oder: keine Anfrage zu beantworten, w[eder] mit den Augen, oder durch Gebärden“ – also oder im Sinne des heutigen noch, nicht umgekehrt. Belege für weder (…) oder findet man auch heute noch, sie sind aber als abweichend anzusehen:  





(54)

Ich bin unentschlossen, wählen würde ich die Partei, die […] weder rot, grün, blau oder schwarz ist. (Burgenländische Volkszeitung, 24.09.2008, S. 3)  

Vielleicht ist dieser enge auch etymologische Zusammenhang der negativ additiven und der disjunktiven Konnektoren ein Grund dafür, dass Rudolph (1982b: 171/172, vgl. a. 1989: 176) in der konnektiven Relation der logischen Disjunktion als Beispiele neben (entweder …) oder zunächst überraschend auch weder (…) noch hat. Ein Beleg dafür, dass die Bedeutungsindizierung ‚eines der Genannten‘ auch noch synchron zumindest halbbewusst ist, sind die verbreiteten Formulierungen mit Ent oder weder: (55)

Schalke wollte erstmals drei Siege in einer Saison (inklusive Pokal) gegen das Böse von nebenan einfahren. Fans im Pott, die qua Geburt nur ent oder weder sein können, bezeichneten die jeweils anderen gern als „die aus der verbotenen Stadt“ […]. (die tageszeitung, 26.02.2001, S. 16)  

Ent oder weder steht hier eindeutig für die Phrase „das eine oder das andere“ – synchron ist das ein Scherz, aber etymologisch sogar berechtigt: ent oder weder entspricht durchaus 1:1 ‚eines oder keines‘. All das – die Austauschbarkeit von oder mit und unter gewissen Bedingungen – ist aber auch synchron nicht so verwunderlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Immerhin lässt die einschließende Alternative (und/oder) ja auch den Fall „p und q“ (der bei der additiven Relation als einziger zulässig ist und somit definitiv behauptet wird) zumindest als eine Möglichkeit zu (im Sinne von Lang 1991: 607 sind die Konjunktbedeutungen miteinander verträglich oder kompatibel). Und all das ändert nichts daran, dass die beiden Relationen klar und deutlich voneinander zu unterscheiden sind und hier kein Klassenübertritt der Konnektoren in die eine oder andere Richtung stattfindet; und bleibt additiv, oder disjunktiv. Es sind aber bestimmte Bedeutungspostulate anzusetzen, die man in Formeln wie „(in Bei-

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C Semantische Konnektorenklassen

spiellisten:) und + Offenheitsmarker ↔ oder“ bzw. „Vereinigungsmenge: oder intensional ↔ und extensional“ komprimieren könnte.

3.2.2.3 Disjunktive und irrelevanzkonditionale Konnektoren Ein letzter Fall von systematischen Zusammenhängen mit anderen Konnektorenklassen soll noch kurz angesprochen werden: Auf einen engen Zusammenhang der disjunktiven mit der konditional basierten Klasse deuten diverse asächs., mnl., nl., afries. Wörter für ‚oder‘ hin, die (nach Pfeifer 1997: 943) „wahrscheinlich mit dem unter ob Konj. […] behandelten Wort als erstem Bestandteil“ gebildet wurden, das wiederum – vgl. ebd. 939 – außer indirekten Fragen auch konditionale und konzessive „Gliedsätze“ einleitete, für einen „Zustand der Ungewißheit“ steht – auch hier haben wir also in früheren Sprachstufen in einem Wort die ungeschiedene Bedeutung. (Zu den Wörtern für ‚oder‘ in den germanischen Sprachen vgl. a. Lühr 1976.) Speziell die zweiteiligen Konnektoren der nicht umsonst als „alternative“ bezeichnete Untergruppe unter den Irrelevanzkonditionalen (vgl. C4.4.3.1) sind von der denotierten Relation her gesehen gewissermaßen „Mischkonnektoren“, indem sie die alternativebasierte Relation in ein Argument einer anderen – konditional basierten – einbetten, was sich ja auch ausdrucksseitig daran zeigt, dass es sie in einer Variante gibt, in der ihr zweiter Teil ein alternativebasierter Konnektor ist oder einen enthält. Neben ob … ob und seinen Varianten ob … oder ob und ob … oder ist hier sei es … sei es / oder sei es / oder zu nennen. Gemeinsam ist beiden, dass sie wie auch die tatsächlichen alternativebasierten Konnektoren auch mit mehr als zwei Konnekten auftreten können, wozu sie aufgrund ihrer repetitiven Form besonders gut geeignet sind. Ähnliches gilt auch für das relevanzkonditionale je nachdem (ob) … oder (ob) … (auch es enthält eine Sachverhaltsalternative). Die Formen mit … oder scheinen nun dafür zu sprechen, dass es sich schlicht um alternativebasierte Konnektoren handeln könnte (vgl. dazu schon HDK-1: 625). Auf jeden Fall wird ja eine Alternativenverknüpfung der Konnektbedeutungen ausgedrückt. Immerhin kommt sogar auch sei es … und/oder vor: (56)

Sobald jemand gegen seinen Willen in irgendeiner Form sexuell genötigt, sein Intimbereich verletzt wird – sei es nun physisch und/oder psychisch – so ist ein zu ahndender Tatbestand vorhanden […]. (St. Galler Tagblatt, 25.01.2001, o. S.)  

Die Vermutung liegt aber nahe, dass hier die Interpretation, dass eine AlternativeRelation vorliegt, von diesem (und/)oder her stammt und nicht von dem sei es.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

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Wollte man also eindeutig beweisen, dass ob und sei es ihrerseits rein alternativebasiert sind bzw. sein können, müssen die Formen ohne … oder herangezogen werden. In der großen Mehrzahl der Belege ist sei es … sei es unzweifelhaft irrelevanzkonditional zu verstehen. Es gibt dann aber doch auch Belege für ausschließlich disjunktive Verwendungen wie in (57), wo sich in einem Beleg unter verschiedenen Möglichkeiten, Alternativen auszudrücken, auch dieser Konnektor findet: (57)

Der Raum dient nicht nur zum Essen, sondern auch als Durchgang. Viele tragen anstelle eines Tabletts nur einen Teller, sei es um im Gedränge schneller voranzukommen, sei es, um sich so von den Tablett tragenden Normerfüllern abzusetzen. Einige suchen hoch erhobenen Hauptes mit Leuchtturmblick nach einem Sitzplatz oder halten nach Bekannten Ausschau, andere balancieren ängstlich geduckt mit hochgezogenen Schultern einen Suppenteller. (Berliner Zeitung, 13.10.1997, Beilage, S. VI)

Dass sei es … sei es hier alternativebasierte Bedeutung oder zumindest einen entsprechenden Bedeutungsanteil hat, zeigt der Test, dass Substitution mit oder bedeutungsbewahrend möglich ist: Viele tragen … nur einen Teller, um … schneller voranzukommen oder [um] sich so … abzusetzen. Dass es hier nur alternativbasiert ist, zeigt folgende Überlegung: Zwar steht die komplexe Konstruktion, die von sei es … sei es zusammengehalten wird, ihrerseits auch in einer semantischen Relation zu dem Viele …-Satz, aber die wird durch um zu hergestellt, ist also final; sei es hat damit nichts zu tun, ist hier nicht irrelevanzkonditional, sondern eben ausschließlich alternativebasiert. Ein weiterer Beleg dafür: (58)

Die Kenntnis der internen Zusatzvereinbarung […] jedoch setzt voraus, daß die Treuhand-Präsidentin […] in diesbezügliche Absprachen – sei es mit den Konzernen, sei es mit der Bundesregierung – eingebunden war. (Berliner Zeitung, 23.01.1998, S. 27)  

Reduziert man also die A NTEZEDENS -markierenden Irrelevanzkonditionalen um ihr externes Konnekt (die Nicht-Folge der negierten Konditionalrelation), kann die in das (verbleibende) interne Konnekt (der Irrelevanzkonditional-Relation) regulär eingebettete Relation der möglichen Alternative auch zwischen (Haupt-)Sätzen unter bestimmten Umständen „rein“ zum Vorschein kommen, d. h. der irrelevanzkonditionale Konnektor signalisiert dann nur die disjunktive Relation. Nur noch ein Beispiel mit satzförmigen Konnekten (V2):  

(59)

Eigentlich hatten wir uns vorgenommen, am Freitagabend zum Wirtshaus Moorlake zu fahren, wenn Jochen Senf aus seinen Krimis liest […]. Aber sei es, der Schauspieler war noch so verärgert über den Rausschmiss, sei es, er

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C Semantische Konnektorenklassen

hatte andere Gründe – der Freitagabend mit Senf und Überraschungsmenü fiel aus. (Berliner Zeitung, 03.12.2005, S. 6)  

Jedoch finden sich nur wenige Fälle dieser Art, die dafür sprechen könnten, den einen dieser beiden Konnektoren auch in die Bestandsliste der disjunktiven Konnektoren aufzunehmen, und sie sind von spezieller Art. Bei genauem Hinsehen ist ihnen doch auch noch ein irrelevanzkonditionales Moment zueigen, und in den allermeisten Fällen sind die Konnekte keine (selbständigen Haupt-)Sätze, sondern reduziert auf Adjektive und Adverbien (60a), oder die Alternative-Relation wird ihrerseits in das Argument einer anderen Relation eingebettet, z. B. in sei es weil p, sei es weil q = eigentlich weil (p oder q); dass der nebensatzanzeigende Konnektor weil hier syntaktisch unter dem sei es hängt, verdeckt eher die logisch-semantische Struktur als dass es ihr entspräche.  

(60a)

[…] bleibt […] die Notwendigkeit, ein Zeichen des Gedenkens zu setzen, sei es materiell oder imaginär. (Frankfurter Allgemeine, 14.01.1997, o. S.) Es gibt Vorgänge, über die man lieber hinwegsähe, sei es weil sie einem unwichtig vorkommen, weil sie unangenehm sind, sei es, weil man keine Erklärung oder keine Lösung für sie findet. (St. Galler Tagblatt, 17.05.1997, o. S.)  

(60b)



Auch für ob … gibt es (wenn auch sehr wenige) Beispiele für eine rein disjunktive Verwendung, aber auch da ist eben das oder enthalten, d. h. die Alternativebasiertheit wird wohl von jenem bewirkt, nicht von ob:  

(61)

Ob Ausbau oder nicht – beide Alternativen bergen Risiken für das Kongresszentrum Rosengarten. (Mannheimer Morgen, 23.02.2005, o. S.)  

Merkwürdigerweise scheint die Formel ob … und ob … (ob immer oder nur in gewissen Fällen, muss offen bleiben, die Beleglage ist hier zu dürftig für eine Entscheidung) ‚(ob) oder (ob)‘ (mit ob als Complementizer) zu bedeuten. Vgl. z. B.:  

(62)

Von der Swissfirst-Debatte aufgeschreckt – ob dort Insider am Werk waren und ob die nun vorbereitete Revision an der Strafbarkeit der Handlungen etwas ändern würde, ist völlig offen –, drückte Merz in den letzten Wochen aufs Tempo. (Die Südostschweiz, 30.09.2006, o. S.)  

Wie die negativ-konditionalen gehören also auch diese irrelevanzkonditionalen Konnektoren nicht in die alternativebasierte Klasse und werden je an anderer Stelle in diesem Handbuch behandelt. Näheres zum Verhältnis von irrelevanzkonditionaler und alternativebasierter Relation vgl. C4.4.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

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C3.3 Semantische Besonderheiten einzelner disjunktiver Konnektoren: Differenzparameter Was die Bedeutungsunterschiede zwischen den alternativebasierten Konnektoren und die semantischen Eigenheiten der einzelnen Mitglieder dieser Klasse angeht, sind vor allem die Konnektoren innerhalb der oder-Gruppe voneinander zu unterscheiden und diese Gruppe als ganze von der bzw.-Gruppe. Innerhalb letzterer konnten zwischen bzw. und resp. ihrerseits keine nennenswerten semantischen Unterschiede festgestellt werden. Resp. ist semantisch die genaue Entsprechung – wörtliche Übersetzung – zu bzw. und unterscheidet sich von diesem außer stilistisch (resp. als lateinisches Fremdwort ist bildungssprachlich) überhaupt nicht. Es kann daher weitgehend undifferenziert gemeinsam mit jenem behandelt werden. Generell gibt es zu respektive/respective/resp. wohl nicht mehr zu sagen, als bereits in der GDS (2428) steht: „Der Konjunktor respektive (resp.) entspricht in seinem Gebrauch weitegehend beziehungsweise, gehört aber einer schriftsprachlich-gehobenen Stilebene an.“ Was die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bzw. innerhalb der oderGruppe angeht, finden wir einen guten Überblick über mögliche Dimensionen in den Sprachen der Welt bei Haspelmath (2007). (Da es so wenige Konnektoren in dieser Klasse gibt, liefern diese Dimensionen keine sinnvolle Grundlage für eine Subklassifikation.) Als eine der Funktionen der mehrteiligen (disjunktiven wie additiven) Konnektoren, darunter entweder (…) oder, im Kontrast zu den einfachen wie oder, wird Emphase genannt (vgl. Haspelmath 2007: 15). Haspelmaths Erläuterungen zu Hervorhebung oder Betonung vermögen aber nicht zu überzeugen. Bei den additiven Konjunktoren zeigt das Beispiel, dass es dabei nicht um Emphase geht, sondern um distributive vs. kollektive Lesart (vgl. C2.1.3.1.2.5, C2.1.3.2.5, C2.1.3.3): Spanisch und Portugiesisch ähneln sich. gegenüber *Sowohl Spanisch als auch Portugiesisch ähneln sich. Wie Haspelmath selbst ausführt: Der semantische Unterschied zwischen den beiden Arten besteht darin, dass in „emphatischer“ Koordination „each coordinand […] is considered separately“. Das zweite Beispiel muss gesternt werden, „because two things cannot be separately similar“. Ähnliches gilt nach Haspelmath für oder vs. entweder (…) oder: „either X or Y […] requires that they [=both coordinands] be considered separately.“ Dazu ist aber im Deutschen kein entweder nötig (wenn es nicht sogar ausgeschlossen ist), auch oder und vor allem bzw. können diese Funktion haben: Franz und Fritz fahren nach Münster bzw. Göttingen. – Zum Thema „Mehrfacher Fokus und entweder (…) oder“ sei auf A4.3.1.3 verwiesen. Haspelmath nennt vier semantische Dimensionen, nach denen sich in seinem Modell speziell die disjunktiven Konnektoren voneinander unterscheiden.

642

a)

b)

c)

d)

C Semantische Konnektorenklassen

Spezialisierte Lexeme für Standard- vs. interrogative Disjunktion, was die „wichtigste Unterscheidung“ innerhalb der Disjunktion sein soll (25), sind allerdings im Deutschen nicht zu erkennen. Ein weiterer Typ von Disjunktion ist die metasprachliche: die Alternative besteht hier nur zwischen zwei „Namen“ für dieselbe „Sache“. Diese ist im Deutschen offenkundig im Bereich der disjunktiven Konnektoren ebenfalls nicht auf spezialisierte Lexeme beschränkt. Sodann gibt es einen Typ disjunktionsähnlicher Koordination, der weitverbreitet ist, den der temporalen Alternation: von mehreren Ereignissen wird gesagt, dass sie alternativ zu verschiedenen Zeiten auftreten (vgl. dt. bald (…) bald, mal (…) mal. Diese erwähnen wir tatsächlich auch bei den temporalen Konnektoren in C1.1, behandeln sie aber nicht unter den disjunktiven Konnektoren, sondern unter den adversativen in C2.3.8.2). Wie andere Relationen, die zwar mit Alternativen zu tun haben, gehört auch diese ersichtlich nicht in den Bereich der disjunktiven Konnektoren. Vor allem aus der Logik bekannt ist schließlich der semantische Unterschied zwischen ex- und inklusiver Disjunktion. Und dieser – auf den wir im Folgenden als erstes eingehen – ist nun tatsächlich ein relevanter Differenzparameter innerhalb der disjunktiven Konnektoren des Deutschen. Nach Haspelmath scheint aber gerade das nicht so zu sein (26, vgl. Dik 1968: 274–6). Seine wesentlichen Argumente (26/27): 1. Die logische Unterscheidung exklusive vs. inklusive Disjunktion kann auf die natürliche Sprachen nicht so gut angewendet werden, weil viele Sätze mit disjunktiven Konnektoren keine Wahrheitswerte haben (Fragen, Befehle). Dem ist entgegenzuhalten, dass sie auf die Fälle mit Wahrheitswerten sehr wohl passt; und dass die Verhältnisse von (propositionalen) Wahrheits- auf (illokutionäre) Glückens- oder Erfolgswerte übertragbar sind, wie es z. B. die illokutionäre Logik von Searle/Vanderveken (1985) praktiziert. 2. Oft wird behauptet, dass die Sprachen zwischen diesen beiden semantische Typen durch die Verwendung unterschiedlicher disjunktiver Koordinatoren unterscheiden, wofür gerne lat. aut vs. vel als Beispiele herangezogen werden, die sich nach diesen Annahmen 1:1 auf die exklusive bzw. inklusive Disjunktion abbilden lassen (vgl. z. B. schon Steinthal 1891: 324). Das wird aber in neuerer Literatur bestritten (vgl. etwa Jennings 2008), und auch nach Haspelmath ist der Unterschied zwischen diesen beiden von anderer Natur (216, Fn. 9) und soll kein anderer Fall bekannt sein, wo tatsächlich in einer Sprache präzise die Distinktion exklusiv/inklusiv gemacht würde. Er weist jedoch selbst darauf hin, dass im modernen technischen und bürokratischen Schreiben manchmal der künstlich gebildete, zusammengesetzte Koordinator und/oder verwendet  





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wird, der die inklusive Disjunktion ausdrückt. So etwas fände sich in der gewöhnlichen Rede aber nicht – was von der Beleglage widerlegt wird. McCawley (1993: 315–17) bringt Argumente, dass kein exklusives oder angenommen werden muss und dass der exklusive Sinn aus dem (pragmatischen) Kontext resultiert. Das aber ist kompatibel mit einem Modell, in dem oder diesbezüglich unterspezifiziert ist, und sagt noch nichts über die anderen disjunktiven Konnektoren aus.

3.3.1 Einschließende (inklusive) vs. ausschließende (exklusive) Alternativen 3.3.1.1 Definition Die in der Literatur verbreitetste Differenzierung verschiedener Arten von Alternativen ist die folgende, zunächst am dominanten Spezialfall der Verbindung genau zweier Argumente dargestellt. a) Eine Relation zwischen Sachverhalten, die sich gegenseitig ausschließen, nie beide zugleich der Fall oder real sein können, bzw. Aussagen, die nicht beide wahr, Sprechakte, die nicht beide gültig sein dürfen, Äußerungsformen, die nicht beide angemessen sind – das ist die „exklusive Alternative (oder Disjunktion)“. D.h. nur die beiden in der allgemeinen Bestimmung der Alternative benannten Fälle werden als möglich angesehen, die Kombination „p und q“ wird ausgeschlossen. In aller Regel ist damit zugleich gemeint, dass der Fall „weder p noch q“ ausgeschlossen ist. Zusammen ergibt sich dann: Wenn das eine der Fall etc. ist, ist das andere nicht der Fall, und umgekehrt. p und q stehen in kontradiktorischem Gegensatz zueinander. Wahrheitssemantisch (mit Propositionsbezug) entspricht das etwa der Kontravalenz der Aussagenlogik, die ebenfalls als exklusive Disjunktion bezeichnet wird. Eine Variante der ausschließenden Alternative wäre, dass der Fall „weder p noch q“ zugelassen wird, also auch die Möglichkeiten, dass keine der Alternativen der Fall ist, erwogen wird. Das ergibt die Entsprechung zu einem anderen Junktor, die Exklusion. Dieser Art von Alternative ist für die Semantik der Konnektoren weniger relevant. b) Im Unterschied dazu stehen solche Sachverhalte, Aussagen, Sprechakte oder Äußerungsformen, die sich gegenseitig in ihrer Existenz, ihrer Wahrheit, ihrer Gültigkeit, ihrer Angemessenheit nicht stören, die also auch gemeinsam real, wahr oder gültig sein können, in einem Verhältnis der „inklusiven (einschließenden) Alternative/Disjunktion“ zueinander. Die inklusive Alternative „überschneidet“ sich mit der Additivität darin, dass auch der Fall „p

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C Semantische Konnektorenklassen

und q“ immerhin als möglich erwogen wird (vgl. z. B. Abraham 1979: 143). In aller Regel wird auch hier mitgemeint, dass „weder p noch q“ als unmöglich ausgeschlossen wird. Bei Propositionsbezug (soweit Wahrheitswerte im Spiel sind) findet das in der Aussagenlogik wiederum in etwa sein Pendant mit der Adjunktion (vgl. Tab. B1-4), die ebenfalls als inklusive Disjunktion bekannt ist. Wird bei einschließenden Alternativen auch noch „weder p noch q“ als möglich angesehen, werden also alle vier Kombinationen zugelassen, ist man bei der Analogie zur aussagenlogischen Tautologie, die keine der vier Kombinationen ausschließt und in diesem Sinne informationsleer (logisch gesehen streng genommen nullstellig, von den Wahrheitswerten beider Konnekte unabhängig, eben immer wahr) ist. Auch dieser Fall spielt keine zentrale Rolle bei der Semantik der disjunktiven Konnektoren.  



Die Gemeinsamkeit, einer Alternative-Relation zu entsprechen, und die Unterschiede für die beiden anderen Kombinationen von p/nicht p und q/nicht q (also für „p und q“ und „weder p noch q“), können für den Fall des Propositionsbezugs (der wahrheitssemantischen Relation) wie folgt zusammengefasst werden. Tab. C3-1: Arten von Alternativen (bei Propositionsbezug/assertiven Sprechakten) und entsprechende aussagenlogische Junktoren p oder q verstanden als …

entsprechender Junktor der Aussagenlogik:

… inklusive Alternative

Tautologie

… exklusive Alternative

Kontravalenz

Adjunktion

Exklusion

die vier möglichen Fallkombinationen: Fall „p und q“

Fall „p, aber nicht q“

Fall „nicht q, sondern p“

ist denkbar wird ausgeschlossen

Fall „weder p noch q“ ist denkbar

ist denkbar ist denkbar

wird ausgeschlossen ist denkbar

allgemeine Definition der Alternative

Im Weiteren behandeln wir zunächst nur die beiden Fälle, in denen „weder p noch q“ ausgeschlossen ist, da nur sie für die Semantik konkreter einzelner Konnektoren relevant zu sein scheinen. (Exklusion und Tautologie lassen sich zwar mit disjunktiven Konnektoren ausdrücken, es gibt aber für sie keine spezialisierten Konnektoren.) Den Begriff der exklusiven Alternative beschränken wir auf den, der der Kontravalenz entspricht. Vielfach wissen Sprachteilhaber aus ihrem Weltwissen auch ohne explizite Kennzeichnung der Relation, dass zwei bestimmte Sachverhalte in einer dieser Beziehun-

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

645

gen zu einander stehen. So können x > 4 (p) und x < 4 (q) in der üblichen Algebra nicht beide wahr sein, die Alternative ist ausschließend: nur eines von beiden ist möglich, auch wenn wir nicht wissen, welches tatsächlich der Fall ist. x ≥ 4 (p) und x = 4 (q) dagegen stehen im Verhältnis der einschließenden Alternative zueinander: Es ist möglich, dass beide der Fall sind. Andererseits können die Sachverhalte p, dass es in Münster zu einem bestimmten Zeitpunkt regnet, und q, dass dann dort die Glocken läuten, von der Sache her in allen vier möglichen Kombinationen von Wahrheitswerten stehen: Es kann sein, dass p und q der Fall ist, nur das eine, nur das andere oder gar keines.

3.3.1.2 Verallgemeinerung auf mehr als zwei Konnekte Da die disjunktiven Konnektoren der oder-Gruppe auch mehr als zwei Konnekte miteinander verbinden können und auch die von ihnen denotierte Alternative-Relation mehr als zwei Argumente annehmen kann, müssen die oben gegebenen Bestimmungen für die ein- und die ausschließende Alternative, die nur auf den Fall n=2 gemünzt sind, noch geeignet auf den mehrstelligen Fall verallgemeinert werden. Systematisch denkbar sind folgende Generalisierungen der beiden Typen von Alternativen, bezogen auf assertive, wahrheitswertfähige Konnekte bzw. Propositionen (und für Sprechaktbezug bzw. für nicht-assertive Sprechakte entsprechend zu modifizieren): I) p (und/)oder q (und/)oder r …, verstanden als inklusive Alternative, lässt alle Fälle als denkbar und möglich zu, mit der einen Ausnahme dessen, in dem kein einziges der Konnekte als wahr anzusehen ist – dieser und nur dieser wird von dieser Aussage ausgeschlossen. D. h. im assertiven Fall, sobald mindestens eines der Konnekte als wahr angesehen werden kann, dann auch die ganze Verbindung, die Gesamtbehauptung. (Vgl. in diesem Sinne auch u. a. Döhmann 1966: 407; Jennings 2008: o. S.; Hendriks (2004: 16): „an inclusive disjunction is true if at least one of the conjuncts is true“.) II) Bei der exklusive Alternative ist der Fall, dass alle Alternativen der Fall sind, auf jeden Fall als unmöglich ausgeschlossen. Das macht den entscheidenden Unterschiede zur inklusiven Alternative aus. Statt (p oder q,) aber nicht beide – einem der diese Lesart vereindeutigenden Zusätze zu oder – müsste es bei mehr als zwei Relata entsprechend (p, q oder r,) aber nicht alle heißen. Hier sind verschiedene Möglichkeiten der Verallgemeinerung der auf Zweistelligkeit beschränkten Bestimmung denkbar, mindestens: a) Alle Fälle werden für möglicherweise zutreffend erklärt, in denen genau eines der Konnekte wahr ist (so u. a. Hendriks 2004: 16). Alle anderen Kombinationen von Wahrheit und Falschheit der Konnekte werden von der Aussage ausgeschlossen, bzw. wenn auch nur eine von ihnen faktisch der Fall ist, ist die Äußerung falsch.  







646

C Semantische Konnektorenklassen

b)

c)

Oder: Als unmöglich ausgeschlossen werden nur die beiden Extremfälle, dass alle Konnekte wahr sind, sowie, dass alle Einzelaussagen falsch sind, keines der Konnekte wahr ist. Alle anderen Wahrheitswertkombinationen werden als zulässig „durchgewinkt“, als möglicherweise zutreffend erklärt, es können also beliebig viele Alternativen realisiert sein, aber mindestens eine muss und nicht alle dürfen tatsächlich wahr sein. Der zweistelligen Bestimmung entspräche auch eine dritte systematisch sich ergebende Variante: Alle Fälle werden für möglicherweise zutreffend erklärt, in denen genau eines der Konnekte als unmöglich ausgeschlossen wird bzw. falsch ist. Im dreistelligen Fall sind damit 2 Konnekte wahr, im n-stelligen n-1 Konnekte; daher ist es einfacher, diese Variante über die falschen Konnekte (unabhängig von der Stelligkeit je genau eines) zu bestimmen.  

Wir fassen dies als Verallgemeinerung der Bestimmungen, wie sie in Tab. C3-1 dargestellt wurden, für den Spezialfall dreier Konnekte erneut in einer Tabelle zusammen. Im Folgenden behandeln wir der Einfachheit halber nur diesen Spezialfall der Dreistelligkeit; für größere Anzahlen von Argumenten gilt jeweils das Analoge. Tab. C3-2: Systematisch erwartbare Lesarten der alternativebasierten Konnektoren bzgl. ein- vs. ausschließender Alternative bei Anwendung auf drei Argumente/Konnekte. D heißt: die links in der Zeile stehende Kombination der drei Wahrheitswerte der einzelnen Konnekte ist denkbar; A: sie ist ausgeschlossen. p q r

Inklusive Alternative: p, q und/oder r

Exklusive Alternative: entweder p, q oder r

Weitere mögliche Interpretationen, die sich systematisch als Verallgemeinerungen von zweistelligem exklusivem (entweder –) oder ergeben

1 1 1

D

A

A

A

1 1 0

D

A

D

D

1 0 1

D

A

D

D

1 0 0

D

D

D

A

0 1 1

D

A

D

D

0 1 0

D

D

D

A

0 0 1

D

D

D

A

0 0 0

A

A

A

A

Welche der möglichen Interpretationen der mehrstelligen exklusiven Alternative beschreibt nun die sprachlichen Realitäten am besten? Wie man sieht, sind sich die drei möglichen Interpretationen der exklusiven Alternative über die beiden „Extreme“

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

647

(alle Konnekte können falsch sein / es ist möglich, dass alles Konnekte wahr sind) einig, sind aber erste und dritte Interpretation in allen anderen Fällen sogar genau komplementär verteilt, unterscheiden sich dort also maximal. (63a)

Das war eine frühe Form von Aromatherapie, von der […] immer nur im Zusammenhang mit Frauen die Rede ist. Entweder schliefen die Männer in der Kirche nicht ein, oder sie durften einschlafen, oder es schickte sich nicht für sie, zu solchen Hilfsmitteln zu greifen. (Die Zeit, 26.01.1996, o. S.) […] soll der Bund […] einen stetig steigenden und erheblichen Milliardenbetrag an Länder und Kommunen umleiten. Geschehen soll dies entweder im Rahmen des Länderfinanzausgleichs oder durch einen erheblichen Anteil an der Mineralölsteuer oder durch eine bundesweite Nahverkehrsabgabe. (die tageszeitung, 23.06.1992, S. 6)  

(63b)



Diese wie auch vergleichbare Belege zeigen, dass sprachlich wohl nur die erste der oben genannten Interpretationen gemeint sein kann, denn tatsächlich signalisiert das entweder (…) oder (ggf. über sachliche Erwägungen hinaus), dass nicht mehr als eine der Alternativen tatsächlich der Fall sein kann. Damit scheiden die beiden anderen Verallgemeinerungen aber bereits aus. Für den Fall der exklusiven Alternative und für konstative Konnekte muss also eine für alle n einheitliche verallgemeinerte Definition etwa so lauten: Genau eines aller durch einen solchen Konnektor verbundenen Konnekte soll wahr sein. – Diese Variante entspricht der Intuition wohl am ehesten. Der zweistellige Fall ist, wie man leicht sieht, in allen Varianten ein Spezialfall von dieser allgemeinen Bestimmung. Exkurs: Zur Mehrstelligkeit bei den alternativbasierten Konnektoren und den disjunktiven Junktoren der Aussagenlogik Die Anwendung der logischen Junktoren Adjunktion und Kontravalenz auf drei Propositionen, nämlich zweimal sukzessive zweistellig, ergibt folgende Wahrheitswerttabelle: Tab. C3-3: Wahrheitswertverteilung von zwei aussagenlogischen Junktoren des disjunktiven Bereichs bei Anwendung auf drei Propositionen p

q

r

p Ú q Ú r (Adjunktion)

1

1

1

1

1

1

1

0

1

0

1

0

1

1

0

1

0

0

1

1

0

1

1

1

0

0

1

0

1

1

0

0

1

1

1

0

0

0

0

0

p >—< q >—< r (Kontravalenz)

648

C Semantische Konnektorenklassen

Die Wahrheitswerttabelle zeigt, dass die dreistellige Adjunktion „p Ú q Ú r“ eine Wahrheitswertverteilung hat, die genau der Bestimmung von mehrstelliger inklusiver Alternative entspricht, wie sie in Tab. C3-2 dargestellt wurde, wenn man „ist denkbar“ mit „die Kombination ist wahr (1)“ und „ist ausgeschlossen“ mit „falsch (0)“ „übersetzt“. Im Falle der Interpretation von drei- und mehrstelligem oder als inklusive Disjunktion oder eben von und/oder ergeben sich also bei diesem Vergleich keine Probleme. Anders, wenn man unterstellen muss, die Bedeutung von oder sei in einem gegebenen Fall durch die exklusive Disjunktion wiederzugeben, oder wenn man eine Formulierung mit entweder (…) oder betrachtet. Hier weichen die intuitiv sinnvollen Wahrheitswertverhältnisse von der Definition der Aussagenlogik ab (die Unterschiede sind in Tab. C3-2 fettgedruckt): Wie nämlich Reichenbach (1947) schon bemerkt hat (vgl. a. Jennings 2008: o. S.), ergeben sich für mehr als zweistellige Verbindungen mit dem Junktor Kontravalenz, dass das Ganze genau dann wahr ist, wenn eine ungerade Anzahl von Argumenten wahr ist, eine auch inhaltlich naheliegende Verallgemeinerung des zweistelligen Falles. Das heißt insbesondere, dass schon im einfachen Falle von drei Argumenten ihre Verbindung mittels der Kontravalenz auch dann wahr ist, wenn alle drei wahr sind. Das aber entspricht keiner sprachlichen Intuition bzgl. der exklusiven Verwendung eines der alternativebasierten Konnektoren. (S. dazu und zum mathematischen Beweis der Behauptungen bzgl. des Junktors z. B. die Stanford Encyclopedia of philosophy, plato.stanford.edu/entries/disjunction/; hier wird das Problem geradezu zu einer sprachlichen Universalie: „there is no naturally occurring coordinator in any natural language matching the truth-conditional profile of such a connective“.) Gerade der Ausschluss der Möglichkeit, dass alle (hier: alle drei) Teilaussagen wahr sind, macht ja die Exklusivität dieser Disjunktionsvariante (gegenüber der inklusiven Disjunktion) aus; das Zulassen dieser Möglichkeit kennzeichnet dagegen den inklusiven Fall. Aus der umgekehrten Perspektive – von der Sprache aus gesehen – macht es wie gesehen Sinn, eine exklusive Disjunktion verallgemeinert so zu bestimmen, dass der Satzkomplex gdw. wahr ist, wenn genau eines der Konnekte wahr ist. Dies – entsprechend der dritten Spalte von rechts in Tab. C3-2 – ist die beste Näherung an die exklusive sprachliche Lesart der alternativebasierten Konnektoren und sie ähnelt der Kontravalenz. Aber auch sie unterscheidet sich immer noch an einer Stelle von dieser, ausgerechnet nämlich in dem Fall, dass alle drei Konnekte wahr sind. Sie entspricht überhaupt keinem auf Mehrstelligkeit verallgemeinerten aussagelogischen Junktor. Das sprachlich intuitiv Plausible stimmt also nicht überein mit dem, was die logische Berechnung bei der Übertragung der Bestimmung der Junktoren auf mehr als zweistellige Fälle ergibt; aus Sicht der Logik also wieder eine „Paradoxie“, die in der Sprachwissenschaft allerdings weitgehend unberücksichtigt bleiben kann. Hier muss sie nur bei der Berücksichtigung logikorientierter Literatur mitbedacht werden. Aus Sicht der Grammatik muss man umgekehrt sagen, dass ein bestimmtes Resultat der systematischen Anwendung logischer Bestimmungen sprachlich kontraintuitiv ist.  







3.3.1.3 Ein- vs. ausschließende Alternative als Differenzparameter Doch nun zu der Frage, ob sich die Unterscheidung zwischen ein- und ausschließenden Alternativen als Differenzparameter eignet. Wir bleiben zunächst beim zweistelligen Fall. Oft wird die Alternative-Relation und werden die disjunktiven Konnektoren generell per „gegenseitiges Ausschließen“ o. ä. definiert (z. B. bei Jude 131971: 202 und 252; auch in der älteren Duden-Grammatik (61998: 402), wird der Terminus „ausschließend“ als Alternative zu disjunktiv angegeben), also ihre Bedeutung auf die erste  



C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

649

dieser beiden Arten von Alternativen eingeschränkt. Der Versuch aber, die Bedeutung von oder oder gar der Gesamtmenge der alternativebasierten Konnektoren ausschließlich über exklusive Alternativen zu bestimmen (vgl. etwa Figurovskij 1976), ist zu eng. Im Gegenteil stellen nach üblicher Ansicht diese beiden Alternative-Arten den potenziell bedeutsamsten Differenzparameter innerhalb der Klasse der disjunktiven Konnektoren: Beide Arten von Alternative-Beziehungen können von bestimmten Konnektoren dieser Klasse ausgedrückt werden, aber nicht beide von allen. Stellt sich also die Frage, welche Zuordnung dieser „sachlichen“ Unterscheidung zu einzelnen deutschen Konnektoren bzw. deren Bedeutung es gibt. Auch für die logikorientierte Betrachtung gilt: „Eine jüngere Tradition identifiziert oder mit einem logischen Funktor, nur muss da eine semantische Entscheidung getroffen werden, denn die Logik unterscheidet die exklusive und die inklusive Disjunktion […] und so wird oder mal der Disjunktion (Ú), mal der Kontravalenz (w) gleichgesetzt. Eine dritte – eigentlich nie erwähnte – Möglichkeit wäre noch die Exklusion (|)“ (Marillier 2004: 1). In diesem Geiste argumentiert auch Lang (1991: 609), der ja zumindest davon ausgeht, dass wir „einen wichtigen Bedeutungsaspekt der koordinierenden Konjunktionen […] beschreiben [können], indem wir sie auf das reduzieren, was in den logischen Funktoren enthalten ist […]. Das ist natürlich nur eine Approximation, […] die […] durch weitere Bedingungen zu ergänzen ist.“ Zwischen sprachlichen Konnektoren und den Junktoren der Aussagenlogik bestehen „prinzipielle Unterschiede“ (ebd.). Aber die Bestimmung der Bedeutung mancher disjunktiver Konnektoren durch die Zulässigkeit der beiden Alternativen-Fälle ‚p und nicht-q‘ und ‚nicht-p und q‘ und nur dieser beiden, anderer dagegen durch die Zulässigkeit auch von ‚p und q‘, ergibt immerhin „eine Art Gerüst für die linguistische Bedeutungsbeschreibung der koordinierenden Konjunktionen“. Am eindeutigsten und unproblematischsten ist die Lage bei und/oder – Dieser Konnektor wurde ja eigens geprägt, um die einschließende Alternative bzw. hier sogar tatsächlich einen bestimmten aussagenlogischen Junktor, die Adjunktion, eindeutig wiederzugeben. (Eine „Präzisierung der Disjunktions-Idee [gelang] durch Einführung der zunächst anglo-amerikanischen Ausdrucksweise ‚and/or‘, ‚und/oder‘, die ganz genau das p Ú q = p Ú q Ú pq besagt“, Döhmann 1966: 409/410. Vgl. zum ganz analogen englischen and/or Haspelmath 2007: 26/27.) Das wird auch schon am Aufschlusswert, genauer dem ersten Bestandteil sichtbar: Dass p und q der Fall ist (bei Döhmann „pq“), soll dezidiert ebenfalls für möglich erklärt werden. (64)

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass man Hunde im Stadtgebiet an der Leine führt, und/oder ihnen einen Beißkorb verpasst. (Niederösterreichische Nachrichten, 21.04.2010, o. S.)  

Die wahrheitskonditionale Bedeutung der additiv basierten Klasse (soweit sie nicht negationsinduzierend ist) ist ja so bestimmt, dass (nur!) der Fall zugelassen wird, dass p und q der Fall sind (vgl. am Anfang von C2. und in C2.1.2).

650

C Semantische Konnektorenklassen

Dass und/oder eindeutig für die inklusive Alternative steht, heißt aber auch: Von dieser Lesart abweichende Verwendungen sind als widersprüchlich, geradezu ungrammatisch, jedenfalls aber falsch zu charakterisieren. Sie kommen vor, aber nur sehr selten, und können daher nicht als Gegenargument gegen die Analyse der (bewusst geprägten) Bedeutung angeführt werden. (65)

Danach können Jugendliche und Erwachsene mit beschränkten finanziellen Mitteln mit einmaligen und/oder wiederkehrenden Beiträgen unterstützt werden. (St. Galler Tagblatt, 08.09.1998, o. S.)  

‚Einmalig‘ und ‚wiederkehrend‘ schließen sich aus, der Fall ‚einmalig und wiederkehrend‘ kann also sachlich gar nicht eintreten. Bezeichnend immerhin, dass sich Belege für eine Struktur p und/oder q, aber nicht beide nicht finden ließen. Und nicht selten liest man Formulierungen wie die folgende, bei denen die Fortsetzung oder beide als redundant gelten müssen. (Der Sprecher hat offenkundig die spezifische Bedeutung von und/oder nicht begriffen und/oder das Bedürfnis, das einschließende Moment der Alternative besonders zu unterstreichen, also die Tatsache, dass auch der Fall p und q möglich ist.) (66)

Der […] Konflikt um die Frage, wer […] den EU-Vertrag unterschreibt ( Vranitzky und/oder Mock oder beide gemeinsam ) ist offenbar beendet. (Neue KronenZeitung, 11.05.1994, S. 2)  

Auch entweder (…) oder wird in aller Regel eine eindeutige Bedeutung innerhalb der Arten von Alternativen zugeschrieben, nämlich die andere, die ausschließende. In der Logik wird es ja als übliche Umschreibung für die Kontravalenz verwendet (vgl. z. B. Kamlah/Lorenzen 1973/1985: 154), und das nicht völlig willkürlich; man verlässt sich da auf eine alltagssprachliche Intuition. Wir werden sehen, dass es nicht in all seinen Eigenschaften mit diesem logischen Junktor übereinstimmt, dass aber seine Kernbedeutung durchaus als die der exklusiven Alternative gefasst werden kann.  

Dass in manchen Fällen auch ohne das entweder aus Sachkenntnis oder Logik heraus sich schon die exklusive Lesart ergeben würde, wie Hendriks (2004: 17) mit McCawley (1993: 230 f.) argumentiert, widerlegt natürlich keineswegs, dass in anderen Fällen eben das entweder diese Bedeutungsspezifik beiträgt oder erzwingt (also die Art der Alternative desambiguiert), so dass ihm generell diese Bedeutung zugeschrieben werden kann. Das Angebot Für 1.50 bekommst du (entweder) eine Suppe oder ein Dessert lässt ohne das entweder prinzipiell auch die Möglichkeiten ‚Suppe und Dessert‘ zu, was hier – wenn überhaupt – durch kulturelle Gepflogenheiten ausgeschlossen wird; mit dem entweder aber schließt es auch ohne kulturelle Hintergrundkenntnisse diese Interpretation aus: nur „Suppe und kein Dessert“ und „Dessert und keine Suppe“ bleiben akzeptable Möglichkeiten. Keineswegs kann die entweder (…) oder-Formulie 

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

651

rung durch und ersetzt werden: Dann würde es sich bei der Variante, beides zu erhalten, nicht um eine von mehreren Möglichkeiten handeln, sondern um den einzigen in Frage kommenden Fall. Es gibt allerdings auch Argumente gegen die These, entweder (…) oder sei fundamental exklusiv. Kohrt (1979) hat bereits einige davon genannt. Manche Korpusbelege scheinen diese Gegenposition zu stützen, die sich vor allem auf die Fortsetzbarkeit mit oder beide beruft, was ja tatsächlich im Gegensatz zum Ausschluss dieses Falles bei der exklusiven Alternative zu stehen scheint. Manche Autoren stellen sogar ganz in Frage, ob oder überhaupt je (und also auch mit entweder zusammen) in der natürlichen Sprache exklusive Lesart annehmen kann. Diese Problematik gilt offenkundig einzelsprachübergreifend. van Oirsouw etwa zieht in Zweifel „that natural language has an ‚exclusive or‘, and that exclusive or is either-or (German: entweder – oder). Sentences such as (9) and (10) (9) (10)

If you are either a Fellow or accompanied by a Fellow you may walk across King’s College front lawn. You may be accompanied by either your wife or your mother or your mistress.

make it quite clear that the notion of exclusive or is problematic in natural language“ (1986: 240; für „some extremely helpful discussion“ verweist sie auf McCawley 1993: 76–78). So geht van Oirsouw’s Beispiel (10) in Richtung auf unser Argument bzgl. des Unterschieds von dreistelliger Kontravalenz und dreistelligem entweder (…) oder, was zeigt, dass eben die Bedeutung von entweder (…) oder nicht die logische Kontravalenz sein kann, wohl aber die ausschließende Alternative: „genau eine der zu Gebote stehenden Alternativen“. Das löst von Oirsouws Problem. Es geht eben nicht um Junktoren, sondern um Konnektoren. Von den folgenden Belegen – die durchaus keine Idiosynkrasien darstellen – steht – (67a) wie erwartet für die exklusive Lesart, (67b) aber tatsächlich für die inklusive (wie das genannte sprachliche Anzeichen zeigt) und (67c) sogar für die Exklusion (auch der Fall „weder p noch q (keines von beiden ist der Fall)“ wird in Betracht gezogen, während „p und q (beide sind der Fall)“ hier ausgeschlossen ist, da die Sachverhalte in einem kontradiktorischen Verhältnis zueinander stehen): (67a)

Rußland will entweder in der Nato mitbestimmen oder die Nato von seinen Grenzen fernhalten. (Der Spiegel, 12.12.1994, S. 132) „Deine Mudder“ […] referenziert […] auf die ausgeprägte „Deine Mudder!“Beleidigungs- und Witzkultur, bei der es stets darum geht, dass deine Mudder entweder fett ist oder es mit jedem macht oder beides . (die tageszeitung, 24.03.2011, S. 14) „Wir wollen entweder jedes vorstellbare Image oder aber überhaupt keins verkörpern. Oder keins von beidem “, sagt Wolfgang Reutter von beigeGT. (die tageszeitung, 01.11.2001, S. IV)  

(67b)





(67c)



652

C Semantische Konnektorenklassen

Darüber hinaus gibt es auch Fälle, wo auch ohne zusätzliche sprachliche Indizien schon und nur von der Sachkenntnis her klar ist, dass trotz entweder die einschließende Alternative gemeint ist bzw. sein müsste, etwa in (68), wo eindeutig ‚mindestens‘, nicht ‚genau eins von beiden‘ gemeint ist. (68)

An diesem Wochenende kann Bayern München zum 15. Mal Deutscher Meister werden […]. Entweder ein Punktverlust von Bayer Leverkusen heute gegen den VfL Bochum oder ein Punktgewinn der Bayern morgen im Heimspiel gegen Hertha BSC […] und das Titelrennen in der Fußball-Bundesliga ist entschieden. (Berliner Morgenpost, 08.05.1999, S. 32)  

Wenn aber entweder (…) oder speziell für die Kontravalenz steht, wie wir annehmen, hätte es den Fall „keins von beidem“ genauso wie auch „beide“ bereits als unmöglich ausgeschlossen. Liegt also in solchen Fällen wie (67b) und (67c) und auch (68) ein Formulierungs- (oder womöglich Denk-)fehler vor, dürfte das entweder nicht gesetzt werden,3 oder muss angesichts der Häufigkeit solcher Belege auf die Zuschreibung der spezifischen (ausschließenden) Bedeutung zu entweder (…) oder verzichtet werden? Beides sind keine zwingenden Konsequenzen aus den scheinbaren Gegenbeispielen. Denn die Tatsache, dass die Konstruktion als Ganzes inklusiv zu lesen ist, muss nicht auf eine entsprechende Bedeutung des Konnektors zurückgeführt werden. Vielmehr zeigen Bildungen wie entweder (…) oder … oder beide zwar, dass der Ausdruck als Ganzes hier gerade nicht für die exklusive Disjunktion steht, das ist aber über eine tatsächlich exklusive Beziehung zwischen Argumentpaaren vermittelt. Es werden nicht einfach die Einzelsachverhalte p und q einander gegenübergestellt, sondern diese beiden jeweils mit der per Implikation hinzugefügten Negation ihres Partners. Diese Paare schließen sich aus, und ihnen können mit derselben Relation der ausschließenden Alternative auch noch die Fälle „p und q“ und „weder p noch q“ angeschlossen werden. Mit der exklusiven Relation [Genau eines von den Paaren „p (und per Implikation oder explizit nicht q)“, „q (und per Implikation oder explizit nicht p)“, „p und q“ ist wahr (oder möglich)] umschreibt man dann aber genau die Relation der einschließenden Alternative zwischen den Einzelargumenten p und q. Eine entsprechende Argumentation ist dann für die Exklusions-Beziehung möglich. Formal auf der Ebene der Junktoren zusammengefasst, wo das ganz analoge gilt: (p Ù ¬q) >–< (q Ù ¬p) >–< (p Ù q) ist völlig äquivalent zu p Ú q. 3 So kommt entweder (…) oder in Beispielen wie van Oirsouws (9) zwar natürlich vor, ist aber sprachlich-logisch eben falsch: Der Sprecher hat an den Fall, dass jemand Fellow ist und von einem Fellow begleitet wird, wahrscheinlich einfach nicht gedacht, die Nennung der beiden für sich je hinreichenden Bedingungen genügt ihm bereits.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

653

So erklärt sich also, dass mit exklusiv zu lesendem entweder dennoch die inklusive Alternative umschrieben werden kann. Auch die drei- und mehrstelligen Fälle lassen sich durch ein analoges Vorgehen erklären; hier müssen dann statt Paaren Tripel etc. gebildet werden: entweder (p [und nicht q und nicht r]) oder … kann dann, je nachdem, welche der Tripel-Kombinationen [±p und ±q und ±r] für zulässig erklärt werden, inklusive wie exklusive Disjunktion der einzelnen Argumente (p, q, r) ergeben. Diese analytische „Rettung“ der These von der prinzipiell exklusiven Kernbedeutung von entweder (…) oder widerspricht auch nicht der Etymologie von entweder (‚eines/welches von beiden‘, vgl. Kluge 1999: 224, Pfeifer 1997: 288), denn die Formel Eins von beiden ist der Fall lässt sich verstehen als ‚genau eins‘ (womit sich tatsächlich die exklusiven Lesart ergäbe; ‚eins‘ wäre dann eines der Paare), aber eben auch als ‚mindestens eins‘ (was die inklusive Lesart ergäbe und sich auf die Einzelargumente p und q je für sich bezöge). Um diesen Analysevorschlag noch an einem realen Beleg zu illustrieren: In (69a) wird auch von der Formulierung her ganz deutlich, dass es als Argumente um Paare bzw. noch allgemeiner Kombinationen der Wahrheitswerte aller beteiligter Sachverhalte geht, nicht um die Einzelsachverhalte – expliziert wird p + (q Ù ¬p) + (r Ù ¬q Ù ¬p) (p = verfügt über keinen PC, q = verfügt über kein Modem, r = verfügt über keinen Internet-Anschluss); und womöglich noch deutlicher werden in (69b) alle vier kombinatorisch sich ergebende Fälle aufgezählt, wobei durch die Negation der Fälle „p und q“ und „weder p noch q“ hier auf sehr umständliche Art am Ende wieder die exklusive Lesart resultiert, die auch nach den ersten beiden Gliedern schon gegeben war: (69a)

Die Relationen stimmen nicht zwischen den Bergen von Artikeln und Berichten und den tatsächlichen Erfahrungen des Bürgers, der mit dem Thema allein schon deshalb nichts anfangen kann, weil er entweder über keinen PC, oder – falls doch – über kein Modem, oder – falls auch das – über keinen Internet-Anschluß verfügt. (Die Presse, 09.04.1996, o. S.) Entweder sei man dafür oder dagegen , aber nicht beides oder keines von beiden . (Nürnberger Nachrichten, 05.04.2001, S. 3)  

(69b)







Unabhängig von seiner Bedeutung kann also mit entweder (…) oder außer der exklusiven zumindest auch die inklusive Disjunktion dargestellt werden, und zwar über Inferenzen, die zur Vervollständigung zu Paaren führen. Es kann aber dabei bleiben, dass diesem Konnektor als seine Grundbedeutung die ausschließende Alternative zuzuschreiben ist. Dafür sprechen auch dialogische Beispiele, in denen ein zweiter Sprecher auf eine Frage oder Aussage P oder q nur mit Entweder oder! (i.d.R. mit kontrastiv betontem entweder) antwortet, ohne die Konnekte nochmals explizit zu machen, und damit nur ausdrückt, dass seiner Meinung nach zwischen p und q nicht, wie mit der ersten Äußerung vereinbar, eine inklusive, sondern eine exklusive Beziehung besteht.

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(70)

C Semantische Konnektorenklassen

A: Werden die Kosten für die Renovierung bei den Allgemeinen Kosten […] oder bei den Umzugskosten […] anerkannt? B: Grundsätzliche Antwort: Entweder/oder. (de.soc.recht.steuern-buchfueh rung.narkive.com/7WXD15Jvfrage-zu-renovierungskosten-fur-alte-wohnungbei-berufsbedingtem-umzug)  

Auch eine sprechereigene nachträgliche Spezifikation spricht für ein solches Verständnis von entweder (…) oder: (71)

Du kannst Gott im Kopf haben oder Geld. Entweder, oder. Beides zusammen geht nicht . (Braunschweiger Zeitung, 26.09.2009, o. S.)  



Die nicht seltenen Belege mit einer Fortsetzung der Art entweder (…) oder … nicht jedoch beide (gerade in formal-definitorischen Zusammenhängen!), was auch oft noch mit Zusätzen wie zugleich u. ä. verstärkt wird, zeigen zwar, dass Sprecher für die Herstellung von exklusiver Disjunktion noch nicht auf das entweder vertrauen, sondern dass sie auch dann noch, wenn sie entweder gesetzt haben, das Bedürfnis verspüren, diese Interpretation zu vereindeutigen. Das aber ist kein sprachsystematisches Argument; da tatsächlich das entweder alleine schon ausreicht, ist dieser Fortsatz redundant.  

(72)

„Laser-Schutzbrillen werden im Ausland getestet, sind bei uns aber noch nicht im Einsatz“, sagt Safety Officer Rieder. Die Brillen haben zwei entscheidende Nachteile: Erstens verdunkeln sie die Sicht zusätzlich, und zweitens sind sie entweder gegen rote oder grüne Laserpointer wirksam, aber nicht gegen beide gleichzeitig . (St. Galler Tagblatt, 07.06.2011, S. 44, identischer Beleg: Die Südostschweiz, 09.06.2011, S. 7)  





Kann vorausgesetzt werden, dass die Beziehung der Konnektsachverhalte zueinander als einschließende bekannt ist, darf entweder nicht gesetzt werden; kann sie als ausschließende angesehen werden, darf entweder z. B. zur Verdeutlichung oder Vereindeutigung oder mit ganz anderer Funktion gesetzt werden; ist sie – nach Meinung des Sprechers – dem Adressaten oder gar prinzipiell unbekannt (unbewiesene mathematische Thesen, theologische Glaubensaussagen) bzw. können von der Sache her sowohl ein- wie ausschließende Alternativität sinnvoll sein, sind also ex- wie inklusive Alternative als Interpretation der Äußerung möglich, so entscheidet entweder zuungunsten der inklusiven als vom Sprecher intendierte, erzwingt die exklusive. Die Annahme einer grundlegen exklusiven Bedeutung von entweder (…) oder lässt sich auch wieder auf den Fall nicht-assertiver Sprechakte übertragen, was sich auch hier in manchen Fällen sowohl mit Sprechakt- als auch mit Propositionsbezug analysieren lässt. Es gibt durchaus Verbindungen von zwei Direktiva mit entweder (…) oder:  

655

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

Als Student ist man sein eigener Chef. Das heißt: Entweder gib dir frei und nimm dir einen Urlaubstag oder ein paar Stunden Zeitausgleich – oder arbeite. Aber bitte entscheide dich! (Salzburger Nachrichten, 11.03.1998, o. S.)

(73)



Auch hier ist möglich (illokutionär) „Der Student weist sich an, p, zu tun, weist sich aber nicht an, q zu tun“ wie auch das umgekehrte; oder (propositional) „Tue (p, aber nicht q)“ sowie „Tue (nicht p, sondern q)“. In beiden Fälle ist aber ausgeschlossen „Der Student weist sich an, p zu tun, UND er weist sich an, q zu tun“ bzw. „Tue (p UND q)“. Da beide Fälle äquivalent sind, genügt es auch hier, sich auf die propositionale Beziehung zu beschränken bzw. nur von ihr auszugehen. Wir haben uns bisher auf den Fall der beiden Alternative-Arten beschränkt, die „weder p noch q“ als Möglichkeit ausschließen. Dass entweder (…) oder dadurch spezifiziert ist, dass es „p und q“ ausschließt, sagt aber über Zulässigkeit oder Unmöglichkeit der Kombination „weder p noch q“ noch nichts aus. Wir müssen jetzt also noch wenigstens kurz ansprechen, ob entweder (…) oder nicht auch für die Exklusion und die Tautologie stehen kann (vgl. Tab. C3-1). Belege, die für die Möglichkeit der Exklusions-Lesart sprechen könnten, sind solche, in denen der „weder-noch“-Fall ausdrücklich als möglicherweise eintretend gekennzeichnet wird, also – wenn die Tautologie vermieden werden soll – nur der Fall „p und q“ als möglich/denkbar/ vorstellbar ausgeschlossen wird:  

(74a)



Susanne Osterwalder kann sich kaum vorstellen, dass beide Gesuchsteller eine Konzession erhalten. „Entweder rfs oder wir – oder keiner von beiden.“ (St. Galler Tagblatt, 25.09.1997, o. S.) Im Grunde genommen ist „Deutschland sucht den Superstar“ ganz einfach zu erklären: […] Eine Hand voll Kandidaten, die entweder wirklich singen können oder gut aussehen oder keines von beidem und Daniel Küblböck heißen, bleibt übrig […]. (die tageszeitung, 16.11.2005, S. 17)  

(74b)



Diese Fälle lassen sich nun ganz analog zu denen von scheinbar inklusiver Disjunktion analysieren (als exklusive Disjunktion von Paaren: entweder (p und nicht-q) oder (nicht-p und q) oder (nicht-p und nicht-q)). Und sogar die Tautologie und somit der vierte Fall mit (p und nicht-q) oder (nicht-p und q) ergibt sich auf die gleiche Art. Es bleibt also dabei, dass entweder (…) oder exklusive Alternative zur Bedeutung hat. Entweder kann aber nun – über diese hinaus bzw. in manchen Fällen sogar unter Absehung von diesem Spezifikum – folgende Funktionen haben: a)

Es kann in den Fällen, wo mehr als zwei Konnekte miteinander verbunden werden, abwechselnd mit anderen alternativebasierten Konnektoren gebraucht, Klammerung von/innerhalb dieser Reihe von Konnekten deutlich machen (entweder p oder q, entweder r oder s):

656

(75)

C Semantische Konnektorenklassen

Dieses Thema hat in ganz besonderer Weise mit Abspaltungen zu tun, deswegen ist die Diskussion darüber so schwierig. Entweder man steht auf der Seite der Opfer oder der Täter, entweder man verurteilt alles schärfstens oder man riskiert schärfste Anwürfe. (die tageszeitung, 24.10.1996, S. 17)  

b)

Es kann von Anfang an klarmachen („ankündigen“, erwarten lassen), dass eine Alternative-Relation folgt, so dass auch einem als erstes Konnekt folgenden Konstativsatz gleich von vorneherein (und nicht erst wie oben dargelegt erst ex post) die Faktizität genommen wird. In manchen Kommunikationssituationen ist das notwendig:

(76)

Wenn der Politiker behauptet, er habe die Arbeit neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter verfasst, dann kann ich nur konstatieren: Entweder er hat sein politisches Amt gravierend vernachlässigt oder er ist ein Genie oder es ist etwas ganz erheblich faul. (Nürnberger Nachrichten, 19.02.2011, S. 19)  

Ohne das Entweder (oder einen Ausdruck mit vergleichbarer Funktion) könnte der Leser zunächst annehmen, dass er hat sein politisches Amt gravierend vernachlässigt (alternativlos und faktisch) behauptet wird, und würde erst durch das folgende oder darauf aufmerksam, dass das nicht so gemeint ist. Gleichzeitig ist diese Äußerung von der Sache her durchaus mit einer inklusiven Lesart vereinbar (alle drei Aussagen könnten gemeinsam gelten). Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Schreiber eine der drei Alternativen bevorzugen würde, wie es in Texten nach dem Steigerungsprinzip manchmal deutlich wird. c)

Es kann den Skopus, also den Umfang des externen Konnekts klarmachen, was kommunikativ vor allem wichtig sein kann, wenn dieses relativ groß ist, womöglich über mehrere Sätze hinweg sich erstreckt, oder die Syntax den Skopus nicht so recht eindeutig macht:

(77a)

Praktisch muss der Bundesrat in den nächsten zwei Wochen unter drei Varianten entscheiden: Entweder {wird die LSVA mit der 34-Tonnen-Limite planmässig in Kraft gesetzt, und die Kontingente gelten erst, wenn die EU die bilateralen Abkommen ratifiziert hat, was einen Konflikt mit der EU bedeutete. Ausserdem müsste mit Störmanövern von Schweizer und EU-Camionneuren bei der Einführung der LSVA gerechnet werden.} Oder es werden zusammen mit der LSVA die 34-Tonnen-Limite und die 40-Tönner-Kontingente in Kraft gesetzt. Eine weitere Variante wäre, LSVA, 34-Tonnen-Limite und Kontingente auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der bilateralen Abkommen zu verschieben. (St. Galler Tagblatt, 04.10.2000, o. S.)  

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(77b)

657

In Versailles hatte sich außer Keynes keiner um die Erschütterungen gesorgt, welche der Transfer von Devisengebirgen auslöst. Entweder {konnten die Devisen auf den Märkten der Gläubigerstaaten durch deutschen Dumpingexport erlöst werden. Dagegen wehrten sich die dortigen Industrien; immer höher wuchsen die Zollmauern und immer weiter schrumpften die Einfuhrkontingente. Keynes vermochte die Narretei von Regierungen schier nicht fassen, die einerseits dem Reich bis zu zwei Milliarden Devisen jährlich abverlangten, andererseits aber ihre Märkte verbarrikadierten, wo sie allein zu verdienen waren.} Oder aber die Deutschen hätten ihre Mark auf dem Devisenmarkt gegen Valuta eingetauscht, allerdings nicht ohne ihre Währung durch das Überangebot erneut zu inflationieren. Eine deutsche Inflationsmark verdarb aber erst recht den Handel derer, die nach Deutschland importierten. Davon hing beispielsweise die britische Industrie auf Gedeih und Verderb ab. (Berliner Zeitung, 09.10.1999, S. VI)

Von der oder-Gruppe wurde also und/oder eigens zur Markierung der einschließenden Alternative geprägt und steht entweder (…) oder eindeutig für die ausschließende Alternative. Das erklärt die innere Widersprüchlichkeit von Belegen mit der nicht ganz seltenen Kombination entweder (…) und/oder, noch dazu mit beides (nicht), die also als abweichend zu charakterisieren, als Performanzfehler zu werten sind: (78a)

Der Tod des sechsjährigen Jungen im Sebnitzer Freibad scheint nach Lage der Dinge entweder ebenfalls aus der wohl anständigen Mitte der Gesellschaft heraus angestiftet und möglicherweise auch bezahlt worden zu sein. Und/ oder der Tod des Jungen ist von dessen Angehörigen instrumentalisiert worden und sollte […] anderen Bewohnern des Städtchens untergeschoben werden. (die tageszeitung, 01.12.2000, S. 13–14) Russische Küche in Deutschland werde daher meist von Deutschen „mit einem Russenknall“ gemacht, der bei Personen zu beobachten ist, die entweder in Russland studiert, an einer Eisenbahnlinie mitgebaut und/oder dabei eine Russin geheiratet haben. Oder alles zusammen. (Berliner Zeitung, 02.03.2006, S. 10) Die im Erdgeschoss betriebene Gaststätte kann nur dann als Mangel für eine Minderung herhalten, wenn entweder der Gastwirt die Lärmschutzverordnung missachtet und/oder die Schallschutzdecke der Gaststättenräume nicht den zu beachtenden Vorschriften genügt. Liegt beides nicht vor, so ist auch ein Mangel an der Mietsache zu verneinen. (Berliner Zeitung, 15.01. 2005, S. 1)  

(78b)



(78c)



Allerdings gibt es auch Belege wie den folgenden, die von Autoren stammen, denen in dieser Hinsicht (aufgrund des von ihnen sachkundig behandelten Themas) eine gewisse Bewusstheit unterstellt werden darf. Die Erklärung muss offen bleiben. Wo-

658

C Semantische Konnektorenklassen

möglich spielen hier die o. g. anderen Funktionen von entweder – unter Absehung von seiner ausschließenden Kernbedeutung – eine Rolle.  

Ein Blindwiderstand ist kapazitiver und/oder induktiver Natur. Das bedeutet, dass die Phasenverschiebung entweder durch die Wirkung eines elektrischen Feldes […] und/oder durch die Wirkung eines magnetischen Feldes […] verursacht wird. (Blindwiderstand, Wikipedia, 2005)

(79)

Der dritte zu untersuchende alternativebasierte Konnektor, oder (alleine), unterscheidet sich von den bisher besprochenen beiden grundlegend darin, dass er in Hinsicht auf die Opposition ein-/ausschließende Alternative unterspezifiziert ist. Je nach Kontext und Weltwissen können Disjunktionen mit oder so oder so interpretiert werden. Nun wäre es möglich, oder eine der beiden Lesarten als Grundbedeutung zuzuschreiben, aus der die andere in der Verwendung per pragmatischer Implikatur o. ä. abgeleitet wird; aber wir werden auch hier für ein Modell im Sinne des Bedeutungsminimalismus (vgl. A3.1 und A3.3) argumentieren, nach dem der prototypische Klassenvertreter oder nur die ganz allgemeine Bedeutung der Klasse hat und die Art der Alternative sich in der Verwendung entscheidet. Ob ‚p und q‘ auch zulässig oder ausgeschlossen ist, mit der Situation kompatibel oder nicht, hängt bei oder – anders als bei entweder (…) oder (wo es nicht so ist) und und/oder (wo es so ist) – alleine vom Kontext und vom Weltwissen (von den möglichen sachlichen Verhältnissen der Konnektsachverhalte zueinander) ab, bzw. kann durch zusätzliche sprachliche Signale, etwa eine Fortsetzung des Typs … oder auch/aber nicht beide(s) u. ä. natürlich auch sprachlich vereindeutigt werden. Ex fortiori kann jede der vier Alternative-Arten (auch die Exklusion und sogar die Tautologie) durch oder versprachlicht werden. Eine andere Lösung wählt die Duden-Grammatik in ihrer neuesten Auflage (82009: 622): Sie nennt als „alternative“ Konjunktionen u. a. ausschließendes oder und einschließendes oder, trennt also diese zwei Bedeutungsvarianten desselben Wortes als zwei Einträge. Die Anzahl der Lexeme auf diese Art zu vermehren hat aber keinen wirklichen Vorteil gegenüber dem Ansatz, ein oder anzusetzen, das beide Bedeutungen annehmen kann. In der einschlägigen Literatur gibt es eine These, die dieser Annahme widerspricht, nämlich die, dass oder fundamental inklusiv sei (vgl. für die „standard solution in semantics“, engl. or habe inklusive Bedeutung, entsprechend Hendriks 2004: 16, mit Verweis auf Simons 2001). Manche Autoren stellen ganz in Frage, ob oder in der natürlichen Sprache überhaupt exklusive Lesart annehmen kann. Doch es gibt genügend Gegenbeispiele, in denen oder exklusiv gemeint ist (was umgekehrt sogar als die häufigere Verwendung postuliert wird – quantitative korpusbasierte Untersuchungen hierzu sind ein Desiderat). Allerdings ist auch dies nicht ausschließlich auf den Beitrag des oder zurückzuführen. Döhmann vermutet sogar: „Die früheste funktorielle Bedeutung des Wortes [für ‚oder‘] dürfte […] die der Kontravalenz gewesen sein.“ (1966: 410; sinngemäß ebenso 415).  





C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

659

Vor allem, wo einschlägige Sachkenntnis vorhanden sein müsste oder wo die Konnekte gar nicht verstanden werden, zeigt sich, dass beides möglich ist, exklusive und inklusive Interpretation: Das Fifi hat gestern geurzt oder das Mimi hat gewauzt ist mehrdeutig, kann in beiden Lesarten verstanden werden. Für beide Lesarten finden sich Beispiele, wo sie aufgrund unseres Weltwissens eindeutig sind: (80a)

Besonders interessiert sind die Koreaner an der Frage, ob wirtschaftliche Faktoren oder die Proteste der Opposition für die Verzögerungen ausschlaggebend gewesen wären. (Die Presse, 06.12.1996, o. S.) Besonders interessiert sind die Koreaner an der Frage, ob wirtschaftliche Faktoren oder die Proteste der Opposition für die Verzögerungen eine Rolle gespielt hätten. „Bei schlechter Sicht aber, speziell jetzt im Herbst oder wenn der Abend dämmert , ist mit Licht zu fahren vorgeschrieben und ein enorm wichtiger Faktor für die Sicherheit.“ (Niederösterreichische Nachrichten, 18.09.2007, S. 3) Speziell jetzt im Herbst oder erst recht später im Winter ist mit Licht zu fahren vorgeschrieben.  

(80a)’

(80b)



(80b)’

(80a) ist exklusiv zu verstehen, denn ausschlaggebend kann nur einer der Faktoren sein; eine Rolle spielen können dagegen beide, also ist das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Faktoren und Oppositionsprotesten in der Variante (80a)’ inklusiv gemeint. Umgekehrt bei dem Originalbeleg (80b) – inklusives oder – und der Variante (80b)’ – extensional exklusiv zu lesen. Ersetzt man die beiden in dieser Hinsicht eindeutigen Konnektoren entweder (…) oder bzw. und/oder in gegebenen Belegen durch einfaches oder, so ergibt sich wieder in Abwesenheit anderer durchschlagender Faktoren (wie in (66)) ebenfalls die genannte Doppeldeutigkeit. So könnte (80c) auch exklusiv gemeint sein oder verstanden werden, wenn man und/oder durch oder ersetzt. (80c)

In weiten Teilen Österreichs ist der erste Grundwasserhorizont mit Nitraten , Pestiziden und/oder Fäkalien verseucht. (Salzburger Nachrichten, 11.09. 1992, o. S.),  



Umgekehrt könnte (80d) auch inklusiv verstanden werden, wenn man das entweder weglässt, und lässt dann auch die Möglichkeit offen, dass man Gangster und Börsenmakler wird. (80d)

Er war ein cooler Typ mit listigen blauen Augen, einer jener Jungs, die entweder Börsenmakler werden oder Gangster. (Der Spiegel, 05.12.1994, S. 248)  

660

C Semantische Konnektorenklassen

Auch das Bedürfnis nach der Prägung und/oder deutet darauf hin, dass nicht schon oder eindeutig auf die inklusive Lesart festgelegt sein kann; ebenso die Tatsache, dass Sprecher es von Fall zu Fall für notwendig erachten, auch auf andere Art eigens und explizit zu verdeutlichen, dass es sich bei dem von ihrem oder gemeinten um eine inklusive Alternative handelt, was nicht nötig wäre, wenn der Konnektor allein schon alles klarstellen würde: (81)

Dabei geht es natürlich um weit mehr als nur um die Frage, ob man „Schifffahrt“ künftig mit zwei oder drei f schreibt oder ob man nicht einfach beide Varianten zulässt: Es geht um eine Machtprobe. (die tageszeitung, 07.08. 2004, S. 1)  

(Als absolute Aussagen wären die beiden Konnekte kontradiktorisch zueinander – man schreibt etwas entweder mit zwei oder mit drei f –, als zulässige Möglichkeiten sind sie nur konträr.) In vielen Kontexten ist zwischen den Lesarten gar nicht klar und eindeutig zu unterscheiden (wie schon die GDS 2425 schreibt; Beispiele s.d.; vgl. für die analoge Situation bei englisch or Geis/Zwicky 1971: 563) und kann die Lesart auch kommunikativ problemlos offen bleiben bzw. stellt sich in der kommunikativen Praxis die Frage nach exklusiver oder inklusiver Lesart gar nicht, weil es bereits genügt zu übermitteln, dass (mindestens, oder sogar auch höchstens) einer der beiden Fälle möglich ist – was wir eben als allgemeine Bedeutung von oder ansehen. Manchmal ist dies auch eine Frage der mehr oder minder ideologischen Weltsicht und ‑deutung. Die These von der grundlegend inklusiven Bedeutung von oder ist wohl von der Logik her gedacht. Dort hat sich die Adjunktion konventionell als Grundjunktor durchgesetzt, wird die Kontravalenz dagegen nicht als fundamental behandelt; das ist aber auch dort nicht zwingend (und sah noch bei Frege anders aus). Ein mögliches Argument immerhin nennt Bayer: „Da sich die nicht-exklusive Disjunktion als wichtiger für die Analyse von Argumenten erwiesen hat, kommt die Logik mit nur einem Zeichen […] für die nicht-exklusive Disjunktion aus“ (2007: 123). Aber auch Bayer bemerkt: Das alltagssprachliche oder dagegen wird sogar „in den meisten Situationen als ‚entweder … oder …‘, gelegentlich aber auch als ‚und/oder‘ gebraucht“ (ebd.). Im Kontrast zu entweder (…) oder kann oder alleine tatsächlich stärker zur inklusiven Lesart tendieren. Andererseits tendiert es im Kontrast zu und stärker zur exklusiven Lesart, die den „und“-Fall ja gerade ausschließt. Dies meint vor allem Fälle mit korrigierender Reaktion: (a) (b)

A: Entweder p oder q. B: Nein, nur ‚oder‘. A: p und q. B: Nein, ‚oder‘.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

661

Oder alleine kommt also sowohl aus- als auch einschließend vor, und es gibt auch in konkreten Fällen eindeutige Interpretationen, auch wenn die dann eben nicht wie bei entweder (…) oder und bei und/oder vom Konnektor beigesteuert sind, sondern von den Konnektbedeutungen (also dem sich aus dem Weltwissen o. ä. ergebenden sachlich-semantischen Verhältnis der denotierten Sachverhalte) bzw. dem Kontext determiniert werden (vgl. a. zu einer universalistischen Verallgemeinerung Haspelmath 2007), was aber wiederum zeigt, dass oder mit beiden Lesarten kompatibel ist. Eine typische inklusiv zu lesende Konstruktion mit oder ist folgende:  

(82)

Allerdings gewährt die Musikschule „im Einzelfall eine Ermäßigung aus sozialen Gründen“ – zum Beispiel für Sozialhilfeempfänger oder Alleinerziehende. (Frankfurter Rundschau, 22.07.1999, S. 2)  

Man darf wohl annehmen, dass man auch als alleinerziehender Sozialhilfeempfänger Ermäßigung erhält, d. h. die Ermäßigungsberechtigten sind die Vereinigungs-, nicht die Schnittmenge dieser Gruppen. Ein Test für diese Lesart ist die Tatsache, dass sich intensional interpretiertes oder (wer mindestens eines dieser Merkmale hat) hier durch extensional zu verstehendes und (die Menge 1 plus die Menge 2) ersetzen lässt, d. h. der Fall „p und q“ ist auf jeden Fall als Möglichkeit mitgemeint. Dagegen ist vor allem in Entscheidungskontexten ((83), (91b)) wohl die exklusive Interpretation von oder-Konstruktionen die der Wahl. (In (83) wäre vor der Entscheidungsaufforderung das oder durchaus auch noch inklusiv lesbar gewesen, in (91b) ist es aufgrund der Kontradiktorizität von ‚Herr‘ und ‚Knecht‘, aber eben nur deswegen, von Anfang an exklusiv zu interpretieren.)  



(83)

Bitte, Fortuna, laß ein einziges Mal Schröder den Jackpot knacken. […] Oder, Fortuna: Laß mich beim nächsten Mal gewinnen. […] Aber entscheide dich gefälligst: er oder ich . (die tageszeitung, 10.08.1998, S. 5)  



Bei alledem mögen sich natürlich die vom Sprecher intendierte Lesart und das, was der Hörer interpretiert (sei es irrtümlich, sei es bewusst uminterpretierend) in der realen Kommunikation unterscheiden, wie in (84) sichtbar wird, wo der letzte zitierte Sprecher das oder als inklusiv interpretiert, der mittlere hat es aber wohl exklusiv gemeint. (84)

„Wo sind eigentlich die Unterlagen aus Offermanns Schreibtisch?“ „Dem Schreibtisch in der Wohnung oder dem in der Praxis?“ „ Beide .“ (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 12.07.2008, S. 30)  



Offenkundig ist also oder unterspezifiziert bezüglich der Opposition ein-/ausschließende Alternative. Aber tatsächlich ist es das sogar hinsichtlich aller vier in Frage kommenden Wahrheitswert-Kombinationen von p und q, die die allgemeine Bestim-

662

C Semantische Konnektorenklassen

mung der Alternative-Relation zulässt – kommen also auch Exklusion und Tautologie in konkreten Verwendungen als Lesart in Frage. Für die entlegenste dieser Wahrheitswertkombinationen, die Exklusion, die neben den beiden für die Alternative bestimmenden auch den Fall „weder p noch q sind der Fall“ als Möglichkeit zulässt, gibt es im Deutschen keinen spezialisierten Konnektor, weswegen oder die Aufnahme übernehmen muss, ihn bei entsprechendem kommunikativem Bedarf sprachlich zu übermitteln. So kann dann auch die Exklusion sprachlich übermittelt werden und wird typischerweise durch Formulierungen der Art p oder q oder keins von beiden signalisiert, wobei das oder keins von beiden nicht etwa irgendeine Form von nachträglicher Rücknahme darstellt, sondern von vorneherein geplant ist (Indizien dafür sind u. a. die fehlende Absetzung durch Satzzeichen oder Sprechpausen) und eben eine notwendige Funktion hat, die vorher noch nicht geklärt war, nämlich auch den Fall „weder p noch q“ für möglich zu erklären (p oder q hatte dessen Zulässigkeit oder Ausschluss noch offengelassen):  

(85a)

Jeder einzelne Wähler und jede einzelne Wählerin sind eine komplexe Summe verschiedener Interessen. Sie zahlen Steuern oder nicht, besitzen Aktien oder nicht, fahren Auto oder nicht, haben Arbeit oder nicht, haben Kinder oder nicht, sind Verbrecher oder deren Opfer oder keins von beiden . (die tageszeitung, 31.07.1998, S. 6) Grundsätzlich sollte sich jeder Smart-Fahrer darauf einstellen, dass sein Automobil ein wirklich konsequenter Zweisitzer ist. Dass eben Platz für die Frau Gemahlin oder die Schwiegermutter ist und nicht für beide . (Salzburger Nachrichten, 19.08.2000, o. S.) Da alle Fotografien aus den Jahren zwischen 1936 und 1938 stammen, würde man natürlich schon gerne wissen, ob der Mann Täter , Opfer oder weder noch war. (die tageszeitung, 27.09.1993, S. 14–15)  



(85b)





(85c)





In den Belegen findet man auch den Zusatz …, oder weder noch. Diese Formulierungen lassen explizit die Fälle „(nur) p (in (85c): der Mann war Täter)“, „(nur) q (der Mann war Opfer)“ und „nicht-p und nicht-q (der Mann war weder das eine noch das andere)“ als mögliche zu. (Wir verwenden auch hier die bei entweder (…) oder bewährte Methode, statt von einzelnen Argumenten von Paaren aus dem expliziten Argument p bzw. q und dem dann jeweils implizierten Zusatzfall „und nicht das andere“ auszugehen, die auch wieder unabhängig davon funktioniert, ob man oder als Zeichen für die ein- oder die ausschließende Alternative zugrunde legt.) Der vierte kombinatorische Fall, der abzuprüfen wäre – „p und q“ –, wird durch Weltwissen (wieder in (85c): die Annahme, dass der Mann wohl nicht Täter und Opfer war) bzw. durch eine präsumtive Implikation zur Vermeidung unerwünschter Tautologien ausgeschlossen. Die Beispielsätze kann man jedenfalls ohne Anstößigkeit mit „jedenfalls aber (wird) nicht beides (zugleich geschehen), ist nicht beides der Fall“ o. ä. fortset 

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

663

zen. Zusammengenommen ergibt sich so genau die Wahrheitswertverteilung der Exklusion. Somit kann oder als unterspezifiziert auch hinsichtlich dieses dritten Falles von Alternativen betrachtet werden. Auch für diese Erweiterung gilt: In vielen Fällen bleibt sprachlich ungeklärt, um welche der drei möglichen Interpretationen es sich handelt – wenn nicht das Weltwissen eine der drei determiniert. Und schließlich ist noch die Tautologie zu erwähnen, die, wenn dann doch kommunikativ erwünscht, eben auch typischerweise mit oder formuliert werden kann, ganz passend zu der logischen Tatsache, dass Disjunktions-basierte Formeln einfache Beispiele für Tautologien sind, z. B. p Ú ¬p (86) – was genauso mit der Kontravalenz funktioniert (87a) –, auch „versteckt“ in kontradiktorischen Aussagen, die nicht schon an der Oberfläche Negationen voneinander sind (87b); oder gar p Ú p (erfragt in (87c); diese Form ist nicht ganz selten, und nimmt man sie semantisch ernst, sinnlos, da eine solche scheinbare Alternativfrage gar keine alternativen Antworten offen lässt; diese Formulierung wäre dann ein eklatanter Verstoß gegen das sprachliche Ökonomieprinzip; aber natürlich haben Äußerungen dieser Form ihre pragmatische Funktion: Nämlich als aus Bescheidenheitsgründen „getarnte“ Behauptung von p. Dieselbe Form ergibt allerdings mit der Kontravalenz entweder p oder p keine Tautologie, sondern eine Kontradiktion.) Diese vierte Junktoren-Analogie vernachlässigen wir daher anders als der überwiegende Großteil der Literatur nicht, da eben gerade oder ein einfaches und häufig genutztes Mittel zum Ausdruck von Tautologien ist – p oder nicht-p, mit assertiven, mit direktiven Sprechakten etc. –; ihre übliche Nichtberücksichtigung liegt wohl eben daran, dass Tautologien logisch gesehen (anders als pragmatisch!) keinen Informationsgehalt haben. Aber in den Zusammenhang der disjunktiven Konnektoren gehören sie auch deswegen, da immer noch eine Alternative-Relation vorliegt, wenn auch sozusagen exhaustiv alle Möglichkeiten abdeckend. Die Grundbedeutung des Konnektors lässt sie als mögliche Interpretation zu.  

(86)

John Cleese mag man , oder man mag ihn eben nicht . (Salzburger Nachrichten, 22.02.1997, o. S.) Es gibt Fälle, wo ich sowohl dies als auch jenes und wer weiß, was sonst noch bin. Und es gibt Fälle, wo ich entweder das eine oder das andere (oder keines von beiden) bin. Und dazwischen gibt es eine ganze Bandbreite von „Zwischenfällen“. (Rhein-Zeitung, 29.01.1999, o. S.) Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie’s ist – so will es eine Bauernregel, die immer zutrifft. Meteorologen wären froh, derart verlässliche Vorhersagen machen zu können. (Nürnberger Nachrichten, 29.08.2005, o. S.) Da ist es. Na bin ich gut , oder bin ich gut ? Nicht doch, lobt mich nicht zu sehr. Ich werde ja schon ganz rot (www.myfanfiction.de/texte/naruto-fanfictions/the-uchiha-clan.147963.html, 18.04.2012)  





(87a)



(87b)



(87c)



664

C Semantische Konnektorenklassen

Dass es für Alternativen, die den Fall „nicht p und nicht q“ zulassen (für möglich erklären), also Exklusion und Tautologie, keinen speziellen Konnektor gibt, scheint eine sprachliche Universalie zu sein. Döhmann hat diverse Sprachen der Welt durchmustert und kam zu dem Ergebnis: „Ein spezifisches Bindewort für die Exklusion fand sich nirgends“ (1966: 410). Oder ist aber nicht nur unterspezifiziert gegenüber den drei zweistelligen Arten der Disjunktion sowie gegenüber der Tautologie. Auf komplexe Weise lassen sich mit oder (wenn man die Argumente passend zusammensetzt) analog auch noch weitere Junktoren ausdrücken (ganz entsprechend der aussagenlogischen Regel, wonach sich alle 16 Junktoren auf eine Kombination aus Disjunktion und Negation zurückführen, d. h. durch eine solche darstellen lassen). So entspricht eine Aussage der Form keins von beiden oder beide, also (weder p noch q) oder (p und q) der Äquivalenz. Ein Beispiel für das Vorkommen in realer Kommunikation:  

(88)

Von der örtlichen CDU und SPD wurde der Unternehmer gefragt, ob auf dem Areal seiner „Bohrinsel“ […] Wahlplakate aufgestellt werden dürfen. Um Ausgewogenheit bemüht, entschied Bohr: „Entweder beide oder keiner .“ (Rhein-Zeitung, 12.08.2005, o. S.) → CDU darf Plakate aufstellen gdw. SPD Plakate aufstellen darf  



Wir fassen die Lage in der oder-Gruppe zusammen: Bei oder bleibt es bei der Grundbedeutung der disjunktiven Konnektoren, dass ‚p und nicht q‘ sowie ‚nicht p und q‘ für möglich erklärt werden. Über die beiden anderen beiden Kombinationen, die hinsichtlich der Gegebenheit der beteiligten Sachverhalte systematisch denkbar sind (ob es möglich ist, dass p und q der Fall sind; ob es möglich ist, dass beide nicht der Fall sind), sagt oder nichts aus, es ist diesbezüglich unterspezifiziert. Insbesondere besteht keine eindeutige Zuordnung von oder zur Adjunktion. Bei den anderen beiden dagegen kommt jeweils noch eine Informationseinheit hinzu: „p und q“ wird von und/oder dezidiert als möglich, von entweder (…) oder als unmöglich erklärt. Das wird sichtbar in einem Fall, der von der Sache her alle Kombinationen von Wahrheitswerten erlaubt. Die Formulierungen (89a) und (89b) (89a) (89b) (89c)

In Münster regnet es (heute) entweder oder die Glocken läuten. In Münster regnet es (heute) und/oder die Glocken läuten. In Münster regnet es (heute) oder die Glocken läuten.

vereindeutigen kontrastiv zueinander, welche Art von Beziehung nach Meinung des Sprechers zwischen den Konnekten bzw. den von diesen denotierten Sachverhalten bestehen: bei (89a) ist die Alternative exklusiv, bei (89b) inklusiv. (89c) dagegen lässt das Verhältnis genau genommen offen, wenn auch der Satz oft exklusiv gemeint ist.

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

665

Wie bei den konditionalen Konnektoren gibt es auch bei den alternativebasierten Zusätze zur Vereindeutigung der Lesarten, die in Darstellungen der Logik als Versuche der Versprachlichung der Junktoren weitgehend konventionalisiert sind und auch in der Alltagssprache zumindest einen Hinweis auf die bevorzugte Lesart geben. Dort – bei den konditionalen Subjunktoren und Verbzweitsatz-Einbettern – spielen vor allem Fokuspartikeln und Adverbien eine Rolle (vgl. a. allgemeiner HDK-1: 411 und 445 f.). Adverbien kommen bei den alternativebasierten Konnektoren sprachsystematisch nicht in Frage: Sie sind alle Konjunktoren, und diese können anders als die genannten gerade nicht durch ein Adverb modifiziert werden: *immer und, *besonders/zumindest oder). Stattdessen üben hier Kombinationen mit anderen Konnektoren diese Funktion aus. Die Kombination von oder mit dem adversativen aber steht dann „kanonisch“ für die exklusive Lesart; mit dem additiven Konnektor auch zusammen ergibt sich ein Zeichen für die inklusive. Beides ist nachvollziehbar: aber signalisiert den Kontrast, dass nicht beide Argumentsachverhalte der Fall sein können; auch dagegen weist darauf hin, dass sowohl bei den additiven wie bei den alternativebasierten Konnektoren in inklusiver Lesart genau dieser Fall (p und q sind gegeben) möglich (bei den additiven ja sogar der einzige mögliche) ist. Auch die Prosodie (Akzentuierung) mag bei der Bedeutungsdifferenzierung zwischen einer Lesart als inklusiver und einer als exklusiver Disjunktion zum Tragen kommen. Kontrastbetonung sowohl von ENTweder (…) oder als auch von Oder alleine deutet eher auf die exklusive Interpretation hin, vor allem auch in reaktiven Sprechakten oder dritten Zügen einer Konversation (Kontrast zu einem unbetonten oder im initialen Sprechakt). Sonst aber spielt die Prosodie semantisch hier keine Rolle, und auch dies ist eine auch im Verwendungskontext nur selten mit völliger Sicherheit zu interpretierende Funktion. Im Deutschen ist schließlich – anders als offenkundig in anderen Sprachen – die polysyndetische Setzung des oder kein Signal gegen eine Lesart ‚auch „und“ ist möglich‘. Auch bei Vorkommen von disjunktiven Konnektoren in anderen als assertiven Sprechakten, vor allem, wo die beiden Konnekte unterschiedlichen Sprechakttypen angehören, sind Ein- und Ausschließlichkeit der Alternativen-Beziehung zu unterscheiden. Nur exemplarisch hierzu drei Fälle verschiedener Art: Bei Satzfragen kann die Menge der akzeptablen Antworten auf P oder q? auf der Basis der Interpretation der Frage als exklusives oder als inklusives oder bestimmt sein. Mit „normalen Hintergrundannahmen“ in unserer Kultur wird man auf Willst du Kaffee oder (willst du) Tee? – das oder als ausschließend interpretierend – nur mit dem Wunsch nach einem der beiden Getränke antworten, auf Nachtisch? Oder einen Espresso? dagegen kann man im Restaurant ohne Anstößigkeit mit Beides. reagieren. Bei den „gemischten“ Fällen, wo die Konnekte verschiedene illokutionäre Rollen spielen, z. B. eines direktiv, eines assertiv ist, muss das oder auf die Aussage bezogen  



666

C Semantische Konnektorenklassen

werden, dass die Aufforderung befolgt ist, nicht auf die Aufforderung als solche; das assertive Konnekt beschreibt die negative Folge der Nichtbefolgung der Aufforderung. Bei Hände hoch oder ich schieße scheint nur exklusives oder sinnvoll zu sein. Gemeint ist demnach ‚entweder du nimmst die Hände hoch (= Befolgen der Aufforderung) oder ich schieße‘ – der Fall ‚du nimmst die Hände hoch und ich schieße‘ wird als nicht statthaft angesehen, der Fall ‚du nimmst die Hände nicht hoch und ich schieße nicht‘ soll ja gerade ausgeschlossen werden. Die Frage, ob inklusive oder exklusive Alternative vorliegt, scheint hier aber mit der Art des Gesamt-Sprechaktes (Drohung oder Versprechen) zusammenzuhängen; wir stellen das in C4.6 anhand der Lage bei der logisch äquivalenten negativ-konditionalen Relation näher dar. (90)

Zwölf Seeräuber hätten ihr Boot überfallen und gesagt: Entweder ihr haut ab oder ihr seid tot. (Hamburger Morgenpost, 21.11.2009, S. 55)  

In einem dritten Fall, zwei durch oder verbundene Aufforderungen, hängt die Interpretation des oder genau wiederum davon ab, ob das Befolgen der beiden Aufforderungen als sich gegenseitig ausschließend angesehen wird. In (91a) kann der Hörer auch beides tun (was den Effekt verstärken würde), in (91b) wird er explizit aufgefordert, sich für die Befolgung einer der sich gegenseitiger ausschließender Aufforderungsinhalte zu entscheiden, zwischen ihnen zu wählen. Die Alternative-Relation besteht in beiden Fällen zwischen zwei Propositionen im propositionalen Gehalt eines Sprechakts. (91a) (91b)

(Du kannst nicht schlafen?) Zähl Schäfchen oder trink ein Bier. Sei Herr oder Knecht, aber entscheide dich. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 02.10.2002, S. 40)  

In allen Fällen kann zwischen den propositionalen Gehalten sowohl eine ein- wie eine ausschließende Alternative-Beziehung bestehen, und letzteres kann durch entweder (…) oder explizit gemacht werden. Oder alleine ist auch hier neutral bezüglich einoder ausschließender Alternative. – Wie sieht es nun bei den beiden anderen Arten von Alternativen aus? Ganz entsprechend der Tatsache, dass für sie in kaum einer Sprache ein einfacher Ausdruck zu finden ist, ist bei der Exklusion die sprachliche Intuition, ausgehend vom vertrauten Fall n=2 (dann: ‚nicht beide‘), unsicher: Sie lässt sich als ‚Als denkmöglich werden alle Fälle präsentiert, in denen höchstens eines der Argumente wahr ist‘ oder ‚… in denen nicht alle Argumente wahr sind, also mindestens eines der Argumente falsch ist‘ verallgemeinern. Beides ergibt im Falle n=2 dasselbe, nämlich die Zulassung aller Möglichkeiten bis auf die, dass p und q wahr/ der Fall/gültig sind. Die Tautologie bleibt sich natürlich bei beliebig vielen Argumenten stets gleich: unabhängig von Wahrheit oder Falschheit irgendwelcher Argumente ist jede beliebige Kombination möglich und zugelassen.

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Bzw. und resp. sind wie oder neutral bezüglich der Dimension ein-/ausschließende Alternative. Laut GDS 2427 unterscheidet sich bzw. von oder (graduell) „durch eine Dominanz der exklusiven Lesart neben der auch möglichen inklusiven“. Das entspricht einem ersten Eindruck von der Beleglage, aber dazu gibt es auch andere Meinungen; darüber zu entscheiden muss Aufgabe künftiger quantitativer Korpusorientierter Forschung bleiben. Es mag eine Tendenz zu einer von beiden geben, aber beide Lesarten sind prinzipiell möglich; welche davon im konkreten Fall intendiert ist, entscheidet sich wieder aufgrund der Sachkenntnis und des Weltwissens hinsichtlich des tatsächlichen Verhältnisses der von den Konnekten denotieren Sachverhalte zueinander. Ohne dies, rein sprachlich, ist nicht immer klar zu entscheiden, welche Lesart vorliegt, so vor allem in Fällen, wo die Konnekt-Sachverhalte unbekannt sind (d. h. insbesondere auch die sachliche Relation zwischen diesen nicht klar ist). Dass jedenfalls nicht der Konnektor selbst eine der beiden Lesarten induziert, zeigen vor allem Belege, die auf beide Arten verstanden werden können, wie die folgenden:  

(92a)

Obschon sie manchmal alles dafür taten, einen Rhythmus bis zur Unkenntlichkeit zu verfeinern bzw. zu verfremden . (Frankfurter Rundschau, 30.05. 1998, S. 27) Selbst wenn die betreffenden Tiere mit Gen-Futter groß gezogen bzw. gemästet wurden, muss der Verbraucher darüber nicht aufgeklärt werden. (Nürnberger Zeitung, 01.06.2004, o. S.) In der Rohölverarbeitung wird die Destillationskolonne adaptiert bzw. umgebaut . (Niederösterreichische Nachrichten, 13.05.2010, o. S.)  



(92b)



(92c)





Vor allem in der fachsprachlichen Äußerung (92c) ist ganz deutlich nur mit Sachkenntnis zu beurteilen, ob beides möglich sein soll, ob nur eines, oder ob es sich gar um eine Reformulierung, eine andere Beschreibung desselben Sachverhalts oder Ersatz der ersten durch die zweite Formulierung handelt; Laien haben hier keine Chance einer zuverlässigen Interpretation. Auch die Darstellbarkeit der Tautologie stellt keinen Differenzparameter zwischen der oder- und der bzw.-Gruppe dar: Beide Untergruppen können ganz einfach, nämlich mittels Ausdrücken der Form p oder/bzw. nicht p, die Tautologie formulieren. Ein Beispiel für p bzw. nicht p, wo das Ganze eine Tautologie formuliert, und zwar gleichgültig, ob bzw. als inklusives oder exklusives ‚oder‘ zu verstehen ist, ist (93). Dabei ist allerdings wichtig festzuhalten, dass wir hier keine ‚Ersatz‘-Lesart von bzw. haben, denn dann läge keine Tautologie vor, sondern nach wie vor ‚nicht p, sondern q‘ mit q = nicht-p. (93)

„Da gab es etwa die Gruppe nicht identifizierter Männer (Band X, Kapitel 2, „Zusätzliches Material über die Ablenkungsmanöver zum Quellenschutz“), die an der Nordgrenze Costa Ricas eintrafen beziehungsweise nicht dort  

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eintrafen (auch hier widersprüchliche Zeugenaussagen), um die Leichen der Crew der nicht gekennzeichneten DC-3 zu verbrennen, die zum Zeitpunkt des Absturzes anscheinend bei der Fluggesellschaft registriert war, die zu neunundneunzig Prozent im Besitz beziehungsweise nicht im Besitz des ehemaligen Air-West-Flugbegleiters war, der auf St. Lucia lebte beziehungsweise nicht dort lebte .“ (Die Presse, 04.12.1999, o. S.)  



3.3.2 Offene vs. geschlossene Listen In der Literatur wird hier und da dem Kriterium einschließende vs. ausschließende Alternative bzw. inklusive vs. exklusive Disjunktion eine weitere Unterscheidung gegenübergestellt, die an dessen Stelle treten soll, weil sie den semantischen Unterschied zwischen den Konnektoren der oder-Gruppe besser abbilden würde als jenes (vgl. etwa Lang 1991: 620; vgl. fürs Englische Dixon 1972: 363–364). Es geht um den Unterschied zwischen „offenen“ und „geschlossenen“ Listen. Bei „offenen“ Listen kann es neben der explizit – aber nur exemplarisch – aufgezählten Menge von Alternativen weitere geben; mit faktischen Konnekten vgl. etwa (41a) und (41b). Die Liste ist quasi mit einem folgenden und so weiter zu lesen. Bei der offenen Liste können die angegebenen Alternativen im Grundfall der nonfaktischen Konnekte alle falsch sein, kann es also sein, dass gar keiner von den genannten Sachverhalten der Fall ist, sondern stattdessen ein weiterer, ungenannter. Bei „geschlossenen“ Listen dagegen erhebt der Sprecher den Anspruch auf Vollständigkeit, unterstellt, dass alle Möglichkeiten aufgezählt sind, alle denkbaren Listenelemente (von denen er weiß, die im Kontext relevant sind) explizit genannt werden und dass somit (mindestens) eine der aufgezählten Alternativen der Fall ist. D. h. der Fall der logischen Exklusion wird hier ausgeschlossen. Allerdings ist es keineswegs so, dass aus Geschlossenheit der Liste Exklusivität der Alternativen-Relation im Sinne der Kontravalenz folgen würde, wie Lang unterstellt: Die beiden Dimensionen sind vollständig unabhängig voneinander. Im Fall der geschlossenen Liste gilt das Prinzip des „tertium non datur“, „es gibt keine weiteren Möglichkeiten“, d. h. hier wird nur an die „Deckelung nach oben“ gedacht, es wird aber nichts darüber ausgesagt, ob die Alternativen sich ausschließen oder nicht, d. h. ob mindestens oder genau eine von ihnen für real gehalten wird. Analog kann auch bei der offenen (also – zumindest potenziell – unvollständigen) Liste Inklusivität und Exklusivität vorliegen, und zwar unter Einschluss der möglicherweise gar nicht genannten und aufgezählten Alternativen. Die Frage, ob es neben den explizit genannten noch weitere Alternativen geben kann (ob also die genannten nur Beispiele sind) oder ob die Aufzählung der Möglichkeiten mit dem Anspruch auf Exhaustivität daherkommt, stellt sich vor allem – aber nicht nur – bei mehrstelligen Aufzählungen und ist als präsumtive Verbesserung gegenüber der Dichotomie exklusiv/inklusiv vor allem durch die Tatsache motiviert, dass ungeradzahlige Aufzählungen von ausschließenden Alternativen sich – wie im  





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vorherigen Unterkapitel dargestellt – an einer Stelle wahrheitssemantisch von der exklusiven Disjunktion unterscheiden. Ist der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Listen nun als Differenzparameter zwischen den verschiedenen Konnektoren der oder-Gruppe brauchbar und womöglich sogar besser geeignet als der zwischen ein- und ausschließenden Alternativen? Die Antwort muss wohl „Nein“ lauten. Anders als in HDK-1 (525) suggeriert, ist nicht zu erkennen, dass die beiden Arten von Listen den beiden Konnektoren oder (das eine offene Liste kennzeichne) und entweder (…) oder (das für eine abgeschlossenen Liste der Wahlmöglichkeiten stehe) eindeutig zuzuordnen sind. Es gilt nämlich: Oder ist gegenüber der Dichotomie offen / geschlossen genauso neutral wie gegenüber der zwischen ein- und ausschließend. Die folgenden Beispiele zeigen, wie stark sachliche Erwägungen (Weltwissen) in die Interpretation hineinspielen: (94a)

(94b)

(94c)

(94d)

Du kannst ihn anrufen oder ihm schreiben. (inklusive Alternative, da auch beides sein kann; geschlossene Liste, wenn es sonst keine Möglichkeiten der Kontaktaufnahme gibt). Du kannst ihm Blumen schicken oder eine Flasche Wein (oder ihm auf andere Art danken). (inklusiv: du kannst auch beides tun; offen, wie der Zusatz zeigt). Du kannst dich entschuldigen oder es bleiben lassen. (exklusiv: nur eines von beiden kann der Fall sein; geschlossen: tertium non datur, es gibt keine weiteren Alternativen). Du kannst dich entschuldigen oder auf deiner Meinung beharren. (exklusiv, soweit sich die beiden Reaktionen gegenseitig ausschließen; offen, denn es gibt weitere Möglichkeiten, wie man sich verhalten kann).

Die Hinzufügung von entweder ändert die Interpretation dieser Beispiele dahingehend, dass nur eine der beiden Möglichkeiten stattfinden kann: anrufen und schreiben (94a) würden sich dann gegenseitig ausschließen, ebenso wie Blumen und Wein (94b). Entweder (…) oder ist prinzipiell exklusiv, gibt also die beiden inklusiv gemeinten Lesarten nicht wieder. Bei den beiden exklusiv zu interpretierenden Beispielen kann entweder ohne Bedeutungsänderung hinzugefügt werden; es ist aber nicht zu erkennen, dass es zwischen der offenen und der geschlossenen Version unterscheiden würde. Insbesondere macht seine Hinzufügung die offene nicht geschlossen: dieselben Fortsetzungen bleiben möglich, und unsere Analyse, wonach inklusive Lesarten sich durch die Betrachtung von Konnekt-Paaren erklären lassen, lässt sich hierauf übertragen: Du kannst dich entweder entschuldigen (und sonst nichts) oder auf deiner Meinung beharren (und sonst nichts) oder sonst etwas tun. Gegen die Annahme, entweder stehe für geschlossene Listen, tertium non datur, spricht z. B. auch Beleg (32), wo nach dieser Analyse die beiden Konnekte von entweder (…) oder bereits alle Möglichkeiten benennen müssten, anschließend aber ganz expli 

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zit noch eine weitere angegeben wird, ohne dass das als abweichend empfunden würde. Gleichzeitig passt aber dazu die exklusive Lesart: Von den ersten beiden Möglichkeiten darf nur (höchstens) eine bestehen, und so lange es so aussieht, als seien das die beiden einzigen, von denen ja dann auch mindestens eine bestehen muss, genau eine der beiden. Die Hinzufügung der dritten Alternative erweitert das einfach: jetzt kann von allen drei Methoden nur (höchstens) eine (und muss mindestens eine) angewendet werden, also genau eine von dreien (statt von zweien). Das aber entspricht der verallgemeinerten Bedeutungsbestimmung von entweder. Hendriks erklärt, die Frage sei immer noch offen, ob engl. either (… or) – also die Entsprechung zu entweder (… oder) ‚einer davon‘ – „exhaustiv“ ist „in that it requires all possible values for the open proposition to be expressed explicitly by the disjunction“ (2004: 16), wie Zimmermann (2000: 267–268) mit Verweis auf Intonationsfakten behauptet. Es scheint ansonsten, dass der Gegensatz zwischen offenen oder geschlossenen Aufzählungen, Beispiellisten etc. keine Frage der semantischen Unterschiede innerhalb der Klasse der disjunktiven Konnektoren ist, vielmehr eher – in „Beispiel“Zusammenhängen – durch den Kontrast und vs. oder ausgedrückt wird. Während additive Konnektoren primär geschlossene Listen anzeigen, sind disjunktive zunächst einmal Marker für offene Listen. Studenten, Senioren oder Kinder erhalten Ermäßigung. lässt zumindest offen, dass auch noch weitere Gruppen Ermäßigung erhalten, diese nur exemplarisch genannt sind. Anders bei … und …: Dann sind es genau diese, keine anderen. Auch eine mit und verbundene Liste kann allerdings mit einem Zusatz wie usw., oder so etc. (auch die Liste endende drei Punkte) oder auch ein vorgesetztes wie z. B. „geöffnet“ werden. Umgekehrt würde in (97a) bei Weglassung von wahlweise das und für eine geschlossene Liste, eine vollständige Aufzählung stehen, ein an seine Stelle gesetztes oder würde eine Interpretation als offene Liste – nur Beispiele, es gibt weitere – zumindest zulassen. Die Liste mit und in (95a) wird also durch nachträgliches und(!) andere als offen gekennzeichnet, in der in (95b) kann statt oder genauso gut und gesetzt werden, sie bleibt wegen des wie … offen.  

(95a)

Bodenrecht und Mietrecht sind Bundessache, das Land kann Wohnbauförderung und Rahmenbedingungen für die Raumordnung festlegen. Und die Gemeinden haben die Kompetenz der konkreten Flächenwidmung, die Bürgermeister sind die Baubehörde: Diese und andere Faktoren bestimmen mit, wie man heute und morgen im Salzburger Land im Eigentum oder in Miete leben kann. (Salzburger Nachrichten, 19.02.1992, o. S.) Die Leiterin der Studie […] erklärte, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Teenager-Schwangerschaften und dem Fernsehkonsum gebe. Dieser sei auch dann festzustellen, wenn andere Faktoren wie Schulnoten, Familienstrukturen oder das Bildungsniveau der Eltern mit einbezogen würden. (Nürnberger Zeitung, 04.11.2008, S. 28)  

(95b)



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Geht die Offenheit der Liste aus anderen sprachlichen Anzeichen hervor, werden die Sachverhaltsausdrücke mit einem Wort wie Beispiele (im Plural!) oder etwa, so angekündigt, ist also hier diese Opposition von und gegenüber oder aufgehoben, verkürzt gesagt: z. B. plus und (oder oder) entspricht oder alleine. Wird bei Aufzählungen eine sonst vorhandene Faktizität durch ein sprachliches Signal weggenommen, etwa explizit deutlich gemacht, dass die mit und verbundenen Konnekte mögliche Alternativen darstellen, kann auch bei Verwendung von und eine Alternative-Interpretation in Frage kommen. Das kann durch die Einbettung in Formulierungen wie Es gibt folgende Möglichkeiten / Alternativen: …, durch andere Ausdrücke, die auf den Alternative-Status hinweisen (97), aber auch dadurch geschehen, dass die einzelnen Konnekte explizit als nur möglich gekennzeichnet werden. Genau genommen, haben wir das ja auch schon in unserer Definition der Alternative-Relation verwendet: Dort wurde alternativebasiertes oder auf eine Formulierung der Struktur ‚es ist möglich dass … und es ist möglich dass …‘ zurückgeführt. Es ist möglich dass p und es ist möglich dass q entspricht Es ist möglich dass p oder Es ist möglich dass q. Möglicherweise p und möglicherweise q ist in diesem Sinne logisch wie sprachlich äquivalent zu p oder q. Daher ist es dann gleichgültig, ob und oder oder die Aufzählung der Alternativen abschließt. In Belegen der Art wie (96) kann, wie sich so erklärt, an Stelle von oder auch und stehen, zumindest, wenn zusätzlich der Möglichkeitsoperator explizit gemacht wird (Und die ADD kann entscheiden …), der bei oder quasi eingebaut ist, also vom Konnektor mitgeliefert wird, weswegen bei oder das Vollverb unmodalisiert im Indikativ stehen kann. (97) zeigt umgekehrt die Möglichkeit der bedeutungsbewahrenden Substitution von wahlweise und durch oder auf.  

(96)

Bleibt es bei den Vieren, gibt es zwei Möglichkeiten : Es gibt eine Kombiklasse mit der bestehenden Klassenstufe 6. Oder aber die ADD entscheidet , dass die neu Einzuschulenden gleich in die Realschule plus […] wechseln, wo noch genügend Kapazitäten bestehen. (Rhein-Zeitung, 07.03.2009, o. S.) An die 20 Damen beteiligten sich am gemeinsamen Adventkranzstecken im Pfarrhof, dort duftete es angenehm nach Tannenzweigen. Neben den verschiedenen Reisigsorten wurden dazu wahlweise Nüsse, getrocknete Früchte, Kugeln und verschiedenfarbige Bänder und Kerzen verwendet. (Niederösterreichische Nachrichten, 02.12.2008, S. 35) Gerne hätte die Schulklasse der Öffentlichkeit ein Twike gezeigt. Leider habe der Besitzer des wahlweise mit Pedalkraft und Strom angetriebenen Fahrzeugs seine Zusage zurückgezogen. (St. Galler Tagblatt, 19.06.1998, o. S.)  





(97a)



(97b)



Dazu passt, dass manchmal statt oder auch aber (möglicherweise) auch stehen kann, dass also eine Kombination aus adversativem und additivem Konnektor, ggf. unter Zusatz eines Modaloperators, eine mögliche Paraphrase für oder darstellt.

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C Semantische Konnektorenklassen

3.3.3 Unterschiedlich gute Möglichkeit der Mehrstelligkeit; „Klammerung“ Auch wenn oder etymologisch als u. a. aus einem Bestandteil mit der Bedeutung ‚diese beiden‘ erklärt wird („Die ältesten Formen sind ahd. eddo, as. ettho […]. Der zweite Bestandteil ist der Dual des Demonstrativums, also ‚diese beiden‘“, Kluge 1999: 597), kann es mehr als zwei Konnekte miteinander verbinden. Dasselbe gilt für die Version mit entweder, das sich ja etymologisch als ‚eines/welches von beiden‘ herleitet; für n>2 wäre das in der Gegenwartssprache zu verallgemeinern auf ‚eins von allen, eines von den folgenden ist es‘. Sprachlich-ausdrucksseitig sind die Konnektoren der oder-Gruppe weder im assertiven noch im interrogativen oder im direktiven Fall auf die Verbindung von zwei Konnekten (Sätzen, Sprechakten) beschränkt. Die Anzahl der möglicherweise so verbundenen Konnekte bei der oder-Gruppe ist grundsätzlich nicht beschränkt, nur kommunikationspraktische Faktoren setzen der Quantität dieser Anreihung Grenzen. Beispiele für den dreistelligen Fall in (98a) (polysyndetisches entweder (…) oder … oder), (98b) (monosyndetisches oder) und (98c) (echt mehrstelliges und/oder), in (98d) für einen achtstelligen:  

(98a)

Schon die Beiräte, die aufgerufen waren, für alle Bundesländer objektiv nachvollziehbare Richtwerte für die angemessene Miete zu ermitteln, haben entweder falsch oder politisch oder gar nicht entschieden. (Die Presse, 01.03. 1994, o. S.) 1.730 wurden in den Vorruhestand entlassen, die übrigen sind arbeitslos , weggezogen oder stecken in den Umschulungs-, Qualifizierungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen […]. (die tageszeitung, 10.01.1992, S. 5) Nur „urteilsfähige Personen“, die „ eine zum Tode führende Krankheit und/oder eine unzumutbare Behinderung und/oder nicht beherrschbare Schmerzen haben“, können die Freitod-Begleitung von Dignitas in Anspruch nehmen. (St. Galler Tagblatt, 08.10.2007, S. 33) Niemand darf wegen seines Geschlechtes , seiner Abstammung , seiner Rasse , seiner Sprache , seiner Heimat und Herkunft , seines Glaubens , seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. (Grundgesetz Artikel 3 (3), www.bundestag.de/parlament/funktion/ gesetze/gg_jan2007.pdf, 07.01. 2008)  

(98b)





(98c)



(98d)













Bzw. und resp. eignen sich demgegenüber nicht so gut für die Erweiterung auf einen mehr-als-zweistelligen Fall, vielleicht wegen ihrer größeren Tendenz zur (asymmetrischen) ‚Ersatz‘-Lesart; wenn sie mehrfach hintereinander vorkommen, dann reduziert auf mehrere zweistellige Fälle, sowie distributiv. In einem Sample von 300 Belegen mit Mehrfachvorkommen von bzw. im selben Satz konnte kein einziger passender polysyndetischer gefunden werden. Insoweit bzw. und resp. disjunktiv

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gemeint sind, ist diese Einschränkung erstaunlich, da die denotierte Relation eben mehr als zweistellig sein kann. Die Existenz unterschiedlicher disjunktiver Konnektoren wird auch zur „Klammerung“ durch Variation des Ausdrucks genutzt. Mit Klammerung ist gemeint, dass eine scheinbar mehrstellige (gleichberechtigt aufgelistete) Verbindung von Konnekten in mehrere geringer-, in aller Regel, aber nicht nur, zweistellige Alternative-Kombinationen aufgelöst wird, deren Konnekte „näher“ zueinander gehören, unter einem engeren gemeinsamen GEI stehen, und die dann ihrerseits wiederum hierarchisch – prinzipiell möglich auch mehrstufig – zusammengefasst werden, bis unter einer obersten, begrifflich weitesten GEI alle zusammengefasst sind. Ob Mehrstelligkeit oder semantische Klammerung vorliegt, d. h. ob drei oder mehr Konnektsachverhalte auf einer und derselben Ebene miteinander verbunden werden oder ein hierarchisches Verhältnis, eine unterschiedlich enge Bindung besteht, ist nicht immer klar zu unterscheiden. Klammerung wird jedenfalls oft durch Abwechslung in der Verwendung der alternativebasierten Konnektoren signalisiert. Für diese Funktion kommen alle Kombinationen in Frage, d. h. Klammerung kann durch alle kontrastiven Paare verschiedener disjunktiver Konnektoren erreicht werden, und sogar Asyndese kann eine Rolle spielen; bevorzugt werden der Kontrast zwischen der oder- und der bzw.-Gruppe sowie die Möglichkeiten der Skopusmarkierung, die entweder bietet, genutzt. Beispiele unter Einschluss von entweder vgl. etwa (19), (75); sie sind z. B. von der Art (mit Kennzeichnung des enger Zusammengehörigen durch geschweifte Klammern:) {entweder p oder q} oder {entweder r oder s}. Ein weiterer Beleg ohne entweder mag hier genügen; hier werden durch bzw. (zwischen den enger zusammengehörigen Konnekten) und oder 8 Konnekte in drei Gruppen aus 2 + 3 + 3 zerlegt:  





(99)

So viel abgekupfert wie in den letzten drei Jahren wurde selten. Ob „Frauentausch“ bzw. „Wifeswap“ oder „Hire or fire“ bzw. „Big Boss“ bzw. „The Apprentice“ oder „The Farm“ bzw. „Dschungelshow“ bzw. „Die Alm“ – die Formate doppeln und dreifachen sich, weil alle vom anderen abgucken. (die tageszeitung, 13.04.2005, S. 17)  

Die Funktion der Klammerung ist nicht bestimmten disjunktiven Konnektoren zugeordnet, also kein Differenzparameter zur Unterscheidung der Bedeutung der verschiedenen alternativbasierten Konnektoren. Insbesondere können sachliche unterschiedlich enge Bindungen vorliegen, ohne dass das in der Wahl unterschiedlicher Konnektoren zum Ausdruck kommt – vielmehr werden die Konnekte alle wie gleichberechtigt dargeboten und ihre Klammerung dem Leser überlassen; im folgenden Beleg unter Ausnutzung einer Hierarchie von GEIs, die Frau und Mann sachlich enger zusammenbinden und beiden gemeinsam Kind enger anschließen als die Abstrakta Abenteuer und Wirtschaft (hier also anders als in (98c) kein echt mehrstelliges und/oder):

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(100)

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Die FAZ […] produziert für den Sonntagnachmittag einen einstündigen Frühschoppen […]. Zwischendurch gibt’s, passend zur Zielgruppe Kind und/oder Frau und/oder Mann und/oder Familie und/oder Abenteuer und/oder Wirtschaft: Werbung. (Die Zeit, 28.12.1984, S. 9)  

Umgekehrt muss die klammernde Gliederung mehrerer Konnekte durch unterschiedliche Konnektoren keine sachlich-semantischen Gründe haben, sondern kann rein sprachlich, im Interesse der kommunikativ-textuellen Übersichtlichkeit motiviert sein. Im folgenden Beleg etwa stehen alle vier genannten Konnekte sachlich auf der gleichen Ebene (als vier Viertel des „Pferdes“), sind aber sprachlich in zwei Paare gegliedert, die je durch oder enger zusammengeklammert sind. Zwischen den Paaren besteht Asyndese, das entweder hat Skopus über alle vier Konnekte, wie der Vor-Satz schon sagt: nur (genau) eines der vier ist der Fall („wird gekannt“). (Durch das nur ein Viertel ist hier die Alternative eindeutig als exklusiv gekennzeichnet.) Damit bindet das entweder tatsächlich alle vier auf gleicher Stufe zusammen: (101)

Außerdem kennt der Mann vom ganzen Pferd nur ein Viertel wie seine Westentasche: Entweder die Vorderachse oder den Mittelteil, den Motor oder die Hinterachse. (Frankfurter Allgemeine, 31.07.1999, o. S.)  

Klammerung kann außer durch die Setzung verschiedener Konnektoren auch durch unterschiedliches Ausmaß der syntaktischen Parallelität der Konnekte bzw. durch unterschiedliche Grape von Elliptisierung signalisiert werden. So sind im folgenden Beleg (102a) das zweite und dritte Konnekt näher zusammen und stehen gemeinsam dem ersten gegenüber. (102a)

Nicht unter die Amnestie falle[n] […] Strafgefangene, gegen die nach dem 30. Juni 1993 Arrest als Disziplinarmaßnahme verhängt werden mußte oder denen Ausbrüche oder Mißbrauch von Vollzugslockerungen anzulasten seien . (Frankfurter Allgemeine, 1993) (102b) Als Übernahme wird die Abnahme bzw. der Kauf einer Leistung bzw. die Annahme einer Aufgabe bzw. einer Funktion bezeichnet. (Übernahme, Wikipedia, 2005)  



Im folgenden Beleg sind sich die ersten beiden Argumente begrifflich ähnlicher als beide dem dritten, was sprachlich durch die Vorstellung des Prädikats vor das zweite oder zum Ausdruck kommt; hinsichtlich des Konnektors bleibt hingegen unklar, ob entweder Skopus über nur die ersten beiden oder über alle drei haben soll, ob also exklusive oder womöglich inklusive Interpretation angezielt ist. (103)

In einer […] Erklärung begründet das Innenministerium die Rücksendung dieser Flüchtlinge mit der Tatsache, daß es sich dabei entweder „um Krimi-

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C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

nelle oder Vagabunden “ gehandelt habe oder um „ Personen, die mit einer Sondermission beauftragt waren “. (die tageszeitung, 11.01.1989, S. 6)  





3.3.4 Distributive Verwendung von bzw./resp. Ein der Klammerung ähnliches, aber für bzw. und resp. spezifisches Phänomen ist dasjenige, das man als distributive Verwendung dieser alternativebasierten Konnektoren bezeichnen könnte, die paarweise Zuordnung der Elemente zweier Gruppen, die jeweils (innerhalb einer der beiden Gruppen) Alternativen zueinander darstellen, und von denen die Glieder der zweiten eben durch bzw./resp. zusammengefasst werden. Das meint die GDS (2428): „Der Konjunktor [resp.] wird vor allem zur Vereindeutigung unterschiedlicher Konjunktbezüge verwendet“; für bzw. ebd. die fast selbe, aber vorsichtigere Formulierung „Der Konjunktor wird auch bei unterschiedlichen Konjunktbezügen verwendet“. Das bezieht sich auf Äußerungen etwa der Form N1 und N2 haben ge-v-t resp. ge-w-t, womit gemeint ist: ‚N1 hat ge-v-t, aber nicht ge-w-t, N2 gerade umgekehrt‘, vgl. (104a) Ebenfalls nur in Mannheim gibt es auch die beliebten Mitternachts-Gespräche mit den Regisseuren, deren Filme im Laufe des Tages projiziert wurden. Das erste ist bereits heute abend um 22.30 Uhr im Stadthaus-Foyer, weil Atlantis und Odeon schon ab 19 respektive 20 Uhr mit dem Festival-Programm beginnen. (Mannheimer Morgen, 13.10.1995, o. S.) (104b) Stellvertretend für alle Betroffenen klagt Heldmann im Namen des türkischen Lehrers Yücel und des Marokkaners Fennoui, die seit 14 beziehungsweise 24 Jahren in der Bundesrepublik leben. (die tageszeitung, 19.09.1986, S. 5)  



Dies ist die dritte Funktion von bzw., die DUW nennt. Das HDG: 182 hat sogar als einzige Bedeutungsangabe für beziehungsweise: „kennzeichnet eine paarweise Zuordnung“, wobei allerdings das erste angegebene Beispiel (hier als (105a) wiedergegeben, auch bei Buscha (1989: 50); von dort auch (105c)) nicht von der hier gemeinten Art ist: Hier wird ja die (kontrastive) Zuordnung (hier von Subjekt zu Prädikat) jeweils innerhalb der beiden Konnekte geleistet. Das andere Beispiel des HDG (105b) ist mehrdeutig; die dafür angegebene – distributive – Bedeutung ‚Hans wohnt in Berlin, Paul in Potsdam‘ ist nur eine von mehreren möglichen. U.a. wegen des Kommas bietet sich hier auch die korrigierende Lesart (Nachklapp ‚nein vielmehr‘) bzw. sogar – wenn man Berlin nur als ungefähre, vage Angabe (‚in der Gegend von‘) nimmt oder geringe Geographie-Kenntnisse unterstellt – spezifizierendes ‚genauer gesagt‘ an. Wohl aber eindeutig distributiv ist Buschas anderes Beispiel (105c), wo exklusiv unverträglich zugeordnet wird und inklusiv verträglich, und zwar durch die je gleiche Reihenfolge eindeutig.

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(105a) Er will kommen , bzw. sie will anrufen . (105b) Hans und Paul wohnen in Berlin , bzw. in Potsdam . (105c) Die Konjunktion oder bezeichnet unverträgliche und verträgliche Einheiten ( exklusive bzw. inklusive Alternativität)  







In dem Spezialfall von Verwendungen von bzw./resp., den (105c) repräsentiert, können sie nicht einfach durch oder ersetzt werden. Diese Verwendungsweise findet aber eine Entsprechung in eigens geprägten distributiv-konditionalen Konnektoren wie je nachdem in Kombination auch wieder mit alternativebasierten und den nahe verwandten irrelevanzkonditionalen Konnektoren, also im am meisten ausbuchstabierten Fall: je nachdem, ob p oder q, r bzw. s ‚wenn p, r; dagegen wenn q, s‘. Statt von einer distributiven Verwendung könnte man auch von split conditionals sprechen: p oder q, wenn r oder s i. S. v. p, wenn r, oder q, wenn s. Hier wird das erste Konnekte des ersten Paars dem ersten des zweiten zugeordnet und die beiden zweiten Konnekte der beiden Paare einander. Bei Umstellung in nur einem Paar ergibt sich natürlich die gerade gegensätzliche Zuordnung. Das Beispiel (17) in der GDS (2426) zeigt, dass diese Funktion auch oder haben kann: In die Tränen der Verzweiflung oder der Freude, wenn jemand vom Tod seiner Angehörigen erfuhr oder sie unter phantastischen Umständen wiedertraf, ist von der Sache her sicher die Verzweiflung (nur) dem Tod, die Freude (nur) der Wiederbegegnung zuzuordnen.  



3.3.5 Kombinatorik mit korrektiven/substitutiven und metakommunikativen Konnektoren, Möglichkeit und Unmöglichkeit der ‚Ersatz‘-Lesart In der Verwendung als Signal für ‚Ersatz‘ statt für ‚Alternativen‘ werden disjunktive Konnektoren bei Inhalts- oder Ausdrucksbezug nicht selten von einem additiv basierten korrektiven (wie in oder vielmehr, vgl. C2.2.4 de re und C5.6.1 de dicto) oder substitutiven (wie oder stattdessen, vgl. C2.2.5) Konnektor unmittelbar gefolgt. Bei Formulierungsbezug werden sie häufig von einem zusätzlichen Konnektor aus einer von vier der fünf Unterklassen der metakommunikativen Konnektoren (vgl. C5.4) begleitet, durch den ebenfalls deutlich gemacht wird, dass das erste Konnekt durch das zweite ersetzt werden soll, so bei oder anders gesagt (reformulierend), oder besser gesagt (spezifizierend), oder kurz gesagt (resumptiv), oder allgemeiner gesagt (generalisierend). Einzige Ausnahme: die Konnektoren der identifizierenden Untergruppe der metakommunikativen, die auch tatsächlich keine „Korrektur“ liefern, insofern keinen Ersatz begründen, kommen für diese Funktion nicht in Frage. Hier ergibt sich ein Differenzparameter innerhalb der oder-Gruppe: Die genannten Kombinationsmöglichkeiten gelten zunächst für oder, das im ersten Absatz nicht

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zufällig als einziges genannt wurde. Die anderen beiden Mitglieder der Untergruppe, und/oder und entweder (…) oder, sind in solchen Kombinationen nur schwer vorstellbar (Am Beispiel von vielmehr: W-öffentlich, 16.06.2012: oder vielmehr 1.974 Belege, und/oder vielmehr 0, entweder (…) oder vielmehr 0) – Kein Wunder, nehmen sie doch die „Ersatz“-Lesart gar nicht an. Speziell bei und/oder würde das der Bedeutung dieses Konnektors widersprechen, die ja – als einschließende Alternative – gerade auch den Fall „p und q“ zulässt, also einen Fall, in dem p eben gerade nicht durch q ersetzt wird. Bei entweder (…) oder andererseits ist die Alternative-Relation durch den kataphorischen Bestandteil entweder so offenkundig vorgeplant, dass für einen (nachträglichen) Ersatz einer ursprünglich scheinbar uneingeschränkt behaupteten Aussage z. B. kein Raum mehr bleibt – wenn so etwas in der Performanz vorkäme, wäre es als Satzbruch (Umplanung) zu werten.  

Exkurs: Weiteres zur Kombinatorik von (‚Ersatz‘-)oder mit metakommunikativen Konnektoren Oder ist nicht vor den präzisierenden nämlich und und zwar und nicht vor reformulierendem sozusagen zu verwenden. Auch mit einem folgenden Konnektor mit relevanzschwachem internem Konnekt wie nebenbei gesagt ist, wie auch die Recherche im DeReKo gezeigt hat, oder ausgeschlossen. Ferner ist oder nicht möglich, wenn der nachfolgende metakommunikative Konnektor das heißt in einer seiner Varianten wäre. Eine Cosmas II-Suche am 06.12.2012 in W-öffentlich ergab für oder sondern keinen einzigen einschlägigen Treffer (die 68 Funde umfassen alle sondern als Verb oder eine Phrasen- oder meist sogar Satzgrenze zwischen oder und sondern); in umgekehrter Abfolge, aber ebenfalls in Kontaktposition, 3 nicht einschlägige (nicht nur (…), sondern vielmehr oder besser vor allem auch (…), vielmehr oder dennoch, wegen NP und NP (…). Vielmehr oder – wegen NP oder NP), bzw. 2 der sehr eigenartigen Form nicht nur (…) sondern oder auch, die nicht als akzeptabel gelten kann. Warum von den additiv basierten (korrektiven) Konnektoren vielmehr mit oder kombiniert (nämlich unmittelbar nach ihm) vorkommt, sondern hingegen nicht, bleibt derzeit unklar.  

Allerdings rührt die ‚Ersatz‘-Lesart in den Fällen mit oder + vielmehr zumindest bei Propositionsbezug von oder von dem oder begleitenden Konnektor und nicht von oder selbst her. Die Weglassung von oder in Belegen wie (106) zeigt ja, dass sich dadurch kein Bedeutungsunterschied ergibt: oder hat keinen Einfluss auf die Interpretation dieser Konstruktionen, ist insofern entbehrlich. (106)

Moshe Daimant, ein nur leidlich erfolgreicher Produzent „dämlicher ActionFilme“ […], schließlich entdeckte das Potential dieses Körpers. Oder vielmehr entdeckte ihn dessen damals vierjähriger Sohn beim gemeinsamen Videoabend mit Daddy, als dieser sich eine von Van Damme zugesteckte Kassette mit „Bloodsport“ ansah. (die tageszeitung, 01.08.1996, S. 15)  

Warum oder dann überhaupt steht – was ja sprachökonomischen Grundprinzipien der Relevanztheorie widerspricht, wenn es keine eigenständige Funktion hat, die nicht auch schon der andere Konnektor leistet –, ist derzeit unklar. Möglicherweise lässt es dem Sprecher gewissermaßen ein Hintertürchen offen, dass doch nicht q der

678

C Semantische Konnektorenklassen

Fall ist, sondern dass sich zuguterletzt doch herausstellen könnte, dass, wie zunächst angenommen, p gilt. Der auf oder folgende Konnektor ist hingegen in solchen für den Ausdruck einer Korrekturspezifikation unentbehrlich, wie dessen versuchsweise Weglassung zeigt: das verbleibende oder trägt nicht mehr eine ‚Ersatz‘-Lesart, sondern signalisiert „nur noch“ eine alternative Möglichkeit, was vor allem in (106) kaum verständlich wäre. Generell ist oder weniger gut geeignet für die ‚Ersatz‘-Interpretation als bzw. Das Folgende ist jedoch immerhin ein Argument dafür, dass auch oder alleine mit ‚Ersatz‘-Lesart vorkommt: In der Alltagskommunikation geschieht es nicht selten, dass auf eine Alternativfrage mit Ja geantwortet wird. Das deutet darauf hin, dass der Gesprächspartner B das oder auch ohne die Anwesenheit eines einschlägigen weiteren Konnektors so verstanden hat, dass die erste Frage durch die Frage nach der Alternative ersetzt wurde. Das entspricht zwar in vielen Fällen keineswegs der intendierten Bedeutung von Äußerung von A, wie dessen dann irritierte Nachfrage zeigt. Es ist aber aufschlussreich, dass, wenn dies geschieht, der Gesprächspartner immer auf die zweite, nie auf die erste der beiden zueinander alternativen Fragen mit Ja antwortet. Statt vielmehr können auch andere Wörter in Kombination mit oder die Aufgabe übernehmen, die ‚Ersatz‘-Lesart zu bewirken, und hier kann oder nicht weggelassen werden (auch wenn auch hier diese Lesart erst durch die zusätzlichen Wörter vereindeutigt wird), so in (47a); Oder eben nicht als Ganzes lässt sich dort durch Vielmehr substituieren, hat also ‚Ersatz‘-Lesart. Auch hier ist und/oder und entweder (…) oder zwischen den Konnekten anstelle von oder nicht vorstellbar. Es bleibt also bei dem prinzipiellen Unterschied innerhalb der oder-Gruppe. In Hinsicht auf die Kombinatorik von disjunktiven und korrektiven Konnektoren verhält sich auch bzw. anders als oder: die Kombination bzw. vielmehr kommt auch vor, ist aber extrem selten. In W-öffentlich am 16.06.2012 findet sich 1.971mal oder vielmehr, gerade 8 mal bzw. vielmehr oder beziehungsweise vielmehr, resp./respective/ respektive vielmehr überhaupt nicht. Solch deutliche quantitative Unterschiede sind sonst eher rar. Der Grund scheint jedoch ein anderer zu sein als bei entweder (…) oder und und/ oder: War dort eine Ersatz-Lesart nachgerade ausgeschlossen, und musste sie bei oder – das zu einer solchen Lesart immerhin kompatibel ist – zusätzlich explizit gemacht werden, um ganz sicherzugehen, leistet bzw. diese Funktion durchaus häufig auch schon selbst. Damit haben wir einen weiteren, graduellen Differenzparameter, jetzt zwischen den beiden Untergruppen der disjunktiven Konnektoren. Passend dazu lässt sich die Sprechakt-Relation, bei der kein Ersatz vorliegt, wohl kaum durch bzw. ausdrücken, das hier tatsächlich gegen die wahrscheinliche Intention des Sprechers, den direktiven Sprechakt als dominanten natürlich gültig zu halten, dessen Ersatz durch die Ankündigung der Konsequenzen aus dem Nichtbefolgensfall zu signalisieren scheint: (44a)’

*Ruhe, bzw. ich lasse den Saal räumen!

679

C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

Aber auch bzw. steht für sich alleine bei weitem nicht immer eindeutig für Ersatz, sondern wird oft auch ganz allgemein für die neutrale, symmetrische AlternativeRelation verwendet und ist bedeutungsbewahrend durch schlichtes oder ersetzbar (107a), darf also weiterhin als primär alternativebasiert gelten. Zwischen beiden Interpretationen – Alternative oder Ersatz – ist oft gar nicht eindeutig zu entscheiden; so kann die zweite Frage in (107b) sowohl propositionsbezogen als eine zusätzliche, alternative (‚?(p oder q)‘), wie auch sprechaktbezogen als eine die erste ersetzende, an ihre Stelle tretende (‚?(q) statt ?(p)‘) verstanden werden. (107a) Macht man dieselbe Rechnung für einen Benzinpreis von fünf DM auf, ist das Ergebnis genauso klar, „ der Dicke“ bliebe in der Garage beziehungsweise er würde früher oder später gegen einen „dünnen“ Renault R5 ausgetauscht . (die tageszeitung, 21.11.1988, S. 3) (107b) Was ist für Sie an diesem Rechtsstaat zu verteidigen beziehungsweise wäre er für diese Länder eine Verbesserung? (die tageszeitung, 15.01.1992, S. 18)  





Die Möglichkeit andererseits, dass bzw./resp. alleine schon ‚Ersatz‘ denotieren, hat Konsequenzen, die ebenfalls als Differenzparameter zur oder-Gruppe angesetzt werden können. Bei der (asymmetrischen!) ‚Ersatz‘-Interpretation spielt – anders als bei der Alternative-Relation – die Reihenfolge der Konnekte eine Rolle: das zu ersetzende kommt zuerst, das ersetzende als zweites. Das haben wir schon bei Fragen, zwischen denen ein als Ersatz-Signal interpretiertes oder steht, gesehen. Bei bzw. gilt lt. GDS: „Die Alternative ist strukturiert, die Abfolge der Konjunkte ist […] entscheidend. Es wird in der Regel zugunsten des zweiten Konjunkts gewichtet: Das zweite soll das erste – korrigierend, präzisierend, terminologisierend – ersetzen, so daß eine Vertauschung zu einem anderen Verständnis führt“ (2427). Die ‚Ersatz‘-Interpretation hebt also die bei der Alternative-Relation bestehende Gleichgewichtung der Konnekte auf (was wir allerdings nicht als semantische Asymmetrie auffassen). Im Umkehrschluss heißt das, dass, wenn eine solche Ungleichgewichtung sprachlich signalisiert ist, also nach der Intention des Sprechers zwischen den Konnekten bzw. ihren Denotaten eine Abstufung vorliegt, das zweite besser, intensiver, „eher“ der Fall o. ä. als das erste sein soll, in solchen Fällen die ‚Ersatz‘Lesart des verwendeten Konnektors besonders naheliegt, wieder bei bzw. schon alleine, bei oder i. d. R. in Kombination mit anderen Ausdrücken.  





(108a) Wirtschaftsexperten vertraten die Auffassung, das offiziell gesteckte Ziel, in diesem Jahr einen Überschuß von 13 Milliarden Dollar zu erwirtschaften, liege nun in erreichbarer Nähe, beziehungsweise könne sogar übertroffen werden. (die tageszeitung, 21.07.1988, S. 8) (108b) Es sollte beziehungsweise müßte doch wohl heißen: ‚FAZ‘. (die tageszeitung, 06.04.1989, S. 14)  





680

C Semantische Konnektorenklassen

(109a) Und das Stück selbst? Oder doch wohl besser : die Stücke? (Mannheimer Morgen, 18.08.1995, o. S.) (109b) […], war die Kora das Begleitinstrument der königlichen Geschichtenerzähler, denn mit den sanften Klängen liessen sich die unzähligen wahren oder doch wohl eher als wahr dargestellten Geschichten dramatisch untermalen. (St. Galler Tagblatt, 27.08.2001, o. S.)  





Eine andere Form von Ungleichgewicht zwischen den an sich gleichberechtigten Argumenten der neutrale Alternative-Relation sei in diesem Zusammenhang, aber nur am Rande erwähnt: Auch die Textfortsetzung nach durch oder verbundenen Aussagen kann leichter auf das zweite als auf das erste Konnekt rekurrieren.

3.3.6 Reduktion des internen Konnekts auf einen reinen Negator Bei oder, dagegen eher nicht bei den anderen alternativebasierten Konnektoren, kann das zweite Konnekt auf einen Negator reduziert werden, der für die kontradiktorische Negation des ersten steht (q = nicht-p): (110a)

Dem Arbeitgeber dürfe nur bescheinigt werden: die Patientin ist dienstfähig oder nicht . (die tageszeitung, 26.03.1990, S. 4) = ‚… oder die Patientin ist nicht dienstfähig‘ *die Patientin ist dienstfähig und/oder nicht. ??die Patientin ist dienstfähig bzw. / resp. nicht .  



(110b) (110c)



Die logische Form der akzeptablen Form (a) ist p oder nicht-p. Bei und/oder ist die Tatsache, dass eine solche Form abweichend wäre, leicht erklärlich, da es ja gerade dezidiert den Fall ‚p und q‘ für möglich erklärt, der wiederum bei q = nicht-p, also bei p oder nicht (p) ausgeschlossen ist. Für bzw. und resp. dagegen steht eine Erklärung noch aus. Hier konnten zwar Belege dieser Art (p bzw./resp. nicht.) gefunden werden (häufig gesprochensprachlich wie in (111c)). Sie sind aber nicht nur markant seltener als die mit oder, sondern sie erscheinen vor allem als nicht mehr akzeptable Verkürzungen, sind durchweg von zweifelhafter Grammatikalität bzw. zumindest stilistisch sehr anrüchig, beispielhaft: (111a)

Häupl, seit einem Jahr Obmann der stärksten SP-Landesorganisation […], lässt offiziell nach wie vor offen, ob er Zilk-Nachfolger werden will. Es gebe „kein Dogma“, daß der Parteichef gleichzeitig Bürgermeister sein müsse bzw. nicht . (Salzburger Nachrichten, 19.04.1994, o. S.) → …, bzw. dass er es nicht sein dürfe Die Verleihung des Blechabzeichens regelt die Deutschland jedes Land für sich bzw. nicht . (Diskussion: Europäisches Polizei-Leistungsabzeichen, Wikipedia, 2011)  



(111b)



C3 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren

(111c)

681

Da Sie den Gesetzestext kennen, wissen Sie, in welchem Rahmen die Hochschulen Vorgaben erhalten bzw. nicht . (Protokoll der Sitzung des Parlaments Landtag Nordrhein-Westfalen am 03.05.2007)  

Meist sind das Nachklappe, die graphisch in einem eigenen Satz stehen, wie in den folgenden Belegen. Zum Teil sind es ‚Ersatz‘-Lesarten (‚oder vielmehr‘ (112a)), auch metakommunikative ‚oder besser gesagt‘ (112b); sogar Umschreibung mit und ist möglich (112c). Es ist aber nicht einmal immer so ganz genau klar, was gemeint ist, d. h. durch welches sprachliche Material das zweite Konnekt zu vervollständigen wäre, sowie auch, welche Bedeutungsvariante von bzw./resp. gemeint ist.  

(112a)

Erst mit 13 Millionen Euro aus dem persönlichen Etat von Präsident Leonid Kutschma gelang die Demokratie. Beziehungsweise nicht. (Mannheimer Morgen, 29.11.2004, o. S.) „Diese Passivität einander gegenüber ist ein Erziehungsproblem. Wir nehmen immer noch den Osten wahr, beziehungsweise nicht.“ (Nürnberger Zeitung, 19.05.2011, S. 4) Ihr Blick geht zu dem Wochenplan an der Wand, auf dem steht, wann die Kinder außer Haus sind. Beziehungsweise nicht. (Berliner Zeitung, 28.06. 2008, S. 1) […] die Stadtverwalter haben schon vor mehreren Monaten strengere Richtlinien erlassen, die […] bestimmen, wie […] Werbeschilder auszusehen haben respektive nicht. (die tageszeitung, 12.09.2001, S. 20)  



(112b)



(112c)



(113)



3.3.7 Zusammenfassung Wir fassen zusammen. Zwischen den disjunktiven Konnektoren gibt es nur wenige Bedeutungsunterschiede. Hauptunterscheidungskriterium innerhalb der oder-Gruppe ist die nach in- oder exklusiv, wobei der zentrale Konnektor diesbezüglich unterspezifiziert ist, was sich etwa zeigt, wenn Sprecher 2 auf die Äußerung eines Sprechers 1, die eine oder-Konstruktion enthält, mit (betontem) ENTWEDER oder oder UND/oder antwortet: (114)

A: Ich hätte gerne eine Gehaltserhöhung oder mehr Urlaub. B (1): Das gibt es nur ENTWEDER-oder. B (2): Sie meinen aber nicht UND/oder?

Ansonsten liegen eher Tendenzen vor, d. h. die Differenzen sind eher graduell, nicht absolut, und sie sind eher kontrastiv wirksam.  

Handbuch der deutschen Konnektoren 2 Semantik der deutschen Satzverknüpfer

Schriften des Instituts für Deutsche Sprache

Herausgegeben von Ludwig M. Eichinger und Angelika Linke

Band 13.2

Eva Breindl, Anna Volodina, Ulrich Hermann Waßner

Handbuch der deutschen Konnektoren 2 Semantik der deutschen Satzverknüpfer Teilband 2

Die Autoren haben im Einzelnen folgende Kapitel verfasst: Eva Breindl: Anna Volodina: Ulrich Hermann Waßner: Breindl/Volodina/Waßner:

Einl., A (außer A4.2 und A4.4), B, C1, C2, C4.3, C4.4, C5 A4.4, C4.1, C4.2 A4.2, C3, Einl. zu C4, C4.5, C4.6 D

ISBN 978-3-11-034134-8 e-ISBN [PDF] 978-3-11-034144-7 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-039453-5 ISSN 1861-566X Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsübersicht Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis befindet sich in diesem Teilband, S. 1223.

Teilband I Vorwort  IX Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  XI Einleitung  1

A

Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren, Begriffsbildung und Definitionen

A1

Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen, komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum  13 Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen  51 Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren  79 Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen  117

A2 A3 A4

B

Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B1 B2

Die Forschungslage  242 Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs  251

C

Semantische Konnektorenklassen

C1 C2 C2.1 C2.2 C2.3 C2.4 C3

Temporale Konnektoren  271 Additiv basierte Konnektoren  391 Additive Konnektoren  397 Negationsinduzierende additive Konnektoren  451 Adversative Konnektoren  511 Komitative Konnektoren  567 Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren  589

VI

Inhaltsübersicht

Teilband II Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  VII C4 C4.1 C4.2 C4.3 C4.4 C4.5 C4.6 C5

Konditional basierte Konnektoren  683 Konditionale Konnektoren  689 Kausale Konnektoren  787 Konzessive Konnektoren  901 Irrelevanzkonditionale Konnektoren  963 Finale und instrumentale Konnektoren  1011 Negativ-konditionale Konnektoren  1061 Metakommunikative Konnektoren  1129

D

Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

D1 D2

Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste  1171 Konnektorenliste mit Beispielen  1173

Inhaltsverzeichnis  1223 Literaturverzeichnis  1239 Quellenverzeichnis  1283 Register  1285 1. Sachregister  1285 2. Wortregister  1299

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole Advbk, ADVBK AF ANTEZ ASS AUT-Struktur CAC CCC CI DeReKo DRT E EDU EK EINZELG EPS F FHG GEI HG HS I IK ILL K KF KONSEQ NF nne NP npb NS nvf P p, q PAC PK POSTP PP PRO R

Adverbkonnektor a-faktisch NT EZEDENS A NTEZEDENS Assertion Alternative- (‚Oder‘-)Struktur central adverbial clause Cause, Condition, Concession Common Integrator (= Gemeinsame Einordnungsinstanz) Deutsches Referenzkorpus Discourse Representation Theory Ereigniszeit elementary discourse unit externes Konnekt syntaktischer Einzelgänger epistemische Ebene bzw. Lesart Faktivität Fokus-Hintergrund Gemeinsame Einordnungsinstanz (= Common Integrator) Hintergrund Hauptsatz illokutionäre Rolle internes Konnekt Illokution komplexer Ausdruck kontrafaktisch K ONSEQUENS nonfaktisch nicht nacherstfähig Nominalphrase nicht positionsbeschränkt Nebensatz nicht vorfeldfähig Proposition Variablen für propositionale Strukturen peripheral adverbial clause Präpositivkomplement Postponierer Präpositionalphrase propositionale Ebene bzw. Lesart Referenzzeit  

VIII

RST S Si, Sj SDRT SOA SPA SUBJ Suppl. t0 V1 V1S V2 V2S V2S-E VL VP

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

Rhetorical Structure Theory Sprechzeit Satzstruktur Segmented Discourse Representation Theory state of affairs (Sachverhalt) Sprechaktebene bzw. Lesart Subjunktor Supplement bestimmter Zeitpunkt VerberstVerberstsatz VerbzweitVerbzweitsatz Verbzweitsatz-Einbetter VerbletztVerbalphrase

Zeichen für Grammatikalitätsurteile: * vor einem Ausdruck kennzeichnet ungrammatische Beispiele, die durch inkorrekte Verwendung bestimmter Ausdrücke oder durch Nichtbeachtung sonstiger Regeln entstehen. # vor einem Ausdruck signalisiert, dass dieser zwar nicht ungrammatisch ist, aber im vorliegenden Kontext nicht angemessen verwendet werden kann. ? vor einem Ausdruck in einem Beispiel zeigt an, dass der Ausdruck semantisch abweichend (z. B. nicht konform mit allgemeinem Weltwissen) ist bzw. dass wir unsicher sind, ob er wohlgeformt ist. Welcher dieser beiden Fälle jeweils gegeben ist, geht aus dem Kontext der Verwendung des Ausdrucks hervor.  

Logische Zeichen (vgl. Tab. B1-4 S. 251): ¬ Negation: nicht Ù logische Konjunktion: und Ú logische Disjunktion (Alternation): inklusives oder (und/oder) >—< Kontravalenz: exklusives oder (entweder (…) oder) | Exklusion (Sheffer-Operator oder Sheffer-Strich): nicht beide (oder … oder keines von beiden) → logische (materiale) Implikation (hinreichende Bedingung), semantische Implikation: (immer) wenn, dann ↔ Äquivalenz (Biimplikation/Bikonditional, notwendige und hinreichende Bedingung): gdw.

C4 Konditional basierte Konnektoren

C4

Konditional basierte Konnektoren Einleitende Bemerkungen  685

C4.1

Konditionale Konnektoren  689

C4.2

Kausale Konnektoren  787

C4.3

Konzessive Konnektoren  901

C4.4

Irrelevanzkonditionale Konnektoren  963

C4.5

Finale und instrumentale Konnektoren  1011

C4.6

Negativ-konditionale Konnektoren  1061

Ulrich Hermann Waßner

Einleitende Bemerkungen (a) Grundbestimmung der Klasse und Einordnung in die Gesamtsystematik Die dritte Hauptklasse von „aussagenlogisch basierten“ Konnektoren umfasst diejenigen, denen – ggf. vermittelt – eine Bedingungs-Relation zugrundeliegt. Darin ist das INGU NG oder V ORAUSSETZUNG ORAUSSETZU NG für das andere, das die F OLGE eine Argument die B ED INGUNG (dies im allgemeinen Fall nicht kausal, also nicht als „Wirkung“ gemeint) darstellt. In Analogie zu den Benennungen der anderen beiden aussagenlogisch basierten Großklassen wählen wir die Bezeichnung „konditional basierte“. So vermeiden wir auch hier die Unterstellung, es handele sich bei den Konnektoren um genaue Entsprechungen von Junktoren, wie es eine Bezeichnung auf der Basis des Begriffs der Implikation mit sich brächte. Gleichzeitig vermeiden wir mit der Benennung unschöne Formulierungen wie „konditional i. e. S.“ und „i. w. S.“: die Großklasse ist „konditional basiert“, die zentrale, merkmalsärmste Teilklasse davon schlicht „konditional“. „Bedingung“ ist eine so fundamentale Kategorie, dass jeder Versuch einer Umschreibung oder Definition umständlicher und schwerer verständlich ist als das Explicandum; insbesondere erfordern die Beschreibungen ihrerseits fast unumgänglich die Verwendung von Bedingungsausdrücken, sind also in gewissem Sinn zirkulär. Allerdings kann auch hier – mit aller gebotenen Vorsicht – versucht werden, gewisse wesentliche Bedeutungsaspekte dieser Konnektoren durch Analogien zu den Junktoren der Aussagenlogik zu verdeutlichen und sogar zu formalisieren und somit ihre Beschreibung zu präzisieren. Die wahrheitssemantische Kernbedeutung dieser konditional basierten Konnektoren – sei es ihre assertierte Proposition, sei es eine Präsupposition, etwa eine zurückgewiesene Vorannahme – kann nämlich mit Hilfe der logischen Implikation beschrieben werden; bzw. sie entspricht ihr insofern, als diese Konnektoren eine Beziehung solcher Art zwischen den von ihren Konnekten denotierten Sachverhalten denotieren, dass die entsprechenden Wahrheitswertabhängigkeiten bestehen: Komplexe Äußerungen der implikativen Gruppe sind wahr bei den beiden Verteilungen der Wahrheitswerte von p und q, dass a) beide wahr oder b) beide falsch sind; und falsch bei einer oder beiden anderen Wahrheitswertkombinationen.1 (Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass damit nicht unterstellt sein soll, dass das den konditional basierten Konnektoren unterliegende Schema mit der materialen Implikation des Aussagenkalküls identisch sei, vgl. C4.1.2.3.)  







1 Eine ähnliche, vorsichtigere, aber auch komplexere Bestimmung findet sich in GDS (2282 f.). Dort wird von einer graduellen Abstufung von Wahrscheinlichkeiten statt einer polaren wahr-falsch-Dichotomie und einer mögliche Welten-Semantik ausgegangen. Für die Zwecke dieser Einleitung genügt das einfachere traditionelle aussagenlogische Modell.  

686

C Semantische Konnektorenklassen

Bei den Bedingungen haben wir nun zwei verschiedene Arten, deren Unterscheidung sich bei der Bedeutungsbeschreibung der einzelnen Konnektoren dieser Großklasse in verschiedener Weise als relevant erweist. Diese beiden Bedingungsarten sind die „hinreichende“ und die „notwendige“ (s. C4.1.2.3.1). Mit diesen Arten von Bedingungen lässt sich der wahrheitssemantische Aspekt der Bedeutung der konditional basierten Konnektoren darstellen. Die Bedingungsarten entsprechen gewissen Junktoren der Aussagenlogik: i. d. R. werden die (nur) hinreichende Bedingung der („materialen“) Implikation, die ausschließlich notwendige ihrer logischen Konversen, der Replikation, und die Kombination aus beidem, die „notwendige und hinreichende“ Bedingung, der Äquivalenz/Biimplikation (in der Aussagenlogik ein eigener Junktor) zugeordnet. In diesem Sinne dürfen die konditional basierten Konnektoren als „aussagenlogisch basiert“ gelten. Soll die Konstruktion Wenn p, (dann) q der Implikation entsprechen, so darf das Ganze nur bei Wahrheit von p und Falschheit von q falsch sein. Bei der Replikation darf das Ganze nur beim umgekehrten Fall falsch sein. Bei der Äquivalenz sodann muss es in beiden Fällen falsch sein. Wie der zentrale alternativebasierte Konnektor oder (vgl. C3) kann der prototypische konditionale Konnektor wenn typischerweise schließlich aber auch in der vierten kombinatorisch möglichen Wahrheitswertkombination vorkommen, der Tautologie, die bei allen vier Wahrheitswertkombinationen ihrer Argumente wahr ist. War dort (Entweder) p oder nicht p die einfachste Formulierung der Wahl, so sind es hier Ausdrücke der Art (Genau) dann p, wenn p. (In beiden Fällen genügt die „schwächere“ Form – inklusive Disjunktion p Ú ¬p bzw. Implikation p → p –, ergibt sich die Tautologie aber auch, wenn die Verschärfung zu Kontravalenz p >—< ¬p bzw. Äquivalenz p ↔ p gemeint ist.) Nur zwei Beispiele für diese Verwendungsweise, die auch das kommunikative Bedürfnis nach tautologischen Äußerungen (etwas als selbstverständlich zu kennzeichnen) offenbaren; (b) zeigt, dass sich die Identität von A NTEZEDENS -p und K ONSEQUENS -p(’) gerne in synonymen Ausdrücken versteckt:  

(1a) (1b)



Wenn er nicht kommt, dann kommt er nicht. Wenn es nicht so war, wie er gerade gesagt hat, dann war’s halt anders . (Oberösterreichische Nachrichten, 10.09.1997, o. S.)  



Da aber wenn in solche Verwendungen mit seiner konditionalen Bedeutung eingeht und die Interpretation als Tautologie erst wesentlich durch die Kombination mit anderen sprachlichen Ausdrücken und vor allem mit spezifischen Kontexten und Konnekten zustande kommt, hat dieses Phänomen für die Bedeutungsbeschreibung von wenn keine einschränkenden Konsequenzen. Somit stellt es auch keine unerwünschte Schnittmenge der Klassenbedeutung der konditionalen mit der der alternativebasierten dar. Gemeinsam ist allen konditional basierten Konnektoren, dass sie grundsätzlich asymmetrisch sind, d. h. dass ihre beiden Argumente (in der zugrundeliegenden  

C4 Einleitende Bemerkungen

687

assertiv oder präsuppositiv übermittelten implikativen Relation als ihrer Grundbedeutung) Rollen verschiedener Art spielen. Eine Ausnahme stellt nur der Ausdruck für die (symmetrische) Äquivalenz dar; dafür gibt es fachsprachlich einen eigens geprägten Ausdruck (genau dann wenn, gdw.). (b)

Subklassifikationskriterien, Dimensionen von Klassenmerkmalen und Differenzparameter Die Unterklassen der konditionalbasierten Konnektoren unterscheiden sich nach folgenden Dimensionen und Faktoren: (i) Ganz analog zum Bereich, der der logischen Konjunktion entspricht, den additiv basierten Konnektoren nämlich, spielt auch hier für die weitere Untergliederung die vom Konnektor möglicherweise induzierte Art von Negation eine wesentliche Rolle. Die meisten Unterklassen unterscheiden sich von den Konditionalen durch dieses Merkmal und lassen sich gleichzeitig durch dieses klassenbildende Differenzierungskriterium von jenen ableiten: nämlich als Ausdrücke für eine Konditionalrelation plus vom Konnektor bewirkte (nicht geforderte) Negation des einen, des anderen oder beider von den Konnekten denotierter Argumente einer Konditionalrelation (oder auch von geeigneten Verallgemeinerungen davon), der Relation selbst oder auch von Kombinationen daraus. Dabei ist alles (Relation wie Argumente), was nicht vom Konnektor induziert negiert wird, cet. par. (d. h. wenn nicht eigens, mit anderen Mitteln als dem Konnektor, eine Negation explizit gemacht wird) als affirmiert zu betrachten. Wie im Fall der additiv basierten stellt die Kombination mit zwei in diesem Sinne affirmierten Konnekten den Grundfall, hier die einfache Konditionalität, dar. Im Bereich der Konditionalität gilt jedoch, dass wenn p dann q äquivalent ist zu wenn nicht q dann nicht p und wenn q dann p zu wenn nicht p dann nicht q, so dass wir für den Fall mit zwei negierten Argumenten keine gesonderte Klasse vorsehen müssen, während wir bei den additiv basierten so die gesonderte weder – noch-Klasse (‚nicht p und nicht q‘) erhalten. Über Negation dieser Art lassen sich die Konzessiven auch direkt auf die Kausalen zurückführen. (ii) Sodann kann man Unterklassen dadurch voneinander sondern, ob die Kategorie des Denotats des internen Konnekts defaultmäßig ein Sachverhalt in der Bezugswelt (entspricht sprachlich einer Proposition) oder eine berichtete Sprechereinstellung des Wollens oder Sollens ist. Letzteres ist (insbesondere) bei den finalen Konnektoren der Fall. Seine sprachliche Entsprechung findet dies in der Möglichkeit, finale Konnektoren mit wenn bzw. weil und einem entsprechenden Modalverb zu umschreiben. So wie gewisse konditional basierte Konnektoren als negationsinduzierend angesehen werden können, so die finalen als modusinduzierend. Für die exakte formale Beschreibung dieser Dimension der Untergliederung der konditional basierten würde  

688

(iii)

C Semantische Konnektorenklassen

die Aussagenlogik nicht mehr ausreichen; wir bräuchten Kategorien der deontischen (normativen) Modallogik. Wir streben aber eine solche Formalisierung nicht an, die das für dieses Handbuch akzeptable Maß übersteigen und den logisch nicht vorgebildeten Leser überfordern würde, der aber mit der Bedeutung der Konnektoren auch ohne solche Vorkenntnisse vertraut gemacht werden muss. Schließlich sind die Subklassen danach charakterisiert, ob die konditionale Relation in der Assertion einerseits oder in einer Präsupposition, einer gegebenenfalls zurückgewiesenen Hintergrundannahme, einer als gegeben oder selbstverständlich unterstellten Voraussetzung vorliegt.

C4.1 Konditionale Konnektoren

C4.1

Konditionale Konnektoren

4.1.1

Liste der konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  692 4.1.1.1 Ausdifferenzierung der Klasse und Kodierungspräferenzen  692 4.1.1.2 Bildungsmuster und Herkunft konditionaler Konnektoren  696 4.1.1.3 Alternative Ausdrucksweisen  697 4.1.1.3.1 V1-Konditionale  697 4.1.1.3.2 Parenthetische Partizipialkonstruktionen  704 4.1.1.3.3 Asymmetrische Satzkoordination durch und und oder  706 4.1.1.3.4 Fügungen mit Substantiven wie Bedingung, Voraussetzung, Fall; (unter der Bedingung/Voraussetzung, dass)  709 4.1.1.3.5 Konditionale Präpositionalphrasen  710 4.1.1.3.6 Periphere Ausdrucksweisen  711 4.1.1.3.6.1 Generische w-Relativsätze  712 4.1.1.3.6.2 wenn- vs. dass-Komplementsätze  712 4.1.1.3.6.3 Optative Konditionale  715 4.1.1.3.6.4 Einstellige Adverbien auf -falls  716 4.1.2

Systematische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  717 4.1.2.1 Relationsschema  717 4.1.2.2 Verwandtschaftsbeziehungen mit anderen Relationen  718 4.1.2.2.1 Konditionalität und Temporalität  718 4.1.2.2.2 Konditionalität und andere konditional fundierte Relationen  720 4.1.2.2.3 Spezialfall 1: Irrelevanzkonditionale  721 4.1.2.2.4 Spezialfall 2: Exzeptivkonditional  722 4.1.2.2.5 Konditionalität und Disjunktion  723 4.1.2.2.6 Konditionalität und Adversativität/Konfrontativität  723 4.1.2.2.7 Konditionalität und Frageausdrücke  724 4.1.2.3 Definition der Konditionalrelation  725 4.1.2.3.1 Arten von Bedingungen  731 4.1.2.3.2 Subtypen von Konditionalität  733 4.1.2.4 Konditionalität und Verknüpfungsebenen  737 4.1.2.4.1 Formale Merkmale für die Unterscheidung zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen  742 4.1.2.4.2 Spezifika des Gebrauchs konditionaler Konnektoren als Sprechaktkonditionale bzw. Standardkonditionale  749 4.1.2.4.3 Semantischer Unterschied zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen  753

4.1.3 Konditionale Konnektoren im Detail  755 4.1.3.1 Die konditionalen Subjunktoren: wenn, falls, sofern und so  756 4.1.3.1.1 wenn als prototypischer Konditionalkonnektor  756 4.1.3.1.2 Konditionales Trio: wenn vs. falls vs. sofern  757 4.1.3.1.3 Temporales wenn, aber kein temporales falls und sofern  764 4.1.3.1.4 ‚Faktisches‘ wenn, aber kein ‚faktisches‘ falls und sofern  766 4.1.3.1.5 Die Verwendung von wenn, falls und sofern mit Sprechaktbezug  767 4.1.3.1.6 sofern vs. soweit  768 4.1.3.1.7 Konditionales wenn vs. konditionales so  771 4.1.3.2 Verbzweitsatz-Einbetter und komplexe konditionale Konnektoren  772 4.1.3.2.1 Konditionale Verbzweitsatz-Einbetter  774 4.1.3.2.1.1 V2S-Einbetter als einheitliche Klasse konditionaler Konnektoren  775 4.1.3.2.1.2 Semantische Klassen von Verben, von denen V2S-Einbetter abgeleitet werden können  777 4.1.3.2.1.3 V2S-Einbetter im Vergleich zu den monolexikalischen konditionalen Konnektoren wie wenn und falls  778 4.1.3.2.1.4 Zur Interpretation von Strukturen mit V2S-Einbettern als Standard- und Sprechaktkonditional  780 4.1.3.2.2 Aus konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern abgeleitete komplexe Subjunktoren  782

Anna Volodina

C4.1 Konditionale Konnektoren 4.1.1 Liste der konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Subjunktoren falls so sofern wenn Verbzweitsatz-Einbetter angenommen für den Fall / im Fall(e) gesetzt gesetzt den Fall vorausgesetzt Aus Verbzweitsatz-Einbettern abgeleitete komplexe Subjunktoren angenommen, dass für den Fall, dass / im Fall(e), dass gesetzt, dass gesetzt den Fall, dass vorausgesetzt, dass

4.1.1.1 Ausdifferenzierung der Klasse und Kodierungspräferenzen Unter Konditionalität wird eine semantische Relation der Abhängigkeit zwischen zwei Sachverhalten verstanden. Der eine Sachverhalt, den man als F OLGE oder K ONSEQUENS bezeichnen kann, wird als von einem anderen Sachverhalt, den man als B EDINGUNG oder A NTEZEDENS bezeichnen kann, abhängig verstanden, z. B.: Wenn der Direktor darauf nicht bestanden hätte, wäre dieses Kapitel nicht entstanden. Die genaue Ausbuchstabierung dieser Relation erfolgt in C4.1.2.3 dieses Kapitels. Wichtig bereits für den Einstieg ist allerdings, dass diese Abhängigkeit im Kern epistemischer Natur ist, d. h. sie betrifft in erster Linie das menschliche Denken über die Welt, und nicht die Welt selbst. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit denen Konditionalität in diesem Sinne ausgedrückt werden kann, und es gibt viele Ausdrücke des Deutschen, die man als Ausdrücke von Konditionalität interpretieren kann, auch wenn dies nicht ihren Kernbe 



C4.1 Konditionale Konnektoren

693

deutungen entspricht (z. B. generische w-Relativsätze (vgl. C4.1.1.3.6.1) bzw. asymmetrische Satzkoordination bei und und oder (vgl. C4.1.1.3.3)). In diesem ersten Abschnitt wird zunächst ein Überblick über die konnektoralen Ausdrucksweisen von Konditionalität gegeben, die im Weiteren ausführlicher behandelt werden. Bei den konditionalen Konnektoren handelt es sich um eine relativ kleine, semantisch nicht stark ausdifferenzierte Klasse. Es ist daher nicht trivial, zwischen den Bedeutungen der einzelnen Konnektoren semantisch zu unterscheiden, auch wenn bei näherer Betrachtung durchaus Besonderheiten und subtile Unterschiede herausgearbeitet werden können. Zu den häufigsten Konnektoren des konditionalen Bereichs zählen wenn, falls und sofern, wobei die beiden letzteren in der Verwendung deutlich eingeschränkter sind als wenn, das jedoch neben der konditionalen auch zahlreiche andere Lesarten erlaubt. Eine der zentralen Fragen dieses Kapitels ist daher, warum die jeweiligen Beschränkungen für die eindeutig konditionalen Subjunktoren falls und sofern existieren und inwiefern sich die nicht konditional zu interpretierenden Lesarten von wenn erklären lassen. Syntaktisch gesehen ist diese semantische Konnektorengruppe im Wesentlichen durch zwei Klassen von Konnektoren vertreten: Subjunktoren einerseits und Verbzweitsatz-Einbetter andererseits. Dabei fällt auf, dass neben den oben genannten Subjunktoren wenn, falls und sofern auch andere Ausdrücke – wie beispielsweise für den Fall, dass oder angenommen, dass – als Subjunktoren (gemäß der Kategorisierung in HDK-1) fungieren, die sich von den entsprechenden Verbzweitsatz-Einbettern (vgl. (1)) auf den ersten Blick nur dadurch unterscheiden, dass der Komplementierer dass hinzugefügt und daraufhin das finite Verb entsprechend subordiniert wird1 (vgl. (2)).  

(1a)

Angenommen, Ernährung und Lebensumstände (sitzender Beruf, Sport) haben den größten Einfluß auf das Gewicht, so dürften lange Zeit getrennt lebende Zwillingspaare mit unterschiedlichen Gewohnheiten und anderer Kost niemals die gleiche Figur haben. Die Realität: „Eineiige Zwillinge, die schon als Säuglinge getrennt wurden, haben im Erwachsenenalter fast das gleiche Gewicht“, sagt Professor Daniel. (Salzburger Nachrichten, 04.03.1998, o. S.) „Da wir von der Patientin Elli Flach nicht von der Schweigepflicht entbunden wurden, kann ich Ihnen nach Stellungnahme unserer Ärzte nur mitteilen, dass Frau Flach bei uns korrekt behandelt wurde“, so Sprecherin Marion Lens. Für den Fall, es würde Ärzten unterlassene Hilfeleistung unterstellt, behalte sich das Klinikum weitere Schritte vor. (Braunschweiger Zeitung, 24.10.2006, o. S.)  

(1b)



1 Eine alternative, einheitliche Analyse als „complex subordinators ending with optional that“ schlagen dagegen Quirk et al. (1985: 998) für ähnliche Strukturen mit provided, supposing usw. im Englischen vor.  

694

(2a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Angenommen, dass sich der weltweite Elektrizitätsbedarf in zwanzig Jahren verdoppelt, würden dadurch 1,7 Millionen Arbeitsplätze entstehen und mehr als 10 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen eingespart. (die tageszeitung, 06.10.1999, S. 8) Die Molkerei, die den Musterprozess stellvertretend für 40 bayerische Privatmolkereien führt, verlangt vom Freistaat rund 400.000 Euro zurück. Für den Fall, dass sie sich mit ihrer Klage durchsetzt, könnten auch die übrigen privaten Molkereien Ansprüche geltend machen. (Nürnberger Zeitung, 25.03.2011, S. 15)  





(2b)





Es ist offenkundig, dass die konditionale Bedeutungskomponente nicht vom Komplementierer dass selbst, sondern von den jeweiligen PPs bzw. Partizipien, die semantisch transparent sind, getragen wird, und daher ist eine der Fragen, die wir in diesem Kapitel diskutieren müssen, ob die Strukturen in (1) und (2) ausschließlich syntaktische Unterschiede aufweisen oder ob auch funktionale Unterschiede zu beobachten sind (mehr dazu in C4.1.3.2.1 und C4.1.3.2.2). Dabei fällt insbesondere auf, dass nur partizipiale (und PP-artige) Konditionalkonnektoren die Einbettung eines V2-Satzes unterstützen. Hinsichtlich des Bestands der Konditionalkonnektoren lässt sich Folgendes festhalten: a) Es gibt keine konditionalen Adverbkonnektoren (vgl. auch Breindl/Waßner (2006: 50)) – anders als bei den negativ-konditionalen, wo es durchaus Adverbkonnektoren gibt (vgl. C.4.6). b) Gemäß der Definition des HDK-1 sind alle Konditionalkonnektoren Antezedensmarker. Anders gesagt, es gibt keinen einzigen Konnektor aus dem konditionalen Bereich, der die Folge als von etwas abhängig markiert. Diese beiden Generalisierungen bedürfen einer Erklärung, weil sie sich in einigen Punkten von der Sichtweise der traditionellen Grammatiken unterscheiden: Ad a): Als Kandidaten für i. e. S. „konditionale Adverbkonnektoren“ kommen lediglich dann und ggf. so in Frage, die bei der Linksversetzung einiger konnektoraler Konditionalsätze als Korrelate (in anderer Terminologie auch Resumptiva genannt) im externen Konnekt fungieren: In der GDS wird dann als das einzige Adverb der Gruppe „konditionale Adverbien“ beschrieben, die „auf im Kontext gegebene Propositionen [verweisen] und sie damit als Charakterisierung eines Bedingungskontextes aus[weisen]“ (GDS: 1174). Der für diese Argumentation angeführte Beleg (vgl. (i)) ist zweifelsohne konditional, vgl. auch die Paraphrase in (ii):  

(i) (ii)





Der Alpinwetterbericht kündigt für morgen stabiles Hochdruckwetter an. – Dann stehen wir früh auf und machen den Ostgrat. Der Alpinwetterbericht kündigt für morgen stabiles Hochdruckwetter an. [Sollte das wirklich zutreffen,] stehen wir früh auf und machen den Ostgrat. (zit. nach GDS: 1174)

C4.1 Konditionale Konnektoren

695

Das externe Konnekt zu dann ist sprachlich nicht realisiert und ist auch nicht elliptisch weggelassen. Dies ist daraus ersichtlich, dass das Antezedens der Inhalt der Wettervorhersage ist und nicht der Sachverhalt des explizit realisierten vorangehenden Satzes, der ein Bericht über eine Vorhersage ist. Daher kann diese Proposition nicht als explizit assertiert, sondern als eine bloße Möglichkeit bezeichnet werden. Deshalb ist eine konditionale Relation naheliegend. Dann wird hier dennoch nicht als expliziter Konditionalkonnektor begriffen, weil es kein externes Konnekt braucht. Stattdessen kann man dann als Adverb – kontextabhängig mit konditionaler oder temporaler Bedeutung – auffassen.2 Auch eine andere Verwendung von dann bzw. so (vgl. (iii)), die man bei den V1Konditionalen findet, ist nicht als konnektoral zu bewerten. Ob in V1-Konditionalen, wie in (iii) gezeigt, dann bzw. so ebenfalls als Adverbien oder Korrelate begriffen werden und daher auch mit Linksversetzung des Antezedens-Konnekts einhergehen (vgl. explizit HDK-1), sei dahin gestellt und ist nicht zuletzt analyseabhängig (die Gegenposition wird z. B. von Reis/Wöllstein 2010 vertreten, mehr dazu in C4.1.1.3.1). In diesen Fällen hat dann bzw. so keine Konnektorfunktion, und zwar deswegen, weil dann und so die Konditionalrelation nicht selbst herstellen können, sonst wären sie auch nicht weglassbar.  

(iii)

Hat ein Schweizer eine Tat begangen, so wird es in den Medien angeprangert und breit getreten, ist es ein Ausländer, folgt Schweigen im Wald […]. (St. Galler Tagblatt, 21.01.2009, S. 39)  

Ad b): Wenn man nun mit HDK-1 annimmt, dass für den Fall, dass analog zu ohne dass oder anstatt dass ein zusammengesetzter Konnektor ist, dann ist er naturgemäß als Antezedensmarker anzusehen, vgl. (iv-1). Gleichwohl ließe sich eine alternative Analyse geben, wonach für den Fall bereits Teil des Konsequens ist, und damit gewissermaßen gerade das Konsequens markiert. Lediglich der Komplementierer käme sodann innerhalb des Nebensatzes (in diesem Falle das Antezedens) vor, vgl. (iv-2). (iv-1) (iv-2)

Für den Fall, dass [er wiedergewählt wird], trete ich zurück. Für den Fall, [dass er wiedergewählt wird], trete ich zurück.

Wie im HDK-1 beobachtet, verhalten sich die aus Verbzweitsatz-Einbettern abgeleiteten komplexen Subjunktoren im gewissen Sinne wie „Konstruktionen“ nach einem

2 Fabricius-Hansen (2011: 29) argumentiert dagegen in ähnlichen Fällen für die Annahme eines phorischen Konnektors dann, der „sich auf einen abstrakten Diskursreferenten passenden Typs, der dem Bezugskonnekt zu entnehmen ist, [bezieht] und diesen als internes Argument unter den zweistelligen […] Funktor ein[bettet], der den relationalen Bedeutungskern des Konnektors ausmacht“. Dabei hebt Fabricius-Hansen (ebd.: 37) hervor, dass phorische Konnektoren nur indirekt das im HDK-1 formulierte Relationalitätskriterium erfüllen.

696

C4 Konditional basierte Konnektoren

festen Muster: Sie betten einen dass-Satz ein, der unmittelbar auf den einbettenden Ausdruck folgt, hier für den Fall. Der ganze Ausdruck für den Fall, dass kann ohne Bedeutungsverlust durch den Konditionalkonnektor wenn ersetzt werden. So gesehen leitet der komplexe Konnektor für den Fall, dass analog zu wenn sein internes Konnekt ein und ist damit der Antezedensmarker einer Konditionalrelation. Dies rechtfertigt die Analyse als komplexer Subjunktor, die im Weiteren verfolgt wird. In der alternativen Analyse müsste man denselben semantischen Beitrag kompositional ableiten.

4.1.1.2 Bildungsmuster und Herkunft konditionaler Konnektoren Die in den früheren Sprachstufen herrschende lexikalische Vielfalt von Konnektoren wird im Übergang zum Frühneuhochdeutschen aufgelöst, zugunsten weniger Konnektoren, die universal verwendet werden. Neben dem Subjunktor wen(n), der im heutigen Standarddeutschen hauptsächlich als lexikalischer Marker der Konditionalität dient, werden im Frühneuhochdeutschen in der konditionalen Bedeutung noch drei immer seltener werdende Formen – wo, so und ob – verwendet (vgl. Nitta 1999: 147). Wenn verdrängt nach und nach gleich mehrere temporale und konditionale Konnektoren: Beispielsweise löst wenn das konditionale thanne/thonne sowie die konditionalen so und oba ab. Diese Entwicklung vollzieht sich im 15. Jahrhundert, so Behaghel (1928: 347). Das Grimmsche Wörterbuch (DWB) und auch Behaghel (1928) weisen auf den polysemen Charakter von wenn hin, die temporale Bedeutung geben sie aber als vorherrschende, erste Bedeutung an, erst dann folgt der Hinweis auf seine konditionale Verwendung. Dabei wird auf die etymologische Erklärung zurückgegriffen, laut welcher die temporale Bedeutung von wenn seine ursprüngliche ist: Seit dem Althochdeutschen fungiert wenn als temporales w-Adverb (zurückgehend auf das ahd. hwanne, hwenne), das nach dem Vorbild des lat. quando gebraucht wird. Die früheren Sprachstufen des Deutschen zeichnen sich im Vergleich zum heutigen Standarddeutschen nicht nur durch den Variantenreichtum konditionaler Konnektoren aus, sondern auch durch strukturelle Besonderheiten. So finden sich in den Quellen älteren Datums auch desintegrierte Verwendungen von – sowohl eingeleiteten, vgl. (3a) als auch uneingeleiteten, vgl. (3b) – Konditionalsätzen im Vor-Vorfeld, die im Gegenwartsdeutschen nicht mehr akzeptabel sind (vgl. Axel (2007), Axel/Wöllstein (2009)):  

(3a)

(3b)

[swenne er gelernet die gotes wisheit], er heldet sie lange in sinem herzem ‚Wenn er Gottes Weisheit erfährt, wird er sie für lange Zeit in seinem Herzen tragen.‘ (Altdeutsche Predigten 3,10–11; Beleg zit. nach Axel/Wöllstein 2009: 18) [slet man die frucht ab], der boum brenget des ander jares even bigger fruit ‚Schneidet jemand eine Frucht ab, wird der Baum eine noch größere Frucht im nächsten Jahr erbringen.‘

697

C4.1 Konditionale Konnektoren

(Altdeutsche Predigten 20,20–21 (Mitte 14. Jhd); Beleg zit. nach Axel/Wöllstein 2009: 22))  

Dies ist nicht weiter überraschend, da dies dem ursprünglichen Stellungsmuster von Adverbialsätzen entspricht: Sie alle, ob mit Verbletzt- oder Verberststellung, traten seit dem Althochdeutschen „links vom anderweitig besetzten Vorfeld [auf], also unintegriert, so dass in beiden Fällen ‚V3‘ resultierte“ (Reis/Wöllstein 2010: 158). Seit dem Frühneuhochdeutschen sind aber nur eingeleitete Adverbialsätze, u. a. auch wenn-Konditionale, in der Vorfeldposition belegt. Satzinitiale V1-Konditionale dagegen treten häufiger in den Strukturen mit dem durch das Korrelat so eingeleiteten Matrixsatz auf (vgl. Axel/Wöllstein 2009). Ihre präfinite Stellung, wie in (4) gezeigt, ist erst 250 Jahre später, um 1600–1650, belegt, so Axel/Wöllstein (2009):  



(4)

[Wuerde es aber mein Glueck vnd Beruff seyn dasselbige zu foerdern] wollte ich mein Leben von Hertzen gern darmit zubringen. ‚Wäre es aber mein Glück und mein Beruf, das zu fördern, würde ich es mein Leben lang aus meinem Herzen gern tun.‘ (Walter Ralegh: Amerika 5, 24–25 (Frankfurt/M. 1599); Beleg zit. nach Axel/ Wöllstein 2009: 23)

4.1.1.3 Alternative Ausdrucksweisen Die Ausdrucksmöglichkeiten von Konditionalität im Allgemeinen gehen weit über den Bereich der Konnektoren hinaus. Einige davon werden an dieser Stelle in einigem Detail behandelt: Zunächst wird eine für das Deutsche typische Struktur zum Ausdruck von Konditionalität ohne den Gebrauch von Konnektoren diskutiert, nämlich die sogenannten V1-Konditionale (s. C4.1.1.3.1). In C4.1.1.3.4 wird auf die spezifische Verwendung von Substantiven wie Bedingung, Voraussetzung etc. hingewiesen. Außerdem wird eine Reihe von nicht-konnektoralen Fügungen behandelt, z. B. Partizipialkonstruktionen wie realistisch betrachtet etc. (s. C4.1.1.3.2) und konditionale PPs (s. C4.1.1.3.5). In C4.1.1.3.3 werden Strukturen mit und und oder besprochen, die im Kern gar nicht konditional sind, jedoch durchaus zum Ausdruck von Konditionalität in spezifischen Konstruktionen und/oder Kontexten verwendet werden können. In C4.1.1.3.6 werden periphere Ausdrucksweisen von Konditionalität an einschlägigen Beispielen diskutiert.  

4.1.1.3.1 V1-Konditionale Generell gilt, dass Konnektoren oft fehlen können, und die entsprechend kodierte Relation wird dann aus dem Kontext „erraten“. So können beispielsweise kausale Konnektoren, additive Konnektoren und adversative Konnektoren weggelassen werden, wenn der Kontext und das Weltwissen hinreichende Hinweise enthalten, um die

698

C4 Konditional basierte Konnektoren

Relation zwischen den zwei Sachverhalten trotzdem deutlich genug erkennen zu lassen. (5)

Er ist gefallen. Sie hat ihn geschubst.

Für dieses Beispiel könnte es je nach Kontext eine ganze Reihe von Interpretationen geben, und zwar könnte es sich hier um eine additive, adversative oder auch kausale Verknüpfung zwischen den Sätzen handeln, aber nicht um eine konditionale: Für unser Beispiel (5) ließe sich unmöglich ein Kontext finden, in dem sich der Sachverhalt des einen Satzes als Bedingung für den Sachverhalt interpretieren ließe, der durch den anderen Satz zum Ausdruck gebracht wird. Die Erklärung hierfür ist: Ein reines Bedingungsverhältnis zwischen zwei assertierten Sachverhalten kann es nicht geben. Um also ein Bedingungsverhältnis abzuleiten, muss mindestens einer der Sachverhalte nicht assertiert sein. Da nun im Deutschen V2-Matrixsätze typischerweise als Marker für Assertion gelten (vgl. z. B. Reis 1997, Gärtner 2002, Meinunger 2004, Truckenbrodt 2006, Reis/Wöllstein 2010), widerspricht eine solche Konstruktion dem Wesen des Konditionals.3 Das Deutsche stellt zur asyndetischen konditionalen Verknüpfung von zwei Sätzen eine besondere Konstruktion zur Verfügung, die unter dem Namen V1-Konditionale bekannt geworden ist. Wenn es darum geht, zwei Propositionen ohne Konnektor in ein konditionales Verhältnis zueinander zu bringen, ist die ikonische Abfolge der Sachverhalte – Bedingung vor der Folge – präferiert. Ein Paradebeispiel dafür ist (6):  

(6)

Kommst du zu spät, (dann) fangen wir ohne dich an!

Das erste Konnekt mit Verberststellung Kommst du zu spät gleicht seiner Form nach einem Fragesatz und wird mit leicht steigendem bzw. gleich bleibendem Grenzton ausgesprochen. Wie in einem Fragesatz Kommst du zu spät?, in dem der Wahrheitswert der Proposition aus Sprechersicht unbekannt ist, wird die Proposition des ersten Konnekts der Konditionalrelation ebenfalls als offen gedeutet. So überraschen auch solche – nicht wirklich seltenen – Belege wie in (7) nicht, bei denen das erste Konnekt in Form einer Entscheidungsfrage formuliert ist: (7)

Hat Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen? Dann hätte sie nicht zurücktreten müssen. (Die Rheinpfalz, 17.07.2010, S. 2)  

3 Natürlich gilt dies nicht für die V2-Sätze als internes Konnekt von Verbzweitsatz-Einbettern, die durchaus konditional interpretiert werden können, siehe Beispiele unter (1) – die Erklärung für dieses Phänomen wird in C4.1.3.2.1 diskutiert.

C4.1 Konditionale Konnektoren

699

Dieser Satz wird so analysiert, dass sich dann auf eine konditionale positive Antwort auf die Frage bezieht: „Wenn ja, dann …“. Damit wäre nicht die Frage selbst das Antezedens des Konditionals, sondern die in einem nicht explizit realisierten wennSatz vorkommende positive Antwort, wie in (7’a): (7’a) (7’b)

Wenn Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen hat, dann hätte sie nicht zurücktreten müssen. Wenn Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen hätte, dann hätte sie nicht zurücktreten müssen. (a ≠ b)

Der rhetorische Effekt der Frage legt eine Rekonstruktion wie in (7’b) nahe, da angedeutet wird, dass die Bischöfin sich durchaus etwas vorzuwerfen hat. Dies scheint jedoch eine rein pragmatische Angelegenheit zu sein. Im Falle von V1-Sätzen wie in (7’c) und (7’d) hingegen geht man davon aus, dass die entsprechende Proposition direkt als Antezedens des Konditionals fungiert, und nicht erst durch die Einfügung einer nicht explizit realisierten Antwortmöglichkeit zum Antezedens wird. An dieser Stelle bietet sich ein direkter Vergleich zu dem bereits im Exkurs zu Beginn des Kapitels besprochenen Fall an: Die Frage Hat Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen? kann nicht direkt als Antezedens-Konnekt zu dem darauf folgenden dann-Satz aufgefasst werden, daher ist (7) ≠ (7’c) oder (7’d): (7’c) (7’d)

?Hat Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen, dann hätte sie nicht zurück treten müssen. Hätte Bischöfin Jepsen sich wirklich nichts vorzuwerfen, dann hätte sie nicht zurück treten müssen.

Bei den Strukturen, die nicht kontrafaktisch sind, ist es aber nicht immer möglich zu unterscheiden, ob z. B. ein V1-Konditionalsatz und nicht ein Interrogativsatz vorliegt, der strukturelle Unterschied ist aber nach wie vor gegeben.  

(6) (6’)

Kommst du zu spät, dann fangen wir ohne dich an. Kommst du zu spät? Dann fangen wir ohne dich an.

Ein paar Originalbelege zu (6)’: (6’a)

Ist Chinas Machtelite bereit und in der Lage, im Schein der olympischen Fackel über den eigenen politischen Schatten zu springen? Dann haben Gespräche Sinn. Will sie aber Tibet nach ihrem Bilde modernisieren? Dann wird sie weiteren Widerstand ernten. (dpa, 25.04.2008, o. S.) Bestenfalls stellt Hayali einige fürchterlich naive Fragen. Sollte das etwa eine journalistische Strategie sein? Dann ist sie gründlich missglückt. (Hannoversche Allgemeine, 28.04.2009, o. S.)  

(6’b)



700

C4 Konditional basierte Konnektoren

Eine strikte ikonische Konnekt-Abfolge (Antezedens- vor dem Konsequens-Konnekt) – wie an den obigen Beispielen gezeigt – ist aber längst nicht die einzige Realisierungsmöglichkeit eines V1-Konditionals. Parenthetisch eingeschobene, prosodisch abgesetzte V1-Konditionalsätze sind ebenfalls keine Ausnahmen: (8)

Die Berliner Schauspielerin Alice Treff, will man Eingeweihten glauben , wird heute 85 Jahre. (Mannheimer Morgen, 04.06.1991, o. S.) (zit. nach Reis/Wöllstein 2010: 140) Klaus Wowereits „Nein“ auf die Frage, ob er seine Kinder – hätte er welche – in Kreuzberg zur Schule schicken würde, hat für Empörung gesorgt – besonders bei denen, die sich in Kreuzberg der Probleme an den Schulen annehmen. (Berliner Zeitung, 09.12.2006, S. 26)  



(9)





Wenn weitere Marker von Konditionalität (wie z. B. Modus) im Spiel sind (vgl. Iatridou/ Embick (1994: 192)), so kann das Antezedens-Konnekt eines V1-Satzes auch nachgestellt sein. Nachgestellt werden kann das Antezedens-Konnekt nur bei den konjunktivischen V1-Sätzen:  

(10) (11)

Siei würde nach Hans rufen, wäre Mariai hungrig . (zit. nach Reis/Wöllstein 2010: 145) Der 58-Jährige ließ sich in einem Juweliergeschäft wertvollen Schmuck zeigen und steckte einige Stücke im Wert von 8000 Euro vor den Augen des Juweliers in seine Tasche, wie die Polizei mitteilte. Danach wollte er das Geschäft verlassen. Die Versuche des Inhabers, ihn aufzuhalten, wären beinahe gescheitert – wäre der Detektiv eines Nachbargeschäfts nicht zur Hilfe geeilt. (Mannheimer Morgen, 11.08.2006, o. S.) Die rot-grünen Pläne liegen auf dem Tisch. Edmund Stoiber lehnte diese zunächst ab, wollte sie dann unverändert lassen und setzt neuerdings auf eine gemeinsame Lösung mit Händlern und Herstellern. Letzteres wäre eine prima Idee – hätte man genau das nicht elf Jahre vergeblich versucht. (Mannheimer Morgen, 11.09.2002, o. S.) Oliver Bierhoff wäre ein Kandidat – stünde er nicht bis Sommer 2010 beim DFB unter Vertrag . (Hamburger Morgenpost, 04.09.2009, S. 1–41)  





(12)



(13)





Unabhängig vom Modus kann das Konsequens-Konnekt, wenn es auf sein V1-Antezedens-Konnekt folgt, optional durch dann oder so eingeleitet werden. Bei umgekehrter – antiikonischer – Reihenfolge von Konnekten ist die Verwendung von dann oder so im übergeordneten Satz dagegen nicht möglich (vgl. auch Reis/Wöllstein 2010: 145). (14)

Die finanziellen Mittel werden in die Waagschale geworfen, weiß Drießen. Hat das eigene Tier eine gute Prognose, seine Lebensqualität dank einer Operation aufrechtzuerhalten, dann soll man angesichts kostspieliger Opera-

C4.1 Konditionale Konnektoren

701

tionen mit seinem Tierarzt verhandeln. „Man sollte bei seinem behandelnden Tierarzt nachfragen, ob in Raten gezahlt werden kann, was in vielen Fällen machbar ist“, betont Drießen. (Rhein-Zeitung, 01.04.2010, o. S.) Die Irak-Politik des Präsidenten lehnen inzwischen 85 Prozent der Amerikaner ab. Die Baker-Hamilton Kommission eröffnete ihm die Chance zur Frontbegradigung. Wäre er dem Ratschlag der Kommission gefolgt, so hätte er die Demokraten mitverantwortlich für Strategie zur Beendigung des Krieges gemacht. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 25.01.2007, o. S.) Er hätte die Demokraten *(dann) mitverantwortlich für Strategie zur Beendigung des Krieges gemacht, wäre er dem Ratschlag der Kommission gefolgt.  

(15)





(15’)

Eine weitere Realisierungsform von V1-Konditionalen betrifft wiederum nur konjunktivische V1-Konditionale, bei denen das initiale Antezedens-Konnekt syntaktisch desintegriert realisiert werden kann. Solche Strukturen sind zwar auch mit wenn belegt, werden aber von Muttersprachlern als weniger akzeptabel empfunden als desintegrierte V1-Konditionale, vgl. (17a) vs. (17b). Die notwendige Bedingung dafür ist der entsprechende Modus, in diesem Fall Konjunktiv, vgl. (18)4: (16)

Wäre Felix Rupprecht nicht bereits am Werk, man hielte es als Laie nicht für möglich, dass ein Bagger in der Lage ist, in den Schlammsammler des Dorfbaches zu gelangen und hier nicht einzusinken. Der steile Abhang befindet sich bei der Waldegg unterhalb Mohrens. (St. Galler Tagblatt, 18.10.2001, o. S.)  

(17a)

(17b)

Vor gut zwanzig Jahren entdeckten seine Späher dort ein altes Gut namens Highgrove – ein wenig verfallen, aber schön gelegen. Der Prinz erwarb es, um einen Traum zu verwirklichen: Ein königliches Biotop sollte entstehen. Charles ließ das Brachland umpflügen, seltene Getreide und Apfelbäume darauf anpflanzen. Mitunter legte er sogar selbst Hand an. „Er ist ein Mann vom Land“, sagte einer seiner Mitarbeiter. „Wäre er nicht Prinz, er wäre bestimmt Farmer geworden.“ (Berliner Zeitung, 24.08.2002, S. 10) ?Wenn er nicht Prinz wäre, er wäre bestimmt Farmer geworden.

(18)

*Kommt er, ich gehe.



V1-Konditionale können, wenn entsprechende Marker einer anderen verwandten Relation vorhanden sind, auch Interpretationen erlauben, die über den Kernbereich 4 Man beachte auch, dass die Position vor dem Finitum von einem schwachen Pronomen besetzt ist. Im Falle eines Personalpronomens ist es mit dem Subjekt des ersten Satzes identisch. Es wäre zu überprüfen, ob starke Pronomina diese Position bei der Desintegration des vorangestellten Adverbialsatzes überhaupt einnehmen können.

702

C4 Konditional basierte Konnektoren

der Konditionalität hinausgehen, die jedoch typischerweise mit Konditionalkonnektoren ebenfalls kompatibel sind. So können V1-Strukturen der besprochenen Art irrelevanzkonditional wie in (19) oder auch konzessiv, vgl. (20), interpretiert werden: (19)

Mag der Aufenthalt auch nur sechs Stunden gedauert haben, der vierte Auslandsbesuch des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica seit seinem Amtsantritt am 7. Oktober war der politisch bedeutendste. (Kleine Zeitung, 28.10.2000, o. S.) Nichts war gestern abend beim Manöverball zu spüren von einer angeblichen Karnevalsmüdigkeit der Remagener Stadtsoldaten. Die Blau-Weiß-Roten um ihren Kommandanten Rainer Lellmann legten zum Abschluß einer prächtigen Session noch einmal straff „den Riemen auf die Orgel“. War die ein oder andere Stimme auch heiser, war man dennoch keinen Deut leiser. (RheinZeitung, 21.02.1996, o. S.)  



(20)



Diese zusätzlichen Lesarten von V1-Konditionalen werden allerdings durch die Verwendung von bestimmten lexikalischen Markern unterstützt, wie z. B. dennoch oder auch. Gleichwohl lässt sich davon ausgehen, dass eine konditionale Bedeutungskomponente auch bei diesen Verwendungen erhalten bleibt. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man bedenkt, dass in beiden Fällen eine Paraphrase mit wenn zugelassen ist. Das soll aber nicht bedeuten, dass auch im umgekehrten Fall jeder wenn-Satz durch einen V1-Satz austauschbar ist. Wie oben bereits erwähnt, sind V1-Sätze strukturell eingeschränkter als wenn-Sätze. So sind indikativische V1-Konditionale mit nachgestelltem Antezedens inakzeptabel. Allein aus diesem Grund können nachgestellte ergänzende wenn-Sätze (in der Terminologie von Fabricius-Hansen (1980); GDS spricht in solchen Fällen von wenn-Komplementsätzen), wie in (21), nicht durch V1-Konditionale ausgetauscht werden (vgl. (22)). Dies ist jedoch keine Generalisierung bzgl. der ergänzenden wenn-Sätze, wie Reis/Wöllstein (2010) zu Recht bemerken. Wird der V1-Satz vorangestellt, ist der Satz grammatisch, wie in (23):  

(21)

Es ist meine Privatangelegenheit, wenn ich zum Beispiel mit Fräulein Renate befreundet bin. (nach Fabricius-Hansen 1980: 160 f.) *Es ist meine Privatangelegenheit, bin ich zum Beispiel mit Fräulein Renate befreundet. Bin ich zum Beispiel mit Fräulein Renate befreundet, (so) ist es meine Privatangelegenheit. (Beispiele zit. nach Reis/Wöllstein (2010: 117))  

(22) (23)

In Reis/Wöllstein (2010) wird auf eine Reihe von Verwendungsbedingungen hingewiesen, in denen wenn-Strukturen nicht mit V1-Sätzen austauschbar sind:

C4.1 Konditionale Konnektoren

703

V1-Konditionale sind (im Gegensatz zu wenn-Strukturen) – nicht erfragbar (vgl. (24)); – nicht als „Relevanzkonditionale“ realisierbar (vgl. (25)) (mehr zum Thema „Relevanzkonditionale“ in C4.1.2.4); – nicht als metakommunikative Konditionale realisierbar (vgl. (26)); – für „faktive“ Lesarten ungeeignet (vgl. (27)): (24)

[Unter welchen Umständen würden Sie einen Bentley kaufen?] (a) Wenn ich Millionär wäre. (b) *Wäre ich Millionär.

(25a) (25b)

Wenn Peter anruft – ich erwarte ihn im Café Einstein. *Ruft Peter an – ich erwarte ihn im Café Einstein.

(26a) (26b) (26c)

Paul repariert Auspüffe – wenn das der richtige Plural ist. *Ist das der richtige Plural – Paul repariert Auspüffe. *Paul repariert Auspüffe – ist das der richtige Plural.

(27a) (27b)

Wenn er angeblich so schlau ist, warum ist er dann nicht reich? *Ist er angeblich so schlau, warum ist er dann nicht reich? (Beispiele zit. nach Reis/Wöllstein 2010)

Dies würde erklären, warum V1-Konditionale nicht als Sprechaktkonditionale vorkommen können. Allerdings behaupten Onea/Steinbach (2012), dass Sprechaktkonditionale bei Desintegration auch mit V1-Konditionalen möglich sind, wie sie an Beispielen wie etwa (27c) illustrieren. (27c)

Hast du Hunger, es gibt noch Kekse auf dem Tisch.

Es ist aber zu diskutieren, ob Hast du Hunger in diesem Beispiel ein V1-Konditionalsatz oder eher ein Interrogativsatz ist, auch wenn nach Onea/Steinbach (2012) aufgrund gleicher Struktur nicht notwendigerweise zwischen den konditionalen und interrogativen V1-Sätzen unterschieden werden muss. Die Analyse von V1-Konditionalen ist bereits in den letzten Jahren in wesentlichen Punkten in der Literatur diskutiert worden. Da das Augenmerk dieses Buches sich auf konnektorale Verknüpfungsmittel richtet, werden im Folgenden nur die Kernelemente der vorhandenen Analysen zusammengefasst. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist, wie die Konditionalrelation mangels eines Konnektors zustande kommen kann. Hierbei gibt es mehrere Strategien, die verfolgt werden können. Eine mögliche Analyse von V1-Konditionalen besagt, dass es sich dabei um eine eingebettete, aber nicht subordinierte Struktur (siehe dazu HDK-1: 241) handelt. Die Einbettung des ersten Konnekts in die Struktur des zweiten

704

C4 Konditional basierte Konnektoren

Konnekts und seine prosodische Realisierung tragen dazu bei, dass die ganze Relation nur eine einzige kommunikative Minimaleinheit im Sinne der GDS bildet. Treten dann und so im zweiten Konnekt auf, so sind sie nach dieser Analyse selbst keine konnektoralen Adverbien, sondern Resumptiva oder Korrelate. Das andere Konnekt ist in diesem Fall linksversetzt. Eine alternative semantisch-syntaktische Analyse wird in Reis/Wöllstein (2010) vorgestellt (ebenfalls diskutiert in Pittner (2011a) und zusammengefasst in Freywald (2013)), nach der V1-Konditionale nicht in die syntaktische Struktur des Folge-Satzes integriert sind, sondern es sich um zwei parallele V1-Strukturen handelt, die miteinander parataktisch verbunden sind, weitgehend nach dem Muster von weil-V2Sätzen in der Analyse von Truckenbrodt (2006). Dies wird insbesondere mit unterschiedlichen Bindungseigenschaften von wenn-Sätzen und V1-Konditionalen begründet. Außerdem werden in der Literatur semantisch-pragmatische Lösungsvorschläge diskutiert, nach denen sich die Konditionalrelation pragmatisch aus der Interpretation des V1-Konditionals als einer nicht-assertierten Proposition ergibt. Eine andere Strategie, die in Onea/Steinbach (2012) verfolgt wird, ist die Annahme, dass Entscheidungsfragesätze in einer Topik-Position als eine Proposition und nicht als Frage interpretiert werden.

4.1.1.3.2 Parenthetische Partizipialkonstruktionen In der Duden-Grammatik (2005) finden wir einen Hinweis auf „eine Vielzahl von Umschreibungen des Bedingungsverhältnisses, die die Konditionalität textuell oder diskursiv explizit machen“ (zu besonderen Gruppen unter den Partizipialkonstruktionen, unter anderem mit konditionaler Deutung siehe Helbig/Buscha, 1991: 668; Duden-Grammatik, 2005: 1093). Allerdings sind solche Postulate eher kritisch zu betrachten, worauf in Volodina (2011a: 37 ff.) bereits hingewiesen wurde: In der 6., 7. und 8. Auflagen der Duden-Grammatik (6. Auflage, 1998: 804; 7. Auflage, 2005: 1095; 8. Auflage, 2009: 1085) sind metakommunikative Partizipialkonstruktionen mit dem Hinweis darauf aufgelistet, dass diese „sich in Konditionalsätze auflösen [lassen]“, und zwar:  







(28)

realistisch / oberflächlich / von fern(e) / von außen / allgemein / nüchtern / bei Licht / objektiv betrachtet auf die Dauer / im Ganzen / juristisch / rein praktisch / objektiv gesehen in einem / rundheraus / besser / kurz / kurzum / richtig / positiv / vereinfacht gesagt im Grunde / genau / leicht / ernst / streng / wörtlich genommen

Wie man der Liste entnehmen kann, handelt es sich um Ausdrücke, die in generischen Kontexten auch eine konditionale Paraphrase erlauben:

C4.1 Konditionale Konnektoren

(29a)

705

In Wahrheit ist es so, dass die Grünen 2009 auf ihrem Bamberger Parteitag offen auf die CSU als denkbaren Koalitionspartner zugegangen sind. Und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern hat der CSU wörtlich „die Hand ausgestreckt“, sich dann allerdings gewundert, dass die CSU die Hand kalt lächelnd ignoriert. Objektiv betrachtet bewegen sich Freie wie Grüne auf die SPD zu. (Nürnberger Nachrichten, 11.11.2010, S. 18) Wenn man es objektiv betrachtet, bewegen sich Freie wie Grüne auf die SPD zu.  

(29b)

Bei näherer Analyse stellt sich jedoch heraus, dass keinesfalls alle von den in (28) aufgelisteten Partizipialkonstruktionen durch Konditionalsätze austauschbar sind: So ist im Grunde genommen eine feste phraseologische Redewendung und kann durch wenn nicht paraphrasiert werden. Engel (1996: 275 f.) weist auf die metakommunikative Rolle solcher Partizipialphrasen wie deutlich gesagt, ehrlich gesagt, im Grunde genommen, streng genommen, wörtlich gesagt hin, die „sich ebenso wie konditionale Nebensätze, nicht auf den unmittelbaren Obersatz der Äußerung, sondern auf die Illokution der Gesamtäußerung [beziehen]“. Als Beispiel für eine konditionale Paraphrase mit wenn führt er allerdings nur das folgende an:  

(30a) (30b)

Nach der Kindheit meines Vaters befragt, könnte ich wenig Brauchbares erzählen. Wenn ich nach der Kindheit meines Vaters befragt würde, könnte ich wenig Brauchbares erzählen.

Die Partizipialphrase des Beispielsatzes in (30a) kann in der Tat als „verkürzter Nebensatz“ angesehen werden und am ehesten als wenn-Satz paraphrasiert werden. Die konditionale Interpretation wird aber nicht zuletzt durch den Modus im zweiten Konnekt erzeugt (bzw. unterstützt). Das sieht man daran, dass der Satz mit derselben initialen Partizipialkonstruktion auch eine temporale (vgl. (30c) und (30d)) oder sogar – in einem bestimmten Kontext – eine konzessive (30e) Deutung erhält, wenn der Matrixsatz indikativisch formuliert wird:5 (30c)

Nach der Kindheit meines Vaters befragt, konnte ich wenig Brauchbares erzählen . Als ich nach der Kindheit meines Vaters befragt wurde, konnte ich wenig Brauchbares erzählen .  

(30d)



5 Im Einklang mit der GDS (2219 f.) stellt auch Blühdorn (2012: 319) fest, dass uneingeleitete adverbiale Partizipialgruppen im Deutschen eher als temporal-situierend gedeutet werden als z. B. in den romanischen Sprachen wie Italienisch und Portugiesisch. So gesehen ist die Lesart (30d) eher typisch für (30c) als (30e), die eine markierte Variante darstellt.  



706

(30e)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Nach der (mir bestens bekannten) Kindheit meines Vaters befragt, konnte ich trotzdem wenig Brauchbares erzählen .

Weitere Partizipialphrasen aus Engels Liste des Typs ehrlich gesagt lassen sich nicht nach demselben Muster wie in (30) auflösen, weil sie die Sprechereinstellung zu dem darauf folgenden Sachverhalt ausdrücken, wie die Paraphrase in (31a) zeigt: (31a) (31b (31c)

Wenn ich ehrlich bin: Ich habe Hunger. Ehrlich gesagt habe ich Hunger. Bin ich ehrlich, *habe ich Hunger / *ich habe Hunger.

Eine V1-Variante für die sogenannten „Relevanzkonditionale“, wie in (31c) gezeigt, ist unabhängig vom Einbettungsgrad ungrammatisch. Der Negationstest – vgl. (31a)’ und (31b)’ – zeigt, dass der Bezug des Antezedens nicht propositional gedeutet werden kann. (31a)’ (31b)’

Es ist nicht der Fall, dass ich, wenn ich ehrlich bin, Hunger habe. (31a)’ ≠ ¬(31a) Es ist nicht der Fall, dass ich ehrlich gesagt Hunger habe. (31b)’ ≠ ¬(31b)

(31a)’ und (31b)’ sind nicht das Gegenteil von (31a) und (31b). „Relevanzkonditionale“ sind in gewissem Sinne adverbiale Parenthesen, deswegen überrascht es wenig, dass sie mit den metakommunikativen Partizipialkonstruktionen austauschbar sind. Die letzteren werden in C5 behandelt. Für die Zwecke dieses Kapitels lässt sich festhalten, dass die Tatsache, dass solche metakommunikativen Konstruktionen in vielen Fällen durch konditionale Strukturen ausgetauscht werden können, eher ein Hinweis darauf ist, dass konditionale Konnektoren eine metakommunikative Verwendung haben können, als dass metakommunikative Strukturen grundsätzlich konditional wären.

4.1.1.3.3 Asymmetrische Satzkoordination durch und und oder Die Konnektoren und und oder können in bestimmten Kontexten eine konditionale Lesart haben (vgl. auch A4.1.2.3). Diese ist nun eindeutig nicht lexikalisch kodiert: und oder oder sind keine konditionalen Konnektoren und bedeuten auf keinen Fall wenn, wenn nicht oder etwas Vergleichbares. Daher stellt sich die Frage, wieso eine konditionale Interpretation in diesen Fällen möglich ist. Dies wird im Folgenden zunächst an einigen Beispielen demonstriert und anschießend durch ein abstraktes Schema erklärt. Die Argumentation richtet sich in wesentlichen Teilen nach GDS (1997), Culicover/Jackendoff (1997), Eckardt (2007), Wöllstein (2008), Volodina (2007, 2011a). Die erste Frage ist, wieso und und oder in dieser Hinsicht zu unterschiedlichen Interpretationen führen (vgl. auch C2.1.3.1.2.3).

C4.1 Konditionale Konnektoren

707

Danach wird die zweite Frage, wieso überhaupt eine konditionale Interpretation zustande kommt, behandelt. und: In seiner Kernbedeutung (vgl. Lang 1991) ist und additiv und verknüpft zwei Relata, die durch identische semantische Rollen gekennzeichnet sind. Stehen aber die durch den Konnektor und verknüpften Relata in einem asymmetrischen Verhältnis zueinander, kann die und-Relation auch als konditional gedeutet werden. Dafür muss das anteponierte, als Aufforderung formulierte externe Konnekt im Fokus sein, also: p! und q ~ wenn p, dann q. (32)

Spring und du bist gerettet! p: Du springst. q: Du wirst gerettet sein. Formal: AUFFORDERUNG (p) und q Konditionale Lesart: Wenn p, q: Wenn du springst, bist du gerettet!

Die Reihenfolge der Konnekte ist dabei fest, d. h. mit und werden zwei strukturell und/oder illokutiv ungleiche Sätze verbunden, die nur bei einer bestimmten Abfolge eine konditionale Interpretation erlauben (s. auch Rapp/Wöllstein 2009), (vgl. (32a)’:  

(32a)

Zeig mir dein Geschirrregal und ich sag dir, wer du bist. (die tageszeitung, 15.04.2008, S. 14) #Sag ich dir, wer du bist und du zeigst mir dein Geschirrregal! Gib einer armen Frau einen Kredit, lass sie losgehen, und vor dir entsteht ein Wunder. (die tageszeitung, 16.10.2006, S. 3–4)  

(32a)’ (32b)



Wenn nun q wünschenswert für den Hörer ist, dann liegt es nahe, die Relation so zu deuten, dass der Hörer aufgefordert wird, p zu vollziehen, was zu q führen würde. Wenn q aber als nicht wünschenswert interpretiert wird, dann liegt die Aufforderung nahe, p zu unterlassen, denn der Vollzug von p würde zu q führen. oder: Analog zu und wird die durch den disjunktiven Konnektor oder kodierte Relation dann als konditionale gedeutet, wenn das externe Konnekt eine Aufforderung enthält, also: p! oder q ~ wenn nicht p, dann q. Ein analoges Beispiel zu (32) ist das Beispiel in (33): (33)

Spring oder du bist tot! p: Du springst. q: Du wirst tot sein. Formal: AUFFORDERUNG (p) oder q Konditionale Lesart: Wenn ¬p, q: Wenn du nicht springst, bist du tot.

Wenn nun q unerwünscht (aber nicht notwendigerweise mit Negation ausgedrückt) ist, dann sollte man p vollziehen, sonst droht q. In diesem Fall kann oder als exklusives oder interpretiert werden.

708

C4 Konditional basierte Konnektoren

Im ersten Konnekt sowohl einer asymmetrischen und- als auch einer oder-Verknüpfung wird eine Aufforderung i. w. S. formuliert: In (32) wird dem Hörer dabei die erwünschte Konsequenz prognostiziert, in (33) dagegen droht ihm die unerwünschte Konsequenz. Bei Drohungen kann sowohl die und- als auch die oder-Verknüpfung beim Vollzug von p zu einem unerwünschten q führen. Dieser Fall lässt sich aber analog zu den anderen behandeln und wird im Folgenden nicht berücksichtigt:  

(34a) (34b)



Mach das und ich bringe dich um. (→ Implikatur: Mach das nicht!) Mach das oder ich bringe dich um. (→ Implikatur: Mach das!)

Obwohl in den obigen Beispielen in jedem Fall das erste Konnekt im Imperativ formuliert war, ist das keinesfalls notwendig. Es kann sich auch um sogenannte indirekte Direktiva handeln, die durchaus wie Assertionen auf der Syntax-Semantik-Schnittstelle fungieren, jedoch pragmatisch als Aufforderungen für Handlungen interpretiert werden. (35) (36)

Du machst das oder ich bringe dich um. Du machst das und ich gebe dir eine Million Dollar.

Ähnlich funktioniert es auch im Fall von elliptisch formulierten Sätzen, wie in (37a), die ebenfalls keine Marker für Konditionalität enthalten. Eine vervollständigte Paraphrase durch einen wenn-Satz ist in (37b) gegeben. (37a)

Manchmal hört sich der Sound auch bloß wie Achtziger-Jahre-Parolen an: „Noch ein Spruch, Kieferbruch“. (die tageszeitung, 02.05.1998, S. 12–13)6 Wenn Du noch so einen Spruch loslässt, verpasse ich Dir einen Kieferbruch.  

(37b)

Nur wenn die ganze Äußerung Noch ein Spruch, Kieferbruch als Sprechakt, in diesem Fall als „Drohung“, vom Adressaten der Äußerung aufgefasst wird, wird auch die negative Konsequenz für den Adressaten deutlich, vgl. die Paraphrase in (37b). Die Asymmetrie zwischen und und oder sieht man laut GDS (661) auch darin, dass nur im Falle mit der und-Verknüpfung (vgl. (38a)) die Nachfrage Und wenn ich das nicht mache? berechtigt ist. Für (38b) ist dies überflüssig, da sich das Konditional, das sich in der pragmatischen Interpretation ergibt, genau auf diesen Fall bezieht, obwohl wir in beiden Fällen nicht wissen, ob die Folge tatsächlich eintritt oder nicht: (38a) (38b)

Iß deinen Teller leer, und du bekommt Schokolade. Iß deinen Teller leer, oder du bekommt keine Schokolade. (Beispiele zit. nach GDS: 661)

6 Diesen Beleg verdanke ich Ulli Waßner.

709

C4.1 Konditionale Konnektoren

Die Asymmetrie zwischen und und oder ist damit im Kern erklärt, die wichtigste Frage ist jedoch, wieso in beiden Fällen überhaupt eine Konditionalrelation entstehen kann. Das Phänomen der „asymmetrischen Koordination“, das wir in spezifischen Konstruktionen mit und oder oder beobachten können, hat einen semantischen „Nebeneffekt“, und zwar eine konditionale Deutung der Relation. In der GDS wird der konditionale Effekt bei asymmetrischer und/oder-Verknüpfung dadurch erklärt, „daß auf eine noch zu erfüllende Situation abgehoben wird, d. h. eine Voraussetzung erst noch zu schaffen ist“. (GDS: 660). Eine Analyse, in der eine konditionale Interpretation formal abgeleitet wird, könnte auch auf der Annahme basieren, dass und und oder unterschiedliche Wahrheitsbedingungen haben, und sich der Sprecher je nach Vollzug der Handlung, die im ersten Konnekt beschrieben wird, durch den Hörer auf eine Konsequenz oder eine Alternative festlegt. Dadurch ergibt sich eine Abhängigkeit zwischen den Konnekten, was, wie oben gesagt, dem Wesen der Konditionalrelation entspricht.  

4.1.1.3.4 Fügungen mit Substantiven wie Bedingung, Voraussetzung, Fall; (unter der Bedingung/Voraussetzung, dass) Auch Substantive wie Bedingung, Voraussetzung etc., die gleichzeitig Benennungen der einen semantischen Rolle darstellen, können als konditionale Konnektoren fungieren, wenn sie zwischen zwei Konnekten stehen (dazu auch Waßner 2004: 312): (39)

Blake Fielder-Civil (Foto), Ehemann der britischen Soulsängerin Amy Winehouse, hat eine vorzeitige Entlassung abgelehnt. Die Justiz hatte ihm angeboten, seine Haftstrafe um zwei Monate zu verkürzen. Bedingung: Er müsse zu einem Drogenentzug bereit sein. (Nürnberger Zeitung, 24.09.2008, S. 10) Wo derzeit noch Büros sind, könnten Kinder malen, basteln, Hausaufgaben erledigen. Voraussetzung: Die Stadt müsste Mittel zum Umbau und für den Betrieb bereitstellen, außerdem zwei Planstellen einrichten. Eigentümer wehrt sich mit Händen und Füßen […] (Nürnberger Zeitung, 27.10.2006, o. S.)  

(40)



Die konditionale Lesart dieser Fügungen ist nicht weiter verwunderlich, drücken sie doch explizit ein Bedingungsverhältnis aus. Typischerweise werden sie als Nachtrag verwendet (vgl. Vinckel 2006, Averintseva-Klisch 2009). Daher könnte man annehmen, dass sie zu Sätzen äquivalent sind wie „… allerdings nur unter der Bedingung, dass …“ oder „und zwar nur wenn…“, vgl. (41): (41)

Atomprogramm ist das letzte Faustpfand China könnte die desolate Menschenrechtslage in seinem Vasallenstaat lindern helfen, rührt aber keine Hand. Die Regierung in Peking setzt zwar ihre Hilfslieferungen fort, weil ein Zusammenbruch des Regimes in Nordkorea unabsehbare Folgen hätte und Flüchtlingsströme freisetzen würde. Aber chinesische Diplomaten beteuern,

710

C4 Konditional basierte Konnektoren

der Einfluss auf den störrischen Nachbarn sei begrenzt. Dabei würde sich China nicht einmal einem friedlichen Regimewechsel und einer Wiedervereinigung unter südkoreanischer Federführung widersetzen – unter der Bedingung, dass auf nordkoreanischem Boden dann keine US-Truppen stationiert würden. (Braunschweiger Zeitung, 04.11.2011, o. S.)  

4.1.1.3.5 Konditionale Präpositionalphrasen Ein Konditionalverhältnis können auch Präpositionen bzw. PPs denotieren, wie z. B. bei und im Fall. Präpositionen als Wortart werden hier nicht zu den Konnektoren gezählt, da sie anders als Konnektoren Kasusmerkmale an ihre syntaktische Umgebung vergeben (HDK-1: 1).  

(42)

Beide Mannschaften sind in dieser Saison noch ungeschlagen. Bei voller Konzentration und wenn optimale Leistungen abgerufen werden können, ist für das TV-Team um Anja Kerlin auch gegen den verlustpunktfreien Tabellenführer Schwülper ein Unentschieden möglich. (Braunschweiger Zeitung, 12.06.2010, o. S.) Im Fall eines Erfolgs des FDP-Mitgliederentscheids über den Euro-Rettungsschirm ESM fürchtet Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ernste Folgen für die schwarz-gelbe Koalition. (Nürnberger Zeitung, 10.12.2011, S. 6)  

(43)



Auch wenn die Präpositionalphrasen in (42) und (43) mit den entsprechenden Konditionalsätzen austauschbar sind, – was im Übrigen die Möglichkeit der und-Koordination einer konditionalen PP und eines ebenfalls konditionalen wenn-Satzes in (42) noch deutlicher macht – stehen den PPs nicht alle syntaktischen Optionen offen. So ist die Rechtsversetzung bei den konditionalen PPs ausgeschlossen (vgl. (44)). Dies hängt weniger davon ab, ob die PPs Argumente oder Adjunkte sind, sondern liegt eher daran, dass sie keinen Diskursreferenten etablieren können (vgl. AverintsevaKlisch 2009): (44)

*Dabei blüht alles auf, beim Regen. (Beispiel zit. nach Averintseva-Klisch 2009: 191)

Auch die durch mit eingeleiteten Präpositionalphrasen können unter bestimmten Bedingungen konditional gedeutet werden (vgl. Helbig/Buscha (1991: 433, 691), meistens dann, wenn sie in mehr oder weniger festen Präposition-Substantiv-Sequenzen verwendet werden. Solche Präposition-Substantiv-Sequenzen werden (meistens) artikellos mit singularischem Nomen realisiert. Ob dies eine notwendige oder hinreichende Bedingung für eine konditionale Interpretation ist, muss hier offen gelassen werden. Ohnehin funktioniert die konditionale Interpretation nicht mehr, wenn mit dem Satz auf eine abgeschlossene Handlung Bezug genommen wird, wie in (46)

C4.1 Konditionale Konnektoren

711

gezeigt. Ist der Matrixsatz allerdings ein generalisierender Ausdruck, wie in (47), ist die konditionale Interpretation wieder zugänglich. Mit etwas Glück / mit etwas mehr Zeit / mit einiger Übung besteht er die Prüfung. Wenn er etwas Glück hat, besteht er die Prüfung. (Beispiele nach Helbig/ Buscha (1991: 691))

(45a) (45b)

??Mit etwas Glück / mit etwas mehr Zeit / mit einiger Übung hat er die Prüfung bestanden. ??Wenn er etwas Glück hatte, hat er die Prüfung bestanden.

(46a) (46b)

Mit etwas Glück / mit etwas mehr Zeit / mit einiger Übung bestand man die Prüfung. Wenn man etwas Glück hatte, hat man die Prüfung bestanden. (Beispiele zit. nach Helbig/Buscha 1991: 433, 691)

(47a) (47b)

Dass eine einschlägige konditionale Interpretation nicht zwangsläufig von der Präposition ausgehen muss, zeigt (48): Die konditionale Bedeutung ist z. B. in Kernsubstantiven auf -fall wie Brandfall, Notfall usw. mitverankert (vgl. auch C4.1.1.3.6.4 zu Adverbien auf -falls; vgl. Zifonun 2009).  

(48)

Aufzug im Brandfall nicht benutzen. (= Wenn es brennt, darf der Aufzug nicht benutzt werden.) Im Notfall soll der Hubschrauber Menschen aus bedrohlichen Situationen retten. (= Wenn es nicht anders geht, soll der Hubschrauber Menschen aus bedrohlichen Situationen retten.)

(49)

4.1.1.3.6 Periphere Ausdrucksweisen In diesem Teil werden einige Strukturen diskutiert, die zwar zum Ausdruck von Konditionalität geeignet sind, jedoch aufgrund ihrer Besonderheiten nicht primär Gegenstand des Konditionalitäts-Kapitels sind. Es handelt sich dabei um Strukturen, die zwar zum Teil konditionales Verhältnis zum Ausdruck bringen, die sich aber dadurch von den Kernfällen von Konditionalität unterscheiden, dass sie bestimmte syntaktische Strukturen verkörpern, deren primäre Funktion nichts mit Konditionalität zu tun hat, z. B. generische w-Relativsätze (C4.1.1.3.6.1), wenn- vs. dass-Komplementsätze (C4.1.1.3.6.2), optative wenn-Sätze (C4.1.1.3.6.3) und einstellige Adverbien auf -falls (C4.1.1.3.6.4).  

712

C4 Konditional basierte Konnektoren

4.1.1.3.6.1 Generische w-Relativsätze Neben Partizipialausdrücken, substantivischen Fügungen und Präpositionen werden auch einige weitere Möglichkeiten zum Ausdruck eines Konditionalverhältnisses genannt, z. B. mit wer oder was eingeleitete generische Relativsätze des Typs wer wagt, gewinnt (= wenn man wagt, gewinnt man) oder was nützt, wird gefördert (= wenn etwas nützt, wird es gefördert) (vgl. Holler 2013):  

(50)

Sie haften zumindest zu einem Teil für den entstandenen Schaden, ihr Führerschein bleibt unangetastet. Ausnahme: Wer als betrunkener Fußgänger des öfteren Unfälle verschuldet, verliert die „persönliche Verläßlichkeit“ und damit auch den Führerschein. Polizei-Oberst Goldberger ist aber „kein einziger solcher Fall bekannt“. (Kleine Zeitung, 27.01.1998, o. S.)  

Das Merkmal ‚generisch‘ ist für die konditionale Interpretation eines w-Relativsatzes maßgeblich. Dies sieht man daran, dass freie d-Relativsätze, die nicht generisch sind, wie in (51b) gezeigt, auch nicht konditional interpretiert werden können (vgl. zu d-Relativsätzen Fuß/Grewendorf 2014): (51a) (51b)

Wer wagt, gewinnt. Der das behauptet hat, ist ein Idiot.

(generisch, KOND) (nicht generisch, nicht KOND)

Dass freie w-Relativsätze in generischen Kontexten überhaupt als konditional interpretiert werden, ist zwar angesichts der Tatsache, dass kein expliziter Konditionalkonnektor vorhanden ist und die Konditionalität auch sonst nicht explizit ausgedrückt wird, verwunderlich. Aber es gibt ein breiteres Muster der Verwandtschaft von Frage-Strukturen und Konditionalität. Dies wird zum einen auch an der Existenz von V1-Konditionalsätzen ersichtlich, die Entscheidungsfragen ähnlich sind. Darüber hinaus ist bekannt, dass in bestimmten Sprachen derselbe Konnektor verwendet wird, um Fragen einzubetten und um Konditionalität auszudrücken, z. B. das Französische si, das sowohl ob als auch wenn bedeutet (vgl. auch C4.1.2.2.7). Diese Ähnlichkeit schlägt auch bei den sogenannten freien w-Relativsätzen durch; diese werden jedoch nicht wie Entscheidungsfragen, sondern wie w-Fragen interpretiert. Nimmt man an, dass die w-Frage im freien Relativsatz als die Menge der möglichen wahren Antworten interpretiert wird, dann ergibt sich daraus eine analoge Interpretation wie bei der Einbettung von Entscheidungsfragen und w-Fragen wie unter wissen, wie dies in der Analyse von Groenendijk/Stokhof (1982) erfolgt.  

4.1.1.3.6.2 wenn- vs. dass-Komplementsätze In bestimmten Fällen können auch Komplement-Sätze mit dass – wie in (52) – durch auf den ersten Blick äquivalente Beispiele mit wenn und/oder falls umformuliert werden, vgl. (53):

C4.1 Konditionale Konnektoren

(52)

Wir bedauern, dass Ihnen dadurch Kosten entstanden sind.

(53a) (53b)

Wir bedauern, wenn/falls Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. Es freut mich, wenn/?falls es dir gut geht.7

713

Ein Konditionalsatz kann also sowohl die Bedingung zu einem Sachverhalt als auch den Inhalt einer propositionalen Einstellung ausdrücken. Solche Strukturen sind aus der Literatur als „wenn-Komplementsätze“ (GDS) oder „ergänzende wenn-Sätze“ (vgl. Kaufmann 1973, Fabricius-Hansen 1980, Kaiaty 2010) bekannt. Allerdings lassen nicht alle regierenden Verben sowohl dass- als auch wenn-Sätze als Komplemente zu. Die „Fähigkeit“ eines wenn-Satzes als Komplement zu fungieren, ist stark von der Semantik des Verbs abhängig: Wenn-Sätze sind als Komplemente von faktiven Verben wie bedauern oder semifaktiven wie wissen möglich, nicht jedoch von semantisch transparenten Einstellungsverben wie bezweifeln: (54a) (54b)

Wir bedauern, dass Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. Wir bedauern, wenn/falls Ihnen dadurch Kosten entstanden sind.

(55a) (55b)

Wir bezweifeln, dass Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. *Wir bezweifeln, wenn/falls Ihnen dadurch Kosten entstanden sind.

Wichtig ist, dass es in (54) nicht um eine freie Alternation geht. Die Sätze (54a) und (54b) haben völlig unterschiedliche Bedeutungen, je nachdem, ob sie mit wenn oder dass eingeleitet werden, vgl. auch GDS (1458 f.). Man beachte, dass faktive Verben wie bedauern ihre Komplement-Proposition präsupponieren:  

(56)

Peter bedauert, dass Klaus nicht eingeladen ist. Peter bedauert nicht, dass Klaus nicht eingeladen ist. präsupponiert: Klaus ist nicht eingeladen.

faktVERB, dass p

Nicht-faktive Einstellungsverben wie bezweifeln präsupponieren hingegen den Sachverhalt des Komplementsatzes nicht: (57)

Peter bezweifelt, dass Klaus nicht eingeladen ist. Peter bezweifelt nicht, dass Klaus nicht eingeladen ist. präsupponiert NICHT: Klaus ist nicht eingeladen.

n-faktVERB, dass p

Bei nicht-faktiven Verben gäbe es keinen funktionalen Gewinn, wenn wir wenn verwenden würden, da ohnehin keine Präsupposition entsteht.

7 Auf die Alternation zwischen wenn und falls gehen wir in C4.1.3.1 ausführlicher ein.

714

(58)

C4 Konditional basierte Konnektoren

*Peter bezweifelt, wenn Klaus nicht eingeladen ist. n-faktVERB, wenn p *Peter bezweifelt nicht, wenn Klaus nicht eingeladen ist.

Im Anschluss muss hier diskutiert werden, welchen Status solche wenn-Sätze haben (s. auch Exkurs in C1.3.1.6), wieso der Unterschied wie in (54) entsteht und warum so genannte wenn-Komplementsätze eine konditionale Deutung haben können, wenn sie keine „gewöhnlichen“ Adverbialsätze sind. Wie an den obigen Beispielen gezeigt, verhalten sich die sogenannten „wenn-Komplementsätze“ wie in (54b) weder wie „echte“ Komplementsätze – sonst wären (55a) und (55b) austauschbar – noch wie „echte“ Adverbialsätze, weil sie als Teil des Matrixsatzes, als notwendige Ergänzung zum Prädikat fungieren und aus diesem Grund nicht weglassbar sind (vgl. Fabricius-Hansen 1980), ohne dass die Gesamtstruktur des Satzes ungrammatisch wird, vgl. (54b) vs. (54c): (54b) (54c)

*Wir bedauern, wenn/falls Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. Wir werden Ihnen ein Gutschein ausstellen, wenn Ihnen dadurch Kosten entstanden sind.

Jedenfalls ist eines der Hauptmerkmale des Konditionals, das Implizieren der Ungewissheit des Antezedens, auch bei dieser mit wenn eingeleiteten „Zwitter“-Struktur zu beobachten, was darauf hindeutet, dass wenn seinen Konnektor-Status auch bei dieser Art der Verknüpfung nicht aufgegeben hat. Paraphrase zu (54b): (54b)’ Wir wissen nicht, ob Ihnen dadurch Kosten entstanden sind, aber wenn es so ist, bedauern wir, dass Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. In Haegeman (2002) wird angenommen, dass es zwei Typen von Konditionalsätzen gibt, nämlich die „zentralen“ und die „peripheren“ (central adverbial clauses (CAC) & peripheral adverbial clauses (PAC)), die sich voneinander dadurch unterscheiden, dass es sich nur bei den ersteren um eingebettete wenn-Sätze handelt. Dabei geht es nicht nur um strukturelle, sondern auch um pragmatische Einbettung, denn der wenn-Satz des CAC-Typs ist als Teil des Sprechaktes des Matrixsatzes zu begreifen. Der wenn-Satz des PAC-Typs ist hingegen ein selbständiger Sprechakt.8 Als letztere kommen die wenn-Komplementsätze nicht in Frage, da sie als eingebettete Strukturen keine unabhängige illokutive Kraft haben können. Illokutiv selbständige Sätze hingegen lassen Korrelate im externen Konnekt, wie in (59) gezeigt, nicht zu. Nach Schwabe/Fittler (2009) seien die scheinbaren wenn-Komplementsätze als CAC zu behandeln, weil sie – analog zu den zentralen weil-Sätzen – im Skopus eines Korrelats

8 Der Terminus „peripherer Adverbialsatz“ ist in diesem Buch mit dem Begriff „nicht-propositional“ in Bezug auf die Ebene der Verknüpfung (im Sinne von Sweetser 1990) gleichzusetzen.

715

C4.1 Konditionale Konnektoren

stehen können. Als Korrelat zu dieser Struktur nehmen sie es an, das sowohl bei dassals auch bei wenn-Komplementsätzen auftritt, vgl. (60): (59a) (59b)

(60a) (60b)

Wir werden Ihnen deswegen einen Gutschein ausstellen, weil Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. CAC *Wir werden Ihnen deswegen einen Gutschein ausstellen, weil Ihnen sind ja dadurch Kosten entstanden. PAC Wir bedauern (es), dass Ihnen dadurch Kosten entstanden sind. Wir bedauern (es), wenn/falls Ihnen dadurch Kosten entstanden sind.

„Zentrale“ Konditionalsätze mit wenn haben aber üblicherweise dann bzw. so als Korrelat, was in Anwendung auf die Struktur in (60b) eine ganz andere Interpretation ergibt (vgl. (61)): (61)

Wir bedauern (es) dann, [dass Ihnen Kosten entstanden sind], wenn Ihnen Kosten entstanden sind [aber jetzt noch nicht].

Ob es tatsächlich ein Korrelat zum wenn-Satz ist oder eine anaphorische Pro-Form (vgl. Sudhoff 2003), wie (60b) zeigt, muss hier offen bleiben. Fest steht jedoch, dass scheinbare Komplementsätze mit wenn nicht als PAC-Strukturen zu begreifen sind. Sie stehen auch Adverbialsätzen viel näher als Komplementsätzen (vgl. a. Kaiaty 2010), die relational leer sind. Die Diskussion über den Status der sogenannten „ergänzenden wenn-Sätze“ scheint noch nicht abgeschlossen zu sein. Einerseits gibt es gute Argumente (v. a. in den älteren Arbeiten s. Kaufmann 1972, Breindl 1989) „ergänzende wenn-Sätze“ als Komplementsätze zu analysieren, andererseits können diese Strukturen als gewöhnliche Konditionalsätze analysiert werden, insbesondere die neueren Arbeiten stimmen der These von Fabricius-Hansen (1980) zu, diese Strukturen als Adverbialsätze zu analysieren (vgl. Schwabe/Fittler 2009, Kaiaty 2010) (für eine kritische Bestandsaufnahme s. Onea (i. Dr.)).  

4.1.1.3.6.3 Optative Konditionale Nicht alle wenn-Verwendungen sind konnektoral. Deswegen werden im Kapitel zu den Eigenschaften von wenn (C4.1.3.1.1) solche wie in (62a) und (62b) ausgeschlossen. Sie können hier lediglich unter peripheren Ausdrucksweisen kurz erläutert werden: (62a)

Wir alle haben „Telekom“, „Infineon“ und „EM-TV“ bei teilweise 50-fach höheren Kursen gesehen und vielleicht auch gekauft. Und dann das „Wenn“. Wenn wir nur rechtzeitig verkauft hätten! (Rhein-Zeitung, 25.01.2003, o. S.) Hätten wir (die Aktien) nur rechtzeitig verkauft!  

(62a)’

716

(62b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Das arme Kind. Verlangen die nicht viel zuviel in der Schule? Das arme Kind muß nur nachholen, was es vertrödelt und verträumt hat. Nun geht es um die Wurst. Das arme Kind hat einen Anzug an und sieht plötzlich aus wie ein fertiger, ausgewachsener junger Mann. Die Mutter trägt ein ziemlich zerfetztes Nervenkostüm. Wenn ers nur schafft! Heiliger Antonius! (Neue KronenZeitung, 16.06.1998, S. 40) *Schafft er es nur!  

(62b)’

Man unterscheidet zwischen kontrafaktischen (62a) und nicht-kontrafaktischen (62b) Optativ- bzw. Wunschsätzen, wobei eine V1-Variante nur für (62a) gegeben ist. Die Frage, ob und wodurch sich optative Konditionale von den regulären Konditionalen unterscheiden, wird in Grosz (2012, 2013) ausführlich diskutiert.

4.1.1.3.6.4 Einstellige Adverbien auf -falls allenfalls, bestenfalls, erforderlichenfalls, gegebenenfalls, höchstenfalls, keinesfalls, schlimmstenfalls, notfalls vs. anderenfalls und widrigenfalls9 usw. Es gibt eine Reihe von Ausdrücken wie bestenfalls, schlimmstenfalls, keinesfalls, etc. die zwar eine konditionale Komponente (-falls) haben, jedoch syntaktisch nicht zweistellig sind. Daher werden sie hier auch nicht als Konnektoren geführt. Eine genauere Analyse der Ausdrücke zeigt jedoch, dass sie durchaus genauso funktionieren wie die oben angeführten Partizipialkonstruktionen des Typs genau genommen (vgl. C4.1.1.3.2). Ebenso wie in diesen Fällen ist die eine Argumentstelle bereits durch den Ausdruck selbst abgedeckt. So kann man im Falle von bestenfalls paraphrasieren: Im Falle, dass alles im Rahmen des Möglichen am besten ausgeht… (vgl. Waßner 2012: 42 ff.):  

(63)

Herr Professor Bullinger, Sie sind 58 Jahre alt. Wären Sie in Ihrem ersten Lehrberuf als Betriebsschlosser in der Autoindustrie geblieben, dann würde sich Ihr Personalchef spätestens jetzt von Ihnen trennen: zu alt. Auf dem Arbeitsamt gälten Sie als „schwer vermittelbar“. Bestenfalls würden Sie frühverrentet und kosteten die jüngeren Beitragszahler viele Jahre viel Geld. Können Sie sich das vorstellen? (Berliner Zeitung, 15.11.2002, S. 15)  



9 Ander(e)nfalls und widrigenfalls haben die Möglichkeit, als Postponierer einerseits und als Adverbkonnektor andererseits verwendet zu werden. Beide Konnektoren werden im Kapitel C4.6 genauer beschrieben.

717

C4.1 Konditionale Konnektoren

→ [Im Falle, dass alles im Rahmen des Möglichen am besten ausgeht,] würden Sie frühverrentet und kosteten die jüngeren Beitragszahler viele Jahre viel Geld. Wie alle Adverbien sind auch konditionale Adverbien nicht nacherstfähig (vgl. (64c)), ansonsten aber syntaktisch uneingeschränkt verwendbar. (64a)

Wolfsburg musste sich der Feinstaubfrage intensiv widmen, als es um so genannte Umweltzonen ging, in denen schlimmstenfalls Fahrverbote drohen. „Das bleibt uns ja aufgrund der Messwerte erspart“, sagte Kallwies. Indes: „Nachgedacht wird über vieles.“ (Braunschweiger Zeitung, 03.04. 2007, o. S.) Wolfsburg musste sich der Feinstaubfrage intensiv widmen, als es um so genannte Umweltzonen ging, in denen Fahrverbote drohen. Schlimmstenfalls. *Fahrverbote schlimmstenfalls drohen den Fahrern, die ohne Feinstaubplakette fahren. Schlimmstenfalls könnte man ihm unterstellen, das Parlament belogen, zumindest nicht informiert zu haben. Steinmeier wirkt noch immer wie ein Zeuge, der seine damalige Rolle idealisiert – seine eigene, die seines Chefs Schröder und seines Mitstreiters Joschka Fischer. (Hannoversche Allgemeine, 19.12.2008, S. 1)  

(64b) (64c) (64d)



Bemerkenswerterweise werden nicht alle Adverbien auf -falls konditional interpretiert. Adverbien wie gleichfalls und ebenfalls erlauben beispielsweise keine konditionale Deutung. (65)

Der Prozess wird zusammen mit dem Verfahren gegen den früheren Innenminister al-Adli verhandelt. Dieser und sechs andere ehemalige leitende Beamte des Innenministeriums sind gleichfalls wegen der Tötung von Demonstranten während der Proteste im Januar und Februar angeklagt. (dpa, 05.09. 2011, o. S.) SEAT ALTEA 2.0: Der stolze Spanier streckt sich auf 4,28 Meter Länge. Er ist ebenfalls als Fünfsitzer erhältlich. (Berliner Zeitung, 22.04.2006, S. 5)  

(66)





4.1.2 Systematische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik 4.1.2.1 Relationsschema In den einschlägigen Grammatiken des Deutschen wird das Konnekt, in dem die Bedingung ausgedrückt wird, Bedingungs- oder Konditionalsatz genannt, und die ganze Relation wird als Konditionalgefüge bezeichnet. Im Allgemeinen versteht man unter Konditionalsätzen solche, die eine Bedingung zum ausgedrückten Sachverhalt bezeichnen.

718

C4 Konditional basierte Konnektoren

Das entsprechende Schema wird im Folgenden am Beispiel von wenn-Konditionalen verdeutlicht. Der durch das interne Konnekt ausgedrückte Sachverhalt wird NTEZEDENS EZEDENS (p) genannt, der andere, der durch das externe Konnekt zum Ausdruck A NT kommt, K ONSEQUENS (q):10

Abb. C4.1-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei konditionalen Subjunktoren

Die den Propositionen q Nashörner sind sehr aggressiv und p sie haben Junge entsprechenden Konnekte sind mit Hilfe des Konnektors wenn so miteinander verbunden, dass sie in ihrer sowohl zeitlichen als auch logischen Abfolge einen Rahmen bilden, in dem die durch das interne Konnekt ausgedrückte Proposition (p) eine Bedingung für die Realisierung der durch das externe Konnekt ausgedrückten Proposition (q) darstellt.

4.1.2.2 Verwandtschaftsbeziehungen mit anderen Relationen Konditionalität als Basiskategorie ist nicht nur ursächlich für die im weiteren Sinne konditionalen Relationen wie Kausalität, Konzessivität, Finalität und Instrumentalität (s. C.4.1.2.2.2), sondern auch auf unterschiedliche Art und Weise mit den Kategorien wie Temporalität (s. C4.1.2.2.1), Disjunktivität (C4.1.2.2.5) und Adversativität (s. C4.1.2.2.6) verwandt. Darüberhinaus ist der Zusammenhang zwischen Konditionalität und Frageausdrücken festzustellen (C4.1.2.2.7). In diesem Kapitel werden Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Konditionalität und den anderen oben genannten Relationen erläutert. Eine Ausbuchstabierung des Konditionalverhältnisses und die genaue Definition der Konditionalität folgt in C4.1.2.3.

4.1.2.2.1 Konditionalität und Temporalität Wenn ist etymologisch mit dem temporalen wann verwandt (vgl. Behaghel 1928). Ersteres kann bis heute sowohl temporal als auch konditional verwendet werden.

10 Die Verwendung der Buchstaben p und q zur Kennzeichnung von Propositionen erfolgt in diesem Kapitel gemäß dem allgemeinen Usus in propositionaler Logik ohne die Zuweisung von Bedeutung an die Wahl der jeweiligen Buchstaben, insbesondere nicht in Hinblick auf die Rolle, die in einer Relation von der jeweiligen Proposition gespielt wird. Wenn p, q ist demnach vollkommen gleichbedeutend mit wenn q, p.

C4.1 Konditionale Konnektoren

719

Wird wenn als temporaler Konnektor verwendet, stellt es einen zeitlichen Bezug zu dem durch das externe Konnekt bezeichneten Sachverhalt im Rahmen einer temporalen Relation her, was der folgende Beleg zeigt: (67)

Am Nachmittag erfreuen der Kinderchor des Gesangvereines und der Kindergartenchor die Besucher mit Weihnachtsliedern. Für die kleinen Gäste gibt es eine Bastelecke. Um 18 Uhr, wenn der Markt beendet wird, öffnet sich am Bürgerhaus das 1. Türchen des lebendigen Adventskalenders. Jedes Kind bekommt eine kleine Süßigkeit. (Rhein-Zeitung, 23.11.2007, o. S.)  

(67a) (67b)

Wenn der Markt beendet wird, öffnet sich am Bürgerhaus das 1. Türchen des lebendigen Adventskalenders. Um 18 Uhr öffnet sich am Bürgerhaus das 1. Türchen des lebendigen Adventskalenders.

Die Zeitangabe in (67) sichert die rein temporale Interpretation der wenn-Relation. Etwas mehr Spielraum für die Interpretation erlauben Beispiele unter (68), auch wenn (68a) ähnlich wie im vorigen Fall durch (68b) austauschbar ist:

(68a) (68b)

[Vor einer Raucherpause] A: Wenn ich zurückkomme, reden wir darüber. A: In 10 Minuten reden wir darüber. (Beispiel aus Volodina 2006:360)  

Der Unterschied zu (67) lässt sich aber an der Angabe des zeitlichen Intervalls in Bezug auf das mögliche Eintreten der Folge ausmachen. Der wenn-Satz erlaubt nur eine relative Zeitangabe, sodass die Interpretation des Zeitintervalls in (68a) dem Hörer selbst überlassen ist, so auch GDS (2285 f.). Wenn das Zeitintervall für den Adressaten der Äußerung klärungsbedürftig ist, kann auch eine konkretisierende Ergänzungsfrage gestellt werden. (68c) betont den temporalen Charakter der Ausgangsrelation in (68a). Bei Zweifeln an dem künftigen Vollzug der Handlung – wenn der Hörer beispielsweise nicht daran glaubt, dass der Sprecher zurückkommt – sichert eine Entscheidungsfrage eine konditionale Lesart von (68d), vgl. auch Volodina (2006: 361):  

(68c) (68d)

TEMP-Lesart von (68a): Wann kommst du denn? KOND-Lesart von (68a): Kommst du denn überhaupt?

So erlauben (68a) und (69) je nach Hörereinstellung zum Sachverhalt sowohl eine temporale als auch eine konditionale Lesart.

720

(69)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Konkret geht es um zwei weitere Jahre. Zwischen der Scuderia und dem Management seien alle Fragen geklärt, es fehle nur die Zustimmung Schumachers. „Wenn Michael Ja sagt, brauchen wir nur fünf Minuten, um die Verträge zu unterschreiben“, versicherte der gewiefte Weber, dass längst alles für die Stunde „X“ in trockenen Tüchern sei. (dpa, 04.05.2006, o. S.)  

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den Abgrenzungskriterien der temporalen von den anderen wenn-Relationen bzw. nach Indikatoren, die nur eine einzige Lesart erlauben. Schon die oben eingeführten Lesarten zeigen, dass die Rolle des situativen Kontexts bei der Feststellung der temporalen wenn-Bedeutung nicht zu unterschätzen ist (vgl. Fabricius-Hansen/Sæbø 1983). In C1.3.1.6 wird näher auf Faktoren eingegangen, die wenn-Sätze erfüllen müssen, um eindeutig temporal oder konditional gedeutet zu werden.

4.1.2.2.2 Konditionalität und andere konditional fundierte Relationen Nach der oben diskutierten Definition von Konditionalität und nach der in C.4.2 diskutierten Definition der Kausalrelation (s. C4.2.2.1.2) lässt sich festhalten, dass man Kausalität gewissermaßen als Sonderfall von Konditionalität auffassen kann. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass die dort angegebene logische Struktur von Kausalität sich im Wesentlichen aus der logischen Struktur der konditionalen Relation ableitet, sondern auch damit, dass Kausalität und Konditionalität zur Beschreibung ähnlicher Sachverhalte dienen: In vielen Fällen ist eine Konditionalrelation zwischen zwei Propositionen p und q genau deshalb wahr, weil p die natürliche Ursache von q ist. In vielen Fällen können wir ebenfalls deshalb davon ausgehen, dass p die natürliche Ursache von q ist, weil q in aller Regel dann vorkommt, wenn p gegeben ist, und sonst nicht. In der sprachlichen Realisierung von Konditionalität auf der einen Seite und Kausalität auf der anderen Seite gibt es entscheidende Unterschiede sowohl hinsichtlich der syntaktischen und prosodischen Besonderheiten als auch hinsichtlich des Konnektorenbestandes. Diese Unterschiede rechtfertigen selbstverständlich ihre jeweilige Behandlung als natürliche Klassen von Ausdrücken des Deutschen. So lässt sich beispielsweise der konditionale Konnektor falls nicht zum Ausdruck von Kausalität oder Konzessivität gebrauchen, der kausale Konnektor denn lässt sich nicht zum Ausdruck von Konditionalität oder Konzessivität verwenden. Dennoch gibt es Überschneidungen, die sich aus der logischen Verwandtschaft dieser Relationen natürlich ergeben. So kann der konditionale Konnektor wenn in bestimmten Kontexten, in denen der im Antezedens ausgedrückte Sachverhalt als ‚faktisch gegeben‘ gilt, auch eine kausale oder konzessive – wie in (70) gezeigt – Interpretation bekommen. (70)

Gerade haben die Kinder-Köche ihre Zwischenprüfung mit einem dreigängigen Menü abgelegt, am Ende bekommen sie sogar ein richtiges Zeugnis. „Ich

C4.1 Konditionale Konnektoren

721

finde, kochen können schadet nicht“, sagt Timo, „Wenn man mal keine Freundin hat, kann man ja nicht jeden Tag Hamburger essen.“ (Nürnberger Nachrichten, 19.10.2006, o. S.)  

Damit ist festzuhalten, dass das zentrale Abgrenzungsmerkmal zwischen Konditionalität und Kausalität sowie den verwandten Relationen das Merkmal ‚Faktizität‘ bzw. ‚Nonfaktizität‘ des Sachverhalts des Antezedens ist. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, die zeigen, dass es durchaus kausale Relationen gibt, deren Konnekte durch den Kontext entweder als ‚faktisch nicht gegeben‘ oder als ‚rein hypothetisch‘ interpretiert werden können. Man betrachte dazu folgende zwei Beispiele: (71a) (71b)

Stellen wir uns vor, Maria würde Peter verlassen, weil sie ihn nicht mehr lieben würde. Nehmen wir mal an, Maria hätte Peter verlassen. Dann hätte er keine andere geheiratet, weil er doch Maria so geliebt hätte.

Diese zwei Beispiele verdeutlichen, dass man Kausalität und Konditionalität nicht einfach durch das Merkmal ‚Faktizität‘ unterscheiden kann (s. C4.1.2.3.2), jedenfalls nicht, wenn dieses undifferenziert, ohne die Berücksichtigung kontextueller Faktoren geschieht. Eine vollständige Lösung dieses Problems geht sowohl über die Möglichkeiten als auch über die Ziele dieses Kapitels hinaus. Es kann aber festgehalten werden, dass der Diskurskontext die Möglichkeit bietet, die Evaluation des Merkmals ‚Faktizität‘ auf mögliche Welten zu verschieben. Für die oben genannten zwei Beispiele heißt dies: Indem der Sprecher den Hörer explizit auffordert, sich zunächst eine Situation vorzustellen, verschiebt er die Evaluationsperspektive von der realen Welt in eine mögliche, vorgestellte, fiktive Welt. Hinsichtlich jener Welt gilt aber für kausale Relationen nach wie vor Faktizität: In der Welt, die man sich im Beispiel vorzustellen hat, gelten die jeweiligen Sachverhalte als ‚faktisch gegeben‘.

4.1.2.2.3 Spezialfall 1: Irrelevanzkonditionale Was das Verhältnis der Konditionalität zu den Irrelevanzkonditionalen (vgl. König 1986, Zaefferer 1987, s. auch C4.4.2) angeht, ist die zentrale Frage, weshalb man im Falle der letzteren überhaupt von Konditionalität spricht, wenn bei diesen die Folge gerade nicht von der Bedingung abhängt. In solchen Fällen kann nicht einfach von einer negierten Konditionalität die Rede sein, da weder ¬KOND(p, q) noch KOND (¬p, q) der Relation IRR-KOND(p, q) entsprechen. Dennoch liegt die Vermutung einer Verwandtschaft auch unabhängig von der konkreten semantischen Analyse nahe, da der konditionale Konnektor wenn auch in Irrelevanzkonditionalen verwendet werden kann. Dies gilt jedoch nicht für falls:

722

C4 Konditional basierte Konnektoren

(72a) (72b)

Wenn er auch kommt, ich mache weiter. *Falls er auch kommt, ich mache weiter.  

Für die irrelevanzkonditionale Deutung muss die konditionale wenn-Relation allerdings modifiziert werden, denn durch das allein stehende wenn können Irrelevanzkonditionale nicht zum Ausdruck gebracht werden. Dies funktioniert nur in der Kombination mit anderen Konnektoren oder Gradpartikeln, z. B. selbst wenn, sogar wenn, und wenn, wenn (…) auch, was von dieser Seite als eine „Steigerung des Konditionales“ angesehen werden kann (vgl. Waßner 2006: 382):  

(72c)

Selbst wenn / Sogar wenn / Und wenn er kommt, mache ich weiter.

Irrelevanzkonditionale werden als Spezialfall an der Peripherie der konditional Basierten (Duden 2009: 628) angesehen und ausführlicher in C4.4 diskutiert.

4.1.2.2.4 Spezialfall 2: Exzeptivkonditional Mit dem Terminus Exzeptivkonditional werden solche Sätze bezeichnet, deren Antezedens eine hinreichende Bedingung für das Nicht-Eintreten des Konsequens zum Ausdruck bringt, was an Sätzen mit außer wenn illustriert werden kann: (73a)

MOPO: Nun gibt es ja Gründe, warum Krimi-Autoren Leichen oft nahe der eigenen Haustür stapeln: Sie kennen sich da gut aus. Wie konnten Sie sicher sein, Hamburg nicht nur als Tourist zu kennen? Russell: Immer wenn ich in Hamburg bin – außer wenn so viel Schnee liegt wie jetzt –, laufe ich durch die Stadt und versuche, ihre Atmosphäre zu erfassen. (Hamburger Morgenpost, 13.03.2006, S. 20) Der französische Meister will der Tour endgültig den Rücken kehren. „Mein Wunsch ist es, nicht mehr zurückzukommen. Außer wenn die Mannschaft es verlangt. Dann muß ich es tun. (Frankfurter Rundschau, 10.08.1998, S. 27) Stellen Sie sich doch einmal einen Naturwissenschaftler vor. So, nun löschen Sie das Bild Einsteins vor Ihrem inneren Auge und versuchen es noch einmal. Da Sie diese Zeilen lesen, sind Sie unter Umständen selber Wissenschaftler und haben daher ein Bild von sich selbst produziert. Außer wenn Sie männlich sind und einen weißen Laborkittel tragen, stehen ihre Chancen nicht so gut, dem Bild zu entsprechen, das viele Leute von einem Naturwissenschaftler haben. (spektrumdirekt, 02.11.1997, o. S.)  

(73b)



(73c)



Auf den ersten Blick sind exzeptiv-konditionale außer wenn-Sätze einem indikativisch formulierten Konditional äquivalent, dessen Bedingung negiert ist.

C4.1 Konditionale Konnektoren

(74a) (74b)

EXZ-KOND: KOND:

723

Wir gehen ins Kino, außer wenn die Sonne scheint. Wenn die Sonne nicht scheint, gehen wir ins Kino.

Allerdings zweifelt Abraham (1979: 249 ff.) den konditionalen Statuts von Exzeptivkonditionalen an und zeigt, dass Exzeptivkonditionale eher wie entweder-oder-Relationen zu behandeln sind, die der logischen Struktur des Konditionals nicht entsprechen. Ihrem logischen Muster nach werden die Exzeptivkonditionale auch in der GDS (2429 ff.) der semantischen Gruppe der Restriktiven zugeordnet (Für eine detailliertere Diskussion vgl. aber C.4.6).  



4.1.2.2.5 Konditionalität und Disjunktion Unter den klassisch aussagenlogischen Behandlungen von Konditionalen finden sich solche, die das Wesen der Konditionalität auf eine Wahrheitstafel zurückführen. An dieser Stelle ist es hinreichend, darauf hinzuweisen, dass es selbstverständlich der Fall ist, dass ein und dieselbe Wahrheitstafel mit einer Vielzahl von unterschiedlichen logischen Konnektoren und deren Kombination erreicht werden kann. So ist beispielsweise eine so verstandene Konditionalrelation p → q mit einer Disjunktion folgenden Typs äquivalent: (¬p) oder q, was insbesondere dann deutlich wird, wenn man die Interpretation des oder-Beispiels in (76) betrachtet. Hier gewinnt man das Konditional durch das Negieren des ersten Disjunkts (vgl. auch die Ausführung in C4.1.1.3.3): (75) (76)

Du gibst mir das Geld oder ich bringe dich um. pÚq Wenn [du mir das Geld] nicht [gibst], bringe ich dich um. (¬p) → q = (¬(¬p)) Ú q = p Ú q p Du gibst mir das Geld. q Ich bringe dich um.

Außerdem ist es möglich, Disjunktionen in Verbindung mit konditionalen Verknüpfungen zu verwenden: In Konstruktionen wie ob p oder ¬p, q ist die Disjunktion sogar zwingend erforderlich für die Realisierung von Irrelevanzkonditionalen (vgl. C4.4.3.1): (77)

Ob [sie] blond oder braun [sind], ich liebe alle Frauen.

4.1.2.2.6 Konditionalität und Adversativität/Konfrontativität Eine seltene, stark markierte Verwendung des konditionalen Konnektors wenn ist seine adversativ-konfrontative (vgl. Reis/Wöllstein 2010). In dieser Verwendung wird ein kontrastiver Vergleich zum Ausdruck gebracht. Voraussetzung ist, dass für das interne Konnekt eine ‚faktische‘ Lesart möglich ist.

724

(78)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Was vielleicht einmal ehrliche Erfüllung des Generationenvertrages war, ist nur zur oft lamentierten Belastung der „arbeitenden“ Bevölkerung geworden. Dennoch werden Männer mit 65 und Frauen mit 60 aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden. Wenn dieses Alter früher als der Beginn des Lebensabends angesehen wurde, erfolgt heute ein willkürlicher Schnitt in ein oft noch sehr aktives Leben. (Die Presse, 28.12.1992, o. S.)  

Wieso ein konditionaler Konnektor zum Ausdruck von Adversativität verwendet werden kann, ist eine interessante theoretische Frage, denn einen intrinsischen logischen oder pragmatischen Zusammenhang zwischen Adversativität und Konditionalität scheint es nicht zu geben. Man kann vermuten, dass durch die Verwendung von wenn in einem derartigen Zusammenhang im Diskurs der Eindruck eines argumentativen Zusammenhangs zwischen zwei Sachverhalten entsteht. Alternativ könnte es sein, dass eine konzessive Interpretation nahegelegt wird.

4.1.2.2.7 Konditionalität und Frageausdrücke Der Zusammenhang zwischen den Frage- und Konditionalsätzen wurde an mehreren Stellen in diesem Kapitel angesprochen. Dieser Zusammenhang ist naheliegend, denn die Bedingung, deren Wahrheitswert nicht bestimmt werden kann, und eine Frage mit offener Proposition haben das Merkmal ‚Non-Faktizität‘ gemeinsam. Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Frage- und Konditionalsätzen ist insbesondere an der syntaktischen Form des Antezedens eines V1-Konditionals ersichtlich (vgl. C4.1.1.3.1.). Diese Beobachtung ist nicht nur für das Deutsche typisch. In vielen Sprachen ist der Ausdruck für die Einbettung von Entscheidungsfragen identisch mit einem Konditionalkonnektor (vgl. engl. if, frz. si, ital. se) (s. Zaefferer 1987): 1987 (79a) (79a)’ (79b)

Max is unsure if Eva hates him. Max is unsure whether Eva hates him. Max is unhappy if Eva hates him.

(nicht-KOND) (KOND)

Auch in nicht-germanischen Sprachen – wie dem Russischen – ist der Zusammenhang zwischen den konditionalen und interrogativen Konnektoren nachzuweisen (vgl. Traugott 1985: 291, zit. nach Zaefferer 1987: 261), denn die zweite Silbe des Konditionalkonnektors если (entspricht dem deutschen falls), nämlich ли, kann als Partikel in Frageausdrücken, die Zweifel ausdrücken, oder auch in eingebetteten Fragen verwendet werden, vgl. auch äquivalente ob-Strukturen für das Deutsche: (80)

Непонято, придет ли он к нам или нет. Unklar ist, ob er zu uns kommt oder nicht.

C4.1 Konditionale Konnektoren

(81)

725

Придет ли она вообще? Ob sie überhaupt noch kommt?

Auch mit ob eingeleitete Irrelevanzkonditionale, die bereits in C4.1.2.2.3 als Spezialfall von Konditionalsätzen besprochen wurden (vgl. insbes. C4.4.3.1), sind beispielsweise auf w-Fragen zurückzuführen. (82)

Ob Frauen eine dunkle oder helle Haarfarbe haben, ich liebe sie alle. Welche Haarfarbe auch immer die Frauen haben, ich liebe sie alle.

Abgesehen von den Fällen oben kann auch das externe Konnekt eines wenn-Satzes als Frage formuliert werden, wobei der wenn-Satz bei der Realisierung der Relation in zwei Sprechakten eine Bedingung nicht zum Sachverhalt des anderen Satzes ausdrückt, sondern eine Bedingung, unter der der jeweilige Sprechakt relevant ist: (83)

Wenn Ihr die vergangenen zehn Jahre Revue passieren lasst: [Habt Ihr Euch in dieser Zeit musikalisch verändert?]FRAGE (Mannheimer Morgen, 30.08.2006, o. S.)  

Diese Lesart ist zwar bei der Initialstellung des wenn-Konnekts etwas deutlicher, geht aber auch bei der Voranstellung der Frage oder bei der wenn-Parenthese nicht verloren. Der wenn-Satz wird als Nachtrag realisiert und ist damit keinesfalls als hinreichende Bedingung für das Eintreten des Konsequens-Sachverhalts zu verstehen (vgl. auch C4.1.2.4). (83)’

[Habt Ihr Euch in dieser Zeit musikalisch verändert?]FRAGE Wenn Ihr die vergangenen zehn Jahre Revue passieren lasst.

4.1.2.3 Definition der Konditionalrelation Legen wir eine logische Definition für das Konditional zugrunde, ergeben sich gleich mehrere Probleme, die auch in Volodina (2011a: 24 ff.) diskutiert werden. Nach der in der Aussagenlogik üblichen Definition eines (materiellen) Konditionals (p → q) – auch als materielle Implikation bezeichnet – gilt ein Konditional dann als wahr, wenn es ausgeschlossen werden kann, dass die Bedingung wahr und das Bedingte dennoch falsch ist.  

(84)

Wenn es regnet, bleibt er zu Hause. p = Es regnet. q = Er bleibt zu Hause

726

C4 Konditional basierte Konnektoren

Der Beispielsatz in (84) Wenn es regnet, bleibt er zu Hause ist nach der oben gegebenen Definition in allen Fällen wahr, außer (s. Position 2 in (84)’) wenn es zwar regnet, er aber nicht zu Hause bleibt (vgl. ebd: 24): p

q

p→q

(84)’

Es regnet

Er bleibt zu Hause

Wenn es regnet, bleibt er zu Hause.

1

wahr

wahr

wahr

2

wahr

falsch

falsch

3

falsch

wahr

wahr

4

falsch

falsch

wahr

In der verbalen Kommunikation ist jedoch eine solche Konditionalitätsinterpretation nicht wirklich hilfreich, denn niemand will mit dem Satz Wenn es regnet, bleibt er zu Hause diese drei Möglichkeiten ausdrücken (s. „wahre“ Konditionalsätze in 1, 3 und 4 in (84)’). Denn die Bedeutung des Satzes Wenn es regnet, bleibt er zu Hause enthält gemäß der in (84)’ ausgeführten Wahrheitswerte u. a. auch den Fall, dass es nicht regnet und er zu Hause bleibt (s. 3 in (84)’) oder auch dass er nicht zu Hause bleibt (s. 4 in (84)’). Diese beiden Fälle schließen sich aus, sind aber für die Interpretation des Konditionalsatzes intuitiv nicht relevant. Bei der Interpretation eines kontrafaktischen Konditionals wie in (85) müssen beide Propositionen falsch sein, damit der Konditionalsatz einen Sinn ergibt: Es hat nicht geregnet und Er ist nicht zu Hause geblieben, wie 4 in (85)’ zeigt.  

(85)

Wenn es geregnet hätte, wäre er zu Hause geblieben. p

q

p ⎕→ q11

(85)’

Es hat geregnet

Er ist zu Hause geblieben

Wenn es geregnet hätte, wäre er zu Hause geblieben.

1

wahr

wahr

falsch

2

wahr

falsch

falsch

3

falsch

wahr

falsch

4

falsch

falsch

wahr

Die Wahrheitsbedingungen eines kontrafaktischen Konditionals unterscheiden sich also deutlich von den Wahrheitsbedingungen eines materiellen Konditionals, denn es gibt nur eine einzige Wahrheitsbedingung aus vier an sich möglichen (s. 4 in (85)’),

11 ⎕→ ist nach Lewis (1973: 1) ein Operator für ein kontrafaktisches Konditional: „Wenn p der Fall gewesen wäre, dann wäre auch q der Fall gewesen.“

C4.1 Konditionale Konnektoren

727

die erfüllt sein muss, damit das Konditional wahr ist. Für die Verwendung in der verbalen Kommunikation wäre eine Interpretation kontrafaktischer Konditionalsätze, nach der beide Propositionen falsch sind, zu wenig informativ. Ein weiteres Problem der logischen Definition können wir in den Fällen beobachten, in denen zwischen den Sachverhalten, die durch einen spezifischen konditionalen Konnektor wie wenn verknüpft sind – wodurch der komplexe Satz obligatorisch konditional interpretiert wird – kein inhaltlicher Zusammenhang bestehen muss, wie der folgende Satz zeigt: (86)

Wenn zwei mal zwei vier ist, liegt Paris in Frankreich.

Mit anderen Worten, das Bedingte in (86) ist keinesfalls die Folge davon, dass zwei mal zwei vier ist, obwohl der Satz nach logischen Kriterien ein wahres Konditional ist. Dennoch wird der Adressat der Äußerung in den meisten Fällen den Satz in (86) für sich deuten können und nicht als unsinnig verwerfen (s. auch Pittner 1999: 245, mit Verweis auf Frege). In älteren Arbeiten (Rudolph 1976, Schulz/Griesbach 1982, Helbig/Buscha 1991) wurden solche Problembeispiele dadurch ausgegrenzt, dass man Konditionalität als Spezialfall der Kausalität angesehen hat, so auch Sweetser (1990). Folglich wären solche Konditionale, die keinen kausalen Zusammenhang aufweisen, gar nicht berücksichtigt. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Konditionalsätzen, die wie in (86) nicht oder nicht unmittelbar auf eine kausale Beziehung zwischen den Sachverhalten zurückzuführen sind, s. (87): (87)

Wenn er die Klausur bestanden hat, bin ich ein Idiot.

In (87) kann der Sachverhalt, dass die gemeinte Person für die Klausur eine positive Note bekommen hat, in keiner Art und Weise als Erklärung, Grund oder als Ursache des Sachverhalts angesehen werden, dass der Sprecher ein Idiot sei. Eine Betrachtung von Konditionalität als Spezialfall von Kausalität scheint viel zu stark zu sein, so dass viele Konditionalsätze nicht mehr als konditional angesehen werden könnten. (88a) (88b)

Wenn eins plus eins drei ist, ist zwei plus zwei fünf. (? KOND) Wenn meine Hühner heute Eier gelegt haben, (dann) wird der Kölner Dom morgen einstürzen (Kratzer 1991: 651). (? KOND)

Das Grundproblem ist folgendes: Eine rein aussagenlogische Behandlung von Konditionalität ist nicht intuitiv und außerdem auch schwach. Es gibt außerdem Beispiele, die der Wahrheitstafel für das materielle Konditional genügen, obwohl sie dem intuitiven Verständnis nach kein gültiges Konditional darstellen.

728

C4 Konditional basierte Konnektoren

(88c)

Wenn eins plus eins drei ist, ist zwei plus zwei vier. (logisch gesehen wahr: p = falsch, q = wahr, also p → q = wahr; alltagssprachlich gesehen → sinnlos)

Um das obengenannte Problem zu lösen, wurde in der sprachphilosophischen und semantischen Literatur ein Modell für Konditionalität entwickelt, das durch die Einführung von sog. möglichen Welten bzw. Situationen die Fähigkeit hat, die Schwächen der aussagenlogischen Analyse zu beheben (Lewis 1973, 1981; Stalnaker 1968). Die Grundidee hierbei ist, dass natürliche Sprache nicht nur die real existierende Welt beschreibt, sondern auch Welten und Situationen, die nicht real sind. So wird der folgende Satz etwa so analysiert, dass die Bedeutung von einem Irrealis wie „Peter wäre nach Hause gegangen“ durchaus der Bedeutung des Satzes „Peter ist nach Hause gegangen“ entspricht, nur dass Peter nicht in der realen Welt ‚nach Hause gegangen‘ ist, sondern in irgendeiner bloß möglichen. (89)

Peter wäre nach Hause gegangen, [wenn Maria nicht angerufen hätte.] Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: Es gibt eine mögliche Welt w, so dass Peter in w ‚nach Hause gegangen‘ ist, w aber ist nicht die reale Welt.

Dieser Ansatz wird in der GDS auf Konditionalität wie folgt übertragen: Das Konditionale, bestehend aus Untersatz (Antezedens, p) und Obersatzrest (Konsequens, q) besagt, daß es aus der Sicht des Sprechers mit dem einschlägigen Wissen eher vereinbar ist, daß „p und q“ der Fall ist, als daß „p und nicht-q“ der Fall ist. Das heißt, Situationen, in denen p und q gelten, sind auf dem jeweiligen Redehintergrund und bei dem jeweiligen Wissensstand wahrscheinlicher oder eher denkbar als Situationen, in denen p der Fall ist, q jedoch nicht der Fall ist. (GDS: 2283 f.).  

Dieser Ansatz kann an einem einfachen Beispiel verdeutlicht werden: (90)

Wenn Robert schläft, ist Maria glücklich. Interpretation im Sinne der GDS: Situationen, in denen Robert schläft und Maria glücklich ist, sind mit dem Wissen des Sprechers eher vereinbar als Situationen, in denen Robert schläft, Maria aber unglücklich ist.

Diese Analyse hat im Vergleich zur rein aussagenlogischen Analyse entscheidende Vorteile, wenn es um die Behandlung kontrafaktischer Konditionale geht. Nur weil p bzw. q nicht faktisch realisiert sind, kann es durchaus sein, dass eine bestimmte Kombination von Wahrheitswerten in Verbindung mit bestimmten Situationen durchaus eher mit dem Wissensstand des Sprechers vereinbar ist, als andere. So ergibt sich für folgendes Beispiel folgende Analyse:

C4.1 Konditionale Konnektoren

(91)

729

Wenn Robert nach Hause gekommen wäre, wäre Maria glücklich gewesen. Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: Situationen, in denen Robert nach Hause gekommen ist, und Maria glücklich war, sind mit dem Wissensstand des Sprechers eher vereinbar als Situationen, in denen Robert gekommen ist, Maria aber UNglücklich war, auch wenn in der realen Welt weder Robert nach Hause gekommen ist, noch Maria glücklich war.

Ein weiterer Vorteil der Analyse im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik ist, dass der Bezug zur Kausalität in diesem Fall deutlich ist: Kausalität ist hier ein Spezialfall von Konditionalität, wie in C4.2.2.1 ausgeführt, und nicht umgekehrt. Kausalität K ONSEQUENS ) liegt vor, wenn zwischen p (A A NTEZEDENS ) und q (K a. p assertiert oder präsupponiert ist. b. folgende Regeln impliziert werden: i. p’ → q’ (wobei p’ und q’ Generalisierungen über p bzw. q sind) ii. non p → non q Wobei i. für eine allgemeine Regel steht: (typischerweise, wenn p, dann auch q) und ii. für ein kontrafaktisches Konditional: (wenn p nicht gilt, dann gilt auch q nicht) bzw. aus der Perspektive der Mögliche-Welten-Semantik: In Welten, in denen p nicht gilt, gilt auch q nicht, vgl. C4.2.2.1.2. Diese Analyse wird in der neueren formalen Semantik oft mit der weiteren Idee verbunden, dass der konditionale Konnektor im Kern selbst keinerlei Bedeutung hat – wie schon in Lewis 1981 bemerkt –, sondern nur die Menge der Welten beschränkt, über die modale Ausdrücke quantifizieren. Diese Analyse geht im Wesentlichen auf einen früheren Ansatz von Angelika Kratzer (1978) zurück und wurde in verschiedenen Versionen (vgl. Kratzer 1991) vorgetragen. Exkurs: Zum Ansatz von Kratzer (1978) Die Idee von Kratzer ist, dass modale Ausdrücke über mögliche Welten bzw. Situationen operieren. Beispielsweise lässt sich der Unterschied zwischen dem epistemischen müssen und dem epistemischen können wie folgt erfassen: (92)

Peter muss krank sein, (zumal ein Krankenwagen vor seinem Haus steht). Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: In ALLEN Welten, die mit dem derzeitigen Wissensstand des Sprechers kompatibel sind, ist Peter krank.

(93)

Peter könnte krank sein, (zumal er nicht zur Arbeit gekommen ist.) Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: In EINIGEN Welten, die mit dem derzeitigen Wissensstand des Sprechers kompatibel sind, ist Peter krank.

In Kratzers Ansatz stellen Konditionalsätze – wie an folgendem Beispiel gezeigt – BESCHRÄNKUNGEN hinsichtlich der relevanten Welten dar. Mit anderen Worten, müssen im Kontext (92) operiert nur über WELTEN, in denen der Konditionalsatz gilt:

730

(94)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wenn ein Krankenwagen vor seinem Haus steht, muss Peter krank sein. Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: In ALLEN WELTEN, in denen ein Krankenwagen vor seinem Haus steht und die mit dem derzeitigen Wissensstand des Sprechers kompatibel sind, ist Peter krank.

Eine analoge Interpretation ist auch in generischen Kontexten ohne Modalverb müssen mit einem generischen Adverb immer möglich: (95)

Wenn ein Krankenwagen vor seinem Haus steht, ist Peter immer krank. Interpretation im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik: Zu ALLEN ZEITEN12, zu denen ein Krankenwagen vor seinem Haus steht, ist Peter krank.

Einige der Stärken des Ansatzes von Kratzer sind folgende: – Erstens erlaubt er eine transparente Integration von Konditionalsätzen in die semantische Struktur des Hauptsatzes. Dies wird insbesondere im Falle von konnektoralen Verknüpfungen des Typs „im Falle, dass“ klar, bei denen eine PP durch den Konditionalsatz näher spezifiziert wird. – Zweitens erlaubt diese Analyse einen relativ einfachen Umgang mit den in A4.4 diskutierten Ebenen der Verknüpfung: Im Falle konditionaler Relationen wird sich zeigen, dass es im Gegensatz zur Analyse von Sweetser (1990) nicht drei, sondern lediglich zwei Ebenen der Verknüpfung zu geben scheint, nämlich die propositional-epistemische Ebene und die Sprechaktebene (s. C4.1.2.4). Dies folgt unmittelbar aus der Idee von Kratzer, dass Modalität erforderlich ist, um Konditionalsätze überhaupt interpretieren zu können. – Und drittens erlaubt diese Analyse einen einfachen Umgang mit der Interaktion von Modalität und Konditionalität. Kratzers Analyse, so wie sie bisher dargestellt wurde, führt aber zu Problemen bei der Analyse kontrafaktischer Konditionale, da die Welten, in denen das Antezedens wahr ist, in diesem Fall gerade mit dem Wissen des Sprechers inkompatibel sind. Mit Kratzers Ansatz kann ebenfalls nicht erklärt werden, warum wenn-Sätze auch dann konditional interpretiert werden können, wenn kein expliziter Modal- oder Temporaloperator vorhanden ist.13 (96a) (96b)

Peter ist glücklich, wenn Maria kocht. Peter ist immer glücklich, wenn Maria kocht.

(KOND, ohne Operator) (KOND, mit Operator)

Eine andere Schwachstelle ist, dass sich auf diese Weise die diachrone Entwicklung konditionaler Konnektoren aus den Temporalen im Deutschen ebenso wenig erklären lässt, wie die Diskursfunktion von Konditionalen.14 In diesem Buch werden wir der Analyse der GDS folgen, indem wir eine Mögliche-WeltenSemantik für Konditionale annehmen. Des Weiteren folgen wir der Grundintuition Kratzers, dass konditionale Sätze Beschränkungen hinsichtlich Möglicher-Welten ausdrücken können, obgleich zu der konkreten syntaktischen Implementierung dieser Theorie keine Stellung bezogen wird.

12 Sowohl Zeiten als auch Welten werden nach Kratzer ähnlich, als Situationen, behandelt. 13 Kratzer nimmt für solche Fälle implizite Modaloperatoren wie muss oder immer an, jedoch lässt sich ihre Existenz nicht ohne Weiteres beweisen und außerhalb der generativen Tradition, wo unsichtbare Operatoren weit verbreitet sind, führt dies zu erheblichen Problemen. 14 In dieser Hinsicht ist nur einer der vielversprechenden Erklärungsansätze zu nennen, und zwar der von Sweetser (1990), der bereits in A4.4 ausführlicher behandelt wurde.

C4.1 Konditionale Konnektoren

731

4.1.2.3.1 Arten von Bedingungen Die obige Diskussion der Definition von Konditionalität ließ eine wichtige Dimension unberührt. Es wurde oben gesagt, dass zwischen den Konnekten einer Konditionalrelation ein Bedingung-Folge-Verhältnis besteht. Gleichwohl lassen sich mehrere Arten von Bedingung-Folge-Verhältnissen vorstellen. In der Logik (seit der Antike) wird mindestens von zwei solchen Bedingungen gesprochen: die notwendige und die hinreichende Bedingung. Eine notwendige Bedingung für einen Sachverhalt q ist ein Sachverhalt p, der eine unbedingte Voraussetzung für das Eintreten von q ist. Ohne p kein q. Intuitive Beispiele für solche Bedingungsverhältnisse lassen sich vielfach finden: (97)

Dass jemand das Latinum hat, ist eine notwendige Bedingung für eine Promotion an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg. → Wenn jemand kein Latinum hat, hat er keine Voraussetzung promoviert zu werden. [Aber ohne Doktorarbeit geht es trotzdem nicht, also ist die Lateinprüfung allein nicht hinreichend für die Promotion.] – notwendig, aber nicht hinreichend

Eine hinreichende Bedingung für einen Sachverhalt q ist ein Sachverhalt p, der den Sachverhalt q erzwingt. Intuitive Beispiele für solche Bedingungsverhältnisse lassen sich ebenfalls finden: (98)

Dass man mit 200 km/h geblitzt wird, ist eine hinreichende Bedingung für eine Strafe. → Wenn man zu schnell fährt und geblitzt wird, dann bekommt man eine Strafe. [Aber man kann eine Strafe bekommen, auch ohne dass man geblitzt wird oder ohne dass man zu schnell fährt (beispielsweise, wenn man etwas getrunken hat).] – hinreichend, aber nicht notwendig  

Bisweilen kommt gerade im wissenschaftlichen, insbesondere im mathematischlogischen Diskurs auch der Begriff notwendige und hinreichende Bedingung vor. Dies ist dann der Fall, wenn p sowohl die notwendige als auch die hinreichende Bedingung für den Sachverhalt q ist, sprich, wenn p ohne q und q ohne p nicht vorstellbar sind. Mit anderen Worten, p und q sind logisch äquivalent: Sie treten immer gemeinsam auf. (99)

Dass eine Zahl nur durch eins und durch sich selbst teilbar ist, ist eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass sie eine Primzahl ist. → Dass eine Zahl nur durch eins und durch sich selbst teilbar ist, ist eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass sie eine Primzahl.

Wenn man sich die Bedeutung der wichtigsten Konditionalkonnektoren wie wenn und falls anschaut, fällt sofort auf, dass sie allesamt intuitiv die hinreichende Bedingung

732

C4 Konditional basierte Konnektoren

auszudrücken scheinen, etwa wie in (100) gezeigt. Dies wird bereits in der aussagenlogischen Betrachtung deutlich, und ist auch im Mögliche-Welten-System so, wobei der Begriff der hinreichenden Bedingung dort etwas nuancierter sein mag und etwa zu Wissen bzw. Kontext relativiert werden kann. (100)

Wenn p dann q = p ist die hinreichende Bedingung für q

(100) besagt aber nicht, dass wenn inkompatibel mit einer notwendigen Bedingung wäre. Es sagt lediglich aus, dass wenn die notwendige Bedingung nicht selbst zum Ausdruck bringen kann. Unberührt davon ist es oft der Fall, dass ein wenn-Satz einen Sachverhalt darstellt, der nicht nur eine hinreichende, sondern auch eine notwendige Bedingung ist. In der realen Welt scheinen diese Kategorien nämlich oft miteinander verwoben. Dass durch den zentralen Konditionalkonnektor wenn eher die hinreichende als die notwendige Bedingung ausgedrückt wird, ist wenig überraschend: Erstens entspricht die Idee einer hinreichenden Bedingung dem intuitiven Begriff der Kausalität. Konditionalität drückt die Art von Abhängigkeit aus, die der Mensch in der realen Welt zugleich in den meisten Fällen auch mit Kausalität assoziiert. Dies können wir am deutlichsten sehen, wenn wir die oben angegebenen Beispiele für notwendige bzw. hinreichende Bedingung betrachten. Ein Latinum ist eine notwendige Voraussetzung für eine Promotion, aber es gibt kein Kausalitätsverhältnis zwischen dem Latinum und der Promotion. Betrachten wir aber das Beispiel für eine hinreichende Bedingung, ergibt sich ein entgegengesetztes Bild: Ein Blitzer ist eine hinreichende Bedingung für eine Geldstrafe, aber zugleich auch eine Ursache (wenngleich nicht die einzige) für das Zustandekommen einer Geldstrafe. (97)’ (98)’

Latinum ist NICHT die Ursache für die Promotion. Blitzer IST die Ursache für die Strafe.

Zweitens lässt sich ein Ausdruck, der eine hinreichende Bedingung darstellt (z. B. ein wenn-Satz), mithilfe von nur (= nur wenn) in einen Ausdruck konvertieren, der eine notwendige Bedingung darstellt. Hingegen lässt sich ein Ausdruck, der eine notwendige Bedingung zum Ausdruck bringt, kaum in einen Ausdruck konvertieren, der eine hinreichende Bedingung darstellt. Ein Beispiel zum Verständnis: Nehmen wir an, dass wenn die hinreichende Bedingung ausdrückt. Dann drückt nur wenn die notwendige Bedingung aus.  

(101a) (101b)

Wenn Peter tanzt, wird er müde. Nur wenn Peter tanzt, wird er müde.

hinreichende Bedingung notwendige Bedingung

Nehmen wir an, dass der Konnektor vorausgesetzt, wie in (102) verwendet, die notwendige Bedingung ausdrückt. Es ist jedenfalls leicht einzusehen, dass sich hieraus durch

C4.1 Konditionale Konnektoren

733

die einfache Hinzufügung expliziter Mittel (z. B. einer Partikel – wie nur – anstelle von X in (102b)) die hinreichende Bedingung nicht ableiten lässt.  

(102a) Peter wird müde, vorausgesetzt er tanzt. (102b) Peter wird müde, X vorausgesetzt er tanzt.

notwendige Bedingung hinreichende Bedingung

Dieses Argument hängt mit der Annahme zusammen, dass die Sprache fundamentale Kategorien des menschlichen Denkens möglichst transparent zum Ausdruck bringt. Wenn sich also aus dem Ausdruck für eine Kategorie durch transparente Hinzufügung eines Ausdrucks eine andere Kategorie ableiten lässt, nicht jedoch umgekehrt, dann kann man davon ausgehen, dass erstere fundamentaler ist. Wenn also wenn alleine die hinreichende Bedingung zum Ausdruck bringen kann, die notwendige aber nur in Verbindung mit einem zusätzlichen lexikalischen Ausdruck (wie nur), dann plausibilisiert dies, dass die hinreichende Bedingung die basalere Kategorie ist; die notwendige Bedingung dagegen scheint eher eine abgeleitete Kategorie zu sein. Wichtig ist zu bemerken, dass nur wenn wie auch der Fachausdruck genau dann wenn keine eigenständigen Konnektoren sind. Die Bedeutung von diesen Ausdrücken müsste sich auf die Bedeutungen der einzelnen Teilausdrücke zurückführen lassen, da dies aber in der Regel in der formalen Semantik als ein ziemlich schwieriges Problem angesehen wird, ist eine synkategorematische Behandlung wohl auch zulässig.

4.1.2.3.2 Subtypen von Konditionalität Nach der obigen Definition, ist zwar Konditionalität als eine homogene semantischfunktionale Kategorie anzusehen, dennoch lassen sich Subtypen von Konditionalität herausarbeiten, die für die linguistische Untersuchung konditionaler Relationen von Bedeutung sind, da sie mit der Form der Realisierung konditionaler Sätze korrelieren. Das zentrale Merkmal, nach dem zunächst konditionale Relationen auseinandergehalten werden können, ist die Relation der Proposition des Antezedens zum Wissen des Sprechers bzw. zum gemeinsamen Wissen von Hörer und Sprecher. Dabei ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder erlaubt das Wissen des Sprechers, dass die Proposition des Antezedens (relativ zu diesem Wissen) wahr ist, oder das Wissen des Sprechers schließt den besagten Sachverhalt aus. Im ersten Fall sprechen wir von einem hypothetischen Konditional, im zweiten Fall von einem kontrafaktischen. Dieser Zweiteilung entsprechen nur indirekt die Modus/Tempus-Merkmale des finiten Verbs im Konditionalsatz: Indikativ, Konjunktiv-Präteritum, Konjunktiv-Präteritumperfekt. Viel mehr geben die Tempus/Modus-Merkmale einen Hinweis darauf, dass der Grad, zu dem das gemeinsame Wissen von Sprecher und Hörer bzw. das Sprecher-Wissen einen Sachverhalt ausschließt oder erlaubt, durchaus unterschiedlich sein kann. Daraus ergibt sich folgendes Bild:

734

C4 Konditional basierte Konnektoren

Abb. C4.1-2: Subtypensystematik

In der Abbildung C4.1-2 wird zunächst zwischen hypothetischen und kontrafaktischen Konditionalen unterschieden. An den zwei Extremen der Skala der Inkompatibilität mit dem Sprecher-Wissen befinden sich solche Konditionalsätze, die besondere Beachtung verdienen: Auf der Seite der hypothetischen Konditionale sprechen wir hier von solchen Sätzen, die mit dem Sprecher-Wissen gut kompatibel sind: Sie drücken einen Sachverhalt aus, den der Sprecher für durchaus wahrscheinlich oder sogar für wahr hält. Im Rahmen einer pragmatischen Interpretation können solche Sätze auch als „faktische“ Konditionale interpretiert werden. Diese werden stets indikativisch realisiert. Von der Systematik her sind sie insofern eine Mischform, als sie zwar durch den zentralen konditionalen Konnektor wenn ausgedrückt werden, sie aber in einem bestimmten Kontext nicht ‚konditional‘, sondern unter Umständen ‚kausal‘ oder ‚konzessiv‘ interpretiert werden. Deswegen sind „faktische“ Konditionale kein eigenständiger Subtyp von Konditionalität, sondern lediglich ein Sonderfall von hypothetischen Konditionalen, die aufgrund des Kontextes als „faktisch“ interpretiert werden. Dem entspricht die Generalisierung, dass kein Konditionalkonnektor eine faktische Relation als Teil seiner Bedeutung ausdrücken kann. Die zugrunde liegende Alltagslogik bei der Interpretation der „faktischen“ Konditionale als ‚kausale‘ ist folgende: (103)

((Wenn p, dann q) ONNEKTORBEDEUTUNG ORBEDEUT UNG K ONNEKT

und p) K ONTEXT ONT EXT

also q I NTERPRETATION

Am anderen Ende der Skala befinden sich solche kontrafaktischen Konditionale, die mit dem Sprecher-Wissen absolut inkompatibel sind und daher keine Ausnahmen zulassen. Diese werden immer im Konjunktiv-Präteritumperfekt zum Ausdruck gebracht. Der mittlere Bereich der Tabelle zeigt Überschneidungen hinsichtlich der Tempus/Modus-Merkmale konditionaler Relationen. Die Relationen in diesem Bereich können auch mit falls ausgedrückt werden; falls ist aber weder mit „faktischen“ noch mit streng kontrafaktischen Konditionalrelationen kompatibel. Desgleichen sind auch andere konditionale Konnektoren in der Regel mit den Relationen des mittleren Bereichs kompatibel. Im Folgenden sollen die einzelnen Typen anhand von Beispielen diskutiert werden:

C4.1 Konditionale Konnektoren

735

(i)

„faktische“ Konditionale

(104)

Die Ermittlungen führt Scotland Yard, weil der Mord auf britischem Boden begangen wurde. Russlands Behörden tun gut daran, ihre Bereitschaft zur Mithilfe bei der Aufklärung auch in die Tat umzusetzen. Das heißt: Britische Fahnder müssen ungehindert ihre Fragen stellen können, wenn schon Verdächtige nicht ausgeliefert werden. (dpa, 10.12.2006, o. S.)  

„Faktische“ Konditionale werden in der Regel nur in speziellen Kontexten als solche interpretiert und oft mit Diskurspartikeln wie schon markiert, die nur in solchen Kontexten möglich sind, in denen das interne Konnekt als „gegeben“ gilt. „Faktische“ Konditionale können entsprechend weder mit falls noch mit Konjunktiv-Präteritum realisiert werden. (104’a) *Britische Fahnder müssen ungehindert ihre Fragen stellen können, falls schon Verdächtige nicht ausgeliefert werden. (104’b) *Britische Fahnder müssen ungehindert ihre Fragen stellen können, wenn schon Verdächtige nicht ausgeliefert würden. (ii)

hypothetische Konditionale

(105a) „Die Wahlen diesmal sind historisch“, mahnt der Reformer. „Es bedarf eines starken nationalen Willens, den politischen Status quo ein für alle Mal zu beenden.“ Falls es zu einem Wechsel kommen sollte, dann stünde der nächste Präsident vor riesigen Aufgaben. (dpa, 04.12.2008, o. S.) (105b) Aquaplaning kündigt sich durch leichtgängige Lenkung, durchdrehenden Motor und Wassergeräusche unter dem Auto an. Wenn man in eine dieser Aquaplaning-Fallen gerät, darf man auf keinen Fall bremsen, sondern sollte die Kupplung treten und das Lenkrad in Fahrtrichtung halten. (Braunschweiger Zeitung, 04.11.2006, o. S.)  



Hypothetische Konditionale drücken einen Sachverhalt aus, der mit dem Wissen des Sprechers nicht inkompatibel ist: Sie können, wie in den obigen Beispielen gezeigt, sowohl mit falls als auch indikativisch oder im Konjunktiv Präteritum ausgedrückt werden. Bei diesem Subtyp konditionaler Relationen ist entscheidend, dass der Sachverhalt des Konditionalsatzes vom Sprecher als möglich eingestuft wird. Die Wahrscheinlichkeit des Sachverhalts spielt dabei keine Rolle. Dies wird dadurch deutlich, dass im Beispiel (105a) eine sollte-Form vorkommt, die die entsprechende Proposition als sehr unwahrscheinlich markiert (zum besonderen Status von sollte-Konditionalsätzen s. Reis/Wöllstein 2010). Auf der anderen Seite gilt, wie bereits gesagt, dass faktische Konditionale, bei denen die Wahrscheinlichkeit des Sachverhalts des internen Konnekts 100% (also maximal) ist, ebenfalls in diese Kategorie gehören. Die

736

C4 Konditional basierte Konnektoren

faktische Lesart ergibt sich aus dem Kontext und ist nicht ein Teil der konventionellen Bedeutung von wenn. Was nicht mehr in diese Kategorie gehört, sind Konditionalsätze, deren Wahrscheinlichkeit vom Sprecher auf 0% gesetzt wird – das sind kontrafaktische Konditionalsätze. (iii)

kontrafaktische Konditionale

(106a) Selbst der versierte Mode-Manager Bruno Sälzer, der in seinem früheren Job bei Hugo Boss noch die Linie für die weibliche Kundschaft „Boss Woman“ auf Vordermann brachte, konnte das Ruder bei Escada nun nicht mehr herumreißen. Dass Sälzer eigentlich das Zeug dazu gehabt hätte, bezweifeln Experten nicht. „Wenn die blöde Krise nicht gekommen wäre, hätten die die Wende geschafft“, glaubt Rasch. (dpa, 13.08.2009, o. S.) (106b) Superman ist überirdisch. Superman glänzt mit enormer Schnelligkeit, der Fähigkeit zu fliegen, mit Kraft, und er gilt als nahezu unverwundbar. Wenn Superman Handball spielen würde, würde er in Kiel spielen. Die Männer des THW glänzen nämlich mit enormer Schnelligkeit, gewinnen fast immer und sind so etwas wie die Überflieger des europäischen Handballs. (Braunschweiger Zeitung, 08.06.2009, o. S.)  



Wie in den obigen Beispielen gezeigt, können kontrafaktische Konditionale in unterschiedlichen Konjunktiv-Formen realisiert werden. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Konjunktiv-Formen bezieht sich in der Regel auf die Zeitachse: Konjunktiv-Präteritumperfekt bezieht sich auf die Vergangenheit und Konjunktiv-Präteritum bezieht sich auf die Gegenwart oder Zukunft. Konditionale mit Vergangenheits- und Gegenwartsbezug unterscheiden sich oft hinsichtlich der Inkompatibilität mit dem Sprecher-Wissen. Oft ist es so, dass Konditionale mit Vergangenheitsbezug viel kategorischer sind, als die mit Gegenwartsbezug. Es kann daran liegen, dass wir die Vergangenheit generell besser überblicken können als die Gegenwart, ganz zu schweigen von der Zukunft. Wie genau dieser Unterschied im Rahmen der Wahrheitsbedingungen von kontrafaktischen Konditionalen zu erfassen ist, wird an dieser Stelle nicht weiterdiskutiert. Wir halten fest, dass bei kontrafaktischen Konditionalen der Sprecher davon ausgeht, dass die Negation des Konditionalsatzes wahr ist. Wichtig ist, dass Beispiele mit Vergangenheitsbezug in Konjunktiv II immer kontrafaktisch sind. Solche mit Gegenwartsbezug können hingegen auch hypothetischer Natur sein. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist folgendes: Situationsbeschreibung: Zwei Historiker debattieren darüber, was im antiken Ägypten passiert ist. Sie spielen zwei Hypothesen gegeneinander aus, die sich aber widersprechen, so dass davon nur eine notwendigerweise zutrifft.

C4.1 Konditionale Konnektoren

(107)

737

Wir wissen nicht, ob die Ägypter UFOs gesehen haben. Wenn sie welche gesehen hätten, hätte man das sicherlich auch mündlich überliefert oder in der Schrift festgehalten. Es ist also unwahrscheinlich, dass sie welche gesehen haben. Das Problem ist nur, wenn sie keine gesehen hätten, hätten sie keine Pyramiden bauen können.

Mindestens eine der Alternativen – entweder haben die Ägypter UFOs gesehen oder eben nicht – muss aber wahr sein. Also mindestens einer der konjunktivischen wennSätze muss wahr sein. Dies zeigt, dass die Verwendung von Konjunktiv-Präteritumperfekt auch in solchen Fällen möglich ist, in denen der Sachverhalt des Konditionalsatzes nicht vollständig ausgeschlossen ist, sonst müsste das obige Beispiel ein Widerspruch sein. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass (107) als kontrafaktisch einzustufen ist. Intuitiv ist das Problem nicht die Korrelation zwischen Form und Typ von Konditionalität, sondern die Definition von Kontrafaktizität. Anscheinend muss der Sprecher den Sachverhalt des Konditionalsatzes nicht vollständig ausschließen. Es reicht auch, wenn die Konsequenzen dieses Sachverhalts angezweifelt werden.

4.1.2.4 Konditionalität und Verknüpfungsebenen Wie in A4.4 besprochen, gibt es Beispiele für Konditionalrelationen, die auf den ersten Blick überraschend wirken: (108)

Es gibt Plätzchen auf dem Sideboard, wenn du welche willst.

Dieser besondere Typ von Sprechaktkonditionalen wird in der Literatur unterschiedlich bezeichnet: Nach dem Originalbeispiel – There are biscuits on the sideboard if you want them – von Austin (1961) werden sie in der Literatur treffend „Biscuit Conditionals“ genannt. In diesem Buch sprechen wir synonym von ‚Relevanzkonditionalen‘15 (s. Franke 2007, Ebert/Endriss/Hinterwimmer 2009 für die formale Implementierung des Typs Biscuit Conditionals): Während die Standardinterpretation eines Konditionals (p → q) in (108a) nicht dem Sinn des Satzes entspricht, scheint die Interpretation in (108b) diesen besser wiederzugeben:

15 Relevanzkonditionale werden aber auch „relevance conditionals“ (Johnson-Laird 1986; Köpcke/ Panther 1989), „utterance-conditionals“ (Haegeman 1984), „pragmatic conditionals“ (Athanasiadou/ Dirven 1997) bzw. „moduskommentierend“ (GDS) genannt.

738

C4 Konditional basierte Konnektoren

(108a) {Jedes Mal} Wenn du Plätzchen willst, dann gibt es welche auf dem Sideboard. (108b) Wenn du Plätzchen willst, teile ich dir mit, dass es Plätzchen auf dem Sideboard gibt. Zur Erfassung dieses Phänomens wurde als eine der grundlegenden Kategorien der Konnektorenbeschreibung im Kapitel A4.4 die Dimension der Ebenen der Verknüpfung eingeführt. Aufbauend auf Sweetser (1990) gehen wir von drei Ebenen aus, die durch unterschiedliche Verknüpfungsarten wie folgt charakterisiert werden können: – Auf der propositionalen Ebene (PRO) besteht eine Relation zwischen zwei Propositionen, die auf Sachverhalte in einer realen oder möglichen Welt referieren; – auf der epistemischen Ebene (EPS) wird eine Proposition in Relation zu einer epistemisch bewerteten Proposition gesetzt; – und schließlich wird auf der Sprechaktebene (SPA) eine Proposition in Relation zu einem Sprechakt gesetzt. In C4.2.2.4 wird gezeigt, dass für die Beschreibung kausaler Konnektoren bzw. für die Unterscheidung zwischen einzelnen kausalen Konnektoren die Ebenen der Verknüpfung hochgradig relevant sind. Es stellt sich nun die Frage, ob dies auch für die Beschreibung konditionaler Konnektoren der Fall ist. Laut Sweetser (1990), Dancygier/ Sweetser (2005), Maché (2009) ist eine solche Unterscheidung erforderlich. In diesem Kapitel argumentieren wir aber dafür, dass die Ebenen der Verknüpfung nur bedingt für die Beschreibung konditionaler Konnektoren bzw. konditionaler Relationen im Deutschen geeignet sind. Zuerst müssen aber Probleme bei dem Sweetser’schen Ansatz diskutiert und in Bezug auf die Behandlung konditionaler Relationen an ein paar konstruierten Beispielen erläutert werden. Der Argumentation von Sweetser folgend, ergeben sich drei unterschiedliche Lesarten von Konditionalrelationen, die hier am Beispiel von wenn diskutiert werden (vgl. auch C4.1.2.4.1): (109) (110) (111)

Wenn Peter krank ist, ist er nicht in der Schule. Wenn Peter nicht in der Schule ist, ist er krank. Wenn du Hunger hast, es gibt Kekse auf dem Sideboard.

PRO EPS SPA

Sweetser (1990) beobachtet einen zentralen Unterschied zwischen diesen drei Sätzen: – In (109) kann man annehmen, dass für den Fall, dass Peter krank ist, er gewissermaßen deshalb nicht in der Schule ist, weil er krank ist. Es gibt also eine Art hypothetisch-kausalen Zusammenhang zwischen den Sachverhalten der wenn-Relation in (109). – Für das Beispiel (110) hingegen kann die hypothetische Tatsache, dass Peter nicht in der Schule ist, nicht einmal hypothetisch als Ursache dessen angese-

C4.1 Konditionale Konnektoren



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hen werden, dass er krank ist. Gleichwohl gilt, und das ist die zentrale Beobachtung von Sweetser, dass hier eine Ursache ANGENOMMEN wird, und zwar die, dass Peter krank ist. Solche Beispiele wie (110) werden der epistemischen Ebene zugeordnet. Ähnlich ist auch die Interpretation für das Beispiel (111): In einer gewöhnlichen Situation ist kaum anzunehmen, dass der Hunger einer Person bewirken kann, dass es Kekse auf dem Sideboard gibt (außer in einem Märchenszenario). Stattdessen ist der hypothetische Hunger einer Person durchaus ein – hypothetischer – Grund, ihr MITZUTEILEN, dass es Kekse auf dem Sideboard gibt.

Mit anderen Worten: Sweetser nimmt an, dass – analog zu den kausalen Relationen (vgl. C4.2) – auch die konditionalen Relationen auf drei Ebenen interpretiert werden können. Mit den Ebenen kann jeweils erklärt werden, dass der zugrundeliegende kausale Zusammenhang zwischen den Sachverhalten einer konditionalen Relation mal auf der propositionalen, mal auf der epistemischen Ebene und mal auf der Sprechaktebene stattfindet. Anders als Sweetser (1990) gehen wir in diesem Buch davon aus, dass Kausalität ein Spezialfall von Konditionalität ist und nicht umgekehrt (vgl. C4.2.2.1). Die in diesem Kapitel zugrundeliegende Analyse von Konditionalität hat keinen Bezug zu Kausalität. D. h.: „Wenn p dann q“ wird nicht als „Im hypothetischen Fall, dass p, gilt q, weil p“ interpretiert, sondern einfach: „In hypothetischen Situationen, in denen p gilt, gilt auch q.“ (Es mag von Fall zu Fall naheliegend sein, anzunehmen, dass der Grund, weshalb auch q in solchen Situationen gilt, ist, dass zwischen p und q inhärent eine Kausalrelation existiert. Aber dies ist nur ein naheliegender pragmatischer Schluss und keinesfalls Kernbestandteil der Bedeutung von Konditionalität.) Bei einer solchen Analyse ist der Unterschied zwischen den epistemischen und den propositionalen konditionalen Relationen nicht mehr nachvollziehbar: (109) und (110) sind daher propositional zu deuten, mit dem eben genannten Unterschied, dass in (109) eine kausale Zusatzannahme naheliegend ist, während dies in (110) nicht bzw. weniger naheliegend wäre, weil sie umgekehrt anzusetzen wäre: Wenn das Konsequens zutrifft, dann würde das unter Umständen bewirken, dass das Antezedens auch zutrifft. Es muss jedoch auch unter dieser Annahme erklärt werden, wie die Sprechaktkonditionalität zustande kommt: Mit dem Satz (111) wird nicht ausgesagt, dass in den Welten, in denen der Hörer Hunger hat, Kekse auf dem Sideboard sind, sondern lediglich, dass Kekse auf dem Sideboard sind, und zwar unabhängig davon, ob der Hörer Hunger hat oder nicht. Die naheliegende Interpretation ist, dass dies nur dann relevant ist, wenn der Hörer Hunger hat. Welche von diesen Analysen abstrakt korrekt ist, ist eine philosophische Frage, die für uns weniger interessant ist. Uns interessiert viel mehr die linguistische Sicht auf dieses Dilemma und daher die Frage, welche der Analysen besser geeignet ist, konditionale Relationen zu beschreiben bzw. welche der Analysen die formale Markierung von Relationen im konditionalen Bereich besser erklären kann. Mit anderen  

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Worten: Lassen sich zwei Gruppen von Konditionalrelationsmustern – formal-grammatisch gesehen – unterscheiden, nämlich für propositionale plus epistemische Relationen auf der einen Seite und Sprechaktkonditionale auf der anderen Seite, spricht dies für unsere Analyse. Lassen sich hingegen drei Gruppen von Konditionalrelationsmustern jeweils für eine Ebene feststellen, spricht dies eher für die Analyse von Sweetser (1990). Die Antwort hieraus lässt sich aus der empirischen Untersuchung in Volodina (2007, 2011a) herleiten. Dort wird an einem Korpus gesprochener Sprache untersucht, welche syntaktischen und prosodischen Eigenschaften von Konditionalrelationen in ihrer semantisch-pragmatischen Einteilung mit einer der drei Ebenen korrelieren (zur Prosodie von Relevanzkonditionalen s. auch Vandergriff 1997). Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Hinsichtlich der Realisierung von wenn-Relationen im Korpus gesprochener Sprache nach bestimmten prosodischen und syntaktischen Mustern wurde festgestellt, dass sowohl propositionale als auch epistemische konditionale wennRelationen häufiger als syntaktisch integrierte Strukturen realisiert werden, wogegen eine integrierte Stellung des internen Konnekts bei den Sprechaktkonditionalen eher untypisch ist. Außerdem weisen die ersteren (Strukturen, die propositional und epistemisch interpretiert werden können) gleiche prosodische und syntaktische Muster auf, was nicht mit der Verteilung kausaler Relationen auf denselben Ebenen der Verknüpfung übereinstimmt (vgl. die Übersicht 6, aus Volodina (2011b: 149), hier als Abb. C4.1-3).16  

Abb. C.4.1-3: Sprachliche Kodierung der Ebenen: Übereinstimmung formaler Merkmale innerhalb der Relation „+“ gleiche prosodische und syntaktische Realisierung innerhalb der Relation „–“ ungleiche prosodische und syntaktische Realisierung innerhalb der Relation

An weiteren Belegen kann exemplarisch gezeigt werden, dass die prosodische und syntaktische Realisierung einer konditionalen Relation auf der propositionalen und auf der epistemischen Ebene denselben Restriktionen unterliegt, sich darin aber von der auf der Sprechaktebene unterscheidet. Um die Unterschiede deutlicher herauszuarbeiten, werden hier satzinitiale adverbiale wenn-Sätze auf allen drei Ebenen der

16 Es handelt sich um eine Generalisierung des Korpusergebnisses aus Volodina (2011a). Dies soll nicht so interpretiert werden, dass der Faktor „syntaktische und prosodische Desintegration“ gleich eine Interpretation einer wenn-Relation als Sprechaktkonditionale sichert.

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C4.1 Konditionale Konnektoren

Verknüpfung miteinander verglichen. Bei der syntaktischen und prosodischen Einbettung des internen Konnekts in die Struktur seines externen liegt ein klarer Fall für seine Integration, anderenfalls für Desintegration (im Sinne von Reis/Wöllstein 2010) vor – wenn die Position vor dem Verb im externen Konnekt nicht mit einem Korrelat gefüllt ist. Bei der Desintegration kann das interne Konnekt als satzinitiales „Hanging Topic“ realisiert werden. Die Strukturen, die auf der Sprechaktebene verknüpfen, sind fast obligatorisch durch syntaktische Desintegration gekennzeichnet (vgl. (114)), während für die propositionalen und epistemischen wenn-Relationen die integrierte Stellung des internen Konnekts die häufigste Realisierungsmöglichkeit ist (vgl. (112) und (113)): Dies sind Belege, die für die Interpretation auf den drei Sweetser’schen Ebenen als repräsentative Muster dienen können (auf die Ausnahmen wird in C4.1.2.4.1 eingegangen): –

wenn-Relationen interpretiert auf der propositionalen Ebene:

(112a)

Wenn ein Kuscheltier verschwunden ist, machen sich die Kinder gemeinsam auf die Suche. (Braunschweiger Zeitung, 06.01.2007, o. S.) Wenn Wasser in die Ritzen eindringt, zerspringt er bei Frost. (Braunschweiger Zeitung, 11.01.2007, o. S.) Wenn es um die erste Verabredung geht, sind Männer deutlich aktiver als Frauen. (Hamburger Morgenpost, 15.01.2008, S. 1–14)  

(112b)



(112c)





wenn-Relationen interpretiert auf der epistemischen Ebene:

(113a) (113b) (113c)

Wenn die Drossel schreit, ist der Lenz nicht mehr weit. Wenn eine Amsel im Haus, so bleibt der Blitz daraus. Zieh’n die wilden Gäns’ und Enten fort, ist der Winter bald am Ort. (Quelle: http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/show card.php?id=17459&edit=0)



wenn-Relationen interpretiert auf der Sprechaktebene:

„Wenn ich ehrlich bin: Ich bin ein bißchen deprimiert. Vielleicht bin ich auch nicht hart genug und kann die Mannschaft unter den gegebenen Umständen nicht richtig trainieren“, sagt sie. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) (114a)’ #SPA: Wenn ich ehrlich bin, bin ich ein bisschen deprimiert. (114a)



Wenn du auch gerne malst: Herr Matzke hat für uns extra aufgezeichnet, wie du zum Beispiel den Jungen Pfiffer nachmalen kannst. (Nürnberger Nachrichten, 28.06.2007, o. S.) (114b)’ *Wenn du auch gerne malst, hat Herr Matzke für uns extra aufgezeichnet, wie du zum Beispiel den Jungen Pfiffer nachmalen kannst.

(114b)



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C4 Konditional basierte Konnektoren

„Wenn du meine persönliche Meinung hören willst: Die Vereinten Nationen füttern hier den Krieg“, schimpft Derek, während er seine sechssitzige Cessna von Lokichokio Richtung Südsudan steuert. (Frankfurter Rundschau, 30.07. 1999, S. 12) (114c)’ #Wenn du meine persönliche Meinung hören willst, füttern die Vereinten Nationen hier den Krieg [sonst nicht].

(114c)



Die Ergebnisse der Untersuchung eines Korpus gesprochener Sprache von Volodina (2007, 2011a) zeigen, dass die Unterscheidung von drei Ebenen für Konditionalität eher unnötig ist. Stattdessen reicht es völlig, für die konditionalen Relationen zwei Ebenen zu unterscheiden: Sprechaktkonditionale einerseits und Standardkonditionale andererseits, die sowohl Sweetsers epistemische als auch propositionale Konditionale enthalten. Die sich daraus ergebende Frage ist nun jedoch, wie lassen sich die formalen Unterschiede zwischen diesen zwei Typen von Konditionalen festhalten und erklären. Um dies zu beantworten, wird im Folgenden drei Fragen nachgegangen: (i) Gibt es Besonderheiten formaler Art, die die Unterscheidung zwischen Sprechaktkonditionalen einerseits und Standardkonditionalen andererseits nötig machen? (C4.1.2.4.1) (ii) Gibt es konditionale Konnektoren, die nur als Sprechaktkonditionale oder nur als Standardkonditionale verknüpfen? (C4.1.2.4.2) (iii) Wie kann man den semantischen Unterschied zwischen den beiden Typen – Sprechaktkonditionale vs. Standardkonditionale – erklären? (C4.1.2.4.3)

4.1.2.4.1 Formale Merkmale für die Unterscheidung zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen Die Antwort auf die Frage, ob die Korrelation zwischen den Konnektoren und den Ebenen durch die Bedeutung der Konnektoren bedingt oder aber ein „Nebenprodukt“ ihrer syntaktischen Eigenschaften ist, ist, dass letzteres zutrifft: Es gibt eine klare Korrelation zwischen der Integration bzw. Desintegration (sowohl prosodisch als auch syntaktisch) und den Ebenen (vgl. Volodina 2007, 2011a, b). Diese Korrelation spiegelt sich im Gebrauch dieser Konnektoren und Strukturen wider. Beim systematischen Vorgehen können wenn-Relationen sowohl nach den prosodischen als auch nach den syntaktischen Kriterien in Bezug auf das Vorliegen des Merkmals ±syntaktische und prosodische Integration isoliert getestet werden. (i) syntaktische Eigenschaften Im ersten Schritt werden syntaktische Eigenschaften konditionaler Relationen systematisch getestet. Als Kriterien für die syntaktische bzw. strukturelle Integriertheit adverbialer Satztypen werden in der Literatur (vgl. z. B. König/van der Auwera 1988,  

C4.1 Konditionale Konnektoren

743

Brandt 1994, Reis 1997, 2000, Reis/Wöllstein 2010) am häufigsten die folgenden drei genannt: 1. Möglichkeit der Einsetzung des Korrelats (dann oder so) im externen Konnekt; 2. Möglichkeit der Einbettung des internen Konnekts im Vorfeld; 3. Möglichkeit, im Skopus der Negation im externen Konnekt zu stehen. Bezüglich dieser drei Faktoren verhalten sich die Sätze in (109)–(111) – eingeführt in C4.1.2.4 – wie folgt: 1: Möglichkeit einer wenn-dann-Verknüpfung (109)(s-a) (110)(s-a) (111)(s-a)

Wenn Peter krank ist, dann ist er nicht in der Schule PRO Wenn Peter nicht in der Schule ist, dann ist er krank. EPS Wenn du Hunger hast, es gibt *(dann) Kekse auf dem Sideboard. SPA

2: Möglichkeit der Einbettung des internen Konnekts im Vorfeld (109)(s-b) (110)(s-b) (111)(s-b)

Wenn Peter krank ist, ist er nicht in der Schule. Wenn Peter nicht in der Schule ist, ist er krank. #Wenn du Hunger hast, gibt es Kekse auf dem Sideboard.

PRO EPS SPA

3: Möglichkeit, im Skopus der Negation im ext. Konnekt zu stehen (109)(s-c) (110)(s-c) (111)(s-c)

Es ist nicht der Fall, dass wenn Peter krank ist, er nicht da ist. Es ist nicht der Fall, dass wenn Peter nicht da ist, er krank ist. #Es ist nicht der Fall, dass wenn du hungrig bist, es Kekse gibt.

PRO EPS SPA

(ii) prosodische Eigenschaften Im zweiten Schritt werden prosodische Eigenschaften derselben Strukturen getestet. Hier werden ebenfalls drei Kriterien berücksichtigt. Diese beziehen sich auf 1. die Möglichkeit der Realisierung der Relation als eine einzige Intonationsphrase; 2. die Möglichkeit der Realisierung des Hauptakzentes in jeweils einem der Konnekte; 3. auf die Art der Realisierung des Grenztons an der syntaktischen Grenze zwischen den Konnekten. Bezüglich dieser drei Faktoren verhalten sich die Sätze in (109)–(111) wie folgt: 1: Gesamtrelation als eine einzige Intonationsphrase (IP) (109)(p-a) (110)(p-a) (111)(p-a)

[Wenn Peter krank ist, ist er nicht in der Schule]IP. [Wenn Peter nicht in der Schule ist, ist er krank.]IP [Wenn du Hunger hast]IP, [es gibt Kekse auf dem Sideboard]IP.

PRO EPS SPA

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C4 Konditional basierte Konnektoren

2: nur eine einzige Fokussierung (Fokus-Hintergrund-Gliederung) (109)(p-b) (110)(p-b) (111)(p-b)

[Wenn Peter krank ist, ist er nicht in der SCHUle]IP. [Wenn Peter nicht in der Schule ist, ist er KRANK.]IP [Wenn du HUNger hast]IP, [es gibt KEKse auf dem Sideboard]IP.

PRO EPS SPA

3: progredienter (integrierender) Tonhöhenverlauf an der syntaktischen Grenze zwischen den Konnekten  

(109)(p-c) (110)(p-c) (111)(p-c)

[Wenn Peter krank ist → ist er nicht in der SCHUle]IP. PRO EPS [Wenn Peter nicht in der Schule ist → ist er KRANK.]IP [Wenn du HUNger hast]IP, ↓ [es gibt KEKse auf dem Sideboard]IP. SPA

Das Ergebnis lässt sich wie folgt tabellarisch zusammenfassen: Tab. C4.1-1: Konditionale wenn-Relationen in Bezug auf das Kriterium ± syntaktische und prosodische Integration PRO

EPS

SPA

1 Möglichkeit einer wenn-dann-Verknüpfung

+

+



2 Möglichkeit der Einbettung des internen Konnekts im Vorfeld

+

+



3 Möglichkeit, im Skopus der Negation im ext. Konnekt zu stehen

+

+



1 Gesamtrelation als eine einzige Intonationsphrase

+

+



2 einmalige Fokussierung (Fokus-Hintergrund-Gliederung)

+

+



3 progredienter (integrierender) Tonhöhenverlauf an der syntaktischen Grenze zwischen den Konnekten

+

+



S syntaktische Eigenschaften

P prosodische Eigenschaften

Fazit: syntaktische und prosodische Integration

(115)

+



Generalisierung (für Standardfälle): Die allgemeine Regel lautet also: Wenn eine Konditionalrelation desintegriert, also in zwei Sprechakten realisiert wird, liegt eine Interpretation auf der Sprechaktebene nahe. Wenn eine Konditionalrelation integriert, also als ein Sprechakt realisiert wird, liegt eine Interpretation auf der propositionalen oder epistemischen Ebene nahe. Eine Unterscheidung zwischen PRO und EPS ist hinsichtlich des Faktors ± syntaktische und prosodische Integration nicht gegeben, daher wird für die Konditionalrelationen hinsichtlich der Ebenen der Verknüpfung eine Dichotomie angenommen: Im Weiteren wird zwischen Standardkonditionalen

C4.1 Konditionale Konnektoren

745

einerseits und Sprechaktkonditionalen andererseits unterschieden. Gleichwohl wird der semantische Unterschied zwischen einer propositionsbezogenen und einer epistemischen wenn-Relation nicht in Frage gestellt. Syntaktische und prosodische Eigenschaften konditionaler wenn-Relationen wurden zwar separat getestet, was aber nicht heißen soll, dass sie ganz unabhängig voneinander fungieren. Eine syntaktisch integrierte Relation ist meistens auch prosodisch integriert und umgekehrt. Das Zusammenspiel zwischen Syntax und Prosodie erklärt beispielsweise, warum keine prosodisch desintegrierte Verwendung von wenn … dann vorkommen kann, und es erklärt auch, warum eine wenn … dann-Struktur kein Sprechaktkonditional sein kann (vgl. auch Ebert/Endriss/Hinterwimmer 2009). (iii) Ausnahmefälle Es gibt auch einige Fälle, in denen syntaktische und prosodische Integration bzw. Desintegration nicht zusammenfallen. Das bedeutet, dass trotz syntaktischer Einbettung an der Grenze zwischen den Konnekten ein separierender Grenzton zu kennzeichnen ist oder auch eine syntaktisch desintegrierte Struktur prosodisch als eine einzige Intonationseinheit realisiert wird. Diese Fälle sind eindeutig niederfrequent, sollen hier aber trotzdem diskutiert werden: Ausnahmefall 1: Syntaktische Integration & prosodische Desintegration vs. Interpretation auf der Sprechaktebene Durch syntaktische Mittel, z. B. Nicht-Einbettung des internen Konnekts im Vorfeld, was für seine Desintegration spricht, wird oft die bevorzugte Interpretation eines Konditionalsatzes als Sprechaktkonditional signalisiert. Daraus folgt aber nicht, dass in bestimmten Fällen syntaktisch integrierte wenn-Sätze nicht eine Interpretation auf der Sprechaktebene erlauben, so auch Günthner (1999b), Pittner (2000). Als Test nehmen wir eine Struktur, die hinsichtlich ihres propositionalen Gehalts ambig ist, das heißt, sowohl eine propositionsbezogene als auch eine sprechaktbezogene Interpretation erlaubt, vgl. beide Sätze unter (116), je nachdem, ob das interne Konnekt in die Struktur des externen integriert wird oder nicht.  

(116a) (116b)

Wenn du mich fragst, helfe ich dir. PRO Wenn du mich fragst, ich finde den Film langweilig. SPA (Beispiele s. Breindl 2009: 286)

In DeReKo findet man aber auch zahlreiche Belege, die auch dann als Sprechaktkonditional interpretiert werden müssen, wenn das interne Konnekt als eine integrierte Struktur im Vorfeld realisiert wird: (117a)

„Wenn du mich fragst, haben euch eure Eltern auseinander gebracht. Sie konnten sich vermutlich nicht einigen. Und seine Eltern haben ihn beein-

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C4 Konditional basierte Konnektoren

flusst. Du musst deine Eltern zur Rede stellen und ihn auch. Selbst verlobte Paare und Eheleute trennen sich.“ (Berliner Zeitung, 30.10.2001, o. S.) (117a)’ = SPA: Wenn du mich fragst, euch haben eure Eltern auseinander gebracht.  

„Habe ich das richtig verstanden – die Nato-Angriffe der letzten Nacht sind die schlimmsten und die heftigsten bis jetzt gewesen? „Ja, ja“, antworte ich zerstreut, aber er fährt fort: „Wenn sie in den zwei Monaten immer heftiger geschossen hätten, sollte es Serbien nicht mehr geben. Wenn du mich fragst, lügt die Nato.“ (die tageszeitung, 15.06.1999, S. 19) (117b)’ = SPA: Wenn du mich fragst, die Nato lügt.

(117b)



In (117) ist trotz der Realisierung des wenn-Konnekts im Vorfeld nur eine Interpretation auf der Sprechaktebene möglich. Bemerkenswert ist, dass in solchen Fällen syntaktische Integration meist mit prosodischer Desintegration einhergeht. Eine prosodisch integrierte Stellung des wenn-Konnekts wird zu einer propositionsbezogenen Interpretation führen, die in diesen Belegen eindeutig unerwünscht ist. Hier ist der Faktor prosodische Desintegration entscheidend für die Interpretation. Ausnahmefall 2: Syntaktische Desintegration & prosodische Integration vs. Interpretation als Standardkonditional Syntaktisch desintegrierte, prosodisch aber integrierte wenn-Strukturen können propositional gedeutet werden, insbesondere dann, wenn sie kontrafaktisch sind. Konstruierte Beispiele, die diese These belegen, finden sich bei König/van der Auwera (1988). Hier sind ein paar authentische Korpus-Belege zur Illustration des Phänomens: (118)

[Mehrere Kunden stehen vor dem Kiosk und beobachten den Hund der Kioskbesitzer, während dieser eine Wurst frisst, die äußerst verdorben aussieht. In diesem Kontext sagt MM]: 246 MM: also WÖNN ich=n ordentliche hund wär ich däd=se a ned 247 MM: fresse odder ned die sieht so aus als- * als wär se 248 BB: die=sch a vum [schmitthenner] *3* 249 [Metzgerei gegenüber] 250 MM: schunn verblichen so(Beleg aus Schmitt 2008, zit. nach Volodina 2011a: 140)  

















































(119)



wenn sie=n WIRKlich n JOB hätten haben wollen; (.) sie hätten dann SCHON n=bisschen aufn PUNKT kommen müssen. (Beleg zit. nach Auer 2000: 5)

In diesen Fällen kann man nicht davon ausgehen, dass eine syntaktische Desintegration bei den kontrafaktischen Konditionalen die propositionsbezogene Interpretation

C4.1 Konditionale Konnektoren

747

blockieren kann. Nach Reis/Wöllstein (2010) handelt es sich zweifelsohne um eine markierte Struktur, die „weit seltener als die integrierte Variante und auch offenbar stärker beschränkt (ist), nämlich auf nicht-epistemische, konjunktivische Fälle“ (ebd: 127). Nicht unwesentlich ist hier auch die Verwendung von Konjunktiv II in beiden Konnekten, was unabhängig von der Syntax Abhängigkeit zwischen dem Antezedens und dem Konsequens signalisiert, so auch schon Kaufmann (1972) und König/van der Auwera (1988). Zu den pseudo-desintegrierten Strukturen gehören außerdem Linksversetzungskonstruktionen wie in (120): (120)

665 UU

eh ich glab WENN=d









666 UU: dem e kugel in de kopf gschosse hättsch * der wär der wär 667 GG  

























668 UU: widder uffgstanne  





(zit. aus Schmitt 2008: 138) Außerdem könnte man syntaktisch desintegrierte, konjunktivisch formulierte wennSätze auch als selbstständige Optativsätze analysieren, wie in (121). Das präverbale Element des zweiten Satzes wird durch eine Anapher angeschlossen, was im Übrigen auch in (118) und (119) zu beobachten ist. (121)

Mensch, wenn das jetzt klappte, das wär wirklich toll. (DGD, Freiburger Korpus, FR 124)

Die Generalisierung für die Fälle (118) und (119) lautet: Im Falle syntaktischer Desintegration eines konditionalen wenn-Satzes ist die Interpretation als Sprechaktkonditional immer dann ausgeschlossen, wenn die Abhängigkeit zwischen dem Antezedens und dem Konsequens durch Konjunktiv signalisiert wird (vgl. auch König/van der Auwera 1988: 112). Ausnahmefall 3: Syntaktische und prosodische Desintegration vs. Interpretation als (scheinbares) Standardkonditional In König/van der Auwera (1988) werden nicht-kontrafaktische wenn-Sätze diskutiert, die ebenfalls durch syntaktische Desintegration gekennzeichnet sind: (122)

Wenn ich die Bilanz der letzten Jahre zog, es blieb ein Plus. (zit. nach König/ van der Auwera 1988: 112)

Anders als in (118) und (119) werden in (122) nach König/van der Auwera (1988) beide Sätze assertiert, daher liegt auch keine Abhängigkeit zwischen dem Antezedens und

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C4 Konditional basierte Konnektoren

dem Konsequens vor. Die Tatsache, dass ‚es in Plus blieb‘, ist unabhängig davon, ob der Sprecher eine Bilanz der letzten Jahre zog oder nicht. Laut unserer Klassifikation sollte (122) nach der Analyse von König/van der Auwera (1988) auf der Sprechaktebene zu interpretieren sein. Allerdings ist eine konditionale Lesart dieses Belegs schwer zugänglich, eher liegt hier eine temporale Lesart vor. Beim Vorliegen einer syntaktisch desintegrierten Struktur ist eine Interpretation auf der Sprechaktebene zwar wahrscheinlicher, aber längst nicht zwangsläufig: wennRelationen, deren Propositionen mit jeweils eigener Fokus-Hintergrund-Gliederung realisiert sind und an der syntaktischen Grenze zwischen deren Konnekten ein separierender Grenzton festzustellen ist, können durchaus auch als Standardkonditionale interpretiert werden. (123a)

[Polizeiwarnung]: Öffnen Sie die Wohnungstür niemals sofort – legen Sie immer Sperrbügel oder Sicherheitskette an. Wenn Sie solche Sicherheitsvorkehrungen nicht haben, sprechen Sie durch die geschlossene Tür und bitten den Fremden, zu gehen. Rufen Sie beim geringsten Zweifel bei der Polizei an. Hinterlegen Sie die Telefonnummer Ihrer Polizeidienststelle unmittelbar neben dem Telefon. Wenn alleinlebende Senioren zur Ihrer Familie gehören: Besprechen Sie mit Ihren Angehörigen das Verhalten gegenüber Fremden an der Haustür. (Rhein-Zeitung, 04.02.2009, o. S.)  

(123b)

[Junge Leute berichten bei einer Gerichtsverhandlung über den Ablauf der Geschäftsübernahme von Herrn May, der ihnen das entsprechende Angebot gemacht hatte, nachdem sie den Wunsch geäußert haben, im Geschäft einzusteigen]: * u’’nd- * dann hat der herr may gesagt ja wenn sie das machen wollen ** ich such=en geeigneten nachfolger - * (Gegen Gotteslohn 3003.99a:6, zit. nach Schröder 2006:209)  

In (123) haben wir mit Relationen zu tun, die sowohl syntaktisch als auch prosodisch desintegriert sind. In (123b) liegt außerdem ein „faktischer“ Konditionalsatz vor. Fazit: „Faktische“ Konditionalsätze können syntaktisch und prosodisch desintegriert werden (vgl. auch König/van der Auwera 1988: 112). Bei der Desintegration ist ihre Interpretation auch als Standardkonditionale möglich, vgl. auch Breindl (2009: 287). Umgang mit den Ausnahmen: In (115) wurde eine Generalisierung für Standardfälle formuliert. Der Ausnahmefall 3 steht damit auf den ersten Blick im Konflikt, weil in (123) zwar zwei Sprechakte vorliegen, diese aber nicht als Sprechakt-, sondern als Standardkonditional gedeutet werden. Dieses (scheinbare) Problem kann man umgehen, wenn man zwischen der zugrundeliegenden Struktur und der Symptomatik von Sprechaktkonditionalen unterscheidet: Es ist durchaus möglich, dass zwei Sätze, die

C4.1 Konditionale Konnektoren

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man (bei einer anderen prosodischen und syntaktischer Realisierung) als Standardkonditionale deuten könnte, syntaktisch und prosodisch die Form der typischen Sprechaktkonditionale haben und deshalb auch entsprechend interpretiert werden können. Daher wird hier angenommen, dass die Ausnahmefälle in (123) keine wirklichen Ausnahmen sind, sondern durchaus auch als Sprechaktkonditionale interpretiert werden können. Die sich daraus ergebende Interpretation von (123) ist also: (123a)’ Wenn alleinlebende Senioren zur Ihrer Familie gehören (DANN EMPFEHLE ICH IHNEN): Besprechen Sie mit Ihren Angehörigen das Verhalten gegenüber Fremden an der Haustür. Festzuhalten ist also, dass man in Fällen, in denen die syntaktische und prosodische Markierung dafür spricht, inhaltlich scheinbare Standardkonditionale auch als Sprechaktkonditionale deuten kann. Das zugrundeliegende logische Schema ist: (124)

PRO: wenn p, q → SPA: wenn p, ILL (q)

Es ist offensichtlich, dass ein Sprecher, der annimmt, dass q von p abhängig ist, auch die Behauptung von q von p abhängig machen kann. Damit ist die Generalisierung von (115) nach wie vor gültig.

4.1.2.4.2 Spezifika des Gebrauchs konditionaler Konnektoren als Sprechaktkonditionale bzw. Standardkonditionale Jeder konditionale Konnektor kann im Prinzip auf allen Ebenen verknüpfen. Dennoch gibt es eindeutige Präferenzen, auf die hier kurz eingegangen wird: Wenn und falls verhalten sich bezüglich der Ebenen neutral, denn sie können sowohl als Standardkonditionale (vgl. (125)) als auch Sprechaktkonditionale (vgl. (126)) realisiert werden, von denen die meisten desintegriert sind: (125a)

Rauchen finde ich doof. Der Qualm nervt mich ziemlich. Was würdest Du so anordnen, wenn Du einmal einen Tag lang die Chefin bei Euch zu Hause wärst? (Braunschweiger Zeitung, 04.08.2007, o. S.) Falls Sie noch ein wenig Kleingeld aus dem letzten Amerika-Urlaub im Portmonee haben [rate ich Ihnen] heben Sie es gut auf. (Berliner Zeitung, 08.06.2006, S. 10) Kasper galt auch als der sichere Nachfolger Lehmanns als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, falls der Mainzer Bischof nach Ablauf seiner zweiten sechsjährigen Amtszeit im Herbst dieses Jahres für den Vorsitz nicht mehr zur Verfügung stehen würde. (Frankfurter Allgemeine, 15.03.1999, o. S.)  

(125b)



(125c)



750

(126a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sagte: „Wenn ich zusammenfassen darf: Die Rente ist ungefähr so sicher wie die Vollbeschäftigung“ (Berliner Zeitung, 11.11.1997, o. S.) Falls es geregnet hätte: Ein Händler hatte beim Ziel neben dem Magenbrot auch noch Regenmäntel im Angebot. (St. Galler Tagblatt, 30.06.1997, o. S.) Über den Kurznachrichtendienst Twitter räumte der nichtkommerzielle Sender die Attacke ein: „Falls Sie es verpasst haben: Unsere Seite ist von Hackern geknackt worden.“ (dpa, 30.05.2011, o. S.)  

(126b)



(126c)



Der Subjunktor so kommt meistens in den Sätzen vor, die als Standardkonditional zu deuten sind (vgl. (127)), die Verwendung auf der Sprachaktebene (vgl. (128)) ist zwar seltener, jedoch nicht ganz ausgeschlossen: (127)

Bemerkenswert ist, daß es zu diesem letzten Punkt in Jerabeks schriftlichem Gutachten ausführlicher heißt: „So er die Passagen nicht allein verfaßt haben sollte, ist eine zumindest maßgebliche Beteiligung des Franz Fuchs als gesichert anzusehen.“ (Oberösterreichische Nachrichten, 26.02.1999, o. S.)  

(128a)

(128b)

Hi, so es jemanden interessiert, die Musik stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Altan Urag, einer mongolischen Folk Rock Gruppe. (http://fischlis.at/forum/threads/zum-nachdenken.5893/) So jemand interessiert ist, erreicht er mich über mein Bankfach bei Brennan. (http://vbulletin.ultimaonline-freeshard.de/showthread.php?t=33156)

In (128) ist die Interpretation als Sprechaktkonditional naheliegend, was für solche floskelhaften Formulierungen wie so es jemanden interessiert, so jemand Lust und Zeit hat usw. typisch ist. Allerdings ist die Interpretation auch als Standardkonditional für den Beleg (128b) nicht ausgeschlossen. Dafür spricht die integrierte Stellung des internen Konnekts. Bei dieser Interpretation ist das Bankfach nur für diejenigen zugänglich, die daran Interesse haben. In (128a) ist die Ambiguität, die in (128b) gegeben ist, durch die syntaktisch (und auch prosodisch) desintegrierte Stellung des internen Konnekts aufgehoben. Hier ist nur die Interpretation auf der Sprechaktebene möglich. Sofern verknüpft meistens als Standardkonditional (vgl. (129)), kann aber auch – desintegriert im Vor-Vorfeld, vgl. (130))– auf der Sprechaktebene verknüpfen: (129)

Jeder kann mitmachen, sofern er eine Eintrittskarte fürs Schwimmbad hat . (Mannheimer Morgen, 24.05.2005, o. S.)  



(130a) Che & Ray alias Jean-Marc Peyer und Raymond Fein blieben denn auch nichts schuldig und brachten das Publikum in der ausverkauften Olma-Halle 5 mit ihrem virtuosen Spiel auf den Tasten problemlos auf ihre Seite. Sofern in

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C4.1 Konditionale Konnektoren

diesem Zusammenhang überhaupt von „Problemen“ gesprochen werden darf : Die beiden hatten als junge Künstler einst eine wahre Boogie-WoogieBegeisterung in der Schweiz ausgelöst. (St. Galler Tagblatt, 04.12.1998, o. S.) (130b) Vom Denken mit dem Zeichenstift Saul Steinberg, der am 15. Juni seinen 85. Geburtstag begangen hätte, ist tot. Als Künstler und Cartoonist war er ein unerreichtes Vorbild für zahlreiche Zeichner. Sofern einem Kunstkritiker irgendwelche Tugenden zugesprochen werden können : Der aus Rumänien stammende, seit 1942 in New York lebende Zeichner Saul Steinberg, der seine Arbeit als „eine Form von Kunstkritik“ betrachtete, besaß sie von A bis Z. Und zwar als „Artist’s Artist“, Satiriker, Melancholiker und Philosoph. (Die Presse, 15.05.1999, o. S.)  











Beide Belege in (130) haben eine kommentierend-einschränkende Funktion bezüglich der Proposition des externen Konnekts. In (131) liegt ein Sprechaktkonditional vor. Der sofern-Satz bezieht sich nicht auf die Proposition der Frage, sondern lediglich auf den Sprechakt selbst: (131)

Wie intensiv haben Sie die Entwicklung des ASC verfolgt? Lochmann: Da ich an den Wochenenden selbst fast immer unterwegs war, habe ich vergangene Saison nur zweimal auf der ASC-Tribüne gesessen. Aber ich kenne viele Spieler persönlich. Über sie und die Presse habe ich mich auf dem laufenden gehalten. Sofern das jetzt schon abzuschätzen ist : Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Hans Beth? (Rhein-Zeitung, 05.07.1999, o. S.)  



Komplexe Konnektoren wie im Falle, dass und unter der Bedingung, dass usw. in Voranstellung können nicht auf der Sprechaktebene verknüpfen. (132)

Angestrebt werden auch Gesetzesänderungen auf nationaler und internationaler Ebene. Im Fall, dass der EVS-Zentralverband in Zürich nicht aktiver wird, erwägt die Sektion Ostschweiz allenfalls auch eine Abspaltung. (St. Galler Tagblatt, 06.06.1998, o. S.)  

Im Beispiel (132) ist eine Interpretation auf der Sprechaktebene unwahrscheinlich. Dafür spricht sowohl die syntaktische Integration des Antezedens im Vorfeld des Konsequens, als auch der inhaltliche Zusammenhang: Die Sektion Ostschweiz erwägt eine Abspaltung genau dann, wenn der EVS-Zentralverband in Zürich nicht aktiver wird. Konditionalsätze in der Verwendung sowohl mit einem vorangestellten Korrelat als auch in der Linksversetzungsstruktur mit dann (bzw. so) können nicht auf der Sprechaktebene verknüpfen, so schon Iatridou (1991): (133a)

Ein 81 Jahre alter Terrazzoboden in der Küche erhöht nicht den Wohnwert einer Wohnung. Denn bei diesem Alter kann nicht davon ausgegangen wer 

752

C4 Konditional basierte Konnektoren

den, dass der Boden in einem guten Zustand ist, entschied das Landgericht Berlin (Az.: 65 S 472/10). Die Richter sagten: Der Fußbodenbelag könne nur dann den Wohnwert erhöhen, wenn er in einem guten Zustand sei. (RheinZeitung, 03.02.2012, S. 10) „Wir nehmen das sehr ernst und haben uns in den vergangenen Jahren immer energetisch beraten lassen.“ Ein Konzept gebe es nicht. „Das ist ein laufender Prozess. Wenn Maßnahmen an Gebäuden anstehen, dann berücksichtigen wir immer auch gleich die Energieeffizienz.“ (Braunschweiger Zeitung, 07.06.2011, o. S.)  

(133b)



„Ein Restrisiko besteht natürlich“, betont Tobler. „Die Versicherung zahlt aber auch dann, falls weitere Schäden entstehen und die Anlage erneut ausfallen sollte.“ (St. Galler Tagblatt, 09.11.2001, o. S.) (134b) Falls es Jacques Chirac am Sonntag doch noch schaffen sollte, dann würde er buchstäblich mit hängender Zunge und im allerletzten Versuch Präsident Frankreichs. (Die Presse, 06.05.1995, o. S.) (134a)





Diese Beobachtung ist deswegen interessant, weil sie zeigt, dass für Konditionalrelationen allein die potentielle Möglichkeit des Einsetzens der Proform dann bzw. so im externen Konnekt – ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Korrelatstruktur oder Linksversetzung handelt – hinreichend ist, um die Interpretation dieser Struktur als Standardkonditional zu sichern bzw. ihre Interpretation als Sprechaktkonditional auszuschließen. Daher ist die Annahme von zwei unterschiedlichen syntaktischen Funktionen von dann – als Korrelat und als Resumptivum in einer Linksversetzungsstruktur – in diesem Fall überflüssig. Dafür spricht auch die Tatsache, dass sowohl wenn … dann- als auch dann … wenn-Standardkonditionale als eine einzige prosodische Einheit ausgesprochen werden. Das gleiche prosodische Muster wurde beispielsweise im Falle kausaler deshalb/deswegen … weil-Strukturen, die immer propositional interpretiert werden, beobachtet – wie dies in Keller (1995), Pasch (1997), Günthner (1993) usw. bereits festgehalten wurde, für weitere Beispiele siehe neuere Arbeiten von Breindl (2009) und Antomo/Steinbach (2010). Sprechaktkonditionale werden dagegen typischerweise als zwei prosodische Einheiten mit einem fallenden bzw. einem stark steigenden Grenzton und/oder mit einer separierenden Pause zwischen den Konnekten realisiert (vgl. A4.4). Interessant ist auch die Beobachtung, dass syntaktisch desintegrierte V1-Konditionale auf der Sprechaktebene nicht verknüpfen können, vgl. Reis/Wöllstein (2010), Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009): (135a) (135b)

*Hast du Hunger, es gibt Kekse auf dem Sideboard. Wollte er einen Freund von der anderen Seite sehen, er müsste ihn im Ausland treffen. (Beleg zitiert nach van den Nest (2010: 104)). ≠SPA

753

C4.1 Konditionale Konnektoren

Dies ist nur dann akzeptabel, wenn der V1-Satz als vollwertige Frage gestellt wird, die mit entsprechender Intonation einhergeht: (135a)’ Hast du Hunger? (Wenn ja,) es gibt Kekse auf dem Sideboard.

SPA

Wird allerdings sollte als satzinitiales Verb verwendet, ist der Konditionalsatz auch in der Interpretation auf der Sprechaktebene grammatisch: (136)

Solltest du Hunger haben: Es gibt Kekse auf dem Sideboard.

SPA

Weitere Belege mit einem desintegrierten satzinitialen sollte-Konnekt lassen sich in DeReKo finden. Sie erlauben eine Interpretation als Sprechaktkonditional: (137)

Die Koblenz-Touristik meldet: Noch gibt es einige Chancen, an Karten zu kommen, am Hauptbahnhof und am Jesuitenplatz, Telefon: 129 1610 und 130 9211. Sollte es regnen an den Festspieltagen: Vor dem Festungsgelände steht ein Zelt für die konzertante Aufführung. (Rhein-Zeitung, 09.06.2001, o. S.)  





4.1.2.4.3 Semantischer Unterschied zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen Wie oben gezeigt, kann zwischen den Sprechakt- vs. Standardkonditionalen relativ klar unterschieden werden. Diese Unterscheidung spiegelt sich teilweise auch in der Wahl der Struktur (±integriert) (im Sinne von Reis 1997, 2000) wider. Nun ergibt sich die Frage, wie genau die semantische Charakterisierung aussieht. Die Antwort auf diese Frage wird hier von zwei Erklärungsansätzen hergeleitet – der eine ist von Sweetser (1990) und der andere von Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009). Nach Sweetser (1990) hat die Analyse von Sprechaktkonditionalen mit einem Operator für Sprechakte zu erfolgen. Der Ansatz von Sweetser wurde in A4.4 ausführlich diskutiert (vgl. auch Volodina 2011a: 157-174): (138)

wenn p, q wenn p, ILL(q)

PRO SPA

Ein anderer Ansatz wird in Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009) präsentiert: Sie nehmen an, dass Sprechaktkonditionale unabhängig von den Welten interpretiert werden, in denen das Antezedens gilt. So ergibt sich folgende Unterscheidung zwischen den Standardkonditionalen und Sprechaktkonditionalen: – Standardkonditional: In den Welten, in denen das Antezedens gilt, gilt auch das Konsequens. – Sprechaktkonditional: Wir reden über Welten, in denen das Antezedens gilt. In unserer Welt aber gilt das Konsequens.

754

C4 Konditional basierte Konnektoren

Anders gesagt: Standardkonditionale erzeugen eine Abhängigkeit zwischen dem Antezedens und dem Konsequens, Sprechaktkonditionale dagegen nicht. Sie richten die Aufmerksamkeit des Hörers auf Welten, in denen das Antezedens wahr ist und behaupten dann, dass das Konsequens (ganz unabhängig vom Antezedens) ebenfalls wahr ist und zwar in unserer Welt. (139)

Wenn du Hunger hast , es gibt noch Kekse auf dem Sideboard. Interpretation als Sprechaktkonditional: Wir reden über Welten, in denen du Hunger hast (Sprich: Ich mache dich auf die Möglichkeit aufmerksam, dass du Hunger hast). Ich sage dir, dass es Kekse auf dem Sideboard gibt.  

Diese zwei Ansätze unterscheiden sich stark voneinander: Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009) nehmen an, dass der Sprechakt des Konsequens immer gilt, wohingegen Sweetser (1990) den Sprechakt selbst abhängig von dem Antezedens macht. Die Analyse von Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009) sagt voraus, dass das Antezedens bei Sprechaktkonditionalen nur indikativisch formuliert sein kann, deswegen ist der folgende Satz ungrammatisch: (139)’

*Wenn du Hunger hättest, es gäbe noch Kekse auf dem Sideboard.

Dies folgt deshalb aus der Analyse von Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009), weil der Sprechakt in unserer Welt gelten soll, folglich kann er nicht modalisiert werden. Außerdem wird Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009) vorausgesagt, dass eine Sprechaktanalyse für kontrafaktische Konditionale selbst dann unmöglich ist, wenn eine prosodische und syntaktische Desintegration vorliegt (siehe (139)’). Zwar bezieht sich die Analyse von Ebert/Endriss/Hinterwimmer (2009) in erster Linie auf Relevanzkonditionale, die als Paradebeispiel für Sprechaktkonditionale gelten. In der einschlägigen Literatur werden aber auch weitere Typen von Sprechaktkonditionalen unterschieden (s. Günthner 1999b17, Pittner 2000). Von diesen werden im Folgenden weitere vier Typen in der Klassifikation von Pittner (2000) kurz präsentiert und an Korpusbeispielen illustriert: (i)

illokutionskraftmodifizierende Konditionale unterscheiden sich von den Relevanzkonditionalen zum einem durch ihren expliziten Bezug auf die Illokution, zum anderen dadurch, dass sie die Illokutionskraft abschwächen oder verstärken (Pittner 2000: 5):

17 Günthner (1999b) unterscheidet zwischen den folgenden drei Subtypen von Sprechaktkonditionalen, die satzinitial auftreten können: Relevanz-Konditionalkonstruktionen, metakommunikative Konditionalkonstruktionen und diskursstrukturierende Konditionalkonstruktionen. Diese überschneiden sich mit denen von Pittner (2000).

755

C4.1 Konditionale Konnektoren

(140)

Kollege Balitsch, wenn Sie erlauben , erscheint mir meine Position zum Ball etwas günstiger als die Ihre – wenn Sie also so freundlich sein würden, jetzt zur Seite zu treten und … – in der Zeit hätte selbst ein ruhiger Schweizer wie Streller das Tor dann doch gleich lieber selbst erzielt. (Nürnberger Nachrichten, 16.04.2007, o. S.)  



(ii)

einstellungskommentierende Konditionale drücken eine Sprechereinstellung aus, die teilweise mit dem Einholen einer Erlaubnis kombiniert wird (Pittner 2000: 6):

(141)

Und wenn ich ehrlich sein soll : Hannover ist und bleibt die schönste Stadt der Welt. (Hannoversche Allgemeine, 29.05.2008, S. 17)  



(iii)

formulierungskommentierende Konditionale beziehen sich auf den ganzen Satz oder auch auf einen einzelnen Ausdruck, den sie kommentieren (Pittner 2000: 7).

(142)

Vanessa Wagner ist eine richtige Motocross-Lady, wenn man das so sagen kann . (Burgenländische Volkszeitung, 24.05.2012, o. S.)  

(iv)



aufmerksamkeitssteuernde und diskursstreuende Konditionale haben vor allem die Funktion, die Aufmerksamkeit des Hörers in eine bestimmte Richtung zu lenken (Pittner 2000: 8), vgl. (143a) oder zur thematischen Strukturierung und Orientierung beizutragen, indem sie neue thematische Aspekte nennen oder alte Inhalte wiederaufgreifen, vgl. (143b):

(143a)

Auf dem Album-Cover sieht Madonna extrem obszön und unsympathisch aus. Eigentlich kann sie das nicht ernst meinen. Wenn man genau hinblickt: Auf der Gürtelschnalle steht „M-Dolla“. (Mannheimer Morgen, 25.04.2008, S. 32) (143b) Wenn man an Braunschweig denkt : Fünf Prozent der Bevölkerung sind depressiv, rein rechnerisch sind das etwa 10 000 Menschen. (Braunschweiger Zeitung, 28.03.2006, o. S.)  





4.1.3 Konditionale Konnektoren im Detail Die Aufgabe dieses Kapitels ist die Darstellung einiger essentieller semantischer Unterschiede zwischen den einzelnen konditionalen Konnektoren. Hierfür werden zunächst die wichtigsten konditionalen Subjunktoren wenn, falls, sofern und so betrachtet. Im Anschluss daran wird die Klasse konditionaler Verbzweitsatz-Einbetter untersucht. Die wichtigsten Kriterien, nach denen diese unterschieden werden, sind folgende:

756

– – – –

C4 Konditional basierte Konnektoren

Möglichkeit faktischer und kontrafaktischer Interpretation Möglichkeit temporaler Interpretation Möglichkeit der Verwendung in generischen Kontexten stilistische Unterschiede, textsortenspezifische Unterschiede

4.1.3.1 Die konditionalen Subjunktoren: wenn, falls, sofern und so In diesem ersten Teil werden die konditionalen Subjunktoren wenn, falls, sofern und so im Vergleich analysiert. Als Ausgangspunkt dienen einige Eigenschaften des zentralen konditionalen Subjunktors wenn, anschließend werden die übrigen Konnektoren teils im Vergleich zueinander, teils im Vergleich zu wenn diskutiert.

4.1.3.1.1 wenn als prototypischer Konditionalkonnektor Im Falle anderer Klassen von Konnektoren, wie zum Beispiel der Klasse der Kausalkonnektoren, ist die Frage nach einem zentralen prototypischen bzw. unmarkierten Konnektor relativ leicht zu beantworten. Alle Kriterien, nach denen dies beurteilt werden konnte, lieferten das gleiche Ergebnis: Der kausale Konnektor weil wird am häufigsten verwendet, hat auch die größte Palette syntaktischer und semantischer Verwendungen und ist zudem auf Kausalrelationen beschränkt (was viele andere Konnektoren des kausalen Bereichs nicht sind). Im Vergleich dazu ist die Frage nach einem prototypischen Konditionalkonnektor etwas schwieriger zu beantworten, denn während einige mögliche Kriterien für wenn sprechen, lassen andere beispielsweise das eindeutig konditionale falls als prototypischen konditionalen Konnektor erscheinen. Wenn man die Frage nach einem prototypischen Konditionalkonnektor als die Suche nach dem häufigsten Konditionalkonnektor versteht, dann ist eindeutig wenn der prototypische Konditionalkonnektor. Im von Volodina (2007, 2011a) untersuchten Korpus gesprochener Sprache kam wenn in konditionaler Bedeutung 366 Mal vor, wohingegen etwa für falls nur drei Belege vorlagen. Die übrigen konditionalen Konnektoren waren noch seltener. In den Korpora geschriebener Sprache ist das Verhältnis im Allgemeinen vergleichbar: ca. 2,5 Millionen Vorkommnisse von wenn gegen lediglich ca. 70.000 Vorkommnisse von falls in DeReKo. Zwar sind hierbei nicht nur die konditionalen Verwendungen von wenn erfasst, aber das Verhältnis ist auch so mehr als deutlich. Ebenfalls für wenn spricht die Beobachtung, dass wenn in allen semantischen und syntaktischen Varianten von konnektoral ausgedrückter Konditionalität vorkommen kann (was wiederum seine Häufigkeit zum Teil erklärt). Ebenso kann wenn in „faktischer“ Verwendung vorkommen, falls aber nicht.  

C4.1 Konditionale Konnektoren

757

(144a) (Max zu Moritz, der gerade anwesend ist): (a) Wenn du nun mal wieder hier bist, lass uns doch Schach spielen! (b) ?Falls du nun mal wieder hier bist, lass uns doch Schach spielen! Dazu auch ein Korpusbeleg aus DeReKo: (144b) Wenn ich schon einmal bei diesem Thema bin: Von der FDP war da übrigens auch nichts zu sehen, obwohl sie ja eine sehr deutlich andere Meinung als die CDU hatte. (Mannheimer Morgen, 05.10.1999, o. S.)  

Für falls spricht andererseits, dass falls im Gegensatz zu wenn nur klare konditionale Verwendungen erlaubt. So kann wenn – aber nicht falls – in Kombination mit anderen Konnektoren beispielsweise Irrelevanzkonditionalität ausdrücken (selbst wenn aber nicht *selbst falls) oder reine temporale Lesarten haben, wie etwa immer wenn (aber nicht *immer falls). Daher wäre aus den oben genannten Gründen naheliegender, das eindeutig konditionale falls als prototypischen Konditionalkonnektor zu wählen. Hier wird die These vertreten, dass wenn dennoch als zentraler Konditionalkonnektor anzusehen ist. Dafür spricht sowohl die Häufigkeit des Vorkommens von wenn im Vergleich zu falls und sofern als auch seine syntaktische und semantische Vielfältigkeit. Eine naheliegende Erklärung für die Tatsache, dass wenn auch in nichtkonditionalen Verwendungen vorkommt, ist nämlich die, dass diese Verwendungen mit Konditionalität teils verwandt sind, teils aber die Verwendungen aus einer konditionalen Grundbedeutung (sogar auch unabhängig von der Etymologie von wenn) abgeleitet werden können. So wird beispielsweise argumentiert, dass die temporale Verwendung von wenn darauf zurückzuführen ist, dass wenn nicht nur über mögliche Welten quantifiziert, sondern auch über Zeitpunkte, die jeweils unter dem Sammelbegriff der Situationen eine natürliche Klasse bilden (vgl. z. B. Ginzburg/Sag 2000). Zudem werden irrelevanzkonditionale Interpretationen kompositional aus dem Bedeutungsbeitrag von wenn und der zusätzlichen Partikel auch oder selbst gewonnen, d. h. wir müssen, streng genommen, nicht von einer Polysemie von wenn ausgehen. Aufgrund dieser Überlegungen wird im Weiteren wenn als der zentrale konditionale Konnektor behandelt. Die Bedeutungsbeiträge anderer Konnektoren werden hauptsächlich von seiner Bedeutung abgegrenzt.  



4.1.3.1.2 Konditionales Trio: wenn vs. falls vs. sofern Wie schon oben ausgeführt, unterscheidet sich wenn von falls und sofern dadurch, dass nur wenn nicht nur konditionale Relationen zum Ausdruck bringen kann. Weitere Unterschiede zwischen diesen Konnektoren sind schwer zu isolieren. Daher wäre anzunehmen, dass diese drei Konnektoren im Großen und Ganzen austauschbar sind, wenn sie konditional verwendet werden.

758

C4 Konditional basierte Konnektoren

Man hält normalerweise eine Armlänge Abstand. Falls der Gesprächspartner zu nahe kommt, gehe ich einen Schritt zur Seite. (Nürnberger Nachrichten, 18.06.2001, S. 9) (145b) Wenn der Gesprächspartner zu nahe kommt, gehe ich einen Schritt zur Seite. (145c) Sofern der Gesprächspartner zu nahe kommt, gehe ich einen Schritt zur Seite. (145a)



Tatsächlich werden wenn, falls und sofern, wie die Belege (hier zit. aus A3.4) unten zeigen, in vielen Kontexten synonym gebraucht: (146)

Grundsätzlich dürfe man niemanden verletzen, auch Notwehr erfülle den Straftatbestand der Körperverletzung, machte der Rechtsanwalt klar. Allerdings werde die Körperverletzung unter gewissen Voraussetzungen entschuldigt: sofern eine Gefahr besteht, wenn der Angriff auf die Person widerrechtlich ist, falls der Angriff unmittelbar bevorsteht und sofern die Notwehr verhältnismässig ist. (St. Galler Tagblatt, 17.07.2001, o. S.) Ihre fliegenden Klamottenläden sind in Windeseile zusammengepackt, falls die Polizei kommt, ihre wenigen Habseligkeiten lassen sie zur Not zurück, wenn nachts eine Razzia stattfindet. (die tageszeitung, 13.12.1990, S. 13)  

(147)



Ganz anders dagegen sieht es dann aus, wenn die Konnektoren selbst in eine syntagmatische Relation gebracht werden, die gerade Kontrast in der Bedeutung voraussetzt: (148)

Reagan machte Kohl bei einer ersten Unterredung in Washington deutlich, daß er tatsächlich mit Abkommen rechne: „Wenn die nächste Vereinbarung mit der Sowjetunion schließlich erreicht ist, und ich sage wenn, nicht falls“, sei dies nicht westlicher Schwäche, sondern Stärke und Solidarität zuzuschreiben. (die tageszeitung, 22.10.1986, S. 2)  

Die Frage ist nun also, wie man diese bewussten Abgrenzungen seitens der Sprecher erklären kann, wenn man davon ausgeht, dass innerhalb des konditionalen Bereichs wenn, falls und sofern sich semantisch nicht unterscheiden. In diesem Kapitel wird die These vertreten, dass der Verwendungsunterschied zwischen diesen Konnektoren hauptsächlich pragmatischer Natur ist: Da wenn nicht nur rein konditionale Verwendungen erlaubt, können Sprecher durch die bewusste Kontrastierung von wenn und beispielsweise falls zum Ausdruck bringen, dass sie nur den eingeschränkten Bedeutungsbereich von falls meinen, und nicht den erweiterten Bereich von wenn. Für das Beispiel (148) heißt dies, dass der Sprecher sich durch falls, das eine faktische oder temporale Interpretation ausschließt, darauf indirekt festlegen würde, dass er es für möglich hält, dass die nächste Vereinbarung mit der Sowjetunion niemals erreicht wird. Um diese Implikatur zu vermeiden, kann man ganz bewusst wenn wählen, das faktische und temporale Lesarten nicht ausschließt.

C4.1 Konditionale Konnektoren

759

Zwischen falls und sofern scheint bedingt durch die unterschiedliche Grammatikalisierungsgeschichte ein subtiler, wahrscheinlich pragmatischer Unterschied zu existieren, der jedoch nur noch in Form von Präferenzen nachweisbar ist: sofern wird eher zur Relativierung von Sprechakten verwendet, wohingegen falls eher Möglichkeiten zum Ausdruck bringt, von denen Propositionen abhängen. Daher ist sofern weniger kompatibel mit Lesarten, in denen es sich im Skopus von Operatoren befindet. Dies lässt sich beispielsweise durch Bindungstests nachweisen, wie in (149) gezeigt: (149a) Jederi bekommt ein Auto geschenkt, falls eri/j Glück hat. (149b) Jederi bekommt ein Auto geschenkt, sofern er#i/j Glück hat. Sowohl Satz (149a) als auch (149b) sind grammatisch, allerdings haben sie unterschiedliche Lesarten. Während das (149a)-Beispiel generell eher zur Beschreibung einer Situation geeignet ist, in der es darum geht, dass jeder, der Glück hat, ein Auto geschenkt bekommt, ist das (149b)-Beispiel eher zur Beschreibung von Situationen geeignet, in denen es eine Person gibt, deren Glück dafür sorgt, dass jeder aus einer bestimmten Gruppe ein Auto geschenkt bekommt. Der Satz (149a) könnte in einem Kontext geäußert werden, in dem zehn Teilnehmer einer Quizsendung gerade die Regeln erklärt bekommen. Wenn jemand von ihnen Glück hat (z. B. bei der Wahl einer leichten Quiz-Frage), bekommt er ein Auto. In der Bindungslesart muss das Pronomen er von dem Quantor jeder abhängig interpretiert werden. Das (149b)-Beispiel hingegen könnte zum Beispiel von jemandem geäußert werden, der den Freunden eines QuizTeilnehmers in einer Fernsehshow, der gerade bei der Millionenfrage angekommen ist, die Absichten dieser Person erklärt: Wenn er, also der Teilnehmer, Glück hat und gewinnt, schenkt er jedem seiner Freunde ein Auto. In dieser Lesart wird das Pronomen er aber unabhängig vom Quantor jeder interpretiert. Einen anderen Hinweis auf diesen subtilen Bedeutungsunterschied liefert die Korpusstatistik aus DeReKo. In Tab. C4.1-2 werden die absoluten Trefferzahlen und die relative Häufigkeit für die Vorkommnisse von falls und sofern präsentiert. Die Idee dabei ist, dass die groß geschriebenen Vorkommnisse jeweils für die Anteposition und die klein geschriebenen für andere Positionen, natürlich insbesondere für die Postposition stehen. Das Ergebnis zeigt, dass falls viel häufiger in der Anteposition als in anderen Positionen vorkommt, während sofern die Anteposition nicht vorzieht.18  

18 Bei dieser Korpusauswertung werden auch Linksversetzungsvarianten unter „anteponierten“ Strukturen gezählt.

760

C4 Konditional basierte Konnektoren

Tab. C4.1-2: Verteilung von ante- und postponierten falls- und sofern-Belegen in DeReKo Falls (ante)

falls

Sofern (ante)

sofern

absolut

50.662

67.675

7.538

34.995

relativ

42%

58%

18%

82%

100%

100%

Das Problem dieser groben, pauschalen Korpusauswertung nach den präferierten Stellungsmöglichkeiten von falls und sofern ist allerdings, dass es im Zeitungskorpus durchaus auch Belege gibt, in denen ein Konnekt im Nachfeld steht und trotzdem als neuer Satz groß geschrieben wird. Deshalb wurde die erste grobe Auswertung mit einer feineren Analyse von jeweils 200 zufälligen Belegen aus DeReKo ergänzt, die per Hand erfolgte. Die Ergebnisse werden in zwei Schritten präsentiert. In Tab. C4.1-3 werden in einem ersten Schritt die Vorkommen in Anteposition (zusammengefasst aus VVF = Vor-Vorfeld, VF = Vorfeld, LV = Linksversetzung) und die sonstigen Vorkommen (zusammengefasst aus P = Parenthese, NF = Nachfeld) verglichen.19  

Tab. C4.1-3: Verteilung von ante- und postponierten falls- und sofern-Belegen (Stichprobe aus DeReKo je 200 Belege pro Konnektor) Falls (ante)

falls (sonstige)

Sofern (ante)

sofern (sonstige)

absolut

86

114

29

171

relativ

43%

57%

14,5%

85,5%

100%

100%

Die Ergebnisse der feinen (manuellen) Auswertung der 200 Zufallsbelege zeigen ganz deutlich, dass die Gesamtauswertung (vgl. Tab. C4.1-2) durchaus brauchbare Inferenzen zulässt. Die Vorkommen für falls und für sofern in der Anteposition sind etwa gleich häufig wie in der Gesamtauswertung. Die minimal geringere Häufigkeit geht auf die oben beschriebene Fehlerquelle oder auf die natürliche statistische Streuung zurück. Damit ist nachgewiesen, dass sofern im Vergleich zu falls deutlich seltener satzinitial verwendet wird. Diese Tendenzen lassen die starke Annahme zu, dass sofern eher zur Relativierung von Sprechakten verwendet wird, was eingebettet im Vorfeld nicht zu erwarten wäre. Dennoch kommt sofern häufig genug auch in Anteposition vor, was dafür spricht, dass sich diese Kontraste lediglich auf Präferenzen und nicht auf die Kernsemantik des Konnektors sofern beziehen.

19 In Abb. C4.1-4 wird dieses Ergebnis differenzierter und im Vergleich zu wenn präsentiert.

C4.1 Konditionale Konnektoren

761

Weitere Hinweise für den besagten Unterschied zwischen falls und sofern in den Präferenzen ergeben sich daraus, dass sofern in Fragen generell weniger häufig vorkommt ((161a) vs. (161b)) und dass sofern in der sogenannten epistemischen Verwendung auch kaum belegt ist. Dies liegt daran, dass in epistemischen Verwendungen keine Relativierung von Propositionen zu erwarten ist. Und schließlich deutet auch die Tatsache, dass falls auch in solchen Strukturen wie in (150a) vorkommt, sofern aber nicht, darauf hin, dass sich die unterschiedliche Grammatikalisierungsgeschichte immer noch in den Verwendungspräferenzen niederschlägt: (150a) Falls er kommt, gehen wir, falls er geht, gehen wir nicht. (150b) ??Sofern er kommt, gehen wir, sofern er geht, gehen wir nicht. Nur falls ist für die Aufzählung von Fällen geeignet und erinnert damit an den gleichbedeutenden komplexen Subjunktor im Falle, dass: (151a)

Falls Ihr die Eigennominierung bevorzugt, gut, falls nicht, schreibe ich gern die Laudatio. (Diskussion: Salvador Dalí/Archiv, o. S.) ?Sofern Ihr die Eigennominierung bevorzugt, gut, sofern nicht, schreibe ich gern die Laudatio.  

(151b)

Bemerkenswert ist, dass falls und sofern trotz der gleichen Semantik bedingt durch ihre unterschiedliche Grammatikalisierung und positionsbezogene Präferenzunterschiede immer noch als zwei verschiedene Lexeme zur Verfügung stehen. Falls wird präferiert zur Ausdifferenzierung einer Möglichkeit (= eines Falles) verwendet, wohingegen sofern eher zur Relativierung von Sprechakten verwendet wird. Im Folgenden wird das detailliertere Ergebnis der manuellen Auswertung der jeweils 200 Zufallsbelege für falls und sofern im Vergleich zu 200 Belegen von rein konditionalen Verwendungen von wenn präsentiert.20

20 Die Abkürzungen stehen für: VVF = Vor-Vorfeld (nur syntaktisch desintegrierte Strukturen), VF = Vorfeld, LK = Linksversetzung, NF = Nachfeld und P = parenthetisch eingeschoben; A für absolute Zahlen, % für relative.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Abb. C4.1-4: Stellungsvarianten von (konditionalen) wenn-, falls- und sofern-Belegen (Stichprobe aus DeReKo je 200 Belege pro Konnektor)

Deutlich wird aus dem Vergleich, dass die Distribution von wenn und falls auffallend ähnlich ist, während sofern sich von ihnen stark unterscheidet. Zum einen kommt sofern seltener anteponiert vor, zum anderen kommt sofern viel häufiger als parenthetischer Einschub und im Nachfeld als die anderen zwei konditionale Konnektoren, was wiederum dafür spricht, dass sofern häufig dazu verwendet wird, Aussagen zu relativieren. (152a)

Immer mehr seiner Kollegen ließen sich in Ärztehäusern nieder und benötigten dafür – sofern sie nicht schon eine eigene Praxis haben – eine Zulassungsnummer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). (Nürnberger Nachrichten, 25.01.2006, o. S.) Die Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) sollen nach dem Willen des Vorstands von einer Anstalt öffentlichen Rechts in eine AG umgewandelt werden. Die Fraktionschefs von CDU und SPD, Klaus Landowsky und Klaus Böger, bezeichneten solche Pläne gestern allerdings als verfrüht, sofern sie überhaupt sinnvoll seien. (die tageszeitung, 20.03.1998, S. 29)  

(152b)



In den nächsten Abschnitten wird die Hypothese untersucht, dass der Kernunterschied zwischen wenn und den anderen beiden wichtigen Subjunktoren – falls und

C4.1 Konditionale Konnektoren

763

sofern – darauf zurückzuführen ist, dass wenn auch andere Lesarten als nur konditionale aufweist. Um dies zu erreichen, wird zunächst diskutiert, inwieweit die Möglichkeit von temporalen Verwendungen von wenn zu Bedeutungskontrasten führt. Danach wird untersucht, inwiefern die Möglichkeit der „faktischen“ Verwendung von wenn für Bedeutungskontraste ausgebeutet werden kann. (Als Hintergrund für die entsprechenden Ausführungen vgl. auch C1.3.1.6, wo auch Disambiguierungsmerkmale einzelner Lesarten diskutiert werden.) Bevor diese zwei Aspekte aber diskutiert werden können, wird an dieser Stelle auf einen eigentümlichen und bis dato unverstanden Kontrast hingewiesen: wenn erlaubt Linksversetzung mit dann und so, wohingegen falls deutlich seltener und sofern sehr marginal in diesen Konstruktionen belegt ist. Zur Illustration einige Korpusbelege: (153a)

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, schlug im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montag) einen Kompromiss vor: „Ich plädiere dafür, das auf drei Jahre zu befristen und mit einer Überprüfungsklausel zu versehen.“ Falls es sich bei Becks Verlängerungsvorschlag nicht nur um „eine geringfügige Korrektur, sondern um einen Kurswechsel handeln sollte, dann hielte ich das für ganz falsch“. (dpa, 07.10.2007, o. S.) „Die Wahlen diesmal sind historisch“, mahnt der Reformer. „Es bedarf eines starken nationalen Willens, den politischen Status quo ein für alle Mal zu beenden.“ Falls es zu einem Wechsel kommen sollte, dann stünde der nächste Präsident vor riesigen Aufgaben. (dpa, 04.12.2008, o. S.)  

(153b)



Darüber hinaus mahnt der General, „nicht von vornherein bestimmte Optionen (wie Bodentruppen) auszuschließen. Sofern kein Konsens darüber besteht, dann ist das noch lange kein Grund, es auch dem Gegner zu sagen“. (Nürnberger Nachrichten, 19.10.1999, S. 4) (154b) Sofern man Benedikt XVI keine bewusste Intoleranz vorwerfen möchte, so scheint er doch erhebliche Wissensdefizite in Bezug auf die islamische Lehre zu haben (Hamburger Morgenpost, 16.09.2006, S. 5)

(154a)





Für diesen Kontrast kann hier keine Erklärung angeboten werden. Als Hinweis steht fest, dass die Erklärung nicht die Präferenz für bestimmte Ebenen der Verknüpfung (vgl. A4.4) sein kann. Dafür müssen möglicherweise andere, zusätzliche pragmatische Eigenschaften verantwortlich sein, die aus den semantischen Eigenschaften dieser Konnektoren folgen, die jedoch im Moment in der Literatur nicht präzise genug beschrieben sind, damit klare Voraussagen über diese Distributionsdaten möglich wären.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

4.1.3.1.3 Temporales wenn, aber kein temporales falls und sofern Es ist allgemein bekannt, dass wenn neben der konditionalen Bedeutung auch noch eine temporale Interpretation erlaubt (s. C1.3.1.6; dort werden u. a. Merkmale besprochen, mit deren Hilfe temporale und konditionale Lesarten voneinander unterschieden werden können). An dieser Stelle wird zunächst als Ergänzung zum Exkurs in C1.3.1.6 die Beziehung zwischen temporalen und konditionalen Lesarten thematisiert, mit dem hauptsächlichen Ziel, den Bedeutungskontrast zwischen wenn, falls und sofern deutlich machen zu können. Anschließend wird die konversationelle Implikatur, die dem Kontrast zugrunde liegt, ausgearbeitet. Wie bereits oben diskutiert, wird in diesem Kapitel davon ausgegangen, dass sich die Bedeutung von Konditionalrelationen als Quantifikation über mögliche Welten darstellen lässt:  

KOND (p, q) lässt sich so verstehen, dass der Sprecher mögliche Welten, in denen p und q gelten, für mit seinem Wissen eher vereinbar hält, als mögliche Welten, in denen p zwar gilt, q aber nicht.

Man kann davon ausgehen, dass diese Kernsemantik sowohl für wenn als auch für falls und sofern gilt (vgl. auch Definition der Konditionalrelation in C4.1.2.3.). Temporalrelationen sind nun Konditionalrelationen insofern ähnlich, als dass man sie analog zu Konditionalrelationen beschreiben kann. Allerdings wird hier, bei den Temporalrelationen, nicht mehr – wie bei den Konditionalrelationen – von möglichen Welten, sondern von Zeitpunkten (bzw. Zeitintervallen) gesprochen. WENNTEMP(p, q) lässt sich so verstehen, dass der Sprecher es für mit seinem Wissen vereinbar hält, dass das Zeitintervall von q in etwa mit dem Zeitintervall von p zusammenfällt, insbesondere legt sich der Sprecher darauf fest, dass es nicht sein kann, dass zum Zeitpunkt von p q nicht stattfindet.

Die Verwandtschaft zu den konditionalen Relationen besteht auch darin, dass sich der Sprecher bei der temporalen Relation nicht festlegt, dass p zu irgendeinem Zeitpunkt stattfindet. Dies mag aus dem Kontext erschließbar sein, hängt aber nicht mit der Verwendung von wenn zusammen. Falls nun offen ist, dass p stattfindet, kann man auch sagen, dass p nur in einer möglichen Welt stattfindet, womit wir genau eine konditionale Interpretation haben. (155)

Ich rufe dich an, wenn du wieder da bist. (a) Rein KOND: Welten, in denen du wieder da bist, sind Welten, in denen ich dich anrufe. (b) Rein TEMP: Zeitpunkte, zu denen du wieder da bist, sind Zeitpunkte, zu denen ich dich anrufe. (c) Offenheit: Es ist ja möglich, dass du nicht wieder da bist. (Außer wir wissen aus dem Kontext, dass du sicher wieder da sein wirst.)

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Eher konditional gelesen wird ein wenn-Satz dann, wenn man nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass p stattfindet. Ein klarer Beleg hierfür ist, dass selbst immer wenn ambig zwischen einer faktisch-temporalen und einer möglicherweise generischen konditionalen Interpretation ist: (156)

(157)

Immer wenn Eric ins Büro kommt, geht Maria. (a) Für den Fall, dass Eric ins Büro kommt, gilt, dass Maria geht. (möglicherweise eher KOND) Maria geht immer, wenn Eric ins Büro kommt. (a) Der Zeitpunkt, an dem Maria geht, ist immer der, an dem Eric ins Büro kommt. (eher TEMP)

Ob nun eine Verwendung von wenn eher temporal oder eher konditional ist (zur Disambiguierung siehe Fabricius-Hansen/Sæbø (1983), Volodina (2006) sowie Exkurs in C1.3.1.6), ist zwar eine interessante Frage vor dem Hintergrund der obigen Diskussion, es ist es aber kein Fall von echter Polysemie: Wenn man nur wenn verwendet, liegt es am Kontext (faktisch, erwartbar etc.), an der grammatischen Struktur (z. B. Modus) und am Inhalt der Konnekte (faktisch vs. nonfaktisch, generisch vs. spezifisch), ob die Relation eher temporal oder konditional interpretiert wird. In den meisten Fällen, in denen diese Unterscheidung relevant ist, wird beiden Diskursteilnehmern (Hörer und Sprecher) deutlich genug, welche der Lesarten eher gemeint ist. In Fällen, in denen es zu Missverständnissen kommen könnte, hat der Sprecher auch die Möglichkeit, die rein konditionale Lesart zu verstärken, indem er falls statt wenn wählt. Wie schon erwähnt, kann falls im Unterschied zu wenn nur konditional gelesen werden, d. h. falls kann niemals über Zeitpunkte quantifizieren. Falls beschreibt, wie bereits oben erwähnt, eine Möglichkeit, die entweder noch eintreten könnte, oder hätte eintreten können (im Fall der kontrafaktischen Konditionale). Es liegt aber nicht an der Semantik von falls, dass es unsicher ist, ob diese Möglichkeit eintritt oder nicht. Die Frage ist nun, wieso man Ausdrücke wie falls und nicht wenn bzw. wenn und nicht falls verwenden kann (vgl. (146)–(148)). Die Erklärung hierfür ist, dass falls eine eingeschränktere Bedeutung hat als wenn. Durch die Betonung von falls erreicht der Sprecher, dass der Hörer versteht, dass er ausdrücklich nicht wenn gewählt hat. Dazu muss es aber einen Grund geben und dieser Grund liegt offenbar in einem Bedeutungsaspekt von wenn, den falls nicht hat. Dieser ist die Quantifikation über Zeitpunkte. Durch die Betonung von falls wird dadurch unterstrichen, dass es darum geht, ob der beschriebene Sachverhalt eintritt oder nicht, und nicht darum, wann er eintritt: Der Zeitpunkt ist irrelevant.21  



21 Die Idee, dass wenn in Sätzen vorkommen kann, in denen über Zeitpunkte quantifiziert wird, impliziert aber nicht, dass wenn nur eine generisch-temporale Verwendung hat. In einem Satz wie „Ich

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Ein wichtiger Aspekt bei dieser Überlegung ist, dass falls, wie oben gezeigt, viel seltener verwendet wird als wenn. Nur aufgrund dieser Tatsache kann die Implikatur von falls in der Regel abgeleitet werden, dass es sich explizit nicht um eine temporale Relation handelt. Obwohl genau die gleiche Überlegung anstelle von falls auch sofern betreffen könnte, ist es empirisch noch seltener belegt, dass sofern mit wenn kontrastiert wird. Dies liegt aber nicht notwendigerweise an der Semantik von sofern, sondern an der oben genannten Präferenz, dass sofern eher Sachverhalte relativiert als Fälle bzw. Möglichkeiten beschreibt, in denen ein Sachverhalt stattfindet. Relativieren kann man eine Aussage aber nur mit einem Sachverhalt, von dem man im Kontext bereits weiß, dass er nicht sicher ist. SOFERN(p, q) garantiert also, dass p im Kontext bereits als unsicher bekannt ist. Wir wissen aber, dass in einem solchen Kontext auch WENN(p, q) ganz ähnlich interpretiert wird: Wenn p nicht sicher ist, dann ist wenn (p, q) genau das gleiche wie sofern(p, q). Deshalb ist ein Kontrast zwischen wenn und sofern nicht zu erwarten: Bei falls ist ein solcher Kontrast hingegen möglich, da der Kontext typischerweise nichts über die Sicherheit des Antezedens (p) aussagt.

4.1.3.1.4 ‚Faktisches‘ wenn, aber kein ‚faktisches‘ falls und sofern Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen dem Verwendungsspektrum von wenn und falls bzw. sofern ist, dass wenn in „faktischen“ Konditionalen vorkommen kann. Diese Option haben weder falls noch sofern. Nur wenn wird bei Vorliegen von anderen faktischen (z. B. bei kausalen und konzessiven) oder semifaktischen (bei irrelevanzkonditionalen) Relationen verwendet (konzessives wenn auch, wenngleich; irrelevanzkonditionales auch wenn, selbst wenn).  

(158)

Kannst du mir bitte beim Aufräumen helfen, wenn du schon da bist?

Ein entscheidender Unterschied im Vergleich zu den temporalen Verwendungen von wenn ist, dass es nicht möglich ist, durch die Wahl von falls statt wenn explizit zu verdeutlichen, dass der Sachverhalt nicht faktisch zu interpretieren ist. (158a)

Kannst du mir bitte beim Aufräumen helfen, ??falls du (wirklich) schon da bist? (158b) Kannst du mir bitte beim Aufräumen helfen, ??falls und nicht wenn du schon da bist?

koche die Spaghetti erst dann, wenn du da bist, also um fünf Uhr“ liegt zwar ein temporaler Bezug von wenn vor, aber keine Universalquantifikation. (Diesen Hinweis, wie viele andere in diesem Kapitel, verdanken wir Gisela Zifonun.)

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Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung ist, dass sich die Faktizität eines Sachverhalts zwingend aus dem Kontext ergeben muss: Es ist kein eigenständiger Bedeutungsbeitrag von wenn, dass das Antezedens faktisch sein kann, daher kann es auch nicht kontrastiert werden (vgl. Anmerkung zur Faktizitätsinterpretation von wenn-Sätzen in HDK-1: 28). Wichtig ist an dieser Stelle zu bemerken, dass falls und sofern kontrafaktische Lesarten ebenfalls nicht erlauben. Es scheint daher eine Präsupposition im Falle dieser beiden Konnektoren zu geben, dass der Sachverhalt des Antezedens im Bereich der Möglichkeit liegt und weder eindeutig wahr noch eindeutig falsch ist.

4.1.3.1.5 Die Verwendung von wenn, falls und sofern mit Sprechaktbezug Ein interessanter Unterschied zwischen den drei Konnektoren wenn, falls und sofern ist, dass von diesen nur wenn und falls in Fragesätzen vorkommen können, nicht jedoch sofern (161). Bei dieser Generalisierung geht es um die Verwendung von Konnektoren zum Aufbau des propositionalen Gehaltes von Fragen und nicht um die Verwendung auf der Sprechaktebene. Es geht also in erster Linie um Strukturen mit prosodisch integrierten Nebensätzen wie in (159): (159a)

Kommt Schadenfreude auf, wenn man die Probleme bei Ferrari sieht? (Tiroler Tageszeitung, 28.02.1996, o. S.) Schläft mein Schatten, wenn ich schlaf’? (Songtext, gesungen von Hildegard Knef)  

(159b)

Diese unterscheiden sich von der sprechaktbezogenen, prosodisch desintegrierten Verwendung (160) von wenn, falls und sofern deutlich: (160)

Kommst du zu Tisch? Wenn/Falls/Sofern du Hunger hast.

In (160) wird eine Frage realisiert, deren Geltungsbereich vom Sprecher durch die Verwendung eines wenn-, falls- oder sofern-Satzes direkt im Anschluss, wie für Sprechaktkonditionale üblich, auf Situationen eingeschränkt wird, in denen der Hörer Hunger hat. Anderenfalls wäre die Frage irrelevant. Die Lesart aber, die hier von Interesse ist, ist diejenige, in der es in der Frage darum geht, ob der Hörer genau in dem Fall kommt, wenn er Hunger hat. Eine Beispielsituation dürfte dies verdeutlichen. Wie in (160) kann eine Person, die gerade das Essen zubereitet hat, jemanden fragen, ob er zu Tisch kommen mag. Die Fragende geht ursprünglich davon aus, dass der Angesprochene Hunger hat. Die Einschränkung besagt dann: Wenn der Angesprochene keinen Hunger hat, kann er die Frage einfach ignorieren. Eine andere Situation ergibt sich dann, wenn die Fragende bereits weiß, dass der Angesprochene nicht kommen wird, wenn er müde ist, bzw. dass er nicht kommen

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wird, wenn er Durst hat. Nun muss noch geklärt werden, ob er kommen würde, wenn er Hunger hat. In einer solchen Situation kann aber nach dem Muster in (161) gefragt werden: (161a) (161b)

Kommst du, wenn/falls du Hunger hast? ??Kommst du, sofern du Hunger hast?

In (161) werden die entsprechenden Fragen als eine einzige Intonationseinheit realisiert, was eindeutig als Signal für eine propositionale Lesart der Relation angesehen werden kann. In dieser Situation und als prosodisch-integriert realisiert, ist der sofern-Satz in (161b) nicht akzeptabel. Ganz analog lässt sich zeigen, dass sofern auch in Befehlen, Bitten und sonstigen Sprechakten nicht integriert vorkommen kann. Abschließend lässt sich bemerken, dass sofern mit Sprechaktbezug im Vergleich zu wenn immer noch stark markiert ist, auch wenn in (160) gezeigt wurde, dass diese Verwendung von sofern möglich ist. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass dies den stilistischen Besonderheiten von sofern zu verdanken ist.

4.1.3.1.6 sofern vs. soweit An dieser Stelle wird der Vergleich zwischen den Konnektoren sofern und soweit vorgestellt. Zwar kommt der Konnektor soweit nicht in der Liste der streng konditionalen Konnektoren (s. C4.1.1) vor, es wird aber gezeigt, dass es soweit-Verwendungen gibt, in denen eine konditionale Interpretation dieses Konnektors durchaus möglich ist.22 Der Bedeutungsbeitrag des Konnektors sofern wurde bereits im Rahmen der allgemeinen Bestimmung der Bedeutung von Konditionalkonnektoren verdeutlicht (vgl. C4.1.3.1.2 ff. zu wenn, falls und sofern). An dieser Stelle wird, um den Vergleich zwischen der Bedeutung der beiden Konnektoren zu erleichtern, eine etwas andere Formulierung dieses Bedeutungsbeitrags gegeben. Diese Formulierung ist aber im Wesentlichen inhaltsidentisch mit p, sofern q = wenn q wahr ist, ist p auch wahr:  

p, sofern q = p ist mindestens in dem Maße wahr, zu dem q wahr ist. Wenn nun q wahr ist, dann muss p auch wahr sein, wenn hingegen q falsch ist, dann kann p wahr sein, p kann aber in dem Fall auch falsch sein. Diese Umformulierung erlaubt nun den direkten Vergleich mit dem Konnektor soweit: p, soweit q = p ist in dem Maße erfüllt, wie q ausgeprägt ist.

22 Mein Dank gilt an dieser Stelle Eva Breindl, deren Vorarbeiten die Ausführung in C4.1.3.1.6 maßgeblich geprägt haben.

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p und q müssen bei soweit Sachverhalte bezeichnen, die in irgendeiner Weise graduierbar sind. Wahrheitswerte hingegen sind klassischerweise nicht graduierbar, daher scheint es auf den ersten Blick einen radikalen Unterschied zwischen soweit und sofern zu geben: Soweit ist graduierbar und sofern ist nicht graduierbar. Die Verwandtschaft wird dennoch in der Ähnlichkeit der formalen Ausbuchstabierungen ihres Bedeutungsbeitrags deutlich. Außerdem kann man durchaus von einer gewissen Graduierbarkeit sprechen, wenn man die Wahrheitswerte durch Wahrscheinlichkeiten ersetzt. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass sich im Normalfall die Maßausprägung bei soweit nicht auf Wahrheitswerte und auch nicht auf Wahrscheinlichkeiten bezieht. Es scheint, dass die Interpretation von soweit und sofern bei näherer Betrachtung in den meisten Fällen einen klaren Unterschied zeigt. Sofern ist demnach konditional zu interpretieren und soweit nicht. Anders gesagt: Diese zwei Konnektoren sind eng verwandt, während sich aber sofern auf Wahrheit, Wahrscheinlichkeiten und mögliche Welten bezieht, bezieht sich soweit auf Grade von Realisierung, wie Vollzug, Abgeschlossenheit usw. Demnach ist zu erwarten, dass in den meisten Verwendungen soweit und sofern klar zu unterscheiden sind. Dennoch dürfte es gerade im Bereich der deontischen Modalität Überschneidungsfälle geben, die zwar immer noch subtile Bedeutungsunterschiede aufweisen, die jedoch in vielen Fällen von den Sprechern nicht zwangsläufig berücksichtigt werden. Solche klar unterscheidbaren Verwendungen repräsentieren etwa die folgenden Beispiele; hier sind sofern und soweit nicht ersetzbar. sofern-Verwendungen im Zusammenhang mit nicht-graduierbaren Sachverhalten: nicht durch soweit ersetzbar (162a)

Kein Wunder, bietet sich doch die Gelegenheit, für zwei Wochen ins traumhafte Kalifornien zu reisen. Sofern die Klasse 2a nach vielen Runden auch aus dem Final siegreich hervorgeht. (St. Galler Tagblatt, 14.02.1998, o. S.) Lange Nägel sind die eindeutig sicherere Lösung. Sofern sie nicht aus Kupfer sind, schaden sie dem Baum nicht, sondern piesacken ihn lediglich wie ein Mückenstich den Menschen. (Mannheimer Morgen, 10.06.2006, o. S.) Sofern die Pfarrkirche Mariä Heimsuchung geöffnet ist, unbedingt kurz hineinschauen und die schöne Innenausstattung bewundern. (Nürnberger Nachrichten, 04.01.2008, S. 1999) Sofern das Hochhaus in Form eines Obelisken von den Behörden der australischen Metropole endgültig genehmigt wird, wird es in beiden Kategorien einen neuen Rekord aufstellen. (Mannheimer Morgen, 09.12.1998, o. S.)  

(162b)



(162c)



(162d)



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soweit-Verwendungen im Zusammenhang mit graduierbaren Sachverhalten: Ersetzung durch sofern entweder nicht möglich, oder die graduierende Komponente fällt dann weg (163a)

Anregungen zur Ausweitung der Linienführung, eine geänderte Fahrplangestaltung sowie die Tarifgestaltung kamen zur Sprache. Soweit wie möglich sollen diese Anregungen verwirklicht werden. (Rhein-Zeitung, 21.11.1996, o. S.) (163b) Die umfassenden, eingrenzenden Burggebäude lassen die Quadratur des Innenhofes als geschlossene Einheit entstehen, mit kleinwüchsigem Grün belebt. Soweit man sich zurückerinnern kann, gehörte zum Anwesen der Burg ein Brunnen, wie unser Bild aus den 50er Jahren (links) zeigt. (RheinZeitung, 18.11.1998, o. S.) (163c) Soweit es ihre Zeit erlaubt, würde sie sich gerne sportlich betätigen. (RheinZeitung, 05.12.2002, o. S.) (163d) Soweit erforderlich, ist der Gemeinderat zur Unterstützung des Konzepts mit den personellen Mitteln Bauamt, Feuerwehr und Zivilschutz bereit. (St. Galler Tagblatt, 16.12.1998, o. S.)  







soweit-Verwendungen im Zusammenhang mit nicht-graduierbaren Sachverhalten: auffällig häufig mit Negation im internen Konnekt (164a) Soweit der Saal nicht für laufende Prozesse genutzt werde, sollen bei einer Umsetzung des Gedenkstätten-Konzeptes Führungen durch den Saal600 auch während der Woche möglich sein. (Nürnberger Zeitung, 27.10.2005, o. S.) (164b) Soweit nicht eine ausdrückliche Kontraindikation vorliegt, kann ein Therapieversuch mit einem Cox-2-Hemmer eine Alternative bieten, um nicht auf die entzündungshemmende Therapie verzichten zu müssen. (Nürnberger Zeitung, 20.03.2007, o. S.) (164c) Soweit sie nicht unter Glas kultiviert werden, sind unsere Kulturpflanzen unmittelbar den Witterungsbedingungen ausgesetzt. (Braunschweiger Zeitung, 14.07.2007, o. S.)  





sofern-Verwendungen im Zusammenhang mit graduierbaren Sachverhalten (165a)

„Sofern es die Zeit erlaubt, kommt Simon noch immer am Dienstag nach Wildhaus zum Training. (St. Galler Tagblatt, 11.03.1998, o. S.) Soweit es ihre Zeit erlaubt, würde sie sich gerne sportlich betätigen. (RheinZeitung, 05.12.2002, o. S.)  

(165b)



(166a) Sofern es die finanzielle Situation eines früheren Sozialhilfe-Empfängers zulässt, muss dieser die bezogenen Beiträge zurückzahlen. (St. Galler Tagblatt, 02.09.1998, o. S.)  

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(166b) Soweit es die finanziellen Mittel zulassen, werden Obst, Hygieneartikel und Kleidung an die Flüchtlinge verteilt. (Frankfurter Rundschau, 10.05.1997, S. 3)  

(167a)

Mitglieder im Heimatverein zahlen 249 Euro pro Person für Fahrt, Übernachtung und Halbpension. Sofern noch Plätze frei sind, können auch Nichtmitglieder zum Aufpreis von 50 Euro teilnehmen. (Rhein-Zeitung, 14.11.2008, o. S.) Soweit Plätze im Bus noch zur Verfügung stehen, und eine Vermittlung von Gastgebern möglich ist, können diese Anmeldungen berücksichtigt werden. (Rhein-Zeitung, 18.01.1996, o. S.)  





(167b)



Streng genommen ist die Interpretation hier jeweils unterschiedlich: Die (graduierende) soweit-Bedeutung wäre z. B. in (167b): „Es können so viele Anmeldungen berücksichtigt werden, wie Plätze zur Verfügung stehen“, die konditionale sofern-Bedeutung „die Anmeldungen können (pauschal) berücksichtigt werden oder nicht berücksichtigt werden“. Es gibt jedoch auch Beispiele, bei denen der Unterschied, wie erwartet, nicht so deutlich ist. Ein solches Beispiel ergibt sich im Bereich deontischer Modalität:  

(168)

Sofern/soweit ich dazu in der Lage bin, will ich gerne helfen.

Es könnte argumentiert werden, dass sofern folgende Interpretation erlaubt: „Wenn ich überhaupt in der Lage bin, werde ich helfen.“ Das Beispiel mit soweit könnte hingegen bedeuten: „In dem Ausmaß, zu dem ich in der Lage bin, werde ich helfen.“ Sprecher meinen aber mit diesen beiden Sätzen in aller Regel durchaus das Gleiche, denn wenn der sofern-Satz geäußert wird, kann der Hörer durchaus auch eine partielle Hilfe erwarten, auch wenn der Sprecher nur zum Teil in der Lage ist zu helfen.

4.1.3.1.7 Konditionales wenn vs. konditionales so In der IDS-Grammatik (GDS: 2281) ist nachzulesen, dass der Subjunktor so in der konditionalen Verwendung veraltet sei. Unsere Korpusrecherche in DeReKo zeigt, dass diese so-Verwendung vielleicht nicht besonders häufig, aber durchaus noch aktuell ist (vgl. dazu auch Beispiele in Hennig 2006). Es gibt sowohl Verwendungsbeispiele in der Anteposition als auch in der Postposition, diese sind jedoch alle mit wenn und falls und in der Postposition auch durch sofern ersetzbar: (169a) Aber was sollen Sichtweisen bringen, die sich polemisch an den religiösnationalistischen Frontlinien orientieren und unfähig sind, aus dem völkischen Wahn der einseitigen Schuldzuweisung herauszutreten? So man dies

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C4 Konditional basierte Konnektoren

aber nicht kann oder will, wird es im Nahen Osten weiterhin keine diplomatische, sondern nur eine militärische und damit keine Lösung der Probleme geben. (die tageszeitung, 27.01.2009, o. S.) (169b) Wodka trinken muss gelernt sein, so man Wodka trinken will. Mit Wodka muss man umgehen können oder Russe sein. (Die Südostschweiz, 01.12.2007, o. S.) (169c) Bemerkenswert ist, daß es zu diesem letzten Punkt in Jerabeks schriftlichem Gutachten ausführlicher heißt: „So er die Passagen nicht allein verfaßt haben sollte, ist eine zumindest maßgebliche Beteiligung des Franz Fuchs als gesichert anzusehen.“ (Oberösterreichische Nachrichten, 26.02.1999, o. S.) (169d) Farben gehörten auf die Häuserwände und nicht auf eine grundierte Leinwand, wie sie Kanye West nun in seinem aktuellen Video ganz selbstverständlich bemalt. Bei West, dem notorischen Trenddieb, ist das Gebärden als Kunstprofi reines Imagekalkül. So er sich dabei geschickt anstellt, dürfte das Mainstream-Publikum in Zukunft glauben, er habe die zeitgenössische Kunst in den Hiphop geholt. (die tageszeitung, 08.08.2009, S. 21)  







Die Verwendung von so mit einem Korrelat lässt sich in DeReKo nicht belegen. Noch im frühen Neuhochdeutschen um 1650 waren allerdings konditionale So … so-Belege keine Seltenheit: (170)

Sie, Her, so du nicht mein Helffer wehrest geweßen, so hetten mich meine Findt verschlungen und hingericht. (Güntzer 1657/2002: 38 verso; zit. nach Hennig 2006: 417)

Hennig (2006: 417) sieht den Grund für den Rückgang dieser Struktur „im redundanten Gebrauch des Korrelats“. Klare semantisch-pragmatische Unterschiede zwischen so und falls sind nicht erkennbar, allenfalls gilt, dass so stilistisch eher einem höheren Register angehört und eventuell als bildungssprachlich gekennzeichnet werden kann.

4.1.3.2 Verbzweitsatz-Einbetter und komplexe konditionale Konnektoren Konditionalität kann, wie alle anderen Relationen, nicht nur mittels einzelner Konnektoren ausgedrückt werden, sondern auch durch komplexe polylexikalische Ausdrücke. So kann beispielsweise Kausalität, abgesehen von monolexikalischen Konnektoren wie da und weil, auch durch Ausdrücke wie aufgrund der Tatsache, dass, oder durch die Ursache von p ist q usw. ausgedrückt werden. Für Konditionalität trifft dies ebenfalls zu: Es gibt eine ganze Reihe von lexikalischen Ausdrücken ganz unterschiedlicher Art, die das Wesen von Konditionalität umschreiben: im Falle, dass; unter der Bedingung, dass; unter der Voraussetzung, dass; unter der Annahme, dass

C4.1 Konditionale Konnektoren

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usw. In diesem Kapitel werden nur einige von diesen Ausdrücken behandelt, und zwar diejenigen, von denen man ausgehen kann, dass sie grammatikalisiert sind. Im Unterschied zur Kausalität sind aber die Umschreibungsmöglichkeiten von Konditionalität viel beschränkter. Dies liegt daran, dass bei den meisten Relationen beide Konnekte Sachverhalte ausdrücken, auf deren Wahrheit sich der Sprecher festlegt, und der Konnektor nur einen zusätzlichen Zusammenhang zwischen ihnen ausdrückt. So kann beispielsweise mithilfe eines kausalen Konnektors signalisiert werden, dass das eine Konnekt die Ursache oder die Erklärung für das andere ausdrückt. Oder mithilfe eines bestimmten temporalen Konnektors kann gezeigt werden, dass der Sachverhalt des einen Konnekts vor oder nach dem anderen stattgefunden hat usw. Bei konditionalen Relationen dagegen verhält sich dies insofern anders, als dass der Konditionalsatz selbst vom Sprecher nicht unbedingt als wahr angesehen werden muss. Man kann also nicht sagen: p gilt, q gilt, und der Zusammenhang zwischen p und q ist KOND. Dies würde nämlich voraussetzen, dass p und q gelten, was dem Wesen von Konditionalität widerspricht. Bei Konditionalität geht es gerade darum, dass die beiden Sachverhalte voneinander abhängen und insbesondere q nur dann gilt, wenn auch p gilt. Deshalb sind nur solche Ausdrücke möglich, in denen mindestens der Konditionalsatz in irgendeiner Form semantisch eingebettet ist, ohne dass es dazu führen würde, dass er letztendlich assertiert wird. Da dies typischerweise mit einer syntaktischen (und prosodischen) Einbettung einhergeht, sind dazu insbesondere solche Strukturen geeignet, die innerhalb einer Nominalphrase Möglichkeit, Bedingung oder Vergleichbares ausdrücken, wie z. B. (171) zeigt:  

(171a)

Das Thema Brückensanierung war ein Punkt in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Mauden. Im Falle, dass die Brücke über die K 108 im Frühjahr saniert würde, käme auf Mauden eine Vollsperrung zu. (Rhein-Zeitung, 27.10. 2004, o. S.) Die Regierung in Peking setzt zwar ihre Hilfslieferungen fort, weil ein Zusammenbruch des Regimes in Nordkorea unabsehbare Folgen hätte und Flüchtlingsströme freisetzen würde. Aber chinesische Diplomaten beteuern, der Einfluss auf den störrischen Nachbarn sei begrenzt. Dabei würde sich China nicht einmal einem friedlichen Regimewechsel und einer Wiedervereinigung unter südkoreanischer Federführung widersetzen – unter der Bedingung, dass auf nordkoreanischem Boden dann keine US-Truppen stationiert würden. (Braunschweiger Zeitung, 04.11.2011, o. S.) Unter der Voraussetzung, dass homosexuelle Paare keine Kinder adoptieren können, wurde im Jahre 2005 das Partnerschaftsgesetz angenommen. (St. Galler Tagblatt, 15.03.2012, S. 29)  



(171b)



(171c)



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C4 Konditional basierte Konnektoren

In (171) fungieren diese komplexen lexikalischen Ausdrücke wie zusammengesetzte Konnektoren, die den bedingten Sachverhalt kodieren. Wie im Exkurs unter C4.1.1.1 dieses Kapitels bereits expliziert, verhalten sich solche Phrasen nach ein und demselben Muster: Sie alle betten einen dass-Satz ein, der unmittelbar auf den einbettenden Ausdruck folgt. Der ganze Ausdruck im Falle, dass oder unter der Voraussetzung, dass kann durch das konditionale wenn oder falls ersetzt werden, ohne dass dabei die konditionale Interpretation beeinträchtigt wäre. So gesehen wird von dem komplexen Konnektor sein internes Konnekt eingeleitet. Somit kann der komplexe Ausdruck als Antezedensmarker einer Konditionalrelation angesehen werden. Dennoch unterscheiden sich solche komplexen konnektoralen Ausdrücke von monolexikalischen konditionalen Konnektoren in zweifacher Hinsicht: a) Da sie aus mehreren Lexemen zusammengesetzt sind, können sie bestimmte Aspekte konditionaler Bedeutung fokussieren. So kann mit der Verwendung von unter der Voraussetzung, dass statt wenn durchaus klargestellt werden, dass es sich hierbei um eine Voraussetzung und nicht um eine Bedingung handelt, das heißt, es ist möglich, den Sachverhalt als notwendige Bedingung darzustellen. b) Zum anderen können diese Ausdrücke feinkörnigere Bedeutungsaspekte zum Ausdruck bringen. Dafür scheinen sie aber weniger ökonomisch und möglicherweise auch umständlicher als monolexikalische Konnektoren zu sein. Deshalb sind sie gerade im mündlichen Diskurs vergleichsweise selten. Sie sind dafür insbesondere in schriftsprachlichen Dokumenten belegt, die einen sehr hohen Grad an Präzision erfordern, z. B. in Rechtstexten (vgl. Koch/ Oesterreicher 1985, Ágel/Hennig 2006).  

Neben den komplexen Ausdrücken (vgl. (171)), die wie Subjunktoren verwendet werden, gibt es auch welche, die einen Verbzweitsatz einbetten können, wie in (172) gezeigt: (172)

Unter der Annahme, ein Brand wäre im Heizraum des Besucherzentrums ausgebrochen, wurde die Feuerwehr Petronell alarmiert, und diese rückte auch umgehend am Einsatzort an. (Niederösterreichische Nachrichten, 29.04.2010, o. S.)  

Dieser Konnektortyp wird im folgenden Abschnitt ausführlicher beschrieben.

4.1.3.2.1 Konditionale Verbzweitsatz-Einbetter Der Begriff ‚Verbzweitsatz-Einbetter‘ (= V2S-Einbetter) wurde in HDK-1 für die Konnektoren geprägt, „die wie Subjunktoren einen Satz in einen anderen einbetten, im Unterschied zu diesen aber keinen Verbletztsatz, sondern einen Verbzweitsatz“. (HDK-1: 439). Hierher gehören z. B. angenommen, für den Fall, gesetzt, gesetzt den  

C4.1 Konditionale Konnektoren

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Fall, vorausgesetzt usw.23 Die Klasse der V2S-Einbetter ist eine nicht-geschlossene Klasse, man kann sie aus Nominalphrasen und Partizipien produktiv neubilden, vgl. (172). Hervorzuheben ist, dass V2S-Einbetter nur auf eine einzige semantische Konnektorenklasse beschränkt sind, und zwar auf die Klasse konditional basierter (konditionaler und negativ-konditionaler) Konnektoren. Für V2S-Einbetter-Strukturen sind dieselben topologischen Positionen wie für die durch Subjunktoren eingeleiteten Sätze gegeben, d. h. sie können im Prinzip in allen syntaktischen Positionen vorkommen. Allerdings weist HdK-1 (442 ff.) darauf hin, dass die Verwendung von V2S-Einbettern im Nachfeld nicht für alle Konnektoren dieses Typs belegt ist. So wurden beispielsweise keine nachgestellten angenommen-Belege gefunden (vgl. HDK-1: 442). Dagegen kommt das vorausgesetzt-Konnekt eher nach- als vorangestellt vor, was in diesem Punkt eher Parallelen zu sofern- als zu wenn- und falls-Sätzen aufzeigt. Syntaktische Präferenzen von V2S-Einbettern wurden in HDK-1 (siehe HDK-1: 439 ff.) hinreichend diskutiert. In diesem Kapitel gehen wir auf semantische Besonderheiten dieser Konnektorenklasse ein bzw. auf die Korrelation zwischen ihren syntaktischen und semantischen Besonderheiten. Außerdem wird hier ein Vergleich zwischen den einzelnen Vertretern der Klasse der V2S-Einbetter und den konditionalen Konnektoren wenn, falls und sofern angestrebt. In diesem Kontext sind gleich mehrere Fragen zu beantworten: (i) Warum gehören alle frei bildbaren V2S-Einbetter der Klasse konditional basierter Konnektoren an? (ii) Welche Klasse von Prädikaten ist es, die abgeleitet als V2S-Einbetter fungieren kann? (iii) Gibt es Unterschiede in der Verwendung von V2S-Einbettern im Vergleich zu den monolexikalischen konditionalen Konnektoren wie wenn und falls? (iv) Wie verhalten sich konditionale V2S-Einbetter-Strukturen bzgl. ihrer Interpretation als Standard- oder als Sprechaktkonditional?  





4.1.3.2.1.1 V2S-Einbetter als einheitliche Klasse konditionaler Konnektoren Die Besonderheit von V2S-Einbettern im konditionalen Bereich besteht darin, dass durch die konditionale Semantik gerade keine Assertion möglich ist, da der Sachverhalt der Bedingung als rein hypothetisch dargestellt wird und daher nicht die Überzeugung des Sprechers zum Ausdruck bringt. Eine mögliche Analyse dieses Phänomens wird in Breindl (2009) vorgestellt: Sie argumentiert, dass V2S-Einbetter eine fiktive Realität einführen und den Hörer gleichsam auffordern, sich die beschriebene fiktive Realität als eine alternative Welt vorzustellen: „Nimm mal an/stell dir vor,

23 Das negativ-konditionale ausgenommen in der Verwendung als syntaktischer Einzelgänger wird in C4.6 behandelt. Nicht behandelt wird in diesem Kapitel außerdem unterstellt bzw. unterstellt, dass aufgrund der nicht hinreichend belegbaren Grammatikalisierung als Konnektor (vgl. aber HDK-1: 440).

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C4 Konditional basierte Konnektoren

p ist der Fall“ (Breindl 2009: 290). Demnach müsste man die Verwandtschaft von V2SEinbettern mit ihrer Paraphrase als Matrixsatz ernst nehmen: Angenommen p, q Paraphrase: Nehmen wir mal an, p. Dann gilt auch q. Daher schlussfolgert Breindl (2009), dass bei V2S-Einbettern eine andere Art von Konditionalität vorliegt als bei vollständig grammatikalisierten monolexikalischen Konnektoren. Bei V2S-Einbettern geht es um die „Setzung“ einer alternativen Welt, in der dann der im externen Konnekt genannte Sachverhalt gilt:24 (173a)

Angenommen, Sie haben drei Wünsche frei: Was wünschen Sie sich für den Kulturverein? Die Erhaltung der Vielfalt kultureller Angebote für alle Altersgruppen, engagierte Mitstreiter und zufriedene Besucher sowie Zeit für Streitgespräche und Verständnis für die Belange der Kultur bei den Partnern. (Braunschweiger Zeitung, 19.01.2008, o. S.) Gesetzt, der tschadische Konflikt entspränge einem Hollywood-Skript, so müßten nun grandiose Szenen des „großen vaterländischen Krieges“ über die Leinwand flimmern. (die tageszeitung, 26.11.1986, S. 9) Denken wir das mal zu Ende: Gesetzt den Fall, Wulff würde gewählt und die Koalition hielte bis zum Ende der Legislaturperiode durch. Dann hätte Wulff 2013 seine Funktion erfüllt und könnte abtreten. (Braunschweiger Zeitung, 29.06.2010, o. S.) Vorausgesetzt, man ist älter als 30 Jahre alt. Dann hat man nämlich keine Probleme, am Samstag bei der Ü30-Party in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle Einlass gewährt zu bekommen. Selbst osterhasenmäßige Hoppelbewegungen auf der Tanzfläche sind erwünscht. (Rhein-Zeitung, 05.04.2007, o. S.)  

(173b)



(173c)



(173d)





Die Annahme über die „Setzung“ einer fiktiven Welt durch V2S-Einbetter ist intuitiv nachvollziehbar, vor allem, wenn man sich Belege mit vorangestellten V2S-Einbettern ansieht. Eine weitere Facette von V2S-Einbetter-Konnekten als Einschub oder in nachgestellter Position ist jedoch, dass sie, je nach ihrer spezifischen Bedeutung, u. a. auch einschränkend verwendet werden können, wie etwa an folgenden Beispielen mit vorausgesetzt und gesetzt den Fall als V2S-Einbetter illustriert:  

24 Ähnlich beobachtet die IDS-Grammatik (GDS: 2281), dass die V2S-Einbetter insbesondere in solchen Fällen verwendet werden, in denen das Hervorheben des nicht-realisierten Bedingungssachverhalts für den Sprecher von besonderer Bedeutung ist.

C4.1 Konditionale Konnektoren

777

Dabei kann Musik so viel Spaß bereiten. Vorausgesetzt, man geht mit Lust und Spiel an die Sache heran. Oder lernt den Komponisten höchst persönlich kennen. (Nürnberger Zeitung, 28.12.2007, S. 2) (174b) Alle 21 Teilnehmerinnen haben den Kurs mit Erfolg absolviert. Die Frauen verfügen entweder über eine sechsjährige oder – gesetzt den Fall, sie haben eine Berufsausbildung – eine vierjährige Tätigkeit als Vollhausfrau. (Mannheimer Morgen, 31.01.1998, o. S.) (174a)





4.1.3.2.1.2 Semantische Klassen von Verben, von denen V2S-Einbetter abgeleitet werden können Nicht von jedem Verb abgeleitete Partizipien können als V2S-Einbetter fungieren. Dies ist insofern nicht überraschend, als nicht alle Verbklassen überhaupt V2-Nebensätze einbetten können (s. Vikner 1995, Reis 1997) (vgl. (175) vs. (176)): (175a) (175b) (176a) (176b)

Ich glaube/meine/hoffe, dass Peter im Urlaub ist. Ich glaube/weiß/meine/hoffe, Ø Peter ist im Urlaub. Ich bezweifle, dass Peter im Urlaub ist. *Ich bezweifle, Ø Peter ist im Urlaub.

Am Beispielpaar in (175)–(176) sieht man, dass Verben der propositionalen Einstellung wie glauben, meinen, hoffen usw. sowohl Komplementsätze mit dass als auch V2Komplementsätze einbetten können. Das Verb bezweifeln – wie auch andere nonbridge verbs – kann dagegen nur dass-, nicht aber V2-Komplementsätze einbetten. Ein ähnliches Verhalten beobachten wir auch bei den von diesen Verben abgeleiteten Partizipien, die allein aus diesem Grund nicht als V2S-Einbetter in Frage kommen, vgl. (177b). Das wäre ein Hinweis darauf, dass V2S-Einbetter das entsprechende Konnekt als Argument haben können und dementsprechend auch durch eine ähnliche Semantik gekennzeichnet sind wie die entsprechenden Prädikate:25 (177a) (177b)

Angenommen / Ich nehme an, Ø Peter ist im Urlaub, (dann) wird sich wohl seine Sekretärin um die Stellenausschreibung kümmern. *Bezweifelt / *Ich bezweifle, Ø Peter ist im Urlaub, (dann) wird sich wohl seine Sekretärin um die Stellenausschreibung kümmern.

25 Eine abschließende semantische Erklärung für den Unterschied zwischen den Verben, die V2Argumente nehmen können, und solchen, die dies nicht erlauben, ist noch nicht gegeben worden, auch wenn dieses Problem in mehreren aktuellen Arbeiten diskutiert wurde. Wichtig ist jedoch, dass in der Literatur bemerkt wurde, dass V2-Nebensätze typischerweise mit der Möglichkeit von Assertion zusammenhängen (vgl. Gärtner 2002, Truckenbrodt 2006), was in der generativen Literatur durch die Existenz der funktionalen Projektion, der sogenannten ForceP (zurückgehend auf Rizzi 1997), modelliert wird. Im Falle konditionaler Verwendungen kann davon nur eingeschränkt die Rede sein.

778

C4 Konditional basierte Konnektoren

Einen weiteren Kontrast können wir in (177c, d) beobachten: (177c) (177d)

*Gehofft, Ø Peter ist im Urlaub, (dann) wird sich wohl seine Sekretärin um die Stellenausschreibung kümmern. *Es wurde angenommen / *Es wurde vorausgesetzt / Angenommen / Vorausgesetzt, Ø Peter ist im Urlaub, (dann) wird sich wohl seine Sekretärin um die Stellenausschreibung kümmern.

Anders als bezweifeln kann hoffen als typisches nicht faktives und nicht negiertes Einstellungsprädikat (s. Reis 1997) auch V2-Argumentsätze nehmen, wie in (175) gezeigt. Hoffen kann aber nicht als reines Partizip II ohne Auxiliar (analog zur Verwendung von V2S-Einbettern) Konditionalsätze einbetten, wie in (177c) gezeigt. Im Falle von angenommen und vorausgesetzt machen wir eine weitere interessante Beobachtung: Angenommen kann als reines Partizip II ohne Auxiliar einen Konditionalsatz einleiten, nicht aber als vollständiges Prädikat, was für die Grammatikalisierung der Form angenommen in dieser bestimmten Funktion spricht. Daher entzieht sich die in dieser konkreten Verwendung „erstarrte“ Partizip II-Form des Verbs voraussetzen der in Reis (1997: 123) postulierten Kriterien für die Gruppe der sogenannten „Gewißheitsprädikate“, die durch beschränkte Akzeptabilität des V2-Arguments und Nichtakzeptabilität des Konjunktivs charakterisiert wird, denn in der Verwendung als Partizip II ohne Auxiliar folgen auf vorausgesetzt (wie auf angenommen) fast ausschließlich V2-Sätze, die in DeReKo in allen Modi belegt sind (zur Verteilung im Korpus s. Tab. C4.1-4).  

4.1.3.2.1.3 V2S-Einbetter im Vergleich zu den monolexikalischen konditionalen Konnektoren wie wenn und falls V2S-Einbetter haben eine Reihe von Beschränkungen im Vergleich zu den Subjunktoren derselben semantischen Klasse wie wenn und falls. Dies betrifft die Möglichkeit, i) elliptische Sätze in Frage-Antwort-Sequenzen einzuleiten und ii) das satzinitiale interne Konnekt einzubetten: (i) Elliptische Ausdrücke in Frage-Antwort-Sequenzen: Wie schon in HDK-1 bemerkt, können die von V2S-Einbettern eingeleitete Ausdrücke in Frage-Antwort-Sequenzen nicht elliptisch sein:  

(178)

A: [Kommst du?] (a) B: Wenn / falls du nicht kommst gehe ich jetzt los. (b) B: *Angenommen / *Gesetzt/ *Gesetzt den Fall, du kommst) nicht, gehe ich jetzt los. (Beispiele leicht geändert nach HDK-1: 442)

779

C4.1 Konditionale Konnektoren

Dies kann durch die Annahme erklärt werden, dass V2S-Einbetter immer einen Sachverhalt im Diskurs als eine (neue) Hypothese präsentieren müssen. Daher muss die Proposition vollständig ausgedrückt werden. (ii) Einbettung im Vorfeld: Wie im Falle von wenn kann das satzinitiale, mit einem V2S-Einbetter eingeleitete interne Konnekt sowohl in die Struktur seines externen Konnekts eingebettet als auch desintegriert vorkommen. Anders als bei wennSätzen gibt es keinen funktional-semantischen Unterschied zwischen diesen Strukturen: In (179) unterscheidet sich die wenn-Struktur in (179a) von der wenn-Struktur in (179b) dadurch, dass in (179a) das interne Konnekt in die Struktur seines externen eingebettet vorkommt, in (179b) dagegen nicht. Daraus resultiert eine unterschiedliche prosodische Realisierung dieser Strukturen und als Folge davon auch unterschiedliche Interpretation von (179a) als Standardkonditional und von (179b) als Sprechaktkonditional, das eine iterative Interpretation ausschließt. (179a) (179b)

Wenn du nach Hause kommst, gibt es Pizza im Kühlschrank. Wenn du nach Hause kommst, es gibt Pizza im Kühlschrank.

V2S-Einbetter-Strukturen können sowohl integriert als auch desintegriert in Voranstellung als Standardkonditional interpretiert werden, wie dies an den folgenden zwei Belegen mit gesetzt den Fall illustriert wird: (180a) {+} syntaktisch integriert Gesetzt den Fall, die Wähler würden so abstimmen, wie es die von der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlichten Zahlen widerspiegeln, müßte die jetzt allein regierende CDU bei der hessischen Kommunalwahl am 12. März in Frankfurt den Sozialdemokraten und Grünen das Feld räumen. (Mannheimer Morgen, 25.01.1989, o. S.)  



(180b) {–} syntaktisch integriert Gesetzt den Fall, die Deutsche Telekom hätte es ebenso gemacht – es hätte einen empörten Aufschrei durch alle deutschen Wirtschaftsredaktionen gegeben. (Mannheimer Morgen, 30.03.2000, o. S.)  

Außerdem erlauben nicht nur V2S-Einbetter die Desintegration des satzinitialen internen Konnekts ohne Bedeutungsverschiebung, sondern auch von den V2S-Einbettern abgeleiteten Subjunktoren, wie angenommen, dass: (181a)

{+} syntaktisch integriert Angenommen, dass alle Einzelbeträge mehr als 20.000 Mark betrugen, zieht dies ferner Strafgelder nach sich: Das Parteiengesetz sieht eine Sanktion in

780

C4 Konditional basierte Konnektoren

doppelter Höhe der nicht ordnungsgemäß veröffentlichten Spenden vor. (Salzburger Nachrichten, 21.12.1999, o. S.)  

(181b)

{–} syntaktisch integriert Angenommen, dass die importierten Teile des Autos beschädigt werden, es würde dann billiger sein, das ganze Auto zu importieren als im Inland nur zu montieren. Die Konsumenten leiden darunter, den höheren Preis zu zahlen. (Stiglitz; Volkswirtschaftslehre, S.1125–1126)

4.1.3.2.1.4 Zur Interpretation von Strukturen mit V2S-Einbettern als Standardund Sprechaktkonditional Wie konditionale wenn-Sätze können auch konditionale V2S-Einbetter-Strukturen – wie hier am Beispiel von angenommen und gesetzt den Fall illustriert – mit den Korrelaten dann oder so im externen Konnekt verwendet werden. Dies gilt im Übrigen auch für Strukturen mit komplexen, von den V2S-Einbettern abgeleiteten Subjunktoren, wie z. B. angenommen, dass und gesetzt den Fall, dass, vgl. (182b) und (182b’).  

Angenommen, Reinigungsanlagen müssen in einigen Jahren Aktivkohlefilter einbauen, so wäre dies mit grossen ergänzenden Bauten verbunden. (St. Galler Tagblatt, 04.03.2009, S. 33) (182a’) Gesetzt den Fall, ich wäre Hartz-IV-Empfänger, dann hätte ich bereits keine private Renten- und keine Lebensversicherung mehr. (Braunschweiger Zeitung, 22.03.2007) (182a)



(182b)

Unendlich konnten wir die Welt auf diese Weise analysieren, wenn aber die Donau einen Schritt zurückgeht, angenommen, dass die nördliche Eisenbahnbrücke der Centerhalf ist und die Piroska Rosgonyi (die Straße) sich aufmacht, in die so entstandene Lücke, dann ist das Schachmatt. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 09.07.2009) (182b’) Gesetzt den Fall, dass ein herausragender Kunstkenner von zwei Zügen spricht, so ist selbst dies – ohne die persönliche Mitteilung des Künstlers – wenig wert. (WDD11/D35.78271: Wikipedia 2011) Bereits Iatridou (1991) hat beobachtet, dass die potentielle Möglichkeit des Einsetzens der Proform dann bzw. so die Interpretation einer konditionalen Relation als Standardkonditional sichert. Das Entscheidende aber ist, dass das Korrelat im Falle von V2S-Einbetter-Strukturen nur anaphorisch sein darf. Eine kataphorische Verwendung des Korrelats, wie unten gezeigt, ist ausgeschlossen (vgl. auch HDK-1: 253 f.), was im Vergleich zu wenn auf eine eingeschränkte semantisch-pragmatische Funktion nichtanteponierter, mit V2S-Einbetter eingeleiteter Strukturen hindeutet:  

C4.1 Konditionale Konnektoren

781

Ein Mieter kann bei Schimmelpilzbefall nur dann fristlos kündigen, wenn er dem Vermieter vorher die Möglichkeit gegeben hat, den Befall zu beseitigen. (Hamburger Morgenpost, 25.04.2008, o. S.) (183b) *Ein Mieter kann bei Schimmelpilzbefall nur dann fristlos kündigen, vorausgesetzt er hat dem Vermieter vorher die Möglichkeit gegeben, den Befall zu beseitigen.

(183a)



Da V2S-Einbetter-Strukturen nicht mit kataphorischen Korrelaten verwendet werden können – wie in (183b) gezeigt – und somit kein expliziter Indikator für ein Standardkonditional bei Nachstellung vorliegt, besteht die Tendenz, nachgestellte sowie parenthetisch eingeschobene Strukturen mit V2S-Einbettern eher mit einem Sprechaktbezug zu interpretieren, z. B. als Einschränkung der Geltungsbedingungen für den vorausgehenden Sachverhalt:  

(184a) Der Schriftsteller ist davon überzeugt, daß eine Öffnung in der DDR nur mit Hilfe der Sowjetunion gelingen könne. Vorausgesetzt, es glücke dem Ostblock, die Bevölkerung in ausreichendem Maße wirtschaftlich zu versorgen. (Mannheimer Morgen, 03.03.1989, o. S.) (184b) Die Anliegerbeiträge decken also gerade die Mehrkosten für den Innenstadtausbau ab – gesetzt den Fall, es handelt sich bei ihnen (wie die CDU befürchtet) nicht um „Luftbuchungen“. (Mannheimer Morgen, 09.02.1998, o. S.)  



Auffällig ist, dass angenommen anders als vorausgesetzt eher in der Voran- als in der Nachstellung vorkommt (vgl. Tab. C4.1-5, Abb. C4.1-5), woraus spekulativ geschlossen werden kann, dass angenommen-Sätze eher als Standardkonditional interpretiert werden als Strukturen mit vorausgesetzt. Daraus kann ein semantischer Unterschied zwischen angenommen- vs. vorausgesetzt-Strukturen abgeleitet werden. An dieser Stelle bietet sich auch ein Vergleich zu den anderen adverbialen V2Nebensätzen an: Die Möglichkeit nämlich, mit einem vorausgehenden Korrelat verwendet zu werden, ist auch für die adverbialen V2-Nebensätze mit weil, obwohl und wobei nicht gegeben (vgl. Breindl 2009, Antomo/Steinbach 2010), gleichwohl die VLVariante dieser Konnektoren durchaus eine Korrelatstruktur erlaubt, was meistens durch die mangelnde prosodische und syntaktische „Integrationsfähigkeit“ der V2Nebensätze einbettenden Konnektoren erklärt wird. Als semantisch-pragmatische Konsequenz folgt daraus, dass solche Konnektoren im Normalfall nicht propositional, sondern lediglich auf der epistemischen und/oder auf der Sprechaktebene verknüpfen. Ein so starker Kontrast zwischen den V2S-Einbetter-Strukturen und Strukturen mit den von ihnen abgeleiteten Subjunktoren ist hinsichtlich der Unmöglichkeit der Verwendung mit kataphorischen Korrelaten nicht feststellbar. Auch im Falle von angenommen, dass- und vorausgesetzt, dass-Strukturen in Nachstellung können kataphorische Korrelate nicht verwendet werden (wie im Übrigen auch im Falle von V1Konditionalen, wie schon in Reis/Wöllstein 2010: 145 bemerkt):

782

C4 Konditional basierte Konnektoren

(185a) Er ist dann glücklich, wenn er wieder einen Job hat. (185b) Er ist *(dann) glücklich, vorausgesetzt, dass er wieder einen Job hat. (185c) Er ist *(dann) glücklich, hat/hätte er wieder einen Job. Übertragen auf die Gruppe konditionaler V2S-Einbetter (und komplexer, von ihnen abgeleiteter Subjunktoren mit dass) lässt sich diese Beobachtung wie folgt zusammenfassen: Nachgestellte, mit V2S-Einbettern eingeleitete Strukturen sind meistens als Nachtrag, nicht als Teil der topologischen Satzstruktur im Nachfeld zu analysieren. Dafür spricht auch die Tatsache, dass sie nicht in einer Korrelatstruktur verwendet werden können. Allerdings stellt sich die Frage, ob angenommen-V2-Strukturen, die ausschließlich anteponiert verwendet werden und daher auch die Möglichkeit haben, in Korrelatstrukturen realisiert zu werden, trotzdem auf der Sprechaktebene verknüpfen können.

4.1.3.2.2 Aus konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern abgeleitete komplexe Subjunktoren Wie im Falle der V2S-Einbetter, die im vorigen Abschnitt behandelt wurden, ist die Liste der potentiellen Vertreter dieser Subklasse von Konnektoren offen. Dies ist insofern nicht erstaunlich, als jeder einzelne V2S-Einbetter durch die Hinzufügung von dass als Subjunktor (vgl. HDK-1) kategorisiert werden kann. Die Behandlung solcher Konnektoren als eine eigenständige Sub-Klasse ist dennoch gerechtfertigt, insbesondere dadurch, dass es solche Subjunktoren gibt, die sich auf Formen zurückführen lassen, die die V2S-Einbettung nur sehr eingeschränkt unterstützen, wie z. B. im Falle, dass. Es gibt zwar eine Reihe von Belegen, in denen im Falle mit V2-Stellung vorkommt, dennoch ist im Falle, dass eindeutig präferiert. Für andere Konnektoren wie z. B. gesetzt, dass oder angenommen, dass gilt gerade das Umgekehrte. Die Präferenz von im Falle, dass gegenüber im Falle-V2 ist unumstritten. Die folgenden Belege zeigen lediglich, dass es neben Ersterem (vgl. (186)) durchaus auch Beispiele für Letzteres (vgl. (187)) gibt:  



(186)

Im Fall, dass ausschließlich Charlys Fingerabdrücke auf der Gießkanne klebten, war die Sache klar: er hatte die vierzehn Tage nicht in Magdeburg verbracht, sondern in Berlin – und immer eigenhändig die Blumen gegossen … (Berliner Zeitung, 21.08.1999, S. VIII)

Im Falle, sie wohnen in den eigenen vier Wänden, wird auch mal ein Blick ins Grundbuchamt geworfen. (Mannheimer Morgen, 14.08.1998, o. S.) (187b) Es geht darum, ob der Kauf von Kondomen durch das Sozialhilfeamt mitgetragen werden müsse, im Falle, man ist Sozialhilfeempfänger. Wieviel ist zumutbar an Eigenleistung, wieviel nicht, was soll erstattet werden. (Der Alltag in den neuen Bundesländern, S. 103) (187a)





783

C4.1 Konditionale Konnektoren

Im Falle von angenommen ist die Situation genau umgekehrt. Angenommen, dass kommt sehr selten vor: Nur 48 Belege mit dem komplexen Subjunktor angenommen, dass konnten unter allen maschinell ausgewerteten 151.957 Belegen mit dem Token angenommen in DeReKo26 gefunden werden. Sätze mit der Form angenommen als V2S-Einbetter werden dagegen deutlich präferiert verwendet: Dafür fanden sich 3.683 Belege. Ebenfalls kaum belegt ist die Verwendung von gesetzt, dass in DeReKo. Ein paar der seltenen Belege mit angenommen, dass und gesetzt, dass sind im Folgenden zu finden: (188a) Angenommen, dass dies zu zeigen das Anliegen der Inszenierung ist, dann hat sie schlicht zu kurz gegriffen. (Mannheimer Morgen, 06.04.2002, o. S.) (188b) Angenommen, dass es so ist – spricht das nicht gerade für die immense Macht der Werbung? (die tageszeitung, 28.07.2001, S. IV–V.) (188c) Angenommen, daß weder fahrlässige Tötung noch unterlassene Hilfeleistung im Spiel waren, so bleibt die Möglichkeit, daß der Mann geschlagen wurde. (die tageszeitung, 05.04.1993, S. 12.)  



(189)

Aber auch die zweite These der Irrtumstheorie kann in Frage gestellt werden: Gesetzt, dass ein bestimmter Diskurs als assertorisch bewertet wird, so erscheint es doch zunächst höchst fragwürdig, alle Aussagen desselben als faktisch falsch zu erklären. (Wikipedia – URL: http://de.wikipedia.org/wiki/ Irrtumstheorie: Wikipedia, 2011)

Angenommen und gesetzt einerseits, im Falle, dass andererseits dürften dabei als zwei Extreme betrachtet werden, die eine starke Präferenz für die eine oder andere Variante aufweisen. Vorausgesetzt wird ebenfalls wie angenommen deutlich häufiger als V2S-Einbetter verwendet. Aber diese Präferenz ist bei vorausgesetzt erheblich abgeschwächt: vorausgesetzt, dass (VL) kommt im Vergleich zu angenommen, dass jedoch viel häufiger vor: Das Verhältnis ist eher 10:1 im Vergleich zum Verhältnis von fast 100:1 bei angenommen, was sich in der folgenden Korpusstatistik nachvollziehen lässt:

26 Auswertung mithilfe der KoGra-Datenbank (= DeReKo, Release 2011, Daten bis 2010 einschließlich, Daten mit Connexor tokenisiert, ohne flektierte Formen, Groß- und Kleinschreibung unbeachtet). Dank an dieser Stelle für die computerlinguistische Unterstützung an Hans-Christian Schmitz.

784

C4 Konditional basierte Konnektoren

Tab. C4.1-4: Syntaktische Realisierung als V2- bzw. VL-Struktur am Beispiel von angenommen vs. vorausgesetzt (DeReKo-Release 2011)27 angenommen V2

vorausgesetzt

99%

VL gesamt

3.683

91%

20.130

K ONSEQUENS ) , in (21c) dagegen anti-ikonisch (K K ONSEQUENS > A NTEZEDENS ) ist.  

(21b)’ (21c)’



[Personalwechsel.]A N T E Z [Die Fahrkarten bitte!]K O N S E Q [Motoren abstellen!]K O N S E Q [Vergiftungsgefahr!]A N T E Z

Eine konnektorlose Äußerung erlaubt zwar nicht unbedingt jede beliebige Interpretation, ist aber dadurch, dass sie nicht durch lexikalische Marker kodiert ist, durchaus mehrdeutig. So kann die Äußerung in (21c) neben der kausalen auch eine (negativ-) konditionale Lesart erhalten, die natürlicherweise aufgrund der logischen Implikation entsteht (vgl. C4.6): (21c)’’

Wenn Motoren nicht abgestellt werden, besteht Vergiftungsgefahr.

Nicht jedes beliebige Propositionenpaar, das in einem Kontext nacheinander zum Ausdruck gebracht wird, steht allerdings zwangsläufig in einer bestimmten Relation zueinander. Noch weniger ist es der Fall, dass eine asyndetische Verbindung von zwei

804

C4 Konditional basierte Konnektoren

syntaktisch selbständigen Sätzen eindeutig als kausal interpretiert wird.3 Ausgehend von der Prämisse, dass es in einer möglichen Welt üblich ist, einen Mann deswegen zu verlassen, weil man sich in einen anderen verliebt hat, und nicht umgekehrt, möchten wir dies an einem Beispielpaar illustrieren: (22a) (22b)

[Maria verließ mich.]K O N S E Q [Sie verliebte sich in einen anderen Mann.]A N T E Z KAUS [Maria verliebte sich in einen anderen Mann.]A N T E Z [Sie verließ mich.]K O N S E Q ≠KAUS     

Beide Äußerungen in (22) sind prosodisch, syntaktisch und illokutiv selbständig. Außerdem werden beide Sachverhalte assertiert. Es liegt kein Tempuswechsel vor. Trotzdem kann nur die Äußerung in (22a) eine kausale Leseart erhalten, bei der die im linear zweiten Konnekt ausgedrückte Proposition als Begründung für die Proposition des ersten Konnekts gedeutet wird. D. h. der Grund, warum Maria den Sprecher verlassen hat, liegt darin, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hat. Werden die Konnekte aber vertauscht, ist die kausale Lesart von (22a) nicht mehr zugänglich. In (22b), das anders als (22a) auch erweiterbar ist, wäre eine Listeninterpretation möglich: Maria verliebte sich in einen anderen Mann, sie verließ mich, zog einen Monat später in eine andere Stadt (…). Das Gleiche ist auch dann der Fall, wenn ohne weiteren Kontext schwierig zu erkennen ist, welches Ereignis als primär ursächlich zu beurteilen ist, wie in (23):  

(23)

Maria hat Peter verlassen. Er hat sich eine andere Frau auf der InternetSinglebörse gesucht.

Sowohl der im linear ersten Konnekt ausgedrückte Sachverhalt, dass Maria ihren Freund verlassen hat, als auch der darauf folgende durch das zweite Konnekt ausgedrückte Sachverhalt, dass er sich eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse suchte, können prinzipiell ursächlich für den anderen sein. Die bevorzugte Listeninterpretation in (23) wird durch einen Tempuswechsel im zweiten Konnekt blockiert (vgl. (24)): Durch den Tempuswechsel wird deutlich, dass das Ereignis t1 zeitlich vor dem Ereignis t2 liegt. Durch die anti-ikonische Konnektabfolge begünstigt, werden Äußerungen wie in (24a) und (24b) bevorzugt kausal gelesen. Bei einer ikonischen dagegen ist eine i. w. S. kausale Lesart wiederum kaum zugänglich, wie in (25a) und (25b). Eine konsekutive Interpretation ist für die Äußerung in (25a) nur dann gegeben, wenn sie explizit kodiert ist, wie in (25c) gezeigt.  



3 In Breindl/Waßner (2006) wird an mehreren Beispielen illustrativ gezeigt, dass sich zwischen Satzpaaren, „die weder durch Konnektoren noch durch andere Konnexionsmittel verbunden sind“, semantische Relationen verschiedener Art feststellen lassen (Breindl/Waßner 2006: 55 f.).  

C4.2 Kausale Konnektoren

805

ANTI - IKONISCHE

(24a) (24b)

Konnektabfolge Maria verlässt Peter.t2 Er hat sich eine andere Frau auf der Internet. Singlebörse gesucht.t1 Peter sucht sich eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse.t2 Maria hat ihn verlassen.t1

Konnektabfolge Maria hat Peter verlassen.t1 Er sucht sich eine andere Frau auf der InternetSinglebörse.t2 Peter hat sich eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse gesucht.t1 Maria verlässt ihn.t2 Maria hat Peter verlassen. Er sucht sich deswegen eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse.

IKONISCHE

(25a) (25b) (25c)

Das Gleiche gilt auch für die und-Koordination: In (26a) bekommen zwei durch und koordinierte Sachverhalte eine konsekutive Lesart ebenfalls nur bei einer expliziten Markierung durch einen konsequensmarkierenden Adverbkonnektor. Beim Fehlen eines expliziten relationalen Markers wird die durch den Tempuswechsel initiierte temporale Lesart bevorzugt (vgl. (26b)). (26a) (26b)

Maria hat Peter verlassen und er sucht sich deswegen eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse. (= (25a)) KONS Maria hat Peter verlassen und er sucht sich eine andere Frau auf der InternetSinglebörse. (≠ (26a)) TEMP

Bei einer anti-ikonischen Konnektabfolge dagegen können zwei Sachverhalte asyndetisch oder mithilfe eines Adverbkonnektors wie nämlich verknüpft, nicht aber mit und koordiniert werden, auch wenn – parallel zu (26a) – im zweiten Konnekt ein A NTEZEDENS -Marker sprachlich realisiert wird, wie in (27d) (mehr dazu in C2.1.3.1.2.2). (27a) (27b) (27c) (27d)

Maria verlässt Peter. Er hat sich eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse gesucht. Maria verlässt Peter. Er hat sich nämlich eine andere Frau auf der InternetSinglebörse gesucht. *Maria verlässt Peter und er hat sich eine andere Frau auf der InternetSinglebörse gesucht. *Maria verlässt Peter und er hat sich nämlich eine andere Frau auf der Internet-Singlebörse gesucht.

Begründungen mit doch: Ebenfalls kausal werden V1-Sätze mit doch ge(i) deutet, wie in (28):            

806

(28)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Der Bau des Polders ist ungewiss, steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen. (Beispiel aus HDK-1, S. 515)  

In diesem Fall wird die kausale Bedeutung nicht wie bei typischen Kausalkonnektoren allein durch die Präsenz des lexikalischen Markers determiniert, sondern durch eine Reihe syntaktischer und pragmatischer Faktoren, die zutreffen müssen, damit der Satz als kausal verstanden wird, s. (29). (29)

Der Bau des Polders ist ungewiss, weil dem der Widerstand der Anwohner entgegensteht.

Neben der Verberststellung im zweiten Konnekt besteht eine weitere syntaktische Besonderheit der sogenannten V1-Kausalen darin, dass doch in der Mittelfeldposition zwar obligatorisch ist, positionell aber nicht eingeschränkt wird. Mit anderen Worten, eine weitere Lizenzierungsbedingung für V1-Kausalsätze ist die schlichte Präsenz von doch im Mittelfeld und nicht eine bestimmte Position darin, die zum Beispiel mit bestimmten informationsstrukturellen Besonderheiten korrelieren würde. (30) (31) (32)

… steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen. … steht doch der Widerstand der Anwohner dem entgegen. … steht dem der Widerstand der Anwohner doch entgegen.

Außerdem kann das A NTEZEDENS -Konnekt bei V1-Kausalen nur nachgestellt werden, wie in (33) zu sehen ist. Dies ist deshalb überraschend, weil andere V1-Sätze, z. B. V1Konditionale, anteponiert vorkommen können, d. h. die Anteposition von V1-Sätzen ist im Deutschen nicht an sich syntaktisch blockiert. Im Falle kontrafaktischer Konditionale ist es möglich, V1-Sätze postponiert zu verwenden, was wiederum zeigt, dass die Postposition von V1-Sätzen an sich keine kausale Lesart erzwingt, vgl. (34).  



(33)

*Steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen, ist der Bau des Polders ungewiss.

(34a)

Wäre die Karriere Hubers damit endgültig gebrochen, wäre es aber kein Wunder. Es wäre aber kein Wunder, wäre die Karriere Hubers damit endgültig gebrochen. (Die Presse, 13.01.1997, o. S.)

(34b)



Die Relatabfolge im Falle von V1-Kausalsätzen mit doch ist also, wie es für die i. e. S. kausalen Relationen üblich ist, anti-ikonisch:  

(35)



In diesem Jahr machen die warmen Temperaturen die AMA-Besucher besonders durstig. So füllen sie die angrenzenden Höfe, kühlen ihre Kehle mit Wein

807

C4.2 Kausale Konnektoren

oder Bier und lassen sich von den Jagdhornbläsern Alzey-Worms, dem Spielmannszug aus Binningen und den Lieger Hunsrückmusikanten musikalisch unterhalten. Auch an den Essensständen bilden sich schnell Schlangen. Kein Wunder, gibt es doch viele Spezialitäten zu probieren. (Rheinzeitung, 01.09. 2009, o. S.) Für viele ist es ein Spießrutenlauf, begegnen sie doch im Prozess nicht nur ihrem Peiniger, sondern sind auch Anfeindungen, Skepsis, Peinlichkeiten und Demütigungen ausgesetzt. (Nürnberger Zeitung, 11.07.2008, S. 9) Museumsleiter Bernd Hildebrandt ist überaus zufrieden, hat er doch jetzt eine Sensation in seiner Sammlung. Denn das Elch-Skelett ist in Europa das einzige, das vom Ende der Eiszeit vollständig und noch dazu sehr gut erhalten ist. (Berliner Zeitung, 30.04.2002, S. 21)  

(36)



(37)



Es ist wichtig, an dieser Stelle hervorzuheben, dass es sich in solchen Strukturen wie in (28), (30)–(32), (35)–(37) um ein unbetontes doch handelt. Die betonte Variante von doch hat einen anderen Status und kann durchaus auch in konditionalen V1-Sätzen vorkommen (38), ohne die Offenheit der Proposition aufzuheben. Das unbetonte doch in V1-Sätzen mit kausaler Lesart erzwingt das hingegen offensichtlich. (38)

Ich weiß, dass du eigentlich keine Lust hast, zur Party zu kommen. Kommst du DOCH, erwartet dich eine Überraschung!4

In HDK-1 wird diese als konnektoral zu interpretierende Verwendung von doch, einer anderen gegenübergestellt, und zwar einer ebenfalls unbetonten Variante von doch in deklarativen V2-Sätzen, wie in (39). Dort ist doch hingegen „nicht als Konnektor zu interpretieren, sondern als Ausdruck eines einstelligen Funktors“ (HDK-1: 515). (39)

Der Bau des Polders ist ungewiss. Dem steht doch der Widerstand der Anwohner entgegen.

Anders als HDK-1 sprechen wir hier in beiden Fällen auch dann nicht von einer nichtkonnektoralen Verwendung von doch (vgl. dazu auch die Ausführungen von Pittner 2007, 2011b über den Status von doch in Kausalsätzen mit Verberststellung), wenn die Relation selbst als kausal zu interpretieren ist. Doch ist kein explizierter Kausalmarker, sondern eine spezifizierende Partikel.5 Eine kausale Interpretation in V1-Sätzen mit doch kann ähnlich wie bei den oben besprochenen Fällen mit einer asyndetischen Verknüpfung zweier syntaktisch selbständigen V2-Strukturen aufgrund des gemein4 Den Hinweis auf dieses Beispiel, wie zahlreiche andere in diesem Kapitel, verdanken wir Gisela Zifonun. 5 In Zeevat/Karagjosova (2009) wird ihre Bedeutung unter „reminding causal“ subsummiert, so dass der Satz Bin ich doch reich eine Lesart wie Because, as you know, I am rich bekommt.

808

C4 Konditional basierte Konnektoren

samen Hintergrundwissens – des sogenannten common ground-Effekts (vgl. Clark 1996) – impliziert werden. Allerdings sind V1-Kausale an den vorangegangenen Satz stärker syntaktisch angebunden (vgl. auch Önnerfors 1997 zur Eigenschaften von Verb-Erst-Deklarativ-Sätzen, auch Pittner 2007, 2011b als asyndetisch verbundene V2Strukturen, in denen sich eine kausale Lesart ebenfalls nachweisen lässt, wie in (39). Die Frage, ob es in der Natur der kausalen Verbindung im Falle von V1- und V2-Sätzen mit doch einen Unterschied gibt, oder aber ob es sich um einen rein syntaktischen und möglicherweise informationsstrukturellen Unterschied handelt, wird hier offen gelassen. Pittner (2007: 40 ff.) weist auch weitere Eigenschaften von V1-Kausalen mit doch nach: Sie haben keinen Konstituentenstatus, können nicht mit Korrelaten auftreten, sind nicht fokussierbar und können durch die Verberststellung nicht mit voller Kraft assertiert werden. Außerdem rückt durch doch bei den V1-Kausalen, in diesem Fall ähnlich wie bei den V2-Kausalen, der epistemische Status der Proposition in den Vordergrund. Dies wurde schon in der GDS hervorgehoben, siehe eine mögliche Paraphrase in (40), eine propositionale Lesart ist ausgeschlossen, (41):  

(40)

(41)

Ich glaube/meine/nehme an, dass der Bau des Polders ungewiss ist, und der Grund für meine Annahme ist mein Wissen darüber, dass der Widerstand der Anwohner entgegen steht. *Ich bin sicher, dass der Bau des Polders ungewiss ist, steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen. ≠ PRO

Allerdings, wie Pittner (2011b) mit Recht bemerkt, können die V1-Kausalen mit doch keinen Bezug auf einen Sprechakt nehmen, wenn er z. B. als Frage oder direkte Aufforderung realisiert wurde (vgl. (42) und (43)), was aber im Falle V2-kausaler dochSätze durchaus möglich ist (vgl. (44)). Dies könnte unter anderem ein Grund dafür sein, warum die V1-Kausalen mit doch im gesprochenen Deutschen nicht verbreitet sind (vgl. Pittner 2011b):  

(42)

Wo bist du denn gestern gewesen? – weil ich dich gerade sehe/*sehe ich dich doch gerade. (Beispiel aus Pittner 2011b)

(43a)

*Warum ist der Bau des Polders ungewiss? Steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen. *Hört mit dem Bau des Polders auf! Steht dem doch der Widerstand der Anwohner entgegen.

(43b)

(44a) (44b)

Warum ist der Bau des Polders ungewiss? Dem steht doch der Widerstand der Anwohner entgegen. Hört mit dem Bau des Polders auf! Dem steht doch der Widerstand der Anwohner entgegen.

C4.2 Kausale Konnektoren

809

Wir halten fest, dass eine Analyse für V1-Kausalsätze mit doch möglich ist, nach der der Konnektorenstatus von doch nicht erforderlich ist und stattdessen eine einheitliche Bedeutung als Modalpartikel (siehe auch Pittner 2007, 2011) angenommen werden kann. Aus diesem Grund revidieren wir hier die in HDK-1 vertretene Auffassung, dass doch als (Kausal)konnektor verwendet werden kann. Begründungen mit ja: Eine analoge Analyse lässt sich für ja anstellen, das – (ii) wie auch doch – in V2-Sätzen in kausaler Lesart vorkommen kann. Trotzdem wird ja in dieser Verwendung in HDK-1 nicht als Konnektor klassifiziert (vgl. HDK-1: 579), weil es als einstelliger Funktor fungiert. Das Gegenteil davon wird in der DudenGrammatik (2005) behauptet: Sie (ebd.: 1086–1089) führt die Abtönungspartikel ja (neben doch und eben) unter den im engeren Sinne kausalen Konnektoren, ohne dem Leser eine Auskunft über deren konnektoralen Status und Möglichkeiten der Ableitung von deren kausaler Bedeutung zu geben oder auch nur Beispiele für deren Verwendung in kausaler Lesart zu liefern. An dieser Stelle möchten wir dieses Defizit beheben, gleichwohl aber dafür argumentieren, dass ja nicht als Kausalkonnektor angesehen werden kann, auch wenn die Relation als solche eine kausale Lesart haben kann.          

Als Modal- oder Abtönungspartikel kann ja in verschiedenen Kontexten vorkommen. Uns interessiert aber vor allem die Verwendung von ja mit Bezug auf das Vorwissen des Hörers, wie in den unten aufgelisteten Beispielen (vgl. auch eine analoge Verwendungsmöglichkeit von doch in (39)): (45a)

Am Anfang war das alles sehr bescheiden. Die Sänger, die später so weltberühmt wurden, waren damals noch gar nicht populär. Die haben wir in Europa ja erst eingeführt. Also spielte sich alles in verhältnismäßig kleinen Räumen ab. (Rheinzeitung, 20.05.2006, o. S.) Partys am Wochenende. Auch Punks und Rocker dürfen mal kuscheln. Runter vom Sofa! Der arme Obama. Der muss ja für alles Mögliche herhalten. Auch für Themen, die gar nichts mit ihm zu tun haben. Sogar für die Einleitung dieser Kolumne. (Nürnberger Zeitung, 14.11.2008, S. 1) Die Wissenschaftler sind immer noch nicht hinter das Phänomen der Lie be gekommen. Warum ist sie überhaupt da? Liebe ist ja theoretisch ein sinnloses Gefühl, zur Fortpflanzung brauchen wir sie nicht. (Nürnberger Nachrichten, 29.11.2007, S. 31)  

(45b)



(45c)



Wie im Falle von V2-Kausalen mit doch (39) können mit Hilfe von ja-Sätzen (ohne Verwendung von weiteren Konnektoren) Sprechereinstellungen begründet werden. Auch eine sprechaktbezogene Verwendung von Sätzen mit ja ist nicht ausgeschlossen (vgl. (45)). Solche Sätze sind stets nachgestellt, haben keinen Konstituentenstatus, können nicht mit Korrelaten auftreten, sind assertiert und können nicht fokussiert

810

C4 Konditional basierte Konnektoren

werden. Diese syntaktischen und informationsstrukturellen Beschränkungen sind typisch für Begründungen, die eine epistemische oder sprechaktbezogene Lesart haben können. Außerdem ist es bekannt, dass ja als Abtönungspartikel in einer Vielzahl von konnektorenhaltigen Relationen auftreten kann, ohne deren Natur zu ändern (vgl. Coniglio 2011): (46a)

Ich danke Herrn Seekatz ausdrücklich, dass auch er die Bürger über die Fördergelder der SPD-Landesregierung informiert – obwohl er ja eigentlich gar nichts damit zu tun hat und in Mainz in der Opposition sitzt. (RheinKONZ zeitung, 12.12.2006, o. S.) Wenn der Betreiber bei seinen Partys den Getränkepreis leicht anhebt, kann er womöglich schon an diesem Wochenende wieder seine Pforten öffnen. Und noch mehr Kohle machen, weil er ja höhere Preise für die Drinks verlangen muss. Manche landen eben immer auf den Füßen. (Nürnberger ZeiKAUS tung, 03.08.2007, S. 1) Derweil hat Reiche seine Vorstellungen davon, was sich künftig im „WillyBrandt-Forum“ abspielen soll, zu Papier gebracht. „Der Schwerpunkt soll auf Brandts Leben nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler liegen, denn damit hat er ja nicht aufgehört, politisch zu agieren“, erläutert der 52-Jährige im KAUS Gespräch mit der RZ. (Rheinzeitung, 28.02.2007, o. S.)  

(46b)



(46c)



In den Fällen wie unter (45), in denen ja ohne einen weiteren Konnektor vorkommt, lässt sich eine i. w. S. kausale Interpretation nicht vermeiden. Die Annahme, dass ja selbst eine kausale Relation denotiert, ist in solchen Fällen aber nicht erforderlich, da asyndetische Verbindungen unter bestimmten Bedingungen ohnehin kausal gelesen werden können. In der Literatur wird angenommen, dass „ja den Sprecher auf die Bestätigung der wörtlichen Einstellung festlegt“. Daher „[kommt] der Einstellung, auf die ja die Sprechereinstellung bezieht, immer der Status einer implizierten Bedeutung zu“ (Doherty 1985: 78). Wir nehmen im Einklang mit der Literatur an, dass ja in Sätzen mit kausaler Lesart eine „Erinnerungsfunktion“ (vgl. Doherty 1985: 79) hat, d. h. es wird durch die Verwendung von ja angezeigt, dass die Proposition, mit der ja semantisch verbunden ist, bereits im common ground enthalten ist oder aber enthalten sein müsste. Dies reicht bereits aus, um die kausale Interpretation zu stützen.  





(47a) (47b) (47c)

Morgen kann ich nicht an der Sitzung teilnehmen. Ich habe ja Heimarbeit beantragt. Morgen kann ich nicht an der Sitzung teilnehmen. Ich habe doch Heimarbeit beantragt. Morgen kann ich nicht an der Sitzung teilnehmen. Ich habe Heimarbeit beantragt.

C4.2 Kausale Konnektoren

811

Sowohl in (47a) als auch in (47b) und (47c) kann zwischen zwei Sachverhalten ein kausaler Zusammenhang hergestellt werden. Der im zweiten Konnekt ausgedrückte Sachverhalt kann als Grund dafür angesehen werden, warum der Sprecher nicht an der morgigen Sitzung teilnehmen kann. In (47a) ist die kausale Lesart durch die Verwendung der Partikel ja, in (47b) durch doch unterstützt, aber nicht kodiert. Der entscheidende Unterschied zwischen doch und ja liegt in der argumentativen Natur dieser Partikeln. Mit ja erinnert der Sprecher den Hörer daran, dass ihm bekannt sein sollte, dass der Sprecher am nächsten Tag nicht im Büro, sondern von zu Hause aus arbeiten wird. Während ja neutral verwendet wird, wird doch eher in Kontexten verwendet, in denen gegen eine mögliche Schlussfolgerung oder um eine mögliche Schlussfolgerung zu vermeiden, argumentiert wird. Dies gilt auch für eingeleitete Kausalsätze, z. B. mit weil, in denen doch und ja auch vorkommen können. An diesen Beispielen sieht man besonders deutlich, dass die Bedeutung von ja und doch keine relationale sein kann, denn Kausalität wird in den unten aufgeführten Beispielen eindeutig durch weil zum Ausdruck gebracht.  

(48)

Das war ein sehr unangenehmes Gefühl, für so lange Zeit auf dem OP-Tisch zu liegen. Ich wusste zwar, dass ich hier tatsächlich schon einmal gelegen hatte, aber ich konnte mich eben nicht mehr daran erinnern, weil ich ja bewusstlos war. (Mannheimer Morgen, 11.01.2006, o. S.) Die Stadtwerke Hannover haben ihm in einem kurzen Schreiben mitgeteilt, dass „die Betriebs- und Instandhaltungskosten für Ihren Gas-Netzanschluss wegen der sehr geringen Abnahmemenge nicht wirtschaftlich sind“. Daher werde man die Gasversorgung zum 30. Juni 2011 einstellen. „Ich verstehe das nicht“, sagt Sauer: „Wir kochen mit Gas, weil das doch umweltfreundlicher ist als mit Strom.“ (Hannoversche Allgemeine, 21.12.2009, o. S.)  

(49)





In (49) wird angedeutet, dass der Hörer möglicherweise das, was durch den weil-Satz begründet wird, anzweifeln könnte. In (48) hingegen ist eine solche Interpretation nicht gegeben, es wird nicht angedeutet, dass das, was hier begründet wird, vom Hörer in Frage gestellt werden könnte.

4.2.1.3.2 Lexikalische nicht-konnektorale Bedeutungsträger von Kausalität In diesem Teilkapitel werden einige Möglichkeiten erläutert, wie man kausale Zusammenhänge mit anderen lexikalischen, aber nicht konnektoralen Mitteln sprachlich ausdrücken kann, um die Breite des kausalen Ausdrucks im Deutschen zu zeigen. Dies bleibt meist verborgen, wenn es um Konnektoren als zentrale Verknüpfungsmitteln von Kausalität geht. Der Inhalt dieses Kapitels erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und hat eher illustrativen, ergänzenden Charakter.

812

C4 Konditional basierte Konnektoren

(i)

kausale Präpositionen



A NT NTEZEDENS EZEDENS -Marker: angesichts, aufgrund, halber, infolge, kraft, laut, mangels, wegen, zufolge, zuliebe etc. K ONSEQUENS -Marker: keine



Nicht nur Konnektoren können als explizite Bedeutungsträger von Kausalität dienen. Ein weiteres explizites Mittel, kausale Relation zum Ausdruck zu bringen, sind Präpositionen, die in HDK-1 nicht unter dem Begriff „Konnektor“ geführt werden. Anders als Konnektoren leiten Präpositionen keine finiten Phrasen ein, bei denen sie als linksperipherer Kopf fungieren. Im Vergleich zu Konnektoren kann das interne Argument einer Präposition nur minimal ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang sprechen Breindl/Waßner (2006) von „Derelationierung“ und „Typisierung“ der Proposition zum „Ereignisbegriff“. Nichtsdestotrotz kann das relationale Verhältnis innerhalb einer kausalen Relation auch mittels Präpositionen ausgedrückt werden. (50a)

[Wegen [der großen Nachfrage]I N T A R G ]PP wurde die Ausstellung bis zum 31. Juli 2011 verlängert. [Weil [die Nachfrage so groß war]I N T A R G ]S U B J P , wurde die Ausstellung bis zum 31. Juli 2011 verlängert.  

(50b)



Beide Sätze in (50a) und (50b) beantworten dieselbe Frage nach dem Grund für die Verlängerung der Ausstellung. Als kausale Marker fungieren in diesem Fall die Präposition wegen in (50a) und der Subjunktor weil in (50b). Da in (50) alternative grammatische Mittel zum Ausdruck von Kausalität verwendet werden, ist die kausale Information in (50a) satzintern – innerhalb der mit wegen eingeleiteten Präpositionalphrase –, in (50b) dagegen in Form eines finiten VL-Satzes ausgedrückt. Somit ist das interne Argument der kausalen PP eine NP, eines kausalen Nebensatzes eine VP. Da kausale PPs keine finiten Phrasen sind, sind sie auch keine Träger verbaler Informationen wie Modus, Tempus und Aspekt. Sie sind – mit der Ausnahme von wegen – weniger stark grammatikalisiert als Konjunktionen. Es soll hier nicht der falsche Eindruck erweckt werden, dass etwa jeder kausale NS mit weil durch eine kausale PP austauschbar ist. Frohning (2007: 32) hebt hervor, dass eine Nominalisierung etwa von einem weil-Satz zu einer wegen-PP dann schwierig scheint, „wenn in der Begründung Modalverben auftreten (wollen, müssen), Komparative (besser, schneller), negierte Prädikate (nicht gehen, nicht kommen), reflexive Verben (sich lieben, sich hassen) und Verben, die Aktionsarten aufweisen (erfrieren, erleiden). Eine Verbalisierung von einer wegen-PP zu einem weil-Satz ist dagegen im Kontext längerer Aufzählungen problematisch im Kontext von Sprechakten […] und wenn als Grund lediglich eine Person angeführt wird (etwa wie in seinetwegen, wegen seiner Mutter).“

C4.2 Kausale Konnektoren

813

Degand (2000) weist darauf hin, dass kausale Präpositionen tendenziell gegebene, bekannte Informationen zum Ausdruck bringen. Diese Eigenschaft teilen sie mit dem kausalen Konnektor denn, nicht aber mit weil und nämlich: Durch weil können sowohl neue als auch bekannte Informationen kodiert werden, durch nämlich wird dagegen ausschließlich neue Information in den Diskurs eingebracht (ausführlicher zu nämlich vgl. C4.2.3.1.1.2.3, Onea/Volodina 2009, 2011). Der geringe Ausbaugrad des internen Konnekts verhindert – so Degands Erklärung – die explizitere Präsentation eines in den Diskurs neu eingeführten Sachverhalts, der möglichst detailliert präsentiert werden muss. Die Besonderheit der Klasse kausaler Präpositionen ist, dass sie sich hinsichtlich der Markierung der Subtypen kausaler Relation asymmetrisch verhalten: Sie alle sind NTEZEDENS EZEDENS -Marker. Eine präpositionale Kodierung des K ONSEQUENS ist nicht gegeben, A NT es sei denn man interpretiert als solche die Verwendung von zu(m) in idiomatisierten Fügungen (vgl. Konerding 2002: 55). NT EZEDENS -Markern zählen nach den Angaben Zu den präpositionalen kausalen ANTEZEDENS einschlägiger Grammatiken und Spezialwörterbücher6 solche Präpositionen wie angesichts, aufgrund, halber, infolge, kraft, laut, mangels, von … wegen, zufolge, zuliebe etc.7 Sie sind meist lexikalisch transparent und basieren auf Nomina. Prototypische Vertreter sind wegen und aufgrund. Im Weiteren wird kurz auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen Präpositionen eingegangen. Wegen und aufgrund haben gemeinsam (auch mit den Subjunktoren wie weil und da), dass ihre Konnekte positionsvariabel sind, wie in (51) am Beispiel von wegen gezeigt: (51a) (51b) (51c) (51d)

VVF: [Wegen der zu erwartenden Schneefälle]: Wechseln Sie unbedingt die Reifen! (Beispiel aus Breindl/Walter, 2009: 50) VF: [Wegen der zu erwartenden Schneefälle] wechseln die Autofahrer die Reifen. MF: Die Autofahrer wechseln [wegen der zu erwartenden Schneefälle] die Reifen. NF: Die Autofahrer wechseln die Reifen [wegen der zu erwartenden Schneefälle].

Im Gegensatz zu wegen ist aufgrund ein weniger häufig verwendeter präpositionaler Kausalmarker. Anders als das semantisch verblasste wegen ist aufgrund semantisch transparent und lässt sich aus der komplexen Präpositionalphrase auf der Grundlage von ableiten. In der Regel sind aufgrund und wegen austauschbar, die Unterschiede 6 Es wurden folgende Grammatiken ausgewertet: Buscha et al. 1998, Duden 2005, Engel 1988, Helbig/ Buscha 1998, Weinrich 1993, GDS; an Spezialwörterbüchern Buscha 1989 und Helbig 1988. 7 In besonderen Kontexten können auch die primär lokalen Präpositionen auf, aus, durch, vor oder bei als kausale Marker verwendet werden.  

814

C4 Konditional basierte Konnektoren

zwischen diesen zwei Lexemen werden in der Literatur häufig auf informationsstrukturelle Besonderheiten zurückgeführt oder Gebrauchspräferenzen, die durch etymologisch begründete semantische Transparenz bzw. Intransparenz erklärt werden. So zeigt z. B. aufgrund eine höhere Affinität zu topikalen Komplementen als wegen, so das Ergebnis der Korpusstudie von Breindl/Walter (2009: 120). Außerdem stellen die Autoren weitere Unterschiede zwischen wegen und aufgrund fest, z. B. in Bezug auf die Erweiterung des Kopfnomens, das von der Präposition regiert wird: „aufgrund präferiert Komplemente, die mindestens drei Elemente enthalten (73%), wegen hingegen Komplemente mit maximal zwei Elementen (51,2%). Aufgrund erlaubt, anders als wegen, keine kasusunmarkierten Komplemente, aber auch keine genitivisch markierte einelementige NP“ (ebd.: 120).  



(52a) (52b)

wegen Regen/wegen Regens vs. *aufgrund Regen/*aufgrund Regens wegen Steinschlag(s) gesperrt vs. *aufgrund Steinschlag gesperrt/*aufgrund Steinschlags gesperrt (Beispiele nach Breindl/Walter 2009: 120)

Allerdings gilt die Variante aufgrund von als Ersatzform für wegen: (52a)’ (52b)’

wegen Regen vs. aufgrund von Regen wegen Steinschlag(s) gesperrt vs. aufgrund von Steinschlag gesperrt

Wegen kann sowohl in der Ante- als auch in der Postposition8 hinsichtlich des von ihm regierenden Kopfnomens auftreten, die Verwendung von aufgrund ist dagegen auf die Anteposition beschränkt. Nur das anteponierte wegen erlaubt den Kasuswechsel vom Genitiv zum Dativ, aufgrund regiert nur den Genitiv. (53a) (53b) (53c)

Nicht allein [des Regens wegen/*aufgrund] fiel die Demo aus. *Nicht allein [dem Regen wegen/aufgrund] fiel die Demo aus. Nicht allein [wegen/*aufgrund dem Regen] fiel die Demo aus.

Neben den Präpositionen steht ein ausgeprägtes Inventar von Ausdrücken des Nennwortschatzes aus den offenen Klassen zur Verfügung, um eine kausale Relation auszudrücken. (ii)

Substantive mit relationalem Prädikat KAUS



NTEZEDENS EZEDENS - Marker: Grund, Ursache, Motiv, Ausgangspunkt, Anreiz, BegrünA NT dung, Voraussetzung etc;

8 Allerdings präferiert die anteponierte Variante von wegen.

815

C4.2 Kausale Konnektoren



K ONSEQUENS - Marker: Folge, Schlussfolgerung, Ergebnis, Konsequenz, Resultat, Wirkung etc.

In einer bestimmten Verwendung können auch Substantive, deren Bedeutung hinsichtlich des Ausdrucks von Kausalität lexikalisch transparent ist, losgelöst aus dem Satz analog zu den entsprechenden kausalen Verknüpfungsmitteln verwendet werden (in Bezug auf andere relationale Konnektorenklassen s. Waßner 2004, 388 ff.). Sie nehmen in solchen Fällen die Position zwischen zwei Konnekten an, wobei je nach relationaler Bedeutung des Substantivs der eine oder andere Relata-Typ markiert wird. In (54) steht das relationale Nomen Ursache, das typischerweise typographisch durch einen Doppelpunkt, Komma usw. von dem darauf folgenden Konnekt getrennt wird,9 zwischen dem als Konsequens zu kennzeichnenden Sachverhalt, dass am 26. Juni 1988 drei Menschen getötet und mehrere verletzt wurden, und dem Antezedens-Sachverhalt, dass die Maschine zu tief und zu langsam flog.  



(54)

Bei dem Absturz bei einer Flugschau waren am 26. Juni 1988 drei Menschen getötet und 120 verletzt worden. Ursache: Die Maschine flog zu tief und zu langsam. (Neue Kronen Zeitung, 10.04.1998, S. 6)  



Wird das relationale Nomen dagegen aus dem konsekutiven Bereich entnommen, wie z. B. Resultat, ändert sich die Relatabfolge: Auf den sogenannten substantivischen Konnektor (Terminus nach Waßner 2004: 389) folgt in diesem Fall das Konsequens:  

(55)

Die Düsseldorfer Detektei Kocks bekommt jährlich rund 300 Anfragen, eine oder mehrere Bewerbungsmappen zu überprüfen. Vor ein paar Jahren untersuchten die Mitarbeiter im Auftrag eines Wirtschaftsmagazins 5000 Bewerbungen. Resultat: In 1500 Fällen war geschummelt, gelogen und betrogen worden. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 27.10.2005, o. S.)  

Auf diese Weise können mit Hilfe substantivischer Konnektoren beide Markierungstypen im kausalen Bereich abgebildet werden. Neben relationalen Substantiven, die unter den oben genannten Bedingungen viel häufiger analog zu Konnektoren gebraucht werden, können auch nicht lexikalisierte Konstruktionen, d. h. ganze Sätze, in der satzverknüpfenden Funktion auftreten.  

(56)

Dem späten Frost folgt eine frühe erste Ernte. Seit einigen Tagen stehen die frühreifen Früchte am Straßenrand und in den Höfen Spalier. „Wir sind acht

9 In der mündlichen Realisierung wird das relationale Nomen entsprechend mit einem separierenden, tief-fallenden Ton realisiert.

816

C4 Konditional basierte Konnektoren

bis zehn Tage früher dran“, berichtet Henrich. Und auch das hat eine ganz natürliche Ursache: Der August war brüllend heiß. (Frankfurter Rundschau, 27.08.1997, S. 1)  

Nicht notwendigerweise muss bei dieser Art der Verknüpfung der auf den Konnektor folgende Satz die Form eines Hauptsatzes haben. Es finden sich durchaus Belege, in denen eine komplexere kausale Beziehung vorliegt, wie in (57), in dem mehrere aufeinanderfolgende Sachverhalte begründet werden. (57)

Binnen eines Jahres sank die Zahl der Tankstellen um 137 auf noch 14.902. Das teilte Fachdienst EID (Hamburg) mit. Ursache: Weil die Autos immer sparsamer sind, fällt natürlich auch der Kraftstoffabsatz. (Hamburger Morgenpost, 05.02.2008, S. 7)  

Das Antezedens zu Ursache ist in diesem Fall aber nicht der komplette weil-Satz, sondern nur sein externes Konnekt, das im zweiten Schritt durch den weil-Satz begründet wird: Also haben wir mit der folgenden Struktur zu tun: (r, Ursache q) und (q weil p), wobei r = Zahl der Tankstellen sinkt, q = Der Kraftstoffabsatz fällt und p = Die Autos sind sparsamer. (iii)

Verben mit relationalem Prädikat KAUS



A NT NTEZEDENS EZEDENS -Marker: auslösen, bedingen, beruhen (auf), bewirken, führen (zu), motivieren, provozieren, verursachen etc.; K ONSEQUENS -Marker: erfolgen, gründen (in), resultieren (in), sich erklären (aus), sich ergeben (aus) etc.



Ähnlich wie Konnektoren bringen auch Relationsverben10 zwei Sachverhalte in ein kausales Verhältnis zueinander, in dem sie – anders als Konnektoren – „den relationalen Pfeil an sich abbilden und nicht den einen oder anderen Sachverhalt markierend hervorheben“ (Schmidhauser 1995: 129). (58)

Zu diesem Problem kommt ein weiteres hinzu: Die ständige Nässe verursacht Hausschwamm-, Pilz- und Schimmelbefall auch im benachbarten Flaschenweinlager. (Rheinzeitung, 06.01.2000, o. S.) Das Enddatum 2024 für den baden-württembergischen Reaktor Neckarwestheim ergibt sich aus einer Gesamtlaufzeit von 35 Jahren pro Kraftwerk. (Berliner Morgenpost, 20.06.1999, S. 5)  

(59)



10 „Im Verb als Prädikat wird eine Relation zwischen den beschriebenen Sachverhalten explizit sprachlich realisiert“ (Heidolph et al. 1981: 825, zit. nach Schmidhauser, 1995: 44).  

C4.2 Kausale Konnektoren

817

In (58) wird das Subjekt des Satzes die ständige Nässe als Ursache für Hausschwamm-, Pilz- und Schimmelbefall verstanden. In (59) wird dagegen der Grund, dass der Reaktor bis 2024 läuft, durch das präpositionale Objekt angegeben. In der Semantik eines kausativen Verbs sind die Relatrollen festgelegt. Ein Verb wie auslösen macht das Antezedens zum Subjekt des Satzes. Ein Verb wie basieren auf zeichnet sich im Gegenteil dadurch aus, dass das Konsequens als Subjekt ausgedrückt wird, das Antezedens als Präpositionalobjekt:  

(60a) (60b)

[Defekte Mikrowelle]A N T E Z löst [Rauchmelder]K O N S E Q aus. *[Rauchmelder]K O N S E Q löst [defekte Mikrowelle]A N T E Z aus.

(61a) (61b)

[Unsere Kommunikation]K O N S E Q basiert auf [Offenheit.] A N T E Z *[Offenheit]A N T E Z basiert auf [unserer Kommunikation.]K O N S E Q

Ob man in solchen Fällen tatsächlich von zwei unterschiedlichen Markierungsstrategien innerhalb des kausalen Bereichs sprechen soll, ist umstritten. Aufgrund dessen, dass beide Pole – das A NTEZEDENS und K ONSEQUENS – in der Struktur mit einem kausativen Verb gleichwertig behandelt werden, „ohne dass eine spezifische Gewichtung des einen Teils auf Kosten des anderen erfolgt“, sieht Schmidhauser (1995: 131) von der Idee der Markiertheit oder Gerichtetheit bei den kausativen Verben ab.

4.2.1.4 Gebrauchsfrequenzen bei kausalen Konnektoren Im Archiv morphosyntaktisch (mit Hilfe des CONNEXOR-Taggers) annotierter Korpora des IDS (DeReKo) mit einer Gesamtzahl von 1.505.818.966 Textwörtern haben wir folgende Gebrauchsfrequenzen bei kausalen Konnektoren ermitteln können, die in den darauf folgenden Tabellen nach zwei Kodierungstypen – antezedensmarkierende (s. Tab. C4.2-2) und konsequensmarkierende (s. Tab. C4.2-3) Konnektoren – absteigend aufgelistet sind. In der zweiten Spalte ist das absolute Vorkommen der Lemmata im Korpus W-TAGGED-gesamt angegeben. In der dritten Spalte wurde zum Vergleich der relative Wert pro 10.000 Textwörter berechnet.

818

C4 Konditional basierte Konnektoren

Tab. C4.2-2: Gebrauchsfrequenzen bei ausgewählten antezedensmarkierenden Konnektoren N11

N* (pro 10.000 Textwörter) absteigend sortiert

857.409

5,6940

denn

!

788.267

5,2348

da

429.716!

2,8537

60.211

0,3999

1.626

0,0108

umso weniger, als

60

0,0004

alldieweil

27

0,0002

sintemal(en)

21

0,0001

weil

zumal (da) umso mehr, als

Die kausale Trias weil, denn und da ist wie erwartet im Zeitungskorpus am häufigsten belegt. Weil als Kausalkonnektor mit der höchsten Frequenz wird knapp von denn gefolgt, dann kommt da, dessen Vorkommen im Korpus etwa die Hälfte der weilBelege ausmacht. Zumal (da) ist als Postponierer weniger gebräuchlich als die syntaktisch und semantisch weniger eingeschränkten Subjunktoren da und weil. Der Konnektor umso mehr, als ist statistisch signifikant häufiger belegt als sein Pendant umso weniger, als, das – gefolgt von alldieweil und sintemal(en) – zu den am wenigsten frequenten Kausalkonnektoren zählt. Aus den kosequensmarkierenden Konnektoren wurden für die quantitative Auswertung lediglich die vier Konnektoren deshalb, deswegen, sodass/so dass und demzufolge ausgewählt, bei denen eine höhere Frequenz zu erwarten war. Tab. C4.2-3: Gebrauchsfrequenzen bei ausgewählten konsequensmarkierenden Konnektoren N

N* (pro 10.000 Textwörter) absteigend sortiert

deshalb

!

421.194

2,7971

sodass/so dass

121.174

0,8047

64.434!

0,4279

5.479

0,0364

deswegen demzufolge

Unter diesen ist deshalb der am meisten verwendete Konnektor. Zum Vergleich: Sein Pendant deswegen ist in der konnektoralen Verwendung um einen Faktor 6,5 weniger häufig belegt. Die Markierung einer konsekutiven Relation durch so dass ist ebenfalls seltener als durch deshalb, und zwar um einen Faktor von etwa 3,5.

11 Die mit ! markierten Daten sind mit Abzug von Fehlerraten berechnet (ausführlicher zur Auswertung von Daten im Exkurs „Zur quantitativen Auswertung der Daten“, s. C4.2.1.4).

819

C4.2 Kausale Konnektoren

Exkurs: Zur quantitativen Auswertung der Daten Für die Konnektoren da, denn, deshalb und deswegen, die polyfunktional verwendet, sprich nur in einer bestimmten syntaktischen Position kausal interpretiert werden können, ist das CONNEXOR-Tagging nicht so zuverlässig wie bei monofunktionalen Konnektoren wie z. B. weil. Im CONNEXOR wurde z. B. da automatisch als Adverb () und als Subjunktion () annotiert. Im Idealfall entspricht die Verwendung von da als Kausalkonnektor dem Tag . Beim automatischen Tagging mit CONNEXOR wird aber die konnektorale da-Verwendung sowohl als als auch annotiert. Deswegen musste die Fehlerquote per Hand aus einer Stichprobe von 500 Belegen pro Konnektor ermittelt werden. Im Fall von da wurde wegen der Instabilität des Ergebnisses die Stichprobe auf 1000 Belege erhöht. In Zahlen ausgedrückt lag die Fehlerrate des Taggers bei da annotiert als bei 33,7%, bei da als bei 22%. Außerdem konnten wir bei da-Belegen, die weder als noch als getaggt wurden, 15,7% Subjunktionen ermitteln. Ein ähnliches Problem haben wir bei dem Lemma denn festgestellt, das in CONNEXOR als Adverb () und Konjunktion () annotiert wurde. Dementsprechend wurde das Ergebnis der Recherche zu denn und da (s. Tab. C4.2-2) unter Berücksichtigung von Fehlerraten beim automatischen Tagging mit CONNEXOR berichtigt, denn die Angabe der gefundenen als -getaggten da- und als -getaggten denn-Tokens würde das Gesamtergebnis verfälschen. Die Lemmata deswegen und deshalb wurden in CONNEXOR einheitlich als annotiert. Daher ist die Differenzierung nach der syntaktischen Funktion für diese Wortformen nicht möglich. Die Verwendung von deshalb und deswegen als Korrelat zu da und weil ist aber für unsere Zwecke auszuschließen. Die Suchanfrage nach den Lemmata deshalb bzw. deswegen „ohne weil“ im vorherigen und im nachfolgenden Satz ergab für deshalb 423.736, für deswegen 64.954 Treffer. Dieses Ergebnis musste aber unter Berücksichtigung der Fälle, in denen deshalb und deswegen als Korrelate zu da verwendet werden, berichtigt werden. Aufgrund dessen, dass da bei dem CONNEXOR-Tagging nicht eindeutig als Subjunktor bestimmt werden kann (siehe oben), musste eine Fehlerrate von 0,6% bei deshalb und 0,8% bei deswegen abgezogen werden, die auch in diesem Fall durch eine Stichprobe von 500 Belegen pro Konnektor per Hand ermittelt wurde.  



4.2.2 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Bei den Versuchen, den Begriff Kausalität linguistisch so zu definieren, dass darunter ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Typen von Kausalität erfasst werden kann, stellte sich in etlichen Arbeiten die Frage, inwiefern zwei ohne Zweifel verwandte Kategorien wie Kausalität und Konditionalität zusammenhängen. Worin genau dieser Zusammenhang besteht, ist eine umstrittene Frage.

4.2.2.1 Kausalität als Spezialfall von Konditionalität Einige Forscher, wie z. B. Rudolph (1976), Schulz/Griesbach (1982) und Helbig/Buscha (1998), gehen insbesondere aufgrund einer schon bei Aristoteles ansetzenden philosophischen Tradition davon aus, dass Kausalität ein grundlegender Begriff ist und Konditionalität darin nur eine Unterkategorie bildet. Allerdings scheint die Annahme einer kausalen Basis in solchen Beispielen wie in (62) und (63) problematisch:  

820

(62) (63)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wenn Mannheim eine Metropole ist, dann ist Frankfurt eine Weltstadt. „Wenn Gattuso Italiens Aushängeschild ist, dann bin ich der Papst.“ Spaniens Trainer Luis Aragones glaubt nicht, dass die Sperre des Mittelfeldmanns Italien Probleme bereitet. (Rhein-Zeitung, 21.06.2008)

Solche und andere Probleme kann man umgehen, wenn man von der Annahme ausgeht, dass die konditionale Relation die Basis für die kausale bildet (vgl. z. B. Hermodsson 197312, Heidolph/Flämig/Motsch 1981, GDS, Eisenberg 1999, 2004).  

4.2.2.1.1 Der Ansatz der GDS Wir verzichten hier darauf, sowohl die konkurrierenden als auch die verwandten Ansätze im Einzelnen vorzustellen und beschränken uns im Wesentlichen darauf, den Ansatz der GDS zu verdeutlichen. Nach der GDS ergibt sich Kausalität aus der logischen Definition der Konditionalität, wobei die Ableitung der Kausalität nicht als einfache Modifikation der Wahrheitswerttabelle einer konditionalen Relation gesehen wird. Vielmehr argumentiert die GDS im Sinne der Mögliche Welten-Semantik, die auf Stalnaker (1968), Lewis (1973) u. a. zurückgeht.  

Das Konditionale, bestehend aus [ …] Antezedens, p und [ …] Konsequens, q besagt, daß es aus der Sicht des Sprechers mit dem einschlägigen Wissen eher vereinbar ist, daß „p und q“ der Fall ist, als daß „p und nicht-q“ der Fall ist. Das heißt, Situationen, in denen p und q gelten, sind auf dem jeweiligen Redehintergrund und bei dem jeweiligen Wissensstand wahrscheinlicher oder eher denkbar als Situationen, in denen p der Fall ist, q jedoch nicht der Fall ist. (GDS: 2283 f.).  

Über Situationen, in denen das Antezedens nicht wahr ist, legt sich der Sprecher bezüglich der Wahrheit des Konsequens nicht fest, d. h. diese Situationen gelten als semantisch irrelevant. Nach der Definition der GDS kann Kausalität als eine solche Relation begriffen werden, die auf der logischen Struktur der Konditionalität basiert und einer Schlussstruktur entspricht, in der die Faktizität des als A NTEZEDENS angegebenen Sachverhalts feststeht:  

(64)

Weil

es regnet,

ist es nicht mehr so heiß.

kausaler Konnektor

internes Konnekt

externes Konnekt

weil

p = es regnet

q = es ist nicht mehr so heiß

A NTEZEDENS

K ONSEQUENS ONSE QUENS

Grund

Folge

faktisch

faktisch kausale Relation

12 So Hermodsson (1973: 303): „Die Konditionalität kann als der allgemeinere Begriff bezeichnet werden. […] Das kausale Verhältnis kann somit als eine spezielle Art von Bedingung betrachtet werden.“

821

C4.2 Kausale Konnektoren

Die den Propositionen p ‚es regnet‘ und q ‚es ist nicht mehr so heiß‘ entsprechenden Konnekte sind mit Hilfe des Konnektors weil so miteinander verbunden, dass sie in ihrer sowohl zeitlichen als auch logischen Abfolge einen Kausalnexus bilden, in dem die durch das interne Konnekt ausgedrückte, faktisch gegebene Proposition p einen (oder den) Grund für die Faktizität der durch das externe Konnekt ausgedrückten Proposition q darstellt. Im Unterschied zu konditionalen Relationen ist der Sachverhalt p nicht nur vermutet, sondern als faktisch gegeben (es regnet in der Tat) dargestellt. Dies ist auch bei konzessiven und finalen Verhältnissen der Fall. Die Abgrenzung der kausalen Relation von den anderen ebenfalls auf das logische Muster der Konditionalität zurückführbaren Relationstypen ist ein wichtiger Schritt für die definitorische Bestimmung von Kausalität. Kausalverhältnisse werden auf die logische Form des Konditionals im Rahmen von Schlüssen zurückgeführt. In der GDS wird dies anhand des Beispiels: Die Rohre platzen, weil Frost herrscht verdeutlicht. Mit einer Kausalrelation wird zwar nicht die Regel selbst formuliert, wonach die Rohre immer platzen, wenn es Frost gibt, die Kausalrelation wird aber implizit auf diese Regel zurückgeführt. Darüber hinaus wird auch ausgesagt, dass Frost herrscht. Zusammen bilden diese zwei Aspekte der Kausalrelation ein argumentatives Muster, nämlich den klassischen modus ponens: (65)

konditional formulierte Regel:

Wenn Frost herrscht, platzen die Rohre.

p→q

faktische Aussage:

Es herrscht Frost.

p

faktische Folge:

Die Rohre platzen.

q

Das Kausalverhältnis steht also für ein gesamtes Argument, das aber keinen Anspruch auf absolute Gültigkeit erhebt. Die GDS bemerkt diesbezüglich, dass „das kausale Verhältnis zwar eine Schlußfigur zusammenfaßt, daß die zugrundeliegenden Regularitäten selbst aber nicht mit absolutem Anspruch gelten, sondern mit einem z. B. epistemisch abgeschwächten Anspruch“ (GDS: 2292). Auf diese Weise werden mit der Definition der GDS im Rahmen von Kausalrelationen gleichermaßen deduktive und reduktive Schlüsse, streng gültige und nur plausible Argumente sowie andere Formen kausaler Zusammenhänge – wie etwa Begründungen – erfasst, was hier anhand von (66) und (67) kurz erläutert werden soll:  

(66) (67)

Es herrscht Frost, denn die Rohre sind geplatzt. Er ist zu Hause. Weil das Licht ist an.

Dass in (66) und (67) kein U RSACHE -W IRKUNG -Verhältnis vorliegt, ist evident. Mithilfe der logischen Struktur des Konditionals sind diese Kausalrelationen aber leicht zu erfassen:

822

(68)

C4 Konditional basierte Konnektoren

konditional formulierte Regel:

Wenn Frost herrscht, platzen die Rohre.

p→q

Evidenz:

Die Rohre platzen.

q

reduktiver Schluss:

Es herrscht Frost. [Denn die Rohre platzen.]

p

Mit der Definition der GDS ist es ebenfalls möglich, diese Schlussfolgerung auch mit der Konditionalrelation Wenn die Rohre platzen, dann herrscht Frost aufzubauen. In diesem Fall hätten wir aber einen deduktiven Schluss. Welche der beiden Konditionalrelationen gewählt wird, wird in der GDS dem allgemeinen Weltwissen überlassen. Der Sprecher wird sich üblicherweise aufgrund seines Wissens über wetterbedingte Phänomene eher auf die Konditionalrelation Wenn die Rohre platzen, herrscht Frost festlegen, als auf die Konditionalrelation Wenn es Frost gibt, platzen die Rohre: Denn es ist nicht üblich, dass die Rohre wegen des Frostes platzen, und üblich, dass die Rohre trotz des Frostes (ihrer Bestimmung gemäß) nicht platzen.

4.2.2.1.2 Definition der Kausalrelation Die Definition für eine Kausalrelation, der wir im Rahmen dieses Buchs folgen werden: (69)

NTEZEDENS EZEDENS ) und q (K K ONSEQUENS ): Eine Kausalrelation besteht zwischen p (A A NT a. p ist assertiert oder präsupponiert. b. Folgende Regeln werden impliziert: i. p’ → q’ (wobei p’ und q’ Generalisierungen über p bzw. q sind) ii. non p → non q

Wobei i. für eine allgemeine Regel steht (typischerweise, wenn p, dann auch q) und ii. für ein kontrafaktisches Konditional (wenn p nicht gilt, dann gilt auch q nicht bzw. aus der Perspektive der Mögliche-Welten-Semantik: In Welten, in denen p nicht gilt, gilt auch q nicht.) Anmerkung zu a: Je nachdem, ob p assertiert oder präsupponiert wird, eröffnet sich der Raum für eine Variation in der Semantik der einzelnen kausalen Konnektoren. Einige, wie da, präsupponieren die Geltung des Antezedens, andere, wie denn, assertieren sie. Anmerkung zu b.i: Eine Generalisierung p’ gewinnt man beispielsweise durch das Ersetzen eines Terminus mit spezifischer Referenz durch einen generischen Terminus. (70)

p = Peter schläft. p’ = Ein Mann schläft.

C4.2 Kausale Konnektoren

823

Anmerkung zu b.ii: In ii ist p bzw. q und nicht p’ bzw. q’ gemeint, denn es geht um eine (kontrafaktische) Beziehung zwischen konkreten Sachverhalten. Interpretation von ii. aus der Perspektive der Mögliche-Welten-Semantik: Welten, in denen p nicht gilt, und in denen es möglich ist, dass q nicht gilt, sind mit dem Wissenshorizont des Sprechers eher vereinbar, als Welten, in denen p nicht gilt und es nicht möglich ist, dass q nicht gilt. Die oben angegebene Definition gilt allerdings nur mit der Einschränkung, dass es sich dabei um kontrafaktische mögliche Welten handelt, in denen an den übrigen Umständen, die zusammen mit p für die Auslösung von q verantwortlich sind, sich nichts ändert außer p, und auch keine anderen Umstände dazu kommen, die q auslösen könnten. Ein Beispiel illustriere die Definition: (71)

Peter ist krank, weil er barfuß gelaufen ist.

Unter der Annahme, dass p (= Peter ist krank) behauptet wird, impliziert der Satz in (71) gemäß der Definition für kausale Relation in (69) folgende Regeln: (i) & (ii)

Wenn jemand barfuß läuft, wird er typischerweise krank. Welten, in denen Peter nicht barfuß gelaufen ist und nicht krank ist, sind mit dem Wissenshorizont des Sprechers eher vereinbar, als Welten, in denen Peter nicht barfuß gelaufen ist und trotzdem krank ist. Sprich: Wenn er nicht barfuß gelaufen wäre, wäre er jetzt nicht krank.

Wenn man auch Welten betrachtet, in denen Peter nicht barfuß gelaufen ist, aber sich dafür mit einem Virus infiziert hat, dann wird ii offenkundig nicht wahr sein. Die oben angegebene Einschränkung dient dazu, beispielsweise solche Welten aus der Betrachtung zu eliminieren. Hierzu muss man allerdings anmerken, dass man ein paar metaphysische Annahmen über die Natur von Kausalität in einem Mögliche-Welten-Modell braucht. Zum einen kann man davon ausgehen, dass ein Ereignis von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Es ist also selten der Fall, dass ein bestimmtes Ereignis U allein ein Ereignis W verursacht. Richtiger wäre eher zu sagen, dass unter bestimmten Umständen das Ereignis U das Ereignis W verursacht, wobei die Veränderung dieser Umstände durchaus dazu führen könnte, dass das Ereignis U eintritt und das Ereignis W nicht. Zum Beispiel kann das Werfen eines Balles auf eine bestimmte Weise durchaus bewirken, dass der Ball das Ziel trifft, wenn aber der Wind beispielsweise stärker wäre, hätte der Ball das Ziel klar verfehlt.  



824

C4 Konditional basierte Konnektoren

ii wird nun also wie folgt gelesen: Welten, in denen alles, was zur Verursachung von q beigetragen hat, so bleibt, wie es ist, bis auf die Tatsache, dass p nicht gilt, sind eher solche Welten, in denen q nicht gilt, als Welten, in denen q trotzdem gilt. Dies kann wie folgt an einem Beispiel erläutert werden: (72)

Er starb, weil er von einer Kugel getroffen wurde.

Der Satz (72) ist wahr, wenn der Tod allein durchs Schießen verursacht wurde. Derselbe Satz kann aber auch als falsch interpretiert werden, wenn ein Ereignis von zwei unabhängigen Ursachen gleichzeitig verursacht ist. Der Fall ereignet sich dann, wenn jemand stirbt, weil er von einer Kugel getroffen wird, und gleichzeitig einen Herzinfarkt erleidet und aus beiden Gründen genau zum gleichen Zeitpunkt gestorben wäre. Bei einer solchen Interpretation ist der Satz (72) falsch, da ja das Fehlen der Kugel seinen Tod nicht verhindert hätte. Diese Lesart ist zwar diskutabel, wird aber in Kauf genommen. Wie sich nun solche problematischen Beispiele wie z. B. das bereits oben erwähnte (67) mit unserem Kausalitätsbegriff behandeln lassen, wird im Folgenden gezeigt:  

(67)

Peter ist zu Hause. Weil das Licht ist an. a. p ist assertiert: Das Licht ist an. b. i: Typischerweise, wenn das Licht an ist, ist jemand zu Hause. ii: Welten, in denen das Licht nicht an ist und Peter nicht zuhause ist, sind eher denkbar, als Welten, in denen das Licht nicht an ist und Peter zu Hause ist. Also, wenn das Licht nicht an wäre, wäre Peter nicht zu Hause.

Das Problem ist, dass die Regel ii offenkundig nicht gilt (sprich, sie ist nicht allgemeingültig): Peter könnte durchaus zu Hause sein, aber im Dunklen sitzen oder schlafen. Für solche Fälle nimmt die GDS an, dass es sich um reduktive Schlüsse handelt und daher auch die konditionale Regel Wenn das Licht an ist, ist Peter zu Hause umgedreht werden kann. Wir betrachten also stattdessen die Regel: Wenn Peter nicht zu Hause wäre, wäre das Licht nicht an. Diese Regel stimmt, daher ist der Satz in (67) (im Sinne der Definition der GDS) wahr. Nach der hier vertretenen Definition der Kausalität (69) ist der Satz (67) nicht wahr, eben weil die zweite Regel nach unserem Weltwissen nicht stimmen kann. Deshalb nehmen wir in solchen Fällen an, dass die Proposition Peter ist zu Hause durch einen Operator wie z. B. ich denke modalisiert wird. D. h. die Proposition Peter ist zu Hause wird durch die Proposition Ich denke, dass Peter zu Hause ist ersetzt. Das würde für ii heißen:  

ii:



Wenn das Licht nicht an wäre, würde ich nicht denken, dass Peter zu Hause ist.

825

C4.2 Kausale Konnektoren

Dieser Satz ist wahr. Solche Modalisierungen des Kausalitätsbegriffs sind typisch für die Interpretation solcher Beispiele auf der epistemischen Ebene. Dafür haben wir in A4.4 eine erweiterte Formel für Sätze wie (67) diskutiert. Diese lautet angewendet auf dieses konkrete Beispiel wie folgt: (67)

Peter ist zu Hause. Weil das Licht ist an. KAUS (Das Licht ist an, ANNAHME (Peter ist zu Hause))

oder generalisierend: KAUS (A A NTEZ , EPS(K K ONSEQ )) Ähnlich funktioniert es auch, wenn durch das Antezedens nicht eine epistemisch bewertete Proposition begründet wird wie in (67), sondern ein Sprechakt, z. B. eine Frage:  

(73)

Wann sehen wir uns wieder? Weil ich nehme nächste Woche Urlaub. KAUS (Ich nehme nächste Woche Urlaub, FRAGE(Wann sehen wir uns wieder?))

oder generalisierend: KAUS(A A NTEZ , ILL(K K ONSEQ )) Auf diese Weise können alle, auch die modifizierten Arten von Kausalität erfasst werden, worauf in C4.2.2.4 näher eingegangen wird.

4.2.2.2 Abgrenzung von anderen konditional basierten Relationen Das Ziel dieses Kapitels ist es, das Verhältnis zwischen der kausalen Relation und den mit ihr verwandten Relationstypen – wie z. B. Konzessivität und Finalität, die ebenfalls auf die logische Struktur des Konditionals im Rahmen einer Schlussstruktur zurückzuführen sind – zu klären. Damit ist aber nicht gemeint, dass Kausalität und die anderen oben genannten Relationen als Spezialfälle der Konditionalität angesehen werden: Diese Verhältnisse „sind konditional fundiert, insofern als ihnen […] Regularitäten zugrundeliegen, die nach dem Konditionalschema rekonstruiert werden können. Allerdings kommen bei jedem einzelnen Verhältnis weitere, jeweils spezifische Elemente hinzu“ (GDS: 2291). In (69) haben wir in Anlehnung an die GDS die Definition für die kausale Relation gegeben, mit der auch die Beziehung zu den anderen konditional basierten Relationen erfasst werden kann.  

826

C4 Konditional basierte Konnektoren

Von der Konditionalrelation unterscheidet sich die Kausalrelation (und auch die anderen konditional basierten Relationen) durch die Bedingung a. in (69), die lautet: p ist assertiert oder präsupponiert. Das Antezedens einer konditionalen Relation ist nicht assertiert, da p offen ist und es sich daher um eine nicht-faktische Relation handelt. KOND (74) Wenn es regnet, bleibt Peter zu Hause. p = Es regnet q = Peter bleibt zu Hause KAUS (75) Weil es regnet, bleibt Peter zu Hause. p = Es regnet q = Peter bleibt zu Hause KONS (76) Es regnet, so dass Peter zu Hause bleibt. p = Es regnet q = Peter bleibt zu Hause Konditionale Relationen können aber nicht nur hypothetisch, sondern auch kontrafaktisch formuliert werden. (77)

Wenn es geregnet hätte, wäre Peter zu Hause geblieben. p = Es hat geregnet q = Peter ist zu Hause geblieben Es hat nicht geregnet Peter ist nicht zu Hause geblieben

Wichtig ist zu bemerken, dass kontrafaktische Konditionale sich von kausalen Relationen darin unterscheiden, dass in deren Fall nicht nur p und q nicht faktisch gelten müssen (weder assertiert noch präsupponiert), sondern explizit deren Nicht-Geltung präsupponiert wird. Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass die Möglichkeit der Verwendung von Kausalrelationen in zukunftsbezogenen (vgl. (78)) oder kontrafaktischen Situationen (vgl. (79) und (80)) nichts daran ändert, dass das Antezedens bei der kausalen Relation als in der Wirklichkeit realisiert begriffen wird. Dies wird dadurch erklärt, dass in solchen Fällen die Evaluation auf eine andere (fiktive) Welt bezogen durchgeführt wird. (78)

Müntefering hatte auf die Frage, wer für die SPD kandidieren werde, geantwortet: „Für uns natürlich Gerhard Schröder, davon gehe ich aus. Und er wird Bundeskanzler bleiben, weil wir die Wahl gewinnen.“ (Mannheimer Morgen, 26.08.2003, o. S.) Von kurzer Dauer war die Mitgliedschaft von Geiserich Tichy im CA-Aufsichtsrat: Der Wirtschaftsprüfer und Universitäts-Professor mußte sein Mandat nach nur zwei Tagen zurücklegen, weil er sonst nicht Aufsichtsrats-Präsident der Investkredit geworden wäre. (Salzburger Nachrichten, 22.05.1999, o. S.)  

(79)



C4.2 Kausale Konnektoren

(80)

827

Es ist schon eine Ironie der Geschichte: 1966 wollte die Bundeswehr den Schützen Scharping nicht. Wegen seiner Brille wurde der damals 19jährige nach ein paar Wochen aus dem Wehrdienst entlassen. 1998 wollte Scharping die Bundeswehr nicht, weil er lieber Fraktionsvorsitzender geblieben wäre. (Berliner Morgenpost, 01.11.1998, S. 9)  

D. h. kausale Relationen können durchaus auch in vorher schon als hypothetisch gekennzeichneten Kontexten oder in einem zukünftigen Szenario wie in (78) verwendet werden. Im Rahmen der Theorie der Möglichen Welten besteht der wesentliche Unterschied zwischen den konditionalen und kausalen Relationen darin, dass Konditionale immer über alle möglichen Welten, in denen p wahr ist, aussagen, dass q wahr ist, und dabei ist es eine ganz andere Frage, ob nun p in unserer Welt wahr ist oder nicht. Dagegen sagt eine kausale Relation aus, dass sowohl p als auch q in einer bestimmten Welt wx wahr sind, ohne sich darauf festzulegen, ob wx unsere, die reale, Welt ist oder nicht. Wichtig ist dabei, dass in der Regel zwischen wx und unserer Welt kein Unterschied gemacht wird. Was für hypothetisch formulierte Konditionale gilt, gilt aber auch für die sogenannten ‚faktischen‘ Konditionale (vgl. C4.1.2.3.2). Daher werden sie in diesem Buch nicht als ein eigenständiger Subtyp von Kausalität angesehen, sondern lediglich als ein Sonderfall von (hypothetischen) Konditionalen. Obwohl an sich eine gewisse Nähe zu den kausalen Relationen durch das Merkmal ‚+ faktisch‘ gegeben ist, ist diese ‚Faktizität‘ entweder durch den gemeinsamen common ground gegeben oder ist aus dem Kontext abgeleitet und kann daher anders als bei den i. e. S. kausalen Konnektoren nicht als Teil der Konnektorbedeutung angesehen werden. Als „faktisch“ werden Konditionalsätze nur in speziellen Kontexten interpretiert. Diese sind für präsupponierende Diskurspartikeln wie schon durchlässig, die nur in solchen Kontexten möglich sind, in denen Konnekte als „gegeben“ gelten: Meistens sind „faktische“ wenn-Sätze auf einen Sprechakt bezogen und dienen zur Begründung seines Vollzugs:  



(81)

(82)



Wenn man schon soviel von direkter Demokratie in diesem Lande spricht: Warum wird nicht das entsprechende Landesgesetz dahin geändert, daß jede Gemeinde für sich entscheiden darf, ob sie die Direktwahl ihres Bürgermeisters möchte oder nicht? (Vorarlberger Nachrichten, 13.03.1997, S. A5) „Wenn man schon Johnny Depp heißt: Das wäre ja auf Deutsch Johannes Dollbohrer. Das kann ja nichts werden“. Der trockene Humor des Duos faszinierte gleichermaßen wie die kabarettistische Umsetzung ganz normaler Alltagsprobleme. (Rheinzeitung, 26.03.2007, o. S.)  

Von der konzessiven Relation unterscheidet sich die Kausalrelation sowohl hinsichtlich der Assertion als auch hinsichtlich der implizierten Regelmäßigkeit, die im Falle von Konzessivrelationen anders strukturiert ist.

828

KONZ (83) KAUS (84)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Obwohl es regnet, geht Peter spazieren. p = Es regnet ¬q = Peter bleibt zu Hause Weil es regnet, bleibt Peter zu Hause. p = Es regnet q = Peter bleibt zu Hause

Die konzessive Relation kann auch als Negation der kausalen Relation aufgefasst werden. Es gibt zwar einen erwarteten kausalen Zusammenhang, dieser wird aber durch einen anderen, vorerst nicht genannten Grund ausgesetzt. Trotz der Erwartung, dass Peter während des Regens zu Hause bleibt, geht er spazieren: ¬q OBWOHL p. Wichtig ist, dass bei Konzessivrelationen die Regelmäßigkeit selbst präsupponiert wird (s. C4.3), während sie bei den Kausalrelationen nicht notwendigerweise präsupponiert sein muss, wobei die Möglichkeit der Existenz von präsupponierenden Kausalkonnektoren offen gelassen wird. Von der Finalrelation unterscheidet sich die Kausalrelation entscheidend darin, dass im Falle finaler Relationen eine kausale Relation rekonstruiert werden kann. Dies liegt aber lediglich daran, dass für rationale Handlungen Ziele auch zugleich kausale Ursachen sind. Wenn man sagt, was eine Person mit ihrer Handlung bezweckt, so ist dies zugleich auch der Grund für die Ausführung dieser Handlung. Dies ermöglicht die pragmatische Verwendung von Finalrelationen als Begründungen bzw. Erklärungen. Diese als Erklärung angeführte Kausalität gilt dann zwischen p und WOLLEN / SOLLEN , DASS q. FIN (85)

Damit Peter fit bleibt, joggt er jeden Tag. q = Peter bleibt fit p = Peter joggt jeden Tag

KAUS (86)

Weil Peter jeden Tag joggt, bleibt er fit. p = Peter joggt jeden Tag q = Peter bleibt fit. Basis-KOND (87) Wenn Peter jeden Tag joggt, bleibt er fit. p = Peter joggt jeden Tag q = Peter bleibt fit. Der wesentliche Unterschied zwischen Kausalität und Finalität ist aber, dass Finalsätze immer modal sind, sie drücken Möglichkeit, Fähigkeit oder zukünftige Handlungen aus. Das finale Verhältnis ist immer assertiert und kann im Unterschied zur Konzessivrelation nicht präsupponiert werden. Wie die Kausalsätze können aber auch Finalsätze auf das Basiskonditional zurückgeführt werden. Das allgemeine Schema für alle oben beschriebenen Relationen kann in Anlehnung an die GDS wie folgt aussehen:

C4.2 Kausale Konnektoren

829

Tab. C4.2-4: Logisch-semantische Struktur der konditional fundierten Relationen kausale Relation

konsekutive Relation

konzessive Relation

finale Relation

p→q

p→q

p→q

p→q

p

p

p und ¬q

geboten/gewollt (q)

q weil p

p so dass q

¬q trotz p

p damit q

KAUS (p, q)

KONS (p, q)

KONZ (p, q)

FIN (p, q)

Es gibt noch einen nicht unwesentlichen Punkt, der auf alle beschriebenen Relationen zutrifft: Alle konditional basierten Subjunktorrelationen können systematisch neben der propositionalen auch auf der epistemischen Ebene und auf der Sprechaktebene verknüpfen. Allerdings ist eine Differenzierung nach der Ebene der Verknüpfung (im Sinne von Sweetser 1990) nur für solche relationalen Verhältnisse aufschlussreich, die die eine oder andere Lesart lexikalisch spezifisch kodieren können. Laut mehreren in den letzten 20 Jahren erschienenen Arbeiten spielen die Ebenen gerade im kausalen Bereich eine prominente Rolle. Auch wenn das Ergebnis der Korpusuntersuchungen zu diesem Thema (s. Breindl/Walter 2009, Stede/Walter 2011) dem theoretischen Fortschritt in Sachen der Modellierung der Bedeutung von Kausalität eher kritisch entgegensteht, wollen wir nach einer kurzen Besprechung konkurrierender Ansätze im nächsten Kapitel dieses Thema noch einmal aufgreifen.

4.2.2.3 Unterschiedliche Beschreibungsansätze für Kausalität In der Literatur wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass kausale Konnektoren auch in auf den ersten Blick überraschenden Kontexten vorkommen können, wie in (88) und (89). Anders als in (91) ist es in (88) und (89) intuitiv nicht möglich, den Sachverhalt des internen Konnekts als Ursache für den in einem anderen Konnekt ausgedrückten Sachverhalt zu interpretieren. Deswegen hat man angenommen, dass hiermit eine andere Art von Kausalität vorliegt als in (91). Außerdem haben wir in (88)–(90) mit unterschiedlichen kausalen Lexemen zu tun, was unsere Annahme bezüglich unterschiedlicher Satzverknüpfungsarten stärkt. Zu beantworten wären in diesem Zusammenhang folgende Fragen: – Wodurch genau ist der Unterschied zwischen (88) und (89) einerseits und (91) andererseits festzumachen? – Wird diese spezifische Art von Kausalität durch ihre spezifischen Verknüpfungsmittel kodiert oder kommt sie auf einem anderen Weg zustande? Es gibt durchaus Möglichkeiten, Unterschiedliches mit den gleichen konnektoralen Mitteln auszudrücken: Die Sätze in (90) und (91) unterscheiden sich formal lediglich dadurch, dass die Relatrollen ausgetauscht werden. (90) ist aber nicht äquivalent mit (91).

830

C4 Konditional basierte Konnektoren

Da du schon zum zehnten Mal fragst: Peter bleibt heute zu Hause. Ich kann dir leider kein Geld leihen, denn bin ich Krösus? Es regnet, weil die Straßen nass sind. Weil es regnet, sind die Straßen nass.

(88) (89) (90) (91)

(≠ (91))

In allen diesen Beispielen sind zwei Propositionen mit Hilfe von genuin kausalen Konnektoren verknüpft, die das kausale Verhältnis zwischen diesen Propositionen denotieren. Die Frage ist nun, ob es sich hiermit um unterschiedliche Arten von Kausalität handelt, und wenn dies der Fall sein sollte, wie sie sich ableiten lassen. Je nach Fokus der Untersuchung gibt es unterschiedliche Modelle, in denen der Unterschied zwischen kausalen Konnektoren – in diesem Kapitel werden illustrativ nur die zentralen kausalen Konnektoren weil, da und denn besprochen – auf unterschiedliche Weise erfasst wird. Im Rahmen dieses Buches argumentieren wir aus der Perspektive des Drei-Ebenen-Modells von Sweetser (1990) (vgl. A4.4, B), bevor wir aber zu diesem Modell übergehen, sollten an dieser Stelle ein paar Vorläufer-Modelle diskutiert und konkurrierende Ansätze präsentiert werden. (i) semantisch orientiertes Beschreibungsmodell Pasch (1987) sieht den Unterschied zwischen weil einerseits und da und denn andererseits darin, dass sie unterschiedliche Arten von Satzverknüpfungen ermöglichen. Sie argumentiert für die Annahme von zwei Arten semantischer Beziehungen: (i)

Beziehungen zwischen Propositionen bzw. zwischen den von Propositionen identifizierten Sachverhalten sv; (ii) Beziehungen zwischen Einheiten ‚e‘(‚sv‘) bzw. auf der extensional-semantischen Ebene zwischen Einheiten aus ausgedrückter Einstellung e und bezeichnetem Sachverhalt sv, der (Pasch 1987: 125) Operand dieser Einstellung ist, d. h. zwischen Einheiten e(sv).  

Mit anderen Worten, es gibt sowohl Konnektoren, die Propositionen verknüpfen, als auch Konnektoren, die Einheiten von ‚e‘(‚sv‘) verknüpfen können. Als Beispiel aus dem kausalen Bereich dient für die ersteren weil, für die letzteren denn und da. Daher ergeben sich Bedeutungsunterschiede zwischen den genannten Konnektoren, die wie folgt zusammengefasst werden: Während mit der Verwendung von weil eine bestimmte Beziehung zwischen zwei Sachverhalten bezeichnet wird, drückt der Sprecher mit der Verwendung von da oder denn nur aus, daß er eine bestimmte Beziehung für gegeben ansieht. Er spricht nicht über sie, wie er es tut, wenn er weil wählt. (Pasch 1987: 126)

(ii) pragmatisch orientiertes Beschreibungsmodell Für Schmidhauser (1995) greift ein rein semantisch orientiertes Beschreibungsmodell für kausale Konnektoren eindeutig zu kurz, weil „mit einer rein semantischen Beschreibung die spezifischen kommunikativen Leistungen bestimmter Kausalfeldele-

C4.2 Kausale Konnektoren

831

mente in konkreten Kontexten nicht fixiert werden können. Und dies ist deshalb unmöglich, weil die Semantik die Frage nach der konkreten Bezugsgröße und dem Bezugstyp nicht erklären kann“ (Schmidhauser 1995: 84). Er unterscheidet zwischen vier unterschiedlichen Verwendungsweisen für kausale Verknüpfungen und zeigt dies am Beispiel des kausalen Konnektors denn (siehe Beispiele (92)–(95)): (92) (93) (94) (95)

Der Mäzen hat ihn aus erbärmlichen Verhältnisse errettet – denn er war der Sohn verarmter, arbeitsloser Analphabeten. Peter behauptet, der Größte zu sein , denn er hat alle Gegner geschlagen. Die Katze hat Hunger, denn sie frisst den ganzen Topf leer. Bist du gut angekommen? Denn wir hatten die schlimmsten Befürchtungen.  

Auch wenn alle denn-Beispiele als kausal zu deuten sind, nimmt Schmidhauser unterschiedliche Arten von kausalen Verhältnissen an: Während das interne Konnekt in (92) auf einen bestimmten Ausdruck, und zwar erbärmliche Verhältnisse, innerhalb der durch das externe Konnekt ausgedrückten Proposition bezogen ist, besteht das kausale Verhältnis in (93) zwischen zwei vollständig ‚versprachlichten‘ Propositionen: p1 = Peter behauptet, der Größte zu sein und p2 = er hat alle Gegner geschlagen. (94) wäre dagegen ein Beispiel für eine symptomatische Verwendungsweise von denn (das, was in der GDS unter reduktivem Schluss verstanden wird). Die Bezugsgröße ist ebenfalls die durch das externe Konnekt ausgedrückte Proposition, die gleichzeitig eine Sprechhandlung des Schlussfolgerns impliziert. In (95) wird mit der durch das interne Konnekt ausgedrückten Proposition auf eine Sprechhandlung – in diesem Fall auf die Frage Bist du gut angekommen? – Bezug genommen (vgl. Schmidhauser 1995: 84–95). (iii) kognitiv-funktional orientiertes Beschreibungsmodell Gleich in mehreren Arbeiten im Umfeld von Ted Sanders (Leiter des Projekts Causality and Subjectivity as cognitive principles of discourse representation: Converging evidence from language use an der Universitat Utrecht) wird dafür argumentiert, dass die Dimension Subjektivität maßgeblich den Gebrauch kausaler Konnektoren beeinflusst (vgl. Pit 2003, Stukker 2005, Pander Maat/Sanders 2000, Pander Maat/Degand 2001, Degand 2001, Degand/Pander Maat 2003, Mulder 2008, Evers-Vermeul 2005, Mol 2004 sowie Sanders/Sweetser 2009). Diese Hypothese wird durch eine ganze Reihe experimentell gewonnener Daten und Erkenntnisse aus dem Erstspracherwerb und korpusbasierter Studien vor allem zum Niederländischen, Englischen und Deutschen unterstützt. Nach Frohning (2007) kann nicht nur eine Dimension, sondern können gleich mehrere Faktoren dafür verantwortlich sein, welcher kausale Konnektor verwendet wird. In ihrer Korpusstudie testet sie anhand gleich mehrerer Faktoren 10 kausale Marker, unter denen sich neben Konnektoren auch Präpositionen befinden. Diejenigen Faktoren, die sich mit besonderer Trennschärfe auf die lexikalische Variation im kausalen Bereich auswirken, sind laut Frohning (2007) Ikonizität, Informationsstatus, Aufmerksamkeit und Evidenzialität.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

(iv) kognitiv-pragmatisch orientiertes Beschreibungsmodell Die Theorie Sweetsers (1990) entstammt, anders als die oben diskutierten Ansätze, dem Bereich der kognitiven Linguistik im Sinne von Lakoff/Johnson (1980). Sie begreift die propositionale bzw. nicht-propositionale Verwendung von sprachlichen Äußerungen im Allgemeinen, insbesondere aber von Konnektoren, als Realisierungen unterschiedlicher kognitiver Ebenen. So kann die Begründung in einer kausalen Relation auf den propositionalen Gehalt des Matrixsatzes, auf die Annahme der im Matrixsatz ausgedrückten Proposition oder auch auf einen damit verbundenen Sprechakt bezogen werden. Auf der propositionalen Ebene wird eine Verknüpfung zwischen den propositionalen Gehalten hergestellt, vgl. (96). Die Verknüpfung, die zwischen der Begründung, die durch kausale Nebensätze ausgedrückt wird, und der epistemisch modifizierten Proposition des Matrixsatzes besteht, ist eine Verknüpfung auf der epistemischen Ebene, vgl. (97). Bezieht sich die Proposition eines kausalen Nebensatzes auf einen Sprechakt, spricht Sweetser von einer Verknüpfung auf der Sprechaktebene, vgl. (98): (96) (97) (98)

Weil Peter krank ist, geht er zum Arzt. Peter ist krank, – weil er war beim Arzt. Weil du grad anrufst: Kannst du heute Peter vertreten?

PRO EPS SPA

Das Modell von Sweetser ist mittlerweile über 20 Jahre alt, trotzdem löst sie bis heute kontroverse Diskussionen aus. Die zentrale Frage, die für den Semantik-Band des Handbuchs der deutschen Konnektoren von Interesse ist, ob dieser Ansatz dafür geeignet ist, lexikalische Unterschiede zwischen den Konnektoren einer Klasse und auch zwischen den Klassen zu erfassen, kann bis heute trotz zahlreicher (auch sprachübergreifender) Studien13 nicht für alle Klassen eindeutig positiv beantwortet werden (vgl. A4.4.1). Eine weitgehende Bestätigung findet die Theorie Sweetsers vor allem bei der Anwendung auf die i. e. S. kausalen Konnektoren, vgl. z. B. Arbeiten zum Deutschen von Keller (1993, 1995), Peyer (1997), Huelva Unternbäumen (2005), Blühdorn (2006, 2008), Antomo/Steinbach (2010). Terminologische Unstimmigkeiten einerseits und große Schwierigkeiten hinsichtlich der Operationalisierung der für das Englische aufgestellten Theorie hinsichtlich des Deutschen andererseits waren nicht zuletzt Gründe dafür, warum einige Forscher eine weitere Beschäftigung mit dieser Theorie für nicht fruchtbar hielten (vgl. Scheutz 1998b, 2001, Pander Maat/Degand 2001, Burkhardt 2002, Pit 2003) und warum andere den theoretischen Ansatz einer kritischen Evaluierung anhand von Korpusstudien zum geschriebenen (zuletzt Breindl/  







13 So liegen mittlerweile Untersuchungen zu adversativen (vgl. Lang 2000), kausalen (vgl. Keller 1993, Scheutz 1998b, 2001, Blühdorn 2006, Antomo/Steinbach 2010 – außerdem Pit 2003 zum Niederländischen, Deutschen und Englischen, Kitis 2006 zum Griechischen, Stukker 2005 zum Niederländischen, Ravetto/Blühdorn 2011 kontrastiv zum Deutschen und Italienischen), konditionalen (vgl. Pittner 1999, 2000, Volodina 2006 – außerdem Athanasiadou/Dirven 2000 zum Englischen), konzessiven (vgl. Günthner 2000, Breindl 2004c), additiven (Breindl 2008b) Relationen vor.

C4.2 Kausale Konnektoren

833

Walter 2009, Stede/Walter 2011) und gesprochenen Deutsch (vgl. Volodina 2007, 2011a) unterzogen haben. Aus ähnlichen Gründen haben einige Forscher für die Erweiterung Lang (2000) bzw. für die Modifizierung des Modells von Sweetser plädiert, s. Volodina (2011a, 2011b). Ungeachtet dessen hat der Sweetser’sche Ansatz die deutsche Konnektorenforschung maßgeblich beeinflusst, denn die Idee, dass der Sprecher mittels bestimmter lexikalischer, prosodischer und syntaktischer „Signale“ dem Hörer zu verstehen gibt, wie, auf welcher Ebene seine Äußerungen zu verstehen sind, ist äußerst reizvoll, denn auf diese Weise können formale und funktionale Aspekte der Sprachbeschreibung vereint werden. Warum gerade für die kausalen Konnektoren die Unterscheidung nach der Ebene der Verknüpfung im Rahmen dieses Buches (im Einklang mit der Forschung) einer der zentralen Beschreibungsansätze ist, wird im nächsten Abschnitt diskutiert.

4.2.2.4 Strukturierung nach den Ebenen der Verknüpfung Im kausalen Bereich, dessen Konnektoren aus der Perspektive des Modells von Sweetser (1990) besonders intensiv untersucht wurden (kritische Auseinandersetzung s. Breindl/Walter 2009, Stede/Walter 2011, Volodina 2011a, 2011b, Reis 2013), ist die Unterscheidung nach drei Ebenen der Verknüpfung zum Standard geworden und findet sich mittlerweile in Grammatiken sowie in einschlägigen Beiträgen zu Handbüchern (GDS, Duden-Grammatik 2005, 2009, Fabricius-Hansen 2007). Einige Gebrauchspräferenzen kausaler Konnektoren, die auch unabhängig von der Ebenen-Theorie in der Forschung bereits in den früheren deskriptiven Arbeiten festgestellt wurden, können im Lichte dieses Modells durch die „Beschaffenheit“ der Ebenen erklärt werden: So wurde zum Beispiel in Bezug auf lexikalische Mittel von Kausalität festgestellt, dass nicht alle kausalen Konnektoren auf der propositionalen Ebene verknüpfen können. So können beispielsweise denn und weil-V2 etc. kaum dazu verwendet werden, eine reale kausale Kette darzustellen (vgl. Küper 1984, Keller 1993, Pasch 1997, HDK-1, Frohning 2007).14 (96) (99) (100)

≠ (99), ≠ (100) ≠ (96) ≠ (96)

Weil Peter krank ist, geht er zum Arzt. Da Peter krank ist, geht er zum Arzt. Peter geht zum Arzt, denn er ist krank.

Auf der anderen Seite ist der Gebrauch von deswegen oder deshalb als Korrelat zu weil dazu geeignet, epistemische Lesarten auszuschließen (vgl. z. B. HDK-1, Pit 2003, Blühdorn 2008). Über solche lexikalischen Disambiguierungsmöglichkeiten hinaus  

14 Laut HDK-1 ist da ebenfalls ein Konnektor, der nicht propositional verknüpfen kann (s. auch Gegenargumente in Breindl/Walter 2009 und Stede/Walter 2011).

834

C4 Konditional basierte Konnektoren

sind in der Literatur auch prosodische und syntaktische Disambiguierungsmöglichkeiten bekannt: So kann zum Beispiel die syntaktische Einbettung des internen Konnekts im Sinne des HDK-1, also des kausalen Nebensatzes, als Zeichen für eine propositionale Lesart gelten. Schon Pasch (1987) und Sweetser (1990) bemerken, dass auch die Intonation eine Rolle bei der Disambiguierung der epistemischen oder propositionalen Lesart spielt: Eine Intonation der gesamten Relation in einer einzigen prosodischen Einheit kann ebenfalls dazu beitragen, die Relation auf der propositionalen Ebene zu deuten. Die Frage, ob die Ebenen lexikalisch markiert sind, sprich, ob bestimmte Konnektoren nur auf bestimmten Ebenen verknüpfen können, wird in der Literatur unterschiedlich behandelt. HDK-1 unterscheidet einerseits zwischen Konnektoren, die auf allen Ebenen verknüpfen können, wie weil, und andererseits zwischen Konnektoren wie da und denn, die epistemische und sprechaktbezogene Lesarten zulassen, aber nicht propositional verknüpfen können. In jüngeren Korpusstudien (vgl. Breindl/Walter 2009 und Stede/ Walter 2011) und in der experimentellen Studie von Brinckmann/Volodina (2009) (s. auch Volodina (2012)) wurde diese These zum Teil relativiert, so dass ebenenspezifische Lesarten nicht nur mit der Leistung eines Konnektors in Verbindung gebracht werden, sondern auch mit weiteren syntaktischen und prosodischen Besonderheiten. Daraus folgt, dass die Ebenen der Verknüpfung keineswegs als alleiniges Merkmal fungieren können, um Unterschiede zwischen den kausalen Konnektoren festzumachen, auch wenn, wie das bei der Definition des Begriffs der Kausalität in C4.2.2.1.2 gezeigt wurde, die Ebenen für eine Definition von Kausalität erforderlich zu sein scheinen. In C4.2.2.1.2 (vgl. (69)) haben wir eine Definition für eine Kausalrelation gegeK ONben, nach der eine kausale Relation, bestehend aus p (A A NTEZEDENS ) und q (K SEQUENS ), als eine solche begriffen werden kann, wenn gilt: (69)

a. p ist assertiert oder präsupponiert. b. Folgende Regeln werden impliziert: i. p’ → q’ (wobei p’ und q’ Generalisierungen über p bzw. q sind) ii. non p → non q

Wobei i. für eine allgemeine Regel steht (typischerweise, wenn p, dann auch q) und ii. für ein kontrafaktisches Konditional (wenn p nicht gilt, dann gilt auch q nicht) bzw. aus der Perspektive der Mögliche-Welten-Semantik für Welten, in denen p nicht gilt, gilt auch q nicht. Die semantisch sehr starke Relation b.ii. drückt eine kausale Relation nach dem U RSACHE -W IRKUNG -Prinzip aus. Durch die Annahme, dass kausale Relationen nicht nur auf der propositionalen Ebene realisiert werden können, sondern auch auf der epistemischen Ebene und auf der Sprechaktebene, kann gezeigt werden, dass unsere Definition alle Fälle abdeckt. Deshalb ist die Annahme der Ebenen unbedingt erforderlich.

C4.2 Kausale Konnektoren

835

4.2.2.4.1 Kausale Relationen auf der propositionalen Ebene Wir gehen davon aus, dass kausale Relationen auf der propositionalen Ebene eine als objektiv betrachtete Ursache für ein Ereignis oder einen Sachverhalt angeben. (101)

Das Haus ist zusammengebrochen, weil es ein Erdbeben gab.

Dieser Ursachenbegriff ist philosophisch etwas schwer fassbar und intuitiv irreführend, da es sich hin und wieder um eine bloße Ermöglichung handelt und gelegentlich um logische Voraussetzungen. So wäre (102) durchaus auf der propositionalen Ebene zu lesen, obwohl die Erlaubnis geküsst zu werden sicherlich intuitiv keine Ursache für das Küssen darstellt, sondern eher eine Ermöglichung. Gleichwohl wird der Satz so gelesen, dass man annehmen kann, dass er sie nicht geküsst hätte, wenn sie es nicht erlaubt hätte, mithin durchaus der Definition entsprechend. Ähnliches gilt für (103). Die Tatsache, dass Peter reich ist, ist eher eine kontextuell notwendige Bedingung, eine Ermöglichung der Tatsache, dass er einen teuren Wein trank. So ist in diesem Fall höchstens von einer Teilursache (vgl. auch Schmidhauser 1995) zu sprechen. KAUS auf der propositionalen Ebene muss also hinreichend flexibel gedeutet werden, um auch solche Fälle mit einbeziehen zu können. (102) (103)

Peter hat Maria geküsst, weil sie es ihm erlaubt hat. Peter trank einen teuren Wein, weil er sich das leisten konnte.

PRO PRO

An dieser Stelle sei noch einmal zusammenfassend festgehalten: Kausale Strukturen, die auf der propositionalen Ebene fungieren, – können im Skopus der Negation und skopusfähiger Ausdrücke wie Fokuspartikeln stehen; – können als attributive Korrelatstrukturen realisiert werden; – sind erfragbar, d. h. ihr internes Konnekt kann eine W-Frage direkt beantworten; – sind prosodisch in der Regel als eine einzige Intonationseinheit realisiert.  

4.2.2.4.2 Kausale Relationen auf der epistemischen Ebene Der entscheidende Unterschied zwischen der Relation auf der propositionalen Ebene und der kausalen Relationen auf der epistemischen Ebene ist die Einführung der Funktion EPS(K K ONSEQ ), die verdeutlichen soll, dass die im externen Konnekt ausgedrückte Proposition hier im epistemischen Modus zu begreifen ist. Ein typischer Fall epistemischer Kausalität ist: (104)

Er ist zu Hause, weil die Lichter brennen.

K ONSEQ ) ) KAUS(A A NTEZ , EPS(K

836

C4 Konditional basierte Konnektoren

Aufgrund der Definition Sweetsers ist eine scharfe analytische Trennung zwischen kausalen Relationen auf der propositionalen Ebene und Relationen auf der epistemischen Ebene nicht möglich. Der Grund dafür besteht darin, dass eine Relation auf der propositionalen Ebene eine Relation auf der epistemischen Ebene logisch impliA NTEZ ) q (=K K ONSEQ ) bewirkt und der Sprecher weiß, dass p, kann ziert: D. h., wenn p (=A der Sprecher aufgrund seines Wissens, dass p, auf q schließen. Mithin bewirkt p nicht nur q, sondern auch EPS(q). Immerhin folgt aus der epistemischen Interpretation einer kausalen Relation keine propositionale Interpretation, d. h.: Es ist möglich, dass man eine Relation auf der epistemischen Ebene interpretiert, sie aber auf der propositionalen Ebene nicht interpretiert werden kann. Dies ist bei logischen oder reduktiven Schlüssen der Fall. Zwar ist Sweetser hinsichtlich dieses Problems nicht wirklich explizit, aber aus dem Gesamtcharakter ihrer Arbeit lässt sich ableiten, dass das Entscheidende hinsichtlich der Zuordnung zu der einen oder anderen Ebene nicht die logische Relation ist, die zwischen zwei Propositionen besteht oder bestehen könnte, sondern die kommunikative Absicht des Sprechers. Eine kausale Relation ist dann auf der epistemischen Ebene zu deuten, wenn aus dem Kontext klar hervorgeht, dass der Sprecher eine Annahme begründet und nicht die Ursache eines Sachverhalts angeben möchte. Analog zur propositionalen Ebene kann man auch für die epistemische Ebene einige klassische Tests angeben:  



Strukturen, die auf der epistemischen Ebene fungieren, – sind häufig durch syntaktische und prosodische Desintegration des internen Konnekts gekennzeichnet; – können nicht im Skopus der Negation und skopusfähiger Ausdrücke wie Fokuspartikeln wie nur stehen; – können in der Regel nicht als Korrelatstrukturen realisiert werden; – sind nicht direkt erfragbar, d. h. sie können nicht im Skopus einer W-Frage stehen; – sind durch die Präsenz von epistemischen Adverbien gekennzeichnet, die engen Skopus nehmen.  

4.2.2.4.3 Kausale Relationen auf der Sprechaktebene Von sprechaktbezogener Kausalität können wir dann sprechen, wenn der Matrixsatz einem vollzogenen Sprechakt entspricht, und mit dem Nebensatz nicht die Proposition, sondern der Sprechakt selbst bzw. seine Relevanz begründet wird. (105) (106)

Setz dich! Weil ich der Chef bin. Wo bist du denn? Weil ich sehe dich nicht.

C4.2 Kausale Konnektoren

837

Schon anhand dieser wenigen Beispiele wird deutlich, dass die Behandlung kausaler Relationen auf der Sprechaktebene in einigen Punkten von der Untersuchung derselben Relationen auf der propositionalen und auf der epistemischen Ebene abweicht. Kausale Relationen auf der Sprechaktebene sind ein typisches Phänomen der mündlichen Kommunikation und implizieren einen Bezug auf konversationelle Regeln, auf Sitten, Bräuche, Höflichkeitsformen usw., weswegen der Kausalitätsbezug zwischen zwei Relata nur in mehreren kognitiven Schritten etabliert werden kann. Die kausale Relation betrifft in solchen Fällen nicht den propositionalen Gehalt, sondern die Ausführung des Sprechakts, welcher als solcher nicht immer genannt wird. So ist die Paraphrase des entsprechenden Sprechakts durch seine explizite Bezeichnung der erste Schritt in der Analyse der Relation, wonach noch weitere folgen müssen, um das Verhältnis zwischen zwei Relata zu entschlüsseln. (107a) mit einer NTEZ EZ , K ONSEQ ) möglichen Paraphrase in (107b) ist allein mit der Funktion KAUS(A A NT semantisch nicht zu beschreiben: (107a) Was machst du heute Abend? Denn ich möchte etwas unternehmen. SPA (107b) = Ich frage, was du heute Abend machst, weil ich etwas unternehme will. A NTEZ , K ONSEQ ) → KAUS(A A NT NTEZ EZ , ILL(K K ONSEQ )) KAUS(A Kausale Strukturen, die auf der Sprechaktebene fungieren, sind in der Regel durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet, die auch für die kausalen Strukturen auf der epistemischen Ebene typisch sind (vgl. 2.3.1.2): – Sie sind häufig durch syntaktische und prosodische Desintegration des internen Konnekts gekennzeichnet; – Sie können in der Regel nicht als Korrelatstrukturen realisiert werden; – Sie sind nicht direkt erfragbar, d. h. sie können nicht im Skopus einer WFrage stehen; – Sie sind durch die Präsenz von Sprechaktoperatoren gekennzeichnet, die nur dann die sprechaktbezogene Lesart begünstigen, wenn sie engen Skopus nehmen.  

4.2.3 Kausale Konnektoren im Detail Im Folgenden werden kausale Konnektoren, aufgeteilt in zwei große Gruppen nach dem Typ der Argumentkodierung einer Relation, im Detail beschrieben. Zunächst wird für jeden kausalen Konnektor festgehalten, unter welchen syntaktischen Bedingungen und in welchen informationsstrukturellen Konfigurationen er vorkommen kann. Im Anschluss wird untersucht, auf welchen Ebenen er je nach seiner syntaktischen und informationsstrukturellen Beschaffenheit verknüpfen kann.

838

C4 Konditional basierte Konnektoren

4.2.3.1 Antezedensmarkierende kausale Konnektoren (i. e. S. kausale)  



In diesem Abschnitt geht es um Eigenschaften von Konnektoren, die das Antezedens einer Kausalrelation markieren. Um eine Vergleichsbasis zu ermöglichen, werden sie alle nach Möglichkeit nach den gleichen Kriterien beschrieben.

4.2.3.1.1 Syntaktische und semantische Besonderheiten antezedensmarkierender kausaler Konnektoren Zum Ausdruck von Kausalität i. e. S. werden in erster Linie nichtkonnektintegrierbare Konnektoren verwendet: Das sind Subjunktoren, Postponierer und syntaktische Einzelgänger denn und dass. Antezedenskodierende, konnektintegrierbare kausale Adverbkonnektoren sind deutlich seltener. Diese sind nur durch zwei Konnektoren vertreten: nämlich und schließlich. Unter den kausalen gibt es keine VerbzweitsatzEinbetter. Diese sind ausschließlich auf die konditionalen Konnektoren beschränkt (mehr dazu s. in C4.1.3.2.1). Die Unterschiede zwischen den Konnektoren sind nicht nur innerhalb von zwei großen Gruppen von Konnektoren – konnektintegrierbare vs. nichtkonnektintegrierbare – festzustellen, sondern auch innerhalb einer Gruppe: So sind z. B. Subjunktoren weniger syntaktisch eingeschränkt als Postponierer, die ausschließlich das linear zweite Konnekt einleiten können, worauf schon in HDK-1 hingewiesen wurde. Es gibt allerdings aber auch weitere syntaktische Unterschiede, die gruppenübergreifend sind. So können z. B. weil und denn (108) ein Satzgefüge einbetten, nicht aber beispielsweise da.  







(108a) „Je repräsentativer der Querschnitt, desto besser und nachhaltiger sind die Ergebnisse“, weiß Schneider. In Niederösterreich gibt es bereits über 30 ähnlicher Projekte […], wo sich die Lebensqualität der Bevölkerung sehr gesteigert hat. Schneider: „Es kommt allen zugute, weil wenn Menschen, die ein Problem betrifft oder die ein Anliegen haben, sich eigenverantwortlich damit auseinander setzen, finden sie zu einer guten und nachhaltigen Lösung. “ (Niederösterreichische Nachrichten, 13.01.2010, S. 28) (108b) Mit den plakativen Informationsfahnen wurde das Interesse für unsere Mitmenschen, die aus fremden Ländern zu uns gekommen sind, geweckt. Dafür ist aber auch ein gewisses Maß an Kommunikationswillen erforderlich, denn wenn wir nicht miteinander sprechen, werden wir auch nicht erfahren, was wir von einander halten können. Das Rondo im Schlosspark ist der perfekte Ort für solche Gespräche. (Niederösterreichische Nachrichten, 20.10.2010, o. S.) (108c) Hinter dem langanhaltenden Erfolg stecke, so meint der einstige Max-Reinhardt-Seminarist, „gute, ehrliche Arbeit“ und eine fundierte Ausbildung. „Glück allein kann’s nicht sein, denn wer sich nur aufs Glück verläßt, fällt auf die Schnauze. “ (Die Presse, 12.06.1996, o. S.)  









839

C4.2 Kausale Konnektoren

In diesen Fällen steht das ganze wenn-Satzgefüge im Skopus von weil bzw. denn, was ein Indiz dafür ist, dass diese Konnektoren einen besonders weiten Skopus haben können. Den Skopus über das ganze wenn-Satzgefüge zu nehmen, ist nicht nur mit weil und denn, sondern auch mit obwohl möglich, aber nicht umgekehrt: Es ist nicht möglich, mit Hilfe eines konditionalen Konnektors wie wenn oder falls z. B. ein weilSatzgefüge einzubetten. Die naheliegende Vermutung ist, dass sowohl die kausalen weil und denn als auch das konzessive obwohl den Sachverhalt seines internen Konnekts notwendigerweise als faktisch gegeben darstellen, wenn dagegen nicht. Dies erklärt aber nicht, warum beispielsweise der kausale Konnektor da das von ihm linear unabhängige wenn-Satzgefüge, wie in (109a) gezeigt, trotzdem nicht einbetten kann:  

(109a) *Dafür ist aber auch ein gewisses Maß an Kommunikationswillen erforderlich, da [wenn wir nicht miteinander sprechen, werden wir auch nicht erfahren, was wir von einander halten können]. Allerdings ist dies möglich, wenn man die Reihenfolge von internem und externem Konnekt umdreht, wie in (109b) gezeigt. Dennoch bleibt die Frage offen, ob sich da in solchen Fällen nur auf das vorangestellte Konsequens-Konnekt oder auf das ganze wenn-Satzgefüge bezieht. (109b) Dafür ist aber auch ein gewisses Maß an Kommunikationswillen erforderlich, da wir auch nicht erfahren werden, was wir von einander halten können, wenn wir nicht miteinander sprechen. Außer dass sie unterschiedliche syntaktischer Präferenzen haben, sind i. e. S. kausale Konnektoren auch semantisch nicht äquivalent, was durch # kennzeichnet wird, und daher auch nicht in allen Fällen austauschbar. Diese Unterschiede sind meist subtiler Natur, sie können z. B. durch Minimalpaarbildung getestet werden, vgl. (110a) und (110b):  





(110a)

Da die Schneeschmelze einen überdurchschnittlichen Wasserabfluss zur Folge haben wird, könnten in den kommenden Monaten intensive Regenfälle weitere Hochwasser auslösen. (St. Galler Tagblatt, 19.05.1999, o. S.) #In den kommenden Monaten könnten Regenfälle weitere Hochwasser auslösen, denn schließlich wird die Schneeschmelze einen überdurchschnittlichen Wasserabfluss zur Folge haben.  

(110b)

Unter Anpassung der Syntax und bei gleichbleibender Belegung der semantischen Rollen kann da nur bedingt durch denn schließlich in einer neutral berichtenden Langfrist-Wetterprognose ersetzt werden, wie in (110b) gezeigt, obwohl beide Struktu-

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C4 Konditional basierte Konnektoren

ren grammatisch sind. Denn das durch denn schließlich eingefügte Material wird assertiert, d. h. kann auch hinterfragt werden. Dies gilt aber nicht für den da-Sachverhalt, der vom Sprecher implizit vorausgesetzt wird. Deshalb ist (110a) im Kontext einer Wetterprognose angemessener als (110b), das zwar (110a) semantisch nicht äquivalent (#), aber nicht ungrammatisch ist. Solche feineren Unterschiede zwischen den antezedensmarkierenden kausalen Konnektoren werden hier als besonders relevant erachtet.  

4.2.3.1.1.1 Die kausale „Trias“ weil, da und denn Die kausale Konnektoren weil, da und denn gehören ohne Frage zu den am meisten verwendeten Kausalmarkern (vgl. Tab. C4.2-2, Breindl/Walter 2009, Frohning 2007). Deswegen überrascht es wenig, dass das kausale Verhältnis in den einschlägigen Grammatiken des Deutschen (z. B. Duden-Grammatik 1998, GDS) in der Regel auf die Verwendung von diesen drei prototypischen Kausalkonnektoren zurückgeführt wird. Mit anderen Worten: In erster Linie stehen da und denn in Konkurrenz zu weil, das – und nicht nur aufgrund seiner Häufigkeit – eine zentrale Stellung in der Kategorie der i. e. S. kausalen Konnektoren übernimmt (zu den Gründen siehe u. a. Frohning 2007). Die Aufgabe dieses Kapitels ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Konnektoren der kausalen „Trias“ aufzuzeigen.  







4.2.3.1.1.1.1 weil als zentraler Kausalkonnektor Weil ist der zentrale kausale Konnektor, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Häufigkeit in DeReKo im Vergleich zu den anderen zwei prototypisch kausalen Konnektoren als auch hinsichtlich seiner syntaktischen und semantischen Realisierungsmöglichkeiten. In diesem Abschnitt wird zunächst die Bandbreite der syntaktischen Verwendungen von weil aufgrund der Angaben des HDK-1 zusammengefasst, wobei sowohl die Variante mit kanonischer Verbletzt-(VL) als auch mit nicht-kanonischer V2-Stellung in einem weil-Satz berücksichtigt und untereinander verglichen werden. Im Anschluss wird die gesamte Bandbreite der semantischen und pragmatischen Verwendungsmöglichkeiten von weil in Relation zu den syntaktischen Merkmalen präsentiert. Die Strukturierung der semantischen und pragmatischen Möglichkeiten von weil ergibt sich aus dem Zusammenspiel von zwei entscheidenden Parametern: einerseits Informationsstruktur und andererseits den Sweetser’schen Ebenen, die in A4.4 erläutert wurden. (i) syntaktische Variation: weil-V2- vs. weil-VL-Sätze Spätestens seit den 1980er Jahren (Gaumann 1983) bis heute (zuletzt Breindl 2009, Antomo/Steinbach 2010, Volodina 2011a: 78–85, Reis 2013) diskutiert man in der Germanistischen Linguistik, wodurch die von der kanonischen abweichende V2-

C4.2 Kausale Konnektoren

841

Stellung in einem mit weil eingeleiteten Satz motiviert sein kann.15 Dafür, dass es sich nicht unbedingt um einen neueren Sprachwandelprozess handelt, spricht die diachrone Evidenz: Laut Selting (1999) waren auch beim Vorgänger zu weil, nämlich ahd. wande, beide syntaktischen Varianten möglich. Da viele nicht-standardsprachliche syntaktische Muster – darunter auch weilStrukturen mit V2-Stellung, wie in (111a) an einem Beleg aus dem 19. Jhd. gezeigt (vgl. auch weitere entsprechende Belege zum Frühneuhochdeutschen in Speyer 2011), – noch heute in den Dialekten in Gebrauch sind, überrascht es wenig, dass weil-V2Sätze in den heutigen Dialekten, und zwar regional uneingeschränkt, verbreitet sind, s. (111b) und (111c):16 (111a)

im Herbst kauften wir uns noch für 8 Dollar Haferstroh wir haben uns jetzt noch 70 Buschel Hafer gekauft es kostet der Buschel Hafer 18 Cent weil wir hatten in Herbste zwei Küh u eine Kalbin dan haben wir die ältere Kuh geschlacht weil die Kalbin tragbar ist. (Mathes Josef Windirsch aus Müllestau bei Marienbad (nordbair.), 02.04.1896; zit. nach Elspaß (2005: 85) Ich trinke keinen Jägermeister, wei oana is koana. (bair., zit. nach Antomo/Steinbach 2009, Handout) [Situationsbeschreibung: Zwei Freunde rätseln über die Sprache des Briefs, den einer von ihnen erhalten hat. UU vermutet, dass der Brief auf Polnisch geschrieben ist.]    

(111b)



(111c)

# * des mißt polnisch sõi * ungarisch 78 UU: # 79 K 80 UU: is es ned weil ungarisch kõnn ich * e bissel 81 UU: wenigschdens * (zit. nach Volodina 2011a: 77)  



  

Belege für weil mit V2-Stellung finden sich nicht nur in den Korpora gesprochener, sondern inzwischen auch geschriebener Sprache. Allerdings werden weil-V2-Sätze in der geschriebenen Sprache nicht selten „absichtlich“ benutzt, z. B. bei der Wiedergabe der indirekten Rede oder zum Beispiel, um einen geschriebenen Text mit „konzeptionell mündlichen“ (im Sinne von Koch/Oesterreicher 1985) Eigenschaften zu versehen, vgl. (112a) und (112b). Die Mehrheit der über das Deutsche Referenzkorpus des IDS (DeReKo) ermittelten Belege stammt aus dem österreichischen Zeitungskor 

15 Die Verwendung von bestimmten Typen von weil-V2-Strukturen als Diskursmarker (vgl. Gohl/ Günthner 1999) wird hier nicht berücksichtigt, weil sie keine Begründungsmuster darstellen. 16 Scheutz (1998b) spricht von der Ausbreitung von weil-V2-Strukturen, die zwar ursprünglich als ein süddeutsches dialektales Merkmal gesehen wurden, auf die Umgangssprache weiterer Regionen.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

pus, vereinzelt kommt weil-V2 auch in den deutschsprachigen Zeitungen vor,17 vgl. (112c) und (112d): (112a)

Mit zehn zu fünf Stimmen wurde in der Sitzung am vergangenen Donnerstag die Einleitung eines Verfahrens zur Änderung der Raumordnung befürwortet. Die neuen Pläne werden nun öffentlich sechs Wochen zur Einsicht aufliegen, die Abgabe von Stellungnahmen dazu ist möglich. „Ich trete für die Umwidmung ein, weil diese bringt Verbesserungen für die Bevölkerung, die mir am Herzen liegt“, erklärt Bürgermeister Kahrer. (Niederösterreichische Nachrichten, 22.04.2008, S. 22) Am Rande der vorwöchigen Landtagssitzung beispielsweise war der Unmut über Schüssels „patschertes“ Verhalten besonders groß. Wie meinte doch ein „schwarzer“ Landesrat unter allgemeinem Gelächter sinngemäß? „Der Schüssel hat gelogen, weil der Tietmeyer ist natürlich keine Sau. Mir kann das aber nicht passieren, weil ich sage immer die Wahrheit.“ (Vorarlberger Nachrichten, 08.07.1997, S. A4) Das Impfen wurde erfunden, um Leute am Leben zu halten. Schulpflicht ist auch etwas Unangenehmes. Es gibt tausend Pflichten, die wir akzeptieren. Ich will auf Folgendes hinaus, in der DDR herrschte eine Impfpflicht beispielsweise gegen Kinderlähmung, in der Bundesrepublik nicht. Ein normaler Mensch in der BRD ist nicht so schnell bereit, Impfpflicht zu akzeptieren, wie ein normaler Mensch in der DDR. Richtig. Weil der Zwang viel unverhüllter war. Ich verfolge, wie alles zunächst von seinem möglichen Missbrauch her definiert wird. So kann man auch kein Bettlaken unschuldig betrachten, weil: Es lässt sich ein Strick daraus drehen. (Berliner Zeitung, 23.09.2000, S. 6) Ich habe in Deutschland ganz oft gehört, dass es für türkische Gruppen zum Beispiel seit der Einführung des Kabelfernsehens schwieriger wurde mit der Integration, weil man konnte in seinem kleinen Gebiet wohnen und jetzt auch das eigene Fernsehen anschauen. Deshalb ist es wichtig, dass man die nationale Sprache lernt, dass man sich mit den Institutionen identifiziert und dass die auch Arbeit haben. (http://www.zeit.de/politik/dlf/2005/interview _051109, zuletzt gesehen am 19.07.2011)  

(112b)

(112c)



(112d)

Strikt gesehen beschränkt sich die Verwendung von weil-V2 eher auf die konzeptionell mündliche Sprache: „Der geschriebenen Sprache eignet dieses Phänomen nur, insofern sie von der Mündlichkeit bewusst oder unbewusst beeinflusst ist“ (Volodina 2007: 92). Die weil-Strukturen mit VL-Stellung sind dagegen varietätenunabhängig und uneingeschränkt verwendbar.

17 Vgl. weitere Beispiele aus dem Korpus geschriebener Sprache in Wegener (1993: 36).

C4.2 Kausale Konnektoren

843

In Bezug darauf, ob es sich um zwei Konnektoren – weil-V2- und weil-VL – handelt oder doch um einen einzigen Konnektor mit zwei Verbstellungsvarianten, gibt es in der Forschung verschiedene Positionen. So unterscheidet Keller (1993) zwischen einem „faktischen“18 und einem „epistemischen“ weil. Letzteres fungiert als metaphorischer Ausdruck und ist „gerade im Begriff zu lexikalisieren“ (Keller 1993: 3). Das „faktische weil“ fügt eine Sachverhaltsbegründung ein, das „epistemische“ – bei Keller immer der (markierte) Fall mit weil-V2 – drückt nicht die objektive, sondern die subjektive Einschätzung/Annahme der Gründe oder auch Begründung eines Sprechakts aus. Auch Uhmann (1998: 119) argumentiert aus der bedeutungsmaximalistischen Perspektive: Ihrer Annahme zufolge sind „in der aktuellen Umgangssprache zwei Konjunktionen der Form weil“ vorhanden. Dies begründet sie durch den Bedeutungsunterschied zwischen parataktischem und subordinierendem weil. Wegener (1993) betont, dass es durch den syntaktischen Wandel nicht unbedingt zu einem Bedeutungswandel von weil kommt: Weil hat nur eine Grundbedeutung – es stellt eine kausale Relation her –, und es hängt von der Struktur, Position, Intonation beider Teilsätze ab, ob die kausale Relation auf der propositionalen oder illokutiven Ebene abgespielt wird. (Wegener 1993: 299 f.)  

Der syntaktische Wandel kann aber auch pragmatisch begründet sein: Wegener (1993) unterscheidet zwischen „Äußerungs-“ und „Sachverhaltsbegründung“ (vgl. auch Eroms 1980). Die erste wird mit Hilfe von weil mit V2-Stellung geleistet. Die „Sachverhaltsbegründung“ kann ausschließlich mit der weil-Konstruktion mit VL-Stellung ausgedrückt werden. In Pasch (1997) und anschließend in HDK-1 werden außerdem informationsstrukturelle Besonderheiten der weil-V2-Struktur hervorgehoben: Der Sachverhalt des weil-V2-Konnekts ist ‚rhematisch‘, nicht vorerwähnt und für den Adressaten der Äußerung nicht evident. Dies entspricht in der neueren Literatur in etwa dem Begriff „at issue“ (vgl. Antomo 2012). Antomo/Steinbach (2010) und auch Reis (2013) – letztere trotz ihrer Kritik an Antomo/Steinbachs Ansatz – nehmen unvermeidlich die Aufspaltung von weil in zwei gleichbedeutende Lexeme in Kauf. Sie argumentieren syntaktisch: Es gibt syntaktische Muster, die ausschließlich weil-V2-, nicht aber weil-VL-Strukturen erlauben, wie z. B. die Möglichkeit zur Left Dislocation in weil-V2-Sätzen, wie in (113) gezeigt (vgl. Antomo/Steinbach 2010: 12 f.):  



18 Volodina (2011a: 79) weist darauf hin, dass die von Keller (1993) eingeführte Bezeichnung für das einen wirklichen Grund kodierende weil als „faktisches“ weil nicht zutreffend ist. Denn jedes weil – auch das „epistemische“ (im Gegensatz zum stets nicht-faktisch verwendeten falls) – ist „faktisch“, weil mit einem weil-Satz immer ein faktisch gegebener, nicht hypothetischer Sachverhalt geäußert wird.

844

(113)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Lass uns lieber Tim einladen, weil den Lukas, den (kann) ich gar nicht leiden (*kann). (Beispiel zit. nach Antomo/Steinbach 2010:13)

Analysebedingt nehmen weil-V2 und weil-VL unterschiedliche Positionen im Satz ein: Mit anderen Worten, weil-V2 kann nicht wie weil-VL in C° (Linke Satzklammer) stehen, das Gleiche gilt auch für das kausale denn, das die gleichen Restriktionen wie weil-V2 hat, und als lexikalisches Pendant das subordinierende weil als Subjunktion haben kann (vgl. die Argumentation für diese Annahme in Reis 2013: 255). In Anlehnung an Schlobinski (1992), Wegener (1993), Willems (1994), Pasch (1997) und HDK-1 wird im Rahmen dieses Buchs die Position vertreten, dass weil-V2 nicht als eine selbständige Konjunktion neben weil-VL verwendet wird, sondern eine syntaktische Variante desselben kausalen Konnektors weil darstellt. Diese Entscheidung ist, genauso wie die Entscheidung zwei unterschiedliche weils anzunehmen, methodologisch schwer zu begründen.19 Für die Annahme zweier gleichlautender lexikalischen Einheiten gelten in der Regel semantische Kriterien: Im Falle von weil können die unterschiedlichen syntaktischen Strukturen selbst für die Unterschiede in dem semantisch/pragmatischen Verwendungsspektrum verantwortlich sein, vgl. dazu beispielsweise Truckenbrodt (2006), Meinunger (2004), Antomo/Steinbach (2010) für eine Analyse, in der weil-V2 durch die syntaktische Struktur eine besondere assertorische Kraft erhält. Aber andererseits könnte man die unterschiedlichen syntaktischen Präferenzen, je nach der verwendeten Rahmentheorie auch als Grund dafür annehmen, dass es sich um zwei lexikalische Einheiten handelt. Das Hauptargument, weshalb wir in diesem Buch davon ausgehen, dass es sich doch um einen einzelnen Konnektor handelt, ist, dass in den Fällen, in denen ein weil-V2-Satz verwendet werden kann, unter bestimmten prosodischen Bedingungen – bei der Desintegration der Subjunktorphrase mit weil – auch ein weil-VL-Satz verwendet werden kann, aber nicht umgekehrt. Dieses Argument schließt ein, dass wir eine Ansicht zurückweisen, nach der rein syntaktische Unterschiede für die Postulierung unterschiedlicher lexikalischen Einheiten hinreichend wären, mit der Verpflichtung, die unterschiedlichen Verwendungsweisen aus den jeweiligen syntaktischen und prosodischen Besonderheiten abzuleiten. Weil – so wie die anderen adverbialen Konnektoren wie obwohl, während, zumal und wobei, die neben der Möglichkeit VL-Sätze einzuleiten, auch als V2-Satzverknüpfer fungieren20 – wird in HDK-1 unter Subjunktoren mit dem spezifischen Merkmal „auch hauptsatzanschließend“ geführt.

19 Reis (2013) argumentiert dafür, dass eine einheitliche Analyse von beiden weil-Varianten methodologisch vorzuziehen wäre, auch wenn in ihrer eigenen Analyse dies nur den Status eines Forschungsdesiderats erhält. 20 Neben den adverbialen weil-(obwohl-, während-, zumal-)V2-Nebensätzen gibt es auch V2-Relativsätze und V2-Kompementsätze, die sowohl formale als auch funktionale Merkmale mit den adverbialen V2-Sätzen teilen (eine Übersicht über die Eigenschaften von VL- und V2-Nebensätzen im Vergleich findet sich in Antomo/Steinbach 2010: 3–11; Kritik in Reis 2013).

845

C4.2 Kausale Konnektoren

Wir nennen dieses Merkmal „auch hauptsatzanschließend“. Dieses Merkmal soll besagen, dass das interne Konnekt des Subjunktors neben einem Verbletztsatz auch ein Hauptsatz (d. h. Verberst- oder Verbzweit(!)satz) sein kann, aber nur bei Postposition hinter das externe Konnekt. (HDK-1: 407, Hervorhebung im Original)  

Im Weiteren werden beide syntaktischen Realisierungsmöglichkeiten von weil untersucht. (ii) syntaktische Möglichkeiten von weil Hinsichtlich der linearen Realisierung des weil-Konnekts gibt es generell keine Einschränkungen, d. h., das durch den Subjunktor weil eingeleitete Konnekt kann prinzipiell anteponiert (114a) und postponiert hinsichtlich seines externen Konnekts (114b) realisiert werden. Das weil-Konnekt kann auch in das externe Konnekt parenthetisch eingeschoben, linksversetzt21 oder an der sogenannten Nullposition bzw. auch desintegriert in der Vor-Vorfeld-Position realisiert werden. Da die letzten beiden Stellungsmöglichkeit für weil eher selten auftreten, werden sie in (114d) und (114e) an einem Korpusbeleg und nicht an konstruierten Beispielen – wie die Alternativen (114a–c) – illustriert:  

(114a) (114b) (114c) (114d)

(114e)

Weil das Semester zu Ende ist, hat Bruno sofort Urlaub genommen. Bruno hat sofort Urlaub genommen, weil das Semester zu Ende ist. Bruno hat sofort – weil das Semester zu Ende ist – Urlaub genommen. Ganz anders als im Winter scheint man im Sommer dem Nachbarn die Siege aber zu gönnen. „Jeder, der bei Olympia auf dem Podest steht, hat es verdient. Ob der Sieger aus Bora Bora oder aus der Schweiz kommt, ist mir persönlich egal“, meint Thomas Geiger von der Raiffeisenbank Bludenz. „Nur weil ein Österreicher eine Medaille holt, deswegen steigt mein Selbstvertrauen nicht. (Vorarlberger Nachrichten, 22.09.2000, S. A16) Als Nächstes sagen sie: „Das Drehbuch ist wunderbar. Rede mit meinem Agenten über die finanzielle Seite! Und der verlangt dann zehn Millionen Dollar. Und die Schauspieler sagen dann zu mir: , Okay, weil du es bist: acht Millionen !“ (Neue Kronen Zeitung, 17.01.2000, S. 62)  



Die Positionierungsmöglichkeiten eines weil-V2-Konnekts sind insofern wesentlich eingeschränkter im Vergleich zu denen eines weil-VL-Konnekts, als nur eine der vier Stellungsmöglichkeiten für weil-V2-Konnekt in Frage kommt: Das weil-V2-Konnekt kann ausschließlich auf sein externes Konnekt folgen, wie in (115b) gegenüber (115a) und (115c–e) gezeigt:

21 Ist das interne Konnekt vorangestellt, kann eine Korrelatkonstruktion mit Linksversetzung verwendet werden, „d. h. [dass] für die Subjunktorphrase ein Korrelat in der ihr zuzuordnenden übergeordneten Satzstruktur gegeben ist“ (HDK-1: 406).  

846

(115a) (115b) (115c) (115d) (115e)

C4 Konditional basierte Konnektoren

*Weil das Semester ist (ja) zu Ende, hat Bruno sofort Urlaub genommen. Bruno hat sofort Urlaub genommen, weil das Semester ist (ja) zu Ende. *Bruno hat sofort – weil das Semester ist (ja) zu Ende – Urlaub genommen. *Weil das Semester ist (ja) zu Ende, deswegen hat Bruno sofort Urlaub genommen. *Weil du bist es: Acht Millionen!

Generell sind weil-V2-Strukturen syntaktisch eingeschränkter als VL-Strukturen, denn anders als voll integrierte VL-Strukturen (im Sinne von Reis 1997: 129) – erlauben sie keine Korrelate im externen Konnekt, vgl. (116); – sind sie nicht koordinierbar, vgl. (117); – können sie nicht im Skopus der Negation und skopusfähiger Ausdrücke wie Fokuspartikeln wie nur stehen, vgl. (118), (119); – sind sie nicht direkt erfragbar, d. h. sie können nicht im Skopus einer W-Frage stehen, vgl. (120); – können sie nicht in Interrogativsätze eingebettet werden, vgl. (121).  

(116a) (116b) (117a) (117b)

Petra hat den Mann deswegen gegrüßt, *weil sie kennt ihn. Petra hat den Mann deswegen gegrüßt, weil sie ihn kennt . Hans muss zu Hause sein, *weil, das Licht ist an und weil, das Auto steht vor der Tür. Hans ist heute zu Hause, weil er noch arbeiten will und weil seine Frau (zit. nach Breindl 2009: 280) krank ist . Peter ist nicht nach Hause gegangen, *weil er musste noch einen Bericht schreiben, [sondern weil er auf seinen kleinen Sohn aufpassen musste . Du hast nur Erfolg, *weil du bist schön! Warum ist Peter zu Hause geblieben? (a) *Weil sein Sohn ist krank. (b) Weil sein Sohn krank ist .  



(118a)



(119) (120)



(121a)

Hast du bisher irgendwo Ablehnung erfahren, weil du Polin bist ? (Braunschweiger Zeitung, 13.02.2008, o. S.) Hast du bisher irgendwo Ablehnung erfahren, *weil du bist Polin?  



(121b)

Trotz des relativ häufigen Vorkommens von weil-V2-Strukturen in Dialekten tritt eine gerade für viele Dialekte typische Erscheinung wie die sogenannten Subjunktionflexion (vgl. Weiß 1998), wie in (122) gezeigt (für weitere Beispiele vgl. Breindl 2009), nicht in V2-, sondern ausschließlich in VL-Nebensätzen auf. (122)

Wennst/weilst/obst auf Minga kummst, …

(2. SG/PL, B AIRISCH )

C4.2 Kausale Konnektoren

847

Wir halten fest, dass bei den syntaktischen Realisierungsmöglichkeiten von weil eine Vielzahl von Möglichkeiten existieren. Weil kann insofern die gesamte Bandbreite auf einer Skala syntaktischer Integration einnehmen: Von maximaler Desintegration, wenn wir es mit zwei syntaktisch vollständig selbständigen Sätzen zu tun haben, bis hin zur maximalen Integration, wenn der subordinierte Nebensatz direkt in die Struktur des Hauptsatzes integriert ist und beispielsweise das Vorfeld einnehmen kann. Wir gehen davon aus, dass weil sowohl in integrierten als auch in desintegrierten syntaktischen Kontexten auftritt. Dies wird sich auch in der prosodischen Realisierung spiegeln, da eine starke syntaktische Integration typischerweise auch durch eine prosodische Integration, d. h. durch die Realisierung der beiden Sätze in einer einzigen prosodischen Einheit, markiert wird und umgekehrt, eine niedrige syntaktische Integration in der Regel auch mit der Realisierung der Relation in zwei prosodischen Einheiten korreliert (vgl. Volodina 2011a für die Evidenz der Korrelation zwischen syntaktischer und prosodischer Integration und der Interpretation von Kausalsätzen). Dies mag aber nicht gleich bedeuten, dass das interne Konnekt einer weil-VL-Struktur nicht prosodisch desintegriert vorkommen kann. Trotz unterschiedlicher syntaktischer und prosodischer Realisierungsmöglichkeiten von weil sprechen wir hier immer von den Realisierungsmöglichkeiten eines und desselben Konnektors.  

(iii) prosodische Möglichkeiten von weil Neben der Syntax wird der Prosodie eine wichtige Rolle beigemessen. Insbesondere in der Gesprochene-Sprache-Forschung der letzten zehn Jahre hat man prosodische Merkmale komplexer Strukturen intensiv untersucht (vgl. Couper-Kuhlen 1996, Couper-Kuhlen/Selting 1996, Birkner 2008, Barth-Weingarten 2002, Barth-Weingarten et al. 2009, Barth-Weingarten et al. 2010, siehe außerdem Arbeiten zum Zusammenhang zwischen der Prosodie und Strukturierung eines komplexen Satzes im Deutschen Lang 2004, Blühdorn 2011, Lang/Pheby 2011). Nun lässt sich wohl darüber streiten, inwiefern die prosodischen Merkmale einer Äußerung lediglich zur syntaktischen und semantischen Grundstruktur hinzukommen oder ob sie vielmehr grundlegende, mit den syntaktischen zumindest gleichwertige Markierungsmittel darstellen. Man kann davon ausgehen, dass die prosodischen Merkmale für die Interpretation komplexer Strukturen genau dann eine entscheidende Rolle spielen, wenn unterschiedliche prosodische Realisierungen desselben Redebeitrags möglich sind. Bei Fiehler et al. (2004: 346) heißt es diesbezüglich:  





Prosodie wird also dann obligatorisch, wenn Syntax und Semantik nicht mehr ausreichen, um eine Struktur eindeutig herzustellen und erkennbar zu machen.

Eine andere denkbare Position hinsichtlich der Rolle der Prosodie ist, dass a) die prosodische Realisierung sprachlicher Äußerungen syntaktisch gesteuert wird und sie deshalb

848

b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

die Interpretation von Äußerungen weder mehr noch weniger beeinflusst als die üblichen, beispielsweise in der Wortreihenfolge oder Einbettung sich spiegelnden syntaktischen Parameter.

Diese Position ist eher in der generativen Tradition zu finden und geht in erster Linie auf Jackendoff (1972) zurück. In diesem Kapitel wird die Auffassung vertreten, dass Prosodie durch informationsstrukturelle sowie semantisch/pragmatische Kategorien gesteuert wird und daher für die Interpretation von Äußerungen relevant ist. Gleichwohl ist die Schnittstelle zwischen den semantischen und pragmatischen Kategorien und der Prosodie stark unterspezifiziert und daher kann dieser Einfluss auf die Interpretation in der Regel nicht zwingend sein. Im Falle von weil ergibt sich daher folgendes Bild. Weil-V2 kann nur in prosodisch desintegrierten Strukturen verwendet werden (vgl. korpuslinguistische Evidenz in Volodina 2011a und das Ergebnis einer experimentellen Studie in Volodina 2012), sprich, in den Strukturen, in denen an der Grenze zwischen den Konnekten ein separierender Grenzton festzustellen ist, so dass die gesamte Relation in zwei Intonationseinheiten realisiert wird (für Details s. HDK-1). Im Falle von weil-VL-Strukturen sind sowohl prosodische Integration als auch Desintegration möglich, wobei eine deutliche Präferenz für integrierte Strukturen beobachtbar ist. Empirische Evidenz für diese Position wird in Brinckmann/Volodina (2009) experimentell untermauert. Dort wird im Detail nachgewiesen, dass für epistemische Lesarten von weil-Sätzen desintegrierte Strukturen und weil-V2-Strukturen (unabhängig voneinander) präferiert werden. Ebenfalls konnte nachgewiesen werden, dass weil-VL-Strukturen in desintegrierten Strukturen tendenziell weniger präferiert sind. Ein Beispiel für solche Präferenzen ist der Kontrast zwischen (123) (mit einer Intonationseinheit) und (124) (mit zwei Intonationseinheiten). (124) kann mit größerer Wahrscheinlichkeit auf der epistemischen Ebene interpretiert werden. (123) (124)

Peter ist krank ↑ weil er beim Arzt war . Peter ist krank ↓ weil er beim Arzt war .  



eher PRO eher EPS

Generell gilt, dass die prosodische Desintegration die Interpretation kausaler Relationen auf der Sprechaktebene oder auf der epistemischen Ebene begünstigt, während die prosodische Integration ihre Interpretation auf der propositionalen Ebene begünstigt (vgl. Pasch 1997, Scheutz 1998b, Blühdorn 2008, Breindl 2009, Volodina 2007, 2011a). Wichtig für die weiteren Ausführungen dieses Kapitels ist, festzuhalten, dass die Rolle der Prosodie in der Interpretation von weil-Äußerungen in der Regel eine Frage von Präferenzen und keine zwingende sein kann. Im folgenden Abschnitt werden wir die Rolle der Prosodie an der Schnittstelle zur Informationsstruktur etwas genauer diskutieren.

C4.2 Kausale Konnektoren

849

(iv) informationsstrukturelle Möglichkeiten von weil In diesem Abschnitt werden informationsstrukturelle Möglichkeiten von weil anhand von mehreren (Frage-)Tests vorgestellt und anschließend in Zusammenhang mit den Ebenen der Verknüpfung diskutiert. Für den weiteren Ablauf ist die Klärung einiger Begrifflichkeiten notwendig. Exkurs: Zur Erfagbarkeit einer Proposition und Fokalität Wie bereits im Kapitel A4.3 dargestellt wurde, spielt die Informationsstruktur für die Interpretation konnektoraler Relationen eine wichtige Rolle. Die Rolle der Informationsstruktur bezieht sich aber K ONTRAST ‘ und ‚D D ISKURSSTRUKTURIERUNG ISKURSST RUKT URIERUNG ‘ zunächst einmal immer auf Kategorien wie ‚P P RÄSUPPOSITION ‘, ‚K und hat damit nichts Spezifisches mit der Natur von Konnektoren zu tun. Es wurde aber auch beobachtet, dass die Informationsstruktur in einer sehr spezifischen Form dennoch mit Konnektoren verbunden ist, und zwar was die Frage nach der Fokussierbarkeit von Konnektoren bzw. von den durch einen Konnektor verknüpften Relata angeht. In A4.4.3.3 über die Ebenen der Verknüpfung wird von RF RAGBARKEIT gesprochen, womit die Realisierung einer F OKUSSIERBARKEIT auch unter dem Stichwort E RFRAGBARKEIT Relation in Frage-Antwort-Paaren gemeint ist, die jeweils zugelassen werden oder nicht. Diese Terminologie unterscheidet sich nur geringfügig von dem Begriff der Fokussierbarkeit, und zwar darin, dass Erfragbarkeit sich immer und grundsätzlich auf Propositionen bezieht, wohingegen Fokussierbarkeit eine Eigenschaft von sprachlichen Ausdrücken ist. Eine Proposition kann erfragt werden, nicht aber ein Ausdruck. Ein Ausdruck kann fokal sein, nicht aber eine Proposition. Gleichwohl, wenn ein Ausdruck erfragt ist, muss innerhalb des Ausdrucks auch ein fokussiertes Element vorliegen. Insofern RFRAGBARKE IT als Test für F OKALITÄT und hat darüber hinaus den Vorteil, dass immer ganze eignet sich E RFRAGBARKEIT Propositionen anvisiert werden und daher eine einfache Kategorisierung ermöglicht wird, die im Weiteren illustriert wird (vgl. Klein/von Stutterheim 1987, von Stutterheim 1997, Roberts 1996).

Für eine kausale Relation, in der das A NTEZEDENS NT EZEDENS durch das interne Konnekt ausgedrückt wird und das K ONSEQUENS durch das externe, ergeben sich rein mathematisch acht mögliche Kategorien. Tab. C4.2-5: Fokus-Hintergrund-Gliederung in einer zweistelligen Relation: mathematisch mögliche Merkmalskombinationen A NTEZEDENS

K ONSEQUENS

kausale Relation

1

Fokus

Hintergrund

Hintergrund

2

Fokus

Fokus

Hintergrund

3

Fokus

Hintergrund

Fokus

4

Fokus

Fokus

Fokus

5

Hintergrund

Hintergrund

Hintergrund

6

Hintergrund

Fokus

Hintergrund

7

Hintergrund

Hintergrund

Fokus

8

Hintergrund

Fokus

Fokus

850

C4 Konditional basierte Konnektoren

Zwei von diesen Kategorien, nämlich 4 und 5, sind aber aus theoretischen Gründen unmöglich, da eine Assertion immer eine Fokus-Hintergrund-Gliederung haben muss. Damit bleiben sechs theoretisch mögliche Kombinationen, von denen je nach Konnektor nur einige realisierbar sind. Im Falle von weil sind aber nicht alle sechs übriggebliebenen Möglichkeiten vorhanden; nur wenige Kategorien (s. Tab. C4.2-5) können mit weil-V2 realisiert werden, wie im Weiteren gezeigt wird. Wir betrachten hier als Testfall nur drei von fünf Stellungsmöglichkeiten, die für weil-Sätze in Frage kommen: – weil-VL in der Anteposition, – weil-VL in der Postposition und – weil-V2, das immer postponiert verwendet wird. Andere syntaktische Konfigurationen werden dem Leser überlassen, da die Tests einfach durchzuführen sind. Die Wahl dieser Strukturen ergibt sich erstens aus deren statistischer Häufigkeit22 und zudem aus der Tatsache, dass die Reihenfolge der Konnekte informationsstrukturell relevant ist, s. A4.3. Eine weitere Überlegung ist, dass weil-V2-Sätze und weil-VL-Sätze, die anteponiert (im Vorfeld) realisiert werden, zwei Pole auf der Integrationsskala bilden, nämlich maximale Desintegration vs. maximale Integration. Weil-VL-Sätze, die postponiert realisiert werden, sind dagegen in der Mitte der Integrationsskala anzusiedeln.23 Im Weiteren werden diese Kategorien, außer 4 und 5, die bereits ausgeschlossen wurden, im Einzelnen besprochen und an Beispielen illustriert. Das Ergebnis wird zum Schluss tabellarisch erfasst (siehe Tab. C4.2-6). Kombination 1: Fokus – Hintergrund – Hintergrund In dieser Kombination wird das K ONSEQUENS als bekannt vorausgesetzt, ebenso wie die Existenz eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Konsequens und irgendeinem Sachverhalt, der durch die Warum-Frage geklärt werden soll bzw. im NTEZEDENS EZEDENS genannt wird. Dies kann man testen, indem man einen warum-Fragetest A NT benutzt. (125)

Warum hat Maria Peter geküsst? (a) Maria hat Peter geküsst, weil er wie ein Superman aussieht. weil-VL-post (b) #Weil er wie ein Superman aussieht, hat Maria Peter geküsst. #weil-VL-ante

22 Gleich in mehreren empirischen Studien wird die Stellung des weil-VL-Satzes linear nach seinem externen Konnekt als seine häufigste Realisierungsmöglichkeit hervorgehoben (vgl. Frohning 2007, Volodina 2007, 2011a, Breindl/Walter 2009). 23 Zur Unterscheidung nach Graden der (Un-)Integriertheit bei koordinierten und subordinierten Sätzen siehe z. B. Raible (1992).  

C4.2 Kausale Konnektoren

851

(c) #Maria hat Peter geküsst, weil er sieht wie ein Superman aus. #weil-V2 Diese Kombination lässt sich in einer VL-Struktur mit weil nur dann realisieren, wenn der weil-Satz postponiert realisiert ist bzw. wenn er ohne sein externes Konnekt realisiert wird (vgl. (126)): (126)

ZEIT: aber warum war dafür die Grundgesetzänderung notwendig? Kanther: weil wir andernfalls niemanden an den Grenzen der uns umgebenden sämtlich sicheren Drittstaaten hätten zurückweisen können. (Die Zeit, 01.07.1994, S. 12)  

Mit weil-V2-Stukturen können warum-Fragen nicht beantwortet werden, deswegen kann hier weil-V2 nicht verwendet werden. Kombination 2: Fokus – Fokus – Hintergrund In dieser Kombination beinhaltet sowohl das A NTEZEDENS als auch das K ONSEQUENS neue Information für den Hörer, die Relation als solche wird aber als bekannt vorausgesetzt, was durch die warum-Frage deutlich gemacht werden kann. Dass das K ONSEQUENS neu ist, wird daraus ersichtlich, dass das Subjekt im Konsequens sich von dem Subjekt im A NTEZEDENS unterscheidet. (127)

Warum hat Maria Max geküsst? (a) Clara hat Max geküsst. Weil er wie Superman aussieht. (Maria hat ihn gar nicht geküsst.) weil-VL-post (b) #Weil er wie Superman aussieht, hat Clara Max geküsst. (Maria hat ihn gar nicht geküsst.) #weil-VL-ante (c) Clara hat Max geküsst, weil er sieht wie Superman aus. (Maria hat ihn gar nicht geküsst.) weil-V2

In dieser Kombination lassen sich sowohl weil-V2 als auch weil-VL in der Postposition verwenden, allerdings nur dann, wenn sie prosodisch desintegriert sind. Notwendigerweise prosodisch integrierte weil-VL-Sätze im Vorfeld können in der Kombination Fokus-Fokus-Hintergrund nicht realisiert werden. Kombination 3: Fokus – Hintergrund – Fokus In dieser Kombination wird vorausgesetzt, dass das Konsequens bereits bekannt ist, das Antezedens und die Relation selbst aber neu sind. Diese Kombination lässt sich mit einem Fragetest nicht testen, außer mit einer mühseligen komplexen Frage „Gibt es einen Grund dafür und wenn ja, dann welchen?“ In einem solchen Fall wäre in der Tat der pragmatische Effekt sehr seltsam: Der Sachverhalt der Begründung (das NTEZEDENS EZEDENS ) ist dem Hörer neu sowie die Tatsache, dass dieser Sachverhalt als A NT

852

C4 Konditional basierte Konnektoren

Begründung taugt. Dass diese Kombination nicht realisiert werden kann, gilt nicht nur für weil, sondern für alle weiteren kausalen Konnektoren. Kombination 6: Hintergrund – Fokus – Hintergrund In dieser Kombination sind das A NTEZEDENS und die ganze Relation im Hintergrund, das K ONSEQUENS dagegen enthält neue Information. Dies macht aber eine warumFrage unmöglich. Stattdessen muss eine Frage wie folgt gestellt werden: (128)

Was hat Maria mit Peter getan, aufgrund der Tatsache, dass er wie Superman aussieht? (a) #Maria hat Peter geküsst, weil er wie Superman aussieht. #weil-VL-post (b) Weil er wie Superman aussieht, hat Maria Peter geküsst. weil-VL-ante (c) #Maria hat Peter geküsst, weil er sieht wie Superman aus. #weil-V2

Wir beobachten, dass diese Kombination nur mit weil-VL in der anteponierten Stellung möglich ist. Alle anderen Varianten sind ausgeschlossen. Kombination 7: Hintergrund – Hintergrund – Fokus In diesem Fall ist der kausale Zusammenhang selbst das einzig neue an der Assertion einer weil-Relation. Dies wird durch den Aufbau eines Kontrastes sichtbar gemacht, d. h. es wird erwartet, dass keine kausale Relation vorhanden ist. Die Assertion der kausalen Relation widerspricht dieser Erwartung, deswegen wird der Konnektor prosodisch hervorgehoben.  

(129)

Hat Maria Peter geküsst, obwohl er wie Superman aussieht? (a) Nein, sie hat ihn geküsst, WEIL er wie Superman aussieht. weil-VL-post (b) Nein, WEIL er wie Superman aussieht, hat sie ihn geküsst. weil-VL-ante (c) #Nein, sie hat ihn geküsst, WEIL er sieht wie Superman aus. #weil-V2

In dieser Kombination ist sowohl anteponierter als auch postponierter weil-VL-Satz möglich, nicht aber der Verwendung von weil mit V2-Stellung. Kombination 8: Hintergrund – Fokus – Fokus NTEZEDENS EZEDENS bereits bekannt. Dies wird analog zur In dieser Kombination ist nur das A NT Kombination 6 durch die Vermeidung einer warum-Frage erreicht, weil sie das K ONSEQUENS präsupponieren würde. Zudem wird aber im Unterschied zu Kombination 6

853

C4.2 Kausale Konnektoren

auch die kausale Relation in der Frage unterspezifiziert. Das heißt ‚aufgrund der Tatsache‘ wird mit ‚in Anbetracht der Tatsache‘ ersetzt, was hinsichtlich der Kausalität neutraler scheint. (130)

Was hat Maria getan, in Anbetracht der Tatsache, dass Peter wie Superman aussieht? (a) #Sie hat ihn geküsst, weil er wie Superman aussieht. (b) #Weil er wie Superman aussieht, hat sie ihn geküsst. (c) #Sie hat ihn geküsst. Weil er sieht wie Superman aus. (d) Sie hat ihn geküsst.

Diese Kombination lässt sich zwar im Unterschied zur Kombination 3 auf diese Weise erfragen, aber es ist dennoch nicht möglich, eine Antwort mit einem weil-Satz zu geben, außer man wiederholt die Begründung redundant, was für das Beispiel bereits nicht mehr als akzeptable, direkte Antwort gelten würde. Wir schließen daraus, dass ein kausaler Konnektor wie weil auch in dieser Kombination nicht verwendet werden kann. Zusammenfassend ergibt sich für die getesteten weil-Sätze folgendes Bild: – anteponierte weil-VL-Sätze werden dann verwendet, wenn das A NTEZEDENS als bekannt vorausgesetzt wird; – in den nachgestellten weil-VL-Sätzen kann dagegen das A NTEZEDENS sowohl neue als auch alte Informationen enthalten; – da weil-VL fokussierbar ist, kann damit auch der kausale Zusammenhang als neu interpretiert werden, wenn beide Konnekte Hintergrundinformationen enthalten; – weil-V2 ist dann möglich, wenn das A NTEZEDENS fokal ist, d. h. der durch das weil-V2-Konnekt ausgedrückte Sachverhalt muss neu sein.  

Tab. C4.2-6: Fokus-Hintergrund-Gliederung in einer weil-Relation Legende: !nur bei der prosodischen Desintegration des weil-Konnekts möglich; grau hinterlegte Zeilen sind Kombinationen, die für KAUS ausgeschlossen wurden A NTEZEDENS

1

Fokus

K ONSE ONSEQUENS QUENS

Hintergrund

kaus. Relation

weil-VL ante

post

Hintergrund



+

weil-V2



2

Fokus

Fokus

Hintergrund



+

+

3

Fokus

Hintergrund

Fokus







6

Hintergrund

Fokus

Hintergrund

+





7

Hintergrund

Hintergrund

Fokus

+

+



8

Hintergrund

Fokus

Fokus







!

854

C4 Konditional basierte Konnektoren

(v)

Interpretationsmöglichkeiten von weil auf den unterschiedlichen Ebenen der Verknüpfung In A4.4 wurde eine Reihe von typischen Tests dargestellt, mithilfe derer die Zugehörigkeit einzelner kausalen Relationen zu den drei Ebenen der Verknüpfung getestet werden kann. Die klassische Annahme über weil, die in der Literatur (vgl. Pasch 1997, HDK-1, Blühdorn 2008) kursiert, ist, dass weil-V2-Strukturen nicht auf der propositionalen Ebene verknüpfen, während weil-VL-Strukturen je nach prosodischer und syntaktischer Realisierung auf allen Ebenen verwendet werden können. Je stärker aber die syntaktische und/oder prosodische Desintegration, desto eher ist eine Interpretation einer weil-VL-Struktur auf der epistemischen Ebene oder der Sprechaktebene wahrscheinlich. Diese Thesen werden hier bestätigt, siehe dazu beispielsweise Volodina (2007, 2011a) und Argumente in Reis (2013) gegen Antomo/Steinbach (2010). Es muss aber eingeschränkt werden, dass es sich hierbei eher um Korrelationen als um zwingende Bedingungen handelt. Wir geben im Folgenden nur einige Beispiele zur Unterscheidung zwischen der propositionalen und der epistemischen Ebene für weil-Relationen. So ist ein Vorkommen von weil-VL-Strukturen in der Postposition durchaus mit der propositionalen und der epistemischen Ebene zu vereinbaren. Dies wird besonders deutlich, wenn man einen und denselben Satz, z. B. Stefan ist krank, weil er beim Arzt war, in unterschiedlichen Kontexten testet:  

(131a)

(131b)

Stefan hat seine Mutter letzte Woche zum Arzt begleitet, und da hat er sich im Wartezimmer angesteckt: Stefan ist krank, weil er beim Arzt war. KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ ) Stefan geht ja nur dann zum Arzt, wenn er wirklich krank ist. Ich habe ihn heute im Wartezimmer vom Urologen getroffen: Stefan ist krank, weil er beim Arzt war. K ONSEQ )) KAUS(A A NTEZ , EPS(K (Beispiele aus Brinckmann/Volodina 2009)

Je nach Kontext kann die Relation eine propositionale oder eine epistemische Lesart haben. Wenn der Ko- oder Kontext nicht eindeutig ist, besteht eine gewisse Ambiguität hinsichtlich der Lesart. Deswegen ist es analytisch gesehen problematisch, bei den Korpusbelegen zwischen der einen oder der anderen Lesart eines weil-Satzes zu entscheiden, insbesondere dann, wenn ein nachgestellter weil-Satz mit VL-Stellung vorliegt und keine weiteren Oberfläschenmerkmale wie z. B. Korrelate im externen Konnekt bzw. fokusbindende Ausdrücke wie nur vorliegen, die die eine oder die andere Lesart kodieren.  

(132)

Jeder in der Branche weiß, wie schwer es ist, russische Musik im Westen an den Mann und an die Frau zu bringen. Bands, die in Russland locker ganze Stadien zusammentrommeln, kennt hier keine Sau. Trotzdem hatten Leningrad sogar in Erlangen und Wiesbaden volle Häuser. Intellektuelle mögen

C4.2 Kausale Konnektoren

855

die Band, weil sie so authentisch besoffen wirkt. (Die Zeit (Online-Ausgabe), PRO/EPS 15.06.2006, S. 46)  

In Anteposition oder mit einem fokusbindenden Ausdruck im externen Konnekt können weil-Sätze nur propositional gedeutet werden. (133a) (133b) (133c)

Weil es regnet, ist die Straße nass. #Weil die Straße nass ist, regnet es. Weil der Ehemann den Verwandten zu viel Geld in die Heimat geschickt hatte und nichts mehr für Weihnachtsgeschenke übrig blieb, war ein Ehepaar in Streit geraten. Bei der Auseinandersetzung kam es zu Handgreiflichkeiten. Die Polizei musste intervenieren. Der Mann wird die nächsten Nächte auswärts verbringen. (St. Galler Tagblatt, 27.12.2010, o. S.) Vergessene Vorfahren könnte man die Kelten nennen, obwohl sie, bevor die Römer ihr Imperium errichteten, ganz Europa beherrschten und sogar Anatolien besiedelten. Nicht zuletzt war das heutige Franken keltisches Kernland. Von diesem Volk ist deswegen so wenig überliefert, weil die Kelten keine Staaten gründeten und keine eigene Schrift besaßen – dafür aber hatten sie in der Antike das, was man heute eine schlechte Presse nennt. (Nürnberger Nachrichten, 22.01.2005, o. S.) Ein islamisches Gericht in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat einen Ausländer wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt. Die beteiligte Frau sei zu einem Jahr Gefängnis und 100 Peitschenhieben verurteilt worden, berichtete die Khaleej Times. Sie sei der Todesstrafe nur entgangen, weil sie unverheiratet sei. (die tageszeitung, 12.06.2006, S. 9)  

(133d)



(133e)



Weil-Sätze mit V2-Stellung wie in (134) werden typischerweise auf der epistemischen Ebene gedeutet: (134a) Stefan ist krank, weil er war beim Arzt. EPS (134b) Seit 2001 leben wir nicht mehr zusammen. Jetzt lassen wir uns scheiden. Das ging vorher nicht, weil: Meine Mama wollte das nicht. Sie ist katholisch. Seit EPS April ist sie tot. (Berliner Zeitung, 30.10.2004, S. 1)  

(v-1) propositionale vs. epistemische Lesart von weil Die systematische Betrachtung der Realisierung von weil-Sätzen bei unterschiedlichen informationsstrukturellen Bedingungen (vgl. Abschnitt (iv) über informationsstrukturelle Möglichkeiten von weil) ermöglicht es, neue Korrelationen mit den Sweetser’schen Ebenen aufzudecken. Im Folgenden wird die Korrelation zwischen den einzelnen im Abschnitt (iv) dieses Kapitels detailliert beschriebenen Kombinationen, die hier nur an wohlgeformten Sätzen in den Kombinationen 1, 2, 6, 7 getestet werden, und den Ebenen überprüft:

856

C4 Konditional basierte Konnektoren

Kombination 1: Fokus – Hintergrund – Hintergrund (125)’ Warum hat Maria Peter geküsst? Maria hat Peter geküsst, weil er wie Superman aussieht.

PRO

Kombination 2: Fokus – Fokus – Hintergrund (127)’ Warum hat Maria Max geküsst? (a) Clara hat Max geküsst, weil er wie Superman aussieht. (Maria hat ihn gar nicht geküsst.) EPS (c) Clara hat Max geküsst, weil er sieht wie Superman aus. (Maria hat ihn gar nicht geküsst.) EPS Kombination 6: Hintergrund – Fokus – Hintergrund (128)’ Was hat Maria mit Peter getan, aufgrund der Tatsache, dass er wie Superman aussieht? (b) Weil er wie Superman aussieht, hat Maria Peter geküsst. PRO Kombination 7: Hintergrund – Hintergrund – Fokus (129)’ Hat Maria Peter geküsst, obwohl er wie Superman aussieht? (a) Nein, sie hat ihn geküsst, WEIL er wie Superman aussieht. (b) Nein, WEIL er wie Superman aussieht, hat sie ihn geküsst.

PRO PRO

Das Ergebnis der Tests kann wie folgt tabellarisch erfasst werden: Tab. C4.2-7: Informationsstrukturelle Bedingungen für die epistemische Interpretation einer weil-Relation Legende: ! nur bei der prosodischen Desintegration des weil-Konnekts möglich A NTEZEDENS

K ONSE QUENS

kaus. Relation

weil-VL ante

post

weil-V2

Ebene

1

Fokus

Hintergrund

Hintergrund



+



PRO

2

Fokus

Fokus

Hintergrund



+!

+

EPS

6

Hintergrund

Fokus

Hintergrund

+





PRO

7

Hintergrund

Hintergrund

Fokus

+

+



PRO

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Interpretation auf der epistemischen Ebene nur dann möglich ist, wenn sowohl das A NTEZEDENS als auch das K ONSEQUENS fokal sind, also neue Information kodieren und die Relation selbst als Hintergrund fungiert. In diesem Fall spielt die Verbstellung im internen Konnekt eine weniger wichtige Rolle, denn sowohl weil-V2- als auch weil-VL-Sätze weisen diese Merkmalskombination auf. Allerdings muss das interne Konnekt eines weil-VL-Satzes postponiert und – präferiert – prosodisch abgesetzt sein. In diesem Fall ist die Interpretation auf der epistemischen Ebene sogar zwingend.

857

C4.2 Kausale Konnektoren

(v-ii) propositionale vs. sprechaktbezogene Lesart von weil Was die Sprechaktebene angeht, lassen sich die Befunde nicht ohne Weiteres generalisieren. Mit anderen Worten, die informationsstrukturellen Bedingungen stimmen für die epistemische und die sprechaktbezogene Verwendung eines weil-Satzes nicht überein. Man betrachte folgendes Beispiel: Weil du schon da bist, hilf mir doch!

(135)

SPA

NT EZEDENS eindeutig im Hintergrund und als kontextuell gegeben In (135) ist das A NTEZEDENS markiert, was auch aus der Verwendung der Diskurspartikel schon sichtbar ist. Damit fällt dieses konkrete Beispiel keinesfalls in Kategorie 2, die sich als einzige Möglichkeit für das epistemische weil erwiesen hat. Der Grund dafür ist, dass in der Kategorie 2 das A NTEZEDENS neu sein muss. Da dies nicht der Fall ist, ist für (135) die Kategorie 6 die richtige (s. C4.2-8). Anders als auf der epistemischen Ebene sind solche Beispiele wie in (135) für die propositionale Ebene nicht rekonstruierbar, vgl. (136). Um das Beispiel zu replizieren, muss man einen overten Modalitätsoperator einfügen, wie das Verb müssen in der epistemischen Bedeutung, wie in (136a) und (136b) gezeigt, was aber nach der Sweetser’schen Theorie nicht mehr als epistemische Ebene gilt (vgl. A4.4). Man bemerke, dass (136b) exakt das Gleiche ausdrückt wie (136c), nur dass (136c) auf der epistemischen Ebene gelesen wird.  



(136a) Weil das Licht an ist, muss Peter zu Hause sein. (136b) Peter muss zu Hause sein, weil das Licht an ist. (136c) Peter ist zu Hause, weil das Licht ist an.

PRO PRO EPS

Damit ergibt sich für die sprechaktbezogene Lesart von weil folgende Tabelle: Tab. C4.2-8: Informationsstrukturelle Bedingungen für die sprechaktbezogene Interpretation einer weil-Relation Legende: ! nur bei der prosodischen Desintegration des weil-Konnekts möglich A NTEZEDENS

1

Fokus

K ONSEQUENS ONSE QUENS

Hintergrund

kaus. Relation

weil-VL ante

post

Hintergrund



+

weil-V2

Ebene



PRO

+

SPA

2

Fokus

Fokus

Hintergrund



+

6

Hintergrund

Fokus

Hintergrund

+





PRO/SPA

7

Hintergrund

Hintergrund

Fokus

+

+



PRO

!

Fazit: Durch die gleichzeitige Betrachtung von Informationsstruktur und Ebenen kausaler Verknüpfung hat sich eine starke Korrelation gezeigt, die in der bisherigen Forschung noch nicht hinreichend bekannt war und untersucht wurde. Die Korrela-

858

C4 Konditional basierte Konnektoren

tion zwischen der Informationsstruktur und den Ebenen der Verknüpfung ist nicht überraschend, da beides natürliche Dimensionen der pragmatischen Funktion kausaler Relationen sind. Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen den verknüpften Entitäten (Propositionen, epistemische Einstellungen, Sprechakte) und den Fragen, mit denen diese jeweils erfragt werden können.

4.2.3.1.1.1.2 Der Subjunktor da Das Ziel dieses Kapitels ist es, semantische und pragmatische Besonderheiten des Subjunktors da in Abgrenzung zum zentralen kausalen Konnektor weil zu beschreiben (vgl. dazu ausführlich GDS: 2299 ff.). Da beide Konnektoren nicht nur semantisch zum Ausdruck derselben Relation dienen, sondern als Subjunktoren auch syntaktisch zu derselben Klasse gehören, sind die Unterschiede zwischen weil und da subtiler Natur.  

(i) topologische Präferenzen von da-Konnekten Der Subjunktor da leitet Konnekte ein, die syntaktisch uneingeschränkt verwendbar sind, d. h., das mit da eingeleitete interne Konnekt kann prinzipiell auf sein externes Konnekt folgen (137a), ihm vorangehen (137b) oder in ihm enthalten sein (137c).  

(137a) (137b) (137c)

Peter ist gestern übers Wochenende nach Hause gefahren, da sein Vater im Familienkreis seinen 60-Geburtstag feiern wollte. Da Peters Vater im Familienkreis seinen 60-Geburtstag feiern wollte, ist Peter gestern übers Wochenende nach Hause gefahren. Peter ist gestern, da sein Vater im Familienkreis seinen 60-Geburtstag feiern wollte, übers Wochenende nach Hause gefahren.

Hinsichtlich der Linearisierung24 des internen Konnekts hat der Subjunktor weil die gleichen syntaktischen Möglichkeiten. Die Frage ist eher, ob da-Konnekte andere topologische Präferenzen aufweisen als weil-Konnekte, was ggf. mit semantischen bzw. informationsstrukturellen Unterschieden zwischen diesen zwei Subjunktoren erklärt werden kann. Frohning (2007), die für ihre Korpusstudie jeweils 100 zufällige Belege pro Konnektor auf der Basis von DeReKo untersucht, konstatiert in Bezug auf die Linearisierung des internen Konnekts bei weil- und da-Relationen unterschiedliche topologische Präferenzen: Während die Begründungen mit weil nur in 24% der Fälle im Vorfeld vorkommen, steht der mit da eingeleitete Nebensatz in fast der Hälfte der untersuchten Belege vor dem Matrixsatz (45%). (Frohning 2007: 120)

24 Unter LINEARISIERUNG wird in Breindl/Walter (2009) die realisierte Abfolge der beiden Konnekte in der Linearstruktur des Satzes im Sinne der GDS (1495 ff.) verstanden.  

859

C4.2 Kausale Konnektoren

Zum gleichen empirischen Ergebnis kommen auch Breindl/Walter (2009), die pro Konnektor aus einer Stichprobe von 200 Belegen auf die Verteilung von Konnektoren im Gesamtkorpus das in Tab. C4.2-9 wiedergegebene Ergebnis hochgerechnet haben (vgl. Breindl/Walter 2009: 107; Tab. 4.10): Tab. C4.2-9: Topologische Positionen des da- bzw. weil Konnekts (Anzahl N* per 10.000 Kausalkonnektoren): Internes Konnekt ist anteponiert (ANTE), eingeschoben (INSERT) oder postponiert (POST) in Bezug auf das externe Konnekt, unklare (?) und nichtanalysierbare (NA) Fälle

Konnektor

ANTE N*

INSERT N*

POST N*

da weil

? N*

NA N*

4727

0

1970

51

5273

0

0

7879

101

0

Während weil-Konnekte in Postposition deutlich überwiegen, ist der Anteil der anteponierten Belege bei da deutlich höher als bei weil. Es wurden mehr als doppelt so viele Belege in der Anteposition bei da im Vergleich zu weil festgestellt. (Die Verwendung im Mittelfeld ist bei beiden Konnektoren – zumindest im geschriebenen Zeitungsdeutsch – eher selten.) Die ikonische Kodierung der kausalen Relation ist also bei da deutlich ausgeprägter als bei weil. Die Feststellung konnektorspezifischer Linearisierungspräferenzen gilt als notwendiger, erster Schritt für die Begründung der informationsstrukturellen Unterschiede zwischen weil und da. (ii) informationsstruktureller Status von da Eine der zentralen Beobachtungen in der Literatur, die den Kernunterschied zwischen weil und da betrifft, bezieht sich auf den Informationsstatus des jeweiligen A NTEZEDENS -Konnekts. Die Voranstellung des internen Konnexts wird in der Literatur als thematische Position erkannt, deren Funktion es ist, auf bekannte, satzübergreifende Bezüge zu verweisen. So fungiert da als „eine echte Brücke zwischen der vorausgehenden Aussage und dem nachfolgenden Satz“ (Harweg 1972: 143). Harweg (1972) führt aus, dass da-Sätze „nicht als entdeckende Feststellung“ gebraucht werden können. Im Gegensatz dazu kann weil nach Pasch (1982: 336) eher zur Präsentation fokaler Information verwendet werden als da.25 Eine ähnliche Beobachtung betrifft die NT EZEDENS -Konnekte. Während wir bei den durch Diskursprominenz der jeweiligen A NTEZEDENS weil eingeführten Sachverhalten eher davon ausgehen können, dass sie im Diskurs wichtig bzw. hervorgehoben sind, gelten da-Konnekte als beiläufig, ohne besonderes Gewicht. In diesem Zusammenhang spricht Harweg (1972) von einem Kontrast zwi-

25 Paschs These untermauern auch die Ergebnisse der späteren Korpusstudien (vgl. Frohning 2007, Breindl/Walter 2009, auch Volodina 2007, 2011a für gesprochene Sprache).

860

C4 Konditional basierte Konnektoren

schen einer „engen“ Begründungsbeziehung bei weil- gegenüber einer „lockeren“ Begründungsbeziehung bei da- und denn-Sätzen, wenn sie postponiert auftreten. Außerdem kann nur mit einem da-Satz in der Anteposition ein „bekannter Grund“ eingeführt werden. Anteponierte weil-Sätze sind dafür nicht geeignet. Ein weil-Konnekt ist zudem laut Duden-Grammatik (2005) besonders evident oder bringt einen „notorischen Grund“ zum Ausdruck, so Eroms (1998). Den gleichen Gedanken finden wir etwas ausführlicher bei Bartsch (1978). Demnach dient da zur Absicherung einer Aussage in einer allgemein bekannten Diskurssituation. Der Subjunktor da verweist dabei auf präsupponierte oder suggerierte Evidenz und impliziert konventionell eine Folgerung auf der Grundlage dieser Evidenz. Pasch (1982) geht sogar davon aus, dass da-Konnekte als „Unterstellungen“ fungieren.26 Breindl/Walter (2009:107) weisen darauf hin, dass dieses präsuppositionale Verhalten von da mit seinem deiktischen Ursprung im Zusammenhang steht. Alle diese Aussagen scheinen plausibel zu sein, lassen sich aber schwer in Einzelfällen an Korpusdaten identifizieren. Dies liegt daran, dass bei relativ komplexen Verknüpfungen die Identifikation bereits ‚bekannter‘ Information über den Kontext nicht immer diskursreferenziell und daher auch nicht direkt nachweisbar ist. Wie anhand der Belege in (138) gezeigt, wird der Sachverhalt des da-Konnekts eher akkommodiert und somit zum gemeinsamen common ground (im Sinne von Stalnaker 1978, 2002) gemacht, obwohl der Sachverhalt im Kontext des Artikels davor nicht eingeführt wurde: Sie stolpern und fallen hin, für den Beobachter ohne sichtbaren Anlaß – mitten auf der Straße. Mit solchen Überraschungen muß man rechnen, wenn ein Kind die Straße überquert. Da bei kleinen Kindern mangels Erfahrung noch entsprechende „Bewertungsprogramme“ fehlen , tritt die Signalfunktion der Netzhautperipherie noch nicht in Aktion. Deshalb sieht das Kind seitlich weniger als der Erwachsene. (Beispiel zit. nach Frohning 2007: 126) (138b) An der Ecke Kolping-/Otto-Beck-Straße bietet der MFC 08 Lindenhof von 16.30 Uhr bis etwa 23 Uhr ein vielseitiges Programm. Da die Läufer diesen Teil der Strecke zwei Mal absolvieren , geht die Party dort besonders lange. (Mannheimer Morgen, 03.05.2005, o. S.) (138a)







In erster Linie sind anteponierte da-Sätze ein grammatisches Instrument, mit dem spezifische pragmatische und rhetorische Ziele erreicht werden können (im Sinne von pragmatic coding nach Tomlin 1985, vgl. Frohning 2007: 126). Gerade im schriftsprachlichen Diskurs können anteponierte da-Sätze bei der Informationsgliederung des Textes als eine argumentative Strategie genutzt werden, um mittels des (simulierten) 26 Vgl. auch die Begriffsvielfalt in Bezug auf den informationsstrukturellen Status von da in der Literatur (zusammengefasst in Breindl/Walter 2009: 107): „bekannter Grund“ bei Weinrich (1993), „thematisches da“ bei Buscha (1989), „pragmatisch präsupponiert“ bei Breindl (2009) und „gewusstes da“ bei Redder (1990).

861

C4.2 Kausale Konnektoren

common ground-Effekts oder beim Rekurrieren auf das gemeinsame Weltwissen dem Leser das Gefühl zu vermitteln, ein Teil der Geschichte zu sein. Die nachgestellten daSätze erfüllen im Wesentlichen die gleiche Funktion wie die nachgestellten weilSätze: Sie werden zum Begründen des vorangehenden Sachverhalts oder eines Sprechakts genutzt. Anders als die nachgestellten weil-Konnekte sind sie aber selten fokal (siehe (141) für Ausnahmefälle). (iii) da und seine Interpretation auf den Ebenen der Verknüpfung Die Frage, ob der Unterschied zwischen weil und da in der Verwendung auf unterschiedlichen Ebenen der Verknüpfung besteht oder nicht, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Weil kann auf allen Ebenen der Verknüpfung fungieren. Da wird hingegen eine beschränkte – ausschließlich nicht-propositionale – Verwendung auf den Ebenen der Verknüpfung zugeschrieben. So argumentiert beispielsweise Pasch (1982), dass da ein Einstellungsoperator ist, also nicht auf der propositionalen Ebene verwendet wird. Ähnlich spricht die GDS (2303) von da als einem nicht-propositionalen bzw. moduskommentierenden Konnektor. Die Verwendung von da auf der epistemischen Ebene, wie in (139a) – zusätzlich fixiert durch nämlich – und (139b) gezeigt, und auf der Sprechaktebene, wie in (139c), sind daher unumstritten die Default-Lesarten von da. (139a)

Gegenüber der taz erklärte Weidemann, er sei zuversichtlich, daß der Kongreß auch mit südafrikanischen Teilnehmern stattfinden könne, da es sich nämlich nicht um eine offizielle Delegation handele, sondern um Gelehrte, die quasi privat nach Mainz kommen wollen. (die tageszeitung, 28.04.1987, S. 5) EPS (139b) Warum Jose Maria Agut-Lopez aus Barcelona das Opfer einer Hinrichtung geworden ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Fest steht, dass der Mann als lebende Fackel unvorstellbare Qualen erlitten haben muss. Da der teilweise verkohlte Pullover neben der Leiche lag, gehen die Behörden davon aus, dass sich Agut-Lopez das Kleidungsstück im Todeskampf vom Leib gerissen hat. (Salzburger Nachrichten, 01.10.1999, o. S.) EPS (139c) Ich weiß halt nicht, woran es bei diesem oder jenem gelegen hat, dass aus der Karriere nichts geworden ist. Aber es stimmt schon, es gibt auffällig viele Leute, die bei einer Castingshow waren und die heute nichts mehr liefern. Da du so schnell unheimlich populär geworden bist: Wie sicher fühlst du dich in deinem künstlerischen Schaffen? (Rhein-Zeitung, 20.10.2012, o. S.) SPA  





In (139a)–(139c) ist da durch weil austauschbar. Bei einer leichten Modifikation von (139b) kann aber die Austauschbarkeit von da und weil blockiert werden (vgl. (140b)’), so dass nur da, aber nicht weil den Satz einleiten kann. Während der

862

C4 Konditional basierte Konnektoren

Originalbeleg in (139b) eine propositionale Interpretation erlaubt, handelt es sich dem Inhalt nach dennoch um einen epistemischen Begründungszusammenhang. Der „verkohlte Pullover“ ist zwar eine erklärende Ursache für die Rekonstruierung des Todesfalls durch die Behörden. Der „verkohlte Pullover“ ist jedoch keine ‚echte‘ Ursache für den Inhalt der Rekonstruktion, sondern lediglich ein Indiz, aufgrund dessen die Behörden den Fall rekonstruieren können. Mit anderen Worten, die Tatsache, dass der Pullover neben der Leiche liegt und verkohlt ist, ist der Grund für die Vermutung zu der Entwicklung des Falls, der deduktiv aufgeklärt wird. Entsprechend lässt sich durch die Weglassung des Matrixsatzes, wie in (140b)’, der rein inhaltlich dem Satz in (140b) ähnlich ist, ein Beispiel konstruieren, in dem da und weil nicht mehr ausgetauscht werden können. Dies liegt daran, dass diesmal eine Interpretation auf der epistemischen Ebene erfolgt, denn die explizite Verwendung des Prädikats, das für die Annahme der Behörden steht, liegt nicht mehr vor. In solchen Beispielen ist anteponiertes weil nicht möglich, anteponiertes da aber schon. (140b) Weil der teilweise verkohlte Pullover neben der Leiche lag, gehen die Behörden davon aus, dass sich Agut-Lopez das Kleidungsstück im Todeskampf vom Leib gerissen hat. (140b)’ *Weil/Da der teilweise verkohlte Pullover neben der Leiche lag, hat sich Agut-Lopez das Kleidungsstück im Todeskampf vom Leib gerissen. Interessant ist, dass bei der Nachstellung des internen Konnekts sowohl da und weil (am besten prosodisch abgesetzt) als auch weil-V2 und denn bei entsprechender syntaktischen Anpassung problemlos verwendet werden können, obwohl der Matrixsatz die Behörden gehen davon aus nach dem Muster in (140b)’ getilgt wurde. (140b)’’ Agut-Lopez hat sich das Kleidungsstück im Todeskampf vom Leib gerissen hat, weil/da der teilweise verkohlte Pullover neben der Leiche lag . (140b)’’’ Agut-Lopez hat sich das Kleidungsstück im Todeskampf vom Leib gerissen hat. Weil/Denn der teilweise verkohlte Pullover lag neben der Leiche.  

Unter anderem ist dieses Vorkommen von da eine der wenigen Optionen, in denen da, aber nicht weil verwendet werden kann (für Nichtaustauschbarkeit von weil durch da siehe (142), (143)). Dies ist auch u. a. ein Grund für Pasch (1982), anzunehmen, dass da ausschließlich in nicht-propositionalen Kontexten verknüpfen kann. Dagegen sprechen aber einige Belege aus der Korpusstudie von Breindl/Walter (2009), die zu einem differenzierteren Bild der Situation verhelfen. Auf der Basis von DeReKo-Belegen wird die Beobachtung gemacht, dass da regelmäßig auch in syntaktischen Strukturen vorkommt, die generell für nicht-propositionale Lesarten als nicht zugänglich gelten. Breindl/Walter (2009) geben dafür die folgenden Beispiele:  

863

C4.2 Kausale Konnektoren

(141a)

Die Pharmaindustrie kritisiere die Liste deshalb, da dadurch bestimmte Medikamente, insbesondere für ältere Menschen, „ausgegrenzt“ würden. (die tageszeitung, 22.10.1996, S. 21) (zit. nach Breindl/Walter 2009: 96) Ist Österreichs Demokratie nun ins Mark getroffen, da der als Rechtsextremist verschriene Vorsitzende der Freiheitlichen, Jörg Haider, zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt worden ist? (Kleine Zeitung, 10.04.1999, o. S.) (zit. nach Breindl/Walter 2009: 96)  

(141b)



In der Tat ist da in jedem Beleg problemlos durch weil austauschbar.27 Außerdem kann in keinem der Beispielen in (141) nämlich im internen Konnekt eingesetzt werden. Dies spricht eher für die propositionale Interpretation dieser da-Belege. Aufgrund dieses Befunds schlussfolgern Breindl/Walter (2009: 96): Die hohe Zahl der Klassifikation von da-Verwendungen als „semantisch“ erlaubt aber auch den Schluss, dass die meisten Sprecher zumindest in weniger scharf profilierten Kontexten in Bezug auf die Verknüpfungsdomäne überhaupt keinen Unterschied zwischen da und weil wahrnehmen.

Gleichwohl lässt sich festhalten, dass in sehr scharf profilierten Kontexten die modale Einbettung der kausalen Beziehung nur bei weil möglich zu sein scheint, wie Eggs (2004: 333) an folgendem Beispiel zeigt: (142)

Wahrscheinlich, weil(/*da) Peter am Fenster stand, konnte er das Geschehen vor dem Haus genau beobachten.

Es findet sich auch eine ganze Reihe von Korpusbeispielen mit modaler Einbettung, bei denen die Ersetzung von weil durch da zu inakzeptablen Ergebnissen führt. (143)

Wahrscheinlich, weil/*da ihn die Abendsonne geblendet hatte, fuhr der St. Veiter Pensionist Rudolf Alois Renner-Martin (58) am Sonntag nachmittag auf der Metnitztalstraße in einer Kurve geradeaus. (Kleine Zeitung, 02.06.1998, o. S.)  

In anderen Belegen scheint durchaus, wie in Breindl/Walter (2009) beobachtet, die Akzeptabilität recht hoch zu sein: (144a) Möglicherweise weil(/?da) sie stark alkoholisiert war, achtete sie nicht auf die herannahenden Autos. (Frankfurter Allgemeine, 28.09.2001, o. S.)  

27 Manche Sprecher des Deutschen werten die Originalbeispiele in (141) als nicht akzeptabel, daher ist es keine Überraschung, dass weil anstelle von da „besser“ ist.

864

C4 Konditional basierte Konnektoren

(iv) zur (Des)integration eines da-Konnekts in der Anteposition Dafür, dass da typischerweise (aber nicht ausschließlich!) für nicht-propositionale Lesarten verwendet wird, spricht auch die These von Frey (2011), dass selbst anteponierte da-Sätze im Grunde einen eher geringen Integrationsgrad aufweisen im Vergleich zu weil-Sätzen in derselben syntaktischen Position (vgl. Reis/Wöllstein 2010 zum Status desintegrierter V1-Konditionalen, auch C4.1.1.3.1). Frey unterscheidet dabei (im Sinne von Haegeman 2004) zwei Arten von Adverbialsätzen: die sogenannten zentralen Adverbialsätze (CAP) und die peripheren Adverbialsätze (PAC). Seine Hauptthese ist nun, dass anteponierte da-Sätze periphere Adverbialsätze sein müssen, subordinierte weil-Sätze sind in dieser Terminologie dagegen als zentrale Adverbialsätze zu behandeln. Dies wird u. a. mit folgenden Tests belegt:  



Zentrale Adverbialsätze können Korrelate haben. Nach Frey (2011) ist dies für weil wahr, für da aber nicht:

(145a) Maria ist dann gegangen, als Max kam. (145b) Maria ist deshalb gegangen, weil Max kam. (145c) *Maria ist deshalb gegangen, da Max kam. –

Zentrale Adverbialsätze können im Skopus von Negation auftreten, periphere Adverbialsätze aber nicht.

(146a) Hans blieb nicht auf dem Fest, weil er tanzen wollte (sondern weil er auf Maria wartete). (146b) *Hans blieb nicht auf dem Fest, da er tanzen wollte, (sondern da er auf Maria wartete). –

Zentrale Adverbialsätze sind erfragbar, periphere Adverbialsätze sind nicht erfragbar:

(147)

Warum bleibt Hans zu Hause? Weil/*Da seine Frau krank ist.

Die Tests, die Frey (2011) für seine Argumentation benutzt, sind im Grunde die gleichen, mit denen man schon in den älteren Arbeiten (Pasch 1982, GDS, HDK-1) für den Unterschied zwischen „nicht-propositionalem da“ vs. „propositionalem weil“ argumentiert hat. Frey arbeitet jedoch in einem anderen theoretischen Rahmen (vgl. Haegeman 2004), in dem angenommen wird, dass der Unterschied mit einer höheren bzw. niedrigeren syntaktischen Position der Nebensätze korreliert. Auf das Gegenbeispiel für (145c) wurde in diesem Kapitel bereits hingewiesen. Es wird hier noch einmal wiederholt als (148) (vgl. auch weitere Belege unter (151)):

865

C4.2 Kausale Konnektoren

(148)

Die Pharmaindustrie kritisiere die Liste deshalb, da dadurch bestimmte Medikamente, insbesondere für ältere Menschen, „ausgegrenzt“ würden. (die (zit. nach Breindl/Walter 2009: 96) tageszeitung, 22.10.1996, S. 21)  

(v) Fokussierbarkeit von da Auch wenn in der Literatur (Pasch 1982, GDS, HDK-1, Frey 2011) behauptet wird, dass da-Sätze nicht fokal sein können, weil sie nicht erfragbar sind, beobachten Lang/ Pheby (2011: 305), dass da als einzelne Konstituente in seinem Nebensatz fokussierbar ist, wie in (149a) gezeigt. Diese Art von Fokussierung gilt auch für weil (vgl. (149b)): (149a) [Warum ist Peter heute zu Hause geblieben?] Peter ist krank, und DA er krank ist, bleibt er zu Hause. (149b) [Warum ist Peter heute zu Hause geblieben?] Peter ist krank, WEIL er krank ist, bleibt er zu Hause. (149c) Erster Vorsitzender wurde der Bergener Pfarrer Dr. Dieter Bach, das Landeskirchenamt stellte 60 000 Mark für einen Studienleiter zur Verfügung. Und da sich kein anderer Bewerber fand, übernahm der gerade gewählte Vorsitzende diese Position, den Vorsitz übernahm 1972 Pastor Horst Eisel. (Rhein-Zeitung, 06.09.2011, S. 14)  

Interessanterweise lässt sich dies nicht auf Kontrastfokus erweitern. D. h. in Fällen, in denen die kausale Relation in Abgrenzung zu einer anderen Relation hervorgehoben wird, ist die Fokussierbarkeit nicht gewährleistet:  

(150)

Peter ist zu Hause geblieben, *DA/WEIL und nicht OBWOHL er krank ist.

Relativ häufig finden sich in DeReKo Belege, in denen nicht da bzw. das da-Konnekt direkt fokussiert wird, sondern das Korrelat deshalb/deswegen. Dabei ist das darauf folgende Konnekt zwangsläufig fokal. (151a)

Das Oberlandesgericht Stuttgart […] hob die Entscheidung des Nachlaßgerichts mit Beschluß vom 5. November 1992 auf (8 W 484/92). Die Ausschlagung ist danach schon deswegen zulässig, da nur von Fall zu Fall entschieden werden kann, was für das noch nicht geborene Kind günstiger ist. Bei einem überschuldeten Nachlaß kann die sofortige Ausschlagung von vornherein den Interessen des ungeborenen Kindes dienen. (Mannheimer Morgen, 03.12.1994, o. S.) Möglich war dies allerdings nur deshalb, da ein Statikgutachten aussagt, dass die Brücke noch fünf Jahre ohne Gefahr zu befahren sei. (Mannheimer Morgen, 30.01.1999, o. S.)  



(151b)



Da kann des Weiteren zusammen mit Fokuspartikeln wie gerade vorkommen. Diese Konstruktionen sind aber weitgehend mit der Idee kompatibel, dass da-Konnekte

866

C4 Konditional basierte Konnektoren

thematisch/bekannt sind bzw. als solche per Default erschlossen werden. In diesen Fällen geht es darum hervorzuheben, dass eine bereits bekannte Tatsache gleichzeitig die Erklärung einer anderen Tatsache ist. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei Verknüpfungen mit da nur der Sachverhalt des da-Konnekts, nicht jedoch die Relation selbst bekannt sein muss. Dies könnte auch zum Teil dafür als Erklärung fungieren, dass da manchmal auch unter Operatoren eingebettet werden kann. In diesen Fällen scheint der Operator nicht mit dem internen Konnekt direkt zu interagieren, sondern dient insbesondere für die Etablierung der Relationen zwischen den Konnekten durch da. (152a)

Kausal verantwortlich für beide Phänomene ist jedoch eine dritte (Moderator) Variable: die Industrialisierung. Die Vermutung liegt nahe, dass das auch in dem vorliegenden Beispiel der Fall ist, gerade da der Effekt im Osten so stark ist. Intelligente Mütter mit höheren Schulabschlüssen werden vermutlich bessere Chancen haben, bei der hohen Arbeitslosigkeit im Osten noch einen Job zu haben als Mütter ohne Hauptschulabschluss. (die tageszeitung, 13.03. 2003, S. 13) Und das erzählten sie fröhlich jedem, der es nicht hören wollte – zwei, drei Tage bevor sie aufbrachen. So verwunderte es schließlich niemanden, als sie geschnappt wurden, gerade da sie in den Fluss gestiefelt waren. Ihre Ausweisung erfolgte stehenden und vor allem nassen Fußes. (die tageszeitung, 12.04.2003, S. 28) Dazu gibt es die Begleitkommentare, Analysebefunde, Textdeutungen der Ausstellerinnen, auch etwa die nachträgliche Antwort eines Sohnes auf den ausgestellten Brief des Vaters. Das alles fügt sich – gerade da das Grundmaterial so sparsam ausgewählt worden ist – zu einem einerseits überschau- und nachvollziehbaren, andererseits durchaus beabsichtigt widersprüchlichen Bild der Kriegszeit zusammen. (die tageszeitung, 29.10.1990, S. 24)  

(152b)



(152c)



4.2.3.1.1.1.3 Begründungs-denn Die folgende Betrachtung von denn erfolgt in Abgrenzung zum zentralen Konnektor weil, der in zwei verschiedenen syntaktischen Varianten vorkommt, nämlich mit V2und VL-Stellung. In HDK-1 wird dem Begründungskonnektor denn der Status eines syntaktischen Einzelgängers zugeschrieben. Denn steht immer vor seinem zweiten Konnekt, in dem eine Begründung ausgedrückt wird, und verknüpft als Kausalkonnektor zwei Sachverhalte, von denen immer der zweite, unmittelbar auf den Konnektor folgende, eindeutig dem ersteren semantisch untergeordnet ist. Diese Abhängigkeit ist nur semantisch ausgedrückt, nicht aber syntaktisch, wie dies bei kanonischen Adverbialsätzen mit VL-Stellung der Fall ist: Denn bettet in diesem Sinne sein Konnekt nicht ein. Die

C4.2 Kausale Konnektoren

867

Besonderheit von denn besteht in seinem asymmetrischen Verhalten: Denn ist ein semantisch subordinierender, syntaktisch aber beiordnender Konnektor (zum Verhältnis zwischen Koordination, Subordination und Verbstellung eines (un)abhängigen Satzes s. HDK-1 sowie Reich/Reis 2013). Die syntaktische Eigenständigkeit von denn-Konnekten ist teilweise der Grund, weshalb denn im Diskurs mit satzinitialer Großschreibung vorkommen kann. In solchen Fällen ist der vorangehende Satz das Bezugskonnekt des denn-Konnekts. In diesem Zusammenhang beobachtet Frohning (2007: 82): Denn funktioniert (…) als besonders starkes Begründungssignal. Die leichte Präferenz dieses Markers zur satzinitialen Großschreibung (53,6% der Vorkommen) ist hierfür ein Indiz und legt die Vermutung nahe, dass dieser Marker im schriftlichen Medium auch als explizites Segmentierungssignal eingesetzt werden kann.

(i) syntaktische Besonderheiten von denn-Verknüpfungen Aus syntaktischer Sicht ist der zentrale Unterschied zwischen weil und denn, dass das denn-Konnekt postponiert und parenthetisch eingeschoben, keinesfalls aber anteponiert vorkommen kann. Das Gleiche gilt auch für den Gebrauch von weil-Sätzen mit V2-Stellung, die sich syntaktisch, prosodisch und semantisch genauso verhalten wie denn-Sätze (s. HDK-1: 590 f.). Selbstverständlich kann weil mit VL-Stellung auch in solchen Kontexten vorkommen:  

(153a) (153b) (153c)

Peter hat seinen Schlüssel zu Hause vergessen, denn/weil er hat sich so sehr zur Arbeit beeilt. *Denn/*weil Peter hat sich so sehr zur Arbeit beeilt, hat er seinen Schlüssel zu Hause vergessen. Weil Peter sich so sehr zur Arbeit beeilt hat , hat er seinen Schlüssel zu Hause vergessen.  

Bei parenthetisch eingeschobenen denn-Sätzen kann das denn-Konnekt auch semantisch nur auf eine Konstituente einer Satzstruktur bezogen sein, wie in (154) gezeigt: Schön dumm von mir, einen potentiellen Erpresser – denn das ist dieser Keener noch immer – ohne Grund zum Bleiben aufzufordern … (Highsmith, Gesichter, S. 49–50) (154b) Wer des Pfälzischen einigermaßen kundig ist, merkt natürlich sofort, dass das Wort Käärschdel ein Diminutiv, also eine Verkleinerung ist, was darauf schließen lässt, dass das Handwerkszeug – denn um ein solches geht es hier – nicht allzu groß ist. (Die Rheinpfalz, 26.10.1996, o. S.) (zit. nach HDK-1: 587) (154a)





Denn-Konnekte werden weder subordiniert noch koordiniert (vgl. Uhmann 1998 und Breindl 2009 zur komplementären Distribution von Konjunktoren und V2-Subjunkto-

868

C4 Konditional basierte Konnektoren

ren): In Wöllstein (2010) wird denn (wie auch weil-V2) als „parordinierender (= nicht koordinierender, sondern beiordnender) Satzverknüpfer“ (im Sinne von Höhle 1986: 329 ff.) behandelt.  

Abb. C4.2-1: denn und weil-V2 als parordinierende Konnektoren (Grafik aus Wöllstein 2010: 67)

Auch Breindl (2009: 281) findet es sinnvoll, „zwei Strukturstellen für Konnektoren vor dem Vorfeld eines Verbzweitsatzes zu unterscheiden: eine ‚Koordinatorstelle‘ und eine ‚Nullstelle‘“, wie es auch schon in HDK-1 vorgeschlagen wurde. Konnektoren wie weil-V2 und denn stehen dementsprechend laut HDK-1 an der sogenannten Nullstelle zwischen den Konnekten und setzen ihre Konnekte in ein parataktisches Verhältnis zueinander (vgl. HDK-1: 305). Da denn nicht subordinieren kann, hat es keinen Einfluss auf die Form seines Konnekts. D. h. sein Konnekt kann als Verberst- oder Verbzweitsatz ausgedrückt werden, was jeweils als Assertion, Frage oder Aufforderung verstanden werden kann:  

(155a) (155b) (155c)

Du kannst nicht erwarten, dass ich dir soviel Geld leihe, denn bin ich Krösus? Du kannst nicht erwarten, dass ich dir soviel Geld leihe, denn wo soll ich das so plötzlich hernehmen? Du kannst nicht erwarten, dass ich dir soviel Geld leihe, denn greif mal ’nem nackten Mann in die Tasche! (zit. nach HDK-1: 591 f.)  

Freilich sind bei denn die Verwendungen des jeweiligen zweiten Konnekts dieser Art immer als rhetorische Frage oder rhetorische Aufforderung zu interpretieren, d. h. ihr Inhalt ist als Urteil und nicht als ‚echte‘ Frage, zu interpretieren, wie etwa in (155a). Die syntaktischen Eigenschaften von denn scheinen sich mit dem nachgestellten weil zu decken. Insbesondere gibt es durchaus auch Verwendungen von weil mit V1, sowohl als Einführung von Fragen als auch als Einführung von Imperativen. Das spricht dafür, dass denn und alle (syntaktisch und prosodisch desintegrierten) weilVerwendungen, die nicht als Subjunktor kategorisiert werden können, sich syntaktisch nicht unterscheiden: Reis (2013) listet analoge Beispiele zu denen aus HDK-1 (s. (155)) auch für weil auf:  

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C4.2 Kausale Konnektoren

(156a) (156b) (156c)

Wir sind an den Bodensee gefahren, weil wo ist es schöner im Juni als dort? Paul hat geerbt, weil würde er sonst dauernd verreisen können? Räum bitte dein Zimmer auf, weil denk dran, dass Taschengeld nur fließt, wo Ordnung herrscht. (Beispiele zit. nach Reis 2013: 224)

Die Tatsache, dass denn syntaktisch sein Konnekt nicht einbettet, rückt denn-Konnekte in die Nähe von weiterführenden Relativsätzen (vgl. Holler 2008), wie in Reich/ Reis (2013) beobachtet. Ebenfalls kann angenommen werden, dass der Status von denn im Diskurs demjenigen einer eigenständigen Diskurspartikel ähnelt, wie in Günthner (1993) angenommen. (ii) prosodische Unterschiede und Informationsstruktur von denn Eine der prosodischen Besonderheiten von denn ist, dass denn immer prosodisch desintegriert vorkommt: Meistens wird der Grenzton vor dem zweiten Konnekt durch eine fallende Tonhöhenbewegung oder separierende Pausen vor und nach denn markiert (s. Fiehler et al. 2004): Die prosodischen Eigenschaften von denn-Sätzen sind die gleichen wie die prosodischen Eigenschaften von weil-V2 Sätzen. Dies wird in (157) gezeigt, in dem sowohl (157a) und (157c) wohlgeformt sind, (157d) und (157f) hingegen nicht (vgl. HDK1: 178).  

(157a) (157b) (157c) (157d) (157e) (157f)

Borg mir mal bitte deinen Kamm ↓, denn ich habe meinen vergessen. Borg mir mal bitte deinen Kamm ↓, weil ich meinen vergessen habe . Borg mir mal bitte deinen Kamm ↓, weil ich habe meinen vergessen. *[Borg mir mal bitte deinen Kamm ↑, denn ich habe meinen vergessen.] #[Borg mir mal bitte deinen Kamm ↑, weil ich meinen vergessen habe .] *[Borg mir mal bitte deinen Kamm ↑, weil ich habe meinen vergessen.]  



Weil-Sätze mit Verbletztstellung hingegen erlauben durchaus, wie denn- und weilSätze mit V2-Stellung, eine prosodische Desintegration. In diesem Fall, wie mit (157b) illustriert, ergibt sich dieselbe Interpretation wie für denn- und weil-V2-Sätze. Dagegen ist (157e) als weil-VL-Satz auch mit einem alternativ integrierenden prosodischen Grenzton zwischen den Konnekten möglich, aber dieses Beispiel hat eine andere Interpretation, die inhaltlich als seltsam anmutet. Die natürliche Interpretation von (157) ist auf der Sprechaktebene. (157e) hingegen, das durch maximale prosodische Integration und Verbendstellung im weil-Satz markiert ist, erzwingt eher eine Interpretation auf der propositionalen Ebene. Eine andere Besonderheit von denn ist, dass denn im Unterschied zu weil in VLStrukturen nicht akzentuierbar ist. Dadurch, dass denn nicht akzentuierbar ist und

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C4 Konditional basierte Konnektoren

stets nur postponiert vorkommen kann sowie nur satzwertige Sachverhalte verknüpft (vgl. HDK-1: 584 ff.), hat denn gewisse informationsstrukturelle Einschränkungen: Die durch ein denn-Konnekt ausgedrückte Information wird immer eigenständig assertiert und ist mithin immer im Fokus. Entsprechend gibt es eine Tendenz, durch dennKonnekte neue Information einzuführen (HDK-1: 591). Dennoch sind denn-Konnekte niemals erfragbar, weder mit warum noch mit wieso:  

(158a)

Warum hat Maria Peter geküsst? #Denn er sieht wie Superman aus. (158b) Wieso hat Maria Peter geküsst? #Denn er sieht wie Superman aus. Es folgen einige Korpusbeispiele, die klar zeigen, dass denn-Sätze eher zur Einführung neuer Information dienen, ohne aber eine Antwort auf eine implizite warum-Frage zu geben: (159a)

(159b)

Sie scheint mit dem sprichwörtlichen „grünen Daumen“ gesegnet zu sein, denn ein Meer von blühenden Blumen empfängt einen beim Betreten des Gartens, was umso erstaunlicher ist angesichts des anhaltend schlechten Wetters in diesem Sommer. Jedoch die Pflege des Gartens ist nicht die einzige Aufgabe der Jubilarin. (Vorarlberger Nachrichten, 29.08.2000, S. B2) Plötzlich trugen Millionen von Kids und Yuppies von New York bis Los Angeles teure Boots und Cowboyhüte und sprachen mit modischem SüdstaatenAkzent. Doch die Westernmode hielt sich nicht ewig, denn sie hatte außerhalb des amerikanischen Westens keine Wurzeln. (Mannheimer Morgen, 03.03.2001, o. S.)  

HDK-1 (125) erklärt die Unmöglichkeit, denn zu fokussieren, mit seiner Semantik: Die Unmöglichkeit, denn zu fokussieren, beruht darauf, dass die Bedeutung von denn Satzverknüpfungen auf einer anderen inhaltlichen Ebene herstellt als auf der des propositionalen Gehalts.

Die Tatsache, dass denn-Sätze syntaktisch eigenständig sind und neue Information einführen, sowie die Tatsache, dass denn-Sätze eine Interpretation auf der propositionalen Ebene nicht zulassen, führen zu einer tendenziell prospektiven Begründung, im Unterschied etwa zu nämlich-Sätzen, oder teilweise auch da-Sätzen, die bevorzugt rückverweisend begründen, s. dazu Gohl (2002), Frohning (2007: 86). (iii) denn und seine Interpretation auf den Ebenen der Verknüpfung Dass denn nicht propositional verwendet werden kann, wird in der Literatur immer wieder betont und durch Korpusstudien weitgehend bestätigt (vgl. Frohning 2007, Breindl/Walter 2009, Volodina 2011a). So ist denn laut Rudolph (1984: 187) ein „Argu-

C4.2 Kausale Konnektoren

871

ment-Signal, das auf den Ebenen-Wechsel hindeutet,“ und bekommt eine natürliche Paraphrase als ‚und ich sage das, weil‘. Dies entspricht in der hier verwendeten Terminologie eindeutig der Interpretation auf der Sprechaktebene. Für eine epistemische Verwendung spricht sich unter dem Stichwort „Sprecherbezogenheit“ Henschelmann (1977) aus und argumentiert, dass „der Sprecher mit denselben Mitteln auch den kognitiven Akt, der einen bestimmten Sachverhalt zum Gegenstand hat, begründen kann“. Laut Keller (1993) kann denn genutzt werden für „erweiterte expressive Möglichkeiten“, zur Höhergewichtung von trivialen Begründungen durch Hauptsatzstellung, was diskursive Vorteile für Begründungsketten bringt. Nach Frohning (2007: 90) ist der Beleg in (160) besonders kennzeichnend für einen epistemischen Gebrauch von denn: (160)

Über 4 Millionen Arbeitslose zählt die Republik – und es sieht nicht so aus, als ob es in nächster Zeit besser würde. Vielleicht waren die Nachrichten aus Nürnberg aber auch ein heilsamer Schock, denn endlich rückt der Kampf gegen die Erwerbslosigkeit in das Zentrum der Politik. (Beleg zit. nach Frohning 2007: 90)  

Die Tatsache, dass denn nicht auf der propositionalen Ebene vorkommen kann und nicht mit warum erfragbar ist, erklärt folgende interessante Kontraste in (161)–(164), die in Sekiguchi (2008) für Deutschlerner zur Illustration unterschiedlicher Verwendungsweisen von denn und weil angeführt wurden: In (161a) wird mit weil auf die warum-Frage tatsächlich geantwortet. Dagegen liefert denn in (161b) nicht eine Antwort auf die Frage, sondern die Begründung, weshalb die Frage als sinnvoll interpretiert werden kann. (161a) (161b)

Warum hat der Mensch zwei Hände? – Weil eine zu wenig und drei zu viel wären. Warum hat der Mensch zwei Hände? – Denn er könnte drei Hände haben.

Ähnlich lässt sich der Unterschied in (162) erklären. Das erste Beispiel in (162a) hat eine natürliche Interpretation, wonach der Grund, weshalb der Mann gefährlich ist, darin besteht, dass der Sprecher ihn kennt, wohingegen diese Interpretation beim zweiten Beispiel fehlt. Beide Beispiele haben hingegen die Interpretation, dass der Sprecher deshalb berechtigt ist, den angegebenen Ratschlag zu geben, weil er den Mann, um den es geht, kennt. Die zweite Lesart ist entsprechend auf der Sprechaktebene zu interpretieren, im Kontrast zur ersten Lesart, die propositional ist. (162a) (162b)

Fürchten Sie vor diesem Mann, weil ich ihn kenne. Fürchten Sie vor diesem Mann, denn ich kenne ihn.

Weitere Beispielpaare, die diesen Unterschied verdeutlichen, sind:

PRO SPA

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Insekten fliegen nicht (deshalb) in die Flamme hinein, weil sie darin verbrennen wollen. (163b) Die Insekten fliegen nicht in die Flamme hinein, denn sie sind klüger, als man glaubt.

(163a)

Die Tatsache, dass denn nicht auf der propositionalen Ebene verknüpfen kann, lässt sich mithilfe von Beispielen wie in (164) in Frage stellen: (164a) Draußen zwitscherten die Lerchen recht fröhlich, denn der Frühling war gekommen. (164b) Der Frühling war gekommen, denn draußen zwitscherten die Lerchen recht fröhlich. In dem folgenden Beispiel können die semantischen Rollen von denn-Konnekten ausgetauscht werden, wie im klassischen Beispiel für weil (vgl. (165)): (165a) (165b)

Die Heizungsrohre sind geplatzt, weil es *(hat) Frost gegeben (hat). Es hat Frost gegeben, weil die Heizungsrohre (sind)28 geplatzt (sind).

Im Falle von weil hat man mit solchen Beispielen in der Literatur den Kontrast zwischen den epistemischen und propositionalen Lesarten erklärt. In (165a) markiert der Konnektor die Ursache, (165b) die Folge. Wenn die Folge markiert ist, dann muss man aus der Folge auf die Ursache schlussfolgern, also handelt es sich um eine epistemische Lesart. Die Beispiele in (164), in denen die semantischen Rollen von denn-Konnekten ausgetauscht werden, könnten also zeigen, dass denn durchaus auch auf der propositionalen Ebene verwendet werden kann. Dennoch wurde in A4.4 dafür plädiert, dass ein solcher Schluss zu kurz greifen würde. Zwar markiert denn im ersten Beispiel tatsächlich die Ursache, dennoch können wir davon ausgehen, dass es sich hier um eine epistemische Lesart handelt. Die Erklärung ist, dass sich die epistemische Ebene, wie in A4.4 ausgeführt, immer auf eine Schlussfolgerung bezieht. Nun kann man nicht nur von der Wirkung auf die Ursache zurückschließen, sondern natürlich schlussfolgern von einer vorliegenden potentiellen Ursache auf eine mögliche Wirkung. D. h. die korrekte Interpretation des ersten Satzes in (164a) ist folgende:  

(164a)’ Wir konnten annehmen, dass das, was wir draußen als Lerchenzwitschern identifiziert haben, tatsächlich ein Lerchenzwitschern war, denn der Früh-

28 Der Satz in (165b) erlaubt auch eine V2-Struktur, anders als der in (165a). Der Verbletztsatz mit weil soll als prosodisch desintegriert realisiert gedacht werden, damit die Relation dieselbe Lesart erhält.

C4.2 Kausale Konnektoren

873

ling war gekommen. (Wäre es noch Winter gewesen, wäre das eine Sinnestäuschung gewesen). (iv) denn und konventionelle Implikaturen Eine andere Analyse für denn schlägt Scheffler (2013) vor. Scheffler argumentiert, dass die Kernbedeutung von denn identisch mit der Bedeutung von weil ist. Beide Konnektoren geben die Ursache eines Sachverhalts an. Wenn aber weil die Ursache eines Sachverhalts zumindest in vielen Fällen als Teil der sogenannten at-issue Bedeutung (im Sinne von Potts 2005) zum Ausdruck bringt, tut dies denn als konventionelle Implikatur. Die Semantik von denn wäre dann wie folgt zu erfassen: (166)

p, denn q: At Issue: p Conventional Implicature: CAUSE(q, p)

(vgl. Scheffler 2013: 63)

Durch die Annahme, dass denn eine konventionelle Implikatur zur Bedeutung eines komplexen Satzgefüges beiträgt, sind einige Fakten über denn automatisch erklärt. Insbesondere ist erklärt, dass denn nicht als Antwort auf eine warum-Frage fungieren kann und warum sich denn syntaktisch eigenständig verhält. Tendenziell ist es nämlich so, dass sich konventionelle Implikaturen wie syntaktisch bzw. illokutiv selbstständige Sätze verhalten. Fraglich bezüglich der Analyse von Scheffler (2013) ist allerdings, ob die obige Argumentation tatsächlich Erklärungskraft besitzt. Schefflers Annahme ist, dass denn tief eingebettet vorkommt, sich aber wie uneingebettet verhält, weil es semantisch eine konventionelle Implikatur beisteuert. Alternativ könnte man gleich davon ausgehen, dass der denn-Satz nicht in die Struktur des jeweiligen Matrixsatzes eingebettet ist. Dann wäre die Frage, wieso sich denn so verhält, als wäre es nicht eingebettet, trivialerweise beantwortet: Denn verhält sich so, als wäre es nicht eingebettet, weil es nicht eingebettet ist.29 Reis (2013: 258) bezweifelt außerdem, dass der Sachverhalt des denn-Konnekts laut Schefflers Analyse zum „not-at-issue content“ gehört. Ähnlich argumentiert Antomo (2012: 20) dafür, dass weil-V2-Sätze (d. h. auch denn-Sätze) atissue semantische Inhalte beisteuern.  

29 Auch im Falle solcher Konstruktionen, die man generell als konventionelle Implikaturen bezeichnet, zum Beispiel Appositionen oder nicht-restriktive Relativsätze, gibt es eine lang anhaltende Diskussion darüber, ob es sich um tief in der Struktur des Matrixsatzes generierte Elemente handelt, die sich aufgrund der Semantik wie syntaktisch eigenständige Einheiten verhalten, oder aber ob diese Elemente von Anfang an syntaktisch höher, oft sogar als eigenständige Einheiten generiert werden, vgl. zum Beispiel del Gobbo (2003). Diese Diskussion kann als bis heute nicht abgeschlossen angesehen werden. Aber die Argumente von Schlenker (2010a, 2010b) deuten an, dass sich die zweite Position wohl durchsetzen wird.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Ein möglicher Vorteil der Analyse Schefflers wäre, wenn mithilfe der Annahme, dass denn eine konventionelle Implikatur beisteuert, die Präferenz von denn für nichtpropositionale Lesarten erklärt werden könnte.

4.2.3.1.1.2 Weitere periphere i. e. S. kausale Konnektoren Die Tatsache, dass denn, da und weil als zentrale kausale Konnektoren gelten, erklärt sich daraus, dass die Kernbedeutung dieser Konnektoren der Ausdruck einer Kausalrelation ist. Bei allen weiteren antezedensmarkierenden kausalen Konnektoren, die hier behandelt werden, kann die kausale Lesart im Kontext aus einer anderen, nichtkausalen Kernbedeutung abgeleitet werden. Dies heißt natürlich nicht, dass ihre kausale Verwendung in irgendeiner Weise weniger klar belegbar wäre, was im Folgenden für die Konnektoren dieser Gruppe gezeigt wird. Gleichwohl heißt das, dass sich ihre Beschreibung nicht direkt nach Kriterien der Beschreibung der kausalen Konnektoren weil, da und denn richten kann, weil deren kausale Lesart zu allererst erklärt werden muss und daher die Beschränkungen bezüglich der Ebenen ebenfalls mit abgeleitet werden müssen. Im Folgenden werden die peripheren antezedensmarkierenden kausalen Konnektoren in drei größere Gruppen aufgeteilt beschrieben: In C4.2.3.1.1.2.1 wird anhand von im Kern temporalen Konnektoren wie sintemal(en), alldieweil, dieweil und nachdem gezeigt, dass sie auch kausale Lesarten haben können. Die Konnektoren umso mehr/weniger als, zumal (da), die einen Zusatzgrund zum Ausdruck bringen, sowie das begründende dass werden in C4.2.3.1.1.2.2 behandelt, anschließend werden in C4.2.3.1.1.2.3 Unterschiede zwischen den Adverbkonnektoren nämlich und schließlich in kausaler Lesart herausgearbeitet. Für alle Konnektoren wird der Zusammenhang zwischen deren Grundbedeutung und der kausalen Lesart diskutiert.  



4.2.3.1.1.2.1 Temporale Subjunktoren mit abgeleiteter kausaler Bedeutung Dass temporale Konnektoren die generelle Fähigkeit haben, Lesarten anzunehmen, die im weiteren Sinne kausaler oder konditionaler Natur sind, wurde bereits in A3.2.2.1 und in A3.2.2.3 diskutiert. Dies ist insbesondere für kausale Lesarten insofern nicht verwunderlich, als Kausalität naturgemäß mit einer temporalen Abfolge verbunden ist: Die Ursache geschieht in aller Regel vor der Wirkung. Die Besonderheit kausaler Konnektoren ist aber, dass sie sich nicht nur streng auf Ursache-WirkungZusammenhänge beschränken, sondern zudem auch anti-ikonische Verwendungen erlauben, in denen, zum Beispiel auf der epistemischen Ebene, eine Annahme aufgrund der beobachteten Folge des angenommenen Sachverhalts begründet wird. Auch temporale Konnektoren in kausaler Verwendung können diese metaphorische Verschiebung von der propositionalen Ebene von Ursache und Wirkung auf eine epistemische Ebene oder Sprechaktebene mitmachen, liegt doch dieser Verschiebung

C4.2 Kausale Konnektoren

875

ein allgemeiner kognitiver Mechanismus zugrunde (vgl. Sweetser 1990) und nicht lediglich Regeln, die an lexikalische Einheiten gebunden sind. Dennoch gilt nicht allgemein, dass jeder temporale Konnektor kausal interpretiert werden kann. Im Folgenden werden für eine Reihe von Konnektoren Korpusbelege für ihre kausale Verwendung geliefert. (i)

Stilistisch markierte Subjunktoren temporalen Ursprungs: sintemal(en), dieweil und alldieweil Bei den Konnektoren dieser Gruppe handelt es sich um stilistisch stark markierte Subjunktoren, die sich aus den temporalen entwickelt haben, was bis heute an ihren etymologisch transparenten Formen zu sehen ist. Sintemal(en) (‚seit dem Mal‘) ist heute – wie die Belege in (167) zeigen – ein eher archaisch und bildungssprachlich verwendeter Konnektor, der auch kausale Lesarten erlaubt. Der Konnektor kann syntaktisch uneingeschränkt verwendet werden: Sein internes Konnekt kann seinem externen sowohl voran- als auch nachgestellt werden. (167a)

Der wer? Und was? War wie? Genau darum geht’s, um aussterbende, aus der Mode geratene oder hinfällig gewordene, jedenfalls kaum noch verstandene Wörter. Noch ein paar Beispiele? Gern, sintemal wir hier keine saumseligen Muhmen sind, machen wir uns anheischig, dieses Thema auszubaldowern, welches nämlich weidlich Konjunktur hat. (Braunschweiger Zeitung, 20.12. 2005, o. S.) „Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich“, sagt der Engel zu Maria, als er der Jungfrau verkündet, sie werde ein Kind gebären. Sie selbst hat dabei die größten Zweifel. „Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß“, erklärt sie im Lukas-Evangelium. (Braunschweiger Zeitung, 24.12. 2005, o. S.) 1598 hieß es in einem Schreiben des Drosten Heinrich Christoph von der Streithorst an den Fürstlich Braunschweigischen Kanzler und die Räte zu Wolfenbüttel, dass den Leuten von Oberlutter geholfen werden müsse, „sintemal fast kein ärmer Dorf in unseres gnädigsten Fürsten und Herrn Landesund Fürstentum ist“. (Braunschweiger Zeitung, 01.06.2007, o. S.)  

(167b)



(167c)



Der Subjunktor dieweil kann ebenfalls kausal verwendet werden, ist aber in DeReKo deutlich häufiger in adversativer (168a) als in kausaler Lesart (168b) belegt: (168a) Als hätte sie es geahnt, stellte Ingrid Schuler dem Quartettvortrag jene Geschichte vom armen Iren voran, der bange vor dem Himmelstor in der Reihe stand. Die Taten der Nächstenliebe verhalfen allen Seelen vor ihm mühelos in den Himmel, dieweil er sein Leben lang nur lustig gewesen war. (168b) Musik – Generationen eifriger Konzertgänger können das sicherlich bestätigen – wird nicht nur deshalb oft als störend empfunden, dieweil sie mit

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Geräusch verbunden. Nein, sie wirkt auch ausgesprochen anregend auf den gastrischen Trakt. (Nürnberger Nachrichten, 16.09.2005, o. S.)  

Bemerkenswerterweise konnten für den Subjunktor derweil keine kausalen Belege festgestellt werden, möglicherweise ist dieser Subjunktor anders als dieweil nur auf die adversative bzw. temporale Bedeutung festgelegt (s. C2.3.5.2). Ausschließlich in der Verwendung als Subjunktor kann alldieweil als kausal interpretiert werden. In (169c) ist alldieweil als Adverbkonnektor verwendet und kann nur temporal interpretiert werden: (169a) Mit seinem dritten Platz von Athen hat der junge Westfale den zweiten von Atlanta bestätigt, alldieweil er nun, in seinem erst zweiten Zehnkampfjahr, dem Druck, Gejagter zu sein und Erwartungen befriedigen zu sollen, widerstanden hat. „Atlanta war schöner“, sagte Busemann, „aber dies war viel, viel schwieriger.“ (Frankfurter Rundschau, 07.08.1997, S. 16) (169b) Um keine Kleckse auf das Papier zu machen, beugte er sich zu dem Garderobenständer hinüber und wischte die Federspitze am Saum seiner Toga ab. „An den Minister“, verlas er beim Schreiben mit pathetischer Bühnenstimme. „Alldieweil ich infolge einer plötzlichen und schweren Erkrankung außer Gefecht gesetzt bin, sehe ich mich nicht in der Lage, den geforderten Diensten nachzukommen.“ (Hannoversche Allgemeine, 28.10.2009, o. S.) (169c) Energiegeladen stürmt er die Bühne, schwungvoll nimmt er Platz, ordnet mit fester Hand seine Bücher, lehnt sich zurück, und ist bereit! Doch zunächst streicht das Trio Sonare, bestehend aus Peter Gillmayr (Violine), Wolfgang Schatz (Viola) und Andreas Pözlberger (Violoncello) mit Verve und sichtlichem Vergnügen die Saiten. Alldieweil lässt Klaus Maria Brandauer seinen Blick über die erwartungsvollen Gesichter im Publikum schweifen, um dann jäh und explosiv in seinen Vortrag zu starten. (Nürnberger Zeitung, 22.05. 2006, o. S.)  





(ii) Kausale Lesart des temporalen nachdem Im Unterschied zu den temporalen Konnektoren, die in C4.2.3.1.1.2.1 unter (i) behandelt wurden, ist die kausale Verwendung von nachdem nicht als ‚stilistisch markiert‘ zu bezeichnen. Die Beispiele in (170), die den typischen Kontext für die kausale Lesart von nachdem liefern, zeigen, dass das nachdem-Konnekt nicht unbedingt auf die eine oder andere Stellungsposition hinsichtlich seines externen Konnekts beschränkt sein muss, damit die Relation als kausal gedeutet werden kann. Möglicherweise handelt es sich bei nachdem in dieser Verwendung um eine regionale Varietät, da die meisten Beispiele im süddeutschen Sprachraum eher akzeptabel sind als im norddeutschen: (170a) Er fiel hin, nachdem er schwach auf den Beinen war. (Beispiel zit. nach Tenbrink 2004: 6)

C4.2 Kausale Konnektoren

877

(170b) Nachdem der Patient noch nicht eingetroffen ist, nehmen wir jetzt Frau Müller dran. (Beispiel zit. nach Duden-Grammatik 2005: 638) (170c) Nachdem du jemand bist, der im Gegensatz zu mir ein Gefühl für die altgriechische Sprache hat, solltest du wissen, daß schon Menschen wegen eines Iotas ihr Leben verloren haben. (Diskussion: Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern, Wikipedia, 2011) Kausale Lesarten von nachdem sind auch im älteren Deutsch nachzuweisen. Auf die kausale Verwendung von nachdem wird beispielsweise im Grimmschen Wörterbuch verwiesen (DWB: Sp. 34–48).  

(171)

verwundert sich seer uber solchem gebot, nach dem es ungewönlich war. (Luther 3, S. 32).  

In der Literatur wurde ausführlich darüber diskutiert, ob und inwiefern die kausa-len Lesarten von nachdem eine eigene Verwendungsweise, eine eigene Bedeutung oder lediglich das Ergebnis eines pragmatischen Interpretationsphänomens seien. Die Erlangung kausaler Lesarten durch temporale Konnektoren wurde in A3.2.2.1 ausführlich am Beispiel von nachdem diskutiert. Deshalb wird an dieser Stelle auf die dortige Diskussion verwiesen. Hier werden lediglich einige Beispiele aus A3.2.2.1 wiederaufgenommen, die die kausale Verwendung von nachdem belegen: (172a)

Nachdem es bei Bissau keine Zoll- und Landesgrenze mehr gab, konnte sie wieder ihre Eier, Butter, auch Grünkohl und Winteräpfel auf den Markt bringen. (Grass, Blechtrommel, S. 209) Nachdem die Ausstellung einen sehr repräsentativen und qualitativ sehr hochstehenden Querschnitt der zeitgenössischen Kunst darstellt, würde sie sich natürlich als Einstieg für ein Tiroler Museum der Moderne geradezu anbieten. (Neue Kronen Zeitung, 14.05.1995, S. 27)  

(172b)



Neben den i. e. S. temporalen Konnektoren können auch Konnektoren anderer semantischen Klassen ein kausales Verhältnis ausdrücken (s. C4.2.3.1.1.2.2).  



4.2.3.1.1.2.2 Postponierer umso mehr/weniger als, zumal (da) und das begründende dass, die einen Zusatzgrund zum Ausdruck bringen Diese Konnektoren drücken einen zusätzlichen Grund für einen im externen Konnekt ausgedrückten Sachverhalt aus. Sie werden ausschließlich in Begründungszusammenhängen verwendet. Sie drücken nicht reale physikalische Ursachen aus. Seltener können sie einen Grund für eine Handlung zum Ausdruck bringen. Alle drei können nur postponiert vorkommen.

878

C4 Konditional basierte Konnektoren

(i) umso mehr/weniger als: Die lexikalisierten mehrteiligen Konstruktionen umso mehr, als und umso weniger, als, die die Komparativausdrücke mehr bzw. weniger erhalten, werden in HDK-1 in der Verwendung, wie in (173) gezeigt, „als Ergebnis eines Grammatikalisierungsprozesses [angesehen], bei dem Ausdrücke mit reiner Hintergrundinformation weggelassen wurden und nur die fokalen Ausdrücke übrig geblieben sind“. (HDK-1: 433) Dementsprechend werden sie in HDK-1 in dieser Verwendung als Konnektoren erfasst. Diese Konnektoren werden eher dann verwendet, wenn es darum geht, nicht die Sachverhalte selbst, sondern eine skalierbare epistemische oder emotionale Einstellung zu Sachverhalten zu begründen. So bezieht sich umso mehr als, wie in (173a) gezeigt, nur auf einen Teil des Ausdrucks im externen Konnekt, nämlich auf ‚groß‘ als Teil der NP ‚der große Verlust‘, der aus der Sicht des Sprechers bzw. Schreibers gesondert zu begründen ist. Ähnlich wird in (173b) mit dem umso mehr, als-Konnekt der Zustand von Birgit Fischer, der durch ‚gern‘ als zufrieden oder glücklich bezeichnet werden kann, begründet.  

(173a)

Giuseppe Mazzarelli, der sich gestern entschied, das Angebot des italienischen Serie-A-Klubs Bari anzunehmen, wird heute voraussichtlich einen Vertrag unterzeichnen, der ihn bis 2004 an die Italiener bindet. Für Trainer Marcel Koller bedeutet der Abgang des 28-jährigen Verteidigers einen grossen Verlust für die Mannschaft, umso mehr als so kurz vor Saisonbeginn kaum ein entsprechender Ersatz mehr gefunden werden kann. (St. Galler Tagblatt, 13.07.2000, o. S.) An die Olympischen Spiele von Barcelona erinnert sich Birgit Fischer gerne, umso mehr, als sie im Einer Gold gewann und mit dem Vierer Silber. (Mannheimer Morgen, 31.08.2000, o. S.)  

(173b)



Ein interessanter Unterschied zwischen umso mehr als und umso weniger als ist, dass umso weniger als nur bei negiertem Konsequens verwendet werden kann. Ungeachtet dessen steht das interne Konnekt nicht im Skopus der Negation. (174a)

Die Schere zwischen arm und reich geht in Bayern immer weiter auseinander. Deshalb sollte es mehr denn je Aufgabe des bayerischen Parlaments sein, dafür Sorge zu tragen, dass die Idee einer solidarischen Gesellschaft und Gemeinschaft in Bayern nicht völlig über Bord geworfen wird. Wir halten es daher nicht für angemessen, dass Minister wie normale Beamte behandelt werden und ein Weihnachtsgeld beziehen, umso weniger, als gerade die Staatsregierung maßgeblich durch vielfältige Kürzungen und Zuzahlungen für zusätzliche Belastungen im öffentlichen Dienst verantwortlich ist. (Protokoll, Bayerischer Landtag, 28.11.2006, o. S.) (174b) Präsident Petar Stojanov hatte Dienstag vormittag die Bestellung einer sozialistischen Regierung aber unerwartet abgelehnt und statt dessen die Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Bei den Beratungen in diesem Gremium war  

879

C4.2 Kausale Konnektoren

deutlich geworden, daß eine weitere sozialistische Regierung keine Chance hat, umso weniger, als auf der Kabinettsliste des designierten Ministerpräsidenten Nikolai Dobrev auch die bisherigen Finanz-, Außen- und Außenhandelsminister aufschienen. (Die Presse, 05.02.1997, o. S.)  

(ii) zumal (da): Mit dem Postponierer zumal (da) wird ein zusätzlicher Grund in den Kontext eingeführt. Kausale Verknüpfungen mit zumal (da) werden in Fabricius-Hansen (2009: 779) als unintegriert bezeichnet, was seiner Rolle als Begründungskonnektor sicherlich gerecht wird. Typischerweise werden zumal-Sätze präferiert nicht-propositional verwendet und ähnlich interpretiert wie im Falle von umso mehr als und umso weniger als, was an den Beispielen in (175) illustriert werden kann.  

(175a)

„Wulff ist der klassische Berufspolitiker, Abteilung CDU, den das gegnerische Lager schon allein deswegen nicht mitwählen wird, zumal da ein Teil dieses Lagers von Gabriel geführt wird. (Braunschweiger Zeitung, 05.06.2010, o. S.) Gleich fünf Hubschrauber waren gestern Abend am Himmel über Ochtendung zu sehen und erweckten Besorgnis. Auf Facebook- und Twitter rätselten Leser, ob ein Unfall oder ein Unglück passiert sei, zumal, da die Hubschrauber mit Suchscheinwerfern flogen. (Rhein-Zeitung, 14.12.2011, S. 19) Spätestens seit dem Ende der Rückrunde ist auch bei der TSG 62/09 Weinheim eines klar: Es geht nur noch um Schadenbegrenzung. Mit 19 Punkten und vielen enttäuschenden Vorstellungen rangiert das Team von Trainer Michael Köpper im Mittelfeld der Tabelle auf Rang neun. Da waren die Ambitionen sicher andere, zumal die TSG die Vorsaison in der Verbandsliga mit einem überragenden zweiten Platz beendete. (Mannheimer Morgen, 01.03. 2013, S. 14)  

(175b)



(175c)



Konnekte mit zumal (da) können ebenfalls wie umso mehr als und umso weniger als weder im Skopus der Negation und Modaloperatoren stehen noch erfragbar sein. In A4.3 wurde aber auf eine Besonderheit von zumal hingewiesen, und zwar, dass es als der einzige Postponierer fokussiert werden kann (vgl. unterschiedliche Standpunkte in Hinblick darauf in Blühdorn 2011 vs. HDK-1). (iii) begründend-kausales dass (im Vergleich zum konsekutiven dass) Dass kann nicht nur als semantisch leerer Komplementierer, sondern auch als begründender Konnektor verwendet werden. Diese Verwendung wurde bereits in HDK-1 (633–636) ausführlich diskutiert, vgl. auch Gohl (2006b) zu begründenden dass-Konstruktionen in der Interaktion: (176)

Hast du Fieber, dass du so rote Backen hast?

880

C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Verwendung von antezedensmarkierendem dass in (176) ist nicht äquivalent mit der konversen Verwendung von dass in (177). (177a) (177b)

Was hast du mit der Uhr gemacht, dass sie nicht mehr geht. Was fasziniert Sie so sehr an dem „Zodiac“-Fall, dass Sie sich fast vierzig Jahre lang ganz der Aufklärung verschrieben haben? (dpa, 24.05.2007)

Dass in (177) ist ein Konsequens-Marker und ist auch syntaktisch eingeschränkter in seiner Verwendung, da bei der Voranstellung des internen Konnekts in (177) der Satz ungrammatisch ist.

4.2.3.1.1.2.3 Die kausalen Adverbkonnektoren nämlich und schließlich Die Besonderheit von Adverbkonnektoren, zu denen nämlich und schließlich gezählt werden, besteht darin, dass sie konnektintegrierbar sind und dadurch sowohl syntaktisch als auch prosodisch von den übrigen i. e. S. kausalen Konnektoren abweichende Merkmale aufweisen. Die Adverbkonnektoren nämlich und schließlich werden häufig in einer kausalen Lesart verwendet. Sie erlauben jedoch mindestens eine weitere, weitgehend unabhängige Lesart: Schließlich kann temporal bzw. sequenzabschließend verwendet werden; nämlich erlaubt zusätzlich eine präzisierende30 Lesart im Sinne von und zwar (vgl. ausführlich C5.5.2). In der Literatur gilt als umstritten, ob es sich im Falle dieser Konnektoren um einen Fall von Polysemie handelt oder ob nur eine Grundbedeutung vorliegt und die jeweils anderen Lesarten als pragmatisch abgeleitet gelten. (vgl. Granito 1984, HDK-1, Breindl/Waßner 2006, Onea/Volodina 2009, 2011, Karagjosova 2011). Die Behandlung dieser Konnektoren als kausale Konnektoren impliziert zunächst keine Entscheidung in dieser Frage. Das heißt, die empirische Tatsache, der an dieser Stelle Rechnung getragen wird, ist in erster Linie die Existenz der kausalen Lesart. Die Derivation selbiger ist zweitrangig. Dennoch ist gerade im Falle von nämlich eine quantitative Dominanz kausaler Verwendungen zu beobachten, was zumindest auf den ersten Blick dafür spricht, dass die kausale Lesart von nämlich die vorherrschende ist.  



30 Onea/Volodina (2009, 2011) sprechen dabei von der „spezifizierenden“ (Grund)-Bedeutung von nämlich.

C4.2 Kausale Konnektoren

881

(i)

kausale und nicht-kausale Lesarten von schließlich und nämlich je nach syntaktischer Position Das Vorfeld ist die einzige Position für nämlich, in der sein Vorkommen die Struktur ungrammatisch macht, daher wird es in HDK-1 (718) als der einzige Konnektor der Gruppe i. e. S. kausaler Adverbkonnektoren als nicht vorfeldfähig klassifiziert: Dagegen kann schließlich in der Vorfeldposition in kausaler Lesart vorkommen, wie folgende Belege zeigen:  



(178a)

Linke-Fraktionschef Willi van Ooyen sagte am Freitag im Rundfunk, Andrea Ypsilanti müsse nun einen neuen Anlauf nehmen. Das könne doch nicht so schwer sein, klang bei seinen Worten durch, schließlich stelle seine Partei keine Vorbedingungen. (Hannoversche Allgemeine, 09.08.2008, o. S.) (178b) Paul Schmidt (36), Student aus St. Pauli: „Ich versuche so gentlemanlike wie möglich zu sein. Wenn es mir zu intensiv wird, sage ich, ich will keine Beziehung. Oder ich sage, ich habe eine Freundin. Trotzdem mache ich der Frau dann noch ein Kompliment, schließlich will ich ihr nicht wehtun.“ (Hamburger Morgenpost, 23.06.2009, S. 12–13) (178c) Der Druck, der vor den jeweils mit 3:0 gewonnenen Spitzenspielen in Nordhausen und gegen Leipzig auf seinem VC Eintracht Mendig gelastet habe, sei gewichen. Kein Wunder, schließlich trainiert der Serbe den noch satz- und punktverlustfreien Primus der zweiten Volleyball-Bundesliga Süd. (RheinZeitung, 11.10.1997, o. S.)  





Es gibt allerdings auch Belege, in denen schließlich im Vorfeld in nicht-kausaler Lesart vorkommt. (179a)

Da es Hinweise auf weitere Täter in dem Anwesen gab, umstellten es Polizisten. Schließlich ging den Beamten noch ein dritter Einbrecher ins Netz. (Die Rheinpfalz, 22.03.2013, o. S.) Doch schon als junges Mädchen verweigerte sie sich dem Wunsch, bürgerlich und brav zu sein: weil sie sich als permanent aufmüpfig erwies, wanderte sie durch insgesamt fünfzehn Schulen. Schließlich legte sie an der Theaterakademie in Rom ihr Diplom ab, begann Stücke zu schreiben, als Schauspielerin, Inspizientin und Bühnenbildnerin zu arbeiten und nebenbei auch als Journalistin Geld zu verdienen. (Berliner Zeitung, 23.12.2004, S. 2)  

(179b)



Nämlich hat in der sogenannten Nullposition zwischen den Konnekten nach Onea/ Volodina (2011) keine kausale Lesart, sondern eine spezifizierende. Dennoch finden sich – vereinzelt – Belege (vgl. (180)), in denen nämlich das darauf folgende Konnekt auch als Begründung markieren kann. Nämlich ist in diesem Fall mit denn austauschbar, in (180a) und (180a)’, in einem unmarkierten Fall wie in (180b) stellen wir nur

882

C4 Konditional basierte Konnektoren

seine präzisierende Lesart fest, in der nämlich und und zwar austauschbar sind (vgl. C5.5.2): (180a) Ja gut, und als Hans Rosenthal – wenn ich schon mal beim Erleichtern meines Gewissens bin – noch lebte und immer schrie „Sie finden, das war Spitze!" – da hat es meine damalige Ehefrau getroffen. Ich rammte sie in den Fernseher. Vorwärts. Mit dem Kopf zuerst. Nämlich: sie hatte gesagt "Du, Schatz, ich find den Rosenthal so menschlich!“ (die tageszeitung, 18.12.1991, o. S.) (180a)’ Ich rammte sie in den Fernseher. Vorwärts. Mit dem Kopf zuerst. *Und zwar/ Denn: sie hatte gesagt …  

(180b) Noch ein weiteres Problem sieht die BI auf sich zukommen. Nämlich: Was passiert mit den vom Umweltministerium gespeicherten Adressen der Einwender? (die tageszeitung, 21.06.1988, S. 5) (180b)’ Noch ein weiteres Problem sieht die BI auf sich zukommen. Und zwar/ *Denn: Was passiert mit den vom Umweltministerium gespeicherten Adressen der Einwender?  

Schließlich kommt in der Nullposition ebenfalls nur sehr selten vor (vgl. Breindl/ Walter 2009: 106) und ist in dieser Position wie nämlich nicht auf eine kausale Lesart festgelegt, sondern kann auch temporal (= Listeninterpretation) verwendet werden (181b): (181a)

Das vorliegende Werk ist nach Meinung des Vereins Geschichte Alt-Neckarau eine sinnvolle Ergänzung und Aktualisierung des Werkes von Probst, der viele Ereignisse der jüngsten Vergangenheit auch deshalb schon gar nicht darstellen konnte, weil sie zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Chronik zu Beginn der achtziger Jahre noch gar nicht eingetreten waren. Das gilt beispielsweise für die Bebauung von Niederfeld III, IV und V mit RheingoldCenter und B-Linie, die Neckarau jedoch mindestens ebenso verändert hat bzw. verändern wird wie die Entwicklung in den 50 Jahren zuvor. Schließlich: Die zweibändige Chronik von Probst war ein Kompendium voller Daten und Namen. (Mannheimer Morgen, 17.09.1999, o. S.) Wer erbaute diese Stadt? War sie Hauptstadt, Festung, Heiligtum oder alles zugleich? Und schließlich: Wohin verschwanden ihre Bewohner? (die tageszeitung, 08.10.1988, S. 14)  

(181b)



Die Nacherstposition ist für beide Konnektoren verfügbar. Sie ist nicht nur für den von Breindl (2009) beobachteten Diskurseffekt des Topikwechsels verantwortlich, sondern ist von einer besonderen semantischen Wichtigkeit: Während im Falle von schließlich die Nacherstposition die kausale Lesart blockiert, wird nämlich in der Nacherstposition ausschließlich kausal interpretiert.

C4.2 Kausale Konnektoren

(182a)

883

Mit der britischen Herrschaft über Irak und dem Erlass eines neuen Ausgrabungsgesetzes zog Ordnung ein: Grabungslizenzen wurden nur noch an professionelle Teams vergeben. Ab 1930 trat ein striktes Ausfuhrverbot für alle antiken Objekte in Kraft. 1970 schließlich, zwei Jahre nach der Machtergreifung durch Saddam Hussein, wurden im Irak sogar der Privatbesitz und der Handel mit ausgegrabenen Objekten verboten. (Berliner Zeitung, 12.11. KAUS 2005, o. S.) Der Bundespräsident bietet deutsche Hilfe an und die Experten der GIZ und der Kfw-Bank an Bord zeigen, dass es diese Hilfe längst gibt. Doch Bangladesch wünscht sich noch mehr Aufmerksamkeit in Deutschland; Berichte nicht nur über Katastrophen. Und vielleicht kann Deutschland auch von dem fernen Land in Südasien lernen. Plastiktüten nämlich, darauf weist GIZMann Schirm hin, gibt es hier nicht. (dpa, 30.11.2011, o. S.) nurKAUS  

(182b)



Beide Konnektoren haben gemeinsam, dass sie, sowohl nämlich, wie in (183) gezeigt, als auch schließlich, wie in (184) gezeigt, bei der Realisierung im Mittelfeld eine kausale Lesart haben können. Für nämlich in der kausalen Lesart kann das Mittelfeld sogar als die präferierte Position angesehen werden (siehe Breindl/Walter (2009)): Der Schauspieler Heino Ferch, der als „deutscher Bruce Willis“ gilt, würde gerne mal eine richtige Actionrolle spielen. „Obwohl ich schon viele Adrenalinkicks im Film hatte, wäre es für mich eine Herausforderung, mal einen richtigen Actionfilm zu spielen – das habe ich nämlich, ganz ehrlich, noch nicht gehabt“, sagte Ferch, der in der Neuverfilmung des Kult-Krimis „Jerry Cotton“ den einarmigen Gangsterboss Klaus Schmidt spielt, bei der Premiere des Films. (Nürnberger Zeitung, 02.03.2010, S. 7) (183b) Der Vorteil der Naturtrompete ist, daß ein gutes Gehör ebenso wie das Gefühl für Tonabstände gefördert werden. Es empfiehlt sich jedoch, erst Erfahrungen auf der modernen Trompete zu sammeln, bevor man Barocktrompete spielt. Die vier Schüler erweiterten mit diesem Projekt ihren trompeterischen Horizont: „Man kommt nur selten in den Genuß, einmal eine Naturtrompete spielen zu dürfen, sie sind nämlich ziemlich teuer“, erklärt Jan Krisor. (Rhein-Zeitung, 09.04.1998, o. S.) (183a)





(184a) „Wir haben sofort die Bevölkerung informiert, man weiß schließlich nicht genau, was da noch passieren kann. (Die Presse, 06.09.1991, o. S.) (184b) Katrin Taschner, Restaurantfachkraftlehrling aus Sieggraben: „Ich fürchte mich nicht bei einem Unwetter, es ist schließlich etwas Natürliches. (Burgenländische Volkszeitung, 30.06.2011, o. S.)  



Onea/Volodina (2011) zeigen zudem, dass nämlich im Mittelfeld ausschließlich kausale Lesart hat. Dagegen argumentiert Karagjosova (2011), dass nämlich im Mittelfeld

884

C4 Konditional basierte Konnektoren

auch sogenannte Elaborationslesarten im Sinne von Asher/Lascarides (2003) haben kann. Elaborationslesarten und kausale Lesarten sind aber, wie in Granito (1984) argumentiert, gerade im Falle von nämlich-Belegen nicht ganz klar zu unterscheiden. (ii) Ebenen der Verknüpfung und weitere pragmatische Effekte Wie mehrfach in der Literatur (Breindl/Waßner 2004, Breindl 2009, Pasch 2009) beobachtet, gilt sowohl für nämlich als auch für schließlich in kausaler Lesart, dass sie nicht propositional gelesen werden. Diese Tatsache ist weitgehend unumstritten. Eine schlüssige Erklärung ist jedoch schwer zu finden. Bei schließlich liegt die Vermutung nahe, dass die kausale Lesart nicht so sehr mit der temporalen Lesart verbunden ist, sondern eher mit der sequenzabschließenden Lesart. Entsprechend wird schließlich als abschließendes Argument für die Richtigkeit einer Annahme interpretiert. Gerade wenn im sprachlichen Kontext keine Liste vorliegt, liegt eine Interpretation als einziges oder wichtigstes Argument für die Annahme eines Sachverhalts nahe. Im Falle von nämlich ist eher ein Sprechaktbezug zu erwarten. Dies ist ebenfalls wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass nämlich in der präzisierenden Lesart dazu geeignet ist, fehlende Information nachzutragen bzw. zu identifizieren. In der kausalen Lesart handelt es sich demnach um Argumente, die nachgetragen werden, um vorangegangene Sprechakte zu motivieren (vgl. Pasch 1983, Granito 1984, Onea/Volodina 2009, 2011). Métrich (1980: 36) beobachtet sogar, dass nämlich in der sprechaktbezogenen kausalen Lesart vom Sprecher sogar dem prototypisch kausalen Konnektor weil vorgezogen wird. (185a)

Was machen Wissenschaftler eigentlich den ganzen Tag? Klar, sie forschen, weiß doch jeder, aber wie sieht ihre Arbeit ganz konkret aus? Forscher treten schließlich meist erst dann in Erscheinung, wenn sie etwas herausgefunden haben. (Braunschweiger Zeitung, 02.06.2010, o. S.) (185b) Sie fiel erschöpft auf ihre Bettstatt und verlangte nach Krautblättern, die ihr Agnes auch ohne zu fragen besorgte, indem sie die Nachbarin flehentlich darum bat. „Das soll vor Krankheit schützen“, machte die Mutter dann doch den Versuch einer Erklärung. „Du musst sie mir auf das Gesicht legen! Ich habe da nämlich eine Frau gekannt, die sich, als sie schwer erkrankte, einen ausgehöhlten Krautkopf übergestülpt hatte, um die Krankheit zu vertreiben. Sie war damals dem Ersticken nah, wurde aber wieder gesund. (Nürnberger Zeitung, 15.01.2004, o. S.)  



Nämlich und schließlich haben nicht nur Präferenzen hinsichtlich der Ebenen der Verknüpfung, sondern beeinflussen auch darüber hinaus die pragmatische Interpretation im Diskurs. Nämlich und schließlich in kausaler Verwendung unterscheiden sich zum Beispiel insofern von denn, als sie im Diskurs einen retrospektiven Effekt ausüben, was mit da vergleichbar ist. Dabei unterscheiden sich nämlich und schließlich dahingehend, dass dieser Effekt bei nämlich stärker zu sein scheint als bei schließ-

C4.2 Kausale Konnektoren

885

lich. Zwar hat nämlich einen retrospektiven Effekt im Diskurs, die im nämlich-Konnekt spezifizierte Information darf aber nicht für den Hörer bekannt sein, was den bemerkenswerten Kontrast (s. A4.1.1.4) im folgenden Beispiel erklären könnte: (186a) Benimm dich nicht so kindisch! Du bist schließlich schon 12 Jahre alt. (186b) #Benimm dich nicht so kindisch! Du bist nämlich schon 12 Jahre alt.  



(iii) Kombination mit anderen kausalen Konnektoren Die Konnektoren schließlich und nämlich sind mit weiteren kausalen Konnektoren kompatibel, ohne dass dabei Redundanzen entstehen. „Die wissen gar nicht, dass sie in einer angeblich so gefährlichen Gegend wohnen, weil sie nämlich gar keine Bedrohung erleben“ (Berliner Zeitung, 28.11.2007, o. S.) (187b) King Camp Gilette, 1855 in Wisconsin geboren, möchte, seit er denken kann, etwas erfinden, was ihn reich macht. Es müsste ein Wegwerfartikel sein, so etwas wie der Kronkorken. Leider wurde der bereits erfunden. Zum Glück für King, denn er arbeitet nämlich bei der Crown Cork and Seal Company und fährt als Handelsreisender durch die USA. (Berliner Zeitung, 04.02.2006, o. S.) (187c) Je nachdem, welches Textkorpus man als Grundlage nimmt – ein fachsprachliches oder ein pressesprachliches –, könnte sich eine andere Zustandsbeschreibung ergeben. Wie die Diskussion ergab, sind solche Fälle jedoch derzeit kaum mit angemessenem Arbeitsaufwand aus einer Datenbank zum öffentlichen Sprachgebrauch herauszufiltern. Für Korpuslinguisten mögen sie ohnehin wenig problematisch sein: Ihnen gilt sämtliches sprachliche Material im Korpus erst einmal als korrekt, da es nämlich in authentischen Dokumenten belegt ist. (Frankfurter Allgemeine, 28.11.2001, o. S.)

(187a)







(188a) Leider ist das Wort „Energiesparen“ im Wortschatz der Energiekonzerne völlig unbekannt, denn sie bekommen schließlich jede produzierte Kilowattstunde bezahlt, wozu also sparen? Ich bin etwas enttäuscht, dass auch Ihre Zeitung durch solche Aufmacher das Ziel der Stromkonzerne, nämlich die Bürger für dumm zu verkaufen, unterstützt. (Braunschweiger Zeitung, 01.10. 2008, o. S.) (188b) Ellas Eifersucht steigert sich zum Zorn. Sie ist jetzt entschlossen, ihren Mann zu verlassen und beginnt, den Koffer zu packen. Als sie ihr Verlobungsbild von der Wand nimmt, will Daniel es ihr entreißen, weil er schließlich auch auf dem Bild sei und ihr daher nur fünfzig Prozent davon zustünden. (Wikipedia – URL:http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Trauschein, 2011)  

Während Onea/Volodina (2009) aus der Tatsache, dass nämlich zusammen mit kausalen Konnektoren im selben Konnekt vorkommen kann, schlussfolgern, dass nämlich

886

C4 Konditional basierte Konnektoren

keine kausale Grundbedeutung haben kann, kann hier auch darauf verwiesen werden, dass es andere Fälle gibt, in denen Konnektoren mit derselben Art von Grundbedeutung in einem Konnekt zusammen vorkommen: (189)

Die Übertragung des Verfahrens in einen anderen Raum wäre nach Ansicht des früheren Verfassungsrichters Ernst Gottfried Mahrenholz „unumgängliche richterliche Pflicht“, um Öffentlichkeit zu gewährleisten. Andere Juristen widersprechen da zwar – aber auszuloten wäre diese Variante doch immer noch, um einen makellosen Start des Prozesses zu ermöglichen. (Nürnberger Nachrichten, 19.04.2013)

4.2.3.2 Konsequensmarkierende kausale Konnektoren (konsekutive) Wie schon am Anfangsbeispiel in diesem Kapitel – hier wiederholt als (190) – gezeigt, kann eine kausale Relation nicht nur im A NTEZEDENS (wie in (190a)), sondern auch im K ONSEQUENS (wie in (190b)) durch spezifische Konnektoren kodiert werden. Die aufgrund dieser Markierungsstrategie als ‚konsequensmarkierend‘ bezeichneten kausalen Konnektoren werden in diesem Teilkapitel ausführlicher behandelt. In der Literatur werden Konnektoren dieser Klasse typischerweise als ‚konsekutive Konnektoren‘ angeführt (GDS, Duden-Grammatik 2005, 2009, Fabricius-Hansen 2007). (190a) [Max ist zurückgekehrt,]K O N S E Q , weil [er sie liebt.]A N T E Z KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ ) (190b) [Max liebt sie,]A N T E Z weshalb [er zurückgekehrt ist.]] K O N S E Q KAUS(A A NTEZ , K ONSEQ ) In diesem Teilkapitel werden die wichtigsten semantischen und syntaktischen Eigenschaften konsequensmarkierender Konnektoren unter dem Gesichtspunkt dargestellt, dass die Konsequensmarkierung strukturell bedingt andere kommunikative und kognitive Folgen mit sich bringt als die Antezedensmarkierung einer kausalen Relation.

4.2.3.2.1 Syntaktische und semantische Besonderheiten konsequensmarkierender kausaler Konnektoren In der Literatur wurde mehrfach beobachtet, dass konsekutive Konnektoren und im engeren Sinne kausale Konnektoren funktionale Konversen voneinander sind (vgl. C4.2.1.1). Im Großen und Ganzen lässt sich mit GDS (2292 f.) festhalten, dass eine Austauschbarkeit von konsekutiven Konnektoren mit im engeren Sinne kausalen Konnektoren möglich ist (vgl. auch Meier 2000, Sæbø 2011):  

C4.2 Kausale Konnektoren

(191a) (191b) (191c)

887

Maria hat viel geschlafen, so dass sie nicht mehr müde ist. Da Maria viel geschlafen hat, ist sie nicht mehr müde. Maria ist nicht mehr müde, weil sie viel geschlafen hat.

Diese prinzipielle Austauschbarkeit bezieht sich in erster Linie auf die Wahrheitsbedingungen der entsprechenden Sätze, nicht aber auf ihre kommunikativ-pragmatische Funktion. Dies wird bereits bei der Illustration der syntaktischen Besonderheiten konsequensmarkierender Konnektoren deutlich: Im Bereich antezedensmarkierender Konnektoren ist eine syntaktisch-semantische Ausdifferenzierung hinsichtlich der topologischen Position des internen Konnekts zu beobachten, so dass einige Konnektoren – wie denn oder nämlich – topologisch eingeschränkt (d. h. ausschließlich vor dem linear zweiten Konnekt) verwendet werden, andere dagegen hinsichtlich der Stellungsvarianten ihres internen Konnekts völlig flexibel sind, wie weil oder da. Im Bereich konsequensmarkierender kausaler Konnektoren findet keine solche Ausdifferenzierung statt. Das interne Konnekt einer konsequensmarkierenden kausalen Relation kann nicht anteponiert verwendet werden, sondern ist auf die Postposition beschränkt:  

(192a) (192b)

Maria hat viel geschlafen, so dass sie nicht mehr müde ist. *So dass Maria nicht mehr müde ist, hat sie viel geschlafen.

(192c) (192d)

Maria hat viel geschlafen, also ist sie nicht mehr müde. *Also ist Maria nicht mehr müde, sie hat viel geschlafen.

(192e) (192f)

Maria hat viel geschlafen, somit sie nicht mehr müde ist. *Somit Maria nicht mehr müde ist, hat sie viel geschlafen.

(192g) (192h)

Maria hat viel geschlafen, weshalb sie nicht mehr müde ist. *Weshalb Maria nicht mehr müde ist, hat sie viel geschlafen.

Diese syntaktische Beobachtung bedarf einer Erklärung. Auf der einen Seite bietet sich für die Erklärung dieser Beobachtung ein rein syntaktischer Zugang an: Die semantische Klasse konsequensmarkierender kausaler Konnektoren besteht aus zwei unterschiedlichen syntaktischen Konnektorenklassen, und zwar aus Adverbkonnektoren (wie deshalb, deswegen, darum, demzufolge, folglich etc.) und aus den sogenannten Postponierern (wie z. B. so dass). Für beide syntaktischen Klassen gilt aber ein und dieselbe obligatorische lineare Abfolge „externes Konnekt vor internem Konnekt“. Nun lässt sich die Tatsache, dass das interne Konnekt immer postponiert vorkommt, für diese zwei Gruppen von Konnektoren getrennt begründen. Die Tatsache, dass konsequensmarkierende kausale Adverbkonnektoren nicht im linear ersten Konnekt vorkommen können, ist durch die allgemeinen Eigenschaften von Adverbkonnektoren leicht zu erklären, denn sie stellen immer eine Verbindung  

888

C4 Konditional basierte Konnektoren

her zu einem Sachverhalt, auf dessen sprachlichen Ausdruck sie folgen. Jedoch ist diese Erklärung an dieser Stelle nicht weiter relevant, da auch Konnekte mit antezedensmarkierenden kausalen Adverbkonnektoren (wie nämlich und schließlich) stets postponiert sind, wie in (193) gezeigt: Peter ist glücklich, er hat nämlich letzte Woche seine langjährige Freundin geheiratet. (193b) *Peter hat nämlich letzte Woche seine langjährige Freundin geheiratet, er ist glücklich.

(193a)

Mit anderen Worten, für kausale Adverbkonnektoren gibt es keinen entscheidenden Unterschied zwischen Antezedens- und Konsequensmarkierung. Für die Klasse der Postponierer unter den konsequensmarkierenden kausalen Konnektoren ist die Erklärung etwas komplexer. Es stellt sich nämlich die Frage, weshalb im Bereich der kausalen konsequensmarkierenden Konnektoren nur die topologisch eingeschränkten Postponierer und nicht auch solche Subjunktoren grammatikalisiert worden sind, die auch beispielsweise das anteponierte interne Konnekt einleiten können. Ein erster Erklärungsansatz wäre, dass Konsequensmarkierung generell keine Subjunktoren mit variabler Konnektabfolge erlaubt, sprich, dass konsequensmarkierende nicht integrierbare (konjunktionale) Konnektoren immer Postponierer sind, unabhängig davon, ob die kodierte Relation kausal ist oder nicht. Diese Hypothese lässt sich aber durch die Existenz temporaler Subjunktoren wie bevor widerlegen, die zwar einerseits konsequensmarkierend sind, andererseits aber sowohl anteponiert als auch postponiert vorkommen können: (194a) Peter räumt auf, bevor Maria kommt. (194b) Bevor Maria kommt, räumt Peter auf. Ein zweiter möglicher Erklärungsansatz basiert auf dem Prinzip der ikonischen Kodierung „Grund linear vor Folge“. Die ikonische Verknüpfung ist nämlich für konsequensmarkierende kausale Konnektoren aufgrund der festen Konnektabfolge die einzig mögliche. Aber auch dieses Argument läuft ins Leere: Man würde im Gegenzug erwarten, dass sich antezedensmarkierende kausale Konnektoren ebenfalls zum Ikonizitätsprinzip konform verhalten, was nicht der Fall ist, weil i. e. S. kausale Konnektoren, wie z. B. da oder weil, sowohl ikonisch als auch anti-ikonisch verknüpfen können. Ein dritter (und vielversprechender) Ansatz ist, dass die kommunikative Funktion konsequensmarkierender kausaler Konnektoren eine fundamental andere ist als die antezedensmarkierender kausaler Konnektoren: Während die semantische Funktion aller kausalen Konnektoren primär der Ausdruck von Kausalität ist, kann im Diskurs mit einer kausalen Relation Unterschiedliches bezweckt bzw. bewirkt werden: Kon 





C4.2 Kausale Konnektoren

889

kret lässt sich u. a. ein Unterschied festhalten zwischen (i) der Diskursfunktion der Begründung, die beispielsweise mit dem kausalen denn oder weil realisiert werden kann, und zwischen (ii) der Diskursfunktion der Einführung des Folgesachverhalts im Kausalnexus, was beispielsweise mit so dass realisiert werden kann. Die Begründungsfunktion im Diskurs kann sich auf einen Sachverhalt oder (je nach Ebene der Verknüpfung) auf einen Sprechakt bzw. auf eine epistemische Einstellung des Sprechers zum geäußerten Sachverhalt beziehen. Die Diskursfunktion der Einführung des Folgesachverhalts wird dazu verwendet, einen Sachverhalt als Folge eines anderen Sachverhalts darzustellen. Hier kann wieder je nach Ebene der Verknüpfung der Folge-Begriff im Bereich der Ursache-WirkungRelation, der logischen Prämisse-Folge-Relation oder der Diskursfolge instanziiert werden.  

(195a) (195b)

Maria ist nicht mehr müde, weil sie viel geschlafen hat. Maria hat viel geschlafen und deswegen ist sie nicht mehr müde.

An den Beispielen in (196) wird gezeigt, dass antezedensmarkierende kausale Konnektoren beide Funktionen haben können. Dagegen können konsequensmarkierende kausale Konnektoren nur die zweite Funktion übernehmen, d. h. sie können nur die Diskursfunktion der Einführung des Folgesachverhalts erfüllen, nicht aber den Sachverhalt selbst begründen. Für die Disambiguierung zwischen diesen zwei möglichen Verwendungsweisen sind bei den antezedensmarkierenden kausalen Konnektoren die Informationsstruktur und die topologische Position des internen Konnekts entscheidend. Konkret erfordert ein Begründungssprechakt ein fokales internes Konnekt, ohne dass dabei topologische Einschränkungen ins Spiel kommen. Dagegen erfordert die Einführung des Folgesachverhalts einen Hauptakzent im externen Konnekt und begünstigt dadurch eine anteponierte Realisierung des internen Konnekts sehr stark.  

(196a) WEIL Peter Fisch gegessen hat, ist er krank. (196b) Peter ist krank, weil er FISCH gegessen hat. (196c) [Es ist gesund, Fisch zu essen. Nein!] Weil Peter Fisch gegessen hat, ist er KRANK.

Begründung Begründung Folge-Einführung

Zwar ist es denkbar, dass die Folge-Einführung auch mit postponiertem internem Konnekt erfolgt, wie in (196d) gezeigt, aber in diesem Fall ist es erforderlich, dass das interne Konnekt im Diskurs bereits vorerwähnt ist. Zudem wird typischerweise eine korrektive Verwendung erwartet: (196d) [Peter ernährt sich gesund und isst kein Fleisch, sondern nur Fisch. Gestern hat er aber auch Fisch gegessen.] Nein, Peter ist KRANK, weil er Fisch gegessen hat. (Der Fisch war nämlich roh.) Folge-Einführung in bestimmten Kontexten

890

C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Tatsache, dass konsequensmarkierende kausale Konnektoren immer die Postposition des internen Konnekts erfordern, entspricht auf der einen Seite der Anforderung an antezedensmarkierende kausale Konnektoren, dass sie in der Folgeeinführungslesart anteponiert vorkommen. Postponierte konsequensmarkierende Konnektoren und anteponierte antezedensmarkierende Konnektoren haben ein und dieselbe Abfolge von NTEZEDENS EZEDENS und K ONSEQUENS . A NT (196a)’ Weil Peter Fisch gegessen hat, ist er krank. (196b) Peter hat Fisch gegessen, also ist er krank.

KAUS(A (A NTEZ , K ONSEQ ) KAUS(A (A NTEZ , K ONSEQ )

Das Muster in (196d) mit einem antezedensmarkierenden kausalen Konnektor lässt sich als Einziges mit einem konsequensmarkierenden kausalen Konnektor nicht replizieren: (196d) [Peter ernährt sich gesund und isst kein Fleisch, sondern nur Fisch. Gestern hat er aber auch Fisch gegessen.] Peter ist KRANK, weil er Fisch gegessen hat. (196e) *Also ist Peter KRANK, er hat Fisch gegessen. Dass dieses Muster ausschließlich antezedensmarkierende kausale Konnektoren erlaubt, hat einen Grund: Der Sachverhalt des Antezedens ‚Er hat Fisch gegessen‘ soll im Diskurs erschließbar sein und nur das Konsequens kann unter Diskussion stehen, wie im Falle des korrektiven Gebrauchs, wie in (196d) bereits gezeigt. In einem solchen Fall scheint jedoch die Verwendung eines uneingebetteten Matrixsatzes zum Ausdruck einer vollständig bekannten Proposition ‚Er hat Fisch gegessen‘ nicht angemessen, denn das würde bedeuten, dass diese Proposition assertiert wird. Genau dies müsste aber bei (196e) passieren.

4.2.3.2.1.1 Fokussierung und anaphorischer Bezug konsequensmarkierender kausaler Adverbkonnektoren Die konsequensmarkierenden Adverbkonnektoren fallen nach dem Kriterium der Fokussierbarkeit in zwei Kategorien. Die Adverbkonnektoren der einen Klasse können – wenn sie es auch nicht müssen – den Hauptakzent des Satzes tragen, während die andere Klasse dies gar nicht vermag. Zur Klasse (i) fokussierbarer bzw. hauptakzenttragender Adverbkonnektoren gehören Adverbkonnektoren wie darum, daher, deshalb, deswegen; (ii) nicht fokussierbar dagegen sind folglich, infolgedessen, somit, mithin, also, ergo (vgl. auch die Ausführungen in A4.3.2.1).31

31 Dies bedeutet nicht, dass nicht fokussierbare Adverbkonnektoren gar nicht akzentuiert sein können, sondern lediglich, dass sie nicht den Hauptakzent des Satzes tragen können.

C4.2 Kausale Konnektoren

891

(197a)

[Wieso ist der Damm gebrochen?] Es war schlampig gearbeitet worden. DEShalb/DArum/DESwegen brach der Damm beim ersten stärkeren Wasseranstieg. (197b) [Wieso ist der Damm gebrochen?] Es war schlampig gearbeitet worden. *FOLGlich/?InfolgeDESsen brach der Damm beim ersten stärkeren Wasseranstieg. (197c) Auf den Kandidaten Müller entfielen 16 von 16 Stimmen.*SOmit ist Müller einstimmig für das Amt des Kassenwarts bestätigt. (197d) Umbau und Renovierung würden 4,5 Millionen Euro kosten, *mitHIN ist dieser Plan finanziell nicht tragbar.  

Interessanterweise korreliert diese Unterscheidung mit einem besonderen semantischen Merkmal: Nur hauptakzenttragende konsequensmarkierende kausale Konnektoren können auch als Korrelate zu antezedensmarkierenden kausalen Subjunktoren wie weil und da fungieren, wenn auch da generell sehr selten in Korrelatstrukturen belegt ist: (198a) Wer genaue Details hören wollte, wurde auf der anschließenden Pressekonferenz enttäuscht. „Wir haben Vertraulichkeit vereinbart“, erklärte Hermann. Dies sei auch deswegen notwendig, weil die Bahn bei der Vergabe von Aufträgen für Stuttgart 21 eine Wettbewerbsverzerrung vermeiden wolle, so Kefer. (Mannheimer Morgen, 22.01.2013, S. 8) (198b) Manche Gegenden könnten mit bis zu 30 Zentimetern Regen durchtränkt, andere mit bis zu 60 Zentimetern Schnee bedeckt werden. Der Sturm ist deshalb so gefährlich und ungewöhnlich, weil er erst ganz zum Ende der Hurrikansaison und zum Beginn der Winterstürme zuschlägt. (Hamburger Morgenpost, 29.10.2012, S. S02) (198c) Postproduktion Postproduktion ist ein Kunstwort des Digital-Zeitalters und, als Amalgam aus drei Sprachen, genau genommen ein Unwort, das von der Rechtschreibreform wohl nur darum noch nicht heimgesucht wurde, weil die Reformer es dem Postwesen, also Begriffen wie „Postkutsche“ oder „Posthorn“ zugeordnet haben, wobei ihnen der Unterschied zwischen einem Produktionsund einem Verteilungssystem offenbar nicht aufgefallen ist. (Frankfurter Rundschau, 10.10.1998, S. 10) (198d) Ein Gottesbezug ist daher nicht sinnvoll, weil es erstens Menschen gibt, die ein Weltbild ohne Gottesbegriff besitzen und zweitens auch die Gottesbilder unterschiedlich sind und in der Geschichte bekanntermaßen Anlass für blutige Auseinandersetzung waren – und sind! (Braunschweiger Zeitung, 07.02. 2009, o. S.)  





(199a) Die August-Woche war für die beiden Nachwuchstrainer in jeder Hinsicht anspruchsvoll und darum sehr anstrengend, da das Volleyballspielen praktisch

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C4 Konditional basierte Konnektoren

jeden Tag mit auf dem Stundenplan stand. (St. Galler Tagblatt, 14.11.2007, S. 45) (199b) Dieses Verfahren wurde deshalb gewählt, da man für alle Objekte der Stadtgemeinde Hollabrunn eine Vertragsänderung nach den neuen Konditionen durchführen wollte und bereits eine Fernwärmeanschlussanlage besteht. (Niederösterreichische Nachrichten, 14.02.2013, o. S.)  



Als pronominale Adverbkonnektoren mit einem (ana)phorischen Bestandteil (wie desund da- in deswegen, deshalb, daher und darum) können hauptakzenttragende konsequensmarkierende kausale Adverbkonnektoren einerseits unmittelbar den Grund bezeichnen, zugleich aber die Folge markieren (vgl. auch A2.4). Dabei können sie im Satz ohne Bedeutungsverlust durch die entsprechende präpositionale Paraphrase ersetzt werden: (200a) Peter hat sich geärgert. [Deshalb/Deswegen] ist er ausgeflippt. (200b) Peter ist [aus Ärger] ausgeflippt. (deshalb/deswegen = aus Ärger) (200c) Peter hat die letzte Schachpartie verloren. [Deshalb/Deswegen] war er sehr enttäuscht. (200d) Peter war [wegen der Niederlage im Schachspiel] sehr enttäuscht. (deshalb/deswegen = wegen der Niederlage im Schachspiel) Interessanterweise ist dies bei den nicht-fokussierbaren Adverbkonnektoren intuitiv weniger der Fall. Zwar bezieht sich beispielsweise folglich oder mithin ebenfalls auf einen im Diskurs vorerwähnten Sachverhalt, der typischerweise im externen Konnekt realisiert ist, aber dennoch wäre die Ersetzung in diesem Fall nicht bedeutungsäquivalent. (200a)’ Peter hat sich geärgert. [Folglich/Mithin] ist er ausgeflippt. (200b)’ Peter ist [aus Ärger] ausgeflippt. (200a)’ ≠ (200b)’ (200c)’ Peter hat die letzte Schachpartie verloren. [Folglich/Mithin] war er sehr enttäuscht. (200d)’ Peter war [wegen der Niederlage im Schachspiel] sehr enttäuscht. (200c)’ ≠ (200d)’   

4.2.3.2.1.2 Konsequensmarkierende kausale Postponierer Zu den häufigsten konsequensmarkierenden kausalen Postponierern zählen sodass/ so dass, weshalb und weswegen.

C4.2 Kausale Konnektoren

893

(i) so dass/sodass Der Konnektor so dass/sodass kann einerseits als konsequensmarkierender kausaler Postponierer analysiert werden (vgl. (201a)), andererseits gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, die auch seine finale Lesart, wie in (201b) gezeigt, bezeugen: (201a)

Sie kicherte und nickte. Er griff nach ihrer Schulter und ritzte mit den Fingernägeln in ihre Haut. Keine Reaktion. Er schlug auf ihren Rücken. Da drehte sie sich plötzlich um, griff mit der freien Hand an seine Gurgel und drückte die Zigarette auf seinem Arm aus, so dass er schrie. (Braunschweiger Zeitung, 22.07.2009, o. S.) (201b) Für die erneuerbaren Energien gibt es nach wie vor den Einspeisevorrang, die Festpreisvergütung, sodass sie nicht verdrängt werden. (Protokoll, Deutscher Bundestag am 29.09.2010)  

Zudem gibt es eine Reihe von Konstruktionen, die mit so dass eng verwandt sind und deren konsekutive Lesart unklar ist: (202a) Sie ist so groß, dass sie die oberen Regale ohne Probleme erreicht. (202b) Sie ist zu groß, als dass sie mit einem Smart fahren könnte / um mit einem Smart zu fahren. (202c) Sie ist groß genug, dass sie als Stewardess arbeiten kann / um als Stewardess zu arbeiten. (202d) Sie arbeitet so, dass alle zufrieden sind. (Beispiele zit. aus Thurmair 2005: 1) Laut Thurmair (2005: 13) dienen „diskontinuierliches so … dass und auch die entsprechenden Konstruktionen mit zu und genug […] in erster Linie der Spezifikation eines Vergleichs, entweder als Graduierung oder hinsichtlich einer Modalität. Dass in den dass-Sätzen bzw. um-zu-Infinitiven Folgen ausgedrückt werden und somit eine konsekutive Bedeutung vorliegt, ist demgegenüber sekundär“. Dementsprechend plädiert sie dafür, nicht adjazente Verwendungen von so und dass wie in (202a)– (202d) nicht als konsekutiv zu bezeichnen. Nur adjazentes so dass, wie in (201a) gezeigt, ist zweifelsohne ein konsekutiver Konnektor. Interessant ist, dass Strukturen wie in (202a) durchaus auch mit so dass in DeReKo belegt sind. (203)

„So viel Regen hatten wir seit zehn Jahren nicht mehr.“ Der Zustrom war in den ersten beiden Wochen so groß, so dass intern sogar mit einem Plus bei der Besucherzahl gegenüber dem Vorjahr gerechnet wurde. (Nürnberger Zeitung, 22.12.2008, S. 9)  

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Meier (2000) diskutiert u. a. eine andere, mit der in (202c)) vergleichbare, genug (…) dass-skalierende Konstruktion, die sie als konsekutiv deutet:  

(204)

Peter verdient genug, dass er schon mit 40 in Rente gehen kann.

Gegen die Annahme des konsekutiven Status von genug (…) dass in (204) ließe sich einwenden, dass in solchen Beispielen der eingebettete dass-Satz einfach als semantisches Argument des Adverbs genug dienen könnte, was die Paraphrase von (204) in (204)’ zeigt: (204)’

Peter verdient genug für die Frühverrentung.

Das Beispiel in (204)’ lässt sich zwar immer noch als konsekutiv verstehen, wenngleich hier keine konnektorale Verknüpfung zustande kommt, denn der Sachverhalt für die Frühverrentung steht in diesem Fall für die Möglichkeit von Peter, seine Erwerbstätigkeit vorzeitig zu beenden und drückt damit die Folge des Sachverhalts aus, dass Peter viel verdient. Ähnlich ließe es sich auch im Falle von komparativen so dass-Strukturen argumentieren, denn (202c) und (202c)’ sind äquivalent: Sie ist groß genug, dass sie als Stewardess arbeiten kann / um als Stewardess zu arbeiten. (202c)’ Sie ist groß genug für den Job als Stewardess. (202c)

Eine konsekutive Interpretation ist aber in (202c)’ strukturell nicht vorgesehen, da der Job als Stewardess nicht als Folge von sie ist groß stehen kann, da es sich nicht um eine Proposition handelt. Diesem Einwand könnte man wiederum so begegnen, dass für den Job als Stewardess bestenfalls eine Abkürzung für eine Sachverhaltsdarstellung ist, wie etwa damit sie als Stewardess arbeitet oder um als Stewardess zu arbeiten. Wie oben gezeigt, werfen Konstruktionen mit diskontinuierlichem so (…) dass und adjazentem so dass viele Fragen auf. Hier wird nicht das Ziel verfolgt, eine Entscheidung in dieser Frage herbeizuführen, vielmehr wollen wir nur darauf hinweisen, dass die Grenzen dieser Konstruktionen nicht ganz klar sind (vgl. auch eine interessante Diskussion in Coniglio 2011: 157 ff.).  

(ii) weshalb/weswegen Der Postponierer weshalb hat nur eine konsekutive Lesart, muss aber ganz klar von dem Fragewort weshalb/weswegen und dem Relativpronomen weshalb/weswegen (vgl. Belege in (205)) unterschieden werden, die im Sinne von HDK-1 keine Konnektoren sind, da sie semantisch einstellig sind (vgl. HDK-1: 10).

C4.2 Kausale Konnektoren

895

(205a) Weshalb ist hier von ökonomischer „Illusion“ die Rede? Es gehört fraglos zu den originellsten Thesen von Emmanuel Todd, daß er die übliche kausale Verknüpfung zwischen dem Wirken der globalisierten ökonomischen Kräfte, sprich den „Märkten“, und der Implosion kollektiver Glaubensvorstellungen umkehrt. (die tageszeitung, 13.03.1998, S. 7) (205b) „Ich würde gerne gewinnen, wäre aber mit einem Punkt auch zufrieden“, so der Liebshausener Trainer. Er weiß, weshalb seine Mannschaft bisher noch keinen Sieg landen konnte. (Rheinzeitung, 13.09.2008, o. S.) (205c) Der neue Roman vermittelt mehr Wirklichkeitsdeckung als die vorigen, und vielleicht ist das der Grund, weswegen man ihn gerne in der natürlichen Umgebung der Quellen zur Kenntnis nähme, aus denen er sich speist. (die tageszeitung, 18.10.2000, o. S.)  





Nur solche weshalb/weswegen-Verwendungen wie in (206) sind konnektoral: (206a) Unter dem mächtigen Walnussbaum war ein Buffet mit vielfältigen Speisen aufgebaut, in der Garage stand die Zapfanlage. Schade, dass das Wetter nicht so mitspielte. Es war kalt und regnerisch, weshalb die Teilnehmer Tische und Bänke abbauten – rechtzeitig, bevor der Regen kam. (Mannheimer Morgen, 30.06.2012, S. 18) (206b) Der 24-jährige Bundesliga-Profi des FSV Mainz 05 machte sich nach der gestrigen Übungseinheit sofort auf zur Rehabilitationsmaßnahme. „Meine Wadenverhärtung ist zu 80, 90 Prozent verheilt“, sagte der Angreifer. „Durch die Behandlungen ist die Muskulatur allerdings etwas müde geworden, weswegen mir ein bisschen die Spritzigkeit fehlt“ – was dem jungen Mann im Training deutlich anzusehen war. (Rhein-Zeitung, 25.11.2004, o. S.)  





Exkurs: Zur konnektoralen Verwendung von weshalb/weswegen vs. nicht-konnektoralen Verwendung von warum/wieso: Als Einleiter von interrogativ zu interpretierenden Komplementsätzen, die in der Literatur auch unter dem Terminus „indirekte Interrogativsätze“ geführt werden, rücken auch warum und wieso in die Nähe von weshalb/weswegen. Wie in (207) gezeigt, weisen sie dieselbe Verwendung auf wie weshalb/ weswegen in (205a), nämlich wie Fragepronomina: (207)

Ebert beschäftigt sich mit ganz alltäglichen Problemen. So macht er sich Gedanken darüber, warum das gesamte Universum expandiert, ein Autofahrer aber trotzdem keinen Parkplatz findet. Der Mensch benutzt Handys mit Kamera, kann aber nicht die Frage beantworten, wieso es nachts dunkel wird. (Mannheimer Morgen, 08.10.2005, o. S.)  

Im Unterschied zu den Relativadverbien weswegen und weshalb, die u. a. auch konnektoral verwendet werden können, können die interrogativen Kausaladverbien warum und wieso ausschließlich als Einleiter von Komplementsätzen oder als Relativpronomina fungieren, eine konnektorale Verwendung ist bei diesen Verknüpfungen ausgeschlossen:  

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(208a) (208b) (209)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Es regnet, weshalb/weswegen Peter nicht aus dem Haus geht. *Es regnet, warum/wieso Peter nicht aus dem Haus geht. Ich weiß/weiß nicht/frage/staune/, weshalb/weswegen/warum/wieso Peter nicht aus dem Haus geht.

Es stellt sich die Frage, ob die Kategorisierung von weshalb als konsekutiver Konnektor in Anbetracht der Verwandtschaft mit dem Relativpronomen weshalb zwingend ist (das Gleiche gilt auch für weswegen). Alternativ ließe sich eine Analyse vorschlagen, nach der der Konnektor weshalb in der konsekutiven Lesart ebenfalls ein Relativpronomen wäre, gleichwohl eines, das im Sinne von Holler (2008) als ‚weiterführend‘ bezeichnet werden muss.32 (210)

Peter geht nach Hause, weshalb er seine Sachen packt.

Da der Begriff „Konnektor“ jedoch keine morphologische oder rein syntaktische, sondern eine semantische Kategorie ist, könnte man sogar die Ansicht vertreten, dass weiterführende Relativsätze mit weshalb konnektoral sind.

4.2.3.2.2 Konsequensmarkierendes (adjazentes) so dass vs. antezedensmarkierendes weil Der zentrale kausale Konnektor weil und das konsekutive (adjazente) so dass sind nicht nur Marker unterschiedlicher Relatrollen; sie gehören auch unterschiedlichen syntaktischen Klassen an: Weil gehört der syntaktischen Klasse Subjunktoren an, so dass ist ein Postponierer, d. h. das interne so dass-Konnekt ist im Unterschied zu weil topologisch auf die Postposition beschränkt. Nicht nur topologische, sondern auch informationsstrukturelle Unterschiede lassen sich bei weil (in propositionaler Lesart) und so dass beobachten, was an den folgenden Minimalpaaren gezeigt werden soll (zu weiteren Unterschieden zw. weil und so dass vgl. auch GDS: 2311, Konerding 2002, Demske 2009, Coniglio 2011):  



So dass-Sätze können – anders als weil-Sätze – nicht als Bezugssatzellipsen fungieren:

(211a)

Warum muss Peter mehr Versicherung zahlen? Weil er einen Autounfall verursacht hatte. Was ist die Folge davon, dass Peter einen Autounfall verursacht hatte? *So dass er jetzt mehr Versicherung zahlen muss.

(211b)

32 In diesem Zusammenhang ist es interessant zu beobachten, dass warum und wieso auch keine weiterführenden Relativsätze einleiten können.

C4.2 Kausale Konnektoren

897



Der Konnektor so dass kann – anders als weil – nicht den Hauptakzent des internen Konnekts tragen:

(212a) (212b)

Ich komme zurück, WEIL ich das Institut kenne. *Ich kenne das Institut, so DASS ich zurückkomme.

Außerdem müssen beide Konnekte einer so dass-Verknüpfung fokal sein: (212c)

[Für mich ging mit der Rückkehr ans Klinikum ein beruflicher Traum in Erfüllung]. Ich kenne das Institut, so dass selbst schlechte Presse mich nicht davon abbringen kann, hier weiter zu arbeiten.



Das so dass-Konnekt muss (ebenfalls anders als im Falle des Konnektors weil) außerhalb des Skopus von Negation, Frageoperatoren und Einstellungsadverbien stehen:

(213a)

Ich komme nicht (deswegen) zurück, weil es regnet(, sondern weil ich meinen Geldbeutel vergessen habe.) Kommst du (deswegen) zurück, weil es regnet oder weil du deinen Geldbeutel vergessen hast?

(213b)

(213a)’ #Es regnet nicht (\), so dass ich zurückkomme. (213b)’ #Regnet es (\), so dass du zurückkommst? –

So dass-Sätze sind auch für Modalpartikeln durchlässig, was für ihre illokutive Eigenständigkeit spricht (vgl. auch Thurmair 1989: 77, Coniglio 2011: 158). Illokutiv unselbständige propositionale weil-Sätze, die als eine einzige prosodische Einheit realisiert sind, sind für Partikeln nicht durchlässig:

(214a) (214b)

*Ich komme deswegen früher zurück nach Hause (\) weil es ja/wohl regnet. Es regnet (/) so dass ich ja/wohl früher zurück nach Hause komme.

Die an den Beispielen (211)–(214) gezeigten Unterschiede zwischen propositionalen weil- und so dass-Sätzen sind ein Grund für Demske (2009) und Coniglio (2011) anzunehmen, dass die mit so dass eingeleiteten Sätze im Sinne von Reis (1997) unintegriert oder in der Terminologie von Haegeman sogenannte periphere Adverbialsätze (PACs) sind. Generell wird angenommen, dass zwischen peripheren Adverbialsätzen und moduskommentierenden Lesarten, d. h. Lesarten auf der epistemischen Ebene oder auf der Sprechaktebene, ein Zusammenhang besteht, dergestalt, dass nur zentrale Adverbialsätze auf der propositionalen Ebene fungieren können. Entsprechend liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sodass nicht propositional verknüpfen kann. Dagegen  

898

C4 Konditional basierte Konnektoren

argumentieren Breindl/Walter (2009) mit der Beobachtung, dass eine epistemische Lesart von so dass voraussagen würde, dass so dass in reduktiven Schlüssen vorkommen kann, was aber eher unmöglich erscheint: (215a) (215b)

Es hat Frost gegeben, sodass die Rohre geplatzt sind. ??Die Rohre sind geplatzt, sodass es Frost gegeben hat.

4.2.3.2.3 Konsequensmarkierende kausale Adverbkonnektoren und die Ebenen der Verknüpfung Konsequensmarkierende kausale Adverbkonnektoren liegen im Vergleich zu den antezedensmarkierenden in einer beeindruckenden Vielzahl vor. Die semantische Ausdifferenzierung, die dieser vielfältigen Lexikalisierung zugrunde liegt, scheint einerseits mit der Natur der Konsekutivrelation selbst andererseits auch damit zusammenzuhängen, ob es sich um eine Verknüpfung auf einer der Sweetser’schen Ebenen handelt. Bemerkenswerterweise scheint die sprechaktbezogene Verknüpfung nur mit antezedensmarkierenden Konnektoren wie nämlich zustande zu kommen, nicht aber mit den konsequensmarkierenden. Das könnte daran liegen, dass es üblich ist, Sprechakte zu begründen, aber nicht umgekehrt, mit Sprechakten Aussagen o. ä. zu begründen. Propositional können folgende Konnektoren verknüpfen: deshalb, deswegen, darum:  

(216a)

Die Blockade Armeniens durch Aserbaidschan im Osten und die Türkei im Westen ist für die Entwicklung des Landes auf Dauer tödlich. Deswegen suchen Präsident Lewon Ter-Petrosjan und seine Berater seit längerem nach Wegen, mit der Türkei wieder ins Gespräch zu kommen. (die tageszeitung, 28.04.1995, S. 12) Laut Mayer haben sowohl der Leiter der Kontrollabteilung als auch die ÖVP diese neuen Informationen trotz mehrfachen Nachfragens zurückgehalten. Mayer: „Ich fühle mich hinters Licht geführt.“ Bei der Sitzung am Montag will er deswegen auch diese „unakzeptable Vorgangweise“ ausführlich mit den anderen Parteien diskutieren. (Vorarlberger Nachrichten, 16.09.1998, S. A5) Der Steuerwettbewerb in der Europäischen Union (EU) hat zur Folge, dass Arbeit immer stärker und Kapital immer schwächer besteuert wird. Dies ist nicht im Sinne der EU-Beschäftigungspolitik. Brüssel will deshalb die Steuern harmonisieren. (Züricher Tagesanzeiger, 21.03.1996, S. 37) Handloegtens Film ist eine Wucht. Darum hat der Erstling auch schnell Preise eingeheimst: u. a. für den besten Absolventenfilm bei den Babelsberger Medienpreisen 2000. (die tageszeitung, 08.12.2000, S. 14)  

(216b)

(216c)



(216d)





Nur auf der epistemischen Ebene verknüpfen die sogenannten konklusiven Konnektoren wie beispielsweise also, folglich und ergo (217). Anders als deswegen und deshalb

899

C4.2 Kausale Konnektoren

(216a–216c), die propositional verknüpfen können, sind die konklusiven Konnektoren nicht fokussierbar (zur Erläuterung vgl. C4.2.3.2.1.1). (217a)

Von den vermutlich tausend Geigen, die Antonio Stradivarius hat bauen können, haben sich ungefähr sechshundert in unsere Zeit gerettet. Von Denners Flöten waren lange nur drei erhaltene Exemplare bekannt, und alle drei befanden sich in Museen in Nürnberg beziehungsweise in Brüssel. Sie sind also viel wertvoller als Stradivaris Geigen. (Züricher Tagesanzeiger, 05.04. 2000, S. 65) Die Fotografen suchten sich die außergewöhnlichsten Sportler aus und produzierten 24 Einzelbilder – der Kalender ist folglich beidseitig bedruckt. (die tageszeitung, 30.04.2004, S. 4) Das erste Erfordernis, die Urteilsfähigkeit, lässt sich in diesem Fall schnell abhaken. Ein Dreijähriger weiss noch herzlich wenig mit den Begriffen Vorsicht und Verantwortung anzufangen, ergo hat er auch kein Vorstellungsvermögen über mögliche Schadenfolgen. (Die Südostschweiz, 17.08.2007, o. S.)  

(217b)



(217d)



Propositional oder epistemisch können dementsprechend und demgemäß verknüpfen: (218a)

Noch nie gab es so viele Radler, wie im vergangenen Jahr (50.000, plus 12.000). Dementsprechend haben sich sowohl die Unfallzahlen (plus 5,6 Prozent), als auch die Zahl der Opfer (plus 216 / 9,5 Prozent) erhöht. (Hamburger Morgenpost, 07.04.2009, S. 1–7) Auffallend viele Großeltern seien diesmal mitgekommen, erzählt die Koordinatorin Heike König, ebenso tummeln sich eine Vielzahl von Kleinkindern im Wasser. Demgemäß seien auch viele Pakete mit wasserdichten Windeln ausgegeben worden, schmunzelt sie. (Mannheimer Morgen, 25.02.2008, S. 20)  





(218b)



C4.3 Konzessive Konnektoren

C4.3 Konzessive Konnektoren 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.4

Liste der konzessiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  903 Ausdifferenzierung der Klasse und syntaktische Variabilität: Heterosemie als besonderes Kennzeichen der Klasse  904 Bildungsmuster und Herkunft konzessiver Konnektoren  908 Alternative Ausdrucksmittel für Konzessivität  909 Gebrauchsfrequenzen bei konzessiven Konnektoren  912

4.3.2

Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  913 4.3.2.1 Konstitutive semantische Eigenschaften von Konzessivität  913 4.3.2.2 Abgrenzung gegen andere Relationen  918 4.3.2.3 Syntaktische und semantische Besonderheiten konzessiver Verknüpfungen  919 4.3.3 Der Übergangsbereich zwischen konzessiven und adversativen Konnektoren  925 4.3.4 Konzessivität und Verknüpfungsebenen  933 4.3.4.1 Konzessive Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene  933 4.3.4.2 Konzessive Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene  935 4.3.4.3 Konzessive Verknüpfungen auf der Sprechaktebene  938 4.3.4.4 Zum Zusammenhang zwischen Form, Ebenenbezug und Relation  940 4.3.5

Mit ob-, wenn- und wie- zusammengesetzte konzessive Konnektoren  941 4.3.5.1 Mit ob- zusammengesetzte Subjunktoren: obwohl, obschon, obgleich, obzwar  942 4.3.5.2 Mit wenn- und wie- zusammengesetzte Konnektoren: wenngleich, wiewohl, gleichwohl, wennschon  944 4.3.5.3 Wenn (…) auch in Abgrenzung zu obwohl und auch (…) wenn  947 4.3.6

Aus deverbalen Präpositionen abgeleitete Adverbkonnektoren und Subjunktoren (Bildungen mit trotz, ungeachtet und unbeschadet)  954

4.3.7

Die konzessiven Adverbkonnektoren dennoch, doch, und doch, jedoch  958

4.3.8

Komitativ-konzessive Konnektoren: dabei, wobei, wo  960

Eva Breindl

C4.3 Konzessive Konnektoren 4.3.1 Liste der konzessiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren allerdings: VF, MF, NE, Null jedoch: VF, MF, NE, Null nichtsdestominder: VF, MF, Null nichtsdestoweniger: VF, MF, Null nichtsdestotrotz: VF, MF, Null Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren dabei: VF, MF, Null dennoch: VF, MF, Null dessen ungeachtet: VF, MF, Null desungeachtet: VF, MF, Null gleichwohl: VF, MF, Null trotzdem: VF, MF, Null unbeschadet dessen: VF, MF, Null ungeachtet dessen: VF, MF, Null Nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren aber: MF, NE, Null Adverbkonnektor-Einzelgänger doch: VF, Null DOCH: MF und DOCH: VF, Null Subjunktoren auch wenn dessen ungeachtet dessen ungeachtet (…), dass gleichwohl obgleich obschon obwohl obzwar trotzDEM

904

C4 Konditional basierte Konnektoren

unbeschadet dessen (…), dass ungeachtet ungeachtet dass ungeachtet dessen (…), dass wenn (…) auch wenn (…) schon wenngleich wennschon wennzwar wiewohl Postponierer wobei wo

4.3.1.1 Ausdifferenzierung der Klasse und syntaktische Variabilität: Heterosemie als besonderes Kennzeichen der Klasse Die Klasse der konzessiven Konnektoren gehört mit den adversativen, den temporalen und den kausalen zu den am stärksten lexikalisch ausdifferenzierten semantischen Klassen, und zwar sowohl bei den Konjunktionen als auch bei den Adverbien. Die formale Ausdifferenzierung korrespondiert nicht in gleichem Maße mit einer semantischen Differenzierung; mitunter ist zwischen formal analog gebildeten Konnektoren kein Bedeutungsunterschied festzustellen. Das Inventar unterliegt seit dem Frnhd. immer wieder dem Wandel. Nicht mehr gebräuchliche, bei Behaghel (1928) noch genannte Formen sind z. B. dannoch, nochdann, ienoch (Subj), jedennoch, schon (Subj), demohngeachtet, ohngeachtet (daß), ohnerachtet, bei Blatz (1970: 1186) wird ohnangesehen als schon veraltet geführt. Bei Luther findet sich auch trotz dass, das sich im Gegenwartsdeutschen im Substandard gehalten hat. Baschewa (1980, 1983: 90 f.) weist vom 18. Jh. zum 20. Jh. eine Konsolidierung subordinativer Konzessivverknüpfungen mit Subjunktoren der ob- und wenn-Gruppe bei gleichzeitiger Abnahme des Gebrauchs anderer konzessiver Konnektoren und der alternativen Form uneingeleiteter Verberstsatz nach. Dagegen ist subordinierendes trotzdem eine jüngere Bildung; als relativ neue Bildung sind neben dem inzwischen in der Gemeinsprache etablierten nichtsdestotrotz noch als Scherzbildungen nihilotrotzquam und nichtsdestowenigertrotz vereinzelt belegt.  



(1)

Heute sind Versuchstiere meistens von „in vitro“ Zellkulturen abgelöst. Nihilotrotzquam wird man bei Untersuchungen komplexer Interaktionen wohl in absehbarer Zeit nicht ganz auf sie verzichten können. (http://www.vuwien.ac.at/i123/allvir/Nachweis1.html)

905

C4.3 Konzessive Konnektoren

Hinzu kommen eine Reihe von phraseologischen Bildungen mit geringerem Grammatikalisierungsgrad (Gelegenheitsbildungen) wie bei all(e)dem, trotz allem, trotz all(e) dem. (Zu weiteren Formen für das Gegenwartsdeutsche vgl. Rezat 2007, für das 18. und frühe 19. Jh. vgl. Baschewa 1980.) Schwankungen oder Unsicherheiten der Sprecher in Bezug auf die Rektion konzessiver Präpositionen bringen darüber hinaus auch im Gegenwartsdeutschen vereinzelt Formen wie trotzdessen hervor.  

(2)

Natürlich wecken Versuche mit Primaten ethische Bedenken. Notwendig sind sie trotzdessen. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 13.12.2001, o. S.)  

Exkurs: Mögliche Gründe für die geringe Stabilität der Klasse Die geringe Stabilität der Klasse begründet Hermodsson (1994: 60) konzeptuell: Konzessivität sei eine Kategorie, „die nicht zum fest etablierten Sprachgut gehört, und die sich immer wieder neue morphologische Gestalt sucht“. Konzeptuelle Randständigkeit trifft aber sicher auch auf andere Klassen zu, für deren Kodierung nur ein gering ausdifferenziertes Konnektoreninventar zur Verfügung steht, wie etwa alle negationsinduzierenden Relationen, seien es negativ-additive (kodiert durch sondern, statt, vielmehr, geschweige denn, weder (…) noch; s. C2.2) oder negativ-konditionale (kodiert durch außer, es sei denn, andernfalls, sonst, ansonsten; s. C4.6). Angesichts der geringen Zahl von Konnektoren für eine konzeptuell so zentrale Klasse wie Finalität – der Ausdruck zweckrationalen menschlichen Handelns – scheint aber ohnehin eine direkte Korrelation zwischen konzeptueller Relevanz und Grad der lexikalischen Ausdifferenzierung fragwürdig. Statt mit lexikalischer Ausdifferenzierung des Funktionswortschatzes ist für konzeptuell zentrale funktionale Domänen wohl eher mit einer Etablierung stärker grammatikalisierter syntaktischer Strukturen zu rechnen, wie z. B. im Falle der Finalität mit Infinitivkonstruktionen.  

Auffällig ist im Inventar der konzessiven Konnektoren die ausgeprägte diachrone und synchrone syntaktische Variabilität vieler Konnektoren, ein „Pendeln“ zwischen subordinierender Verwendung und einer Verwendung als Adverbkonnektor. Bei einer ganzen Reihe von Konnektoren sind auch im Gegenwartsdeutschen beide Formen nebeneinander belegt, wobei meist eine der beiden Varianten geläufiger und unmarkiert ist. Diese wird in den folgenden Paaren als erste angeführt. (3-adv) Ratlos und verzweifelt wirkt der Mann im Rollstuhl. Er sei unschuldig, und trotzdem sei sein Leben zerstört, sagt der ehemalige Bauarbeiter. Er hat kein Verständnis für das Urteil des Obergerichts. (Züricher Tagesanzeiger, 07.11.1997, S. 23) (3-sub) Da kommt unweigerlich die Frage auf, warum die West-CDU, trotzdem dort die Wahrheit zumindest schon einige Tage bekannt gewesen sein soll , erst jetzt damit herausrückte. (Berliner Zeitung, 15.03.1990, S. 1)  





(4-adv) Der Lehrstellenmarkt wird trotz steigender Schulabgängerzahlen von der Bundesregierung optimistisch eingeschätzt. Gleichwohl hatten im vergangenen Jahr 47 400 Jugendliche zum 30. September keine Lehrstelle gefunden. (Berliner Zeitung, 21.02.1998, S. 79)  



906

C4 Konditional basierte Konnektoren

(4-sub) Suse und Luise hießen die Damen, denen angesichts der Temperaturen und der fünf Kilometer langen Zugstrecke gehörig der Schaum vors Maul lief, gleichwohl sie für solche Strapazen eigens trainiert sind , wie ihre Besitzer versicherten. (Frankfurter Rundschau, 14.06.1999, S. 8)  



(5-sub) Karoline Eichhorn spielt die May als Alkoholikerin, wiewohl sie im Text sagt , sie sei trocken. (die tageszeitung, 14.04.1994, S. 22) (5-adv) Toni Innauer, nordischer Sportdirektor des ÖSV, schließt jedwede Vorverurteilung von Andreas Goldberger seitens des Skiverbandes aus. Wiewohl plagen den Vorarlberger auch arge „Bauchschmerzen“ in Zusammenhang mit der Koks-Affäre. (Tiroler Tageszeitung, 22.04.1997, o. S.)  





(6-sub) Auch bei den Nord. Kombinierern trumpften die TSV-Talente auf, wenngleich es keinen Sieg gab . (Tiroler Tageszeitung, 28.01.1998, o. S.) (6-adv) Auch außerhalb der deutschen Betriebswirtschaftslehre wird beklagt, daß die Bedeutung von Vertrauen für ökonomisches Handeln nicht ausreichend erkannt wird. Wenngleich haben sich zahlreiche Ökonomen mit dem Phänomen in den letzten Jahren beschäftigt, um dessen Koordinationspotentiale zu erforschen. (Hirsch, Werte-Controlling, o. S.)  





(7-adv) Dessen ungeachtet steht die vorliegende Forschungsarbeit diesem Ziel nicht zur Verfügung, denn die Gattungskonventionen des Neo-Gotischen sollen hier nicht im Vordergrund stehen. (http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=968080561&dok_var =d1&dok_ext= pdf&filename=968080561.pdf) (7-sub) Einiges deutet in Dr. Haggard’s Disease darauf hin, dass der Ich-Erzähler Edward Haggard den Hergang der Beziehung zu Fanny im Nachhinein in einigen wesentlichen Punkten umgedeutet hat. Und dessen ungeachtet er […] an seiner „idealisierten Idee der Liebe als einzig sinnstiftendes Element einer ansonsten sinnentleerten Existenz“ beharrlich festhält […], ist die emotionale Bedeutung von Frauen für Männer doch ein Motiv, welches im Roman so verarbeitet wird, dass die Erkenntnisse der modernen Männer- und Sozialisationsforschung erkennbar […] bleiben. (http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dok serv?idn=968080561&dok_var =d1&dok_ext= pdf&filename=968080561.pdf) (7-sub) Nach europäischem Anrecht dürfen sogar verkeimte Nahrungsmittel (z. B. Flüssigei) nach einer Bestrahlung wieder auf den Marktgebiet gebracht werden, ungeachtet sie bereits verkommen waren . (http://lebensmittel-online.50webs.com/konservierungs verfahren/lebensmittelbestrahlung.html)  



Einen Schritt auf dem Weg zur Heterosemie von Subjunktor und Adverbkonnektor repräsentieren auch die desintegrierten Verwendungen an der Nullstelle vor einem Verbzweitsatz, die bei vielen konzessiven Subjunktoren möglich sind. Solche Verknüpfungen sind immer parataktisch und Subjunktoren in dieser Position haben die

907

C4.3 Konzessive Konnektoren

Eigenschaften von Adverbkonnektoren. Tritt in dieser Position einer der heterosemen Konnektoren auf, gibt es keinen Anhaltspunkt, ob es sich um die Adverbkonnektoroder die Subjunktorverwendung handelt (vgl. Breindl 2008a). (8)

(9)

Österreichs Bundeskanzler Vranitzky ist auch Politiker, obschon: Körperhaltung und Diktion lassen ja mitunter vermuten, daß er das ungern ist. (Die Presse, 12.01.1996, S.1) A propos schöne Frauen: Der Renner ist in diesem Jahr natürlich Lady Di. Obwohl, spätestens im August ist das Thema vermutlich durch und der Rehblick rührt nur noch Nostalgiker. (Frankfurter Rundschau, 12.12.1997, S. 25) Ich glaube nicht, daß mich jemand umstimmt. Wenngleich, ich hätte es gerne gemacht, für Mecklenburg, wegen seiner Schwierigkeiten, aus Solidarität. (die tageszeitung, 23.03.1991, S. 36) Nur Wahlkampf- oder Zirkuswerbung sei zulässig. Aber die empörte Öffentlichkeit brachte dann doch den Baudezernenten zur Einsicht, daß seine Untergebenen sich geirrt hätten. Wiewohl: eine schriftliche Zusage hat die Geschichtswerkstatt noch immer nicht. (die tageszeitung, 05.11.1988, S. 2)  

(10)



(11)



Wie in A3.2.1.2.1 gezeigt, sind solche synchronen Heterosemien im Deutschen kein isoliertes Phänomen und finden sich in unterschiedlichen semantischen Klassen, etwa bei insofern, widrigenfalls, indessen, währenddessen, zumal, da, nun, so. Diachron zeigt sich – insbesondere bei pronominaladverbialen Formen – häufig ein Übergang von subordinierender zu parataktischer Verknüpfung. Subordinierende Verwendungen von ungeachtet (dessen) wie in (7) oder kausalem daher wie in (12) sind heute sicher markiert, bei Adelung sind jeweils noch pronominale und subordinierende Verwendung angeführt. (Vgl. auch Lühr 1998 zu der untergegangenen ahd. subordinierenden Verwendung von konzessivem doch.) (12)

Betrachten wir aber dieses, insofern uns Fähigkeit gegeben ist, mit vollem Geiste und aus allen Kräften, so erkennen wir, daß Quantität und Qualität als die zwei Pole des erscheinenden Daseins gelten müssen; daher denn auch der Mathematiker seine Formelsprache so hoch steigert , um, insofern es möglich, in der meßbaren und zählbaren Welt die unmeßbare mitzubegreifen. (GOE/AGX Goethe, Maximen, S. 453)  



Andererseits ist etwa bei trotzdem die subordinierende Variante nach einhelliger Meinung die jüngere, die (noch) nicht von allen Sprechern des Deutschen akzeptiert wird; nach Behaghel (1928: 304) gehört sie erst dem späteren Nhd. an. (Behaghel führt als subordinierende Varianten neben trotzdem auch trotzdem dass und trotz dass an.) Baschewa (1983: 91 f.) nimmt seit Adelung gerade eine Zunahme der subordinierenden Kodierung an im Zuge einer Konsolidierung des Inventars. Die unterschiedlichen  

908

C4 Konditional basierte Konnektoren

Markiertheitswerte der Varianten deuten jedoch eher auf eine Synchronie gegenläufiger Entwicklungen hin, für die es noch andere Gründe geben muss. Auf einen Zusammenhang dieser kategorialen „Pendelbewegung“ mit semantischen Faktoren wird in C4.3.3.4 näher eingegangen.

4.3.1.2 Bildungsmuster und Herkunft konzessiver Konnektoren Die starke Ausdifferenzierung der Klasse der konzessiven Konnektoren bei gleichzeitiger etymologischer Transparenz, die vergleichsweise späte Phylogenese, die sich auch in einer späten Phasierung im Spracherwerb spiegelt, sowie die Bildungsmuster selbst sind übereinzelsprachlich, in genetisch nicht-verwandten Sprachen belegt (vgl. König/Eisenberg 1984, König 1985: 267–269, König 1988: 151 f., Kortmann 1998, Haspelmath/König 1998). Für das Deutsche gilt, dass die Ausdifferenzierung, die weitgehend auf die Schriftsprache beschränkt ist, im Wesentlichen in die Zeit der frühneuhochdeutschen Kanzleisprachen, mit einem Schwerpunkt im 17./18. Jh. datiert (vgl. Rudolph 1996: 178, de Groodt/Leuschner 2004, Leuschner 2006). Sie erfolgt im Zuge einer generellen Erweiterung des Konnektoren-, besonders des Subjunktoreninventars in den europäischen Volkssprachen, da sich durch die sukzessive Ablösung des Lateinischen durch ebendiese Sprachen in einem argumentativen Textregister und durch eine zunehmende Textsortendifferenzierung Bedarf an neuen satzverknüpfenden Ausdrucksmitteln ergibt. Bei den Formen der konzessiven Konnektoren handelt es sich durchweg um morphologisch komplexe, derivative (hauptsächlich deverbale) oder durch Univerbierung aus Syntagmen (mit Präpositionalphrasen, Partikeln, Quantoren) entstandene, diachron jüngere und etymologisch transparente Bildungen (vgl. Di Meola 1997b, 2004; Baschewa 1980). Eine Ausnahme bilden lediglich die genuin adversativen, aber konzessiv weiterinterpretierbaren Adverbien aber und doch, was die „inverse relation hypothesis“ bestätigt (Kortmann 1998), nach der morphologische Komplexität und Grad der Polysemie umgekehrt proportional zueinander sind. An den Mustern lassen sich Beziehungen von Konzessivität zu anderen funktionalen Domänen ablesen. Als Bestandteile konzessiver Konnektoren treten auf: a) Negationselemente und lexikalische Bestandteile, die das Konzept „Konflikt“ bezeichnen („hindernd-oppositive Elemente“, Di Meola 1998): ungeachtet/ unbeschadet dessen, nichtsdestominder/nichtsdestotrotz, trotzdem; vgl. auch lat. nihilominus, engl.: notwithstanding, nevertheless; ital. nonostante, nondimeno, ndld. ondanks; frz. malgré b) konditionale Elemente, häufig in Verbindung mit einer affirmativen Partikel: wenngleich, wennschon, wenn (…) auch, obwohl, obgleich, obschon, obzwar; vgl. auch engl. even though, ital. sebbene, seppure, lat. etsi c) Elemente der Allquantifikation: jedoch, allerdings; engl. although. however, frz. toutefois, ital. tuttavia, span. todavia  

C4.3 Konzessive Konnektoren

909

Eine wichtige Quelle für konzessive Subjunktoren sind konditionale Subjunktoren (vgl. Paul 1920: 277–282). Die Entwicklungslinie verläuft hier von der Konditionalität über Irrelevanzkonditionalität zur Konzessivität (vgl. König 1985, 1986). Ermöglicht wird dies durch faktive Interpretation des ANTEZEDENS konditionaler und irrelevanzkonditionaler Verknüpfungen in bestimmten Kontexten und durch Konventionalisierung konversationeller Implikaturen (vgl. die Herleitung für konzessive Subjunktoren mit wenn in C4.3.4). Formal ist das Gros der konzessiven Subjunktoren das Resultat einer Lexikalisierung eines Syntagmas aus einem konditionalen oder modalen Subjunktor (ob, wenn, wie, ältere Formen auch mit so) und einer ursprünglich affirmativen, geltungsbekräftigenden Partikel (auch, gleich, schon, wohl, zwar aus ahd. zi wâre), die anfangs nicht juxtaponiert erscheinen müssen; im 18. Jh. überwiegt zumindest bei den mit wenn zusammengesetzten Subjunktoren noch die Distanzstellung (Baschewa 1980: 253). Wie im Gegenwartsdeutschen tritt auch in früheren Sprachstufen häufig im externen Konnekt ein adversatives Adverb (aber, doch, dennoch) auf. (13) (14)

(15) (16)

ob ich gleich nit bin reich an gut, so bin ich aber reich an tugent (Hans Sachs XII, 265, 26; Bsp. aus Behaghel 1928: 52) Und ob er wohl gekreuziget ist in der Schwachheit, so lebet er doch in der Kraft Gottes. Und ob wir auch schwach sind in ihm, so leben wir doch mit ihm in der Kraft Gottes unter euch. (Lutherbibel, 2 Kor. 13, 2) Und ob ihr’s wohl sahet, tatet ihr dennoch nicht Buße […]. (Lutherbibel, Mtth., 21, 32) Wenn ich auch gleich recht habe, kann ich ihm dennoch nicht antworten sondern ich müßte um mein Recht flehen. Wenn ich ihn schon anrufe, und er mich erhöret, so glaube ich doch nicht, daß er meine Stimme höre. (Lutherbibel, Hiob 9, 15–16)

4.3.1.3 Alternative Ausdrucksmittel für Konzessivität In der syntaktischen Kodierung zeigt sich ein konstruktioneller Ikonismus zur semantischen Komplexität der Konzessivitätsrelation. Konzessivität kann, anders als die konzeptuell einfacheren Relationen Additivität (C2.1) und Alternativität (C3), nicht koordinativ, sondern nur einbettend-subordinativ oder parataktisch mit Adverbkonnektoren kodiert werden. Als alternative, nicht-konnektorale Kodierungen für Konzessivität stehen zum einen die (ebenfalls sekundären) Präpositionen trotz und ungeachtet/unbeschadet zur Verfügung, zum anderen eine Vielzahl von mehr oder weniger idiomatisierten syntagmatischen Konstruktionen. Die in den meisten Grammatiken als konzessiv klassifizierten Zusammensetzungen aus Fokuspartikel und konditionalem Subjunktor (auch/ selbst/sogar wenn) sind zwar kompositional leicht erschließbar, aber so verfestigt,

910

C4 Konditional basierte Konnektoren

dass wir sie, der grammatischen Tradition folgend, in die Liste der konzessiven Konnektoren aufnehmen. Sie werden freilich häufiger irrelevanzkonditional verwendet (s. C4.4). Noch relativ nahe am Syntagma sind auch die aus einem Pronominaladverb mit Hilfe von dass abgeleiteten mehrteiligen konzessiven Subjunktoren ungeachtet dessen dass, dessen ungeachtet dass und unbeschadet dessen dass. In HDK-1 werden sie deshalb als „frei bildbare“ d. h. ableitbare komplexe Konnektoren klassifiziert. Wie zu den konditionalen ist auch zu den konzessiven eine Verberststruktur (auch in der Form mit Modalverb mag/mochte + Infinitiv) als Variante grammatikalisiert, die allerdings obligatorisch mit einer Partikel im Verberstsatz (auch, noch so) und/oder einem konzessiven Adverbkonnektor im anderen Konnekt (dennoch, trotzdem) auftreten muss. Anteponierte konzessive Verberstsätze stehen meist desintegriert an der Nullstelle. Ohne jegliche Markierung erhalten anteponierte Verberstsätze wie (17e) im Defaultfall eine konditionale Interpretation (vgl. Wöllstein 2008). Konstruktionen mit Verberstsätzen sind in erster Linie für die Randbereiche der konzessiven Konnektorverknüpfungen Kodierungsalternativen, nämlich für Irrelevanzkonditionale (vgl. C4.4) und kontrafaktische Konditionale (C4.1). Verberstsätze, hervorgegangen aus direkten Satzfragen, sind seit dem Ahd. Konkurrenzformen für konjunktional (mit ob-) eingeleitete Konditionalsätze; als Varianten für die aus Konditionalverknüpfungen entwickelten Konzessivsätze sind sie nach Paul (1920: 278) seit dem Mhd. üblich (vgl. zur Diachronie auch Axel 2002 und Axel/Wöllstein 2009). Häufig sind solche Verberstsätze mit und eingeleitet. (Zu irrelevanzkonditionalem und wenn und seiner Variante und + Verberstsatz s. C4.4.3.3).  

(17a) (17b) (17c) (17d) (17e) (17f) (18) (19)

Fällt es auch schwer/Mag es auch schwerfallen, ich gebe die Hoffnung nicht auf. Fällt es auch noch so schwer, ich gebe/gebe ich die Hoffnung dennoch nicht auf. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, fällt es auch (noch so) schwer/mag es auch noch so schwerfallen. *Fällt es schwer/*Mag es schwerfallen, ich gebe die Hoffnung nicht auf. *Fällt es schwer/*Mag es schwerfallen, gebe ich die Hoffnung nicht auf. *Ich gebe die Hoffnung nicht auf, fällt es schwer/mag es schwerfallen. sol ich den munt mit spotte zern, ich will mînen friunt mit spotte nern. (Wolfram; Bsp. aus Paul 1920: 278) Und käm die Hölle selber in die Schranken, mir soll der Mut nicht weichen und nicht wanken. (Schiller; Bsp. aus Paul 1920: 278)

Einige Konnektoren, die primär semantisch weniger spezifische additiv basierte Relationen ausdrücken, können in geeigneten Kontexten konzessive Interpretationen erhalten. Das gilt vor allem für die semantisch unterspezifizierten adversativen Adverbkonnektoren aber, jedoch und doch (s. C2.3.3.2), für komitatives dabei und wobei (C2.4) sowie für negativ-komitatives ohne dass (zur Ableitung der konzessiven Bedeu-

C4.3 Konzessive Konnektoren

911

tung s. C2.2.6.2). Auch Vergleichskonstruktionen mit faktisch zu interpretierenden Argumenten haben konzessive Lesarten. (20)

Auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin wurden zwar erheblich mehr Personenwagen als an den Vortagen gezählt, aber die Abfertigung verlief im allgemeinen reibungslos. (Frankfurter Allgemeine, 24.12.1965, S. 1) Obwohl […] mehr Personenwagen gezählt wurden, verlief die Abfertigung reibungslos. Der Platzhirsch aus Los Angeles […] ist […] bei vielen Kollegen verhasst. Dabei ist er eigentlich ein netter Kerl. (http://wissen.spiegel.de/wissen/do kument/dokument.html?id=27564411&top=SPIEGEL) Der Platzhirsch aus Los Angeles ist bei vielen Kollegen verhasst, obwohl er eigentlich ein netter Kerl ist. Die britische Teerkolonne führt Teerarbeiten aus, ohne dass zuvor ein Eintrag in die Handwerksrolle erfolgt ist. Die britische Teerkolonne führt Teerarbeiten aus, obwohl zuvor kein Eintrag in die Handwerksrolle erfolgt ist. So sehr Bertrand Cantat […] nach außen gegen das Unrecht dieser Welt aufspielte, so sehr war er in seinen Texten auf die hohe Kunst der Innerlichkeitsprosa spezialisiert. (Berliner Zeitung, 08.08.2003, S. 8) Obwohl Bertrand Cantat […] gegen das Unrecht aufspielte, war er in seinen Texten auf […] Innerlichkeitsprosa spezialisiert  

(21)

(22)

(23)



Auch der Konjunktor und (s. C2.1.3.1.2.2) kann in geeigneten Kontexten konzessiv interpretiert werden. (24)

„Ich verstehe nicht ganz“, sagte ich müde, „erst streiten wie um meine Unterschrift unter dieses Erpressungsformular – dann um die standesamtliche Trauung – jetzt bin ich zu beiden bereit, und du bist böser als vorher.“ (MK1/ LBC Böll, Ansichten, S. 93)  

Anders als eine Kausalrelation kann eine konzessive Verknüpfung durch und aber allenfalls dann zum Ausdruck gebracht werden, wenn sie durch eine besondere prosodische Kennzeichnung unterstützt wird. Asyndetische Verbindungen entziehen sich wohl generell einer konzessiven Interpretation. (25a) (25b) (25c)

Es war herrlichstes Wetter und wir beschlossen, einen Spaziergang zu machen. (kausal interpretierbar) Es war herrlichstes Wetter und wir beschlossen, zu Hause zu bleiben. (nicht konzessiv interpretierbar) Draußen ist herrlichstes Wetter, | und /IHR wollt den ganzen Tag in der BUde\ hocken! (konzessiv interpretierbar)

912

C4 Konditional basierte Konnektoren

(25d)

Draußen ist herrlichstes Wetter, ihr wollt den ganzen Tag in der Bude hocken! (nicht konzessiv interpretierbar)

4.3.1.4 Gebrauchsfrequenzen bei konzessiven Konnektoren Eine Auszählung des DeReKo (Stand Juni 2008) weist den Subjunktor obwohl als den frequentesten konzessiven Konnektor aus, gefolgt von den Adverbkonnektoren dennoch und trotzdem. Die unter anderem konzessiv interpretierbaren adversativen Konnektoren aber und jedoch haben wesentlich höhere Frequenzen als die semantisch spezifischeren konzessiven Konnektoren. (Zu textsortenspezifischen Frequenzdaten für konzessive Subjunktoren vgl. Métrich 1980: 7–16 und Baschewa 1980.) Tab. C4.3-1: Frequenz von Konzessivkonnektoren im Korpus, absoluter Wert (N) und standardisierter Wert (N*) (pro 10.000 laufende Textwörter) Subjunktoren

N

N* (pro 10.000 Textwörter)

Adverbkonnektoren

N

N*

obwohl

513.544

1,676

dennoch

0.516.781

01,686

wenn auch1

089.864

0,293

trotzdem2

0.367.589

01,199

wenngleich

031.882

0,104

gleichwohl

0.054.079

00,176

obgleich

010.843

0,035

nichtsdestotrotz

0.006.664

00,022

obschon

010.078

0,033

ungeachtet dessen

0.003.392

00,011

wiewohl

004.862

0,016

dessen ungeachtet

0.002.388

00,008

aber

7.981.796

26,046

jedoch

1.277.099

04,167

1 Es wurden nur kontinuierliche Varianten berücksichtigt. Der Anteil der „falsch positiven“ Belege wie z. B. konditionale Verwendungen (Typ: Wenn auch der CHEF dagegen ist, nehme ich das Projekt nicht in Angriff) wurde per Stichprobe ermittelt und hochgerechnet. 2 In einer Stichprobe von 300 trotzdem-Belegen fanden sich 2 Subjunktorverwendungen; dies wurde auf die Gesamtzahl hochgerechnet.  

C4.3 Konzessive Konnektoren

913

4.3.2 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik 4.3.2.1 Konstitutive semantische Eigenschaften von Konzessivität In Grammatiken und Gesamtdarstellungen zu Konzessivität im Deutschen (Schramm 1977; Hermodsson 1978; Métrich 1978, 1980, 1983; Baschewa 1980; Rudolph 1996; Di Meola 1997b; Rezat 2007) herrscht nur in einem kleinen Kern Übereinstimmung bezüglich des Inventars (vgl. die Divergenzen in der vergleichenden Übersicht in Rezat 2007 und, für ältere Grammatiken, in Baschewa 1980: 30–33). Typisch ist ein eher großzügiges Verständnis von Konzessivität unter Einschluss von Adversativität und Irrelevanzkonditionalität oder unscharf konturierter Abgrenzung gegenüber diesen beiden Relationen. Die sich so ergebende heterogene Klasse wird dann in aller Regel wieder subklassifiziert, wobei meist neben einem konzessiven Kernbereich, der über das Konzept des „unwirksamen Gegengrunds“ o. ä. erfasst wird, ein Bereich von semantisch loseren Verknüpfungen angenommen wird, der mit Termini wie Einschränkung bzw. Restriktion (Hartung 1964, Schramm 1977, Rudolph 1996), indirekte Konzessivität (Di Meola 1997b), relativer Widerspruch (Buscha et al. 1998) o. ä. beschrieben wird. Das hier zugrunde gelegte Konzept von Konzessivität ist an den unstrittigen Vertretern der Klasse orientiert: den mit ob- zusammengesetzten Subjunktoren (obwohl, obgleich, obschon, obzwar) und den mit trotz oder ungeachtet zusammengesetzten Konnektoren (trotzdem, nichtsdestotrotz, ungeachtet dessen, (dass), des(sen)ungeachtet). Von diesem Kern ausgehend kann dann der Randbereich genauer beleuchtet werden. Es wird sich zeigen, dass für den Übergang in eine andere Lesart die Verankerung der Verknüpfung auf einer nicht-propositionalen Ebene eine entscheidende Rolle spielt. Zwei Bedeutungsaspekte sind für eine konzessive Relation der Form p, obwohl q bzw. p, dennoch q konstitutiv: (i) Die Verknüpfung impliziert, dass die Relata p und q beide der Fall sind. (ii) Die Verknüpfung liefert dem Adressaten die Hintergrundannahme mit, dass ein Sachverhalt von der Art, von der q ist, normalerweise nicht einen Sachverhalt von der Art, von der p ist, nach sich zieht.  





Formal wird (i) üblicherweise als logische Konjunktion auf der Ebene der Assertion und (ii) als Implikation auf einer präsuppositionalen Ebene dargestellt (vgl. z. B. König 1986: 234 und 1991a: 633, Pasch 1995: 77). Merkmal (i) würde für sich genommen die Konzessivrelation als additiv basierte Relation ausweisen. Wegen (ii) sind die Relata aber nicht unabhängig voneinander und Konzessivität gehört damit zu den konditional basierten Relationen. (i) ASS: pÙq (ii) PSP: q’ → ¬p’ (wobei p’ und q’ vor dem Wissenshorizont der Gesprächspartner plausible Generalisierungen über die von p und q denotierten Sachverhalte darstellen)  

914

C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Beziehung, die in (ii) durch den Pfeil repräsentiert ist, kann nicht auf derselben Ebene liegen, wie die in (i) als logische Konjunktion repräsentierte Beziehung zwischen den Argumenten. Diese wird durch erstere ja gerade „überschrieben“ und zurückgewiesen, m. a. W.: Die gemeinsame Geltung von p und q wird assertiert gegen die Hintergrundannahme, dass p und q unverträglich sind. „Das Wesen der Konzessivität ist ein Widerspruch zwischen Präsupposition und Bedeutung“ (Pasch 1995: 78). Pasch geht davon aus, dass es sich dabei nicht um eine logische Präsupposition handelt, sondern um eine Diskurspräsupposition im Sinne von Givón (1983), die VOR dem aktuellen Sprechzeitpunkt gilt.3 Allerdings wird sie vom Sprecher als unstrittiges und unproblematisches Hintergrundwissen auch dann mitgeliefert, wenn der Adressat sie aus seinem Sach- und Weltwissen allein nicht abrufen könnte. Der Adressat „akkomodiert“ dann diese Präsupposition und fügt die entsprechende Information zu seinem Hintergrundwissen hinzu. So kann er aus (26a) und (26b), für deren Interpretation er schwerlich irgendein Sachwissen aufbringen wird, nicht nur auf die Gültigkeit von (26c) schließen, sondern auch darauf, dass der Sprecher diesen Zusammenhang als bekannt vorausgesetzt wissen will.  

(26a) (26b) (26c)



Obwohl der Knull geprempelt hat, hat das Fipi nicht geurzt. Der Knull hat geprempelt. Trotzdem hat das Fipi nicht geurzt. → Normalerweise gilt: Wenn Knullen prempeln, urzen Fipis.

Die Präsupposition „überlebt“ Einbettung in Fragekontexte (27b) und konditionale Kontexte (27c). Sie kann nicht in Form eines direkten Kommentars zurückgewiesen werden (27d), sondern nur in der Form eines Protests, der die Präsupposition auf den Stand eines Diskursthemas hebt. (27a)

Obwohl durchwegs Kegler-Amateure am Werk waren, wurde doch um jeden Punkt gekämpft. (St. Galler Tagblatt, 05.11.2001, o. S.) → PSP: Wenn Amateure kegeln, kämpfen sie nicht um jeden Punkt. Wurde hart gekämpft, obwohl nur Amateure am Werk waren? Wenn um jeden Punkt gekämpft wurde, obwohl nur Kegler Amateure am Werk waren, ist das erstaunlich. A: Obwohl durchwegs Kegler-Amateure am Werk waren, wurde doch um jeden Punkt gekämpft. – B: Das stimmt nicht. (kann nur bedeuten: es ist nicht der Fall, dass um jeden Punkt gekämpft wurde) Warum sagst du das? Amateure kämpfen doch nicht weniger hart um den Sieg als Profis!  

(27b) (27c) (27d)

(27e)

3 König geht von einer konventionellen Implikatur aus (König 1985: 265 und 1988: 146), spricht an anderer Stelle aber von der „konditionalen Präsupposition“ (König 1991a).

C4.3 Konzessive Konnektoren

915

Aus (i) und (ii) ergibt sich auch die Art der Verwandtschaft mit der Kausalrelation. Auf ein besonderes gegensätzliches Verhältnis von konzessiven und kausalen Verknüpfungen wird in der Literatur systematisch hingewiesen.4 Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass eine wohlgeformte konzessive Verknüpfung von zwei Propositionen immer dann semantisch abweichend ist, wenn sie statt durch einen konzessiven durch einen kausalen Konnektor verknüpft wird und umgekehrt (vgl. Pasch 1992: 38). (28a) (28b) (28c) (28d)

Das Pflaster ist trocken, obwohl es geregnet hat. #Das Pflaster ist trocken, weil es geregnet hat. Das Pflaster ist nass, weil es geregnet hat. # Das Pflaster ist nass, obwohl es geregnet hat.

Weil-Verknüpfungen sind wohlgeformt, wenn der im internen Konnekt (dem A NTEZEbezeichnete Sachverhalt eine hinreichende Bedingung für den im externen Konnekt (dem K ONSEQUENS ) genannten Sachverhalt sein kann, obwohl-Verknüpfungen sind dagegen wohlgeformt, wenn der im internen Konnekt bezeichnete Sachverhalt eine hinreichende Bedingung für das Gegenteil des im externen Konnekt genannten Sachverhalts sein kann (Pasch 1992: 38).5 Die Konditionalität ist also für kausale DENS )

4 Diese Sichtweise spiegeln Beschreibungen wie „Nicht-Realisierung einer normal notwendigen Grund-Folge-Relation“, „Negierung eines normalerweise notwendigen Zusammenhanges“ (Hermodsson 1978: 60 f.), „Verneinung einer konditionalen Beziehung“, „inkonditionale Beziehung“ (Hermodsson 1973), „Ausnahme von der Regel“ (Métrich 1980), „Behauptung entgegen andersliegender Erwartung“ (Lang 1977: 168), „Grund-Nichtfolge-Verhältnis“ (Heidolph et al. 1981: 808), „Gegenbedingung – Folge“ (Blühdorn/Golubewa 2007) u. ä. Sie verbirgt sich auch hinter der in Grammatiken gängigen Terminologie vom unwirksamen Gegengrund (Engel 1988: 723) oder unzureichenden Gegengrund (Duden-Grammatik 1984: 695), die von Hermodsson (1994: 70) als ein „wahrhaft rätselhaftes Verhältnis“ kritisiert wird. 5 In vielen formallogischen Darstellungen werden Konzessivverknüpfungen in negierte Kausalverknüpfungen und Kausalverknüpfungen in negierte Konzessivverknüpfungen überführt, wobei dem Negationsskopus eine entscheidende Rolle zukommt (vgl. Eggs 1977, Hermodsson 1978, König 1991b: 201, König 1991a: 636 f.). Kausale und konzessive Verknüpfungen stehen nach König (1991a und b) und König/Siemund (2000) im Verhältnis einer dualen Negation zueinander (einer Kombination aus äußerer/weitskopiger und innerer/engskopiger Negation), das über folgende Äquivalenzen definiert ist: p weil q ≡ NEG (p, obwohl NEG q) p obwohl q ≡ NEG (p, weil NEG q) Setzt man die Formel in einen natürlichsprachlichen Ausdruck um (hier die Abwandlung eines Beispiels aus Pasch 1992), müsste (i) mit (ii) und (iii) mit (iv) äquivalent sein. Das ist aber nicht der Fall, da kausale ebenso wie konzessive Subjunktoren die Wahrheit ihres internen Konnekts implizieren – und dieses ist in den Satzpaaren eben nicht konstant. (i) Die Zitronen sind schädlich, weil sie gespritzt sind. (ii) Es ist nicht der Fall, dass die Zitronen schädlich sind, obwohl sie ungespritzt sind. (iii) Die Zitronen sind schädlich, obwohl sie ungespritzt sind. (iv) Es ist nicht der Fall, dass die Zitronen schädlich sind, weil sie ungespritzt sind. Zur Kritik an der Dualitätshypothese vgl. Pasch (1992) und (1995).  







916

C4 Konditional basierte Konnektoren

und für konzessive Relationen konstitutiv, konzessive Verknüpfungen sind aber kein Subtyp von Kausalverknüpfungen. Wie bei den kausalen sind auch bei den konzessiven Konnektoren beide MarNT EZEDENS -Markierung und K ONSEQUENS -Markierung – lexikalisch kierungstypen – A NTEZEDENS ähnlich stark ausdifferenziert, allerdings wird in der Literatur bei den konzessiven Konnektoren auf eine terminologische Differenzierung analog zur Unterscheidung von kausal (i. e. S.) und konsekutiv verzichtet. Der Grund ist vermutlich, dass konzessive Subjunktoren einheitlich als A NTEZEDENS -markierend (und konzessive Adverbien einheitlich als K ONSEQUENS -markierend) analysiert werden und die traditionelle Relationentaxonomie letztlich eine Klassifikation adverbialer „Nebensätze“ ist; ein konzessives subordinierendes Pendant zu konsekutivem (KONSEQUENS -markierendem) sodass, weshalb, weswegen aber im Deutschen nicht zu existieren scheint. Die Argumentzuordnung lässt sich damit wie folgt darstellen.  



Abb. C4.3-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei konzessiven Subjunktoren (ANTEZEDENS -markierend)

Abb. C4.3-2: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei konzessiven ONSE QUENS -markierend: „konzessiv-konsequental“) Adverbkonnektoren (K K ONSEQUENS

Das Überschreiben der konditionalen Präsupposition in einer Konzessivverknüpfung kann alltagssprachlich als „Behauptung entgegen andersliegender Erwartung“6 (Lang 1977: 168) beschrieben werden. Die Erwartung der Gesprächsteilnehmer, dass die Dinge ihren normalen Lauf nehmen, kann in ganz unterschiedlichen Wissens-

6 Ähnlich: „denial of expectation“ (Lakoff 1971: 133),„Korrektur 133), einer Erwartungshaltung“ (DudenGrammatik 2005: 1106).

C4.3 Konzessive Konnektoren

917

horizonten verankert sein.7 Dazu gehört das Wissen um die Koinzidenz von Naturerscheinungen (29) genauso wie das Wissen um soziale Normen (30) oder individuelle Gewohnheiten von Handlungsbeteiligten (31). (29)

Obwohl der Oktober noch nicht einmal vorüber war, standen die Äste bereits fast kahl. (DIV/RMR Müller, Ritter, S. 518) Kaum saßen wir am Kaffeetisch, schon debattierten die beiden, obwohl wir Frauen vorher darum baten, dass Ruhe sein sollte. (DIV/IRR Ripperger, Rückblicke, S. 264) Kasimir schaute Mia, Frieda und die anderen Tiere an und auf einmal wusste er, dass Emils Glück allen anderen Freude bereitete. Die Freude war einfach da, obwohl gar keiner kicherte. (DIV/GBK Billowie, Kasimir, S. 43)  

(30)



(31)



Die Interpretation einer Konzessivverknüpfung verlangt vom Adressaten die Rekonstruktion der konditionalen Präsupposition, für die er wiederum über die Bedeutungen der Argumente generalisieren muss. Welche Aspekte davon in welchem Abstraktionsgrad Bestandteil der konditionalen Präsupposition sein sollen, muss er auf der Basis seines Welt- und Situationswissens entscheiden; die konzessive Verknüpfung selbst liefert dafür keine sprachlichen Indikatoren. Zum Verständnis von (30) etwa können unterschiedliche gesellschaftliche Konventionen bemüht werden, aber auch eine individuelle Übereinkunft, die in der Welt des Romans Bestand hat. In (31) liegt wohl eine solche individuelle Norm vor, denn Freude und Kichern gehören gemeinhin nicht unbedingt zusammen. (30a) (30b) (30c) (30d)

Wenn Frauen um Ruhe beim Kaffeetrinken bitten, sollen Männer nicht debattieren. Wenn jemand andere um Ruhe bittet, sollen die sich daran halten. Wenn jemand einen anderen um etwas bittet, soll dieser sich daran halten. Wenn die genannten Frauen die genannten Männer um Ruhe beim Kaffeetrinken baten, hielten die sich gewöhnlich daran.

Bisweilen erfordert die Rekonstruktion der konditionalen Präsupposition dem AdresNT EZEDENS saten einiges an Abstraktionsleistung ab, besonders dann, wenn das ANTEZEDENS Konnekt eine Vielzahl einzelner neuer Informationen enthält.

7 Métrich (1980: 68) weist darauf hin, dass die zugrundeliegende Regel keine wissenschaftlich begründete ist, sondern „Ausdruck des naiven Weltbildes des Sprechers“ ist und auf drei Säulen ruhe: der Erfahrung, dem Recht und der Logik. Da aber konzessive Verknüpfungen die konzessive Präsupposition selbst erzeugen können, kann auch die „Regel“ selbst akkomodiert werden. So kann etwa für die bei Dufter (2003: 60) zitierte Verknüpfung Obwohl alle Götter gestorben waren, bewegte sich die Sonne trotzdem nicht. auf keines der drei Fundamente eine Regel zurückgeführt werden.

918

(32)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Nach dem vierten Titel in den USA 1994 wurde der nur 1,81 m große Keeper trotz guter Leistungen beim World Cup wegen fehlender Konstanz aussortiert. Doch auf sein Comeback im Team brauchte er nicht lange zu warten. Obwohl der Familienvater von August bis Dezember 1994 wegen Vertragsstreitigkeiten mit seinem damaligen Klub Parma ohne Verein dastand und sich während dieses Zeitraumes bei einer italienischen Priesterauswahl als Mittelstürmer fithielt, holte ihn Zagallo schon ein halbes Jahr nach seiner Ausmusterung zurück. (Kleine Zeitung, 09.07.1998, o. S.)  



Wenn obwohl in (32) sinnvoll gebraucht sein soll, muss man eine Erwartungsfolie konstruieren, für die die meisten Informationen des Satzes irrelevant sind; um zu wissen, welche Informationen relevant und welche irrelevant für die Generalisierung sind, braucht der Adressat hier etliches an Vorwissen. Die hinter (32) stehende Regularität könnte etwa so abstrakt wie (32a) lauten: (32a)

Wenn ein Fußballspieler aus einem Verein einer oberen Liga ausgemustert ist, wird er nicht (nicht so schnell?) in die Nationalmannschaft zurückgeholt.

Der Terminus Konzessivität hebt, anders als die sonstigen Relationsbezeichnungen, auf ein rhetorisch-argumentatives Verfahren, nämlich das der concessio, Einräumung ab (zur Kritik am Begriff vgl. etwa Métrich 1980: 3 f.). Der Sprecher nimmt mit dem NTEZEDENS EZEDENS einer Konzessivrelation einen potentiellen Einwand seines GesprächspartA NT ners vorweg, akzeptiert aber nicht dessen Schlussfolgerung. Indem er den Einwand des Gesprächspartners als nicht ausschlaggebend degradiert, stärkt er gleichzeitig seine eigene Schlussfolgerung und seine argumentative Position. (Zur Diskursfunktionen von Konzessivität im Rahmen des Argumentierens vgl. Azar 1997 und Rezat 2007.)  

4.3.2.2 Abgrenzung gegen andere Relationen Nach der hier getroffenen Beschreibung gehören zu den konzessiven Konnektoren nicht Satzeinleiter wie ob (…) oder (ob), sei es (…) sei es, w- auch immer, so ADJ auch immer sowie viele Verwendungen von Subjunktoren, die mit wenn zusammengesetzt sind (selbst/sogar/auch wenn). Diese enthalten wie konditionale Konnektoren eine Implikation mit einem im Faktizitätswert offenen A NTEZEDENS , anders als bei den konditionalen und ebenso wie bei den konzessiven gilt aber die Wahrheit des KONNTEZEDENS EZEDENS . Diese, in Grammatiken uneinheitlich SEQUENS unabhängig von der des A NT mal den konzessiven, mal den konditionalen zugeordneten Klassen werden hier in der Tradition von König (König 1985, 1986, 1988, 1994; König/van der Auwera 1988) als eigene Klasse der Irrelevanzkonditionalen Konnektoren (engl. auch concessive conditionals) ausgegrenzt (s. C4.4). Zum Übergangsbereich von irrelevanzkonditionaler und konzessiver Lesart s. C4.3.5.3 zu wenn auch vs. auch wenn.

C4.3 Konzessive Konnektoren

919

Uneinheitlich ist in der Literatur vor allem die Abgrenzung gegen adversative Konnektoren (s. C2.3).8 Der entscheidende Unterschied besteht in der Verortung der konditionalen Präsupposition. Genuin konzessive Konnektoren erzeugen sie kontextunabhängig, bei adversativen Konnektoren ist sie dagegen ein durch einen geeigneten Kontext erzeugter Spezialfall einer im Vergleich zur Konzessivität weniger spezifischen Grundbedeutung, die man als „Unterbrechung einer Gleichläufigkeit“ unterschiedlichster Aspekte vom linear ersten zum linear zweiten Konnekt beschreiben kann.9 Zwischen der Klasse der adversativen und der der konzessiven Konnektoren besteht allerdings eine Durchlässigkeit nach beiden Seiten hin: Adversative bzw. semantisch unspezifische Konnektoren wie aber und jedoch können konzessive Lesarten annehmen und scheinbar monosem konzessive Konnektoren können in epistemischen und sprechaktbezogenen Verknüpfungen einen Subtyp von Adversativität kodieren. Die Mechanismen des „Klassenübertritts“ und die damit korrelierenden syntaktischen und semantischen Eigenschaften werden in C4.3.3 beschrieben.

4.3.2.3 Syntaktische und semantische Besonderheiten konzessiver Verknüpfungen Für Konzessivsätze wird häufig eine Sonderstellung unter den adverbialen Nebensätzen reklamiert, die vor allem damit begründet wurde, dass das interne Konnekt, anders als etwa das von Kausal- oder Konditionalverknüpfungen, nicht im Skopus höherer Operatoren (Negation, Satzadverbien, Fokuspartikel, Frageoperator) stehen kann (vgl. z. B. GDS: 2314, Fabricius-Hansen 2007: 783; ausführlich Métrich 1980: 17–35).10  

8 Unklar ist vor allem, ob Adversativität und Konzessivität in einer hierarchischen Ordnung zueinander stehen oder „Schwestern“ sind. Häufig wird Konzessivität als eine speziellere Art von Adversativität betrachtet (Lang 1977, Hermodsson 1994, Di Meola 1997b, 1998). So beschreiben etwa auch Knott/ Sanders (1998) im Rahmen einer hierarchischen Relationentaxonomie für englische und niederländische Kontrastmarker „adversativity“ als hyperonyme Relation, die durch das Merkmal definiert ist. Bei Konzessivität kommt ein zusätzliches Merkmal ins Spiel. Knott/ Sanders bezeichnen dann auch konsequent das unterspezifizierte engl. but als Hyperonym zum rein konzessiven nevertheless. 9 Umbach/Stede (1999) beschreiben konzessive Interpretationen von aber als „kausale Überinterpretation“, die auf einem der Konditionalverstärkung („conditional perfection“, Geis/Zwicky 1971) vergleichbaren Inferenzprozess basiert. Auch Di Meola (1998: 294) sieht den entscheidenden Unterschied zwischen aber und obwohl im Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines „Kausalzusammenhangs“. Allerdings übersieht er dabei, dass aber und obwohl aufgrund ihrer unterschiedlichen syntaktischen Klassenzugehörigkeit konverse Rollenzuordnungen zu den Konnekten erfordern und parallelisiert Monika hat die Pilze gegessen, aber sie waren giftig mit Monika hat die Pilze gegessen, obwohl sie giftig waren. 10 Die Nicht-Einbettbarkeit des internen Konnekts einer Konzessivverknüpfung unter einen höheren Operator darf nicht verwechselt werden mit einer entsprechenden Einbettung des externen Konnekts, von der das interne Konnekt unbetroffen bleibt.

920

(33a) (33b) (33c) (33d) (33e) (33f)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Kegler kämpfen nicht um jeden Punkt, weil/wenn sie Amateure sind, sondern weil/wenn sie vom Abstieg aus ihrer Liga bedroht sind. *Kegler kämpfen nicht um jeden Punkt, obwohl sie Amateure sind, sondern obwohl sie vom Abstieg aus ihrer Liga bedroht sind. Einzig und allein weil sie AmaTEUre sind (und aus keinem anderen Grund) kämpfen die Kegler um jeden Punkt, *Einzig und allein obwohl sie AmaTEUre sind, kämpfen die Kegler um jeden Punkt. Kämpfen Kegler um jeden Punkt, weil/wenn sie Amateure sind oder weil/ wenn sie vom Abstieg aus ihrer Liga bedroht sind? *Kämpfen Kegler um jeden Punkt, obwohl sie Amateure sind oder obwohl sie vom Abstieg aus ihrer Liga bedroht sind?

Andererseits verhalten sich Konzessivverknüpfungen in der Einbettbarkeit der Subjunktorphrase in ihr externes Konnekt syntaktisch nicht anders als Konditional- und Kausalverknüpfungen. (33b, d, f) wirken im Vergleich zu (33a, c, e) aus einem konzeptuellen Grund unakzeptabel: Die konzessive Spezifikation erlaubt im Unterschied zur Angabe einer Begründung oder einer Bedingung offenbar keine Kontrastierung mit einer alternativen „unwirksamen Bedingung“. Material, zu dem keine Alternativen evoziert werden können, kann aber weder fokussiert noch kontrastiert werden. Aus dem gleichen Grund können konzessive Subjunktorphrasen auch nicht als Attribute fungieren oder in einer Spaltsatzkonstruktion fokussiert werden: (34a) (34b) (34c) (34d)

DEShalb, weil sie AmaTEUre sind (und aus keinem anderen Grund) kämpfen die Kegler um jeden Punkt. *TROTZdem, obwohl sie AmaTEUre sind, kämpfen die Kegler um jeden Punkt. Es ist (deshalb), weil sie AmaTEUre sind, dass die Kegler um jeden Punkt kämpfen. *Es ist (trotzdem), obwohl sie AmaTEUre sind, dass die Kegler um jeden Punkt kämpfen

Das Nichtvorhandensein einer Alternative ist schließlich auch der Grund für die fehlende Erfragbarkeit von Konzessivspezifikationen. Dies ist nun allerdings kein Sonderstatus der Konzessivrelation, sondern charakteristisch für eine ganze Reihe von Relationen, insbesondere für alle negationsassoziierten sowie für Adversativität (die in ihrem präsupponierten Bedeutungsteil eine Negation enthält). Für Fragen, auf die

(33g) (33h)

Obwohl sie Amateure sind, kämpfen die Kegler wahrscheinlich/nicht/zum Glück um jeden Punkt. Kämpfen die Kegler um jeden /PUNKT, obwohl sie /AmatEUre sind?

C4.3 Konzessive Konnektoren

921

man mit negativ-komitativem ohne dass q (s. C2.2.6), substitutivem statt dass q (s. C2.2.5), negativ-konditionalem außer p oder es sei denn p (s. C4.6) oder adversativem während p, wogegen q (s. C2.3) antworten könnte, ist nicht nur kein Interrogativadverb lexikalisiert, wie das für Adverbialia des temporalen und des kausal-konditionalen Bereichs der Fall ist (warum, weshalb, wozu, wodurch, wann etc.) sondern eine Frage, wie etwa nach der Bedingung in einer Konditionalrelation (unter welchen Umständen) überhaupt schwer vorstellbar. (Zum Kriterium der Erfragbarkeit im Dienst der syntaktischen Subklassifikation s. auch A1.1.2.) Es ist selbstverständlich und gehört zu den „vorgegebenen Kategorien der Kommunikation“ (Métrich 1980: 41), dass Ereignisse in der Welt eine raum-zeitliche Situierung haben, dass sie in Ursache-Folge-Zusammenhängen stehen oder unter bestimmten Bedingungen auftreten können, dass Handlungen zu bestimmten Zwecken vollzogen werden usw., sodass die Aussparung dieser Umstände in der Kommunikation dem Adressaten zu Fragen nach dem Wann, Wo, Warum und Wozu Anlass geben kann. Ebenso können bei der Nennung solcher Umstände immer auch Alternativen zur Debatte stehen, was für den Sprecher Anlass zu deren Betonung und Fokussierung sein kann. Dass hingegen ein Ereignis entgegen oder als Ersatz für oder trotz oder ohne ein anderes Ereignis stattfindet, gehört dagegen nicht zu den Selbstverständlichkeiten der Ereigniseinbettung, sondern ist „eine Art Zugabe des Sprechers, der den Adressaten darauf aufmerksam machen will, dass das Gesagte gar nicht so selbstverständlich, gar nicht so einfach eine gegebene Tatsache ist, wie dies zunächst erscheinen könnte“ (GDS: 2315). Eine aus heiterem Himmel vorgebrachte Frage nach Umständen, die „nicht der Fall sind“ oder „nicht wirksam geworden sind“, wäre kommunikativ befremdlich.11 Sie ist allenfalls in Form einer Echofrage auf eine bereits eingeführte konzessive Angabe formulierbar. (35)

A: Wer hat Schuld, das sich eine ganze Reihe junger Menschen nichtdeutscher Herkunft heute nicht anerkannt fühlen und ihren Frust z. T. brutal an die Gesellschaft weiterreichen – trotz aller Angebote? B: Trotz welcher Angebote? Es gab keine Angebote! Der Sozialstaat Deutschland schrumpfte, eine Mittelschicht wurde in den letzten 10 Jahren  





11 Diese differenzierte Sichtweise hat sich allerdings in Sprachlehrbüchern für den schulischen Muttersprachen- und Fremdsprachenunterricht (speziell des Lateinischen) nicht durchgesetzt, wo die durchgängige Parallelisierung der Adverbialsätze mit Angabe „passender“ Fragen gängige Praxis ist: „Konzessivsätze – eingeleitet mit den Konjunktionen obwohl, obgleich, wenngleich, wenn (…) auch – drücken einen unzureichenden Gegengrund aus. Du fragst: „Trotz welcher Gegengründe …?“ (http:// www.learnetix.de/learnetix/deutsch/deutschbuch_online/arbeit/Band_8_Grammatik/Satzgefuege_ Zeichensetzung.pdf). Man vergleiche auch den Wikipedia-Eintrag zu Adverbialsätzen, in dem Fragen nach Konzessivsätzen („Frage: Trotz was?, Trotz welcher Gegengründe?“) und Adversativsätzen („Anstatt was?“) angeführt werden (http://de.wikipedia.org/wiki/Adverbialsatz) oder den Lehrbuchdialog: „Aus welchen Gründen oder trotz welcher Gegengründe würden Sie sich für bzw. gegen das Hotel Astoria entscheiden?“ im DaF-Lehrwerk: Dialog Beruf. Deutsch als Fremdsprache für die Grundstufe. München 2000: Hueber Verlag.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

vernichtet oder in eine soziale Unterschicht umgewandelt. (www.uni-protokolle.de/foren/viewt/149545,435.html) Bei einem Blick über den Tellerrand der temporalen und konditional basierten semantischen Relationen relativiert sich also die vermeintliche syntaktische Sonderstellung konzessiver Verknüpfungen zu einer konzeptuell begründeten Restriktion.12 Die oben angeführten nicht erfragbaren Relationen verhalten sich im Übrigen in Punkto Fokussierungsblockierung des internen Konnekts nicht anders als die konzessiven, und zwar unabhängig von der Art der Kodierung als Subjunktorphrase, Präpositionalphrase oder Infinitivphrase. (36)

(37)

*Einzig und allein, ohne dass sie mehr verdienen/ohne Mehrverdienst/ ohne mehr zu verdienen (und nicht etwa, ohne dass sie eine Extrazulage bekommen/ohne Extrazulage/ohne eine Extrazulage zu bekommen), machen die Arbeiter jetzt Überstunden. *Nicht statt dass sie früher in Rente gehen können/statt einer früheren Verrentung/statt früher in Rente gehen zu können, sondern statt dass sie eine Auszahlung bekommen/statt einer Auszahlung/statt eine Auszahlung zu bekommen, müssen die Arbeiter jetzt bis 67 schuften.

Die einzige Form der Kontrastierung, die mit einer konzessiven Relation möglich ist, ist die mit einer kausalen Relation. In diesem Fall wird nur der Konnektor selbst fokussiert. (38)

Eich wurde zu einem bedeutenden Dichter und Moralisten nicht obWOHL, sondern gerade WEIL er seiner eigenen Fehlbarkeit begegnet war. (die tageszeitung, 22.06.1996, S. 16) Und obzwar der BVB-Anhang spielästhetisch ohnehin nicht besonders verwöhnt ist – oder gerade DArum –, vermißt er auch die Schönheit des Spiels. (die tageszeitung, 10.05.1999, S. 18)  

(39)



Auch ohne explizite Kontrastierung mit einem Kausalkonnektor kann ein konzessiver Subjunktor fokussiert werden, wenn der Rest des internen Konnekts zum informa-

12 Welche Konsequenzen man aus diesen Daten für die syntaktische Modellierung ableitet, ob man also Subjunktorphrasen mit obwohl-, statt dass-, adversativem während oder ohne dass an anderen Stellen verankert als solche mit weil oder wenn oder temporalem während (so etwa die Vorschläge bei Métrich 1980 oder Clément 1998; auch König 1991a erwägt, die Besonderheiten konzessiver Verknüpfungen damit zu erklären, dass sie ein eigenes Sprechaktpotential haben) ist natürlich stark theorieabhängig, setzt aber auf jeden Fall eine hierarchisch stark gegliederte Struktur voraus; zudem muss die Frage der syntaktischen Modellierung der Ebenenzuordnung (propositionale vs. epistemische Ebene und Sprechaktebene) unabhängig davon erfolgen.

C4.3 Konzessive Konnektoren

923

tionsstrukturellen Hintergrund gehört. Dadurch rückt der Sprecher die Tatsache in den Vordergrund, dass überhaupt irgendein Umstand der Fall war, der eher das Gegenteil des K ONSEQUENS erwarten ließe. Solche engen Konnektorfokussierungen haben die gleiche Funktion wie ein Verum-Fokus auf dem Finitum eines Deklarativsatzes. Sie sind im Übrigen nicht mit allen konzessiven Subjunktoren möglich, beispielsweise nicht mit wenngleich, wenn auch oder wiewohl. (40)

A: Wusstest du, dass Annas Verlobter arm wie eine Kirchenmaus ist? B: Ja, sie will ihn heiraten, obWOHL er so arm ist.  



Konzessive Verknüpfungen treten, nicht nur im Deutschen,13 häufig in der Form einer „Doppelmarkierung“ durch einen konzessiven Subjunktor im einen und einen konzessiven oder adversativen Adverbkonnektor im Mittelfeld des anderen Konnekts. (41)

Obschon im Zusammenhang mit der Erstellung des Richtplanes konkrete Zielsetzungen formuliert worden sind, so ist damit doch nur ein Teilbereich abgesteckt. (St. Galler Tagblatt, 11.07.1997, o. S.) Auch wenn er sich nun den Vorwurf gefallen lassen muß, dieser Vorschlag sei nur ein Ausweg aus der Zwickmühle „Wie spare ich, ohne die Renten zu senken?“, so liegt er mit seinen Reformplänen dennoch richtig. (Die Presse, 17.06.1999, o. S.)  

(42)



Solche Strukturen, die auch in älteren Sprachstufen belegt sind (s. 13–16), werden in Grammatiken meist als Korrelatkonstruktionen klassifiziert, sie gehorchen aber nicht den in diesem Handbuch dafür zugrunde gelegten Bestimmungen und unterscheiden sich klar von Korrelatkonstruktionen bei anderen Subjunktoren und bei Komplementsätzen. So kann der Adverbkonnektor in diesen Doppelmarkierungskonstruktionen (i)

… nicht als Kopf in einer attributiven Korrelatkonstruktion fungieren:

(43a) (43b)

Die Geschichte klingt DEShalb glaubwürdig, weil sie nicht erfunden ist. *Die Geschichte klingt DENnoch glaubwürdig, obwohl sie erfunden ist.

(ii)

… nicht wiederaufnehmendes Element in einer Linksversetzungskonstruktion sein, vielmehr kann in diesen Konstruktionen zusätzlich ein wiederaufnehmendes Element im Vorfeld auftreten (s. auch 41 und 42).

13 Zu Beispielen für die Konstruktion in anderen indogermanischen Sprachen vgl. Breindl (2004c: 17), zu romanischen Sprachen vgl. Rudolph (1996: 408).

924

(44a) (44b) (44c)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Weil sie nicht erfunden ist, DEShalb klingt die Geschichte so glaubwürdig. #Wenngleich die Geschichte erfunden ist, TROTZdem klingt sie glaubwürdig. Wenngleich die Geschichte erfunden ist, so klingt sie trotzdem glaubwürdig.

(iii)

… anders als typische Korrelate im Mittelfeld des linear zweiten Konnekts auftreten:

(45a) (45b)

*Weil die Geschichte nicht erfunden ist, klingt sie deshalb glaubwürdig. Obwohl die Geschichte erfunden ist, klingt sie trotzdem glaubwürdig.

(iv)

Es treten in dieser Funktion auch Adverbkonnektoren auf, die weder die Form noch die anaphorisch-referierende Funktion von Pronomina bzw. Pronominaladverbien haben:

(46a)

Wenngleich die Geschichte erfunden ist, klingt sie gleichwohl/doch/dennoch /freilich/immerhin glaubwürdig.

Die in diesen Konstruktionen auftretenden Adverbkonnektoren fungieren wie adversative Adverbkonnektoren als selbständige Marker eines Kontrasts und sind als solche auf ein Auftreten im linear zweiten Konnekt beschränkt. Charakteristisch für viele adversative Adverbkonnektoren ist auch, dass sie ursprünglich affirmative Bedeutung haben, d. h. mit ihnen bekräftigt ein Sprecher das Zutreffen der Trägersatzproposition vor dem Hintergrund, dass ihre Nicht-Geltung im gegebenen Kontext zur Debatte steht. In C2.3.6 wurde für die adversativen Adverbkonnektoren zwar, freilich und allerdings gezeigt, inwiefern sie synchron als Marker sowohl für Affirmativität als auch für Adversativität gebraucht werden können und wie jeweils ihre Bedeutung mit ihrer Position im ersten oder im zweiten Konnekt interagiert. Dasselbe Schillern zwischen einer affirmativen und einer kontrastierenden Bedeutung gilt nun auch für die konzessiven Subjunktoren selbst. Subjunktoren wie wenn (…) auch, wenngleich, obschon, obgleich haben „einräumenden“ Charakter, insofern sie die Geltung der Trägersatzproposition bestätigen und gleichzeitig den Adressaten darauf hinweisen, dass in der Folge irgendeine Art von Kontrast und Einschränkung zu erwarten ist. Sie ähneln darin den affirmativ-einräumenden Adverbkonnektoren, die im ersten Konnekt einer Kontrastverknüpfung vom Typ des kompensatorischen Gegensatzes (s. C2.3.3.4) auftreten können.  

(47)

Zwar behaupten Gendoktoren schon jetzt, mit der somatischen Therapie würden sie das Erbleiden an der Wurzel packen. Dennoch müssen sie zugeben, daß sie auf diese Weise nur behandeln, nicht aber heilen können. (Der Spiegel, 09.05.1994, S. 226)  

C4.3 Konzessive Konnektoren

(48)

925

Die Anzahl der Titel hat man zwar allseits verknappt, das fällt schon auf, nichtsdestotrotz warten die Verlage in diesem Herbst mit einem Großaufgebot an großen oder lange eingeführten Namen auf. (die tageszeitung, 08.10.2003, S. 16)  

4.3.3 Der Übergangsbereich zwischen konzessiven und adversativen Konnektoren Die Abgrenzung zwischen adversativen und konzessiven Konnektoren ist von beiden Seiten aus nicht scharf. Die zentralen adversativen Adverbkonnektoren aber, doch und jedoch reichen in die Konzessivität hinein, da sie unterschiedliche adversative Lesarten und eben auch eine konzessive Lesart haben können, die aber deutlich seltener ist als die adversativen Lesarten. (49)

(50)

„Gut geworfen“, sagte der Schneider, „aber der Stein hat doch wieder zur Erde herabfallen müssen.“ → Obwohl der Stein gut geworfen wurde, musste er wieder herabfallen. Auch bei der Erforschung dieses Medikamentes wurden zahlreiche Tiere dem vermeintlichen Wohl des Menschen „geopfert“. Doch diese Tieropfer konnten die betroffenen Menschen nicht vor ihrem Herzinfarkt oder Schlaganfall bewahren.(http://www.tierversuchsfreie-medizin.de/?Das_Ende_der_Tierver suche) → Obwohl zahlreiche Tiere dem Wohl des Menschen geopfert wurden, konnten die Menschen nicht vor Herzinfarkt […] bewahrt werden.

Auf der anderen Seite gibt es Verwendungen von – im Allgemeinen den Konzessiven zugerechneten – Subjunktoren, bei denen die Annahme der konzessivtypischen konditionalen Präsupposition keine sinnvolle Interpretation ergibt, stattdessen aber eine Umformung in eine adversativ-kompensatorische Verknüpfung mit allerdings möglich ist. Die Subjunktorphrase hat hier die Funktion einer nachgetragenen Einschränkung der Gültigkeit oder Relevanz des externen Konnekts, insofern sie einen nicht recht zum Inhalt des externen Konnekts passenden Sachverhalt nennt. Solche Verwendungen werden mitunter als „restriktive“ oder „indirekte Konzessivität“ bezeichnet, ohne dass der Zusammenhang zur Adversativitätsrelation deutlich gemacht wird. (51a)

Chicanos sind Amerikaner mexikanischer Abstammung, obgleich längst nicht alle Mexikaner Amerikas diese Bezeichnung für sich akzeptieren. (die tageszeitung, 26.06.1996, S. 15–16) → #Wenn nicht alle Mexikaner Amerikas die Bezeichnung Chicanos für sich akzeptieren, sind sie nicht mexikanischer Abstammung. → … allerdings akzeptieren nicht alle Mexikaner diese Bezeichnung für sich.  

926

(52a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Unter anderem lehnt er die Priesterweihe von Frauen vehement ab, obzwar seine Begründung nicht ganz ernst klingt: „Glauben Sie, daß jemand zu einer Frau beichten kommt? Eine Frau kann kein Geheimnis behalten.“ (Die Presse, 18.01.1995, o. S.) → #Wenn die Begründung von jemandem nicht ganz ernst klingt, dann lehnt er die Priesterweihe von Frauen nicht vehement ab. → … allerdings klingt seine Begründung nicht ganz ernst. Es gab weder patriotische noch antipatriotische Bekundungen, obgleich alle sehr gespannt waren. (die tageszeitung, 25.06.2004, S. 25) → #Wenn alle sehr gespannt sind, gibt es patriotische oder antipatriotische Bekundungen → … allerdings waren alle sehr gespannt. Am darauffolgenden Abend, beim Auftritt des Ensembles „Musica ad Rhenum“ im Meistersaal, steigert sich Anton Steck immerhin, wiewohl das Intonations-Problem nicht gänzlich beseitigt ist. (Berliner Zeitung, 07.07.1999, S. 11) → #Wenn das Intonations-Problem nicht gänzlich beseitigt ist, steigert sich Anton Steck/ein Musiker. → … allerdings war das Intonations-Problem nicht gänzlich beseitigt.  

(53a)



(54a)



In den Beispielen liegt das „kompensatorische“ Verhältnis der Argumente in Bezug auf etwas Drittes vor. So kann man den Inhalt des externen Konnekts von (54a) als positives Argument für die Schlussfolgerung einer gelungenen Aufführung betrachten, während der Inhalt des internen Konnekts hierfür ein Gegenargument bietet bzw. ein Pro-Argument für das Gegenteil einer gelungenen Aufführung. Diese Art der Gegenüberstellung von Argumenten, die zu einander widersprechenden Schlussfolgerungen führen, spielt sich auf der epistemischen Ebene der Einstellungen und Annahmen ab (s. C4.3.4). Wenn beide Konnekte semantisch als Argumente für eine nicht ausgedrückte Schlussfolgerung dienen, ist eine Rollenbezeichnung als A NTEZEDENS und K ONSEQUENS obsolet und die Relation ist semantisch weitgehend symmetrisch.14 Typisch für solche Verknüpfungen ist, dass sie auch als scheinbare „Autokonversen“ voneinander gebildet werden können, ohne dass sich – abgesehen davon, dass das letztgenannte Argument meist als das argumentativ etwas gewichtigere gilt – eine nennenswerte Bedeutungsänderung ergibt. Konversion bei Bedeutungsgleichheit ist aber eine Eigenschaft symmetrischer Relationen.

14 Auch Baschewa-Monowa (1991), die von einem weiten, auch Irrelevanzkonditionale einschließenden Konzessivitätskonzept ausgeht, betrachtet Fälle wie Hans ist ein guter Mensch, wenn er auch sehr langweilig ist. als symmetrisch (ebd. 298).

C4.3 Konzessive Konnektoren

(51b) (53b) (54b)

927

Nicht alle Mexikaner Amerikas akzeptieren für sich die Bezeichnung Chicanos, obgleich sie Amerikaner mexikanischer Abstammung sind. Alle waren sehr gespannt, obgleich es weder patriotische noch antipatriotische Bekundungen gab. Am darauffolgenden Abend, beim Auftritt des Ensembles „Musica ad Rhenum“ im Meistersaal, ist das Intonations-Problem nicht gänzlich beseitigt, wiewohl sich Anton Steck immerhin steigert.

Fasst man solche Beispiele, wie traditionell üblich, unter Konzessivität, hat dies zur Folge, dass für die fraglichen Konnektoren die Zuordnung der syntaktischen Rollen auf die Argumente A NTEZEDENS und K ONSEQUENS nicht festgelegt werden kann, diese Konnektoren also sämtlich „autokonvers“ sein müssten. Konzessivität wird damit als generelle Unverträglichkeit/Konflikt/Inkompatibilität zwischen zwei Situationen beschrieben, als „markierte Kookkurrenz“. So beschreibt Behaghel „Einräumungssätze“ als „solche Sätze, von denen der eine geeignet wäre, die Verwirklichung des anderen zu verhindern, es aber doch nicht tut“ und unterscheidet dann den Fall A „Der Hauptsatz hat Gültigkeit, entgegen der Erwartung, die durch den Nebensatz erweckt wird“ vom Fall B „Der Nebensatz hat Gültigkeit entgegen der Erwartung, die durch den Hauptsatz erweckt wird“ (Behaghel 1928: 788 f.; so auch die Beschreibung bei Brauße 1994 und Blühdorn/Golubewa 2007; kritisch Baschewa 1980: 21 f.).15 Der Preis einer so weiten Definition ist, dass kanonisch-konzessive Verwendungen dann mit allen Arten von adversativen Verwendungen zusammenfallen.16 In den (b)-Versionen liegt jedoch u. E. nicht wirklich eine zu den (a)-Versionen konverse Zuordnung der Rollen (B B LOCKIERTE ) B EDINGUNG und F OLGE auf die Konnekte vor, sondern eine Aufhebung der asymmetrischen Rollenzuordnung.17 Für (53) gilt:  





15 „In Konzessivsätzen […] wird die Wahrheit sowohl von p als auch von q behauptet und einer Erwartung entgegengesetzt, daß sie in dieser Kombination nicht zuträfe, sondern entweder p oder q falsch wären“ (Brauße 1994: 261). Auch die sparsame Definition bei Quirk (1954) verzichtet auf eine Festlegung bei der Zuordnung der semantischen Rollen zu syntaktischen Konnekten: „Perhaps the most satisfactory statement to use as a working guide is simply that the concessive relation may be said to exist between two parts of an utterance when one part is surprising in view of the other“ (ebd.: 6). Zum allgemeineren Konzept der markierten Kookkurrenz in den romanischen Sprachen vgl. Dufter (2003). 16 Di Meola (1997b) nimmt innerhalb der „indirekten Konzessivität“ eine feinere Subklassifizierung in „kommentarischen, evaluativen, limitativen, korrektiven und rekonstruktiven“ Typ vor, deren Abgrenzung allerdings nicht trennscharf ist. Diese Subtypen scheinen eher unterschiedliche Aspekte des einen Typs zu bezeichnen. Alle diese Verwendungen sind „evaluativ“ und „kommentierend“, insofern sie auf der epistemischen Ebene der Sprechereinstellungen angesiedelt sind. Sie sind alle „limitativ“, insofern sie ein einschränkendes Argument in Bezug auf die Schlussfolgerung einführen, die aus dem externen Konnekt gezogen werden kann. 17 Baschewa (1980: 108 f.) betrachtet solche Verwendungen ebenfalls als „symmetrisch“ und „Aufhebung der Bedingung-Bedingtes-Relation“, setzt sie aber gleich mit Lakoff’s „semantic oppositionbut“. Von „absence of presuppositions referring to causes or effects or a continuation in accordance  

928

C4 Konditional basierte Konnektoren

dass alle gespannt waren, ist normalerweise ebenso wenig eine hinreichende Bedingung für das Auftreten patriotischer oder antipatriotischer Kundgebungen, wie das Auftreten solcher Kundgebungen eine hinreichende Bedingung für einen psychischen Zustand der Gespanntheit ist. Dass konzessive Verknüpfungen auch adversativ interpretiert werden können, relativiert Königs Einschätzung (König 1988: 150), Konzessivität sei eine „interpretatorische Sackgasse“. Dafür, dass eine Verknüpfung mit einem konzessiven Subjunktor so interpretiert wird, dass die konzessivtypische konditionale Präsupposition nicht zum Tragen kommt und sich stattdessen die kompensatorische ergibt, gibt es eine Reihe von begünstigenden Faktoren, von denen meist einige korrelieren. (i) Stellung der Subjunktorphrase Für eine adversativ-kompensatorische Interpretation darf die Subjunktorphrase nicht anteponiert sein. Die Abfolge obwohl q, p ist ikonisch und das linear erste Konnekt ist durch den Konnektor für den Adressaten sofort als A NTEZEDENS einer Konzessivrelation interpretierbar, somit ist eine konditionale Präsupposition erwartbar und eine Löschung dieser Präsupposition unplausibel. Bei Postposition p, obwohl q wird hingegen p zunächst als nicht zu begründender und gültiger Sachverhalt präsentiert und seine semantische Natur als KONSEQUENS -Argument ist nicht ersichtlich, da nicht formal durch einen Konnektor markiert. Das macht es möglich, dass ein nachgetrageNT EZEDENS interpretiert wird – in diesem Fall müsste die nes obwohl q nicht mehr als A NTEZEDENS Interpretation des voraufgehenden p nachträglich zu einer K ONSEQUENS -Interpretation korrigiert werden – und obwohl q kann dann als den Sachverhalt q lediglich einschränkend, „restringierend“ nachgeschoben werden.18 (55a) (55b) (56b) (56a)

#Obwohl die meisten Kinder gern vor dem Fernseher sitzen, ist das Programm schlecht. Das Programm ist schlecht, obwohl die meisten Kinder gern vor dem Fernseher sitzen. #Obwohl das Haus hübsch liegt, ist es klein. Das Haus ist klein, obwohl es hübsch liegt.

(ii) Informationsreichtum des internen Konnekts Je mehr neue Information eine postponierte konzessive Subjunktorphrase liefert, desto leichter kann sie nicht-konzessiv interpretiert werden. Dass der Inhalt der Subjunktorphrase als nicht-präsupponiert interpretiert werden kann, ist eine notwendige Bedingung für eine adversativ-kompensatorische Interpretation. Da Anteposition der with our expectation and knowledge of the world“ beim „restrictive type“ geht auch Rudolph (1996: 421) aus. 18 Die (b)-Varianten werden mit obwohl nicht von allen Sprechern akzeptiert, sind aber besser als die (a)-Varianten mit Anteposition.

929

C4.3 Konzessive Konnektoren

bevorzugte Ort für präsupponierte Subjunktorphrasen ist, spielen hier der Stellungsfaktor und der informationsstrukturelle Faktor zusammen. (55c) (55d)

(57)

Die meisten Kinder sitzen gern vor dem Fernseher, obwohl das Programm schlecht ist. Die meisten Kinder sitzen gern vor dem Fernseher, obwohl Forscher der Universität Wien in empirischen Studien nachgewiesen haben, dass die kindliche Aufmerksamkeit bei hohem Fernsehkonsum erheblich vermindert ist. Die Zeiten, als Sportler, auch die des gegnerischen Teams, noch als verehrte, unantastbare Idole auf einem Sockel standen, sind zwar seit Ewigkeiten vorbei, doch gezielte persönliche Schmähungen und Gemeinheiten gab es vor allem bei den Hallensportarten eher selten – wiewohl gerade im Eishockey ein hämisches „Josef, deine Frau geht fremd“ zur Irritation des Torwarts oder das unvermeidliche „Sitz, du Sau“ beim Aufsuchen der Strafbank schon länger dazugehören. (die tageszeitung, 24.03.1995, S. 19)  

(iii) Integriertheit der Konstruktion Syntaktische und prosodische Desintegration der Subjunktorphrase erleichtern ebenfalls nicht-konzessive Interpretation. (58)

Die UN-Definition nennt menschlichen Einfluß als Hauptfaktor der verheerenden Entwicklung – wenn auch klimatische Faktoren verstärkend wirken. (Berliner Zeitung, 01.12.1998, S. 4) Trotz der „Blamage“, beeilte sich Beckenbauer zu erklären, könne von Verschleißerscheinungen beim Trainer keine Rede sein. Obgleich er auch zugab: „Die Mannschaft ist mir zu leblos.“ (Berliner Zeitung, 31.10.2002, S. 32) „Ich will niemanden sehen!“, sagt sie. Obgleich da zwei Nachbarn sind, die sich um sie kümmern, mal einkaufen oder für sie etwas mitkochen. (Frankfurter Rundschau, 21.12.1998, S. 15)  

(59)



(60)



(iv) V2-Stellung des internen Konnekts und nicht-propositionaler Bezug Noch stärker in Richtung selbständige Assertion des Inhalts des internen Konnekts gehen Verknüpfungen mit den Verbzweit-Varianten konzessiver Subjunktoren. Diese V2-Sätze sind nie präsupponiert und eine Rekonstruktion einer konditionalen Präsupposition ist zumindest auf der propositionalen Ebene sinnlos oder gar nicht möglich. Wie bei den meisten Verbzweitsätzen nach weil handelt es sich bei ihnen nicht um Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene; es liegt Bezug auf den Sprechakt selbst vor (s. C4.3.3). (61)

Walzer und Polka hatten bei ihnen Fahrt und durchaus den richtigen Schmäh, wobei: Es gibt wohl kaum ein mittelmäßiges Profi-Orchester irgendwo, das das nicht so hinbekommen würde. (Frankfurter Rundschau, 09.01.1997, S. 25)  

930

(62)

C4 Konditional basierte Konnektoren

→ #Wenn jedes mittelmäßige Profi-Orchester das hinbekommen kann, dann haben Walzer und Polka Fahrt und den richtigen Schmäh. → … allerdings/freilich gibt es kaum ein mittelmäßiges Profi-Orchester, das das nicht so hinbekommen würde. Sie sollen mich doch nicht so verwöhnen, mein Lieber, obwohl, offen gesagt: ich könnte Ströme von Tee und Säften trinken; gießen Sie mir gleich etwas in die Schnabeltasse. (LES/HEI Lenz, Heimatmuseum, S. 296) → … allerdings/freilich […]: ich könnte Ströme von Tee und Säften trinken.  

(v) Etymologie des Subjunktors Die konzessiven Subjunktoren der Liste sind in unterschiedlichem Maße für eine adversativ-kompensatorische Interpretation zugänglich. Die jüngeren subordinierenden Ableitungen konzessiver Adverbkonnektoren ungeachtet/unbeschadet dessen, dass und trotzDEM blockieren eine nicht-konzessive Interpretation, da bei ihnen die konditionale Präsupposition des „Wider-Erwarten“ lexikalisch transparent enkodiert ist. (Aus dem gleichen Grund sind auch die entsprechenden konzessiven Adverbkonnektoren trotzdem, nichtsdestotrotz, ungeachtet dessen, des ungeachtet usw. monosem konzessiv.) Geeignetere Kandidaten für die adversative Lesart sind Subjunktoren, die ihrer Herkunft nach Affirmativitätsmarker sind und wörtlich Kookkurrenz und Vergleichbarkeit der verknüpften Sachverhalte zum Ausdruck bringen: wenngleich, wenn (…) auch, wiewohl, obgleich und obzwar. Der seltene Subjunktor wennzwar zeigt – wie der Adverbkonnektor zwar – überwiegend adversativ-kompensatorische Verwendungen. (63)

Er singt tapfer, wennzwar kaum mühelos. (Züricher Tagesanzeiger, 20.01. 1998, S. 65) Denn neben den USA haben augenblicklich (im Herbst 2007) noch weitere 24 Staaten eine Dollarwährung, wennzwar der Kurs derzeit in jedem Fall unter dem des USD liegt. (http://www2.uni-siegen.de/~merk/downloads/ markttransparenz_b2c.pdf)  

(64)



Der transparente Bezug zur Affirmativität ist typisch für die Konnektoren des adversativ-kompensatorischen Typs allerdings, dafür, freilich, zwar (…) + adversativer Adverbkonnektor (s. C2.3.6). Obwohl ist seiner Etymologie nach zwar vom gleichen Typ, hat sich aber als der prototypische konzessive Subjunktor durchgesetzt und dürfte deshalb weniger gut für adversativ-kompensatorische Verknüpfungen zur Verfügung stehen. Das gilt vermutlich auch für obschon, das im Schweizer Hochdeutsch Funktion und Stellenwert von obwohl hat. Bei diesen Formen ist auch die affirmative, einräumende Funktion von wohl und schon nicht mehr ganz transparent. Im folgenden Beispiel, im Original eine parataktische Verknüpfung mit dem Adverbkonnektor allerdings (177 in C2.3.6), ist die adversativ-kompensatorische Interpretation mit wenn-

C4.3 Konzessive Konnektoren

931

gleich, wenn (…) auch und wiewohl überzeugender als mit obwohl. Anders als wenngleich oder wiewohl kann obwohl auch schlecht kompensatorische Verknüpfungen von eingebetteten Prädikaten herstellen. (65a)

(65b)

(66a)

Das festliche Concerto Grosso von Arcangelo Corelli, auch „Weihnachtskonzert“ genannt, gab dem Orchester die Möglichkeit, in kantablen, melancholischen Passagen weiche Klangfülle zu zeigen, obwohl die Streicher in den schnelleren, virtuosen Sätzen Probleme mit der Intonation hatten. Das festliche Concerto Grosso von Arcangelo Corelli, auch „Weihnachtskonzert“ genannt, gab dem Orchester die Möglichkeit, in kantablen, melancholischen Passagen weiche Klangfülle zu zeigen, wenngleich/wiewohl/wenn auch die Streicher in den schnelleren, virtuosen Sätzen Probleme mit der Intonation hatten. Dass die Sinnlichkeit fließende – wiewohl groteske – Übergänge kennt vom Nachtmahl zum Beilager, hat der Regisseur Ustinov in der […] Farce „Hammersmith is Out“ ins Bild gesetzt. (Berliner Zeitung, 14.04.2001, S. 3) ?Dass die Sinnlichkeit fließende – obwohl groteske – Übergänge kennt […].  

(66b) (vi)

infinite interne Konnekte in der Funktion von Eigenschaftszuschreibungen Nicht-finite Konnekte, die Eigenschaften bezeichnen, fördern adversativ-kompensatorische Interpretationen. Das ist zum einen der Fall bei Subjekt-Kopula-Ellipsen im internen Konnekt, zum anderen bei der Verknüpfung von eingebetteten adjektivischen bzw. partizipialen Propositionen wie in (68–70). (67)

Die Chemie-Industrie selbst ist – wiewohl [insgesamt stark exportorientiert] – unterschiedlich betroffen. (die tageszeitung, 06.11.1987, S. 8) Karl Marx und Friedrich Engels, [aus dem gleichen Material], wenngleich [nicht so monumental geformt], dürfen bis auf weiteres auf ihrem angestammten Forum gegenüber dem Palast der Republik verweilen. (die tageszeitung, 16.02.1993, S. 17) Seit Donnerstag abend gibt es eine [erste], wenn auch [nur vage] Beschreibung eines Mitgliedes der gefürchteten Dämmerungsbande. (Neue Kronen Zeitung, 04.12.1999, S. 19) Pünktlich und bauernregelmäßig meldete sich nämlich die [traditionelle], gleichwohl [seltene] „Schafskälte“ inklusive Tiefdruckwirbel „Claudia“. (die tageszeitung, 11.06.1990, S. 21)  

(68)



(69)



(70)



Die infiniten internen Konnekte zeigen eine Oberflächenstruktur, in der der Subjunktor durch den Adverbkonnektor allerdings ohne Angleichung der syntaktischen Struktur ersetzbar ist. In (70) ist nicht entscheidbar, ob gleichwohl, das zu den heterosemen Konnektoren gehört), hier als Subjunktor oder als Adverbkonnektor klassifiziert wer-

932

C4 Konditional basierte Konnektoren

den muss. Dergestalt syntaktisch ambige Strukturen bieten ein Einfallstor für syntaktisch-restrukturierende Interpretationen, sie sind die „Shift“-Kontexte (Heine 2002) der Grammatikalisierung. Da die adversativ-restriktive Interpretation, die im Grenzbereich zwischen einer semantisch-symmetrischen und einer semantisch-asymmetrischen Relation angesiedelt ist, vorwiegend parataktisch mit Adverbkonnektoren wie aber, allerdings, freilich, oder dafür kodiert wird, ist die Affinität solcher „tiefenstrukturell“ eigentlich subordinativer Konstruktionen zu einer adversativ-restriktiven Lesart verständlich. Hinzu kommt, dass es sich semantisch um Eigenschaftszuschreibungen handelt. Für diese ist ein vergleichsartiges kompensatorisches Verhältnis bezogen auf ein Drittes (eine in Bezug darauf positive Eigenschaft bei gleichzeitigem Vorliegen einer in Bezug darauf negativen Eigenschaft) konzeptuell naheliegender als ein Bedingung-Folge-Verhältnis (ein Sosein in Folge eines anderen Soseins). Interessant ist nun, dass sich in den Gebrauchsmustern und Gebrauchsfrequenzen der einzelnen konzessiven Subjunktoren Korrelationen zwischen der Linearisierung der Konnekte und ihrer Tendenz zu einer konzessiven bzw. nicht-konzessiven Lesart zeigen. Eine Auszählung von 100 zufallsgenerierten Belegen aus dem DeReKo (überwiegend Zeitungssprache) ergab die in der nachstehenden Tabelle angegebene Verteilung. Die geringe Zahl anteponierter interner Konnekte bei wenngleich, wiewohl und wenn auch (nur juxtaponierte Formen berücksichtigt) bei gleichzeitig hoher Zahl von infiniten Konnekten im Vergleich zur Distribution von obwohl ist auffällig.19

wenn auch

024

009

006

postponiertes oder eingeschobenes finites internes Konnekt

061

062

047

030

070

071

008

postponiertes oder eingeschobenes infinites internes Konnekt

000

004

013

031

006

020

086

Summe

100

100

100

100

100

100

100

  

  

  

  

  

  

039

wiewohl

040

obzwar

034

obschon

039

obgleich

anteponiertes internes Konnekt

obwohl

wenngleich

Tab. C4.3-2: Distributionsmuster bei konzessiven Subjunktoren

Auf der Basis dieses Befunds erklärt sich nun auch das in C4.3.1.1 gezeigte kategoriale „Pendeln“ eines Teils der konzessiven Konnektoren zwischen einer Subjunktorver-

19 Métrich (1980) gibt für sein Korpus an, dass die Hälfte aller wenn auch-Belege elliptisch ist.

C4.3 Konzessive Konnektoren

933

wendung und einer Verwendung als Adverbkonnektor. Zwar sind für die Heterosemie der pronominaladverbialen Formen weniger semantische Gründe anzuführen, sondern allgemeinere diachrone Tendenzen, die auch andere Konnektoren dieses Bildungstyps ergreifen; bei diesen Formen bleibt auch die konzessive Bedeutung unabhängig von der syntaktischen Klassenzugehörigkeit erhalten. Dafür aber sind es die Übertritte der genuin subordinierenden Konnektoren zur parataktischen, adverbkonnektortypischen Verknüpfung, an denen sich syntaktisch und letztlich auch in der Wortartzugehörigkeit der semantische Übertritt von einer konzessiven und damit implikativen, asymmetrischen Relation zu einer adversativen und damit nicht-implikativen, weitgehend symmetrischen Relation isomorph niederschlägt.

4.3.4 Konzessivität und Verknüpfungsebenen Dass eine konzessive Relation auf verschiedenen Ebenen wirken kann und dabei Form und Interpretation auf eine spezifische Weise zusammenwirken, wird in der Linguistik etwa seit Anfang der 90er-Jahre diskutiert (Sweetser 1990, Crevels 2000, Breindl 2004c, Latos 2006, Blühdorn/Golubeva 2007, Antomo/Steinbach 2013; kritisch Lang 2000) und hat sich mittlerweile in Grammatiken und Handbüchern etabliert (GDS: 2314, Duden-Grammatik 2005: 1106, Fabricius-Hansen 2007). Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass die bei kausalen und konditionalen Verknüpfungen gut dokumentierten Form-Inhalt-Korrelationen sich analog bei den konzessiven Verknüpfungen finden, besonders augenfällig in der Existenz von Verbzweit-Varianten zu den konzessiven Subjunktoren obwohl und wobei.

4.3.4.1 Konzessive Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene Eine konzessive Verknüpfung auf der propositionalen Ebene wird so interpretiert: Der im K ONSEQUENS -Argument bezeichnete Sachverhalt steht im Kontrast zu einem Sachverhalt, der sich normalerweise als Folge des im A NTEZEDENS -Argument bezeichneten Ereignisses einstellt. Das Laborbeispiel dafür lässt sich in Analogie zu dem in HDK-1 verwendeten Beispiel für Kausalverknüpfungen bilden. (71a-sv) Obwohl [es nachts nicht gefroren hat,]A N T E Z E D E N S [sind die Dahlien ganz schwarz geworden.]K O N S E Q U E N S . (72a-sv) [Es hat nachts nicht gefroren.]A N T E Z E D E N S Dennoch [sind die Dahlien ganz schwarz. geworden.]K O N S E Q U E N S . Bei konzessiven Verknüpfungen von Ereignisausdrücken auf der propositionalen Ebene gilt wie für alle konditional basierten Verknüpfungen von temporal situierten NTEZEDENS EZEDENS Ereignissen, dass sie einer Abfolge gehorchen müssen, bei der das A NT

934

C4 Konditional basierte Konnektoren

Argument zeitlich nicht dem K ONSEQUENS -Argument nachfolgen darf; Verknüpfungen mit davon abweichender Zeitenfolge sind auf der propositionalen Ebene, d. h. als Ereignisverknüpfungen, nicht interpretierbar. Die Beispiele (73) und (74) können nur auf einer epistemischen Ebene gedeutet werden.  

(73)

In den Tagen darauf quartierte sich der in Northeim geborene Mann gleich in fünf Bad Homburger Hotels ein, wenngleich er sich jeweils kurz nach Unterschreiben der Anmeldung wieder davon machte. (Frankfurter Rundschau, 24.03.1998, S. 1) Und Nowottny hat längst klein beigegeben, obwohl der Sturm privater Programmausweitung erst noch hereinbrechen wird. (die tageszeitung, 22.09. 1989, S. 20)  

(74)



In den obigen Beispielen ist im Übrigen auch die für propositionale Verknüpfungen häufige, aber für epistemische Verknüpfungen (s. unten) weitgehend ausgeschlossene Anteposition der Subjunktorphrase nicht möglich. Für fast alle Subjunktoren und Adverbkonnektoren aus der Liste der konzessiven Konnektoren sind im DeReKo propositionale Verknüpfungen belegt. (75)

Obwohl der Oktober noch nicht einmal vorüber war, standen die Äste bereits fast kahl. (DIV/RMR Müller, Ritter, S. 518) Obschon Maler und Fotograf die Situation vom gleichen Standort darstellen, stehen die Häuser unterschiedlich da. (St. Galler Tagblatt, 17.07.1999, o. S.) Schon dies ein Kuriosum, gehörte doch das Grundstück, obgleich jenseits der Mauer gelegen, noch zur DDR. (Berliner Zeitung, 23.11.2005, S. 23) Es ist mal wieder, obzwar fast Sommer, lausig kalt in Hamburg und der Himmel asphaltfarben. (Die Zeit, 28.06.1996, S. 30) Wiewohl Autos bekanntlich nicht spielen, höchstens mit dem Leben von Kindern, stehen ihnen zum Beispiel in Schöneberg 530.000 Quadratmeter Fläche zum Dummrumstehen zur Verfügung. (die tageszeitung, 30.09.1995, S. 36) Wenngleich der Kanal nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie vor 1967, so stellt er noch immer die kürzeste und je nach Schiffstonnage billigste Verbindung zwischen Europa und Asien her. (Die Presse, 17.11.1994, o. S.) Wenn auch die Mitarbeiterinnen im Moment alle Hände voll zu tun haben, stehen im Herbst bereits wieder Veranstaltungen auf dem Programm. (St. Galler Tagblatt, 31.05.1999, o. S.) Wenn auch die Aussagen der bisher ausgewerteten Akten „bruchstückhaft“ seien, sei schon jetzt eine „sehr genaue Opfer-Täter-Unterscheidung möglich“. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.) Die Revolutionen von 1830, 1848 und 1918 finden in Fulda kein Echo mehr, im Gegenteil: trotzdem man Anschluß an die Industrialisierung gefunden hatte,  

(76)



(77)



(78)



(79)



(80)



(81)



(82)



(83)

935

C4.3 Konzessive Konnektoren

scharte man sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer enger um dem reaktionärer werdenden Klerus der Stadt. (die tageszeitung, 04.09.1993, S. 13–15) Ende 2003 zerbrach die Beziehung, dennoch lebten beide weiter in der gemeinsamen Wohnung. (Berliner Zeitung, 31.08.2005, S. 8) Aktiengesellschaften schieben ihre Gewinne an der Steuer vorbei in Rückstellungsfonds. Nichtsdestotrotz machen sie damit gigantische Zinsgewinne. (die tageszeitung, 27.02.1987, S. 8)  

(84)



(85)



4.3.4.2 Konzessive Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene Den Kernbereich epistemischer Verknüpfungen bilden bei konditionalen und kausalen Verknüpfungen reduktive Schlüsse, bei denen der im A NT NTEZEDENS EZEDENS ausgedrückte Sachverhalt ein Indiz liefert für eine Schlussfolgerung des Sprechers, die als Annahme im K ONSEQUENS -Argument ausgedrückt wird. (71)

Es hat nachts gefroren, weil die Dahlien ganz schwarz sind.

Die konzessiven Pendants zu solchen reduktiven Schlüssen sind Strukturen wie die folgenden. Im Vergleich zu den Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene sind hier die semantischen Argumente A NTEZEDENS NT EZEDENS und K ONSEQUENS den syntaktischen Konnekten überkreuz (konvers) zugeordnet. (71a-eps) [Es hat nachts nicht gefroren.]K O N S E Q U E N S Obwohl [die Dahlien heute ganz schwarz sind.]A N T E Z E D E N S (71b-eps) [Es hat nachts nicht gefroren.]K O N S E Q U E N S Obwohl, [die Dahlien sind heute ganz schwarz.]A N T E Z E D E N S (71c-eps) Obwohl [die Dahlien heute ganz schwarz sind,]A N T E Z E D E N S [hat es nachts nicht gefroren.]K O N S E Q U E N S Eine typische konzessive Verknüpfung auf der epistemischen Ebene ist eine Zurückweisung eines unterstellten reduktiven Schlusses und wird so interpretiert: Das K ONSEQUENS - Argument bezeichnet – anders als bei den entsprechenden Kausalverknüpfungen – nicht zwingend eine Annahme des Sprechers, sondern meist eine Tatsache. Aus dieser lässt sich dann eine Annahme schlussfolgern, die im Widerspruch steht zum Inhalt des A NTEZEDENS bzw. einer aus diesem ableitbaren Annahme. Es liegt eine Relation zwischen konfligierenden Schlussfolgerungen vor. Die konditionale Präsupposition wirkt hier also nicht auf der propositionalen Ebene. Das A NTEZEDENS fungiert bei epistemischen Verknüpfungen als Basis der Evidenz, als Indiz dafür, dass eine bestimmte Annahme des Sprechers begründet (bei kausalen und konditionalen epistemischen Verknüpfungen) – oder eben wie bei konzessiven epistemischen Verknüpfungen im Widerspruch dazu steht („Symptomperspektive“, Duden-Grammatik 2005:

936

C4 Konditional basierte Konnektoren

1106).20 Da mindestens eines der Relata epistemischer Verknüpfungen kein zeitlich situiertes Ereignis ist, ist hier die Beschränkung der zeitlichen Abfolge aufgehoben. Das K ONSEQUENS kann allerdings auch eine Sprecherannahme enthalten. In diesem Fall ist aber eine Begründung dieser Annahme, für die ja mit dem Inhalt des NTEZEDENS EZEDENS eine widersprüchliche Evidenz vorliegt, kommunikativ erwünscht, – und A NT die erfolgt durch Angabe einer konkurrierenden Evidenz in der Form einer epistemischen Kausalverknüpfung. (71d-eps) Obwohl die Dahlien ganz schwarz sind, kann es heute Nacht nicht gefroren haben, denn die Kapuzinerkresse ist noch ganz unversehrt. Die in C4.3.3 beschriebenen Beispiele mit adversativ-kompensatorischer Lesart ohne konditionale Präsupposition auf der propositionalen Ebene sind durchweg epistemische Verknüpfungen: Bei diesen werden Bewertungen und Urteile des Sprechers in eine vergleichende Relation gebracht. Die dort genannten Faktoren gelten, mit Ausnahme des Antepositionsverbots, generell für epistemische konzessive Verknüpfungen. Aber auch die obigen Beispiele wirken bei Postposition der Subjunktorphrase und geringerer syntaktischer und prosodischer Integration sowie mit der Verbzweitvariante (wie in 71a und 71b) immer etwas akzeptabler als hochintegrierte Versionen mit Einbettung der Subjunktorphrase (wie in 71c), was im Übrigen auch für kausale epistemische Verknüpfungen kennzeichnend ist. Auch Ersetzung von obwohl durch obgleich, wenngleich oder wenn auch erhöht die Akzeptabilität epistemischer Verknüpfungen. Eine einheitliche Sprecherperspektive ist bei einer epistemischen Verknüpfung nicht notwendig. Indikatoren für das Vorliegen einer epistemischen Verknüpfung sind ferner Signale in einem der Konnekte oder in beiden, die kennzeichnen, dass es sich um Annahmen, Bewertungen und Einschätzungen des Sprechers handelt wie Vorkommen der 1. Person, epistemische Satzadverbien, evaluative Prädikate oder Konjunktive. Für die meisten Subjunktoren sind epistemische Verwendungen im DeReKo belegt. Für obwohl mit Verbletztsatz sind sie seltener, für die aus Präpositionen abgeleiteten Subjunktoren ungeachtet dessen, dass und trotzDEM sind sie kaum belegt. (86)

Ich dachte , sie mache einen Ausflug, obwohl es eine merkwürdige Zeit für Ausflüge war. Aber den Schulen war damals alles zuzutrauen. (MK1/LBC Böll, Ansichten, S. 28)  



20 Latos (2006), die Konzessivität im Polnischen und Italienischen im Rahmen der Dik’schen funktionalen Grammatik untersucht, bezeichnet das ANTEZEDENS einer epistemischen Konzessivrelation als „denied motive for thinking“ (Bsp.: Although he drives, he doesn’t have a driving licence) vs. propositionales „denied phenomenal cause“ und illokutivem „denied motive for speaking“ (Bsp. Although you are tired, could you help me move this cupboard?).

C4.3 Konzessive Konnektoren

(87)

937

Und so zeigen unsere Volksvertreter, dass wenigstens sie sich noch einen guten Zahnarzt leisten können, und präsentieren gerne ihre Beißerchen, die vielleicht oft weißer sind wie ihr Gewissen. Das Lächeln als verbindendes Element unserer Demokratie, wie schön . Obwohl es da schon gewisse regionale Unterschiede gibt: Auf Ludwigshafens Plakaten strahlen die Kandidaten sehr viel freimütiger als in Mannheim. (Mannheimer Morgen, 03.03.2006, o. S.) Der trauernde Kollege schien keine Not zu leiden, obschon die Fülle seines Leibes nur die Camouflage seiner Melancholien sein mochte. (Die Zeit, 05.11. 1998, S. 9) Österreichs Bundeskanzler Vranitzky ist auch Politiker, obschon: Körperhaltung und Diktion lassen ja mitunter vermuten, daß er das ungern ist. (Die Presse, 12.01.1996, S. 1) Es [=das Modell] beruhe ebenso wie das für britische und amerikanische Titel geltende auf der Dynamik des Marktes, obgleich das Modell in allen drei Fällen eine ungünstige Bewertung feststelle. (Frankfurter Allgemeine, 13.01. 2005, o. S.) Schon als junger Bursch’ wußte er, daß er künftig nur von und mit der Musik leben will, obgleich sich der bald 40jährige als Ehemann und zweifacher Vater auch noch andere Welten eröffnet hat. (Oberösterreichische Nachrichten, 13.02.1997, o. S.) Obzwar einige wenige von „Gutsherrenart“ munkeln, hat Runde in erster Linie Führungsstärke demonstriert und sein politisches Gewicht gestärkt. (tageszeitung, 04.04.2000, S. 21) Lange hat Wong Kar-Wei an einer Fortsetzung des Liebesdramas gearbeitet, wiewohl er sie vielleicht besser nicht hätte planen sollen. (Berliner Zeitung, 22.05.2004, S. 34) Bei der Diskussion konnte auch das Publikum seine Vorstellungen, Wünsche und Kritik zum Projekt einbringen – wenngleich letztere überwog. (Kleine Zeitung, 13.04.2000, o. S.) Für die gesamte Innere strebt der Chefarzt eine bessere Auslastung der Stationen an, wenngleich auch die Zahl der ambulanten Behandlungen künftig weiter steigen werde. (Mannheimer Morgen, 02.02.2002, o. S.) Auch der Kontakt der Menschen über die Grenzen hinweg funktioniert einigermaßen – wenn er auch viel intensiver sein könnte. (Die Presse, 29.02.1996, o. S.)  



(88)



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(93)



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Eher fraglich ist, ob auch die konzessiven Adverbkonnektoren dennoch und trotzdem in epistemischen Verknüpfungen auftreten können. Das zu den epistemischen Verknüpfungen analoge Laborbeispiel ist jedenfalls nicht zweifelsfrei akzeptabel.

938

C4 Konditional basierte Konnektoren

(72d-eps) ?[Die Dahlien sind heute ganz schwarz.]A N T E Z E D E N S Trotzdem [hat es nachts nicht gefroren.]K O N S E Q U E N S (72d-eps) ?[Die Dahlien sind heute ganz schwarz.]A N T E Z E D E N S Trotzdem, [es hat nachts nicht gefroren.]K O N S E Q U E N S

4.3.4.3 Konzessive Verknüpfungen auf der Sprechaktebene Eine konzessive Verknüpfung auf der Sprechaktebene wird so interpretiert: Der mit dem A NT NTEZEDENS EZEDENS geäußerte Sachverhalt konfligiert mit der Hervorbringung des mit dem KONSEQUENS geäußerten Sprechakts. Der Sprecher korrigiert auf diese Weise nachträglich eine – in aller Regel seine eigene – Äußerung in ihrer Gültigkeit oder relativiert sie zumindest. Das kann sich auch auf Aspekte der Form der Äußerung beziehen. Ersetzung durch das einschränkende allerdings ist auch bei Bezug auf den Sprechakt möglich. (71a-spa) [Du solltest die Geranien reinholen/Hol mal lieber die Geranien rein.]K O N S E Q E N S Wobei, [der Wetterbericht hat eigentlich gar keinen Frost angekündigt.]A N T E Z E D E N S (71b-spa) [Es hat heute Nacht keinen Frost gegeben.]K O N S E Q E N S Obwohl, [die Dahlien sind ganz schwarz.]A N T E Z E D E N S (71c-spa) [Die Dahlien sind ganz schwarz.] K O N S E Q E N S Obwohl/Wobei [Es hat heute Nacht gar nicht gefroren.]A N T E Z E D E N S (71d) A: Sei so gut und hol’ heute Abend die Geranien rein. – B: Obwohl der Wetterbericht eine frostfreie Nacht angekündigt hat? Eine sprechaktbezogene Interpretation einer konzessiven Verknüpfung stellt sich am ehesten bei den V2-Varianten der Subjunktoren obwohl und wobei ein, aber auch andere Subjunktoren (vor allem wenn auch und auch wenn) treten mit Sprechaktbezug auf. Eine Interpretation auf der Sprechaktebene wird ferner durch Satzmodusverschiedenheit der Konnekte gefördert. Im K ONSEQUENS konzessiver Sprechaktverknüpfungen können auch Deklarativsätze auftreten. In diesem Fall ist, bei den Verbletztvarianten der konzessiven Subjunktoren, meist auch eine Interpretation auf der epistemischen Ebene möglich. [Es hat heute Nacht keinen Frost gegeben.]K O N S E Q E N S Obwohl [die Dahlien ganz schwarz sind.]A N T E Z E D E N S (71d-eps) Die Tatsache [die Dahlien sind ganz schwarz]K O N S E Q E N S steht im Widerspruch zu einer Schlussfolgerung aus der Tatsache [Es hat heute Nacht keinen Frost gegeben.]A N T E Z E D E N S (71d-spa) Die Tatsache [die Dahlien sind ganz schwarz]K O N S E Q E N S steht im Widerspruch zu der Äußerung der Behauptung [Es hat heute Nacht keinen Frost gegeben.]A N T E Z E D E N S (71d)

C4.3 Konzessive Konnektoren

939

Belege für Sprechaktverknüpfungen sind im DeReKo vor allem als Kommentare von Formulierungen oder Teilen der mit dem externen Konnekt gemachten Äußerung belegt. (97)

Ganz früh hat er, in Felle gehüllt, im Wald gehockt und im Schein des Feuers, dessen Kraft ihm gerade bewußt geworden war, sein Wildbret verzehrt. Wobei, verzehrt ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Er hat gemampft, gefressen und ausgespuckt, und mit den übriggebliebenen Knochen hat er auf Bäume gezielt. (Süddeutsche Zeitung, 02.11.1998, S. 1) Ob man auch mit dem Fiaker vorfahren müsse, will ein kecker Reporter wissen. „Nicht unbedingt,“ erwidert Eichtinger, unerschütterlich heiter: „Obwohl: es hilft. Parkplatznöte hat man dann nicht.“ (Oberösterreichische Nachrichten, 23.11.1996, o. S.) Spaß muß sein – obwohl Rapid derzeit nichts zu lachen hat. (Oberösterreichische Nachrichten, 06.10.1997, o. S.) Diese Art von Besonnenheit ist es, die Demokratien vor anderen Staatsformen auszeichnet. Auch wenn das wieder ziemlich pathetisch klingen mag. (Berliner Zeitung, 19.10.2001, S. 19) Auch wenn das jetzt blöd klingt. Du hättest von vornherein mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Nämlich, daß die Bearbeitung sehr lange dauern kann. (http://forum.chip.de/smalltalk/bafoeg-geht-so-einfach-4123 10.html) „Ich war immer mit den Füßen ziemlich auf dem Boden.“ Wiewohl, findet er, sich das Grundklima der Republik „ein Stück verändert“ habe. (die tageszeitung, 30.12.2006, S. I–V) Es ist im Moment vielleicht nicht ganz taktvoll, daß ich Papas Person in unser Gespräch und in unsere Gedanken bringe. Und doch – Anna, euer Vater war ein vorzüglicher Offizier und ist auf dem Felde gefallen, aber ein Junker Leichtfuß war er und ein Mann der Seitensprünge bis ganz zuletzt […]. (THM/ ERZ, S. 928)  

(98)



(99)



(100)



(101)

(102)

(103)



Die V2-Varianten der konzessiven Subjunktoren wurden vor allem von Günthner (1999, 2000, 2005) als „Entwicklungen zum Diskursmarker“ beschrieben, die typisch für die gesprochene Sprache seien. Man kann solche Verknüpfungen jedoch durchaus auch mit Hilfe des Konzessivitätsschemas beschreiben, vorausgesetzt man rekonstruiert die konditionale Präsupposition auf der Sprechaktebene: (71e)

Hol mal lieber die Geranien rein. Obwohl/Wobei, der Wetterbericht hat eigentlich gar keinen Frost angekündigt. → ASS: Der Sprecher fordert auf [Hol mal lieber die Geranien rein], obwohl der Sprecher zugibt [Es ist kein Frost angekündigt].

940

C4 Konditional basierte Konnektoren

→ PSP: Wenn ein Sprecher zugibt, dass eine Situation nicht eintreten wird, wird er normalerweise nicht zu einer Handlung auffordern, die vom Gegenteil ausgeht. Insbesondere die V2-Varianten erwecken mitunter den Eindruck, als würde der Sprecher seinen eigenen vorangegangenen Sprechakt wieder zurücknehmen: in (71e) etwa entkräftet der Inhalt der obwohl-Phrase die Berechtigung der Aufforderung. Pittner (1999) betrachtet Verbzweitstellung nach konzessiven Konnektoren als weder hinreichend noch notwendig für Sprechaktbezug, wie umgekehrt auch Verbletztstellung und propositionaler Bezug nicht durchgehend korrelieren. In der (obligatorischen) Postposition sind solche Verbzweitsätze jedoch nie auf der propositionalen Ebene interpretierbar und repräsentieren immer den adversativ-kompensatorischen Typ.

4.3.4.4 Zum Zusammenhang zwischen Form, Ebenenbezug und Relation In einer breiten typologischen Studie zu konzessiven Konnektoren unterscheidet Crevels (2000) neben den drei Sweetser-Ebenen eine vierte textuelle, die durch Beispiele wie die hier als Sprechaktverknüpfungen klassifizierten repräsentiert werden und deren Funktion als „afterthought“ beschrieben wird. Sprachen, die wie das Deutsche oder Niederländische Hauptsatz und Nebensatz über die Verbstellung unterscheiden, zeigen hier eher hauptsatztypische Kodierung. Nach Crevels stehen die vier Verknüpfungsebenen in einer Komplexitätshierarchie, die mit zwei Merkmalsausprägungen korreliert ist. Erstens mit einer Skala der Integriertheit bei der Markierung: Je komplexer eine Relation, desto höher die Wahrscheinlichkeit parataktischer und/oder asyndetischer Kodierung der Verknüpfung. Zweitens mit einer Kodierungsstrategie: mit steigender Komplexität steigt die Wahrscheinlichkeit einer Markierung am K ONSEQUENS -Konnekt statt am A NTEZEDENS - Konnekt, wobei die K ONSEQUENS -Markierung eher parataktisch oder korrelativ mit Doppelmarkierung erfolgt. Das lässt sich nun auch dahingehend deuten, dass tatsächlich ein Umkippen zur Adversativitätsrelation stattfindet und die adversativitätstypische Kodierungsform der K ONSEQUENS Markierung nicht mit genuin konzessiven, sondern eben mit adversativen Konnektoren stattfindet. Dafür sprechen auch die Daten im Anhang von Crevels Studie (ebd. 333 ff.): Bei den meisten untersuchten Sprachen findet ein Umschlag bei der Kodierung gerade zwischen Sprechaktebene und Textebene statt und auf der Textebene kommen häufig neue Konnektoren ins Spiel, die keine der anderen Ebenen kodieren können. Insgesamt zeigt sich in der Kodierung und in den Distributionspräferenzen der einzelnen konzessiven Konnektoren für die Verknüpfungsebenen ein Bild, das dem kausaler Konnektoren (vgl. Volodina 2007, 2011a) sehr ähnlich sieht. Folgende Tendenzen lassen sich feststellen:  

C4.3 Konzessive Konnektoren

(i) (ii)

(iii) (iv) (v)

(vi)

941

Der Bezug auf die epistemische Ebene und die Sprechaktebene wird tendenziell formal anders kodiert als der Bezug auf die propositionale Ebene. Der Bezug auf die epistemische Ebene und die Sprechaktebene geht im Vergleich zum Bezug auf die propositionale Ebene tendenziell mit geringerer Integration (keine Einbettung, prosodische und syntaktische Desintegration bei Anteposition, Überwiegen von Postposition, V2-Varianten) einher: die Kodierung erfolgt eher parataktisch als hypotaktisch-einbettend. NTEZEDENS EZEDENS -Argument ist bei Bezug auf die epistemische und die SprechDas A NT aktebene nicht präsupponiert und enthält fokale, neue Information. Zwischen der Kodierung der epistemischen Ebene und der der Sprechaktebene lassen sich keine klaren Unterschiede feststellen. Bei epistemischen Verknüpfungen und Sprechaktverknüpfungen mit einem Konnektor im linear zweiten Konnekt kann die Relation als adversativ-kompensatorisch interpretiert werden und die konditionale Präsupposition ist – als Implikation auf der propositionalen Ebene – nicht wirksam. Eine asymNT EZEDENS und K ONSEQUENS ist dann nicht metrische Rollenzuordnung als A NTEZEDENS mehr sinnvoll. Die einzelnen konzessiven Konnektoren zeigen deutliche Präferenzen bezüglich der Ebenen, können aber meist auch „gegen ihre Natur“ in Kontexten, die eine Interpretation auf der anderen Ebene erzwingen, verwendet werden. Eine Tendenz zu epistemischen Verknüpfungen zeigen die Subjunktoren auch wenn, wenngleich, wenn (…) auch, wiewohl, obgleich, obzwar und wennzwar, deren Herkunft aus Affirmativitätsmarkern noch weitgehend transparent ist.

4.3.5 Mit ob-, wenn- und wie- zusammengesetzte konzessive Konnektoren Die mit ob-, wenn- und wie zusammengesetzten konzessiven Subjunktoren sind weitgehend einheitlich nach dem Muster Subjunktor + affirmative Partikel gebildet, die Affirmativitätskomponente kommt aber in unterschiedlichem Ausmaß zur Geltung. Bei Sachverhaltsverknüpfung sind sie A NTEZEDENS -markierend, bei Bezug auf die epistemische Ebene und die Sprechaktebene kann es zur Löschung der konditionalen Präsupposition kommen und die Argumente des Konnektors fungieren dann nicht mehr als A NTEZEDENS und K ONSEQUENS füreinander, sondern kontrastieren als Pround Kontra-Argument in Bezug auf ein Drittes. Prinzipiell können die mit diesen Subjunktoren gebildeten Subjunktorphrasen in allen Positionen (anteponiert, eingeschoben, postponiert) und in Desintegrationskonstruktionen auftreten, dabei zeigen sich allerdings wie oben erwähnt unterschiedliche Präferenzen. Alle konzessiven Subjunktoren zeigen in Korpora ein Überwiegen der Postposition, das aber bei keinem Subjunktor so stark ausgeprägt ist wie beim kausalen

942

C4 Konditional basierte Konnektoren

weil, das in 90 von 100 Belegen einer Stichprobe aus dem DeReKo postponierte Subjunktorphrase zeigt. Die Postpositionstendenz der Konzessiven ist aber wiederum deutlich stärker als die von konditionalem wenn, das in etwas über der Hälfte der Fälle einer 100er-Stichprobe anteponiert ist (vgl. auch die Daten zur gesprochenen Sprache in Volodina 2007, 2011a). Nach der Tabelle C4.3-2 ist das Verhältnis Anteposition: Postposition bei obwohl, obgleich, obschon, obzwar grob geschätzt 40:60, mit steigendem Anteil infiniter interner Konnekte; bei wiewohl, wenngleich, wenn auch 5:95 bis 15:85, mit sehr viel höherem Anteil infiniter interner Konnekte. Inwieweit diese Verteilung mit einer im Gegenwartsdeutschen geringeren Transparenz des Einräumungs- und Vergleichsmusters bei den ob-Bildungen im Vergleich zu den anderen Subjunktoren zu tun hat, sei dahingestellt; immerhin kennt ob im Unterschied zu wenn und wie heute keine Subjunktorverwendung mit selbständiger Bedeutung, sondern wird nur als Komplementierer verwendet. In der Literatur zur Konzessivität wird mitunter eine Kerngruppe von „echten Konzessiven“, zu der immer obwohl gehört, von „konzessivähnlichen“ oder „konzessiv getönten“ unterschieden (Baschewa-Monowa 1991; Pasch 1992, 1994), zu denen in der Regel eher die mit wenn zusammengesetzten Konnektoren gerechnet werden. Diese „konzessiv getönten“ decken meist den oben beschriebenen Bereich der epistemischen Verknüpfungen und der adversativ-kompensatorischen Lesarten ab, hinzu kommen die irrelevanzkonditionalen Konnektoren. Wie oben gezeigt, liegen hier aber keine distinkten Subklassen mit diskretem Konnektoreninventar vor, sondern mehr oder minder ausgeprägte Gebrauchspräferenzen der konzessiven Subjunktoren.

4.3.5.1 Mit ob- zusammengesetzte Subjunktoren: obwohl, obschon, obgleich, obzwar Alle Subjunktoren der ob-Gruppe kommen sowohl anteponiert wie postponiert, eingebettet und desintegriert, mit Verbletzt- und mit Verbzweitstellung im internen Konnekt vor. Bei obwohl sind Desintegrationskonstruktionen selten. Eine Stellung der Subjunktorphrase an der Nullstelle mit Sprechaktbezug wie im folgenden Beleg ist aber wohl nicht ganz ausgeschlossen. (104)

Obwohl das jetzt hart klingt: Vielleicht muss sie im Leben einfach mal richtig „auf die Schnauze fallen“, und ihre Lehren daraus ziehen. (http://www. gamestar.de/community/gspinboard/archive/index.php/t-11637.html)

Desintegration bei Postposition kommt vor, dient dann aber eher dazu, das ANTEZEDENS als besonders gewichtigen Hinderungsgrund hervorzuheben; hier handelt es sich um Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene.

C4.3 Konzessive Konnektoren

(105)

943

In der Gesamtwertung belegte der Taiskirchner den ausgezeichneten zwölften Rang und das, obwohl er zwei Veranstaltungen auslassen mußte. (Oberösterreichische Nachrichten, 10.09.1996, o. S.) Als nicht obszön gelten auch die Leihgaben aus dem Museum des chinesischen Sexualwissenschaftlers Dalin Liu in Tongli bei Schanghai. Obwohl die antiken Figuren reichlich naturgetreue Penisse, Vaginen und deftige Sexszenen zeigen. (Berliner Zeitung, 19.11.2005, S. 12)  

(106)



Bei Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene und der Sprechaktebene wechseln Sprecher bei obwohl eher zur V2-Variante. (107)

„Es war ganz hetzig in Igls, aber die WM kommt für mich nicht in Frage“, schließt Andrea selbst einen Start in St. Moritz aus. „Obwohl: ich habe sie alle schon ein bisschen geschockt in Igls.“ (Vorarlberger Nachrichten, 03.01. 2000, S. C14)

Verknüpfung von eingebetteten adjektivischen und partizipialen Prädikaten (zur Verknüpfung von Sekundärpropositionen s. A1.3.1) ist mit obwohl allenfalls in einer Doppelmarkierungskonstruktion mit anteponierter Subjunktorphrase möglich (108c), und auch infinite Subjunktorphrasen als Ergebnis von Kopula-Subjekt-Ellipsen (109) sind weitgehend auf Anteposition beschränkt. Einschub finiter und infiniter Subjunktorphrasen wie in (110) ist möglich. (108a) (108b) (108c) (109)

?die schnellen, obwohl schweren Nashörner ?die obwohl schweren, schnellen Nashörner die obwohl schnellen, so doch schweren Nashörner Obwohl eigentlich unabkömmlich, gehörte ein kurzer Fronteinsatz für einen Mann in seiner Position zum guten Ton. (die tageszeitung, 22.01.2005, S. 16) Die amerikanischen User bleiben, obwohl das Netz grenzenlos ist, am liebsten im eigenen Land. (die tageszeitung, 23.05.1996, S. 12) Die amerikanischen User bleiben, obwohl sonst kosmopolitisch, am liebsten im Netz des eigenen Landes.  

(110a)



(110b)

Obschon unterscheidet sich im Gebrauch von obwohl im Wesentlichen nur durch eine regionale Zuordnung: Es ist im Schweizer Hochdeutsch der gebräuchlichste konzessive Subjunktor (vgl. GDS: 2311), im Österreichischen Deutsch ist er ebenfalls sehr viel frequenter als im Binnendeutschen, wo er als gehoben gilt (vgl. die Einträge im DUW und WDG). Damit haben die beiden Konnektoren seit dem Frnhd. offenbar eine stilistische Umwertung erfahren: Bei Adelung (1793) gilt obwohl als „Bindewort, welches mit obgleich und obschon gleichbedeutend ist, und so wie das erstere auch in der anständigen Schreibart gebraucht werden kann, dagegen obschon mehr in der

944

C4 Konditional basierte Konnektoren

gemeinen üblich ist.“ Auch obschon kommt ähnlich wie obwohl eher seltener in Verknüpfungen auf der epistemischem Ebene oder der Sprechaktebene vor. (111)

Salzburg zog im Europacup-Poker das große Los, obschon es niemand verschreien will. (Die Presse, 12.08.1994, o. S.)  

Unter den obschon-Verwendungen gibt es einen höheren Anteil von Subjekt-KopulaEllipsen im internen Konnekt (112), auch Verknüpfungen von eingebetteten Prädikaten (113) kommen mit obschon eher vor als mit obwohl. (112)

Er macht sich, obschon nicht arm, nicht viel aus Luxus. (Berliner Zeitung, 23.11.2006, S. 35) Alles deutet darauf hin, daß der nicht nur einst grimmigste, sondern auch (international) beste, obschon oft voreilig (von Schiedsrichtern) verdammte und dann verurteilte Rapidler mit dem bitteren Los eines Sportinvaliden wird leben und fertig werden müssen. (Die Presse, 26.11.1994, o. S.)  

(113)



Obgleich, das im WDG als „dichterisch“ eingeschätzt wird, steht seiner Gebrauchspräferenz nach zwischen dem Muster von obwohl und dem von wenngleich (s. C4.3.5.2), insofern es etwas mehr epistemische Verknüpfungen und infinite interne Konnekte als obwohl aufweist. Bei obzwar ist der Anteil der infiniten Konnekte mit Kopula-Subjekt-Ellipsen mit fast 40% nach dem Wert für wenn auch der höchste unter den konzessiven Subjunktoren und das durch zwar bestimmte Einräumungsmuster sehr ausgeprägt. (114)

Deshalb ist der Film, obzwar von der FSK ab sechs Jahren freigegeben, eigentlich erst für Menschen ab zehn geeignet. (die tageszeitung, 02.01.2003, S. 18–19) Die Haltung, die er meint, hat er freilich – obzwar eher unbewußt – auch schon in Deutschland angetroffen. (Kleine Zeitung, 07.09.1997, o. S.)  

(115)



4.3.5.2 Mit wenn- und wie- zusammengesetzte Konnektoren: wenngleich, wiewohl, gleichwohl, wennschon Die Subjunktoren der wenn-/wie-Gruppe sind anders als die mit ob- zusammengesetzten Subjunktoren nicht allein fokussierbar (nicht obWOHL, sondern WEIL vs. *nicht wennGLEICH, sondern WEIL) und sie sind nicht zusammen mit ihrem internen Konnekt in Form eines Nachtrags fokussierbar. (116a)

Mit ihrem alten Fahrrad schafft sie noch jeden Berg – und das obwohl es nur drei Gänge hat!

945

C4.3 Konzessive Konnektoren

(116b)

*Mit ihrem alten Fahrrad schafft sie noch jeden Berg – und das wenngleich es nur drei Gänge hat!

Unter den Belegen mit wenngleich und wiewohl findet sich ein hoher Anteil infiniter interner Konnekte, häufig eingeschoben, und zwar sowohl Subjekt-Kopula-Ellipsen als auch Verknüpfungen von eingebetteten Adjektiven und Partizipien. (117)

Der Brite Nigel Barley – wenngleich in seiner Zunft nicht unumstritten – hat den „Feldforschungsbericht“ durch selbstironische Reflexionen über sein Tun als literarisches Genre rehabilitiert. (die tageszeitung, 23.09.1999, S. 15,) Eine unkonventionelle, wenngleich authentische Biographie des australischen Genies und Pianisten David Helfgott […]. (Neue Kronen Zeitung, 06.03.1997, S. 31) Und so kehren wir erleichtert, wiewohl schnaufend und schwitzend, zu unserem Ausgangspunkt zurück. (die tageszeitung, 03.11.1988, S. 13)  

(118)



(119)



Das externe Argument kann auch eine durch ein Nomen oder einen NP-Bestandteil repräsentierte Proposition sein. Wenn, wie in (121) externes und internes Konnekt syntaktisch verschiedenen Hierarchiestufen angehören, ist die semantische und syntaktische Struktur auf den ersten Blick nicht transparent. (120)

Spitzenreiter in der Opposition – wenngleich schon von Spaltung bedroht – sind Schirinowskis „liberaldemokratische“ Rechtsextremisten mit einem Siebentel der Mandate. (Salzburger Nachrichten, 27.12.1993, o. S.) Ein – wenngleich noch vager – Zweifel bringt zumindest wieder mehr Leben in Frankreichs innenpolitische Debatte. (Die Presse, 11.01.1994, o. S.) Gathof weist darauf hin, dass selbstverständlich auch Männer, die unter Knochenschwund leiden – wenngleich dies nicht in so großer Zahl vorkommt –, bei dem Aktionstag willkommen sind. (Frankfurter Allgemeine, 17.09.1999, o. S.) So gab es seinen 1915 erschienenen Roman „The Good Soldier“ erst 1962 in deutscher Übersetzung mit dem Titel „Die allertraurigste Geschichte“, und so blieb dieser, wenngleich zu seinen Hauptwerken zählende Roman lange Zeit das einzige übersetzte Ford-Buch. (die tageszeitung, 10.01.2004, S. 20)  

(121)



(122)



(123)



Wenngleich und wiewohl beziehen sich auch mit Verbletztstellung im internen Konnekt überwiegend auf die epistemische Ebene und haben oft adversativ-kompensatorische Lesart; Verbzweitstellung ist in dieser Lesart ebenfalls belegt. (Zu Belegen für Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene s. C4.3.4.1, Bsp. 79–80.)  

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(124)

(125)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Es ist belegt, daß die Banden, die Nachtzüge heimsuchen, nicht zimperlich sind, wenngleich Tötungsdelikte nicht unbedingt an der Tagesordnung sind. (Vorarlberger Nachrichten, 05.05.1997, S. A3) Acht Minuten später war Reck erneut chancenlos. Hans-Jörg Butt verwandelte auch den achten Elfmeter in dieser Saison souverän wie gewohnt, wenngleich das vorausgehende Foul von Yeboah auch als harmloser Zusammenprall hätte gewertet werden können. (die tageszeitung, 14.02.2000, S. 24) Aber seine Verehrung für Mommsen kommt aus der Sache und übersieht nicht die Schattenseiten einer großen Karriere, wiewohl es schwer ist, einen Mann zu kritisieren, der sich selbst am härtesten kritisierte. (Berliner Zeitung, 14.10.2002, S. 14) Lange hat Wong Kar-Wei an einer Fortsetzung des Liebesdramas gearbeitet, wiewohl er sie vielleicht besser nicht hätte planen sollen. (Berliner Zeitung, 22.05.2004, S. 34) „Anschnallen muß selbstverständlich sein wie das Zähneputzen in der Früh“, mahnt Wurz. Wenngleich: Des Rennfahrers speziellen Sechs-Punkte-Gurt, den würde er auch nicht empfehlen. (Die Presse, 27.07.1998, o. S.) Daß der Sommer nicht mehr ist, was er einmal gewesen sein soll, heuer also z. B. zu heiß sei – das gilt als Standardplattheit griesgrämiger Alljahreszeitnörgler. Wiewohl: Wer erinnert sich nicht noch an Zeiten, da Marillen tatsächlich nach Marillen schmeckten? (Die Presse, 08.08.1994, o. S.)  

(126)



(127)



(128)



(129)





Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene sind mit wenngleich und wiewohl jedoch nicht ausgeschlossen. (130)

Wenngleich der Kanal nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie vor 1967, so stellt er noch immer die kürzeste und je nach Schiffstonnage billigste Verbindung zwischen Europa und Asien her. (Die Presse, 17.11.1994, o. S.) Von Hertha Zehlendorf und der damals legendären Jugendarbeit des Vereins hatte sie, wiewohl wohnhaft in Zehlendorf, noch nie etwas gehört. (die tageszeitung, 05.05.2003, S. 18)  

(131)



Gleichwohl wird überwiegend als Adverbkonnektor verwendet, und zwar etwas häufiger im Vorfeld als im Mittelfeld. (132)

Für ihn ist Kirkuk weder eine kurdische noch eine turkmenische Stadt. Gleichwohl sieht er die Turkmenen in Kirkuk deutlich in der Minderheit. (die tageszeitung, 17.04.2003, S. 3)  

Eindeutige Subjunktorverwendungen sind ausgesprochen selten (s. 4-sub). Dafür finden sich viele syntaktisch ambige Strukturen mit infiniten internen Konnekten oder dem Konnektor an der Nullstelle.

C4.3 Konzessive Konnektoren

(133)

947

Im Frühling könnte das ganz anders aussehen. Gleichwohl: Mit ihrer Entscheidung, unter den technisch möglichen Ampelschaltungen die fußgängerfreundlichste auszuwählen, liegt die Stadtverwaltung goldrichtig. (Mannheimer Morgen, 03.03.2006, o. S.) ntonitsch mußte mit eigenem Aufschlag sechs Breakbälle abwehren – er tat dies mit zwei Assen und gleichwohl schwierigen wie perfekten Volleys. (Salzburger Nachrichten, 06.02.1995, o. S.)  

(134)



Wennschon ist fast nur in der idiomatischen Verbindung wennschon dennschon belegt. In den wenigen anderen Belegen ist es einräumend im ersten Konnekt wie zwar oder – bei Goethe noch üblich, aber heute weitgehend ungebräuchlich – subordinierend. (135)

Nicht mal Playboys hatten wir! Jedenfalls sind mir keine begegnet, was meine begriffliche Verwirrung wennschon nicht entschuldigt, dann doch aber erklärt. (Berliner Zeitung, 21.02.1998, S. 19)  

4.3.5.3 Wenn (…) auch in Abgrenzung zu obwohl und auch (…) wenn Der komplexe, kontinuierlich und diskontinuierlich auftretende Subjunktor wenn (…) auch unterscheidet sich in seinem typischen Gebrauch deutlich von obwohl, aber auch vom komplexen, nur kontinuierlich auftretenden auch wenn. Auffallend sind zunächst die formalen Unterschiede zu den mit ob- zusammengesetzten und den kontinuierlichen mit wenn und wie zusammengesetzten Subjunktoren. Erstens tritt wenn (…) auch, anders als diese, auch diskontinuierlich auf – im Falle von anteponiertem wenn (…) auch nahezu obligatorisch – und zweitens haben sie sich nicht dem subjunktortypischen prosodischen Muster der Finalbetonung angepasst, – beides spricht für einen geringeren Lexikalisierungsgrad. (i) Wenn (…) auch vs. obwohl Von obwohl unterscheidet sich wenn (…) auch durch seine nahezu ausschließliche Verwendung in epistemisch zu interpretierenden adversativ-kompensatorischen Verknüpfungen, die für obwohl eher untypisch sind, bei den mit wenn und wie zusammengesetzten Subjunktoren wenngleich und wiewohl aber deutlich häufiger auftreten als bei obwohl. Der Bezug auf die epistemische oder auf die Sprechaktebene ist hier, anders als bei den im vorherigen Kapitel beschriebenen mit wenn- und wie- zusammengesetzten Subjunktoren, als Bestandteil der Bedeutung anzusehen. „wenn … auch kodiert regelmäßig Einräumungen mit Äußerungsbezug.“ (Duden-Grammatik 2005: 1106)

948

C4 Konditional basierte Konnektoren

„wenn auch-Sätze werden nur als Kommentare auf der Ebene des modus dicendi verwendet.“ (GDS: 2314)

Konzessive Verknüpfungen, die aufgrund des faktischen Zusammenhangs eine Interpretation auf der propositionalen Ebene nahelegen, lassen sich mit wenn auch schlecht bilden. Entsprechende Belege sind äußerst selten und eher auffällig. (136) (137) (138)

?Wenn auch nachts kein Frost geherrscht hat, sind die Dahlien ganz schwarz geworden. ?Wenn auch der Oktober noch nicht einmal vorüber war, standen die Äste bereits fast kahl. Wenn auch Gebiete wie Istrien nicht unmittelbar gefährdet seien, rät die Botschaft von Reisen nach Kroatien weiter dringend ab. (Salzburger Nachrichten, 07.08.1995, o. S.) Wenn auch die Mitarbeiterinnen im Moment alle Hände voll zu tun haben, stehen im Herbst bereits wieder Veranstaltungen auf dem Programm. (St. Galler Tagblatt, 31.05.1999, o. S.)  

(139)



Die typische Verwendung ist die im Rahmen des kompensatorischen Vorteil-NachteilSchemas. Dabei bezeichnet das interne Argument von wenn auch einen Sachverhalt, aus dem eigentlich auf das Gegenteil dessen zu schließen wäre, was aus dem mit dem externen Konnekt bezeichneten folgt. Dieser Sachverhalt wird aber durch wenn auch als weniger relevant gekennzeichnet, woraus die Wirkung einer insgesamt nicht ins Gewicht fallenden Einschränkung des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts resultiert. Im Vorteil-Nachteil-Schema ähnelt also wenn auch den Adverbkonnektoren allerdings und freilich. Während bei diesen aber das interne Argument eher stärkere Gewichtung hat, ist bei wenn auch das externe Argument stärker gewichtet, das interne Argument bezeichnet einen Sachverhalt, den der Sprecher „in Kauf nimmt“ (Baschewa 1980: 80). Im folgenden Beispielpaar wäre wohl eine Textfortsetzung, die einen negativen Tenor demonstriert, eher mit (140b) als mit (140a) zu erwarten. (140a) Es geht aufwärts – wenn auch langsam. (die tageszeitung, 11.11.1992, S. 3) (140b) Es geht aufwärts – allerdings langsam.  

Manche Belege lassen sowohl eine Deutung auf der propositionalen Ebene mit einer konditionalen Präsupposition wie auch eine auf der epistemischen Ebene nach dem Muster des Vorteil-Nachteil-Schemas zu; bei dieser Deutung müssen die Argumente nicht in einer Bedingung-Folge-Relation zueinander stehen. (141)

Wenn auch die Aussagen der bisher ausgewerteten Akten „bruchstückhaft“ seien, sei schon jetzt eine „sehr genaue Opfer-Täter-Unterscheidung möglich“. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.)  

C4.3 Konzessive Konnektoren

949

(141-sv) Normalerweise gilt: wenn Akten unvollständig sind, ist eine genaue Einschätzung der Situation nicht möglich. (141-eps) Der Sprecher betrachtet die Tatsache, dass die Akten unvollständig sind, als einen (wenig relevanten) Nachteil (in Bezug auf z. B. die Durchführung einer Gerichtsverhandlung). Demgegenüber sieht er es als Vorteil an, dass bereits eine genaue Opfer-Täter-Unterscheidung möglich ist.  

Auch für solche Belege gelten aber wieder die unter C4.3.3 für die übrigen konzessiven Subjunktoren beschriebenen Regularitäten: Sie wirken umso akzeptabler, je weniger syntaktisch integriert die Verknüpfung ist; – umso wahrscheinlicher wird dann eine epistemische Interpretation. Die Gebrauchsmuster von wenn auch sind hier sehr eindeutig: unter 90 einschlägigen Belegen fanden sich 60 eingeschobene oder postponierte elliptische interne Konnekte und 16 Verknüpfungen von eingebetteten Propositionen (eine erste, wenn auch nur vage Beschreibung); von den insgesamt nur 14 finiten internen Konnekten sind lediglich 5 anteponiert, von denen wiederum zwei desintegriert an der Nullstelle erscheinen. Bei Postposition ist die Subjunktorphrase häufig elliptisch. Eine typische Form ist die eines Adverbiales, das zum Ausdruck bringt, dass der im externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt nur „in geringerem Maße“, oder „unter Einschränkung“ gilt („limitative Konzessivität“ bei Di Meola 1997b). (142)

Ballack traf in der 84. Minute, wenn auch nur zum 1:4. (die tageszeitung, 30.08.2004, S. 18) Viele ihrer Bauten gingen in Flammen auf. Doch wurden sie, wenn auch notdürftig, bald wiederhergestellt. (MK1/WPE Pörtner, Erben, S. 66) Schon einmal bin ich an dieser Stelle gestanden. Wenn auch nur für wenige Minuten. (WAM/OEI Walser, Ohne einander, S. 123) Eine deutliche Mehrheit der Mitglieder hat doch für eine Verschmelzung der drei Seckenheimer Sportvereine gestimmt. Wenn auch nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit. (Mannheimer Morgen, 02.04.2004, o. S.) Selbst die Schmuckkünstler gingen bei aller Bindung an den fränkischen Stil vielfach eigene Wege, wenn auch die Unterschiede nur dem Fachmann geläufig sind. (MK1/WPE Pörtner, Erben, S. 140)  

(143)



(144)



(145)



(146)



Bei anteponierter Subjunktorphrase erscheint überwiegend ein adversativer oder konzessiver Adverbkonnektor (doch, jedoch, dennoch, trotzdem) im zweiten Konnekt; meist ist die Subjunktorphrase auch syntaktisch nicht vollständige eingebettet, sondern desintegriert an der Nullstelle oder linksversetzt. Auch Ellipsen sind häufig. (147)

Wenn auch nicht der ganz große Knaller, hebt es sich doch wohltuend von der Masse derzeitiger Konkurrenzprodukte ab. (Hamburger Morgenpost, 07.12.2006, S. 7)  

950

(148)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wenn auch leicht abgemildert, zeigte sich derselbe Trend bei den jungen Frauen dieser Altersgruppe. (Berliner Zeitung, 15.05.1998, S. 4) Wenn auch die trockene Akustik des Stadtsaales die Sehnsucht nach einem wohlklingenden Kirchenschiff verstärkte, so war doch als Ausgleich eine recht gute Textverständlichkeit gegeben. (Tiroler Tageszeitung, 06.05.2000, o. S.) Wenn auch in den letzten 30 Jahren viele Bräuche und Traditionen verschwunden sind, die Dorfchilbis wurden trotz aller Neuerungen beibehalten. (St. Galler Tagblatt, 20.09.1997, o. S.)  

(149)



(150)



Innerhalb der Vorteil-Nachteil-Struktur bezeichnet das interne Konnekt einen einschränkenden Sachverhalt. Meist ist dieser für den Diskursverlauf weniger gewichtig, was ein Effekt der syntaktischen Struktur sein könnte (vgl. Brandt 1994). Fast immer ist dieser Sachverhalt auch der für die gesamte Argumentation nachteilige. Wie (151b) zeigt, ist eine solche Restriktion aber keineswegs ein Bestandteil der Bedeutung von wenn auch. (151a)

Originell, wenn auch nicht gerade praktisch in der Handhabung – der vom ASV St. Margarethen kreierte „Helm“ für Sportler mit Teamgeist. (Kleine Zeitung, 04.01.1997, o. S.) Nicht gerade praktisch in der Handhabung, wenn auch originell, – der vom ASV St. Margarethen kreierte „Helm“ für Sportler mit Teamgeist.  

(151b)

(ii) Wenn (…) auch vs. auch wenn Kombinationen von Fokuspartikel und konditionalem Subjunktor haben in vielen Sprachen je nach Abfolge unterschiedliche Interpretationen (vgl. Haspelmath/König 1998, Pasch 1994, Di Meola 1997c). Dabei ist in aller Regel die Abfolge Konnektor vor Partikel höher grammatikalisiert und in geringerem Maße kompositional auflösbar als die umgekehrte Abfolge, weil sie häufig nicht mit dem für Konditionalität konstitutiven offenen Faktizitätswert einhergeht. Auch im Deutschen wird traditionell wenn (…) auch eher zu den konzessiven und auch wenn eher zu den konditionalen, oder, seit den Arbeiten von König (König 1986, 1988, 1994; König/van der Auwera 1988), zur semantischen Klasse der „Irrelevanzkonditionalen Konnektoren“ gerechnet, in welcher es mit den analog gebildeten Subjunktoren und wenn, selbst wenn und sogar wenn zur Subklasse der „skalaren Irrelevanzkonditionale“ gehört (s. C4.4.3.3). Als entscheidender Unterschied gilt der Faktizitätswert des internen Konnekts, wobei die Ansichten über den Grad der Gültigkeit einer solchen Korrelation geteilt sind. (vgl. Engel 1988: 277 f., Brauße 1994: 148 f.; GDS: 2321, Lühr 1998: 168, Fabricius-Hansen 2007: 787).  



C4.3 Konzessive Konnektoren

951

„Diese Sätze [= VL-Sätze mit wenn auch und V1-Sätze mit auch] können sowohl eine Annahme als eine Tatsache angeben, während Sätze mit auch wenn immer nur für eine Annahme gebraucht werden.“ (Paul 1920: 280) wenn auch bezieht sich „vorwiegend auf den gegebenen Fall, auch wenn dagegen auf einen angenommenen Fall“ (Kaufmann 1974: 11). „auch wenn darf somit nie verwendet werden, wenn das Nebensatzgeschehen zweifelsfrei ein Faktum ist.“ (Engel 1988: 278) „In den wenn-auch-Sätzen kommt also ein Faktum zum Ausdruck, und auch-wenn-Sätze können eine Möglichkeit bezeichnen.“ (Lühr 1998: 168)

Eindeutig irrelevanzkonditionale Verwendungen von auch wenn sind solche, bei NT EZEDENS offen bleibt. Die Subjunktorphrase ist hier meist denen die Gültigkeit des ANTEZEDENS anteponiert, sie kann desintegriert sein und im internen Konnekt können Konjunktive auftreten. In diesen Verwendungen ist der Subjunktor nicht durch obwohl und wenn (…) auch ersetzbar, sondern nur durch selbst wenn oder sogar wenn. (152)

Auch wenn man nicht jedem Einzelurteil zustimmt und den Untertitel ein wenig zu pathetisch finden mag – sein Buch dokumentiert einen verbreiteten und bedenklichen Missbrauch des amerikanischen Rechtssystems. (die tageszeitung, 29.04.2003, S. 14) Auch wenn Du nur gescherzt haben solltest, möchte ich Dich trotzdem gern beim Wort nehmen. (MK1/TJM Jung, Magd, S. 38) Auch wenn ich merken würde, dass hier alles bachab geht, würde ich bis ganz zuletzt meinen Job seriös fertig machen. (St. Galler Tagblatt, 10.01.2001, o. S.) Doch auch wenn die Einwilligung wirksam wäre, so Nagel, „bleibt die Tat gleichwohl sittenwidrig“ und damit strafbar. (die tageszeitung, 01.07.1988, S. 2)  

(153)



(154)



(155)



Die Grenze zu konditionalen Konstruktionen, bei denen auch die Gültigkeit des K ONSEQUENS offen ist, ist fließend. Konnexionen mit auch wenn sind kompositional erschließbar als Konditionalkonstruktionen im Skopus einer additiven Fokuspartikel unter Zugrundelegung der von der Fokuspartikel induzierten Präsupposition (so auch die Analyse bei Pasch 1994, Hermodsson 1978 und Pittner 1999). (156)

Auch wenn [es klingelt]A N T E Z E D E N S q, [bleibt sie völlig ungerührt sitzen.]K O N S E Q U E N S p.

Assertion q→p (p gilt, wenn q gilt) additive PSP: r → p (es gibt mindestens einen weiteren Fall aus der Menge der Alternativen zum Fokusausdruck (der alternativen Antezedentien), unter denen p gilt)

952

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wenn p unter mehreren Bedingungen gilt, kann über eine konversationelle Implikatur geschlossen werden, dass der Sprecher genau die Bedingung nennt, die die relevanteste ist, – weil sie in Bezug auf das K ONSEQUENS unerwartet oder unwahrscheinlich ist. Das entspricht der konzessivtypischen Präsupposition. Ist das A NTEZEDENS nicht faktisch, ergibt sich eine skalar-irrelevanzkonditionale Interpretation: die Menge der alternativen Antezedentien ist skalar geordnet und das genannte A NTEZEDENS nimmt auf dieser Skala einen unteren Wert der Wahrscheinlichkeit ein. Desintegration fördert solche irrelevanzkonditionalen Interpretationen. (Dass syntaktische Desintegration einer Konnektorkonstruktion häufig mit einem semantisch peripheren Status einer Relation einhergeht, ist gerade für den „Zwischenbereich“ zwischen Konditionalität und Konzessivität oft festgestellt worden; vgl. Pasch 1994: 135, König/van der Auwera 1988: 124–127, d’Avis 2004, Haspelmath/König 1998) skalare PSP: das Klingeln ist die am wenigsten wahrscheinliche von allen Bedingungen, unter denen ein Ungerührt-sitzen-bleiben stattfindet Auch wenn kann aber auch in Umgebungen auftreten, in denen die Wahrheit des ANTEZEDENS durch den Kontext gegeben ist, – möglich durch die Verwendbarkeit von wenn als sog. „faktisches wenn“. In solchen Kontexten scheint auch wenn durchaus äquivalent mit wenn (…) auch und sogar mit obwohl. (157)

(158)

Jürgen ist einer der wenigen der Dank Big Brother wirklich was mitnehmen konnte. Auch wenn er damals nur Zweiter wurde, ist er wohl eindeutig der Sieger aus der ersten Staffel. (http://www.community-solingen.de/archive/ index.php/t-11496.html) Insgesamt war mir die Teilnahme am Jugendprojekt der Berliner Zeitung während des ganzen Schuljahres eine Bereicherung, auch wenn es teilweise sehr anstrengend war. (Berliner Zeitung, 19.07.2003, S. 13) In seiner Freizeit ist Heierling engagierter Historiker, sieben Bücher hat er bereits über den Vorort verfaßt, ist also bewandert wie kein zweiter. Auch wenn er in Seckenheim lebt, „ich bin von Beruf Sandhofener“, sagt er schmunzelnd. (Mannheimer Morgen, 06.11.1998, o. S.) Die alte Histadrut-Führung zog es vor, am Grundgedanken der Gemeinwirtschaft festzuhalten. Auch wenn die Realität ganz anders ausgesehen hat. (Die Zeit, 01.09.1995, o. S.)  

(159)



(160)



In Paaren wie den folgenden lässt sich kein klarer Unterschied in der Verwendung zwischen wenn (…) auch und auch wenn ausmachen. (161a)

Ich mag wollen oder nicht, so muss ich dies anerkennen, auch wenn ich früher bei der Vorstellung eines Dreiecks nicht daran gedacht habe […]. (Descartes, Meditation, o. S.) […] dass ich bei ihrer ersten Aufdeckung scheinbar nichts Neues erfahre, sondern nur eines früher Gewussten mich entsinne oder nur auf das erst  

(161b)

953

C4.3 Konzessive Konnektoren

(162a)

(162b)

aufmerksam werde, was schon längst in mir war, wenn ich auch früher den Blick der Seele nicht darauf gerichtet hatte. (selbe Quelle wie 161a) Ich bin sehr dankbar und froh, dass er abgelehnt wurde, wenn ich auch damals die Begründung nicht verstanden habe und mich dagegen heftig gewehrt habe. (http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2005/03/12/ a0299) Den Taumel, den ich in der Nacht vom 11. November 1989 empfand, werde ich nie vergessen, auch wenn ich damals nicht alles verstanden habe, was um mich herum passierte. (http://www.aichberger.de/17-8D-Auf-der-anderen-Seite-der-Mauer.htm)  

Bei solchen konzessiven Verwendungen von auch wenn ist die Subjunktorphrase eher postponiert; die Faktizitätsinterpretation wird durch Vergangenheitstempus im A NTEZEDENS gestützt. Auch kompensatorische Verwendungen sind belegt. (163)

Ich zog dann in die Wohnung einer Freundin, die gerade in Burma mit possierlichen Äffchen spielte. Die hat eine Zentralheizung (auch wenn die Fenster nicht so toll schließen). Da ist es schön warm. (die tageszeitung, 15.02.1994, S. 24) In St. Moritz tummeln sich heute noch die Nachkommen des Florentiner Fürstengeschlechts der Medici. Eine argentinische Familie reist seit 1930 an, auch wenn sie inzwischen die eigene südamerikanische Milchkuh für die Kinder nicht mehr mitbringt. (Züricher Tagesanzeiger, 29.11.1997, S. 67)  

(164)



Festzuhalten ist, dass manche Sprecher in bestimmten Kontexten wenn (…) auch und auch wenn synonym verwenden. Trotz dieser Überschneidungen im tatsächlichen Gebrauch weisen wenn (…) auch und auch wenn aber doch einige Gebrauchsunterschiede auf. Auszählung einer Korpusstichprobe ergab unterschiedliche Profile in Bezug auf Position und Integrationsgrad.21

21 Die Verteilung von Anteposition und Postposition wurde an einem anderen 100er-Sample ermittelt als die Verteilung innerhalb der anteponierten Fälle. Für das erste Sample wurde Groß- und Kleinschreibung nicht beachtet, beim zweiten Sample wurden, um eine größere Anzahl von Antepositionsfällen zu erhalten, nur Konnektoren mit Anfangsmajuskel berücksichtigt.

954

C4 Konditional basierte Konnektoren

Tab. C4.3-3: Linearisierungstendenzen bei auch wenn, kontinuierlichem und diskontinuierlichem wenn auch Subjunktor

anteponierte Subjunktorphrase

anteponiert desintegriert

anteponiert linksversetzt

anteponiert eingebettet

auch wenn

34%

54%

7%

39%

wenn auch

8%

21%

57%

22%

23%

29%

55%

16%

wenn (…) auch

Kontinuierliches und diskontinuierliches wenn auch unterscheiden sich vor allem im Anteil der nicht-finiten internen Konnekte: diskontinuierliche Stellung des Subjunktors verhindert Kopula-Subjekt-Ellipsen; dadurch ist der Anteil anteponierter (finiter) Subjunktorphrasen hier höher als bei kontinuierlichem wenn auch. In der Verteilung der anteponierten Subjunktorphrasen auf die einzelnen syntaktischen Strukturen zeigen sich hingegen keine nennenswerten Unterschiede, sodass es nicht gerechtfertigt erscheint, wie in Di Meola (1997a: 405) zwei eigenständige Konnektoren wenn auch und wenn (…) auch anzunehmen. Das interne Konnekt von auch wenn muss immer ein vollständiger Satz sein, für wenn auch (in der kontinuierlichen Variante) sind dagegen gerade infinite, elliptische Konnekte typisch. Auch-wenn-Phrasen sind sehr viel häufiger desintegriert als wenn-auch-Phrasen, für die wiederum die Linksversetzung eher die typische Struktur ist. Im Grad der syntaktischen Integration nehmen wenn-auch-Konstruktionen damit eine mittlere Stellung zwischen den in der Regel hochintegrierten kanonisch-konzessiven obwohl-Konstruktionen und den eher konditional oder irrelevanzkonditional zu interpretierenden Konstruktionen mit auch wenn ein.

4.3.6 Aus deverbalen Präpositionen abgeleitete Adverbkonnektoren und Subjunktoren (Bildungen mit trotz, ungeachtet und unbeschadet) Im Vergleich zu den mit ob-, wenn- und wie- gebildeten Subjunktoren sind die aus den Präpositionen trotz, ungeachtet, unerachtet und unbeschadet abgeleiteten Bildungen jünger, weniger festgefügt in ihrer Form und syntaktischen Subklassenzugehörigkeit, dafür aber semantisch stabiler. Sie haben keine adversativ-kompensatorischen Uminterpretationen, was offenbar durch das „hindernd-oppositive“ Element (Di Meola 1998) blockiert wird. Als Subjunktoren sind auch eine Reihe von Formen belegt (trotz dass, trotzdem dass, ungeachtet, ungeachtet dass), die sich aus einer älteren Sprachstufe nur im Substandard gehalten haben.

955

C4.3 Konzessive Konnektoren

(165)

Die waren eher auf der rechten Schiene. Aber die waren trotzdem meine Kumpels, obwohl ich nicht gut fand, was die gemacht haben. (die tageszeitung, 14.02.2004, S. 26) Da kommt unweigerlich die Frage auf, warum die West-CDU, trotzdem dort die Wahrheit zumindest schon einige Tage bekannt gewesen sein soll , erst jetzt damit herausrückte. (Berliner Zeitung, 15.03.1990, S. 1) Oft nämlich sind die goldführenden Schiefer, Sandsteine, Kalksteine und Granite in kurzer Entfernung nicht mehr goldführend, trotzdem, daß sie von Quarzgängen durchsetzt werden und trotzdem, daß ihre mineralogischen Charaktere sich gleich bleiben . (Gangstudien, 1854, o. S.) Trotzdem, dass Anneliese Schneller viele Grenzen sprengen konnte und von ihrer Krankheit, bei der sie schon von allen aufgegeben wurde, geheilt werden konnte, musste sie auch lernen, Hilfe anzunehmen. (St. Galler Tagblatt, 25.11. 1997, o. S.) Trotz dass man in diesem Jahr auf einige Leistungsschwimmer verzichten musste , konnte der Viernheimer Schwimmverein sich über den ganzen Wettkampfabschnitt immer im vorderen Feld behaupten. (Mannheimer Morgen, 10.06.2005, o. S.)  

(166)





(167)



(168)





(169)





(170)

Das klingt bis hierhin ziemlich albern, nichtsdestotrotz hätte aus dem Film ein echter Tränenräuber werden können. (Berliner Zeitung, 25.11.2000, S. 20) Was passiert, ist ungewiß, nichtsdestoweniger zeigte sich Zolldirektor Haidar nach der Kabinettssitzung optimistisch. (die tageszeitung, 17.09.1986, S. 8) Ab 1934 war die Aufführung von Mendelssohn-Werken verboten. Das Ersetzen dieser Musik erwies sich nichtsdestominder als sehr schwierig. (RheinZeitung, 03.03.2008, o. S.) Die Verantwortlichen der Österreichischen Bundesbahnen wußten über den Denkmalschutz der Gebäude in der großen Halle des Salzburger Hauptbahnhofes bescheid. Ungeachtet dessen schrieben sie einen Architektenwettbewerb aus, in dem vom Denkmalschutz keine Rede war. (Salzburger Nachrichten, 24.06.1999, o. S.) Auf Nachfrage des Gerichts nach Urteilsverkündung erklärten die Angeklagte und ihr Verteidiger Rechtsmittelverzicht, ungeachtet dessen die Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 StPO Revision einlegte . (http://www.hrr-straf recht.de/hrr/3/04/gsst-1–04.php; Online-Zeitschrift HRRS und Rechtsprechungsdatenbank) Ungeachtet dessen, dass es sich bei der Differenz von 500.000 Shilling um „Schwarzgeld“ handelte , klagte die Verkäuferin den Betrag beinhart bei Gericht ein. (Neue Kronen Zeitung, 23.04.2000, S. 15)  

(171)



(172)



(173)



(174)



(175)







(176)

Die serbischen Behörden verschärften derweil den Druck auf die Opposition und untersagten politische Studentenversammlungen. Desungeachtet

956

C4 Konditional basierte Konnektoren

schlossen sich die Belegschaften mehrerer Belgrader Fabriken den seit über zwei Wochen andauernden Massenprotesten an. (die tageszeitung, 04.12. 1996, S. 1) Eine „Elite“ wird bei Pareto auch in Revolutionen stets nur von einer „Reserve-Elite“, nie jedoch von einer Masse ersetzt, des ungeachtet, dass sich die neue Elite gern auf die Masse beruft oder behauptet, dazu zu gehören. (Vilfredo Pareto, Wikipedia 2005) Kultur brauche viel Freiraum, der nicht durch Konzepte eingeengt werden dürfe. Dessen ungeachtet hat die städtische Fachkommission Kriterien erarbeitet, die bei finanziellen Beitragsgesuchen angewendet werden. (St. Galler Tagblatt, 23.11.2001, o. S.) Mahlers Bekanntschaften und Freundesbeziehungen waren durchaus peripher in dem Sinne, dass zahlreiche dieser Personen heute kaum noch bekannt sind, dessen ungeachtet sie zu ihrer Zeit jedoch von weitreichender Relevanz waren . (http://www.kakanien.ac.at/rez/PPlener1.pdf) Aber am Schluss waren Sie weg von dem, was wir heute gemeinsam beschließen, und haben auf eine Einzelmaßnahme geschossen. Dessen ungeachtet, dass ich mich darüber nicht gefreut habe, will ich es mir nicht verkneifen, da Sie ja heute Geburtstag haben, Ihnen nicht nur zu gratulieren, sondern Ihnen auch alles Gute zu wünschen. (PBT/W14 Bundestagsprotokolle)  

(177)

(178)



(179)



(180)

(181)

Schubert habe sich nie angebiedert – ungeachtet, dass es Wählerstimmen kosten könne, sei er gradlinig seinen Weg gegangen. (Frankfurter Rundschau, 25.09.1998, S. 7) Ungeachtet sie gar nicht mehr jung war , riß sie doch alles hin mit dem unwiderstehlichen Zauber ihres wunderbar herrlichen Gesanges. (Hoffmann, Krespel, o. S.) Nach europäischem Anrecht dürfen sogar verkeimte Nahrungsmittel (z. B. Flüssigei) nach einer Bestrahlung wieder auf den Marktgebiet gebracht werden, ungeachtet sie bereits verkommen waren . (http://lebensmittelonline.50webs.com/konservierungsverfahren/lebensmittelbestrahlung. html)  

(182)





(183)





(184)

Assmann hatte Berufung angemeldet. Unbeschadet dessen verblieb der 68jährige in Untersuchungshaft. (Die Presse, 11.03.1994, o. S.) Die generelle Verleihung der Studierfähigkeit durch das Gymnasium darf nicht durch hochschulschuleigene Auswahlverfahren abgewertet werden. Dessen unbeschadet hat die Hochschule das Recht, weitere Studierende zuzulassen. (http://www.forum-bildungspolitik.de/positionen/pet_gymnasium _03_04.html)  

(185)

C4.3 Konzessive Konnektoren

(186)

957

Der Lizenznehmer ist dem Lizenzgeber für alle Schäden aufgrund von Urheberrechtsverletzungen verantwortlich, unbeschadet dessen, dass bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung alle seine Rechte an der Software, inklusive Dokumentation, erlöschen . (http://www.kidspl.de/lizenz.php)  

Die mit ungeachtet und unbeschadet gebildeten Adverbkonnektoren sowie nichtsdestotrotz zeigen eine ausgeprägte Präferenz für die Vorfeldstellung (Vorfeld : Mittelfeld ca. 7:2); im Vergleich dazu sind bei trotzdem und dennoch Mittelfeldstellungen deutlich häufiger als bei diesen (ca. 5:4). Formen mit ungeachtet, unbeschadet sind völlig transparente Präpositionaladverbien, deren Konnektorfunktion durch Referenz des pronominalen genitivischen Bestandteils des(sen) auf die Vorgängerproposition zustande kommt. Bei trotzdem ist dagegen eine Desemantisierung der anaphorischen Beziehung zu beobachten, da die Präposition trotz im Standarddeutschen keinen Dativ regiert. Bei dennoch (aus dann + noch) ist die anaphorische Beziehung erst recht etymologisch verdunkelt. Adverbkonnektoren mit einem als referierend interpretierbaren pronominalen Bestandteil stehen – nach dem Muster der Pronomina – tendenziell näher am Vorgängerausdruck und häufiger im Vorfeld als Adverbkonnektoren anderer Bildungsform, die eher „holistisch“ als Adverbien und nicht so sehr kompositional in ihre Bestandteilen analysiert werden. Die etymologische Transparenz dieser Formen wirkt sich aber auch auf die semantische Umgebung aus. Bei den Formen mit ungeachtet scheint die verbale Wurzel achten noch Gebrauchspräferenzen zu bestimmen: das KONSEQUENS -Argument muss hier einen durch menschliches Handeln oder menschliches Empfinden bestimmten Sachverhalt bezeichnen (A A GENS - und E XPERIENCER -Subjekte); viele Belege lassen sich fast wörtlich rekonstruieren mit einem subjektbezogenen Adverbiale der Form: X tut Y, ohne p zu beachten. Ein reines Geschehensprädikat mit einem P ATIENS Subjekt ist hier schlecht möglich. Die nachfolgenden Beispiele sind mit einem Subjunktor der ob-/wenn-/wie-Gruppe, aber auch mit den Adverbkonnektoren dennoch und trotzdem akzeptabler. (187) (188)

(189)

?Ungeachtet dessen, dass der Verletzte noch Bluttransfusionen erhielt, starb er auf dem Weg ins Krankenhaus. ?Die Flugzeuge trafen die beiden WTC-Türme völlig unterschiedlich. Dessen ungeachtet brachen sie auf die gleiche Weise zusammen und explodierten. ?Die Flutventile waren geöffnet. Ungeachtet dessen sank das Schiff nicht.

Dass sich dieser Effekt bei dem ebenfalls deverbalen trotzdem nicht einstellt, könnte, abgesehen von der erwähnten geringeren Transparenz, auch daran liegen, dass das Verb trotzen anders als achten auch in Umgebungen mit einem [-hum] markierten Subjekt verwendet werden kann

958

(190)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Das widerspenstige Haar wird mit dem „X-style“-Gel , das auch heftigsten Windstössen trotzt, gezähmt. (St. Galler Tagblatt, 05.01.2001, o. S.)  



Bei den konzessiven Subjunktoren mit dass kommt Postposition mehr als doppelt so häufig wie Anteposition vor, die Interpretation ist aber in der Regel nicht epistemisch bzw. adversativ-kompensatorisch, sondern kanonisch konzessiv. Häufig liegt hier eine Fokussierung und besondere Betonung der „widrigen Umstände“ vor. (191)

Ob Asylwesen, Arbeitslosigkeit, Finanzen, Überfremdung, soziale Sicherheit oder Volkswirtschaft – bei all diesen Themen setzten die Befragten nämlich Christiane Brunner auf die Spitzenposition – ungeachtet dessen, dass die Fastbundesrätin in letzter Zeit wenig von sich reden machte. (Züricher Tagesanzeiger, 20.08.1999, S. 9)  

Epistemisch interpretierbare Verknüpfungen sind aber wohl nicht ganz ausgeschlossen. (192)

Stein des Anstoßes ist zweifellos das Regietheater, welches zum Inbegriff für das verkommen ist, was jedermann schlecht findet, ungeachtet dessen, dass nicht alles, was schlecht aussieht, auch Regietheater ist. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 12.10.2006, S. 50)  

Infinite interne Konnekte sind wie bei allen Subjunktoren mit dass nicht möglich.

4.3.7 Die konzessiven Adverbkonnektoren dennoch, doch, und doch, jedoch Die mit doch gebildeten konzessiven Adverbkonnektoren und dennoch sind, anders als die im vorherigen Kapitel beschriebenen konzessiven Adverbkonnektoren zu den verbalen Wurzeln trotzen, achten und schaden, keine pronominaladverbialen sekundären Ableitungen, sondern genuine Adverbien. Dennoch geht zwar auf ein anaphorisches dann + noch zurück (in den Formen dannoch, nochdann, jedennoch und dennocht belegt), aus dem Behaghel (1928: 125) die konzessive Bedeutung als ‚unter diesen Umständen‘ ableitet, – damit liegt das anaphorische Pendant zur Kombination von Fokuspartikel und konditionaler Subjunktorphrase vor – doch ist dies gegenwartssprachlich kaum transparent. Vorfeldstellung und Mittelfeldstellung halten sich bei dennoch in etwa die Waage, Vorfeldstellung ist deutlich seltener als bei den transparenten Pronominaladverbien vom Typ ungeachtet dessen/des ungeachtet und geringfügig seltener als bei trotzdem. Ein Bedeutungsunterschied zu diesem ist nicht erkennbar; beide sind monosem K ONSEQUENS -markierend konzessiv; allerdings ist dennoch in der gesprochenen Sprache

959

C4.3 Konzessive Konnektoren

eher selten: Die Tonkorpora des IDS weisen fast 20mal so viele trotzdem-Fundstellen auf wie Fundstellen für dennoch (807:45). Anders als die monosem konzessiven Adverbkonnektoren dennoch und trotzdem sind doch und jedoch ebenso wie aber semantisch unterspezifiziert und können unterschiedlichste Subtypen von Adversativität und eben auch konzessive Relationen bezeichnen, wenn der Kontext eine solche Relation nahelegt (s. C2.3.4). (193)

Wir haben betont, daß wir über eindeutig belastendes Material noch nicht verfügen. Jedoch am Tag nach unserem Gespräch brach der bekannte politische und publizistische Sturm los. (die tageszeitung, 19.01.1988, S. 1–2) Auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin wurden zwar erheblich mehr Personenwagen als an den Vortagen gezählt, aber die Abfertigung verlief im allgemeinen reibungslos. (Frankfurter Allgemeine, 24.12.1965, S. 1)  

(194)



Das mehrfach heteroseme doch ist mit einem konzessiven trotzdem oder dennoch nur in der betonten Form äquivalent. Im Vorfeld und an der Nullstelle kann dieses betonte doch nur in der Kombination und doch auftreten. (195)

Keiner weiß, was ihm bevorsteht, sagte sie, was ihm reserviert ist, jeder muß auf sich nehmen, was ihm zum Schluß vorbehalten ist, und DOCH kann man sich nicht damit abfinden, wenn es einige außer der Reihe trifft. (LES/VLU Lenz, Verlust, S. 236) Die militärische Lage ist verworren und der Zynismus der Kriegsherren grenzenlos. Und DOCH: Es gibt auch eine Friedensarbeit zwischen den Fronten, eine Versöhnungsarbeit über die eigene Volksgruppe hinweg. (St. Galler Tagblatt, 03.10.1998, o. S.)  

(196)



Bei konzessiven Verknüpfungen von eingebetteten Prädikaten erscheint doch ebenfalls meist in der Kombination mit dem Konjunktor und oder mit aber. (197)

Wir fanden den Vater, einen kleinen, in sich gekehrten aber DOCH freundlichen Mann, ganz allein: denn die Familie war auf dem Felde. er hieß uns willkommen, bot uns eine Erfrischung an, die wir ablehnten. (GOE/AGD Goethe, Leben, S. 432) Der Chor singt „Je t’aime, mi amor, too much“ – fremde Sprachen, die aber die Farben Afrikas nicht zu verwischen vermochten, denn die leuchten kräftig auf in diesem erdigen und DOCH hellen Sound. (die tageszeitung, 12.07.2001, S. 27)  

(198)



Im Mittelfeld fungiert betontes doch als Affirmativitätsmarker, der die Geltung der Trägersatzproposition gegen ihr explizites oder implizites negiertes Pendant bekräftigt. Eine konzessive Bedeutung ergibt sich, wenn der voraufgehende Kontext als

960

C4 Konditional basierte Konnektoren

blockierte Bedingung, und damit als A NTEZEDENS einer Konzessivrelation gedeutet werden kann, deren Folge im Widerspruch steht zur Trägersatzproposition des doch. Häufig ist dieses A NTEZEDENS dann selbst durch einen konzessiven Konnektor markiert. (Zur Beziehung zwischen affirmativer und adversativer bzw. konzessiver Bedeutung bei doch s. C2.3.4.) (199)

Und damit spielt nun die Phantasie. Und ich kann es ihr 100mal verbieten, sie tut es DOCH. (BIO/TK2 Klemperer, Tagebücher, S. 176) „Warum seid ihr hierhergekommen, wenn ihr DOCH nicht demonstriert?“ frage ich einen Jungen. (die tageszeitung, 11.09.1986, S. 7) Wie gerecht auch euer Kampf sein mag, habt ihr DOCH nicht das Recht, Terror zu säen und den Tod zu verbreiten. (die tageszeitung, 18.09.1986, S. 3) Wiewohl dieser Tage auch einfache Anzüge zugelassen sind, haben DOCH immer noch genügend Gentlemen den Ehrgeiz, die königliche Gartenparty in ein Kostümfest zu verwandeln, das den berühmtesten Romanverfilmungen der BBC den Rang abläuft. (Züricher Tagesanzeiger, 26.07.1996, S. 14)  

(200)



(201)



(202)



4.3.8 Komitativ-konzessive Konnektoren: dabei, wobei, wo Wie in A3.2.2.2 und C2.4 gezeigt, können komitative Konnektoren konzessiv interpretiert werden; bei einem allgemeineren Verständnis von Konzessivität als „bemerkenswerter Kookkurrenz“ ist dies eine naheliegende Entwicklung. Die semantisch extrem unterspezifizierten Konnektoren wo, dabei und wobei – bei als semantisch am wenigsten spezifische lokale Präposition, wo als reine „Situationsproform“ – werden in bestimmten Kontextumgebungen konzessiv „angereichert“; nämlich vor allem dann, wenn sie auf der epistemischen oder auf der Sprechaktebene operieren und nicht temporal verankerte Ereignisse zueinander in Beziehung setzen. Die Präposition bei kann in bestimmten Umgebungen, vor allem in der Kombination mit einem Allquantor (bei all(e)dem, bei aller Liebe, bei allem Respekt) selbst konzessiv interpretiert werden. An der Nullstelle erzwingen dabei und wobei eine kompensatorische Interpretation, wie sie für allerdings und für konzessive Subjunktoren auf der epistemischem Ebene typisch ist. Das interne Argument hat hier den Charakter einer Einräumung, was etwa in (204) und (205) auch durch entsprechende Zusätze verdeutlicht wird. (203)

Sogar eine alte Brotmaschine ist dabei. Für alle Spenden gilt allerdings eine Bedingung: Nur für DDR-Flüchtlinge verwenden, nicht an „Polen“ und „Russen“ vergeben. Dabei: In den ehemaligen Bundeswehrstuben wohnen juristisch gesehen nur Deutsche. (die tageszeitung, 03.10.1989, S. 17) In so einer Umgebung wird nicht gemordet. Wobei, genau besehen, schon dieser eine Satz einer zuviel ist. (Süddeutsche Zeitung, 25.09.1999, S. 3)  

(204)



C4.3 Konzessive Konnektoren

(205)

961

Das neue Merkur-Heft freilich bietet ihm ein kräftiges Kontra, indem es ein paar große Forscherfiguren verschiedener Couleur vorführt, die sich quer durchs Jahrhundert tummeln – wobei, zugegeben, die chaotische, psychotische Seite des Wissenschaftsbetriebs sehr stark betont wird. (Süddeutsche Zeitung, 14.03.1997, S. 12)  

Dabei und wobei können in diesen Verwendungen nicht durch monosem konzessive K ONSEQUENS -Markierer wie trotzdem oder dennoch ersetzt werden, sondern allenfalls NTEZEDENS EZEDENS -markierenden Subjunktor wie wenngleich, wiewohl oder obdurch einen A NT wohl. (206)

Noch ist die Katastrophe keine Gewißheit, aber in vielerlei Hinsicht steht Uganda heute am Scheideweg. Dabei hat es an gutem Willen nicht gefehlt: (die tageszeitung, 06.09.1986, S. 3) (206a) ≠In vielerlei Hinsicht steht Uganda heute am Scheideweg. Trotzdem hat es an gutem Willen nicht gefehlt (206b) In vielerlei Hinsicht steht Uganda heute am Scheideweg. Wiewohl es an gutem Willen nicht gefehlt hat.  

Auch die konzessive Verwendung von wo muss als Verknüpfung auf der Sprechaktebene beschrieben werden. Dass wo in solchen Verwendungen scheinbar mal kausal (207), mal konzessiv (208) interpretiert werden kann, ist in der Literatur als auffällig konstatiert worden (s. Pasch 1999). (207)

Oskar: Weißt du, Tante Hildegard, wenn man ein Haustier hat, muß man auch Opfer bringen. Ich bringe dann für den Hund das Opfer, dich nicht mehr zu besuchen und dafür mit ihm zu Hause zu bleiben. Tante Hildegard: Das wäre ja wirklich schade, wo du doch so gerne zu mir zu Besuch kommst. (http://jungschar.untermais.net/spiele/sketch/hund.htm)

(208)

Wie kannst du alle Menschen hassen, wo du doch selbst einer bist? (http:// aspies.de/forum/index.php?t=msg&goto=82957&#msg_82957)

Nach Günthner (2002a: 321 ff.) ist die Natur des Sprechakts, der mit dem externen Konnekt realisiert wird, für die Interpretation ausschlaggebend. Nach Bewertungen, Behauptungen, Ratschlägen und Bitten wird wo eher kausal interpretiert wie in (207). Nach Vorwürfen, Fragen, generell nach Sprechakten, in denen ein Moment der Verwunderung oder des Erstaunens kontextualisiert ist, kann wo konzessiv interpretiert werden, so auch in (208). Die konzessive Interpretation ergibt sich hier als Inferenz aus der Sprechaktbegründung: Das interne Argument liefert eine Begründung für die hier vorliegende Frageillokution. Der im externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt  

962

C4 Konditional basierte Konnektoren

wird durch die Frageillokution als vor dem Hintergrund des im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalts für den Sprecher überraschend dargestellt; – damit liegt die für Konzessivität charakteristische konditionale Präsupposition vor. In einer älteren Sprachstufe entspricht dem wo ein subordinierendes da: (209)

Wie kommt ihr durch das Wasser, da doch der Strom die Brücken fortgeführt? (Schiller; Bsp. aus Baschewa 1980: 43)

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren 4.4.1

Liste der irrelevanzkonditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  965

4.4.2

Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  967

4.4.3 Subtypen der Irrelevanzkonditionalität  972 4.4.3.1 Alternative Irrelevanzkonditionale: ob, sei es  973 4.4.3.2 Universale Irrelevanzkonditionale: w- auch immer, egal w-; so/wie GRADP auch immer  978 4.4.3.3 Skalare Irrelevanzkonditionale: auch/selbst/sogar/und wenn  982 4.4.4 Verknüpfungsebenen  991 4.4.4.1 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene  992 4.4.4.2 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene  993 4.4.4.3 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der Sprechaktebene  994 4.4.5 Irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren  996 4.4.5.1 Sowieso  1000 4.4.5.2 Ohnehin, ohnedies  1002 4.4.5.3 Eh  1005 4.4.5.4 Allemal  1006

Eva Breindl

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren 4.4.1 Liste der irrelevanzkonditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren jedenfalls: VF, MF, NE, NF, Null Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren allemal: VF, MF ohnedies: VF, MF, NF, Null ohnehin: VF, MF, NF, Null sowieso: VF, MF Nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren eh: MF Subjunktoren (kompositional erschließbar) auch wenn selbst wenn sogar wenn und wenn Syntaktische Einzelgänger egal wob sei es so ADJ/ADV (…) (auch) immer; so ADJ/ADV (…) auch und (als Variante zu und wenn) w- (…) (auch) immer; w- (…) auch; w- immer (…) (auch) wie ADJ/ADV (…) (auch) immer; wie ADJ/ADV (…) auch Auffällig ist, dass unter den subordinierenden Konnektoren dieser Klasse kein einziger ist, der genuin irrelevanzkonditional ist: Die Klasse speist sich aus den Ausdrucksmitteln für Konditionalität (wenn) und (eingebettete oder direkte) Interrogativität (w-, ob). Ferner können die irrelevanzkonditionalen Subjunktoren sämtlich auch in konzessiv interpretierbaren Verknüpfungen auftreten. Dieser Befund fürs Deutsche deckt sich mit dem für andere europäische Sprachen, wobei vielfach der Verbmodus zwischen Konzessivität (indikativisch kodiert) und Irrelevanzkonditionalität (konjunktivisch kodiert) differenziert (vgl. Haspelmath/König 1998: 591).

966

C4 Konditional basierte Konnektoren

Alle irrelevanzkonditionalen Konnektoren sind morphologisch komplex und etymologisch transparent; die Subjunktoren und Einzelgänger zeigen darüber hinaus einen geringen Grad an morphologischer Fusion und sie sind durchweg kompositional erschließbar. Damit zeigen die Ausdrucksmittel für Irrelevanzkonditionalität einen – im Vergleich etwa zu Konditionalität oder Kausalität – geringeren Grad von Grammatikalisierung, was sich auch in ihrer syntaktischen Distribution manifestiert: Einige von ihnen erlauben keine Einbettungskonstruktionen und bilden obligatorisch desintegrierte Strukturen. Sie haben eine Art Hybridstatus zwischen Grammatik und Diskurs („subordiniert, aber nicht eingebettet“ (Axel 2002); „juxtaposed and loosely connected discourse“ (König 1992: 428); „topologisch desintegriert“ (GDS: 2322), „parataktisch“ (König/Eisenberg 1984: 316). Leuschner (2006) beschreibt, basierend auf Daten für das Niederländische, Englische und Deutsche, Irrelevanzkonditionalität als eine permanente „Grammatikalisierungsbaustelle“ (Terminus von Nübling) ohne erkennbare Tendenz hin zu einem Grammatikalisierungsfortschritt oder zur Kondensierung der Formen. Ein Indiz dafür sind irrelevanzkonditional zu interpretierende noch sehr syntagmennahe Strukturmuster wie etwa die – in manchen Umgebungen obligatorische – Kombination irrelevanzkonditionaler Konnektoren mit „Gleichgültigkeitspräfixen“ (König 1994), d. h. Adjektiven und Adverbien wie gleich, gleichgültig, gleichviel, egal, einerlei, wurst, oder mag/mögen in V1- und V2-Sätzen. Irrelevanzkonditionalität kann auch durch unterschiedliche Ausdrücke des Nennwortschatzes ausgedrückt werden, wenn diese durch das disjunktive oder verknüpft werden oder generalisierende und modalisierende Ausdrücke Nonfaktitzität zum Ausdruck bringen. Das Konstruktionsmuster ist auch in diesen Fällen die für die irrelevanzkonditionalen Konnektorkonstruktionen typische Desintegration.  

(1) (2)

So oder so, die Erde wird rot. (Wolf Biermann) Zufall oder nicht, die BerlinerInnen dürfen bei den Wahlen zum Gesamtberliner Abgeordnetenhaus ausgerechnet rosafarbene und lindgrüne Stimmzettel ausfüllen. (die tageszeitung, 01.12.1990, S. 37) Absicht oder nicht – Michael Schumachers Attacke beim Formel-1-Finale bringt ihm Minuspunkte. (Berliner Zeitung, 31.12.1997, S. X) Barschel-Affäre hin oder her – die schleswig-holsteinische FDP will trotz alledem nach der Landtagswahl am 8. Mai mit der CDU koalieren. (die tageszeitung, 14.03.1988, S. 2) Sei dem, wie dem sei – was die Betonung der Silben angeht, ist Englisch so einfach, wie es in seiner Idiomatik und in der Aussprache komplex und unregelmäßig ist: Zweite Silbe – und schon liegt man richtig. (Die Zeit, 07.03.2001, o. S.) Ein Plauderstündchen mit den beiden Besucherinnen möchte der Eisbär gerne abhalten, aber der weiße Riese hat Pech: Er kann sagen, was er will – sie verstehen ihn einfach nicht. (Neue Kronen Zeitung, 20.04.1997, S. 8)  

(3) (4)





(5)



(6)



C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

967

Die Korrelation eines geringen Grads von Lexikalisierung der Formen (einschließlich eines hohen Anteils von Gelegenheitsbildungen), geringer Grammatikalisierung der Konstruktion mit dem semantisch periphereren Status von Irrelevanzkonditionalen kann als Zeichen von Ikonismus beschrieben werden (vgl. Di Meola 1997c, Kortmann 1998, Haspelmath/König 1998): Die „Irrelevanz“ eines Sachverhalts in Bezug auf einen anderen, die semantisch darin liegt, dass der Inhalt des A NTEZEDENS keinerlei Einfluss auf die Wahrheitsbedingungen des K ONSEQUENS hat, spiegelt sich syntaktisch in der fehlenden Einbettung und bloßen parataktischen Konstruktion: Das K ONSEQUENS -Argument wird unabhängig assertiert.

4.4.2 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Bis zu den Arbeiten von Ekkehard König (König 1985, 1986, 1992, 1994, Haspelmath/ König 1998, König/Siemund 2000) wurden die Konnektoren dieser Liste in aller Regel nicht als eigene Klasse ausgewiesen.1 Unterschiedliche Teilmengen des Inventars wurden meist den konditionalen, seltener den konzessiven2 Satzverknüpfungsrelationen zugeordnet oder als Subtypen freier Relativsätze oder eingebetteter Interrogativsätze betrachtet (vgl. den Überblick in König 1994; für ältere Grammatiken Baschewa 1980). Die dafür geprägten Termini erfassen jeweils wichtige Aspekte der Klasse: Inkonditionale (Zaefferer 1991, Hermodsson 1994), konzessive Konditionale/concessive conditionals (so meist bei König), hypothetische Konzessive, irreale Konzessivsätze (Helbig/Buscha 1999: 205) Semifactuals, Gleichsetzungskonditionale (Zaefferer 1987). (Eine Zusammenstellung von Termini bietet Leuschner 2005.) Mit den Arbeiten von König haben sich die hier angeführten Konnektoren und verwandte Konstruktionen in der Fachliteratur als formal stark variierende aber semantisch einheitliche Klasse etabliert, die fürs Deutsche inzwischen zumindest für den Bereich der konjunktionalen Kodierung gut untersucht ist (vgl. etwa neben Königs Arbeiten Zaefferer 1991; Leuschner 1998, 2000, 2006; de Groodt 2002, 2003; de Groodt/Leuschner 2004; Waßner 2006), sich allerdings noch nicht durchgängig in Grammatiken durchgesetzt hat: So ist die Klasse zwar in der in der GDS und in Helbig/Buscha (1999) separat ausgewiesen, nicht aber in der Duden-Grammatik (2005). 1 Eine Ausnahme bilden Boettcher/Sitta (1972: 180–185), die neben den „Teilbereichen“ kausal, konditional, konzessiv einen eigenen „Teilbereich Irrelevanz“ ausweisen, unter dem die auch in diesem Kapitel zusammengefassten Konnektoren aufgezählt werden. 2 Baschewa 1980 fasst in ihrer Dissertation zum „Konzessivsatz im Neuhochdeutschen“ irrelevanzkonditionale Verknüpfungen unter den Gegenstand, was sie zu einer sehr weiten Definition des Konzessivsatzes mit Hilfe des Konzepts der Irrelevanz zwingt: „Durch den Konzessivsatz, in welcher Form er auch auftritt, weist der Sprecher darauf hin, daß der in /S1/ genannte Sachverhalt bzw. die Menge von Sachverhalten als irrelevant in Beziehung zum Sachverhalt in /S2/ zu betrachten ist, unabhängig von dem zwischen ihnen existierenden Zusammenhang.“ (ebd. 64)

968

C4 Konditional basierte Konnektoren

Irrelevanzkonditionale Konstruktionen bewegen sich im Grenzbereich zwischen einer konditionalen und einer konzessiven Relation (vgl. König 1985, 1988; Leuschner 1998, 2005; de Groodt 2003; man vergleiche auch den in der englischsprachigen Literatur eher üblichen Terminus concessive conditionals (König 1986, 1994; König/ van der Auwera 1988; Haspelmath/König 1998). Formal äußert sich dies in Teil-Überschneidungen bei den Ausdrucksmitteln. Der Großteil der irrelevanzkonditionalen Konnektoren ist aus Ausdrucksmitteln für Konditionalität gebildet. Der Subjunktor auch wenn (ebenso engl. even if) kann konzessive, konditionale und irrelevanzkonditionale Relationen bezeichnen (s. C4.3.5). König (1988) hat für ein Sample von 70 Sprachen ermittelt, dass fast alle eine Konstruktion besitzen, die sowohl irrelevanzkonditional als auch konzessiv interpretiert werden kann. Ebenso sind auch für die Bedeutung der Relation konditionale und konzessive Bedeutungsaspekte konstitutiv. Mit der Konditionalität teilen die Irrelevanzkonditionale, dass ein A NTEZEDENS mit offenem Faktizitätswert in Bezug gesetzt wird zu einem K ONSEQUENS . Anders als NT EZEDENS ein Set von Probei den Standardkonditionalen eröffnet aber dabei das A NTEZEDENS positionen, die alternative, jede für sich hinreichende Bedingungen für die Realisierung des K ONSEQUENS darstellen. Formallogisch entspricht dem ein Konditional mit NT EZEDENS menge, nach dem De Morganschen Gesetz einer disjunktiv verknüpfen A NTEZEDENS äquivalent mit einer Konjunktion der einzelnen Konditionale. (7)

Als Studierter, alle Wetter, war er ein gefragter Mann in Sachen Spitze. Ob [genäht]q1, [gestickt]q2 oder [geklöppelt]q3, ob [Maschinen-]q4 oder [Handarbeit]q5, [klassisch]q6 oder [nicht]q7, ob [eigenes künstlerisches Motiv]q8, [ausgeborgt]q9 oder [gänzlich gestohlen]q10, [auf seine Kenntnisse ließ sich bauen]p. (DIV/WBS Berger, Spitzenrausch, S. 7) (q1 Ú q2 Ú q3 Ú q4 …) → p ≡ (q1 → p) Ù (q2 → p) Ù (q3 → p) Ù (q4 → p) Ù …3  

(7a)

Mit der Konzessivität hat die Irrelevanzkonditionalität zwei Aspekte gemeinsam. (i) Das K ONSEQUENS -Argument gilt unabhängig von der Geltung des A NTEZEDENS Arguments als faktisch gesetzt; d. h. keine einzige aus der Menge der A NTEZEDENS bedingungen kann die Gültigkeit des K ONSEQUENS beeinflussen. (ii) Das mit dem A NTEZEDENS eröffnete Set von Propositionen enthält in der Regel mindestens eine, die als eine besonders „unvorteilhafte Bedingung“, ein „Gegengrund“ für die Realisierung des K ONSEQUENS interpretierbar ist.  

3 Die für den Leser vielleicht etwas befremdliche anmutende Symbolisierung einer Bedingung-FolgeRelation in der Form q → p (statt erwartbarem p → q) ist der in A2.1 dargelegten Konvention geschuldet, Konnektorverknüpfungen einheitlich in der Oberflächenabfolge p K q zu notieren, somit immer das externe Konnekt durch p und das interne durch q zu symbolisieren. p und q sind also keine einheitlichen Variablen über semantische Rollen wie ANTEZEDENS und K ONSEQUENS , sondern sie erhalten ihre semantische Rolle erst in einer spezifischen Verknüpfung über die Rollenzuweisung des Konnektors.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

969

So kann man in (7) etwa die A NTEZEDENTIEN NT EZEDENTIEN q4 („nur“ Maschinenarbeit), q7 (nicht klassisch), q9 („nur“ ausgeborgtes Motiv) und q10 (gänzlich gestohlenes Motiv) als in stärkerem Maße hinderlich für die Annahme des im K ONSEQUENS -Argument (p) ausgedrückten positiven Sprecherurteils über den Künstler verstehen. Bei faktischem NTEZEDENS EZEDENS ließen sich diese „ungünstigen“ A NTEZEDENTIEN denn auch in einer konA NT zessiven Relation formulieren: (7b)

Obwohl die Spitzen nur Maschinenarbeit waren/nicht klassisch waren/das Motiv nur ausgeborgt war/das Motiv gänzlich gestohlen war, ließ sich auf seine Kenntnisse bauen.

Das externe Konnekt in subordinativ kodierten Irrelevanzkonditionalen wie (7) ist NTEZEDENS EZEDENS -K K ONSEQUENS also bestenfalls im Sinne des in A3 eingeführten abstrakten A NT Schemas für konditional basierte Relationen als K ONSEQUENS -Argument zu bezeichOL GE aus dem im internen Konnekt nen, es hat aber nicht die semantische Rolle einer F OLGE bezeichneten Set von Bedingungen. Diese werden ja gerade als irrelevant für das Zustandekommen des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts dargestellt. Aus diesem Grund erhält im Argumentabbildungs-Schema das K ONSEQUENS keine eigene semantische Rolle.

Abb. C4.4-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei irrelevanzkonditionalen Subjunktoren (A A NTEZEDENS -markierend)

Für die rollensemantische Struktur irrelevanzkonditionaler Adverbkonnektoren sind zwei Fälle zu unterscheiden. (i) Doppelmarkierungskonstruktionen Ein irrelevanzkonditionaler Subjunktor im Antezedens tritt zusammen mit einem irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektor im Konsequens der Verknüpfung auf. Diese Art der Doppelmarkierungskonstruktion kommt auch bei Konzessivkonnektoren vor und darf nicht mit den bei kausalen und konditionalen Konnektoren auftretenden Korrelatkonstruktionen verwechselt werden. (Zur Unterscheidung s. C4.3.2.3.)

970

C4 Konditional basierte Konnektoren

Abb. C4.4-2: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei irrelevanzkonditionalen ONSE QUENS - und A NTEZEDENS -markierend zugleich) Doppelmarkierungs-Konstruktionen (K K ONSEQUENS

(ii) Allein auftretende irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren Tritt ein irrelevanzkonditionaler Adverbkonnektor allein auf, verknüpft er sein Trägerkonnekt nicht mit der im voraufgehenden Konnekt direkt ausgedrückten Proposition, sondern mit einem nicht explizit formulierten Set von Antezedentien, das vom Adressaten zu erschließen ist. Dieses kann einigermaßen konkret und abgrenzbar auf der Basis des Vortexts ableitbar sein, – der Vortext bezeichnet dann eine der irrelevanten Bedingungen. Das Set von Antezedentien kann aber auch via Allquantifikation über den im Vortext ausgedrückten Sachverhalt zustande kommen, der dann nachträglich durch den Adverbkonnektor als ein exemplarischer Fall von allen denkbaren Fällen dargestellt wird, die allesamt keinen Einfluss haben auf das Zustandekommen des im Trägerkonnekt bezeichneten Sachverhalts: was auch immer der Fall ist (und q ist einer dieser Fälle), es gilt p. (8)

Allerdings weiß niemand, wer die bezahlt. Ist sowieso alles völlig unklar. (die tageszeitung, 04.01.1997, S. 5) → Egal, wer die bezahlt, es ist (sowieso) alles völlig unklar. → Egal ob die überhaupt bezahlt werden oder nicht, es ist (sowieso) alles völlig unklar. → Was auch immer passieren mag, es ist (sowieso) alles völlig unklar.  

Ein entscheidender Unterschied zu den A NTEZEDENS -markierenden Irrelevanzkonditionalen besteht darin, dass bei der K ONSEQUENS -Markierung das A NTEZEDENS , da es ein illokutiv selbständiger Deklarativsatz ist, in seinem Faktizitätswert nicht mehr offen ist (und deshalb auch streng genommen gar keine Bedingung mehr darstellt). Es ist weniger eine irrelevante Bedingung, über deren Geltung nichts ausgesagt wird, als vielmehr ein irrelevanter Sachverhalt, dessen Geltung der Sprecher mit dem Deklarativsatz assertiert hat. Hierin gleichen diese irrelevanzkonditionalen Konstruktionen den Konditionalen, bei denen ohne zusätzliche Modalisierung des A NTEZEDENS die Form einer parataktischen Verknüpfung mit K ONSEQUENS -Markierung ausgeschlossen ist.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(9a) (9b) (9c)

971

Wenn der Fuchs sehr hungrig ist, dringt er auch in Hühnerställe ein. #Der Fuchs ist sehr hungrig. Dann/in diesem Fall dringt er auch in Hühnerställe ein. Der Fuchs ist möglicherweise sehr hungrig. Dann/in diesem Fall dringt er auch in Hühnerställe ein.

Abb. C4.4-3: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei irrelevanzkonditionalen ONSE QUENS markierend) Adverbkonnektoren (K K ONSEQUENS

Mit den Konditionalverknüpfungen teilen die Irrelevanzkonditionalen die Modusvariabilität: Sie treten auch als hypothetische (10, 11) und kontrafaktische Strukturen (12) auf. (10)

Selbst wenn sie den dritten Platz erreichen würde, bekäme sie bei diesem schwach dotierten Rennen nur ein Preisgeld von 600 Mark. (die tageszeitung, 29.07.1997, S. 20) Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. (Lutherbibel, 1. Korinther 13) Der Preis, den anderenfalls alle HamburgerInnen zahlen müssten, wäre zu hoch. Und hätte die Stadt noch so viele Silberlinge eingesackt, die ihr wieder durch die Finger rinnen. (die tageszeitung, 26.04.2003, S. 25)  

(11)

(12)



Die ausgeprägte Antepositionstendenz der kanonischen Konditionalverknüpfungen teilen die irrelevanzkonditionalen nicht in gleichem Maße. Während bei den KonNT EZEDENS – K ONSEQUENS die umgekehrte Abfolge ditionalen die ikonische Abfolge A NTEZEDENS deutlich überwiegt (je nach Textgattung und Zählweise im Verhältnis 2:1 bis 5:1, vgl. Dancygier 1998: 145 f.), ist dieses Verhältnis bei den Irrelevanzkonditionalen nicht in gleichem Maße ausgeprägt. Nach Leuschner (2005: 298) besteht insgesamt ein leichtes Übergewicht von Postposition; da die einzelnen Konnektoren aber sehr unterschiedliche Positionstendenzen aufweisen (s. C4.4.3.3), ist eine so pauschale Angabe wenig aussagekräftig.  

972

C4 Konditional basierte Konnektoren

Von den kanonischen Konditionalen unterscheiden sich Irrelevanzkonditionale ferner darin, dass bei ihnen die Inferenz einer „Konditionalverstärkung“ nicht möglich ist. Hierbei wird die Bedingung als notwendig für das Zustandekommen des K ONSEQUENS interpretiert, d. h. in einer Konditionalverknüpfung, p wenn q wird aus der Relation q → p pragmatisch auf die Relation ¬q → ¬p geschlossen. Bei Irrelevanzkonditionalen gilt das K ONSEQUENS (p) aber unter allen Bedingungen, sodass keine der Bedingungen aus dem Set von A NTEZEDENTIEN (q1-n) eine notwendige Bedingung sein kann. (vgl. König 1986: 236, Zaefferer 1987: 276.) Einen weiteren Unterschied zwischen Konditionalen und Irrelevanzkonditionalen sieht Zaefferer (1987: 265) in der „Existenzimplikatur“, dass mindestens eine der alternativen Bedingungen auch tatsächlich der Fall ist oder der Fall sein wird. Dieser Aspekt geht bei der Transformation in eine Verknüpfung disjunktiv verknüpfter wennPhrasen verloren. In ihren Formen und in der semantischen Struktur scheinen irrelevanzkonditionale Verknüpfungen mehr mit Konditionalen als mit Konzessiven gemeinsam zu haben, in ihrer Diskursfunktion ähneln sie dagegen mehr den Konzessiven. Sie sind die monologische Simulierung eines Dialogs, bei dem jedweder potentielle Einwand des Gesprächspartners von vorneherein als unmaßgeblich degradiert und abgewehrt wird. Die eigene Position wird damit als unangreifbar dargestellt. Insbesondere kommissiven und direktiven Sprechakten kann dadurch ein hoher Nachdruck verliehen werden.  

(13)

Wie auch immer die Umstände sein mögen, ich werde x machen./mach x!

4.4.3 Subtypen der Irrelevanzkonditionalität Mit König (1986), Haspelmath/König (1998) und Leuschner (2006) lassen sich drei im Konnektoreninventar und in den Konstruktionstypen distinkte Subtypen ausmachen, die unterschiedliche Strategien zur Quantifizierung über die A NTEZEDENS - Menge repräsentieren. Bei allen drei Typen besteht eine – wenngleich in unterschiedlichem NT EZEDENS -Arguments und zu Grade – ausgeprägte Tendenz zur Anteposition des A NTEZEDENS desintegrierter Stellung an der Nullstelle. Die drei Typen können durch Paraphrasen ineinander überführt werden, sind aber nur sehr eingeschränkt formal kontaminierbar. (i)

alternative Irrelevanzkonditionale

(14a)

Egal, ob Rotgrün oder Schwarzgelb oder eine große Koalition in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt. Sei es, dass Rotgrün, sei es, dass Schwarzgelb, sei es, dass eine große Koalition in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt.

(14b)

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

973

(ii)

universale Irrelevanzkonditionale

(14c)

Wer auch immer in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt. In Berlin mag regieren, wer will, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt. So/Wie viele Gesetze die Regierung in Berlin auch erlässt, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt.

(14d) (14e)

(iii)

skalare Irrelevanzkonditionale

(14f)

Selbst/sogar/auch/und wenn eine große Koalition in Berlin regiert, werden die Rahmenbedingungen anderswo gesetzt/die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt.

Haspelmath/König (1998: 574) ordnen diesen drei Typen auch Adverbkonnektoren zu: alternative Irrelevanzkonditionale: universale Irrelevanzkonditionale: skalare Irrelevanzkonditionale:

sowieso jedenfalls, auf alle Fälle, in jedem Fall ohnehin, ohnedies

Mit den konjunktionalen Konnektoren sind allerdings sehr viel schärfer profilierte, distinkte Konstruktionsmuster verbunden und der jeweilige semantische Subtyp ist in der Etymologie der Konnektoren transparenter. Aus diesem Grund wird im Folgenden bei der Beschreibung der Subtypen von den Adverbkonnektoren zunächst abgesehen. Diese werden in einem separaten Kapitel (s. C4.4.5) behandelt.

4.4.3.1 Alternative Irrelevanzkonditionale: ob, sei es Bei diesem Typ werden Instanzen aus der Menge der A NTEZEDENS -Bedingungen in Form einer disjunktiven Koordination einzeln aufgezählt. Die Koordination kann asyndetisch oder mit dem disjunktiven Konjunktor oder signalisiert werden, der Konnektor selbst kann repetitiv auftreten. Je mehr Alternativen aufgezählt werden, desto variabler sind die Formen (vgl. auch Waßner 2006). (15a) (15b) (15c) (15d)

ob/sei es q1 oder q2 (…), p (Bsp. 17, 18, 20, 23) ob/sei es q1 oder ob/sei es q2 (…), p (Bsp. 19) ob/sei es q1, ob/sei es q2 (…), p (Bsp. 21, 22) ob/sei es q1, q2, q3 (…) p (Bsp. 24)  







974

C4 Konditional basierte Konnektoren

Beide irrelevanzkonditionalen Konnektoren des alternativen Typs sind syntaktische Einzelgänger (vgl. HDK-1: C3.7 und C3.8). Sie lassen Einbettung des internen Konnekts nicht zu und bilden obligatorisch desintegrierte Strukturen. Ob zeigt in Belegen überwiegend Anteposition des internen Konnekts, bei sei es finden sich Postposition und Einschub deutlich häufiger. Beide Konnektoren lassen sich auf Satzeinbettungs-Konstruktionen zurückführen: ob als Kopf eines indirekten Fragesatzes, der unter ein nicht notwendig explizit formuliertes Gleichgültigkeitsprädikat eingebettet wird wie in (16), sei es bezeichnet den Einbettungsrahmen selbst. Einbettungskonstruktion: (16a)

„Ich will jungen Menschen helfen“, sagt er. „Und es ist scheißegal, ob sie weiß, schwarz, Türke oder was auch immer sind.“ (die tageszeitung, 05.05. 2007, S. 29)  

irrelevanzkonditionale Konnektorverknüpfung: (16b)

(Egal) ob weiß, schwarz, Türken oder was auch immer, ich will jungen Menschen helfen.

Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen mit ob lassen einen sehr viel größeren Variationsspielraum zu als die bei Haspelmath/König (1998) ausschließlich erwähnte Disjunktion einer Proposition mit ihrem negierten Pendant. Die A NTEZEDENS NT EZEDENS -Bedingungen können sowohl erschöpfend aufgezählt sein als auch exemplarisch für die gesamte Menge gedacht sein. Der klarste Fall für eine geschlossene Liste von Alternativen ist die oder-Verknüpfung einer Proposition mit ihrer Negation; hier ist die Exhaustivität durch die Disjunktion kontradiktorischer Propositionen logisch als Tautologie gegeben. (Dass die Konditionalverstärkung bei Irrelevanzkonditionalen nicht funktionieren kann, kommt bei diesem Typ am deutlichsten zum Ausdruck.) Die negierte Proposition repräsentiert hier meist die konzessivtypische ungünstige Bedingung. Aber auch Propositionen, die aufgrund ihrer lexikalischen Bedeutung oder im gegebenen Kontext als Kontradiktionen zu interpretieren sind (20, 21), können als Instanzen dieses Typs gelten. (17)

Ob wir hier rauskommen oder nicht, die Sache ist zu Ende. Finito! (DIV/SHT Schädlich, Trivialroman, S. 70) „Ich werde sie heiraten, ob es der Sippe passt oder nicht!“ (DIV/RMR Müller, Ritter, S. 670) Ob es praktische Gründe gab oder ob geschickte Gipfel-Regie dahintersteckte – sicher ist: Das Schulzentrum am Fuß des Petersbergs, wo Journalisten aus der ganzen Welt am Freitag auf Ergebnisse der ersten Gesprächsrunde  

(18)



(19)

975

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

der Regierungschefs unter deutscher Präsidentschaft warteten, paßte zum gewünschten Image des Ereignisses. (die tageszeitung, 01.03.1999, S. 7) Ob glücklich oder nicht, ob in Liebe oder im Haß, das wiegt nicht viel. (WAM/EIP Walser, Ehen, S. 143) Ob aus Selbstlosigkeit, ob aus egoistischer Absicht: wichtig ist die gute Tat. (Kleine Zeitung, 01.10.2000, o. S.)  

(20)



(21)



Im Fall exemplarischer Aufzählungen werden meist mehr als zwei Bedingungen disjunktiv verknüpft; ihren exemplarischen Charakter kann der Adressat über eine konversationelle Implikatur erschließen. In diesem Fall sind die Bedingungen oft gleichgewichtig irrelevant und keine ist als besonders ungünstig ausgezeichnet. Auch Kombinationen beider Arten von Aufzählungen wie in (19) oder (1) kommen vor. (22) (23)

Ob schwarz, ob blond, ob braun, ich liebe alle Frauen. Ob bewaffnet oder unbewaffnet, an oder hinter der Front, ob Erkundungsflug oder Übung, ob als Arzt oder Sani, wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um. Haben Sie das Ihrem Ray nicht gesagt? (DIV/WBL Berger, Laura, S. 194) Ob in Restaurants, in öffentlichen Gebäuden, am Arbeitsplatz, im Taxi (wo diese Unsitte besonders gräßlich praktiziert wird): Alle europäischen Staaten sollten das Verbot der Tabakwerbung zum Anlaß für einen weiteren Zivilisierungsschritt nehmen. (Berliner Zeitung, 06.12.1997, S. 4)  

(24)



Alternative Irrelevanzkonditionale mit offener Antezedentien-Menge nähern sich dem Typ der universalen Irrelevanzkonditionale. Kombinationen mit allquantifizierenden Elementen machen dies explizit. Eine scheinbar geschlossene Alternativenmenge kann durch Anfügung eines w- auch immer zu einer offenen Menge erweitert werden (25, 26, 27). Umgekehrt können bei universalen Irrelevanzkonditionalen aus einer offenen Menge durch Anfügung von ob (…) bzw. sei es (…) exemplarisch zwei oder mehr Elemente herausgegriffen werden (28). (25)

(26)

Der „Flugi-Ball“ verspricht einmal mehr […] alles, was das Fasnächtlers Herz höherschlägen lässt. Das Motto des Abends ist frei; egal ob Hexen, Clowns oder was für Gestalten auch immer, an Ideenreichtum und Originalität der Bögen sind keine Grenzen gesetzt. (Bsp. aus Waßner 2006: 386) Auch heute ist „der Josef“, wie er gerufen wird, in der Anlage unentbehrlich, egal, ob es um Werkzeug, Schrauben, spezielle Holzkonstruktionen oder sonstwas Handwerkliches geht. (Oberösterreichische Nachrichten, 24.07. 1996, o. S.) Aber der Euro hat keine sinnvolle Bedeutung als Schritt hin zu grösserer europäischer Einheit, ob als Staatenbund, als Bundesstaat oder was auch immer. Nicht realistisch, nicht klug. (Zürcher Tagesanzeiger, 06.06.1997, S. 2)  

(27)



976

(28)

C4 Konditional basierte Konnektoren

„Wer auch immer gegen mich spielen wird, ob Löhr, Haller, Held oder Ulsaß. Sie sind alle sehr stark. (Bildzeitung, 26.04.1967, S. 6)  

Der formale Variationsspielraum der alternativen Irrelevanzkonditionale wird noch dadurch erhöht, dass Indifferenzmarker („Gleichgültigkeitspräfixe“) wie egal, (ganz) gleich, gleichviel, ungeachtet, unabhängig davon, einerlei u. ä. hinzutreten können: auch diese zeigen, dass zwischen dem alternativen und dem universalen Typ eine fließende Grenze besteht. In der Kombination mit einem Indifferenzmarker genügt auch die Nennung nur einer Alternative: die Interpretation ist dann die der Tautologie (30, 31):  

(29)

Egal ob Rap, Soul, Rock oder Pop – für jeden Musikgeschmack war etwas mit dabei. (Mannheimer Morgen, 05.06.2000, o. S.) Ganz gleich, ob der utopische Raketen-Abwehrschirm jemals auch nur halbwegs perfekt funktionieren kann: Moskau sieht im amerikanischen Streben, ein umfassendes Verteidigungssystem im Weltraum aufzubauen, den gezielten Versuch, die bisherige nukleare Parität aus den Angeln zu heben. (Bsp. aus GDS: 2320) Egal, ob diesmal das Milliardenspektakel ein Erfolg wird, Tsutsumis Plan ist in allen Punkten aufgegangen. (Bsp. aus Waßner 2006: 383)  

(30)

(31)

Die im 19. Jh. noch mögliche Verwendung von ob ohne Indifferenzmarker und Alternativenaufzählung, die aus der ehemals konditionalen Bedeutung des ob herrührt und eher der heutigen Bedeutung von auch/selbst wenn entspricht, ist im Gegenwartsdeutschen nicht mehr möglich. (32)

behaglich schlummerst du im harem am mittag, ob drauszen in der hitz ein fremder schmachten mag. (Rückert, Bostan 17, 7; Bsp. aus DWB, o. S.) ob meine seele blute, ich gebe mich in seinen willen (Grabbe 1, 14, nach DWB, o. S.)  

(33)



Alternative Irrelevanzkonditionale sind als Einbettung eines indirekten Fragesatzes unter ein „Indifferenzprädikat“ zu rekonstruieren: es ist egal, ob (…)/es ist gleichgültig, ob (…). Nach dem Wegfall der Kopula kann das verbleibende adjektivische Prädikat auch als Bestandteil eines mehrteiligen Konnektors reanalysiert werden; interpunktorisch ist es heute meist nicht mehr von der Subjunktorphrase getrennt (Leuschner 2005: 291). Das Adjektiv gleichviel hat sich im Gegenwartsdeutschen nur in der Kombination mit irrelevanzkonditionalen ob- oder w-Phrasen erhalten, einerlei ist auf dem Weg dazu. Nach Baschewa (1980: 209 f.) ist dieses Muster erst ab ca. 1800 paradigmenbildend geworden. Beim zweiten irrelevanzkonditionalen Konnektor des alternativen Typs, sei es (…) (oder) sei es ist aufgrund der verbalen Herkunft die ursprüngliche SatzeinbettungsKonstruktion noch deutlicher. In HDK-1 (624–628) wurde es als koordinierender  

977

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

Einzelgänger beschrieben, der keine satzförmigen Konnekte haben kann. Tatsächlich ist das interne Konnekt meist ein Adverbiale in Form einer PP, Infinitiv-, Adjunktoroder Subjunktorphrase. Doch sind als finite interne Konnekte neben dass-Sätzen auch Verbzweitsätze belegt (38, 39). Damit gleicht sei es eher den konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern angenommen, vorausgesetzt usw., die ebenfalls aus einem verbalen Einbettungsrahmen herzuleiten sind. Verknüpfungen mit sei es kommen fast nur in der Form der Aufzählung spezifizierter Alternativen sei es q1 oder sei es q2 (bzw. variierend in der Form sei es q1 oder q2; sei es q1, sei es q2) vor und nicht als Verknüpfung einer Proposition mit ihrer Negation sei es q oder nicht q. (34)

Immer mehr Berliner kehren ihrer Heimatstadt den Rücken. Sei es, um überhaupt einen Job zu finden, sei es um ein neues Leben anzufangen. (die tageszeitung, 07.10.2005, S. 22) Karry war immer einsatz- und leistungsbereit. Das erwartete er auch von seinen Mitarbeitern, sei es früher in seiner Firma oder später in seinem Ministerium. (Frankfurter Allgemeine, 10.05.2001, o. S.) Und darum sagen sie diesmal Nein, sei es, weil sie der Ansicht sind, dass die Währungsunion nur mit einem politischen Überbau funktionieren kann, den sie ablehnen, oder sei es auch nur, weil sie der EU und der eigenen Regierung einen Denkzettel verpassen wollen. (Kleine Zeitung, 22.09.2000, o. S.) Sei es, dass ein großes Projekt bewältigt werden will, sei es, dass massive Änderungen im Leben anstehen oder sei es, dass man sich die Verwirklichung eines großen Wunsches vorstellt – oft wirkt das, was wir erreichen wollen oder müssen unfassbar groß. (http://www.zeitzuleben.de/blog/1/zitat-der-woche.html) Urlaub in Indonesien zu machen ist eine gute Entscheidung. Sei es man bucht eine organisierte Tour oder man fliegt auf eigene Faust dort hin. (http://www.info-indonesien.de/indo/reise/reise0.htm) Wir feiern ihn aber auch, weil wir damit die Gelegenheit haben, ein Stück weit diesen Alltag eines Alten- und Pflegeheimes öffentlich zu machen und mit diesem Tag die Gelegenheit haben, allen Mitarbeitern dieses Hauses, sei es sie kommen aus der Pflege, der Betreuung, der Wäscherei und Reinigung, der Küche, der Haustechnik oder der Verwaltung, herzlichen Dank zu sagen für ihr Engagement, für ihren Einsatz und für ihre Kraft, die sie benötigen bei ihrer Arbeit, ganz gleich, auf welchem Posten und auf welcher Station sie sind. (http://www.diakoniealteneichen.de/typo/index.php?id=184&tx_ttnews%5 Btt_news%5D=86&tx_ttnews%5BbackPid%5D=66&cHash=15f05f603e)  

(35)



(36)



(37)

(38)

(39)

Sei es weist gegenüber allen anderen Konnektoren eine Besonderheit auf: es ist – in einem sehr eingeschränkten Paradigma – flektierbar. Wenn die Alternativen durch eine pluralische Subjekts-NP bezeichnet werden, ist Numeruskongruenz obligatorisch und der Konnektor erscheint dann in der Pluralform seien. Die Pluralform erscheint

978

C4 Konditional basierte Konnektoren

überwiegend in der Variante seien q1 (= Plural-NP) oder q2, doch ist auch die repetitive Variante wie in (41) belegt. Auch die Flexionsvariante in der 2. Person Singular sei(e)st du q1 oder q2 (42, 43) tritt gelegentlich auf. (40)

Denn aus Sicht des Landes Baden-Württemberg sind religiöse Bekenntnisse von Lehrkräften, seien sie nun Christen, Muslime oder Hindus, an öffentlichen Schulen allesamt des Teufels – das jedenfalls war die Rechtsauffassung, die das Land dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vortrug, als es um das Kopftuch ging. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 09.10.2003, S. 6) Unsere Bücher – seien es Gedichte, sei es Prosa, seien es Übersetzungen oder Forschungsarbeiten – lagern hinter verschlossenen Türen. (Frankfurter Rundschau, 05.04.1997, S. 7) „Leser, seist du nun Dilettant oder Berufsmusiker, erwarte in diesen Kompositionen keine profunde Gelehrsamkeit, sondern eher ein heiteres, sinnreiches Spiel mit der Kunst, das dich der Meisterschaft des Cembalospiels näherbringen soll.“ (Domenico Scarlatti, Vorwort zur Sonatensammlung „Essercizi per Gravicembalo“. http://www.erik-reischl.de/text_scarlatti_de.htm) Also ich verstehe beim besten willen nicht, wie du nebenkosten umgehen möchtest, seist du nun mieter oder eigentümer. (http://www.shortnews.de/ start.cfm?id=599024)  

(41)



(42)

(43)

4.4.3.2 Universale Irrelevanzkonditionale: w- auch immer, egal w-; so/wie GRADP auch immer Bei den universalen Irrelevanzkonditionalen wird die Menge der Propositionen, deren Wahrheit irrelevant ist für die Wahrheitsbedingungen des internen Konnekts, durch eine Allquantifizierung über eine Variable instantiiert. Diese wird durch einen w-Ausdruck oder durch einen mit so oder wie modifizierten graduierbaren Ausdruck repräsentiert. Obligatorisch ist das Auftreten der Partikeln auch, immer oder kombiniert auch immer, die für die Generalisierung und die Festlegung auf nichtspezifische Referenz entscheidend sind. Diese Kombinationen führen semantisch die mhd. Indefinitproformen swër/swaz/swie/swâ (aus so + w-) = ‚wer/was/wie/wo auch immer‘ weiter. Die spezifischen Ausdrücke, mit denen im Deutschen universale Irrelevanzkonditionale ausgedrückt werden, wurden in HDK-1 nicht als Konnektoren ausgewiesen, zum einen, da die Formen mit der w-Variablen und der Vielfalt der beteiligten Partikeln insgesamt sehr variabel sind, zum anderen, da die entsprechenden Strukturen weitgehend kompositional als Syntagmen erschließbar sind, nämlich im Fall der wauch immer-Formen als modifizierte Freie Relativsätze. Im Rahmen der Konnektorensemantik werden diese Strukturen als „komplexe Konfigurationen“ (GDS: 2319) hier der Vollständigkeit halber mit angeführt; zudem unterliegen die Kombinationsmuster beschreibbaren Beschränkungen.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(i) (ii)

979

w- / wie GRADP / so GRADP+ auch/immer/auch immer/immer auch p, q Indifferenzmarker (egal/gleich)+ w-/wie GRADP p, q

dabei steht GRADP für jede Form einer Phrase mit einem graduierbaren Ausdruck; meist handelt es sich um Adjektive (wie/so schön/müde/schnell) oder Adverbien (wie/ so oft/gern/selten). Graduierbare Verben können in dieser Funktion bei so nur in der Kombination mit einer Intensitätspartikel auftreten (so sehr er sich auch bemühte, s. (48)), bei wie mit und ohne Intensitätspartikel (wie sehr er sich auch bemühte/wie er sich auch bemühte, s. (49, 50)). (44)

Wozu auch immer die 30 Abgeordneten der Partei von Gregor Gysi einen Antrag stellen, er stößt auf Ablehnung – selbst wenn er noch so vernünftig ist. (Frankfurter Rundschau, 23.02.1998, S. 11) Was immer der Grund gewesen sein mag, auf einmal flogen auf der Tanzfläche die Fäuste. Im Nu war eine regelrechte Massenkeilerei im Gange. (Tiroler Tageszeitung, 26.04.1996, o. S.) Ja, wir akzeptieren den ausgehandelten Kompromiß, wie inkonsequent er auch ist. Oder die Politik stoppt die als unsinnig empfundene Reform. (Oberösterreichische Nachrichten, 11.08.1997, o. S.) So müde die Akrobaten aus aller Welt am Ende einer langen Saison auch sein mögen: Den Auftritt in der schwäbischen Turn-Metropole sagen die wenigsten ab. (Frankfurter Allgemeine, 24.11.1997, o. S.) So sehr sich Martina Hingis und Partnerin Anna Kurnikowa auch duckten und streckten, das Doppelfinale im Moskauer Kreml-Cup gegen Halard-Decugis/Sugiyama verloren sie in drei Sätzen. (Berliner Zeitung, 31.10.2000, S. 35) Wie sehr wir uns auch bemühen, die traditionellen öffentlichen Gesundheitsprogramme können nicht den negativen Einfluß sozialer Unterschiede und Ungerechtigkeiten wettmachen“, sagte der Präsident des vorletzten Welt-Aids-Kongresses in Amsterdam. (Salzburger Nachrichten, 10.08.1994, o. S.) Doch wie sie auch schrie und versuchte, vom Unrat wegzuhinken, sie kam nicht von der Stelle (http://gutenberg.spiegel.de/index.php?id=5&xid=628 &kapitel=171&cHash=06c019ea932#gb_found)  

(45)



(46)



(47)



(48)



(49)



(50)

Kaufmann (1974: 15) zitiert eine Konstruktion ohne Indifferenzmarker, die er als „äußerst selten“ bezeichnet. Leuschner (2005) gibt an, im DeReKo keine solchen Belege gefunden zu haben. (51)

Was es im Laufe der Zeiten an Gebietserweiterungen und -verlusten gegeben hat, der Name Bayern ist haften geblieben an dem berühmten Fünfeck zwischen Lech, Donau, Böhmerwald, Inn-Salzach und dem Alpenrand. (Bsp. aus Leuschner 2005: 39)

980

C4 Konditional basierte Konnektoren

Zu den universalen Irrelevanzkonditionalen sind auch Strukturen zu rechnen, in denen eine w-Phrase im Skopus eines Indifferenzmarkers wie (ganz) egal, (ganz) gleich steht (engl. no matter wh-), der aus einem Kopulasatz als Matrixsatzstruktur (Es ist ganz gleich/egal, w-; It does not matter wh-) verkürzt wurde. Der vorangestellte Indifferenzmarker erfüllt die gleiche generalisierend-quantifizierende Funktion wie die nachgestellten Partikeln; die beiden Strukturen können deshalb schlecht vermischt werden (*egal, w- auch immer); vereinzelt vorkommende entsprechende Belege wie (55) sind nicht zweifelsfrei akzeptabel. (52)

Die wirklichen Gewinner des Prozesses stehen dafür schon heute fest: die Rechtsanwälte der Kläger. Ihre Gagen sind ihnen sicher – egal wie das Urteil am Ende ausfallen wird. (Berliner Zeitung, 24.11.2004, S. 4) Dafür gab es kein UN-Mandat und darum war dieser Krieg völkerrechtswidrig – ganz gleichgültig, was ein paar sehr willfährige Juristen in letzter Minute noch an Gutachten zusammengekleistert hatten. (Berliner Zeitung, 31.05.2003, S. 4) Wer Staatsbürger ist, hat Recht auf Schutz durch den Staat, ganz wurst wo man sich aufhält. (http://www.wer-weiss-was.de/theme183/article3288260. html) Egal was auch immer man unternimmt: man sollte eine Karte dabei haben. (http://www.gipfeltreffen.at/archive/index.php/t-1619.html)  

(53)



(54)

(55)

W-Phrasen können in universalen irrelevanzkonditionalen Verknüpfungen auch „gestapelt“ werden, dabei können auch Mischungen mit dem alternativen Typ (ob/sei es … oder) vorkommen. Typisch ist etwa der Abschluss einer Alternativenreihe durch das maximal generalisierende was/wie auch immer. Indem mehr als ein Umstand oder Beteiligter eines Sachverhalts als irrelevant für das Zustandekommen des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts dargestellt wird, kann dessen bedingungslose und unumstößliche Geltung besonders betont werden. (56)

Folter bleibt Folter. Egal wer sie wann aus welchem Grunde vornimmt. (die tageszeitung, 26.11.2004, S. 12) Wurst, was gegeben wird, in der Schaubühne, bei Hebbels oder im Schillertheater, besser in der -werkstatt, oder in der Oper, im Schauspielhaus, wo immer auch – es ist das Drumherum, was zählt und nicht die Kunst. (die tageszeitung, 11.07.1992, S. 31) Der ganze Kult um den Bären ist uns nur recht, seien es nun Uhren, Taschen, Handtücher oder was auch immer. Hauptsache Bär. (die tageszeitung, 09.08.1997, S. 28)  

(57)



(58)



Das interne Konnekt einer w-auch-immer-Form ist in mehr als der Hälfte der Belege kein vollständiger Satz sondern eine PP (aus welchen Gründen auch immer, in welcher

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

981

Form auch immer), NP (was auch immer), AdvP (wie auch immer) oder AdjP (ein wie auch immer geartetes X). (59)

Bringt die besten Leistungen, egal wie, aber laßt euch nicht erwischen. (die tageszeitung, 03.02.1998, S. 15) Im Hintergrund dessen steht einerseits die Befürchtung, Ungarn könne im Falle einer wie auch immer gearteten Teilnahme an militärischen Schlägen gegen Rest-Jugoslawien in den Krieg hineingezogen werden. (die tageszeitung, 29.04.1993, S. 8) Wie auch immer: Die Sache mit dem Baustopp hätte sich Berlin auch früher überlegen können. (die tageszeitung, 30.12.2000, S. 23)  

(60)



(61)



Solche elliptischen w-Phrasen finden sich auch häufig in ihr externes Konnekt eingeschoben. (62)

Ebensowenig kann es [= Frankreich] barbarisches Vorgehen, von welcher Seite auch immer, hinnehmen, das sich in Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung oder Akten ethnischer Säuberung auswirkt. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.) Wer seine Postkarte bis spätestens Dienstag mittag in der Villacher Redaktion der Kleinen Zeitung deponiert (auf welchem Weg auch immer), hat tolle Chancen auf einen amüsanten Gratis-Abend. (Kleine Zeitung, 19.06.1999, o. S.)  

(63)



w-auch-immer-Phrasen können auch eingebettet erscheinen, nämlich dann, wenn sie eine Komplement- oder (seltener) Supplementstelle ihres Matrixsatzes besetzen, die mit der durch den w-Ausdruck selbst kodierten syntaktischen Funktion übereinstimmt. Diese Struktur entspricht syntaktisch der von Freien Relativsätzen: die satzförmige w-Phrase, eine Subjunktorphrase, füllt eine Komplement- bzw. Supplementstelle des übergeordneten Satzes und bezeichnet keine Proposition, sondern einen Term oder ein Adverbiale. Da w-Relativsätze semantisch ihrerseits bereits generalisierenden Charakter haben können, ist eine Kontamination mit der Struktur der universalen Irrelevanzkonditionale nachvollziehbar. (64)

Wer auch immer dem Tier begegnet, wird gebeten, am besten die Polizei zu informieren (Tel. 224 60 00). (St. Galler Tagblatt, 31.08.1999, o. S.) Wer auch immer etwas anpacken und zwischen den USA und der Schweiz Austauschprozesse lancieren will, kann bei Share seine Ideen vorstellen und ein Gesuch einreichen. (St. Galler Tagblatt, 19.10.2000, o. S.) Wie oft er auch versuchte, einen Anfang zu finden, ließ ihn ihr besorgter Blick verstummen. (DIV/GFT Fündgens, Ticket, S. 86)  

(65)



(66)



982

C4 Konditional basierte Konnektoren

Einen Übergang zwischen den Konstruktionen mit generalisierenden Relativsätzen und den universal-irrelevanzkonditionalen Konnektorkonstruktionen repräsentieren Linksversetzungen. In (67) ist der Matrixsatz ohne den w-Relativsatz, der die Subjektstelle besetzt, semantisch und syntaktisch unvollständig und somit kann es sich nicht um eine Konnektorkonstruktion handeln. In der Linksversetzungskonstruktion (68) ist der Matrixsatz zwar syntaktisch vollständig, das Pronomen im Vorfeld ist aber referenzidentisch mit dem durch die w-Phrase bezeichneten Term. In (69) schließlich liegen zwei unabhängige Sätze vor, die allenfalls semantisch, durch einen losen, nicht syntaktischen referentiellen Zusammenhang miteinander verbunden sind: Ein im K ONSEQUENS auftretendes Pronomen (sie) wird durch einen Ausdruck im A NTEZEDENS (die Mannschaft) gebunden, aber nicht wie in (68) durch das A NTEZEDENS selbst. (67)

Was immer von der frühern Bausubstanz und -ausstattung erhalten werden kann, wird wiederverwendet. (St. Galler Tagblatt, 31.01.1998, o. S.) Was immer auch knapp vor oder während des Aufpralls der Swissair McDonnell Douglas MD-11 geschehen ist, es muß fürchterlich gewesen sein. (Kleine Zeitung, 05.09.1998, o. S.) Was auch immer er der Mannschaft in der Kabine gesagt haben mag, im letzten Abschnitt kamen sie nicht mit heißem Zorn, sondern mit kalter Wut aufs Eis. (Frankfurter Rundschau, 21.10.1998, S. 18)  

(68)



(69)



Universale Irrelevanzkonditionale sind häufig von allquantifizierenden Elementen wie stets, nie, auf jeden Fall etc. im K ONSEQUENS begleitet. (70)

So sehr ich Simenons Bücher liebe, ich habe mich (übrigens ähnlich wie bei vielen klassischen Krimis) immer am Schluß gestört […]. (die tageszeitung, 13.09.1989, S. 12) So sehr Matthäus auch der Hunger quälte, nie hätte es sein Stolz zugelassen, die Herren Pfahlbürger auch nur um ein Stück Brot zu bitten. (DIV/RMR Müller, Ritter, S. 212) Peymann hat ja bereits kühn erklärt, die Wiener würden ihm überallhin nachfahren, wo immer er auch künftig sein wird. (Vorarlberger Nachrichten, 23.03.1998, S. D7)  

(71)



(72)

4.4.3.3 Skalare Irrelevanzkonditionale: auch/selbst/sogar/und wenn Skalare Irrelevanzkonditionale haben die Form einer wenn-Phrase im Skopus einer additiven oder skalaren Gradpartikel (auch, selbst, sogar) oder von und, das hier eher wie eine Partikel als wie eine koordinierende Konjunktion funktioniert. Im internen Konnekt kann bei Skalierung über eine Eigenschaft zusätzlich ein noch so + GRADP auftreten. Auch hier treten oft allquantifizierende Adverbien im K ONSEQUENS auf.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(73)

983

Leider wurden alle meine Versuche zurückgewiesen. Sie wollten – sogar wenn es um das Thema Frieden ging – nichts mehr mit israelischen Künstlern zu tun haben. (die tageszeitung, 27.02.2003, S. 16) Doch selbst wenn solchen Feuerwehraktionen kleine Teilerfolge beschieden sein mögen, letztendlich kommen sie immer zu spät. (Salzburger Nachrichten, 18.10.1997, o. S.) Auch wenn es für einmal keine Unterhaltung im Festzelt gab, und wenn es noch so regnete, die gute Stimmung blieb im Festzelt für längere Zeit erhalten. (Galler Tagblatt, 30.06.1999) Frauen mit schmalen Lippen sollten niemals , und wenn es noch so im Trend liegt, helles Rot oder sehr dunkle Farben tragen, das kann schmalen Lippen einen gemeinen Zug geben. (Salzburger Nachrichten, 15.04.2000, o. S.)  

(74)



(75)

(76)





Skalare Irrelevanzkonditionale kommen im Unterschied zum alternativen und universalen Typ auch in der Form von Einbettungskonstruktionen und, wenngleich selten, in Linksversetzungskonstruktionen vor; dabei tritt als Resumptivum nur so auf, nicht das bei Konditionalen sonst auch mögliche dann. (77)

Bei prachtvollen Festivals seien früher Menschenopfer dargebracht und blutige Kämpfe auf dem Wasser ausgefochten worden. Auch wenn es heutzutage nicht mehr derart brutal zugeht, dürfte der Kampfgeist der zeitgenössischen Teilnehmer dem der altertümlichen Sportsmänner in nichts nachstehen. (Frankfurter Allgemeine, 01.09.2003, o. S.) Auch wenn ein Menschenleben durch nichts zu ersetzen ist, so gibt es für die Witwe des beim Amoklauf von Aspang (NÖ) getöteten Gendarmen Manfred Schreiner (35) nun eine finanzielle Unterstützung. (Neue Kronen Zeitung, 23.08.1998, S. 14) „Selbst wenn sich die betreffenden Leute etwas zuschulden kommen liessen, so hätten sie einen anderen Umgang verdient“, sagte sie am Donnerstag der Presse. (Züricher Tagesanzeiger, 27.06.1997, S. 12)  

(78)



(79)



Die Menge von Propositionen, deren Wahrheit irrelevant ist für die Wahrheitsbedingungen des K ONSEQUENS , wird bei den skalaren Irrelevanzkonditionalen durch die Nennung eines Extremwerts aufgespannt, für den eine Konditionalrelation assertiert wird. Dadurch wird gleichzeitig impliziert, dass dies auch für niedrigere Werte, also für weniger auffällige und weniger unwahrscheinliche Bedingungen gilt. Für den Ausdruck des Extremwerts sind die Fokuspartikeln bzw. und verantwortlich. Sie kennzeichnen ihre Fokuskonstituente als extrem hohen und deshalb extrem unerwarteten Wert in einer skalar geordneten Menge von Alternativen. Die wenn-Phrase in ihrem Skopus repräsentiert damit die „ungünstige Bedingung“ der Konzessivrelation („the least likely and therefore most surprising of all values under consideration in a given

984

C4 Konditional basierte Konnektoren

context“; König 1986: 232). Dies wird hier allerdings nur durch eine konversationelle Implikatur abgeleitet (vgl. Zaefferer 1987: 277): wenn die gleiche Proposition unter mehreren alternativen Bedingungen gilt, dann muss mindestens eine der Bedingungen auch eine „ungünstige“ sein und die Wahrscheinlichkeit, dass der Sprecher genau diese nennt ist – auf der Basis der Relevanzmaxime – als hoch einzuschätzen. (80)

(80a)

(81)

Aber selbst wenn die Schuldfrage 100% zu Ihren Gunsten geklärt ist, die Versicherungen haben noch genügend Fallstricke ausgelegt, falls Sie sich für eine Schadensabwicklung ohne Ihren Rechtsanwalt entscheiden. (http:// www.sos-schadens-online-service.de/unfall_was_nun.php) → Wenn die Schuldfrage 90% zu ihren Gunsten geklärt ist, und wenn die Schuldfrage 50% zu ihren Gunsten geklärt ist, und wenn die Schuldfrage 20% zu ihren Gunsten geklärt ist, und wenn die Schuldfrage überhaupt nicht zu Ihren Gunsten geklärt wird, haben die Versicherungen genügend Fallstricke ausgelegt. Und wenn sie doppelt und dreifach standesamtlich und kirchlich verheiratet sind und spenden das Sakrament nicht – ist ihre Ehe nicht existent. (MK1/ LGB Grass, Blechtrommel, S. 89) → Auch wenn sie nur „einfach“ standesamtlich und kirchlich verheiratet sind und spenden das Sakrament nicht, ist ihre Ehe nicht existent.  

(81a)

In Beispielen wie (80) und (81) wird man es im besten Fall als ungeklärt ansehen, ob NTEZEDENS EZEDENS genannte Sachverhalt zutrifft, wahrscheinlicher ist aufgrund des der im A NT Inhalts jedoch die Interpretation, dass ein Wahrwerden dieses Sachverhalts maximal unwahrscheinlich ist. Konjunktivischer Verbmodus oder andere Formen der ModaliNT EZEDENS oder in beiden Argumenten erzwinsierung (mag/mögen, sollte, Futur) im A NTEZEDENS gen nonfaktische Interpretationen. (82)

Mit solchen Sunblockern könnte sich ein Rotblonder mit besonders empfindlicher Haut den ganzen Tag den Strahlen aussetzen, sogar wenn die Sonne doppelt so kräftig scheinen würde . (St. Galler Tagblatt, 19.07.2000, o. S.) Auftakt zur Rodel-WM heute in Altenberg mit dem Teambewerb: Selbst wenn unsere Stars in ein Formtief rutschen sollten – Bronze ist fast sicher. (Neue Kronen Zeitung, 02.02.1996, S. 47) Erst vor wenigen Wochen berichteten amerikanische Forscher, in einem Knochen von Tyrannosaurus Rex seien sie auf mögliche Spuren von Blut gestoßen. Aber sogar wenn dies zuträfe , rückte die Wiederauferstehung der Saurier dadurch kaum näher. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.) Dennoch zählen diese Argumente zur Zeit nicht – und wenn sie noch so richtig wären . (die tageszeitung, 11.06.1996, S. 1)  

(83)





(84)





(85)





985

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

Die neutrale Faktizität des A NTEZEDENS ist bei den skalar-irrelevanzkonditionalen Konnektoren selbst/sogar/auch/und wenn jedoch keine notwendige Bedingung. Sie können auch in Kontexten verwendet werden, in denen das A NTEZEDENS als faktisch, – und somit die Verknüpfung als konzessiv – zu interpretieren ist. Eine solche Interpretation ergibt sich aber nicht aus den lexikalischen Eigenschaften des Konnektors selbst (was bei den konzessiven mit ob- zusammengesetzten Subjunktoren der Fall ist), sondern aus dem Kontext und dem Wissen des Adressaten um die Realisiertheit des im A NTEZEDENS ausgedrückten Sachverhalts. Vergangenheitstempora und Sprecherrollen-Deiktika begünstigen faktische Interpretationen. (86)

Auch wenn Schweißer heute nicht mehr die großen Teile wuchten müssen – von den rund 18.000 Verbandsmitgliedern sind gerade mal 135 Frauen. (die tageszeitung, 01.10.1994, S. 32) Auch diesmal hat sich die Anreise gelohnt, selbst wenn es für uns Bayern eine Odyssee durch ganz Deutschland war . Rund 1700 Kilometer ließen wir von Nord nach Süd und zurück auf der Straße liegen. (http://www.bundes liga-tour.de/tagebuch/rostock-20–10.2007/20–10–2007-rostock.pdf) Selbst wenn die bischöfliche Kirchweihe mehr als 40 Jahre später, am 1. Juli 1893, erfolgte , die Pfarrkirche als „Ort gottesdienstlicher Versammlung“ wird im nächsten Jahr 150 Jahre alt. (Mannheimer Morgen, 25.09.1998, o. S.) Und wenn die Deutschen noch so brutal foulten, der ukrainische Siegeswille war nicht zu brechen. (die tageszeitung, 23.07.2001, S. 16)  

(87)



(88)









(89)





Von den konzessiven obwohl-Verknüpfungen unterscheiden sich Irrelevanzkonditionale mit faktisch interpretierbarem A NTEZEDENS aber darin, dass der Aspekt des Aufspannens alternativer Antezedentien bestehen bleibt. Das irrelevanzkonditionale selbst wenn lässt in (90a) die Deutung zu, dass auch andere Umstände gegeben waren, unter denen das K ONSEQUENS gilt, eben auch, dass es Situationen gab, in denen die Holländer „brachten, was sie wirklich können“. Diese Interpretation ist in (90b) nicht möglich. (90a)

Unterm Strich bleibt dennoch: Selbst wenn sie nicht brachten, was sie wirklich können, spielten die Holländer ein Plus an Chancen heraus. (Neue Kronen Zeitung, 08.07.1998, S. 74) Obwohl sie nicht brachten, was sie wirklich können, spielten die Holländer ein Plus an Chancen heraus.  

(90b)

Bei faktischen Verwendungen von selbst/sogar/auch/und wenn kann sich deshalb auch eine temporal-iterative Interpretation ergeben, die mit obwohl nicht möglich ist. (91)

Es war eine Festwirtschaft eingerichtet worden, und wer ausruhen wollte, brauchte nicht immer mitzumachen. Aber sogar wenn zwischendrin die vier

986

C4 Konditional basierte Konnektoren

„Türmli-Buebe“ nur zur Unterhaltung aufspielten, gab es unermüdliche Tanzpaare […], die sich nach eigenem Gutdünken noch zusätzlich im Kreise drehten. (St. Galler Tagblatt, 28.09.1999, o. S.) Obschon ihre Wendigkeit mit steigendem Alter etwas abnahm, hat sie nach wie vor viel Wert auf ihre Selbständigkeit gelegt. Sogar wenn sie krank war, ist sie zum Essen jeweils aufgestanden, denn an Appetit und Durst hat es ihr nie gefehlt. (St. Galler Tagblatt, 12.12.2000, o. S.) Die von Müller angeheuerten Handwerker […] rackerten 30 Tage lang zwölf Stunden. Wetterschicht gab’s keine, und wenn der Wind noch so pfiff. (Tiroler Tageszeitung, 14.04.1997, o. S.)  

(92)



(93)





Um zu ermitteln, wie im Sprachgebrauch der Variationsspielraum der irrelevanzkonditionalen Subjunktoren in Bezug auf die Linearisierung der Konnekte und die Verwendung des Verbmodus genutzt wird, wurden 100 zufallsgenerierte Belege aus dem DeReKo manuell ausgewertet. Die Konnektoren selbst wenn, sogar wenn, auch wenn und und wenn zeigen deutlich unterschiedliche Präferenzen für faktische und nonfaktische Interpretation des A NTEZEDENS , mit denen Stellungspräferenzen korrelieren. Auch wenn leitet häufiger faktisch interpretierbare A NTEZEDENTIEN ein als sogar wenn und selbst wenn, was sich auch in einer höheren Frequenz von VergangenheitstempoNT EZEDENS bera und geringeren Frequenz von konjunktivischem Verbmodus im A NTEZEDENS merkbar macht. Genau spiegelbildlich dazu zeigt selbst wenn mit 45% einen hohen Anteil von konjunktivisch markiertem internem Konnekt und einen deutlich geringeren Anteil von internen Konnekten mit Vergangenheitstempora.4 Stärkere Tendenz zur Faktizitätsinterpretation korreliert formal mit einem etwas höheren Anteil an Postposition, stärkere Tendenz zu Nonfaktizität korreliert mit hohem Antepositionsanteil. Der Anteil integrierter Konstruktionen5 ist bei sogar wenn und selbst wenn etwas höher als bei auch wenn, am stärksten ist er bei und wenn. Linksversetzung spielt in allen Fällen nur eine marginale Rolle.

4 Baschewa-Monowa (1991: 303) hält faktische Verwendungen von selbst wenn für „markiert“. Wir überlassen mit den Belegen (87), (88) und (90a) dieses Urteil dem Leser selbst. 5 Desintegration ist im Falle von Anteposition klar syntaktisch geregelt: Sie liegt vor, wenn Konnektor und internes Konnekt die Nullstelle besetzten. Bei Postposition wurde in schriftlichen Texten die Interpunktion als Indiz betrachtet: Es wurden nur solche als desintegriert gewertet, die durch ein Satzschlusszeichen von ihrem externen Konnekt getrennt waren, somit auch prosodisch eindeutig als parataktische Verknüpfungen gekennzeichnet sind.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

987

Tab. C4.4-1: Topologische Distribution bei irrelevanzkonditionalen Subjunktoren selbst wenn

sogar wenn

auch wenn

und wenn

anteponiert, integriert

51

41

25

3

anteponiert, desintegriert

17

13

10

37

anteponiert, linksversetzt

4

1

2

0

17

31

42

35

9

12

17

19

anteponiert, gesamt

72

55

37

40

postponiert, gesamt

26

43

59

54

2

2

4

6

100

100

100

100

45

23

6

10

9

10

27

8

postponiert, integriert postponiert, desintegriert

eingeschoben GESAMT Konjunktiv im IK Vergangenheitstempus im IK

Selbst wenn zeigt damit größere Ähnlichkeit mit konditionalem wenn, auch wenn eher mit den konzessiven Subjunktoren (zum Unterschied zwischen ambigem auch wenn und konzessivem wenn auch s. C4.3.5.3).

Konditionalität selbst wenn

Konzessivität auch wenn

sogar wenn

Nicht so ohne weiteres in diese Skala lässt sich der Konnektor und wenn einordnen. NTEZEDENS EZEDENS Hier sind (indikativisches) Vergangenheitstempus und Konjunktiv im A NT nicht wie bei den anderen dreien tendenziell komplementär verteilt, sondern beides ist mit 8 bzw. 10% eher selten. Die Verteilung von Anteposition und Postposition entspricht mit dem leichten Übergewicht von Postposition in etwa der von auch wenn, mit dem es im Übrigen auch die additive Grundbedeutung der Partikel teilt im Unterschied zu selbst wenn und sogar wenn mit skalaren Partikeln. Auffällig ist der hohe Anteil von Desintegrationskonstruktionen. Auch sonst weist und wenn gegenüber selbst/sogar/auch wenn einige Unterschiede auf. (i) formale Zusammensetzung Seiner Bedeutung nach gehört und wenn eindeutig zu den skalaren Irrelevanzkonditionalen, formal unterscheidet es sich aber, da und ein additiver Konjunktor ist, der sich hier allerdings wie eine Fokuspartikel verhält und z. B. keine Koordinationsreduktion erlaubt.  

988

C4 Konditional basierte Konnektoren

(ii) Existenz einer V1-Variante Bedeutungsgleich mit und wenn ist die Konstruktion mit und + Verberstsatz. Selbst, sogar und auch können dagegen keinen Verberstsatz im Skopus haben (96b). Möglich ist allenfalls ein uneingeleiteter Verberstsatz mit integriertem auch, das wohl eher als Verberstvariante zu wenn auch anzusehen ist (96c). (94)

Tut er das nicht und sind die Umstände noch so wichtig, macht er sich strafbar. (MK1/WUB Ullrich, Bürger, S. 49) Der Preis, den anderenfalls alle HamburgerInnen zahlen müssten, wäre zu hoch. Und hätte die Stadt noch so viele Silberlinge eingesackt, die ihr wieder durch die Finger rinnen. (die tageszeitung, 26.04.2003, S. 25) Bei solchen Gags – und seien sie noch so plump – tobt das Publikum. (Mannheimer Morgen, 29.11.1995, o. S.) Bei solchen Gags – selbst/auch/und wenn sie noch so plump sind– tobt das Publikum. *Bei solchen Gags – selbst/sogar/auch seien sie noch so plump – tobt das Publikum. Bei solchen Gags – seien sie auch noch so plump – tobt das Publikum.  

(95)



(96)



(96a) (96b) (96c)

(iii) Nicht-Einbettbarkeit Und wenn-Verknüpfungen können nicht in andere, koordinative oder subordinative Konstruktionen eingebettet werden. Dazu passt auch der auffällig hohe Anteil desintegrierter Konstruktionen bei und wenn. (97a)

„Die Stadt hat uns pro Flüchtling und Tag 250 Dinar zugesagt; aber sogar wenn wir das Geld bekommen, für die zwei warmen Mahlzeiten und das Frühstück, das wir den Flüchtlingen täglich geben, langt es nicht.“ (Salzburger Nachrichten, 27.04.1992, o. S.) *[…] aber und wenn wir das Geld bekommen … ich bräuchte dringend frische Amphetamine, aber Herrn Sommer brauch ich nicht fragen, weil sogar wenn er sie hätte, ich würde keine bekomm, egal wie viele Anträge ich einreichen würd. (die tageszeitung, 16.03.2005, S. 4) *[…] weil und wenn er sie hätte …  

(97b) (98a)



(98b)

(iv) hyperbolische Ausdrücke als Markierung des Extremwerts Im internen Konnekt von und wenn wird meist ein Extremwert explizit genannt, typisch sind etwa die Kombination noch so + GRADP, restriktive Ausdrücke (und wenn es nur x ist) oder hyperbolische Ausdrücke (und wenn … tausendmal). (99)

Was er sagt, das meint er auch am nächsten Morgen noch – und wenn noch so viele Gläser Trollinger dazwischen liegen. (Die Zeit, 06.10.1995, S. 8)  

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(100)

989

Jedes Dorf hat seinen Dorfstolz, und wenn’s nur der Maibaum, der Bullenstall oder die berühmte große Kartoffel ist. (Bildzeitung 14.07.1967, S. 6) Darum gerade jetzt: Ich wähle SPD, und wenn ich die einzige wäre! (die tageszeitung, 13.11.1986, S. 4) Sie geben dem Ayatollah Kredit für Solar-, Wind- und Biogaskraftwerke. Das gefällt mir gar nicht, soll der Mufti doch selbst sein Kraftwerk bauen, und wenn Zehntausende von Hamstern die Räder treten müssen. (die tageszeitung, 24.12.1986, S. 8) Wenn Sie Glück haben, lockern Sie ihm mit der Zeit die Zunge, und er gewöhnt sich daran, sich mit Ihnen auszutauschen. Wenn nicht, geben Sie es auf zu jammern. Und wenn Sie tausendmal recht haben – er hört Ihnen sowieso nicht zu. (Neue Kronen Zeitung, 12.07.1998, S. 21)  

(101)



(102)



(103)



Ohne einen solchen Ausdruck wirken Verknüpfungen mit und wenn weniger akzeptabel als solche mit selbst/sogar/auch wenn. In vielen Belegen kann selbst/sogar/auch wenn – die untereinander immer austauschbar sind – nicht durch und wenn ersetzt werden. (104a) Selbst wenn solchen Feuerwehraktionen kleine Teilerfolge beschieden sein mögen, letztendlich kommen sie immer zu spät. (Salzburger Nachrichten, 18.10.1997, o. S.) (104b) ≠ Und wenn solchen Feuerwehraktionen kleine Teilerfolge beschieden sein mögen, letztendlich kommen sie immer zu spät. (105a) „Wir haben nur positive Zuschauerreaktionen“, gibt sich Programmdirektor Klaus Heinemann zuversichtlich. Auch wenn das Programm bisher nur im Kabel zu empfangen ist. (die tageszeitung, 24.09.1987, S. 3) (105b) ≠ „Wir haben nur positive Zuschauerreaktionen“, gibt sich Programmdirektor Klaus Heinemann zuversichtlich. Und wenn das Programm bisher nur im Kabel zu empfangen ist.  



(v) Emphaseakzent Das interne Konnekt von und wenn wird in der gesprochenen Sprache in der Regel anders realisiert als das von selbst/sogar/auch wenn: es weist einen Emphaseakzent auf. Dieser dient funktional der Kodierung einer Intensivierung der Bedeutung eines Ausdrucks und paralinguistisch der Kodierung einer starken emotionalen Involvierung des Sprechers. Formal lässt er sich als Bündel phonetischer Merkmale beschreiben (vgl. Kohler 2006). a) ein gegenüber einfachem Fokusakzent erhöhter F0-Wert auf der Akzentsilbe bei gleichzeitiger Abflachung und Einebnung des F0-Verlaufs in deren Umgebung b) Plateauartige Realisierung der Akzentsilbe mit flacherem Abfall

990

c) d)

C4 Konditional basierte Konnektoren

eine Veränderung der Stimmqualität hin zu einer impressionistisch als „härter“ beschreibbaren Aussprache eine Verstärkung der Intensität und Dauer der Konsonanten der Akzentsilbe, insbesondere der initialen

In den – eher seltenen – und wenn-Verknüpfungen, die weder hyperbolische Ausdrücke wie zigmal, s. totärgern noch andere Extremwertausdrücke (noch so, nur, einzig) enthalten, die allein aufgrund ihrer Bedeutung die Intensivierungsabsicht des Sprechers transparent machen, dürfte ein Emphaseakzent obligatorisch sein: seine Funktion ist dann, die fehlende lexikalische Markierung einer Intensivierung zu kompensieren. (106)

„Und wenn der Lkw unter mir /zuSAMmenrostet\, ich bleib solang, bis unsere Forderungen erfüllt sind“. (die tageszeitung, 17.09.1988, S. 4)6 So war das auch. Es wurde geräumt und wenn man die /WÄNde\ einschlug. (die tageszeitung, 04.08.1987, S. 9) „Emma lebt – und wenn die Jungs sich /TOTärgern\“, schreibt Alice Schwarzer in der neuen Emma. (die tageszeitung, 26.01.1987, S. 9)  

(107)



(108)



Belege wie (104b) und (105b) legen aufgrund ihres Inhalts keine Intensivierung nahe, sodass hier auch kein Emphaseakzent in Frage kommt, – nur mit diesem aber wären solche Strukturen akzeptabel. (vi) informationsstruktureller Status Mit dem Emphaseakzent bei und wenn geht ein stärkeres informationelles Gewicht des NTEZEDENS EZEDENS einher als das bei den übrigen irrelevanzkonditionalen Verknüpfungen A NT NT EZEDENS werden als separate Informationseinheiten der Fall ist. K ONSEQUENS und A NTEZEDENS mit separaten Intonationskonturen geäußert. Das A NTEZEDENS ist hier nie Hintergrund, sondern im Gegenteil besonders fokussiert. ‚q gilt. Und (q gilt) sogar dann, wenn p‘. Die Ähnlichkeit von und wenn mit auch wenn im präferierten topologischen Muster korreliert nicht mit einer semantischen Ähnlichkeit. Und-wenn-Verknüpfungen haben keineswegs eine Tendenz zur faktisch-konzessiven Interpretation, sondern werden eher konditional interpretiert und stehen in der Betonung des Extremwerts den Irrelevanzkonditionalen mit skalaren Partikeln selbst/sogar wenn sehr viel näher. Die Extremwertmarkierung, die bei selbst/sogar wenn durch die skalaren Par-

6 Die hier angegebene Position des Emphaseakzents ist nicht die einzig mögliche. Denkbar ist auch: „Und wenn der /LKW\ unter mir zusammenrostet, ich bleib solang, bis unsere Forderungen erfüllt sind“. Im einen Fall betont der Sprecher die Intensität des Verrostungsprozesses, im anderen Fall stellt er die Größe des verrostenden Objekts in den Vordergrund.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

991

tikeln erfolgt, übernimmt bei und-wenn-Verknüpfungen ein „Intensivierungsausdruck“ im internen Konnekt oder ein Emphaseakzent oder auch eine Kombination von beidem. Mit diesen Eigenschaften zeigt sich und wenn als Konnektor, der – anders als selbst/sogar/auch wenn – nicht voll kompositional aus den Bedeutungen seiner Bestandteile erschließbar ist. Zwar würde die Existenz einer V1-Variante nahelegen, dass es sich bei den und-wenn- bzw. und-V1-Bildungen um koordinativ angefügte wenn-Konditionale oder Verberstkonditionale handelt, daraus lässt sich aber nicht der Aspekt der Emphase herleiten. Eine Quelle findet sich in älteren asymmetrischen Verwendungen von und, das z. B. im Ahd. auch als Relativum verwendet werden konnte. Im Frnhd. kann und einen Konditionalsatz (mit Verberststellung oder mit ob-) einleiten (109) (s. Ferraresi/Weiß 2011). DWB vermerkt, es „fügte eine einzige, letzte bedingung hinzu“ (wofern nur, wofern überhaupt) und führt hierzu auch die „concessivsätze“ an, „in denen zu anderen, oft nur implicite oder stillschweigend gedachten annahmen noch eine stärkste hinzugesetzt wird“. Die bei Grimm (DWB) angeführten Belege sind mit einer Ausnahme (114), die konzessivtypische Partikeln enthält, nach unserem Verständnis Irrelevanzkonditionale.  

(109) (110) (111) (112) (113) (114)

trauren kan ich dir verjagen, und volgestu der lere mein (Fastn.spiele nachl. 51, 5 Keller [= 15. Jh.]) ich main, und trüg ich hailigen fail, es müsten eitel tiuffel sein (Hätzlerin 2. 98, 27 [= 15. Jh.]) nun will ich frolich hinzu gehen, und het ich mer sünd uff dem halsz (Luther 12, 502, 28) und wenn mein hertz in stücken bricht, solstu mein hertze bleiben (Paul Gerhardt 3, 307 Fischer-Tümpel [= 16. Jh.]) thu recht, und förcht dir übel darbei zu hoff (sprw. 1558) und will er gleich lächeln, dennoch quellen ihm die thränen (Maler Müller, 1, 103)

4.4.4 Verknüpfungsebenen Die Relation der Irrelevanzkonditionalität kann, wie alle konditional basierten Relationen, systematisch auf den drei verschiedenen Verknüpfungsebenen bestehen (vgl. Haspelmath/König 1998: 569, Pittner 1999, Leuschner 2005: 285). Während bei konditionalen, kausalen, und konzessiven Verknüpfungen mit jeder Ebene auch im prototypischen Fall Bündel von Formmerkmalen korrelieren, die vor allem die Abfolge der Konnekte, die Verbstellung im internen Konnekt, den Grad der syntaktischen und prosodischen Integration und den informationsstrukturellen Status betreffen, ist dies bei Irrelevanzkonditionalen anders. Keiner der irrelevanzkonditionalen Konnektoren hat eine V2-Variante und es besteht eine generelle Tendenz zur

992

C4 Konditional basierte Konnektoren

Desintegration bei Anteposition; bei alternativen und universalen ist sie obligatorisch. Auf die Frage, inwieweit überhaupt bei Irrelevanzkonditionalen Formunterschiede mit der Ebenendistinktion korrelieren, ist bisher in der Forschung nicht speziell eingegangen worden. Bei einheitlicher Kodierung basiert die Interpretation der Verknüpfungsebene rein auf Inferenzen des Adressats aus dem Inhalt der Konnekte.

4.4.4.1 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene Eine irrelevanzkonditionale Verknüpfung auf der propositionalen Ebene bringt zum Ausdruck, dass die im A NTEZEDENS genannten Sachverhalte keinen Einfluss auf die Wahrheit des im K ONSEQUENS genannten Sachverhalts haben. Alle drei Typen von Irrelevanzkonditionalen können auf der propositionalen Ebene verknüpfen. (i)

alternative irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene

(115)

Egal ob in der Schwachhauser Heerstraße oder am Brüggeweg, ob in der Norderländer, der Stromer oder der Stader Straße: Immer weniger BremerInnen sind bereit den wachsenden LKW-Verkehr weiterhin widerspruchlos zu ertragen. (die tageszeitung, 23.03.1992, S. 21) Die Lust auf einen Thermalurlaub, egal ob kurz oder lang, ob mit oder ohne Kur, ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen. (Tiroler Tageszeitung, 04.10. 1997, o. S.)  

(116)



(ii)

universale irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene

(117)

So sehr Matthäus auch der Hunger quälte, nie hätte es sein Stolz zugelassen, die Herren Pfahlbürger auch nur um ein Stück Brot zu bitten. (DIV/RMR Müller, Ritter, S. 212) Am Ende rang er mit seinen bloßen Händen. Doch wie sehr er sich auch anstrengte, das Wesen war genauso stark wie er. (DIV/JDS Dietrich, Sprung, S. 194)  

(118)



(iii)

skalare irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene

(119)

Selbst wenn sie den dritten Platz erreichen würde, bekäme sie bei diesem schwach dotierten Rennen nur ein Preisgeld von 600 Mark. (die tageszeitung, 29.07.1997, S. 20)  

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(120)

993

Sogar wenn provokativ, das Gaspedal etwas übertrieben tief gedrückt wird, bleibt der Golf bei 18 Prozent Steigung in der Spur. (St. Galler Tagblatt, 19.03.1999, o. S.)  



4.4.4.2 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene Auch epistemische Verknüpfungen können mit allen Typen von Irrelevanzkonditionalen ausgedrückt werden: Das A NT NTEZEDENS EZEDENS bezeichnet einen Wissensaspekt, der als Evidenz oder Prämisse für die im K ONSEQUENS getroffene Schlussfolgerung ins Spiel gebracht und als irrelevant verworfen wird. Es repräsentiert eine unbeantwortete, aber irrelevante Fragestellung, während das K ONSEQUENS eine – aufgrund anderer Evidenz – abgesicherte Feststellung ausdrückt (vgl. Haspelmath/König 1998: 569; Leuschner 2005: 285). (i)

alternative Irrelevanzkonditionale auf der epistemischen Ebene

(121)

Ob er im Büro war oder nicht, er hat jedenfalls seine E-mails nicht gelesen. (Bsp. nach Haspelmath/König 1998: 569) Ob Monarchie oder Monopolkapitalismus, ob Hamlet oder Kurt Cobain, es nimmt sich alles nicht viel. (die tageszeitung, 23.11.2000, S. 14) Egal, ob die nun die „Beatles“ oder die „Stones“ sind, ob es Cat Stevens oder Rod Stewart ist – Klaus B. macht all den Musikgrössen dieser Zeit alle Ehre. (St. Galler Tagblatt, 23.04.1999, o. S.) Ob die sich als Behinderte bezeichnenden Akteure auf den erhöhten Ensemblebänken singend oder deklamierend in unlogischen, aber ernsten Sätzen Forderungen stellen oder ob aus dem Publikum einer eine Tulpenpflanzaktion im Geiste demokratischer Erneuerung vorschlägt, ob professionelle Darsteller, eher ungekonnt am Trapez hängend, gekonnt geschriebene ProvoTexte gekonnt geben oder professionelle Zirkusartisten ein Standard-Zirkuskunststück zeigen, das aber abbricht und wie so vieles buchstäblich im Sande verläuft – alles scheint möglich. (Die Zeit, 16.04.1998, S. 41)

(122)



(123)



(124)



(ii)

universale Irrelevanzkonditionale auf der epistemischen Ebene

(125)

Wer auch immer für die ARD künftig in London die Stellung halten wird, Peter Merseburgers solides journalistisches Handwerk wird so leicht nicht zu ersetzen sein. (die tageszeitung, 20.03.1991, S. 20) Was auch immer die Gründe sein mögen, sie sind falsch. (die tageszeitung, 05.01.1995, S. 17)  

(126)



994

C4 Konditional basierte Konnektoren

(iii)

skalare Irrelevanzkonditionale auf der epistemischen Ebene

(127)

Aber selbst wenn Tassilo eine klosterähnliche Einrichtung auf der Fraueninsel vorfand, die eigentliche Geschichte der Chiemseeklöster beginnt erst um 770. (MK1/WPE Pörtner, Erben, S. 326) Die „Kleine Kulturgeschichte des Rausches“ ist sicher ein seriöses und gut lesbares Handbuch, selbst wenn man Kupfers Eurozentrismus bemängeln könnte (die tageszeitung, 13.11.1996, S. 15)  

(128)



4.4.4.3 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der Sprechaktebene Der Sprecher thematisiert mit dem A NTEZEDENS NT EZEDENS Bedingungen, die potentiell relevant für das Gelingen des mit dem externen Konnekt vollzogenen Sprechakts sind, beispielsweise, dass der Adressat ein Interesse an der Äußerung des Sprechers hat, macht sich aber keine davon zu eigen und schiebt sie als im vorliegenden Fall nicht relevant beiseite. Das K ONSEQUENS ist typischerweise ein „gesichtsbedrohender Sprechakt“ (Leuschner 2005: 285), den der Sprecher abzufedern sucht, indem er zu erkennen gibt, dass er um die Unwillkommenheit dieses Sprechakts weiß (auch wenn das jetzt hart klingt, …), oder aber der Sprecher konzediert damit, dass seine Behauptung vielleicht unglaubwürdig ist (So blöd das jetzt klingt, …). Auch Sprechaktverknüpfungen kommen bei allen drei Typen von Irrelevanzkonditionalen vor. (i)

alternative Irrelevanzkonditionale mit Sprechaktbezug

(129)

Du bist zu dick geworden. Jaja, ob du das nun gern hörst oder nicht, es ist die Wahrheit. (Rainer M. Schröder, Kommissar Klicker. Das Omelett-Komplott. Omnibus Verlag, München, 2001) Herzblatt-Moderator Pilawa: „Ob Sie es glauben oder nicht, ich schaue selten fern.“ (https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,grossbild-232811281546,00.html)

(130)

(ii)

universale Irrelevanzkonditionale mit Sprechaktbezug

(131)

[Der Trainer des FSV Mainz 05 im Interview nach einem 1:6 gegen Werder Bremen:] „So blöd das jetzt klingt, aber wir haben zu Beginn gar nicht so schlecht gespielt.“ (http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,445219,00. html) Was auch immer man davon halten möchte, dass im Moment mindestens zwei Menschen in Deutschland davon ausgehen, sie seien das rechtmäßige Regierungsoberhaupt – spannend ist das allemal. (Berliner Zeitung, 20.09. 2005, S. 20)

(132)



C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(133)

995

Wer auch immer diese Idee hatte, Hut ab für den genialen Medienstreich. (die tageszeitung, 30.11.1989, S. 16)  

(iii)

skalare Irrelevanzkonditionale mit Sprechaktbezug

(134)

Und wenn Du noch so Recht hast, aber auf diese Art und Weise führt man keinen User vor! (http://www.gutefrage.net/frage/wie-viel-kostet-ein-pferdmonatlich-fuer-mich) Und selbst wenn das jetzt hart klingt: Wozu haben wir denn die Milchkühe gezüchtet? Dafür, dass sie ihr Kalb lange säugen oder dafür, dass wir möglichst viel Milch aus ihren Eutern bekommen? (http://de.answers.yahoo. com/question/index?qid=20081119154419AA0UBNG) Selbst wenn sie vergleichbar mächtig wäre – worauf gründen Sie die Hoffnung, diese Institution würde aus anderen als Abwehrmotiven handeln? (die tageszeitung, 13.10.1992, S. 3)

(135)

(136)



Irrelevanzkonditionale mit Sprechaktbezug sind eng verwandt mit den „Relevanzkonditionalen“ (Pittner 1999, Scheffler 2008, 2013). Das sind Konditionalverknüpfungen NTEZEDENS EZEDENS keine Bedingung für das mit Sprechaktbezug, bei denen das konditionale A NT Zutreffen des K ONSEQUENS angibt, sondern eine Situation thematisiert, unter der die Äußerung des mit dem K ONSEQUENS vollzogenen Sprechakts relevant ist (s. A4.4, C4.1.2.4). (137) (138)

Wenn ich ehrlich sein darf, Rot steht dir nicht. Wenn du Hunger hast, der Kühlschrank ist voll.

Relevanzkonditionale haben die Form von Konditionalen; ihr Sprechaktbezug kann „explizit“ sein wie in (137) (wenn du mich fragst, wenn ich das so sagen darf u. ä.), kann aber auch wie in (138) nur „implizit“ sein, – in letzterem Fall sind sie bei Anteposition obligatorisch desintegriert (vgl. Pittner 1999, Frey 2004a). Auch unter den Irrelevanzkonditionalen mit Sprechaktbezug gibt es – anders als Pittner (1999) behauptet – nicht nur explizite (ob du das gern hörst oder nicht, auch wenn das jetzt hart klingt u. ä., 129, 130, 135), sondern sie können genauso gut als implizite formuliert sein und sind dann ihrer Form nach nicht von propositional verknüpfenden Irrelevanzkonditionalen zu unterscheiden. Für Irrelevanzkonditionale des alternativen und universalen Typs, bei denen Desintegration unabhängig von der Verknüpfungsebene weitgehend obligatorisch ist, fallen damit formale Differenzkriterien völlig aus. Bei den skalaren zeigen sowohl die Beleglage als auch Minimalpaare wie (140), dass für eine Interpretation auf der Sprechaktebene Desintegration eine notwendige Bedingung ist, hinreichend ist sie jedoch keineswegs.  



996

(139a) (139b) (140a) (140b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Ob du Hunger hast oder nicht, der Kühlschrank ist voll. *Ob du Hunger hast oder nicht, ist der Kühlschrank voll. Auch wenn du keinen Hunger hast, der Kühlschrank ist voll. ≠Auch wenn du keinen Hunger hast, ist der Kühlschrank voll.

Relevanzkonditionale teilen also mit den Irrelevanzkonditionalen die Faktizität des Konsequens und unterscheiden sich darin von Standardkonditionalen.

4.4.5 Irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren Verknüpfungen mit den irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren sowieso, ohnehin, ohnedies, eh, allemal und jedenfalls fungieren in mancher Hinsicht als Konversen zu den in C4.4.3 beschriebenen irrelevanzkonditionalen Subjunktoren und Einzelgängern. Ihr internes Konnekt bezeichnet einen Sachverhalt, der unabhängig von irgendwelchen anderen Sachverhalten, ‚auf jeden Fall‘ gilt. Während aber bei den subordinierenden irrelevanzkonditionalen Konnektoren im anderen, in dem Fall internen, Konnekt die potentiell zur Disposition stehenden, im konkreten Fall aber als irrelevant beiseite zu schiebenden Bedingungen explizit zum Ausdruck gebracht werden (sei es in Form von Alternativen, sei es als Allquantifikation über eine Variable, sei es als niedrigere Werte mit einschließender Extremwert) und auch ihrer Form nach als Antezedentien eines Konditionals erkennbar sind, bezeichnet das externe Konnekt der entsprechenden Adverbkonnektoren diese irrelevanten Bedingungen nicht unmittelbar. Ein echtes Antezedens einer Konditionalrelation kann es schon deshalb nicht sein, weil es in der Regel in der Form eines illokutiv selbständigen Satzes – meist eines Deklarativsatzes – kodiert ist und damit der Faktizitätswert festgelegt ist. Die irrelevanten Sachverhalte, auf die sich das interne Konnekt bezieht, müssen im Vortext nicht als offene Frage formuliert sein, müssen aber in jedem Fall im Nachhinein als solche rekonstruierbar sein. Der Vortext ist dabei in aller Regel die Basis für die Ableitung der offenen Frage. Diese kann als Alternativfrage (p oder nicht p), als Allquantifikation (was auch immer der Fall ist/wie auch immer p ausgeprägt ist) und als Extremwertbedingung unter Einschluss niedrigerer Werte (selbst wenn p) rekonstruierbar sein. Nach Haspelmath/König (1998: 574) lassen sich irrelevanzkonditionale Adverbien auf die gleiche Weise semantisch subklassifizieren wie die irrelevanzkonditionalen Subjunktoren und Einzelgänger: Haspelmath/König geben hier die folgende Form an, von denen sich einige auch in der Konnektorenliste (Kap. D) finden. a) alternativ: sowieso b) universal: jedenfalls, in jedem Fall, auf jeden Fall, auf alle Fälle c) skalar: ohnehin, ohnedies Für die – nicht im Detail begründeten – Zuordnungen sind vermutlich Etymologie und morphologische Zusammensetzung ausschlaggebend. (Zu semantischen Differenzie-

997

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

rungen, die aus der Etymologie abgleitet werden, vgl. ferner Eggs 2003.) In der Rekonstruktion der strittigen Frage bestätigen sich die Zuordnungen jedoch keineswegs so eindeutig. (141)

Eine notwendige Tauchglocke mit großer Druckstärke besitzen Finnen, doch nicht die Esten. „ Unsere Erfahrungen mit dem Bergen von Versunkenen gehen nur bis 54 Meter Tiefe und nützen in diesem komplizierten Fall sowieso nichts.“ (Salzburger Nachrichten, 29.09.1994, o. S.) → Egal ob die Erfahrungen im Bergen von Versunkenen nur bis 54 Meter Tiefe gehen oder tiefer: sie nützen nichts. → Selbst wenn die Erfahrungen tiefer als 54 Meter gehen würden: sie nützen nichts. → Wie auch immer die Erfahrungen sind: sie nützen nichts. Er fragte mich, warum ich dem, was mir „dieser Zigeuner“ erzählt habe , Glauben schenken würde. „Was die erzählen“, hielt er mir entgegen, „ist ohnehin zumeist gelogen“. (Frankfurter Rundschau, 15.06.1998, S. 16) → Was immer „diese Zigeuner“ erzählen: es ist gelogen. Erhard Busek nahm Donnerstag bei der Präsentation seines Buches auch zu aktuellen Fragen Stellung, wie etwa dem Verdacht Jörg Haiders, sein Parlamentsbüro werde abgehört. Der ehemalige Vizekanzler mit unverdrossenem Hang zum Spott: „Na und? Der Haider ist ohnedies nie in seinem Büro.“(Salzburger Nachrichten, 29.05.1998, o. S.) → Egal ob Haiders Büro abgehört wird oder nicht: Der Haider ist nie in seinem Büro. Gregor geht ins Gymnasium . Das ist natürlich nicht immer einfach; für ihn nicht und für die Mitschüler nicht und auch nicht für die Lehrer, die doch eh schon alle bald keine Nerven mehr haben vor Überlastung. Gregor, der ist jetzt einfach zuviel. (Neue Kronen Zeitung, 13.02.1998, S. 23) → Egal ob Gregor ins Gymnasium geht oder nicht: Die Lehrer haben schon bald keine Nerven mehr. Ob er weltklasse ist , wird die Weltmeisterschaft zeigen. Klose jedenfalls ist der erste Deutsche seit Martin Max 2002, der die Torjägerkanone gewann, und dank seiner 25 Saisontreffer auch ein großer Hoffnungsträger für die WM. (Braunschweiger Zeitung, 15.05.2006, o. S.) → Egal ob Klose weltklasse ist oder nicht: Er ist der erste Deutsche seit 2002, der die Torjägerkanone gewann.  

(142)





(143)



(144)





(145)





Auch in Doppelmarkierungskonstruktionen sind die irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren weitgehend untereinander austauschbar, und zwar unabhängig vom semantischen Subtyp des subordinierenden Konnektors.

998

C4 Konditional basierte Konnektoren

Alternative irrelevanzkonditionale Konnektoren im ersten Konnekt: (146)

Egal, ob Rotgrün oder Schwarzgelb oder eine große Koalition in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden sowieso/ohnehin/ohnedies/eh/allemal anderswo gesetzt.

Universale irrelevanzkonditionale Konnektoren im ersten Konnekt: (147)

Wer auch immer in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden sowieso/ ohnehin/ohnedies/eh/allemal anderswo gesetzt.

Skalare irrelevanzkonditionale Konnektoren im ersten Konnekt: (148)

„Selbst wenn die Errichtung des Mahnmals verschoben werden muß – der geplante Eröffnungstermin 9. November 1996 ist ohnehin kein runder Tag“, meint Schmitz. (Die Presse, 14.06.1996, o. S.) Selbst wenn Landis noch eine Erklärung für seinen zu hohen TestosteronWert finden sollte, war er rein objektiv ja sowieso gedopt. (dpa, 28.07.2006, o. S.; „Nordbayerischer Kurier“) Selbst wenn sich am Ende herausstellt, daß eine türkische EU-Mitgliedschaft nicht möglich ist – einen Versuch ist es allemal wert. (die tageszeitung, 24.07.1999, S. 12)  



(149)



(150)



Es ist also damit zu rechnen, dass im gegenwartssprachlichen Gebrauch die ursprünglichen, aus den Bestandteilen – Präpositionen, Deiktika, Adverbien – ableitbaren Bedeutungen nicht mehr als distinktiv wahrgenommen werden. Insbesondere die Adverbkonnektoren ohnehin, ohnedies, eh und sowieso sind in einem Großteil der Belege gegeneinander austauschbar. Irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren stehen den Modalpartikeln nahe, mit denen sie die Satzmodussensitivität – sie kommen nur in Deklarativsätzen vor – und die mehr oder weniger ausgeprägte Vorfeldfeindlichkeit teilen. Eh, das nie im Vorfeld erscheinen kann, erscheint in den meisten Modalpartikellisten (vgl. Schlieben-Lange 1979, Weydt 1983, Hentschel 1986, Helbig 1988, Thurmair 1989), sowieso bei Thurmair (1989) und Helbig (1988), ohnehin bei Helbig (1988). Für allemal und sowieso enthielt eine Stichprobe von 100 Belegen keinen Fall von alleiniger Vorfeldstellung; eine Nachprüfung von Fällen mit Majuskelschreibweise ergibt vereinzelte Belege (bei allemal hochgerechnet ca. 100 auf über 22.700 Gesamtbelege, bei sowieso ca. 300 auf 51.000 Belege).

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(151)

999

Ein genaues Konzept, wie das Darlehen von maximal 8.500 Euro im Jahr auf die Studierenden verteilt werden soll, steht aber noch aus. Sowieso würden davon nur 33 Prozent der Eingeschrieben profitieren. (die tageszeitung, 09.10.2004, S. 17) Abkühlung verschafften sich die Kinder am so genannten Hydroschild, das ähnlich einem Rasensprenger funktioniert. Sowieso hatten die meisten Minis nur Badekleidung an und tobten klatschnass über das Gelände der Feuerwache. (Mannheimer Morgen, 09.08.1999, o. S.) Wer glaubt, durch detaillierte Regelungen Frauen in Ämter und Positionen hieven zu können, irrt. Allemal entscheidet im öffentlichen Dienst das Parteibuch mit, und die Erfahrung lehrt, daß an irgendeiner Stelle der Republik immer noch ein Mann überwintert, der nach jahrelangem Placken für die Partei endlich mit einer Position belohnt werden muß. (die tageszeitung, 16.04.1994, S. 10) Allein aus ökologischen Gründen sei der forcierte Rückbau erforderlich, so ein verantwortlicher Verkehrsplaner der Verwaltung. Allemal bringe der Straßenrückbau „mehr als eine herkömmliche Baulückenschließung“, meinte der Referatsleiter für Stadtgestaltung und Wettbewerbe, Bernd Faskel. (die tageszeitung, 18.09.1989, S. 18)  





(152)



(153)



(154)



Bei ohnehin und ohnedies ist Vorfeldstellung häufiger: Für beide enthält die 100erStichprobe jeweils drei Vorfeldbelege. (155)

Freilich lassen diese Ausdrucke die bisherigen Notenbände nicht überflüssig werden; ebenso macht das Verzeichnis lieferbarer Musikalien (VLM) den Musikalienhändler nicht entbehrlich, das „interaktive“ Klavierspiel nicht das Klavierfachgeschäft. Ohnedies ist fraglich, ob es durch die neuen Medien zu spürbaren Umsatzsteigerungen kommt, doch erschließen sie mit Sicherheit neue Interessentengruppen, gerade in der jüngeren Generation. (Frankfurter Allgemeine, 04.03.1997, o. S.) „Die Einladung zur Teilnahme an diesen Seminaren sollte auch im Ausland ausgeschrieben werden“, betont Montada. Ohnehin ist schon eine Zusammenarbeit mit dem International Center for Social Justice Research vereinbart […]. (die tageszeitung, 22.04.1995, S. 16–17)  

(156)



Soweit die irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren von der Partikelforschung erfasst worden sind, hat man sie als weitgehend synonym und allenfalls diastratisch und diatopisch differenziert beschrieben (Weydt 1983, Thurmair 1989): eh galt als eher der gesprochenen Sprache angehörig und österreichisch bzw. süddeutsch geprägt, wenngleich inzwischen über dieses Gebiet hinaus verbreitet, ohnehin, vor allem aber ohnedies wird eher einem gehobenen Register zugeordnet. Alle sind in Zeitungstexten gut belegt, es gibt aber beträchtliche Frequenzunterschiede: ohnehin (149.000) >

1000

C4 Konditional basierte Konnektoren

sowieso (51.000) > eh (27.000) > allemal (23.000) > ohnedies (11.000). Für dialogische Textsorten in den Mannheimer Tonkorpora ergibt sich eine Abfolge: eh (441) > sowieso (138), allemal (35), ohnehin (27), aber nur 1 Treffer für ohnedies.

4.4.5.1 Sowieso Seiner Grundbedeutung nach repräsentiert sowieso den alternativen Typ: es verweist deiktisch auf zwei oder mehr zur Diskussion stehende Alternativen, die als gleichwertig (wörtlich in der Vergleichsstruktur ‚so wie so‘ zum Ausdruck kommend) und gleichermaßen irrelevant für die Trägersatzproposition dargestellt werden. Die Lexikalisierung ist jüngeren Datums; funktionsgleich finden sich seit dem Mhd. auch disjunktive und additive Verknüpfungen so und so, so oder so. (157)

diesz kleine volk ist uns ein stein im weg – so oder so – es muss sich unterwerfen. (Schiller, Bsp. aus Weydt 1983: 177)

Die irrelevanten Alternativen, die in Bezug auf die Geltung der Trägersatzproposition zur Diskussion stehen, sind meist nicht explizit verbalisiert, sondern müssen vom Adressaten auf der Basis des Kontexts rekonstruiert werden, häufig als Verknüpfung einer Proposition mit ihrem negierten Pendant. (158)

Eines, erklärte Förster jetzt gegenüber der taz, hätten alle drei Haftbefehle gemein: Sie stützten sich im wesentlichen auf sogenannte „Wiedererkennungszeugen“. Nach Anschlägen, die auf eine RAF-Urheberschaft schließen ließen, habe man „die Gelegenheit genutzt, die Verdächtigen noch mal zu zeigen, die wir sowieso schon seit Jahren suchen“, sagte Förster. (die tageszeitung, 21.06.1990, S. 3) (158a) q: Bei den Verhafteten handelt es sich um RAF-Mitglieder. (158b) ¬q: Bei den Verhafteten handelt es sich nicht um RAF-Mitglieder.  

Deutliche Hinweis auf das Vorliegen einer kontradiktorischen Alternative p oder ¬p sind direkte oder indirekte Entscheidungsfragen oder Konditionale im externen Konnekt. (159)

Denken diese Leute überhaupt noch? Wir haben sowieso schon zu viele Parkplätze. (Kleine Zeitung, 27.09.2000, o. S.) q: die Leute denken ¬q: die Leute denken nicht  

(159a) (159b)

1001

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

Ich dachte, wenn es nicht okay ist für sie, dann sollen sie ihren Wettbewerb eben ohne meine Filme machen. Wettbewerb mag ich sowieso nicht. (die tageszeitung, 14.03.1992, S. 13–14) (160a) q: Sie machen ihren Wettbewerb mit meinen Filmen. (160b) ¬q: Sie machen ihren Wettbewerb ohne meine Filme. (160)



(161)

Da drängt sich die Frage auf, ob denn überhaupt jemand aus dem Vertrag rauskommen will? Die Drogenhilfe sowieso nicht, sie ist heilfroh, daß sie ein Schnäppchen gemacht hat. (die tageszeitung, 05.02.1994, S. 33) q: Es gibt irgendjemanden, der aus dem Vertrag rauskommen will. ¬q: Es gibt niemanden, der aus dem Vertrag rauskommen will.  

(161a) (161b)

Zwischen Konstruktionen, in denen die Alternativen durch eingebettete Entscheidungsfragen aufgezählt werden wie in (161) und Doppelmarkierungskonstruktionen, in denen sowieso zusammen mit einem irrelevanzkonditionalen Konnektor des alternativen Typs im anderen Konnekt erscheint, gibt es einen fließenden Übergang. (162)

Als Mitreisende im Pkw war die Beamtin – egal ob Dienst- oder Privatausflug – sowieso versichert. Jun. (Neue Kronen Zeitung, 13.01.1996, S. 33) Ob es nun darum geht, daß niemand eine Karriere gemacht hat wie jener Jean Baptiste Bernadotte, der als Sohn eines südfranzösischen Schreibers König von Schweden wird, ob trivial Veranlagte auf der Blumeninsel ihrer SelinkoRomanfigur Désirée begegnen oder ob sich die Mainau schlicht ihrer Geschichte stellt, ist einerlei: Widersprüche sind sowieso permanent vorhanden, wenn im südlichsten Zipfel der klimatisch rauhen, demokratisch regierten Bundesrepublik der Onkel eines nordischen Königs mit mediterraner Blütenpracht lockt. (Vorarlberger Nachrichten, 21.11.1998, S. D11)  

(163)

Sowieso-Verwendungen sind nicht auf kontradiktorische Alternativen beschränkt; die Trägersatzproposition kann sich genauso gut auf eine allquantifizierte Alternative beziehen. Auch hier sind wieder Doppelmarkierungskonstruktionen mit irrelevanzkonditionalen Konnektoren des universalen Typs (w- auch immer, so/wie GRADP auch) möglich. (164)

Wenn Kalli nach Hause kam, wartete seine Mutter schon mit Pflaster. Alles zusammen hatte er vielleicht schon drei Meter Pflaster verbraucht. Wo das überall klebte! Am Knie sowieso und an den Ellenbogen. (LES/ERZ Lenz, Erzählungen, S. 18) In einem gewissen Sinne ist es mir Wurscht, wer Kunstminister ist, gedichtet, gemalt, gebildhauert und komponiert wird sowieso. (Kleine Zeitung, 13.04. 1997, o. S.)  

(165)



1002

(166)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Teamchef Prohaska auf die Frage, wer gegen Slowenien als Elferschütze bestimmt sei: „Egal, wen ich bestimme, schießen tut ihn sowieso der Toni.“ (Salzburger Nachrichten, 18.03.1997, o. S.)  

Sowieso kann auch in Form einer selbständigen Äußerung auftreten, nach Entscheidungsfragen auch in der Funktion einer Antwortpartikel.7 Es hat dann affirmative Funktion und bekräftigt die „bedingungslose“, unumstrittene Geltung eines im Vortext bezeichneten Sachverhalts: Die zur Diskussion stehende Frage wird damit „selbstverständlich“ positiv beantwortet. Dass diese Funktion von den irrelevanzkonditionalen Adverbien ohnehin, ohnedies und eh nicht geteilt wird, könnte ein Relikt von deren ursprünglich skalarer Natur sein. Die „universalen“ allemal und auf jeden Fall hingegen können wie sowieso selbständig affirmativ verwendet werden und ähneln darin dem formähnlichen betonten Affirmativitätsmarker allerDINGS. (167)

Spenden die Leute freiwillig? Sowieso. Viele tun uns sogar leid, weil sie über ihre Möglichkeiten spenden. (die tageszeitung, 11.08.1998, S. 3) S1: das ist der Herr, um den hier die Diskussionen gehen, ja? S2: so, den haben sie mir gleich mitgebracht? sehr nett von ihnen. aber ich bin der Meinung, ich weiß nicht, wir wollen uns doch lieber selber unterhalten S1: ja, sowieso, ich hab nur gedacht, wenn sie ihn vielleicht was fragen wollen, er kann also jederzeit Rede und Antwort stehen. (FR079AY1)  

(168)

4.4.5.2 Ohnehin, ohnedies Ohnehin ist im 18. Jh. als Analogie zum ursprünglich temporalen mithin gebildet, das zu dieser Zeit aber bereits konklusive Bedeutung hat. Daraus leitet sich die Bedeutung von ohnehin ab: Es negiert eine unterstellte Kausalität (vgl. auch Weydt 1983: 178). (169a) Die Operation ist schwierig. Mithin wird die Genesung lange Zeit dauern. (169b) Die Operation ist schwierig. Ohnehin wird die Genesung lange Zeit dauern. In (169a) bezeichnet das externe Konnekt eine Prämisse für die mit dem internen Konnekt genannte Schlussfolgerung. In (169b) wird eine solche kausale Beziehung gerade bestritten. Der Sprecher schließt auf den im internen Konnekt bezeichneten Sachverhalt aufgrund anderer, von p unabhängiger Evidenz. Dass ohnehin, wie alle

7 Nach Eggs (2003: 284) lässt sowieso in dieser Funktion nur Initialbetonung zu. Umfragen unter muttersprachlichen Sprechern lassen hier eher individualstilistische Präferenzen vermuten.

1003

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

negationsinduzierenden Konnektoren (s. C2.2), immer auf der Folie des positiven Proposition verwendet wird und seine Verwendung nur deshalb relevant ist, erklärt, weshalb zwischen p und q eine „normalerweise“ geltende Kausalbeziehung unterstellt werden kann. P und q erscheinen weniger unabhängig voneinander als etwa in Verknüpfungen mit eh oder sowieso. („Normalerweise“ haben schwierige Operationen längere Genesungszeiten zur Folge.) Anders als bei einer Konzessivrelation wird hier nicht der Folge-Sachverhalt selbst negiert, sondern es wird lediglich der potentiell im Diskurs in Frage kommende Kausalzusammenhang zwischen zwei Sachverhalten in Abrede gestellt. Mit ohnehin wird die Trägersatzproposition als unbeeinflusst von anderen Sachverhalten, aber auch als unbeeinflussbar, als unabänderlich präsentiert. Dadurch erscheint es besonders geeignet, negativ konnotierte Sachverhalte (vor allem Eigenschaftszuschreibungen) mit einer Art resignativen Sprecherhaltung darzustellen. (170)

Die Heimarbeiterlöhne hätten sogar noch niedriger sein können, als sie ohnehin waren! (die tageszeitung, 14.02.1992, S. 20) Auf Chens gescheiterte Pläne einer Verfassungsänderung folgt deshalb nun in Peking die Verabschiedung eines Antisezessionsgesetzes im Nationalen Volkskongress. Damit erteilt das ohnehin einflusslose Scheinparlament der Volksrepublik dem KP-Chef die uneingeschränkte Macht zum Invasionsbefehl – eine Macht, die er im diktatorischen System der KP sowieso innehält. (die tageszeitung, 05.03.2005, S. 11) Die Inbetriebnahme erfolgt aber erst, wenn die Ortsumgehung Drewitz fertig ist“, sagt Lange. Damit solle dem ohnehin schon strapazierten Ort zusätzliches Verkehrschaos erspart bleiben. (Berliner Zeitung, 03.08.1998, S. 25) Macht die Infragestellung der Roadmap durch Bush und Scharon eine Lösung im Irak nicht noch viel schwieriger, als sie ohnehin schon ist? (die tageszeitung, 26.04.2004, S. 6)  

(171)



(172)



(173)



Eggs (2003) macht auf der Basis der Etymologie einen Unterschied zwischen ohnehin und ohnedies geltend: bei ohnedies komme der anaphorische Bezug auf einen im Vortext ausgedrückten Sachverhalt stärker zum Tragen (‚p gilt, und p würde auch ohne das im Vortext genannte Faktum gelten‘), die Relevanzeinschränkung sei damit zum einen „weniger stark als bei sowieso und eh“ (ebd. 295), zum anderen habe es aufgrund des anaphorischen Bezugs einen geringeren Anwendungsbereich als ohnehin, das nur zum Ausdruck bringe, „dass man ohne das Vorhergehende, was auch immer es sein mag, hin zu q gelangt“ (ebd. 303). Die Korpusdaten bestätigen dies allerdings nicht so eindeutig.8 Zwar lässt sich in Konnexionen mit ohnedies meist im

8 Die Akzeptabilitätsunterschiede in den bei Eggs (2003: 303) angeführten Minimalpaaren dürften entgegen ihrer Meinung doch mehr auf stilistische Unterschiede zurückgehen: ohnedies ist in der

1004

C4 Konditional basierte Konnektoren

externen Konnekt ein Ausdruck für den nicht relevant werdenden Aspekt finden, der als Bezugsausdruck für die Anapher dies rekonstruiert werden kann, doch kann auch ohnehin ohne weiteres mit einem solchen quasi-anaphorischem Bezug auf den Vortext verwendet werden, in (175) sogar mit Bezug auf eine NP: (174)

Bill Clinton hat endlich zugegeben , was ohnedies schon jeder – außer seine Frau – wußte: Er hatte zu Fräulein Lewinsky „eine Beziehung unterhalten, die unziemlich war“. (Kleine Zeitung, 19.08.1998, o. S.) → ohne dass Bill Clinton es zugegeben hätte Falsch ist auch, dass halluzinogene Drogen keine Psychosen auslösen können, die nicht auch ohnehin zum Ausbruch gekommen wären. (die tageszeitung, 29.12.2007, S. 4) → ohne halluzinogene Drogen  



(175)



Umgekehrt gibt es auch Verwendungen von ohnedies, in denen kein eindeutiger anaphorischer Bezug auf das externe Konnekt rekonstruierbar ist. Die für ohnehin typischen negativ konnotierten Trägersatzpropositionen finden sich für ohnedies genauso. (176)

„Mir ist so fad, ich weiß nicht, was ich tun soll“, raunzt Anna in einem fort. „Jetzt gib doch endlich Ruhe und geh ins Kinderzimmer spielen, du hast doch ohnedies schon alles, was du willst“, lautet die bezeichnende Antwort ihres genervten Vaters. (Neue Kronen Zeitung, 19.02.1995, S. 10) „Davon müssen auch die Bauern einen gerechten Anteil bekommen“, fordern Hofinger und Bauernbunddirektor Stockinger eine Auffettung des bäuerlichen Milchpreises, der ohnedies im europäischen Schlußfeld liegt. (Neue Kronen Zeitung, 15.08.1997, S. 20) Wir fahren weiter, quer durch Heidelberg, besuchen einzeln Wohnende und andere, die zusammen in einer Wohnung leben (mitunter Anlaß für einen gutdotierten Sozialarbeiter, den Leuten die ohnedies spärliche Sozialhilfe zu kürzen, weil sie einen gemeinsamen Haushalt führen). (Die Zeit, 07.11.1986, S. 15)  

(177)



(178)



gesprochenen Sprache äußerst selten und wirkt deshalb in den dialogischen Beispielen als Fremdkörper. (1) A fragt in die Runde (also B, C und D) Was wollen wir heute Abend machen? Wollen wie vielleicht schwimmen gehen? B: Also ich habe ohnehin/?ohnedies/sowieso/eh keine Lust, heute noch mal raus zu gehen. (2) A: Was meinst du, sollten wir Renate aufs Gymnasium gehen lassen oder nicht? B: Aber sie heiratet doch ohnehin/?ohnedies/sowieso/eh.

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

1005

4.4.5.3 Eh Eh wird in der Regel als süddeutsch und österreichisch klassifiziert (Schlieben-Lange (1979: 316), Paul (1981): dort als „südostdeutsch“, HDG, Hentschel (1986: 53), DUW, König/Stark/Requardt (1990: 74), WDG), was aber durch die Datenlage im Korpus nicht bestätigt werden kann. Auch Helbig (1988: 127), Thurmair (1989: 136) und Eggs (2003: 288) nehmen Ausbreitung in andere Dialektgebiete an. Die Partikel hat ihren Ursprung im Temporaladverb eher (‚vorher‘, ‚davor‘), das zeigt sich auch noch in der häufigen Kollokation mit temporalen Ausdrücken wie eh schon, eh längst (vgl. auch engl. already). Die erschließbare Ursprungsbedeutung ist a) dass der Adressat die Trägersatzproposition als bereits bekannt betrachten soll (Thurmair (1989) nimmt ein Merkmal an; Hentschel (1986: 53) paraphrasiert ‚das Gesagte galt schon eher‘) und sie deshalb von geringer Wichtigkeit ist und b) dass der durch die Trägersatzproposition bezeichnete Sachverhalt wie bei ohnehin, ohnedies und sowieso unabhängig begründet ist und in keinem Folge(rungs)zusammenhang mit dem Vorgängerausdruck steht. Damit ist die Vorgängeräußerung „irrelevant“ in Bezug auf die Geltung der Trägersatzproposition bzw. die Trägersatzproposition begründet gerade diese Irrelevanz. (Bei Thurmair (1989) erhalten sowieso und eh das zusätzliche Merkmal ). Sätze mit eh können ähnlich wie ohnehin eine „resignative“ Wirkung (Schlieben-Lange 1979: 314) haben; sie finden sich vorzugsweise am Ende eines Diskursabschnitts (vgl. auch Eggs 2003: 291). Im internen Konnekt von eh treten häufig lexikalische Elemente auf, die die geringe Wertigkeit direkt zum Ausdruck bringen: es ist eh nichts passiert, eh klar, eh wurscht/egal/unwichtig/bekannt/zu spät/nutzlos, spielt eh keine Rolle, nützt eh nichts, eh wenig, eine eh geringe Zahl. (179)

Es ist nicht der Müh’ wert wegen der kurzen Zeit. In ein’ Jahr kommt der Komet, nachher geht eh’ die Welt z’grund. (WPD11, Nestroy, Lumpazivagabundus, S. 60) „Wir haben allein auf ein paar Sampler und ein altes Mischpult zurückgegriffen. Aber für die allermeisten Leute spielt das eh keine Rolle.“ (die tageszeitung, 28.06.2001, S. 17) Hauptsache, die Rezeptur hilft. Bitter genug schmeckt sie eh schon. (die tageszeitung, 19.06.2002, S. 12)  

(180)



(181)



Der Adverbkonnektor eh erhält den stärksten Akzent in seinem Konnekt; die Trägersatzproposition ist also informationstruktureller Hintergrund. Im Österreichischen Deutsch hat eh offensichtlich einen weiteren Anwendungsbereich als im Binnendeutschen (vgl. auch Weydt 1983: 179), wenngleich die einschlägigen Regionalwörterbücher nur den Bedeutungsspielraum ‚ohnehin, sowieso‘ angeben (vgl. Ebner 1969, Wehle 1980, Österreichisches Wörterbuch 1990). In den

1006

C4 Konditional basierte Konnektoren

folgenden Beispielen ist eh aber kaum durch ohnehin oder sowieso ersetzbar. Es kann im Österreichischen in Fragesätzen (182, 183) und Imperativsätzen (184, 185) auftreten und setzt wohl auch nicht Hintergrundstatus der Trägersatzproposition voraus (184– 187). Ein Äquivalent, das alle diese Verwendungen abdeckt, gibt es nicht. Eh scheint im Österreichischen außer der sowieso-Bedeutung auch Verwendungen des Komparativs eher mit abzudecken, die im Binnendeutschen nicht mit eh ausgedrückt werden können. In (182) klingt die temporale Bedeutung des Komparativs eher durch (‚vorher‘), in (183)–(186) dessen modale Bedeutung (‚lieber‘, ‚mehr‘). (182)

Die Eltern nicht minder nervös. „Hat die Oma eh gscheit gwaxelt?“, fragt der Papa am Start seine Dreijährige. (Salzburger Nachrichten, 16.02.1993, o. S.) Die zwei Bikerinnen stellten den beiden fremden Männern, die kurz nach ihnen auf der Alm ankamen, die Frage: „Sind Euch unterwegs zwei Männer und sechs Kinder begegnet?“ Jawohl, bestätigten die beiden männlichen Sportskanonen. „Und, sind die eh gut unterwegs?“, wollten die Radlerinnen erfahren. (Salzburger Nachrichten, 17.07.1996, o. S.) „Hey, Ferl“, schreit Herr Karl von Parzelle XIV zum drittnächsten Garten, „weißt eh, heut’ am Ab’nd steigt a Kart’npartie. Vergißt’ eh net!“ (Salzburger Nachrichten, 30.07.1992, o. S.) Hast Du überhaupt Bedarf, die 64-Bit Version zu nehmen – mehr als 4GB RAM? Wenn nein, dann nimm eh die 32-Bit Version! (http://www.ubuntuforum.de/index.php?page=Thread&postID=232726&s=e531ef97dd31ec83fcdc bc92e1061efc07e0effe#post232726) Das Kind hat zwölf Schilling fest in der linken Faust. Manchmal öffnet das Kind die kleine Hand und schaut, ob eh noch alle Münzen da sind. (Neue Kronen Zeitung, 24.05.1997, S. 24) Am 3. April 1982 holten die Ungarn den Verkäufer aus dem Gschäft. „Horchen Sie selbst, nur Mono.“ Der Geschäftsmann blieb hart: „Klingt eh wunderbar.“ (Weydt 1983: 179, aus einem unveröffentlichten MS von Gipper zitierend)  

(183)



(184)



(185)

(186)



(187)



4.4.5.4 Allemal Allemal hat einen etwas anderen Verwendungsbereich als die übrigen irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren, die weitgehend untereinander austauschbar sind. (188) (189) (190)

Mach dir nicht so viel Mühe mit der Vorbereitung. Es kommt sowieso/eh/ ohnehin/ ohnedies/?allemal keiner. In einem Jahr kommt der Komet, dann geht sowieso/eh/ohnehin/ohnedies/?allemal die Welt zugrunde. Er liebt das Spektakuläre, die gewaltigen Klangentladungen, die große Inszenierung: Wenn Giuseppe Sinopoli Mahler dirigiert, ist das allemal/≠ sowie-

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

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so/≠eh/≠ohnehin/≠ohnedies ein aufregendes, vieldiskutiertes Ereignis. (Neue Kronen-Zeitung, 26.01.1994, S. 31) Um den gigantischen Fundus der Literaturgeschichte zu bewältigen, sei nicht genug Zeit, aber um Schwerpunkte zu setzen allemal/≠sowieso/≠eh/ ≠ohnehin/ ≠ohnedies. (Frankfurter Allgemeine, 04.03.2005, o. S.) Frisches Obst und Gemüse ist allemal BESser als ein Fertiggericht. Frisches Obst und Gemüse ist ??sowieso/?eh/?ohnehin/?ohnedies BESser als ein Fertiggericht.  

(191)



(192a) (192b)

Als Gebrauchsunterschiede lassen sich festhalten: ‒ allemal erscheint eher am Ende des Mittelfelds, sowieso, eh, ohnedies/ohnehin eher an dessen Anfang ‒ allemal erscheint nicht in negativ konnotierten Trägersatzpropositionen ‒ allemal kann nur schlecht in negierten Trägersatzpropositionen auftreten, für sowieso, eh, ohnedies/ohnehin ist dies hingegen ein typischer Kontext9 ‒ allemal kann sowohl selbst den Fokusakzent tragen, als auch zum Hintergrund gehören. Die übrigen irrelevanzkonditionalen Adverbkonnektoren tragen immer den stärksten Akzent. ‒ Die Trägersatzproposition wird nicht als dem Adressaten bereits bekannt präsentiert. Seinem Ursprung nach ist allemal ein temporales Adverb, das sich wie alle mit Mal gebildeten Adverbien (abermals, mehrmals, einmal, manchmal, oftmals) auf Wiederholungen der gleichen Situation in verschiedenen Zeitpunkten bezieht (Paul 1981, s. v. mal). Die temporale Bedeutung ‚immer‘, ‚jedesmal‘ ist vor allem in der festen Wendung ein für allemal erhalten, scheint aber auch in vielen Verwendungen von allemal durch (193, 194). Eine ausschließlich temporale Bedeutung müsste als einstelliges Adverb und somit nicht als Konnektor beschrieben werden.  

(193)

Sie haben trotz der mehr als hundert Jahre zurückliegenden formellen Sklavenbefreiung das Trauma von Verschleppung, Versklavung, fortdauernder Entwürdigung und Diskriminierung, die allemal auch in einer ökonomischen Schlechterstellung resultierte, als Gruppe und im Ganzen nicht überwunden. (die tageszeitung, 04.05.1992, S. 12) Zwischen den Klemperer-Tagebüchern braucht schließlich auch die ARD mal einen echten Quotenrenner. Und dafür ist Uschi Glas allemal gut. (Berliner Morgenpost, 28.10.1999, S. 35)  

(194)



9 Innerhalb eines Satzes juxtaponiertes allemal nicht findet sich im DeReKo 49 mal (bei einer Gesamtbelegung für allemal von 23.000), für ohnedies nicht finden sich 956 Belege (bei einer Gesamtbelegung für ohnedies von 11.000).

1008

C4 Konditional basierte Konnektoren

Als temporaler Allquantor (‚zu allen Zeitpunkten‘) ist allemal prädestiniert für den Ausdruck einer universalen irrelevanzkonditionalen Relation (‚unter allen Bedingungen, in jedem Fall‘). Wenn aber zum Ausdruck gebracht werden soll, dass ein Sachverhalt unter allen Umständen gilt, müssen diese Umstände auch nicht im Kontext aufgezählt und als externes Argument versprachlicht werden. Dadurch erhält allemal eine größere Unabhängigkeit vom unmittelbaren Kontext und kann affirmative Funktion übernehmen: die Geltung der Trägersatzproposition wird universal behauptet, woraus auch die mit allemal häufig verbundene Emphase (vergleichbar mit allerdings, s. C2.3.6) ableitbar ist, zu der allquantifizierte Ausdrücke ohnehin tendieren. Gleichzeitig wird die Trägersatzproposition – anders als bei ohnehin/ohnedies/sowieso/eh – als für den Adressaten neue und wichtige Information präsentiert. Häufig findet sich allemal in Kopulakonstruktionen mit einem Adjektiv im Positiv oder Komparativ. (195)

So informativ bunt gestaltete Broschüren auch sind, persönliche Gespräche mit den Experten aus der Wirtschaft sind allemal besser. (Salzburger Nachrichten 05.03.1992, o. S.) Denn die Wirtschaft begrüßt die Vereinbarung einhellig: ihr sind die Exportmöglichkeiten, die ein durch GATT-Abkommen verbesserter Welthandel bietet, allemal lieber. (Salzburger Nachrichten, 01.12.1992, o. S.) „Ich denke von Rennen zu Rennen.“ Ein schönes Gefühl sei es aber allemal. (Tiroler Tageszeitung, 07.01.2000, o. S.)  

(196)



(197)



Zusammen mit einem Adjektiv oder einer attribuierten NP kann es auch fokuspartikelartig im Vorfeld erscheinen. (198)

Glücklicherweise hatte Erich Ribbeck auch für ihn gute Neuigkeiten. Allemal anerkennenswert sei es, „mit welchem Mut“ die Stuttgarter gespielt hätten. (die tageszeitung, 06.04.1992, S. 16) Zeit also, sich wieder einmal „Klassiker“ der historischen Jugendforschung vorzunehmen. Allemal eine lohnende Lektüre ist die von John R. Gillis bereits Anfang der 70er verfaßte „Geschichte der Jugend“, die nun in einer Taschenbuchausgabe vorliegt. (die tageszeitung, 21.05.1994, S. 12)  

(199)



Allemal teilt auch einen Bedeutungsaspekt mit anderen skalierenden Adverbkonnektoren wie jedenfalls, wenigstens oder immerhin. Die Trägersatzproposition wird affirmiert vor einer Hintergrundannahme, dass eine höhere Ausprägung oder ein besserer Wert auf einer Skala erwartbar war, auf der die Trägersatzproposition als zwar positiver, aber nicht ganz an das Erwartete hinreichender Wert eingeordnet werden kann. (200)

Wirkung auf den Stadtteil ist die falsche Frage. Aber Wirkung auf die alternative Szene Bremens haben wir allemal. (die tageszeitung, 16.07.2007, S. 24)  

C4.4 Irrelevanzkonditionale Konnektoren

(201)

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Es wird sich zeigen, inwieweit sich diese Hoffnungen, Unterstützung in der Stadt zu finden, realisieren lassen. Den Versuch lohnt es allemal. (Frankfurter Allgemeine, 15.01.2001, o. S.) Jeder Schüler hatte zwei Versuche. Wie auch immer das Ergebnis ausfiel: Ein großer „olympischer“ Spaß war es allemal. (Mannheimer Morgen, 13.02. 1998, o. S.) „Wenn ‚Tempo‘ in ein paar Jahren ästhetisch veraltet wirkt, weil es eben ein Zeitdokument von 1996 ist – super!“ Dermaßen viel Ästhetik steckt nun auch wieder nicht drin in ‚Tempo‘, daß da viel veralten könnte, aber vergnüglich ist der Film allemal. (Berliner Zeitung, 16.04.1998)  

(202)



(203)

Dadurch, dass allemal auf einer Hintergrundannahme operiert, erscheint es auch häufiger in Sätzen, die adversativ (aber!) an den Vortext angeschlossen sind (197, 200, 203). Für Begründungskontexte, in denen ohnehin/ohnedies/eh/sowieso gern auftreten, eignet es sich dagegen weniger.

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren 4.5.1 Liste der finalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1014 4.5.1.1 Bestand  1014 4.5.1.2 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars  1018 4.5.1.3 Alternative Ausdrucksmittel zur Kodierung der Finalitäts-Relation  1019 4.5.2

Semantische Charakterisierung der Klasse  1025

4.5.3

Besonderheiten einzelner finaler Konnektoren  1041

4.5.4 Instrumentale Konnektoren  1045 4.5.4.1 Liste der instrumentalen Konnektoren und alternative Ausdrucksmittel  1046 4.5.4.2 Zur Semantik der instrumentalen Konnektoren  1049

Ulrich Hermann Waßner

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren Eine weitere Unterklasse der konditional basierten (so u. a. auch GDS: 2290 f., 2294–6; Vliegen 2010: 108) ist die der finalen Konnektoren, auch als purposive bezeichnet (vgl. etwa Wöllstein 2005: 59). Sie gehört zum Standard-Grundbestand der traditionellen semantischen Konnektoren-Klassifikationen. Eine Klasse der finalen Konjunktionen kommt schon bei der allerersten heute noch bekannten semantischen Konnektorenklassifikation der abendländischen Geschichte vor, der von Dionysios Thrax, in deren deutscher Übersetzung bei Arens (1969: 26/27) als Vertreter der Klasse damit und auf dass sowie auch die kausale Präposition wegen und der konsekutive Postponierer weswegen (zu diesem vgl. C4.2.3.2.1.2) genannt sind. Die dort angegeben Bestimmung allerdings, „Finale werden bei Angabe einer Ursache gebraucht“, ist noch zweifelhaft, weil zu allgemein, liefert sie doch kein Unterscheidungsmerkmal zu den kausalen (vgl. C4.2 sowie C4.5.2) – was wiederum die Aufnahme der beiden nichtfinalen Ausdrücke erklärt. Die finalen Konnektoren werden als eine spezielle Unterart der konditionalen (vgl. etwa GDS: 2290 ff.) bzw. der kausalen (vgl. etwa Heidolph et al. 1981: 804; Rudolph 1982b: 275; Sæbø 1991: 623) Klasse angesehen. Das hängt damit zusammen, dass sie sich mit konditionalen wie mit kausalen Konnektoren (plus Ergänzung weiterer sprachlicher Zeichen) paraphrasieren lassen. Da sich aber die Kausalität auf Konditionalität zurückführen – von dieser ableiten – lässt, ist in beiden Fällen die Grundbedeutung der finalen Konnektoren „konditional basiert“, sind diese Konnektoren in unserer Systematik weder ein Spezialfall der konditionalen (C4.1) noch der kausalen (C4.2) Klasse. Wir schließen uns bei der Bestimmung der finalen Relation weitgehend den üblichen Überlegungen an. Entscheidend dafür ist das interne Konnekt. Seine Rolle als Argument in dieser Relation, für die es auch namengebend ist (abgeleitet von lat. finis ‚Ende, Ziel‘), kann man in einem Satz zusammenfassen: „Finalsätze werden verhältnismäßig einheitlich definiert. Sie drücken Zweck, beabsichtigte Wirkung, Absicht oder angestrebtes Ziel der Handlung des Subjekts im Hauptsatz aus.“ (Hájek 1986: 357; vgl. auch ebd. 360: „durch die Konjunktion [wird] das Gliedsatzgeschehen als beabsichtige Folge dargestellt“). Damit wäre die Rolle des einen Arguments der ERWÜNSCHT ES R ESULTAT gekennzeichnet, das andere wäre dann als so Relation als ERWÜNSCHTES etwas wie eine Handlung, die i. w. S. ein M ITTEL zu diesem Zweck darstellt, zu charakterisieren. Entsprechend können „Finalangaben“ oder „finale Adverbial- oder Nebensätze“ – kann also das interne Konnekt q – mit Wozu/Wofür/Zu welchem Zweck p? oder auch (vgl. Duden-Grammatik 82009: 784) In welcher Absicht …? erfragt werden, wie immer wieder bemerkt wird (vgl. nur etwa Engel 31996: 225).  











1014

C4 Konditional basierte Konnektoren

4.5.1 Liste der finalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Die Finalitätsrelation wird im Deutschen (und das scheint auch eine universale Tendenz zu sein) eher selten konnektoral (also im Sinne dieses Handbuchs mit finiten Sätzen als Konnekten) kodiert, und zwar sowohl in Bezug auf die Type- wie die Token-Frequenz: Es gibt nur wenige finale Konnektoren und diese werden im Kontrast zur hauptsächlichen nicht-konnektoralen Ausdrucksform im Deutschen, der Infinitivpartikel um, selten gebraucht (vgl. u. a. Rudolph 1982b: 276/277; Buscha 1989: 57; dort auch einige Gründe). Insofern ist diese Relation für das Konnektoren-System vergleichsweise marginal; wir werden die finalen Konnektoren daher kürzer behandeln als andere Klassen.  

4.5.1.1 Bestand In der Fachliteratur besteht – ganz anders als z. B. bei den negativ-konditionalen – große Übereinstimmung auch bzgl. Name und Extension der Klasse. Genannt werden in der Regel die folgenden drei finalen Konnektoren (vgl. z. B. GDS: 2317; Heidolph et al. 1981: 699/701; Hájek 1986). Das vielfach mitgenannte um (…) zu (vgl. Duden-Grammatik 82009: 632 und 1092; Buscha 1989: 16, 56 ff. und 117 f.; Buscha et al. 1998: 121; von Polenz 1985: 278; GDS: 2317–9; Heidolph et al. 1981: 804 ff.; Helbig/Buscha 171996: 659 f.; Engel 1988/31996: 712; Wöllstein 2005 z. B. argumentiert dezidiert gegen diesen Ausschluss der Ausdrücke, die nichtfinite Argumente annehmen, also um (…) zu, aber auch z. B. ohne/anstatt zu, aus den Konnektoren) ist im Sinne des HDK kein Konnektor. (Wir werden es allerdings durchaus immer wieder zum Vergleich heranziehen.)  





















Subjunktoren daMIT auf dass Postponierer dass Der zentrale, weil von den finalen Konnektoren am häufigsten verwendete und auch stilistisch neutrale finale Konnektor ist synchron eindeutig damit. Zur Häufigkeit der finalen Konnektoren relativ zueinander gibt es unterschiedliche Angaben; einen Überblick gibt Hájek (1986: 365 Fn. 2). Generell zur historischen Entwicklung von (auf) dass und damit im Deutschen, insbesondere zum quantitativen Verhältnis ihres Gebrauchs, vgl. Vliegen (2010: 108–111). Quantitativ gilt also wohl: „Der wichtigste finale Subjunktor ist damit; daneben wird, vor allem umgangssprachlich  

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1015

[…], daß verwendet. Das eher veraltete auf daß findet sich heute überwiegend, wo eine spezielle, z. B. ironisierende Stilwirkung erreicht werden soll“ (GDS: 2317/18). Betrachtet man nur die Lexeme, ist demgegenüber festzustellen, dass der semantisch eindeutigste Konnektor auf dass ist, insofern es anders als dass und damit primär und monosem final ist, während jene beiden dominant andere Lesarten haben: dass kommt ganz überwiegend als „komplementsatzbildender Subordinator“ ohne Konnektor-Status (HDK-1: 57, 96), kurz Komplementierer (vgl. (1a)), und damit häufiger als Proform für eine Präpositionalphrase vor (vgl. (2a)). (Zu den verschiedenen möglichen Bedeutungen von damit – auch temporal ‚unmittelbar danach‘ oder instrumental ‚dadurch dass‘ – vgl. das DWB, Bd. 2, Sp. 704.) Als Subjunktor allerdings ist damit ebenfalls stets, in allen untersuchten Belegen final und somit monosem. Bei damit korreliert die Bedeutung mit der syntaktischen Verwendung: in den anderen syntaktischen Verwendungen (als Adverbkonnektor) ist es nie final. Damit ist es ein klassisches Beispiel für Heterosemie (vgl. A3.2.1). Hier ist also z. B. bei Korpusauswertungen die Syntax der Konnektoren auch für semantische Fragestellungen stets mitzuberücksichtigen. Ganz anders die Lage bei dass: Bei ihm bestehen keine Korrelationen mit der syntaktischen Verwendung: Es ist stets subordinierend, ob komplementsatzbildend, ob als finaler oder anderer Konnektor. (Wenn dass als Konnektor (Postponierer) vorkommt, hat es außer finalen (wie auf dass) auch konsekutive Lesarten (wie so dass: Er lachte, dass sich die Balken bogen – auch als Metapher nur eine faktische, wohl kaum die beabsichtigte Folge)). Wir haben hier einen Fall von regulärer Polysemie. Buscha (1989: 65) formuliert das vorsichtig so, dass dass in finaler Verwendung „weniger deutlich“ ist als damit. Auch um (…) zu als wichtigster Alternativausdruck hat viele Verwendungen neben der finalen; neben der finalen Lesart ist vor allem eine temporal-sequentielle Lesart (‚und später‘) und auch eine kausale zu nennen – alles unter den umgangssprachlichen Begriff der „Folge“ zusammenzufassen (vgl. Eisenberg 1989: 395; Dreike 2000: 449 Fn. 2 sowie die Duden-Grammatik 82009: 1092 f.). Einen kurzen Literaturüberblick zu dieser Thematik (sowie zu Vorschlägen zur semantischen Differenzierung zwischen dem Konnektor damit und der infiniten Formulierung mit um (…) zu) gibt Dreike (2000: 449 f.). Bei damit spiegelt die Silbenbetonung den Unterschied wieder: Der finale Konnektor damit kann nur auf der zweiten Silbe betont werden. Wenn damit auf der ersten Silbe betont werden kann, ist es kein finaler Konnektor. Auf beiden Silben betonbar ist der ansonsten gleichlautende, aber nicht finale nicht nacherstfähige Adverbkonnektor, sowohl wenn er konsekutiv, als auch wenn er als Proform für eine Präpositionalphrase dient und insofern auf seinen präpositionalen Bestandteil zurückgeführt werden kann (‚mit d(ie)sem Gegenstand / Sachverhalt / Thema etc.‘, nicht aber ‚mit dieser Person‘, vgl. GDS: 55).  













1016

(1a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

dass als komplementsatzbildender Subordinator (Beispiele aus HDK-1: 420): Ich weiß , dass das schwierig ist. Dass du das nicht weißt, erstaunt mich. Finales dass (Beispiel aus HDK-1: 704): Wir müssen uns beeilen, dass wir den Zug noch kriegen. damit als Proform für eine Präpositionalphrase: Er will es als „Re-Enactment“ verstanden wissen. Damit [= mit „Re-Enactment“] ist gemeint, ein historisches Ereignis bewusst und so genau und detailgetreu wie möglich nachzustellen. (die tageszeitung, 21.12.2009, S. 28) Finales damit: Israel wird […] sich aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen zurückziehen, damit die Palästinenser dort ihren eigenen Staat gründen können. (St. Galler Tagblatt, 03.02.2009, S. 7)  

(1b) (2a)



(2b)



Exkurs: Zum quantitativen Anteil der finalen Lesart an den Vorkommen von dass Von 200 Zufallstreffern mit dass oder daß waren nach manueller Auszählung die große Mehrheit, nämlich 183, komplementsatzbildende Subordinatoren; aber nur 2 Belege mit dass waren final ((1c) – u. a. das nonfaktische K ONSEQUENS ist ein Indiz dafür) oder konsekutiv ((1d) – worauf der Kontext, das nicht-agentische Prädikat und das faktische K ONSE QUENS hindeuten). (Bei 5 weiteren war die Zuordnung unsicher.) Eine zweite Auszählung von 200 weiteren Treffern brachte ein ganz ähnliches Ergebnis: 187 Komplementierer“, 9 so…, dass, und hier gar keiner final/konsekutiv sowie 4 unsicher.  

(1c)

„Erde singe, daß es klinge …“ – dieses schwungvolle Jubellied stand über dem Eröffnungsgottesdienst in der neu gestalteten Klosterkirche der Armen Dienstmägde Jesu Christi. (Rhein-Zeitung, 27.01.1998, o. S.) Also […] macht sich die Hochkultur das Entertainment untertan, indem sie dessen Vermittlungsmodi zu ihren Bedingungen anwendet. Natürlich spielt dann hier eine Jazzcombo, legt dort ein DJ auf und pflanzen sich da Bässe fort durch ehrwürdige Häuser, dass mancher Klassiker am Nagel tanzt. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 29.03.2007, Nr. 13, S. 55)  

(1d)





Finales dass ist sicherlich nicht veraltet, wie z. B. Hartung behauptet und es deswegen sogar wie die Formen um dass und darum dass, aber anders als alleinstehendes dass, aus seiner Untersuchung ausschließt (vgl. 1961: 214): auskunftlich der Beleglage kommt es im Gegenwartsdeutschen durchaus noch häufig vor.  

Dass „bestimmte durch so dass eingeleitete Nebensätze final verstanden werden können“ (Vliegen 2010: 116, nach Kneip 1978: 105 f.), ist kein Widerspruch dazu, diesen Konnektor nicht unter die finalen aufzunehmen. Es gibt zwar Fälle, wo eine Konstruktion mit so dass final zu lesen ist, wie in (3b) (das nach Vliegen eine Paraphrase von (3a) ist; Beispiele von Kneip).  

(3a) (3b)

Hans nimmt sich einen Löffel, damit er die Suppe essen kann . Hans nimmt sich einen Löffel, so dass er die Suppe essen kann .  



C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1017

Für diese Interpretation ist aber der Beitrag des Konnektors alleine nicht hinreichend. Deutlich wird der Unterschied bei unmodalisierten internen Konnekten (vgl. a. die Beispiele (27) gegenüber (28) bei Vliegen), wo so dass (3d) eben nicht final verstanden werden kann, sondern rein konsekutiv bleibt; hier kann es also nicht für genuin finale Konnektoren eintreten (3c): (3c) (3d)

Franz nimmt sich einen Löffel, damit/(auf) dass Fritz keinen bekommt. Hans nimmt sich einen Löffel, so dass Fritz keinen bekommt.

In (3c) hofft Hans zwar, dass Fritz keinen Löffel bekommt, hat aber keine Garantie dafür (mögliche Fortsetzung: …, aber der holt sich anderswoher einen); in (3d) dagegen wird (vom Berichterstatter) definitiv behauptet, dass die Wirkung, dass Fritz keinen Löffel bekommt, tatsächlich eintritt bzw. eingetreten ist, was in (3c) aus der Perspektive des A GENS im externen Konnekt als in der Zukunft liegend und damit für ihn und auch für den Adressaten der Äußerung, der noch nicht über mehr Informationen verfügt, (noch) „hypothetisch“ (nonfaktisch) dargestellt wird. Finale Konnektoren können demgemäß in den entsprechenden Fällen durch eine konsekutive und ebenso eine kausale oder eine instrumentale Konstruktion – und eben nicht nur durch so dass – ersetzt werden, aber eben nur dann, wenn in der Paraphrase eine Markierung der Unsicherheit des Resultats ergänzt wird, wie es durch ein volitives Modalverb oder ein vergleichbares sprachliches Mittel geschieht: Hans nimmt sich einen Löffel, weil er will , dass Fritz keinen bekommt. Hans nimmt sich einen Löffel in der Hoffnung , dass Fritz deshalb/aufgrund dessen/infolgedessen keinen bekommt. (3c)’’’ Indem/Dadurch, dass Hans sich einen Löffel nimmt, will er verhindern , dass Fritz einen bekommt. (3c)’’’’ Hans nimmt sich einen Löffel in der Hoffnung , dass Fritz dadurch keinen bekommt.

(3c)’ (3c)’’









Deutlich wird der Unterschied zwischen stets konsekutivem sodass und damit in finaler Verwendung auch, wenn sprachlich die Unterstellung negiert wird, dass das Ziel der Handlung mit Absicht erreicht bzw. angestrebt wird: Das ist bei finalen Konnektoren nicht möglich (4b), wohl aber bei anderen, wenn keine finale Interpretation angezielt ist (4d). Dazu kann man einen versehentlich-Test benutzen (vgl. (4a) mit (4b) und (4c) mit (4d). Und auch externe Konnekte, die keine intentionale Handlungen denotieren, verhindern eine finale Lesart (vgl. (4e) mit (4f)). (4a) (4b) (4c) (4d)

Hans schubst den Bauklötzchen-Turm, damit er umfällt. *Hans schubst versehentlich den Bauklötzchen-Turm, damit er umfällt. Hans schubst den Bauklötzchen-Turm, sodass er umfällt. Hans schubst versehentlich den Bauklötzchen-Turm, sodass er umfällt.

1018

(4e) (4f)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Der Turm fiel um, sodass alle Bauklötzchen im Zimmer verstreut lagen. *Der Turm fiel um, damit alle Bauklötzchen im Zimmer verstreut lagen.

4.5.1.2 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars Zwei der drei finalen Konnektoren sind aus Präpositionen gebildet, einmal als Bestandteil einer Zusammenrückung der ihrerseits finalen (genauer wohl instrumentalen) Präposition mit und eines ursprünglich deiktischen, hier aber anaphorischen Teils da- als Satzpronomen; im anderen Fall in Kombination mit dem Subjunktor dass (und eben auch dieser Subjunktor alleine fungiert final). Im Bereich der finalen Konnektoren finden sich nur nicht-konnektintegrierbare (konjunktionale). Sie sind passend zu ihrem Status als konditional basierte Konnektoren (also als Ausdrücke für eine semantisch asymmetrische Relation) nie ko-, sondern durchgängig subordinierend (vgl. die analoge Situation bei den konditionalen Konnektoren, C4.1.1.1) – es handelt sich um einen Postponierer und zwei Subjunktoren. Auch bei letzteren ist bevorzugte Abfolge der Konnekte externes vor internes (wobei wir die Fälle eines desintegrierten (freien) internen Konnekts, dem ein Imperativ folgt, hier nicht berücksichtigen). Das ist auch ikonisch zur zeitlichen Reihenfolge von Handlung und zu erreichendem Ziel/Zweck: „das noch Ausstehende folgt“ (Vliegen 2010: 114, mit Flämig 1964). Daneben gibt es – eher ausnahmsweise – auch die umgekehrte Reihenfolge, was wiederum dazu passt, dass der antizipierte Zweck als Motiv („Handlungsgrund“) vor der Ausführung der Handlung liegt. Dieser Fall kommt häufig genug vor, um erwähnt werden zu müssen, ist aber deutlich seltener als der andere, der als Normalfall anzusehen ist. (Die unterschiedliche Stellung ist wohl durch Anforderungen der Vertextung bedingt, sprich näheren Anschluss des einen oder anderen Konnekts an Vor- oder Nachkontext.) Eine genauere Vorstellung von der Verteilung können folgende Zahlen geben: In einer Zufallsauswahl von 200 Belegen mit auf dass/auf daß stand der Konnektor in 48, also in rund einem Viertel der Fälle am Satzanfang. Allerdings steht auch bei diesen die Mehrzahl (40) das externe Konnekt noch links von ihnen, sind es isolierte Exklamativsätze oder die Fälle erlauben keine klare Entscheidung. Aber selbst dann noch verbleiben immerhin 9 (also in diesem Sample rund 5%) Belege für seinem externen Konnekt vorangestellten Auf dass-Satz, vgl. (5a) (sowie a. das Tucholsky-Zitat in Vliegen 2010: 111 Fn. 2). (Diese kommen dann aber wiederum gerne kombiniert mit einem nach links weisenden Satzpronomen – wie dies in (5b) – oder Konnektor – wie aber in (5c) – vor.)  

(5a)

Am Freitag begann das große Konzert-Wochenende zum zehnjährigen Bestehen der Rundfunkorchester und -chöre GmbH. Auf dass es nicht nur eine Leistungsschau der Ensembles werde, setzte das Rundfunk-Sinfonieorchester

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1019

Berlin den Auftakt mit einem Programm von seltener Intelligenz […]. (Berliner Zeitung, 16.02.2004, S. 31) 19,5 Prozent Marktanteil in Europa hielt der Espace vergangenes Jahr, oder anders gesagt: Jeder fünfte verkaufte Van war ein solches Modell. Auf dass dies so bleibe, gönnt Renault dem Espace eine sanfte Retusche. (St. Galler Tagblatt, 21.07.2000, o. S.) Auf dass aber niemand in den Ruch gerate, es gegenüber dem unbeliebtesten Präsidenten seit Menschengedenken an Kritikfähigkeit mangeln zu lassen, übten sich in Berlin Politiker aller Parteien gemeinsam im „Bush-bashing“. (Nürnberger Zeitung, 12.06.2008, S. 2)  

(5b)





(5c)



Anders als in HDK-1 (700) unterstellt, ist also auf dass kein Postponierer. Auch damit kann mit seinem internen Konnekt dem externen vorangestellt sein. Dafür finden sich nur wenige, aber völlig akzeptable Belege, z. B.  

(6)

Damit Berufstätige das Angebot auch tatsächlich nutzen können, ist der Schnupperkurs am Dienstag abend, 5. März, von 20.30 bis 21.30 Uhr vorgesehen. (Mannheimer Morgen, 29.02.1996, o. S.)  



Anders für dass alleine. Es wird nur in einem ganz geringen Prozentsatz im finalen Sinne verwendet. Noch seltener sind Fälle, in denen auch noch Voranstellung des Konnektors mit seinem internen Konnekt vor das externe vorliegt. Lässt man in Belegen mit auf dass das auf weg, ist das Resultat wie in (5a)’ von äußerst zweifelhaftem grammatischen Status, ja sogar (wenn man die Herleitung von der auf dassFormulierung in (5a) nicht kennt) kaum verständlich, so dass Fälle wie dieser nicht als Beispiele gegen einen Postponierer-Status von finalem dass dienen können. Dasselbe gilt für Versuche, Beispiele und Belege mit finalem dass in „Normal- (also Nach-)stellung“ umzustellen, wie man an (1b) und (7) sieht: das Ergebnis einer solchen Umstellung ist ebenfalls nicht akzeptabel. (5a)’

(7)

*Dass es nicht nur eine Leistungsschau der Ensembles werde, setzte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin den Auftakt mit einem Programm von seltener Intelligenz. Märtke muß sich zusammenhalten, daß sie vor den lächelnden Männern nicht aufschluchzt. (MK1/LSO Strittmatter, Bienkopp, S. 292) → *Dass sie … nicht aufschluchzt, muss sich Märtke zusammenhalten  

4.5.1.3 Alternative Ausdrucksmittel zur Kodierung der Finalitäts-Relation Frei bildbare finale Konnektoren wie mit dem Ziel/zu dem Zweck/in der Absicht (…), dass/zu etc. berücksichtigen wir hier nicht weiter. In diesem Zusammenhang wäre

1020

C4 Konditional basierte Konnektoren

dann auch M ITTEL -markierendes zu diesem Ende/Zweck zu nennen, das nach einem Satz steht, der ein Z IEL oder einen Z WECK des mit diesem Ausdruck versehenen Satzes denotieren kann, und das auf diesen zurückverweist. (8)

Aber man konnte doch schon ahnen, dass bei längerem Beisammensein und mehr Hebung etwas Rechtes aus der Sache werden könne . Das Komitee bewilligte uns zu diesem Ende eine Übungszeit von 14 Tagen. (St. Galler Tagblatt, 22.10.2008, S. 31) → das Komitee bewilligte …, damit … etwas Rechtes wird/werde/würde.  



Im Wörterbuch erscheinen nur Z WECK -markierende finale Konnektoren, lexikalisierte ITT EL -Marker gibt es im Deutschen nicht. Zwar lässt sich auch die M ITT IT TEL EL -Rolle finale M ITTEL sprachlich kennzeichnen, aber eben nicht mit einer festen Fügung, sondern nur kompositional: Mit einem der genannten Ausdrücke und weiterem sprachlichem Material, das sicherstellt, dass das Zweck-Konnekt nonfaktisch ist. (Zu Einschränkungen hinsichtlich der semantischen Äquivalenz von p, damit q und q, zu diesem Zweck p und auch q, dazu p vgl. Hartung 1964/61973: 198/199.) Zu den zusammengesetzten konnektoralen Ersatzformen kommen sodann noch die mit einem Subjunktor für die Konditional- oder Kausalbeziehung bzw. einem Konnektor für die Instrumentalrelation plus einem volitionalen Modalverb (also einem des Wollens oder Sollens) im internen Konnekt: Er geht, damit ein Platz frei wird: Er geht, wenn/weil/wodurch ein Platz frei werden soll/er (erreichen) will, dass ein Platz frei wird (vgl. a. GDS: 2295, 2318; Breindl/Walter 2009: 25, 27, 87/88, 103/4; Heidolph et al. 1981: 804 ff.; Glück 22000: 209; von Polenz 1985: 277/78). In der exemplifizierten Form gilt das bei den kausalen Konnektoren nur für die NTEZEDENS EZEDENS -markierenden und bei den instrumentalen nur für die R ESULTAT -Marker A NT wie auch dadurch und damit – in ihrem internen Konnekt wird das genannt, was ein A GENS erreichen will oder soll und was im typischen Fall dessen im externen Konnekt genannte Handlung motiviert. Bei den M ITTEL -markierenden instrumentalen – indem, dadurch (…), dass, wozu, dazu etc. – muss entsprechend das Modalverb in deren externem Konnekt stehen: Er will, dass ein Platz frei wird/Ein Platz soll frei werden, indem er geht; dadurch dass er geht, soll ein Platz frei werden/will er (erreichen), dass ein Platz frei wird. etc. Bei den konversen kausalen (nämlich K ONSEQUENS -markierenden, also konsekutiven – sodass usw.) scheint eine vergleichbare Formulierung nicht unproblematisch möglich zu sein. Folgende nichtkonnektorale Ausdrucksvarianten sind wesentlich (vgl. dazu GDS: 829 f. und 832; von Polenz 1985: 276/277; Buscha et al. 1998: 119 ff.und 129 ff. sowie die tabellarische Übersicht in Sommerfeldt/Starke 1992: 226/227): Die wohl häufigste und am wenigsten markierte, gewissermaßen „normale“ Form zur Markierung des Z WECK -Arguments ist die Infinitivphrase mit um (…) zu (um Geld zu sparen …). Wo sie von den semantisch-syntaktischen Einschränkungen, denen auch sie unterliegt, nicht verhindert wird, ist sie die Forme erster Wahl.  











C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1021

Um morgen früh ausgeschlafen zu sein, musst du heute früher als sonst ins Bett. → Damit du morgen früh ausgeschlafen bist, musst du … (HDK-1: 4)

(9)

Speziell zu der infiniten Konstruktion vgl. Näheres etwa bei Sommerfeldt (1982), GDS (1438 ff. sowie 2318), Vliegen (2004), Wöllstein (2005), Cortès (2005), Rapp/Wöllstein (2009). Eine dieser sehr ähnliche Ausdrucksform für Finalität ist die Infinitivphrase ohne um, mit oder ohne zu (Duden-Grammatik 82009: 1092 z. B. hat als finale „Konnektoren“ u. a. (um) zu). Sie ist gegenüber der Form um (…) zu seltener (vgl. Hyvärinen 1991: 302; GDS: 1428, wonach speziell bloßes zu in dieser Verwendung weniger frequent ist als um (…) zu). Ein Beispiel für die Weglassbarkeit des um, hier den Fall mit zu, nach Helbig/Buscha (171996: 118) („Der finale Infinitiv kommt auch ohne Konjunktion um vor“):  





(10a)

Diese Worte genügten, (um) ihn zum Schweigen zu bringen.

Für den noch selteneren Infinitiv auch noch ohne zu ein Beispiel nach Dreike (2000: 447): (10b)

Er ging zur Bank, den Scheck einlösen.

Die infinitivischen Formulierungen ohne um erzwingen keine finale Lesart, der reine Infinitiv legt eine solche noch weniger nahe als der mit zu. Zwar ist auch die Infinitivphrase ohne um und ohne zu in (10b) immer noch final, aber Zweck/Handlungsmotiv stammen nur noch von der Verb-Semantik her: Wir haben hier einen Fall von ACI. Exkurs: Zum quantitativen Verhältnis der konnektoralen und der infinitivischen Markierung der Finalrelation in deutschen Texten Was die Präferenzhierarchie bzgl. dieser Ausdrucksformen für Finalität – sei es generell, sei es in bestimmten Umständen – angeht, vgl. etwa Hyvärinen (1991: 305): „[B]ei echter oder durch De-Passivierung ableitbarer Identität des Subjekts des eingebetteten Satzes mit dem Matrixsatzsubjekt [wird] üblicherweise FI [finale Infinitivkonstruktionen mit um … zu oder zu] oder FP [finale Präpositionalgefüge] bevorzugt“. D. h. Sätze mit FN [„finalen Nebensätzen“ mit den Konnektoren damit, auf dass, dass] sind dann zwar nicht ungrammatisch („attributive damit-Sätze [sind] strukturell möglich“), aber „stilistisch weniger gut“. Dass die finale Relation am häufigsten (und deutlich häufiger als mit Konnektoren) mit um (…) zu ausgedrückt wird, wurde auch empirisch an Korpora untersucht, was aber z. T. – was die diachronen Entwicklungen angeht, ob also die Schere zunehmend weiter auseinanderklafft – zu umstrittenen Ergebnissen führte, vgl. Vliegen (2010: 110) vs. Flämig. Zustimmung findet Flämig bei Vliegen, „dass zu + INF zugunsten von um zu + IND zurücktritt“ (ebd.). Bei Flämig (1964: 23) heißt es dazu: „In der Diachronie zeigt sich ein Vordringen der finalen Gruppe [um (…) zu] und ein Zurücktreten des Finalsatzes“; erstere steigt von 65 auf 77%, letztere fällt entsprechend von 35 auf 23%, also eine Änderung je um 12%. „In der Sachprosa beträgt der Unterschied sogar 16,5%. Dagegen erweist sich die dichterische Prosa als konservativ“: Hier bleibt das Verhältnis sogar gleich (23/24).  



1022

C4 Konditional basierte Konnektoren

Über das Deutsche hinaus verallgemeinert Sæbø (1993: 930): Es gibt in den Sprachen eine weitverbreitete Tendenz, für Finalrelationen Präpositionen bzw. infinite (und subjunktive) Formen zu verwenden. Finale Präpositionen „kommen häufig vor“ (Duden-Grammatik 82009: 1093); „Die wichtigsten Präpositionen zur Bildung finaler Wortgruppen sind zu, zugunsten, zwecks und um … willen. Die Präposition zu ist mehrdeutig und kommt auch mit lokaler, temporaler und modaler Bedeutung vor. Die Präpositionen zugunsten, zwecks und um … willen werden ausschließlich mit finaler Bedeutung verwendet“ (Buscha et al. 1998: 124); von Polenz (1985: 278) nennt noch für, die GDS (829, Beleg s. d.) noch behufs (wozu man wiederum die Konstruktion zu dem/diesem Behuf(e) stellen könnte, die einen Kandidaten für einen zu den finalen konversen Konnektor stellen würde, aber nicht lexikalisiert ist). Daneben wären noch Postpositionen wie halber und zuliebe anzuführen. Die Grundzüge (Heidolph et al. 1981: 806) verweisen auf die Möglichkeit, „Finalsätze durch Substantivierung zu Substantivgruppen abzuwandeln und mittels der Präpositionen zwecks, zu, für in den Handlungs-Satz einzugliedern“.  





(11a)

Die SVP-Ortspartei Wolfhalden hat sich gemäss Medienmitteilung zu einer ausserordentlichen Versammlung zwecks Begutachtung der geplanten Photovoltaik-Anlage auf dem Kirchendach getroffen. (St. Galler Tagblatt, 14.05. 2012, S. 41) → … getroffen, um die Anlage zu begutachten. Der Gemeinderat hat […] die Bauverwaltung beauftragt, die Angelegenheit mit der Abteilung Verkehrstechnik der Kantonspolizei zwecks Erlass einer Verkehrsanordnung zu besprechen. (St. Galler Tagblatt, 21.09.1998, o. S.) → … zu besprechen, damit eine Anordnung erlassen wird/werden kann.  

(11b)



Das interne Argument der Präposition ist vielfach eine Verb- bzw. Satznominalisierung (vgl. zur Vermeidung weiterer Kosten mit um weitere Kosten zu vermeiden / auf dass man weitere Kosten vermeide etc.). Die von Buscha et al. (1998: 124) noch angeführten „formelhafte[n] finale[n] Wortgruppen mit der Präposition mit“ gehören nicht hierher, sondern zur o. g. Gruppe der frei bildbaren Konnektoren der Art zu dem Zweck. Sie „sind annähernd bedeutungsgleich und können einander meist ersetzen. Sie haben aber unterschiedliche Bedeutungsnuancen: mit der Absicht: betont das gewünschte Ergebnis mit dem Vorsatz: hebt die Planmäßigkeit des Handelns hervor mit dem Ziel: akzentuiert das Wollen Diese festen präpositionalen Wortgruppen kennzeichnen eine finale Beziehung, das zugehörige Attribut [eine Infinitivgruppe mit zu] drückt das gewünschte Ergebnis aus“. Bei Hájek (1986: 357) und bei Hyvärinen (1991: 309) ist auch von Relativsätzen mit finalem Inhalt die Rede. Ein Beispiel-Beleg von letzterem:  



C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(12)

1023

In der EG sei in diesem Monat die Einrichtung einer Umweltagentur zu erwarten, in der eine Systematisierung der Umweltinformationen vorgenommen werden solle […]. (Süddeutsche Zeitung, 01.06.1989, S. 6)  

Wie üblich gibt es auch hier Nomina und Nominalphrasen, die eines der Argumente benennen und desintegriert wie Konnektoren fungieren können (Zweck:, Ziel:, Absicht:). Vgl. dazu a. Hyvärinen (1991) sowie GDS: 828 ff. Entsprechend können natürlich auch Verb(komplex)e(n): verwendet werden: dass p den Zweck hat, dass / zu q; mit p bezweckt / beabsichtigt Subjekt q; p dient / hilft zu q. (Weitere vgl. Buscha et al. 1998: 124 und 129/134.) Die zusammengesetzte Form wenn/weil … will/soll als mögliche Ausdrucksweise für die finale Relation (und Quasi-Paraphrase für die finalen Konnektoren) gibt uns einen Hinweis, bis zu welchem Grade Asyndese möglich ist. Die konditionale und kausale Relation kann ja unausgedrückt bleiben (vgl. C4.1.1.3.1 bzw. C4.2.1.3.1) und so auch das diesen entsprechende Moment der Bedeutung der finalen Konnektoren. Der andere wesentliche (eigentlich non-relationale) Bedeutungsaspekt dagegen – der in der Ersatzform durch das Modalverb wiedergegeben wird – muss auf geeignete Weise explizit übermittelt werden. (Diese Lage ist analog zu der z. B. bei den negativ-konditionalen und negativ-additiven, wo der relationale Aspekt asyndetisch bleiben kann, das Negationsmoment dann aber auf andere Weise als durch den es induzierenden Konnektor explizit gemacht werden muss.) Folgende Beispiele scheinen als Ganze final gelesen werden zu können bzw. zu müssen:  





(13a) (13b)

Gib mir den Hammer! Ich will das Bild aufhängen. → weil ich das Bild aufhängen will → damit ich es aufhängen kann Strengere Kontrollen kündigt Verkehrslandesrat Johannes Lugger für die Loferer Bundesstraße an. Er will sie von unnötigem Güterverkehr befreien. (Neue Kronen-Zeitung, 04.04.1995, o. S.) → damit sie … befreit wird (c) Die Anleitung ist in großen Buchstaben zu schreiben. Sie soll ohne Probleme gelesen werden können. → damit sie ohne Probleme gelesen werden kann  

Dabei spielt die Abfolge der zueinander in Bezug gesetzten Sachverhaltsbezeichnungen offenkundig keine Rolle, vgl. Breindl/Waßner (2005: 56, Beispiel (26)). Bei finalen Konnektoren muss der Sachverhalt, den das externe Konnekt benennt, eine Handlung sein oder implizieren; d. h. umgekehrt: Bei asyndetischen Konstruktionen ist ein Handlungssachverhalt (und damit das Vorliegen von Intentionalität, vgl. Breindl/Walter 2009: 25) – zumindest – ein Indiz für eine finale Interpretation. Im Vergleich zur Lage bei anderen Relationen fehlen Partizipialkonstruktion sowie Relativadverbien zum Anschluss eines weiterführenden Nebensatzes. Genau genommen nicht alternative, sondern zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten, ihrerseits nicht konnektoral, aber in Ergänzung zu einem Konnektor, sind „Kor 

1024

C4 Konditional basierte Konnektoren

relate“ (vgl. HDK-1:248 ff.) im externen Konnekt. Typischerweise sind fakultative Korrelate zu den finalen (ja stets Z WECK -markierenden) Konnektoren aus „instrumentalen“ Präpositionen (-durch, -mit) und einem satzanaphorischen Teil (da-) zusammengesetzt. Finale Präpositionen (für, zu) werden ebenfalls durch Kombination mit (hier kataphorischem) Satzpronomen da- zu einem Pronominaladverb erweitert und dann verbreitet als Korrelate zu einem finalen Konnektor verwendet und entsprechend in Grammatiken in dieser Funktion erwähnt; stellvertretend Duden-Grammatik (82009: 1092): „Als fakultative Korrelate stehen [bei den finalen Konnektoren] deshalb, dazu und dafür“.  

Exkurs: Zu Korrelaten Das mit in diesen Bildungen wie in den oben angesprochenen mit dem Ziel/Vorsatz/der Absicht diente auch als Bestandteil zur Bildung des finalen Konnektors damit. Dabei scheint es als ursprünglicher IT TEL EL -Konnekts (nominal-gegenstandsbezogen: Er Markierer der instrumentalen Relation bzw. des M ITT öffnete die Tür mit einem Schlüssel. sachverhaltsbezogen: … mit einem Druck auf den Knopf/dadurch dass/indem er auf den Knopf drückte; vgl. so auch mittels) vom einen ins andere Konnekt „übergetreten“ zu sein, was bei Konnektoren nicht selten geschieht und hier gut zur Bildungsweise des Konnektors passt: damit = ‚mit diesem‘, d. h. dieser Konnektor verweist mit seinem Bestandteil da- auf das IT TEL EL denotierend und steht selbst konsequenterweise „im“ (und markiert externe Konnekt p als das M ITT W EC K -denotierend (‚p bezweckt q‘), ist also selbst final. somit dann das) interne(n) Konnekt als Z WECK Die quasi genuin finalen Korrelate dazu und dafür scheinen nur bei dass vorzukommen. Entgegen der Angaben in vielen Grammatiken scheinen dagegen die anderen finalen Konnektoren solche Korrelate eher nicht zuzulassen. Über Einschränkungen der Möglichkeit von Korrelaten informiert Hyvärinen (1991: 330): „Pronominaladverbien als Korrelate [klingen] bei eindeutig nicht verbvalenzbedingten Finalkonstruktionen […] gekünstelt; die in der einschlägigen Literatur hierfür gebrachten Beispiele sind konstruiert“. In der Tat ist Hyvärinens Gegenbeispiel wohl abweichend: *Er streicht die Wände dazu, damit der Vermieter die Kaution zurückerstattet. Allerdings gibt es durchaus Korrelate zum finalen Subjunktor damit in attributiven Korrelatkonstruktionen: Als solche können nämlich die konsekutiven Adverbkonnektoren darum, deshalb und deswegen dienen (HDK-I: 261, vgl. weiter a. 263; bei Buscha 1989: 58 auch zu dem Zweck, in der Absicht, ersteres z. B. auch bei von Polenz 1985: 278), die sich ohne weiteres ins externe Konnekt von Belegen zumindest mit finalem damit – eher problematisch bei auf dass – einsetzen lassen. Allerdings wäre umgekehrt betrachtet die flüssigere Fortsetzung von zu dem Zweck in allen gefundenen Belegen mit damit doch eher dass (das seinerseits dann aber womöglich Komplementierer, nicht finaler Konnektor); bei damit kann das Korrelat ohne Bedeutungsveränderung wegfallen, z. B.:  





(14)

Es ist doch offenkundig, daß einige Motorräder und Mopeds nur zu dem Zweck auf den Markt geworfen werden, damit sein Besitzer durch seine unglaubliche Phonzahl die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenkt. (Salzburger Nachrichten, 07.08.1998, o. S.) / … nur zu dem Zweck auf den Markt geworfen werden, dass …. / … nur ø auf den Markt geworfen werden, damit …  

Die Übersetzung desselben Satzes in der Ausgangssprache mit verschiedenen Ausdrucksmitteln lässt Schlüsse auf die Bedeutung der finalen Ausdrucksformen und das Maß ihrer Synonymie zu. Hier ist folgender Bibel-Spruch (Bergpredigt, Matthäus 7, 1, und Feldrede, Lukas 6, 37) zu nennen, der ggf. aus dem Gedächtnis zitiert wird. Nur ein paar Beispiele für konnektorale und nichtkonnektorale FinalMarker aus dem Internet (dort oft mit ausdrücklichem Verweis auf die Bibelstelle(n)):

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(15a) (15b) (15c)

1025

„Richtet nicht, damit Ihr nicht gerichtet werdet.“ (drwho-reliblog.blogspot.com/2008/04/ richtet-nicht-damit-ihr-nicht-gerichtet.html) Bibel (Stuttgart 1938) Matthäus 7,1: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.“ (books.google.de/books?isbn=3110151308…) Richtet nicht, um nicht gerichtet zu werden (www.wer-weiss-was.de/theme74/article7094 34.html)

Nicht nur gleiche (wie in p, damit q1, damit q2 und damit q3, vgl. GDS: 833), sondern auch die verschiedenen Ausdrucksformen für Finalität werden gerne koordiniert, was auf ihre gleiche Funktion hindeutet, vgl. etwa (16a)

Damit sie ihren Sohn selbst versorgen konnten und um ihnen Sicherheit zu geben, trainierten Kinderkrankenschwestern mit ihnen zu Hause alle wichtigen Verrichtungen. (Nürnberger Nachrichten, 16.07.2011, S. 4) Lesen tue ich […] entweder um sich Wissen anzueignen oder zwecks der Unterhaltung. (Niederösterreichische Nachrichten, 12.10.2010, o. S.)  

(16b)



Allerdings werden auch Motive verschiedener Art, finale und nichtfinale („kausale“), miteinander koordiniert: (16c)

[…] zwecks Weltverbesserung oder aus moralischem Sendungsbewußtsein […] (Die Presse, 09.08.1994, o. S.)  

Kontaminationen sind nicht selten; so wird in dem folgenden Beleg über das eigentlich korrekte Voraussetzung (dafür), dass – das aber nur eine notwendige Bedingung übermitteln würde, also konditional wäre – auf grammatisch durchaus zweifelhafte Weise gleichzeitig Finalität (die Gewährung der Bürgschaft ist beabsichtigt und angezielt) signalisiert: (17)

Die Einsparungen beim Personal gelten als Voraussetzung, damit die […] staatliche Bürgschaft […] gewährt werden kann. (dpa, 20.10.2009; (Medien-Info) Hapag-Lloyd-Mitarbeiter verzichten auf Gehalt)

4.5.2 Semantische Charakterisierung der Klasse Die Finalitäts-Relation ist über die Art ihrer Argumente wie folgt zu charakterisieren: Über die grundlegende Bestimmung der Rolle des vom internen Konnekt eines Finalkonnektors denotierten Sachverhalts als beabsichtigtes Resultat, intendierte oder angezielte Folge oder Wirkung, angestrebtes Ergebnis, spezieller als verfolgter Z WECK oder zu erreichendes Z IEL (des im externen Konnekt denotierten Sachverhalts) besteht weitgehend Einigkeit. Daran hat sich von Flämig 1964 und Hartung 1964/61973 (198) bis Cortès 2005 nichts Wesentliches geändert. Und auch HDK-I (353/4, 421) geht von dieser Definition aus. Das interne Konnekt ist namengebend für die Relation. Dementsprechend denotiert das externe Konnekt einen Sachverhalt, der bevorzugt als Handlung interpretierbar sein muss, die durch die im internen Konnekt genannte angestrebte Wirkung dieser Handlung motiviert ist bzw. „in bewußter Ab-

1026

C4 Konditional basierte Konnektoren

sicht“ (Heidolph et al. 1981: 804) als Mittel zur Erreichung jenes Zwecks eingesetzt wird; aber auch die Interpretation als ein aus einer solchen Handlung resultierendes Ereignis oder ein aus einer Handlung sich ergebender, aus ihr folgender Zustand mit derselben Funktion ist akzeptabel und entsprechende Fälle sind belegt.  

Abb. C4.5-1: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei finalen Konnektoren

Ein „Ziel“ kann mehr oder minder jede beliebige Art von Sachverhalt sein: ein Zustand, seinerseits eine Handlung etc. Als Ziel kommt vor allem auch das Herstellen der „Fähigkeit“ zu einer weiteren Handlung, deren Ermöglichung, die Schaffung der Voraussetzungen, der „Bedingung der Möglichkeit“ einer Handlung in Frage. Passend dazu findet sich unter Belegen speziell für damit ein großer Anteil, in denen das Prädikat des internen Konnekts eine Form von können enthält (18a); bei auf dass scheint das seltener, aber immer noch in nennenswerter Zahl vorzukommen (18b). Wenn sein internes Konnekt ein solches kann enthält, nähert sich auch so dass (das ja oft bei den finalen mitgenannt wird) einer finalen Lesart an, ohne aber wirklich eindeutig so zu interpretieren zu sein. In (18c) z. B. kann die Folge im internen Konnekt sowohl als intentional durch die Handlung des Ausstattens hervorgerufen – das Ganze also als final – als auch als schlicht faktisches Resultat – konsekutiv – verstanden werden. Dementsprechend sind bei p, so dass … kann Handlungen als Denotat des externen Konnekts p seltener vertreten (eindeutige Fälle in einer Stichprobe etwa 10–20%); nimmt man allerdings auch hier wieder Sachverhalte hinzu, die eine Handlung voraussetzen, kommt man auf deutlich höhere Anteile.  

(18a)

Ein Supermarkt steht zwar (noch) nicht auf dem Festivalgelände. Aber immerhin sind jetzt Fleisch, Brot und grosse Pet-Getränkeflaschen an verschiedenen Orten zu haben . Damit der OpenAirler mit leichterem Gepäck anreisen kann . (St. Galler Tagblatt, 18.06.2008, S. 39) Unter mehreren Beteuerungen […] stellt er […] den Radiowecker, auf dass ich gewohnt früh aufstehen kann . (St. Galler Tagblatt, 28.10.2009, S. 39) Die Nähstube ist ausgestattet mit Bügeleisen, so dass das neue Prachtstück auch gleich geplättet werden kann . (Nürnberger Zeitung, 10.05.2012, S. 2)  





(18b)





(18c)





Für das externe Konnekt ist der Terminus Instrument verbreitet, aber nicht sehr gut geeignet, da man bei Instrumenten eher an sächliche Werkzeuge und damit an Gegen-

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1027

stände denkt als an Sachverhalte. Wir werden daher die neutralere Bezeichnung M ITTEL (zum (Erreichen dieses) Zweck(s)) für die spezifische Rolle des externen Konnekts verwenden. Dass der finalen Relation eine Handlungsstruktur unterliegt, muss nicht dazu führen bzw. seinen sprachlichen Reflex darin haben, dass das externe Konnekt des finalen Konnektors ein Handlungsprädikat enthält (vgl. dazu a. von Polenz 1985: 278). Es kann sich auch um einen Zustand, das (seinerseits bereits eingetretene) Resultat einer (vergangenen) Handlung handeln (vgl. dazu GDS: 2318). Deutlich wird das im folgenden Beleg, wo das externe Konnekt keine Handlung denotiert, aber – wie auch an dem Modalverb soll sichtbar – seinerseits einen erwünschten Zustand, der aus den im Vorkontext erwähnten Maßnahmen resultiert. (19a)

„Flickschusterei“ und „ Aktionismus “ warfen gestern der CDU-Ortsverbandsvorsitzende […] Hagenbucher sowie CDU-Stadtrat […] Keller der Stadtverwaltung zu den jetzt eingeleiteten Maßnahmen zur Verkehrs verbesserung am Ruthenplatz. Danach soll die von Leuschner- und Carl-Bosch-Straße gebildete Spitze weiter in den Kreisverkehr um den Ruthenplatz hineinragen, damit der Verkehr dort verlangsamt wird . (Mannheimer Morgen, 30.03.1989, o. S.)  



So auch Sæbø (2011: 1433): P muss keine intentionale Handlung, nicht einmal ein Ereignis (wie in (20a)), kann auch ein Zustand (wie in (20b)) sein. (20a) (20b)

Von Zeit zu Zeit hebt sich die Brücke, damit ein Schiff durchfahren kann. [Die Brücke hebt sich nicht selbständig, sondern ein A GENS bringt sie dazu] Die Brücke ist so hoch, damit die Schiffe drunter durch kommen. [Die Brücke ist von den Brückenbauern so hoch konstruiert worden , …]  

Das externe Konnekt einer Finalitätsrelation weist aber doch insofern Restriktionen in Bezug auf die Prädikatklassen auf, als stative Prädikate eben nur dann auftreten können, wenn sie als Resultat einer zielgerichteten Handlung interpretierbar sind. (Noch allgemeiner die GDS: 830, nach der es sich aber doch zumindest um einen Sachverhalt handeln muss, der „prinzipiell dem Erreichen anderer Sachverhalte dienen“ kann, vgl. die die dortigen Beispiele (12) vs. (13).) Gegenüber (20b) ist (21) damit semantisch abweichend, und dasselbe würde für andere atemporale stative Prädikate (wissen, lieben, kosten, entsprechen, ähneln usw.) im externen Konnekt gelten: (21)

*Hans ist zwei Meter groß, damit er gut Basketball spielen kann.

Entscheidend ist, dass auch für Prädikate ohne A GENS -Rolle bzw. für Konnekte, in denen kein A GENS explizit angegeben wird, notwendig auf das Vorhandensein eines A GENS geschlossen werden kann, dessen Handeln wiederum das im externen Kon-

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C4 Konditional basierte Konnektoren

nekt p beschriebene Ereignis, den dort ausgedrückten Zustand o. ä. vorsätzlich herbeigeführt hat. (Das zeigt auch wieder der versehentlich-Test: Einfügen von versehentlich im externen Konnekt blockiert eine Finalinterpretation, vgl. (4b) gegen (4a) und (4d) gegen (4c).) So kann die Formulierung Wir lösten eine Lawine aus … nur als externes Argument einer Finalrelation angesehen und mit einem finalen Konnektor und dessen internem Konnekt, also z. B. mit damit q fortgesetzt werden, wenn das Auslösen als absichtlich verstanden wird; wird die Lawine als zufällige, ungeplante Folge eines Tuns interpretiert, begründet das keine finale Relation. Ähnliches gilt für Die Vase zerbrach, damit der Streit geschlichtet werden konnte. Wird suggeriert, dass G ENS die Vase zerbrach, ist das eine akzeptable finale Formulierung; nicht aber, ein A GENS wenn die Vase ohne Einfluss eines Handelnden zerbrach. Der herkömmliche und auch in diesem Handbuch zugrundegelegte Finalitätsbegriff geht von dem üblichen Handlungsbegriff aus, wonach der Handelnde die Zweckbestimmung der Handlung verantwortet und er oder der berichtende Sprecher die Handlung durch den Zweck definiert, den sie erfüllt bzw. erfüllen soll (vgl. Cortès 2005: 70 und 71). Bei der Erschließbarkeit dieses A GENS gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln wie bei der Erschließung eines A GENS im Passiv oder bei sonstigen A GENS -unterdrückenden Konversen („Passivfamilie“).  



(22a)

In manchen Städten und Ländern war es Pflicht, Hexenbränden zuzusehen, damit jedermann drastisch abgeschreckt wurde. (Pleticha, Geschichte, S. 139) [… war von den autorisierten Instanzen die Pflicht verhängt worden, …] Damit der Eifer der Denunzianten nicht nachlasse, bekamen sie zehn Gulden für eine erfolgreiche Anzeige, oft nach dem Brand auch einen Anteil am konfiszierten Vermögen der „Hexe“. (Pleticha, Geschichte, S. 132) [… bekamen sie von den autorisierten Instanzen …]  

(22b)



Das A GENS der vorausgesetzten oder explizit angeführten Handlung muss zwar ein intentional handelndes Subjekt, aber nicht zwingend ein Mensch oder eine Menschengruppe sein, sondern kann in der sprachlichen Praxis auch jedes anderen Wesen und sogar ein Abstraktum – das Schicksal oder die Natur als „handelnde Person“ – sein, da der Faktor Intentionalität ggf. natürlich auch metaphorisch übertragbar ist (vgl. GDS: 831: „Man könnte Satz (13) [Die Sonne scheint, damit wir nicht frieren.] etwa so deuten, als werde damit gesagt, ein fürsorglicher Gott oder einfach die Natur habe die Sonne für uns als Heizung installiert, und man muß nicht dieser Ansicht sein, wenn man akzeptiert, daß dergleichen gesagt werden kann.“) Nimmt man einen Satz wie *Der Rhein trennt Deutschland von Frankreich, damit … wörtlich, ist er abweichend; wird der Rhein „personalisiert“, kann er akzeptabel sein, ebenso, wenn ein menschliches Subjekt dafür gesorgt hat, dass die Rheingrenze die beiden Länder trennt. Selbst wenn das externe Konnekt eine Handlung denotiert, „kann als Träger der beschriebenen Absicht der Protagonist dieser Handlung, aber auch der Protagonist

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

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einer anderen Handlung betrachtet werden, mit der die erstere herbeigeführt wurde: (17) Der Nachtwächter geht nächtens durch die Straßen, damit niemand ein Leid geschieht“. (GDS: 831) ITT EL -Z Z WECK -Relation genauer, Betrachtet man die innere Struktur der finalen M ITTEL stellt man fest, dass den finalen Konnektoren genau genommen sogar zwei verschiedene Konditional- oder Kausalrelationen zugrundeliegen, was sich auch in zwei analytischen Paraphrasen äußert, die in der Literatur i. d. R. für sie angeboten werden. So zeigt sich, dass auch die Finalrelation konditional basiert ist – sie lässt sich auf verschiedene Weise direkt oder vermittelt über die Kausalrelation auf Konditionalbeziehungen zurückführen. Der antizipierte Zweck besteht vor oder gleichzeitig mit der Handlung im externen Konnekt und stellt das Motiv dar, sich auf eine gewisse Weise zu verhalten. Wo tatsächlich vom externen Konnekt – wie meist – dezidiert eine Handlung denotiert (oder auch nur impliziert) wird, ist der Zweck dieser Handlung, ein von dem Handelnden oder jemandem Drittem als wünschenswert antizipierter Weltzustand, zugleich eine spezielle Art von Grund (kausal i. w. S.), ein „Handlungsgrund“ (Motiv für diese Handlung). Umgekehrt betrachtet hofft das A GENS , gerade mit seiner Handlung das Ziel zu erreichen, sei es, „weil“ es so handelt, sei es, „wenn“ es so handelt. Das Ziel liegt also von der Handlung bzw. vom A GENS aus gesehen in der Zukunft. Z WECK -Relation ist also auf doppelte Art eine spezielle Art von Die finale M ITTEL -Z konditional basierten Relationen. Diese Doppeltheit der Finalrelation lässt sich nun wie folgt ausbuchstabieren und K ONSEQUENS -Relationen auf zwei verschiedene kausale bzw. konditionale A NTEZEDENS -K zurückführen, je mit Hinzufügung einer spezifischen Sprechereinstellung bzw. Modalität. (Einen prinzipiell vergleichbaren, aber formaleren argumentationstheoretischsyllogistischen Ansatz entwickelt GDS: 2294 ff.; dgl. etwas informeller 2318; eine vergleichbare Ableitung der „um [(…) zu]-Konnexion“ aus der „weil-Konnexion“ bietet Wöllstein 2005: 60/61 an.) Zunächst kommt mit der Setzung eines Konnektors in finaler Verwendung (p, damit/dass/auf dass q) zum Ausdruck, dass jemand (bevorzugt, aber nicht notwendigerweise der Handelnde) hofft, dass die im externen Konnekt p benannte Handlung (oder ein aus einer Handlung sich ergebendes/r Ereignis oder Zustand) zu dem im internen Konnekt angegebenen Ziel führen wird, indem sie Ursache oder hinreichende Bedingung für das Eintreten des Ziels q ist, das dann seinerseits Wirkung oder (mit unterstellter Regelmäßigkeit, normalerweise) Folge dieser Handlung. (Auf die Möglichkeit und Art und Weise der Zurückführung der Kausalitäts- auf die Konditionalitätsrelation gehen wir hier nicht weiter ein und verweisen dafür auf C4.2.2.1.) Das lässt sich kurz und formelhaft umschreiben als:  







(i)

NN hofft: Weil/Wenn p, dann q.



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C4 Konditional basierte Konnektoren

In dieser unterliegenden Konditional-/Kausalrelation ist also das im externen KonNTEZEDENS EZEDENS , das dort im internen nekt der Finalkonstruktion denotierte M ITTEL p A NT Konnekt q genannte Ziel K ONSEQUENS . In diesem Zusammenhang bzw. in diesem Sinn sind die finalen Konnektoren also K ONSEQUENS -markierend. Wesentlich ist: Der Kausalzusammenhang ist kein zwingender, sondern eben ein erhoffter; Analoges gilt für die hinreichende Bedingung. Für die Finalrelation ist in diesem Sinne die Perspektive des Handelnden wesentlich, für den sein Ziel in seiner Zukunft liegt (hypothetisch oder nonfaktisch ist). Davon ist die des Sprechers zu unterscheiden, der ggf. schon weiß, ob das Ziel tatsächlich erreicht wurde oder nicht, und deswegen auch das Ziel als faktisch hinstellen kann. Mit dem modalen Element der Hoffnung sind auch zugleich Ergebnisse, die tatsächlich als Zweck und Ziel gelten können, von solchen unterschieden, die nur ein kontingenter „Nebeneffekt“ von p sind, also von solchen, die sich im Rahmen einer (allgemeinen) Kausalitätsrelation beschreiben lassen. Zu dieser „Paraphrase“ (vgl. Sæbø 2011: 1433 nach von Wright 1971) kommt eine zweite wie folgt: Umgekehrt wird darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, dass der Agent wie im externen Konnekt p des finalen Konnektors beschrieben handelt bzw. dass er/sie das im externen Konnekt dargestellte Ereignis / den dort beschriebenen Zustand herbeigeführt hat, weil oder wenn er oder sie bzw. irgendjemand Drittes ein bestimmtes – im internen Konnekt q benanntes – Ziel erreichen will, weil er oder irgendjemand p wünscht. Dieser vor Vollzug der Handlung antizipierte Zustand ist beabsichtigter Zweck seiner Handlung, „Handlungsgrund“, also das Motiv des A GENS , die Handlung seine Folge. Das kann in einem konkreten Fall so sein (er tat es, damit q) oder auch als allgemeines Prinzip (man tut es generell, damit q). Auch hier gilt wieder: sowohl der weil- als auch der wenn-Paraphrase liegt eine (bei weil faktifizierte) Konditionalrelation zugrunde. Eine bestimmte Sachlage soll der Ansicht des A GENS nach oder nach Meinung irgendeiner anderen Instanz so-und-so sein oder werden. Das interne Konnekt gibt ENS des externen Konnekts mit seiner Handlung bzw. vom dahinterstehendas vom A GGENS den Handelnden mit dem Resultat seiner Handlung angestrebte Ziel („weil er das will“) oder auch eine von einem Dritten vorgegebene sozialen Norm an („weil der Handelnde/man/… das soll“) an. q ist ein von jemandem, meist, aber nicht nur, dem A GENS in p, erwünschtes Ziel. (23) zeigt: Wer das Ziel erreichen will, den Zweck setzt, kann textuell völlig offen bleiben. Das A GENS kann im Interesse (und ggf. auf Aufforderung) eines Dritten tätig (geworden) sein. Es kann sich bei dem Zweck auch um den Ausfluss einer allgemeinen gesellschaftlichen Norm handeln. (23)

Und da ist das Leben eines noch anderen Bären […] – dem bedauernswerten „Haustier“ waren, damit es „manierlich“ blieb, die Zähne ausgebrochen und die Vorderpranken halb abgehauen worden. (Mannheimer Morgen, 28.02. 1989, o. S.)  

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1031

Nach dieser Analyse lassen sich finale Konstruktionen, Formulierungen der Struktur p, damit/dass/auf dass q, annähernd durch die Aussage (ii)

Wenn/Weil NN erreichen will, dass q / wenn/weil q eintreten (zustande kommen) soll, p.

umschreiben. Den kausalen Fall kann man wieder unter Rekurs auf die Konditionalrelation weiterführen: I.d.R. wenn jemand will, dass q’/wenn q’ eintreten soll, tut N p; und N will q; d. h. auch: N tut p. In diesem Zusammenhang ist nun das Motiv q (im internen Konnekt des finalen NTEZEDENS EZEDENS , das eingesetzte Konnektors, das den Z WECK oder das Z IEL denotiert) A NT Mittel – im externen Konnekt p benannt – K ONSEQUENS . So gesehen sind die finalen Konnektoren also A NTEZEDENS -Marker. Die Formulierung mit soll – die angebracht ist bei Äußerungen, in denen das Motiv für den vom externen Konnekt denotierten Sachverhalt ein „außerhalb seines Subjekts liegendes Wollen“ ist, wie in Er sitzt im Gefängnis, damit er seine Strafe abbüßt (Hartung 1964/61973: 203, dort Näheres hierzu) – lässt sich auf eine mit will zurückführen: p, weil q soll < p, weil man/jemand (also ein Dritter, eine dritte Instanz) will, dass q. (i) und (ii) zusammen ergeben für den einfachsten und verbreitetsten Fall einer Handlung in p und eines den Zielzustand q selbst wünschenden A GENS :  

A GENS will, dass q; deswegen tut er p (ii), in der Hoffnung, dass das zu q führen wird (i). Das interne Konnekt des Beispiels in Abb. C4.5-1 (Originalbeleg: (49a)) lässt sich im Sinne der zweiten dieser Relationen paraphrasieren als „weil sich die Nachwelt seiner erinnern soll(te)“ oder auch als „weil Heinrich wollte, dass sich die Nachwelt seiner erinnert“. Dieser Aspekt wird manchmal noch einmal zusätzlich explizit gemacht: „Im Nebensatz kann auch – den volitiven Aspekt betonend – das Modalverb sollen, gelegentlich auch mögen gebraucht werden“ (GDS: 2319, Belege mit damit die Leute hingucken sollen usw. s. d.). Diese Zugabe von sollen oder mögen ist aber redundant; ohne das sollen/mögen bedeuten die entsprechenden Sätze schon dasselbe: der Konnektor trägt diesen Bedeutungsaspekt ja schon bei.  

Exkurs: Zur Art der zugrundeliegenden Bedingung In allen konditionalen Umschreibungen ist wie stets in diesem Buch das wenn der hinreichenden, nicht unbedingt notwendigen Bedingung gemeint. In (ii) heißt das bei der analytischen Paraphrase mit wenn: Der angestrebte, „gewollte“ oder „gesollte“ Zweck q ist eine hinreichende, aber nicht zwingend eine notwendige Bedingung für den Vollzug der auf ihn hinführenden Handlung p: Einerseits bedarf es dafür nicht des Vorliegens irgendwelcher weiterer Bedingungen, die angegebene führt schon zum Ziel, motiviert bereits die Handlung; andererseits kann die Handlung auch aus anderen Gründen und Motiven vollzogen werden. (Umgekehrt, und dazu äquivalent, ist p eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Ver-

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C4 Konditional basierte Konnektoren

such, das Ziel q anzustreben: Nur, wenn diese Handlung vollzogen wird, kann es erlangt werden, ohne diese Handlung entsteht es nicht mit Sicherheit „von alleine“ – möglicherweise muss aber noch mehr dafür unternommen werden.) Die den finalen zugrundeliegenden Konditionalrelation mit der umgekehrten Richtung von Bedingung und Folge, (i), besteht darin, dass der Handelnde oder jemand anderes darauf hofft oder vertraut, dass die Handlung bzw. allgemeiner der vom externen Konnekt denotierte Sachverhalt p eine hinreichende Bedingung für das künftige Eintreten des Zwecks q darstellen wird; sie muss dagegen nicht notwendig sein, womöglich könnte man das Ziel auch mit anderen Handlungen erreichen.

Das namengebende Konnekt für die „Final“-Relation benennt kein raumzeitliches Ende, sondern eine Folge im konditionalen bzw. kausalen Sinn, wobei ja zumindest letztere auch mit einer zeitlichen Abfolge korreliert: Die Wirkung liegt nie vor der Ursache. Dieses Merkmal teilt die finale mit der kausalen Relation (während ja die konditionale keine solchen Schlüsse auf eine bestimmte zeitliche Abfolge impliziert). Bei der finalen Relation haben wir allerdings eine doppelte Zeitfolge (wir vereinfachen auf echte Ungleichzeitigkeit): Zunächst kommt das antizipierte Ziel, dieses ist der (Beweg-)Grund (das Motiv) für die auf es folgende Handlung (deren Zweck es ist), und die Hoffnung richtet sich dann darauf, dass diese Handlung jenes Ziel „kausal“ oder hinreichend-konditional realisieren hilft, wobei die eventuelle Erreichung dieses Ziels in der Bezugswelt nochmal später liegt. Die beiden Paraphrasen motivieren auch die Möglichkeiten des Ausdrucks der Finalrelation mit anderen als finalen sprachlichen Mitteln, nämlich mit einem kausalen, konsekutiven oder instrumentalen Konnektor plus einem entsprechenden Modalium, auf die wir in C4.5.1.1 und C4.5.1.3 hingewiesen haben. So wie gewisse konditional basierte Konnektoren – die negativ-konditionalen – in ihrer Grundstruktur auf eine Konditionalrelation plus eine Negation zurückzuführen sind, wobei die Negation vom negativ-konditionalen Konnektor beigetragen wird und nicht aus anderen sprachlichen Signalen resultiert, während sie bei Verwendung von („neutralen“) konditionalen Konnektoren zusätzlich versprachlicht werden muss; so können die finalen auf eine Konditionalrelation (ggf. vermittelt über eine Kausalrelation) plus einen gewisse (volitiven) Modalitätsfaktor zurückgeführt werden. Dieser Modalitätsfaktor wird bei Verwendung finaler Konnektoren von diesen beigesteuert, während sie bei Konnektoren anderer Klassen eigens explizit gemacht werden muss (vgl. z. B. Heidolph et al. 1981: 805). In diesem Sinne kann man die finalen Konnektoren als „modusinduzierend“ bezeichnen, analog zu vielen Konnektorenklassen, die als „negationsinduzierend“ angesehen werden können. Für die exakte formale (logisch-semantische) Beschreibung dieser Dimension der Untergliederung der konditional basierten reichen die Mittel und das Instrumentarium der Aussagenlogik nicht mehr aus. Wir bräuchten hier Kategorien der deontischen Modallogik, die Sprechereinstellungen (wünschen, hoffen dass p) und normative Begriffe (Verpflichtung, Erlaubnis etc.) einbezieht. Das übersteigt aber das für dieses Handbuch akzeptable Maß an Formalisierung und überfordert den logisch nicht  



C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

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vorgebildeten Leser, der aber mit der Bedeutung der Konnektoren auch ohne solche Vorkenntnisse vertraut gemacht werden muss. Wir gehen nun auf einige generelle Merkmale der finalen Relation zusammenfassend näher ein. Das wohl wichtigste ist der Faktivitätswert (vgl. A4.2). Der Sachverhalt im internen Konnekt (der Z WECK ) liegt vom Standpunkt des berichteten Geschehens aus gesehen gegenüber dem Sachverhalt im externen Konnekt IT TEL EL ) in der Zukunft und ist somit im Rahmen der Finalrelation nonfaktisch. (dem M ITT P, damit q drückt aus, dass p in einer bestimmten, in q spezifizierten Absicht geschieht; ob dieses intendierte Ziel erreicht wird oder nicht, wird dagegen nicht festgelegt (vgl. a. z. B. Dreike 2000: 449, Sæbø 1991: 625). Bei finaler Verwendung von Konnektoren ist im Default-Fall das externe (M M ITTEL -)Konnekt faktisch (vgl. genauer GDS: 2295), das interne (Z Z WECK - oder Z IEL -)Konnekt „schon qua Konnektor“ nonfaktisch (vgl. a. GDS: 832 (ii)). Darin unterscheiden sich die finalen Konnektoren sowohl von den konditionalen (beide Konnekte nonfaktisch) als auch von den kausalen (beide faktisch). In der einen Art der angebotenen Paraphrasen reicht es daher nicht, finale durch kausale Konnektoren zu ersetzen, es muss noch ein Modalelement hinzukommen, das die Nonfaktizität des Konnekts, das dem internen der finalen Konnektoren entspricht, gewährleistet. In der Umschreibung (ii) stellt das Modalverb also u. a. sicher, dass das interne Konnekt der finalen Konnektoren, das für das Z WECK -Argument steht, nonfaktisch ist. Allerdings ist es das nur aus der Perspektive der berichteten Finalitätsbeziehung: Die Zwecke sind für den Handelnden künftige und nicht bereits erreichte. Der Sprecher kann – wenn der dargelegte Zusammenhang für ihn insgesamt in der Vergangenheit liegt – mehr wissen und damit die Konnekte aus seiner Perspektive (ex post) auch als faktisch oder kontrafaktisch kennzeichnen, was er wiederum durch Konjunktiv II signalisieren kann. (Allgemein zu den auch hier gegebenen Überschreibungsbedingungen (Weltwissen, sprachliche Mittel) vgl. A4.2.) Im Rahmen der Finalrelation selbst aber ist und bleibt das interne Konnekt nonfaktisch. Wir haben also bei Vergangenheitsbezug folgende beiden Möglichkeiten (exemplifiziert am Beispiel von auf dass): Sowohl für das A GENS als auch für den Sprecher ist das interne Konnekt nonfaktisch (24a). Oder: Für das A GENS ist es nonfaktisch, aber der Sprecher (und ggf. der Adressat) weiß mehr, nämlich dass das Ziel tatsächlich eingetreten ist (24b) – wenn auch solches Wissen ggf. nur aus der allgemeinen Weltkenntnis stammt; dies scheint auskunftlich der Beleglage der deutlich häufigere, aber eben nicht der einzig mögliche Fall. Auch wenn der berichtende Sprecher inzwischen weiß, dass das angestrebte Resultat nicht eingetreten ist (24c), bleibt die Finalrelation aus der Perspektive vom Zeitpunkt des Sachverhalts im externen Konnekt aus so, dass der im interne Konnekt bezeichnete Sachverhalt nonfaktisch ist. In noch anderen Fällen (24d) wird zwar durch zusätzliche Ausdrücke suggeriert, dass nach Kenntnis des Sprechers das Resultat eher nicht eingetreten ist – ohne dass das aber zwingend der Fall sein muss, wie die mögliche Fortsetzung … und das geschah auch tatsächlich (ebenso wie … aber dieses Ziel wurde verfehlt) zeigt. Formulierungen mit faktischem  





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C4 Konditional basierte Konnektoren

internem Konnekt können allerdings „in Wirklichkeit“ auch konsekutiv gemeint sein; so ist es möglich oder sogar wahrscheinlich, dass in (24e) das Spritzen des Drecks nicht beabsichtigt war; dann aber wäre anstelle des finalen Konnektors auf dass die Wahl des konsekutiven so dass angemessener gewesen. Und schließlich: Es ist – auch im Kontext – oft gar nicht immer eindeutig zu entscheiden, ob Faktizität oder Nonfaktizität gemeint ist (24 f.); bzw. bei wiederkehrenden Ereignissen bzw. iterativen Prädikaten kann es sein, dass das Ziel durchaus auch tatsächlich immer mal erreicht wurde, aber nicht immer zwingend – diese Fälle sind insofern als nonfaktisch anzusehen, aber mit der Implikation, dass eine Teilmenge der Ereignisse tatsächlich stattgefunden hat (24g).  

(24a)

(24b)

Da hatten die Strategen das Spitzentreffen von CDU und CSU eigens nach Bayern gelegt, auf dass die Christsozialen etwas spürten von dringend nötigem Aufwind kurz vor den Landtagswahlen. Und dann das. (dpa, 09.06. 2008; „Schwarzwälder Bote“ (Oberndorf) zu CDU/CSU) In ihren Anfangsjahren haben die Funkhäuser mit großem Schwung Orchester, Chöre und Jazz-Bigbands gegründet, auf dass sie die Musik zu Sendezwecken produzierten. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 23.11.2006, S. 51) Eine Löwenmutter brachte ihren Kleinen ein lebendes Antilopenkitz mit, auf dass die daran das Jagen lernten. Sie wollten aber nicht . (Nürnberger Zeitung, 01.12.2009, S. 1) Sie hatten […] Zafer Titiz eingeladen, auf dass sich der Bilder-Wirrwarr in den Köpfen klären sollte . (Nürnberger Zeitung, 23.06.2007, S. 3) Mit Karacho prügelten die 260 Teilnehmer am Wochenende ihre Wagen durch Schlamm und Pfützen, auf dass der Dreck nur so spritzte. (Braunschweiger Zeitung, 07.09.2009, o. S.) Immerhin konnte man dabei die Augen schließen, auf dass die Sinne sich anders öffneten. Luigi Nono nämlich wollte mit Prometeo vor allem das „Ohr aufwecken“, wie er sagte. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 10.08.2006, S. 34) Außerdem bemängelt er die Praktiken des Hundetrainers, der seine Futterbeutel teilweise in Dickungen und Anpflanzungen hineinwerfe, auf dass seine Hunde diese aufwühlten. (Rhein-Zeitung, 20.07.2009, o. S.)  

(24c)





(24d)





(24e)



(24f)



(24g)



Die spezifische Form der Erfragung von Finalsätzen ist die mit Wozu-, Zu welchem Zweck-Fragen. Aber auch auf die Frage Warum (tut AGENS das-und-das, soll das sound-so sein, ist das so-und-so)? kann nicht nur kausal (Weil …), sondern auch, wenn sie als Frage nach einem Motiv (Zweck einer Handlung oder wieder eines aus menschlichen Handlungen oder Unterlassungen resultierenden Zustands wie in (25c), aber eben auch Grund, warum etwas so-und-so sein soll) interpretiert wird, final (Damit … bzw. eben auch Weil/wenn … will, dass … oder Weil … soll(en) und natürlich auch mit Ersatzausdrücken wie vor allem Um (…) zu …, vgl. Wöllstein 2005: 60) geantwortet werden.

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(25a)

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Warum schenkt er seiner Frau einen Kochtopf mit Glasdeckel? Damit sie zusehen kann, wie das Essen anbrennt. (Mannheimer Morgen, 30.01.2009, S. 31) Sie sollen ja hier bleiben, und uns allen ist klar, daß es ein hartes Stück Arbeit ist und daß es für einige durchaus eine Verschlechterung des Lebensstandards sein könnte. Warum sollen sie also hier bleiben? Sie müssen hier bleiben, damit sie das Land aufbauen. (WKD/VKB.12522 Volkskammer, 1990, S. 224) Frage: Warum gibt es keine schwarzlackierten Trabis? Antwort: Damit man sie nicht mit einem Brikett verwechselt. (Bild, 11.11.1989, S. 8)  

(25b)



(25c)



Wirklich kausale Antworten auf die Warum-Frage sind natürlich auch möglich und von den finalen klar zu unterscheiden, keineswegs synonym mit diesen – Es werden unterschiedliche Arten von Gründen angegeben. Vgl. dazu Sæbø 2011: 1432; dessen Beispiele seien hier übersetzt: (25d)

Warum wanderst du? A: [Ich wandere] damit ich gesund bleibe. B: [Ich wandere] weil ich gesund bin.

In diesem Sinne kommt Warum …? zu den anfangs dieses Kapitels erwähnten Erfragungsformen für Finalangaben hinzu, ist allerdings in dieser Funktion eben nicht eindeutig: mit ihr können generell Gründe aller Art (Sachgründe oder Ursachen wie auch Erkenntnisgründe, aber auch speziell Handlungsgründe oder Motive) erfragt werden, und entsprechend passen jeweils kausale oder finale Antworten. Anders und mit Ricœur (1977) gesagt: Kausalität und Finalität sind komplementäre Begründungsprinzipien (Cortès 2005: 70); bei Aussagen kann man von teleologischen vs. kausalen Erklärungen sprechen. In der sprachlichen Realität kann es auch vorkommen, dass in einer gegebenen Äußerung bewusst und problemlos offen bleibt, ob es sich um eine Ursache oder ein Motiv handelt. Wesentlich ist dabei, ob eine Intention eine obligatorische Rolle spielt oder nicht. Die genannten – in der Literatur üblichen – Umschreibungen einer Finalkonstruktion durch eine Formulierung mit einem kausalen oder konditionalen Konnektor (der Art AGENS x-t, weil/wenn er y-en will/soll; vgl. dazu auch Hyvärinen 1991: 311– 13) sind nicht immer beide möglich und angemessen. Der Unterschied zwischen wenn und weil in (i) und (ii) hat verschiedene Konsequenzen; bzw. umgekehrt: die Wahl von wenn oder von weil ist jeweils Folge des Vorliegens unterschiedlicher Bedingungen. Wann aber ist eine finale Konstruktion kausal, wann konditional zu paraphrasieren? Weil ist zu wählen, wenn es sich um ein faktisches externes Konnekt, vor allem bei dessen Denotat um eine konkrete (einmalige) Handlung handelt, die zu einer bestimmten Zeit (in Vergangenheit oder Gegenwart) stattfand oder -findet. Ein Beispiel

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C4 Konditional basierte Konnektoren

nach Heidolph et al. (1981: 805): Franz lernt fleißig, damit er sein Studium meistert ‚Er lernt fleißig, weil/*wenn er sein Studium meistern will‘. Wenn ist die Formulierungsalternative der Wahl, wenn es sich bei der Konstruktion als Ganzes um eine allgemeine Regel, z. B. bei dem Denotat des externen Konnekts um ein wiederkehrendes Verhalten ggf. auch ohne zeitliche Definitheit handelt. In einem leicht abgewandelten Beispiel ebenfalls nach Heidolph et al. (1981: 805): Studenten müssen fleißig lernen, damit sie ihr Studium meistern ‚… wenn/*weil sie ihr Studium meistern wollen‘. Ob die Formulierung in (ii) mit … will oder mit … soll angemessener ist, entscheidet sich danach, ob ein „Wollender“ – gleichgütig wie vage – explizit genannt wird (aus dem externen Konnekt bzw. dem Kontext hervorgeht) oder nicht (in letzterem Fall vor allem auch, ob es sich um eine allgemeingültige soziale Norm ganz ohne spezifischen „Wollenden“ handelt), wobei es einen Übergangsbereich zu dem vage-unspezifischen ‚weil/wenn man/irgendjemand … will‘ gibt.  





(26a)

Wer die bundesrepublikanische Wirtschaft in Schwung bringen will, der muß den Bundesrepublikanern Geld geben, damit sie kaufen können, was sie herstellen. (Berliner Zeitung, 30.01.1999, S. 4) → … wenn sie kaufen können sollen, was sie herstellen / wenn man oder irgendjemand will, dass sie kaufen können, was sie herstellen  

Die Finalrelation kann nun ihrerseits – wie schon in (26a) – eingebettet sein in eine Modalität bzw. das externe Konnekt kann auch modalisiert sein, so dass wir nicht direkt haben AGENS tut p, damit q, sondern P muss/soll/… getan werden/so sein, damit q (zustandekommen kann). (Dann ist entsprechend der nichtmodalisierte propositionale Gehalt p nicht faktisch, vgl. GDS: 2318.) Das Modalverb kann deontischnormbezogene (26b) wie auch epistemologisch-wahrscheinlichkeitsorientierte (26c) Modalität zum Ausdruck bringen: (26b)

Der Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenkassen soll erhöht werden, damit der Beitragssatz für Versicherte und Arbeitgeber abgesenkt werden kann . (Braunschweiger Zeitung, 10.01.2009, o. S.) MANAGERGEHÄLTER: Bei diesem Punkt könnte es einen Kompromiss geben, damit eine gesetzliche Regelung zur Jahresmitte in Kraft treten kann . (dpa, 03.03.2009; (Hintergrund) Koalitionsspitzen läuten Wahlkampf ein – Lange Streit-Liste)  

(26c)





Nun gibt es aber innerhalb der Nonfaktizität Abstufungen; und in diesem Rahmen übermitteln finale Konnektoren im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Verb-Modi unterschiedliche Grade der Wahrscheinlichkeit des vom internen Konnekt denotierten Sachverhalts: gemäß ganz allgemeinen Prinzipien ist der Indikativ im internen Konnekt in diesem Sinn nachdrücklicher, der Konjunktiv – auch wenn er der Markierung eines Redeberichts dient – drückt stärkere Zweifel des (berichtenden) Sprecher hin-

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C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

sichtlich der Eintretenswahrscheinlichkeit des vom internen Konnekt denotierten Sachverhalts aus. In diesen Verhältnissen der Möglichkeit der und der Konsequenzen aus der Kombination mit einem Verbmodus scheinen sich die finalen Konnektoren nicht voneinander zu unterscheiden. (Anders als etwa bei den konditionalen Konnektoren, wo wenn und falls bzw. unbetontes und betontes wenn im Kontrast zueinander und ohne Zuhilfenahme weiterer sprachlicher Signale solche Grade der Wahrscheinlichkeit übermitteln können, vgl. a. C4.1.3.1.2.) Vielmehr scheint bei den finalen Konnektoren der Gebrauch des Verbmodus im zeitgenössischen Deutsch weitgehend beliebig, während in älteren Sprachstufen Konjunktiv im internen Konnekt mehr oder weniger obligatorisch war – damals, um es als „hypothetisch“ (sprich nonfaktisch) zu kennzeichnen. So lassen sich in den folgenden beiden Belegen Konjunktiv I und Indikativ bei auf dass wie auch bei damit ohne weitere Folgen gegeneinander austauschen: (27a)

Herr Pong wird praktisch und brütet mit dem engelgleichen Wesen Evmarie eine seltsame Nachkommenschaft aus. Auf daß alles besser werde : Die moralische Verwerflichkeit besiegt, die Überbevölkerung durch immer kleinwüchsigere Menschen nicht mehr ganz so schlimm […]. (Berliner Zeitung, 10.09.1998, S. I) Deshalb haben die Klimaschädlinge jetzt eine Sondergenehmigung des Papstes beantragt, damit der Pontifex sie von ihrem Gelübde befreit . Auf dass es bald heißt : „Papst rettet Erde!“ (die tageszeitung, 07.08.2009, S. 20)  

(27b)







Von 198 geprüften Zufallsbelegen mit finalem auf dass wiesen 62 Indikativ im internen Konnekt auf, 131 Konjunktiv I, 3 weitere Konjunktiv II, dazu kam je einer mit dem Modalverb möchte resp. sollte. Wir haben also grob ein Verhältnis von 1/3 Indikativ zu 2/3 Konjunktiv I (vgl. a. Tab. A4-7). An dem Vorliegen einer finalen Relation mit all ihren Merkmalen (vor allem dem entsprechenden Faktivitätswert) ändert sich in keinem der Fälle etwas, wenn man den einen durch den anderen Modus (und z. B. bringen möge durch bringt) ersetzt. Neben den gewohnten Verwendungen des Konjunktiv II im Redebericht (als Ersatzform für Konjunktiv I) oder in einer eingebetteten oder mehr oder minder versteckten Konditionalbeziehung (in (28a): … damit er, wenn es zu Aufstiegsspielen kommt, dort spielberechtigt ist) scheint es bei seinem Auftauchen im internen Konnekt auch Verschärfungen zur kontrafaktischen Lesart zu geben, etwa (28b).  

(28a)

Dazu spielt der 17-jährige Florian Silbernagl für St. Gallen. Der Deutsche wird maximal viermal eingesetzt, damit er dann für allfällige Aufstiegsspiele spielberechtigt wäre . (St. Galler Tagblatt, 05.10.2007, S. 53) → ‚zu dem Zweck, dass, wenn/falls Aufstiegsspiele zu bestreiten sind, er dann spielberechtigt ist‘  



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(28b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wenn ich diesen Polizeibeamten kennen würde , nähme ich mir die Mühe, diesen vorwitzigen Typen vor Gericht zu ziehen, damit er selber die Gebühren zu begleichen hätte ! Aber leider sind wir halt so weit in der schönen Schweiz! (St. Galler Tagblatt, 17.12.2001, o. S.)  





Kontrafaktizität des externen Konnekts (da der Sprecher den Polizisten nicht kennt, macht er sich nicht die Mühe / zieht ihn nicht vor Gericht) oder der Gesamtkonstruktion überträgt sich (allerdings nur in einem gewissen Sinne) auf das Z WECK Argument. Das externe Konnekt (hier: ihn vor Gericht zu ziehen) ist kontrafaktisch (obwohl infinit), das interne dgl. (der Sprecher kennt ihn nicht und kann ihn daher nicht vor Gericht ziehen, folglich muss „der Typ“ auch de facto die Gebühren nicht begleichen), innerhalb der als allgemein unterstellten Konditionalbeziehung zu jenem aber nonfaktisch (‚immer wenn ich/jemand ihn aber vor Gericht ziehe/ zieht, hat er die Gebühren zu begleichen‘, vgl. ‚ich würde ihn deswegen vor Gericht ziehen, weil er dann die Gebühren zahlen soll/weil ich will, dass er die Gebühren zahlt‘). Das heißt die Finalbeziehung selbst (ich ziehe ihn vor Gericht, damit er die Gebühren selbst begleichen muss) behält ein nonfaktisches internes Argument. Weiter: Finalität kommt auch gereiht (transitiv) vor, also nach dem Schema p, damit q, damit r. Zwecke können ja Hilfszwecke für übergeordnete Zwecke sein. (29a)

Ischgl, das stets am Puls der Zeit hechelt, holte sich Matthias Horx vom renommierten Trendbüro Hamburg ins Paznaun, auf daß er rechtzeitig den Weg ins neue gesellschaftliche Zeitalter weise, damit die Tourismus- und Freizeitstrategen nicht unversehens in einen neuen Boom gerieten oder schlimmer: ihn überhaupt nicht bemerkten. (Salzburger Nachrichten, 07.12. 1996, o. S.)  

Der starken Aussage der GDS (833), „Eine sukzessive Anwendung von Finalspezifikationen auf Propositionen, die ihrerseits schon auf diese Weise gebildet wurden, ist nicht möglich. Scheinen Sequenzen von Finalspezifikationen vorzuliegen, handelt es sich nicht um sukzessive Anwendung, sondern um eine Spezifikation im Rahmen einer Spezifikation“, ist somit zu widersprechen. Das von der GDS selbst angegebene Beispiel, (29b)

Sie haben ihm eine Kur verschrieben, damit er sich erholt, damit er wieder arbeiten kann.

zeigt, dass q (die Erholung) Zweck von p (die Verschreibung der Kur) ist und r (die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit) der wahre Zweck von q, der angestrebten Erholung, und damit wiederum „weitergereicht“ letztlich von p ist. Externes Konnekt von r ist natürlich nicht (p damit q), sondern unmittelbar q und mittelbar auch p. Alle

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1039

untersuchten Belege mit iterativer Anwendung finaler Konnektoren sind von dieser Art; ob der von GDS stattdessen (und als allgemeingültig) vorgeschlagene Fall überhaupt vorkommt, muss offen bleiben. Da es um Handlungen als externes Konnekt geht, ist eine typische Anwendung der finalen Konnektoren die Begründung einer vollzogenen oder berichteten Aufforderung; das interne Konnekt benennt dann eine vom Sprecher angestrebte und/ oder vom Adressaten (Aufgeforderten) anzustrebende (positive) Konsequenz aus der Befolgung dieser Aufforderung im externen Konnekt: (ii) Tu das, weil … soll / weil ich will, dass … / weil du (doch sicherlich)/wenn du willst …; ein Beispiel mit dass s. schon in (1c). Als positives Ziel zählt auch die Vermeidung einer negativen Folge q wie in P! Damit nicht q (vgl. die Belege unter (15)). (30)

Klären Sie die Geldanleger auf, damit nicht die Falschen von dieser guten Titelgeschichte profitieren können. (Der Spiegel, 06.09.1993, S. 7)  

Hier muss in der Umschreibung die Negation entsprechend eingefügt werden: Klären Sie die Geldanleger auf, wenn Sie nicht wollen (vermeiden wollen), dass die Falschen profitieren; und Sie dürfen hoffen: wenn Sie die Geldanleger aufklären, profitieren die Falschen nicht. Q kann also im Interesse des Sprechers und/oder des Adressaten sein, nur des ersteren wie in (31a), beider wie wahrscheinlich in (31b), aber auch nur des letzteren wie wohl in (31c). Und das Eintreten von q kann in der Macht des Sprechers/Auffordernden stehen wie in (31d) (wenn es dann auch noch im Interesse (zumindest auch) des Adressaten ist, handelt es sich um ein Versprechen und (i) muss entsprechend reformuliert werden) oder auch nicht (wie in (31a)–(31c); dann sind wir wieder beim Normalfall von (i), der Hoffnung oder Prognose). (31a)

Gib mir Geld, damit ich von dir wegkann. (Frankfurter Allgemeine, 08.09. 2001, o. S.) „Nun gebt ihm doch endlich einen Ministersessel, damit er aufhört zu maulen“, sagt FDP-Chef Bangemann neuerdings über CSU-Chef Strauß! (die tageszeitung, 10.01.1987, S. 4) Iss am Morgen genug, damit du fit bleibst. (Die Südostschweiz, 26.09.2010, o. S.) Bringt mir (flüssiges) Metall, damit ich es darübergieße! (Dhū l-Qarnain, Wikipedia, 2011)  

(31b)



(31c)



(31d)

Das interne Konnekt von finalen Konnektoren kommt auch desintegriert vor; dann handelt es sich immer um Verwendungen mit Sprechaktbezug. Hier kann auch final verwendetes dass auftreten, das dann mit seinem internen Konnekt auch dem externen anteponiert vorkommt, hier also kein Postponierer ist; die Verwendung ist allerdings systematisch eher marginal:

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(32)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Damit/Dass du’s (nur) weißt, du hast mich heute zum letzten Mal gesehen.

Vgl. a. Formulierungen wie Damit das klar ist, Um mich unmissverständlich auszudrücken, Auf dass keinerlei Missverständnisse aufkommen, Dass du mich auch ja verstehst, … Die Finalität lässt sich durch Einfügung der explizit performativen Formel zum externen Konnekt deutlich machen: Damit du’s weißt, teile ich dir mit, das du mich … und das lässt sich wieder auf unsere übliche Weise wiedergeben als Ich teile dir mit, dass …, weil ich will, dass du’s weißt; und ich hoffe, dass du es weißt, wenn und weil ich es dir mitteile. Sæbø (1991: 630) weist darauf hin, dass Finalsätze als illokutionärer Indikator dienen können (eine weitere sekundäre Verwendung von Finalen). Sie können wie ein explizit performativer Hypersatz fungieren und die Rolle des Sprechakts (genauer, präziser) bestimmen; wo andere Indikatoren ambig sind und damit die illokutionäre Rolle zweifelhaft ist, können sie der Klärung dienen. Sæbøs Beispiel mit um … zu (Nur um Dich zu warnen: Auf der Weide grast ein Stier.) lässt sich auch mit einem finalen Konnektor formulieren (33a); ein ähnlicher Fall wäre (33b): (33a) (33b)

(Auf) dass/Nur damit du gewarnt bist: Auf der Weide grast ein Stier. Um dir einen guten Rat zu geben: Heirate bald!

Schließlich: Das Spektrum der möglichen Sachverhaltstypen ist hinsichtlich ihrer quantitativen Merkmale nicht eingeschränkt, weder auf generische noch etwa auf spezifische Sachverhalte. Rudolph (1982b: 276) suggeriert mit ihrer Formulierungsweise, dass „das Übliche und Normale am Finalsatzgefüge“ Subjektgleichheit bei um zu + Inf. und Subjektverschiedenheit bei damit ist. Bei damit ist das definitiv falsch – gegen die auf es bezogene These gibt es diverse Gegenbelege (so lässt sich Rudolphs um zu-Beispiel auch mit damit + Referenzidentität des Pronomens formulieren) und das wird auch sonst nicht behauptet. Die finalen Konnektoren ermöglichen zwar dadurch, dass anders als bei den um (…) zu-Infinitivphrasen ein explizites Agens auch im internen Konnekt stehen kann (wenn auch nicht muss), Referenzdiversität zwischen diesem und dem des externen Konnekts, erzwingen diese aber nicht. Wo das fehlende Subjekt der Infinitivphrase durch Kopie aus dem „Hauptsatz“ (als referenzidentisch mit dessen Subjekt oder Objekt) oder leicht und vergleichsweise eindeutig aus sprachlichem Kontext oder Hintergrund- bzw. Weltwissen rekonstruiert werden kann, wird bevorzugt zu um (…) zu gegriffen, wo das nicht der Fall ist (insbesondere, wo die Wahl von um (…) zu unter diesen Voraussetzungen zu einem irreführenden Ergebnis führen würde), eher zu einem der finalen Konnektoren. um (…) zu ist das Mittel der Wahl zum Ausdruck einer finalen Relation zwischen Sachverhaltsbeschreibungen, wenn keine Referenzdiversität der Subjekte vorliegt, u. a. weil es gegenüber (auf) dass eine recht neutrale Stilebene repräsentiert. Aber auch um (…) zu ist nicht auf Identität des (implizit bleibenden und daher geeignet zu ergänzendes) semantisch-logisches Sub 

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1041

jekts der Infinitivphrase mit dem Subjekt bzw. Agens des Haupt- bzw. Matrixsatzes eingeschränkt. (Vgl. zu den zulässigen Fällen, was das nicht realisierte Subjekt der um (…) zu-Phrase angeht, Heidolph et al. 1981: 805; vgl. a. z. B. Engel 1988/31996: 717, der nur fordert, dass „die Subjektsgröße des Nebensatzes mit einer bestimmten Größe des Obersatzes identisch“ ist, damit „damit durch um zu + Infinitiv ersetzt werden“ kann, der also freistellt, um welche „Größe“ des „Obersatzes“ es sich handelt. Selbst das aber ist noch zu eng gefasst.)  



4.5.3 Besonderheiten einzelner finaler Konnektoren Generell scheinen die Unterschiede zwischen den finalen Konnektoren eher stilistischer Natur zu sein, aber selbst diese sind eher graduell und kaum dingfest zu machen. Buscha (1989: 41) spricht davon, auf dass stehe „gelegentlich in literarischer Sprache als emphatische Entsprechung für finales damit“. Aber weder ist ein obligatorisches Moment „Emphase“ in den Belegen nachvollziehbar noch ist die Verwendung von auf dass auf literarische Sprache eingeschränkt. (Die in diesem Kapitel bis hierher angeführten Belege für auf dass als Konnektor – (5), (18b), (24), (27), (29a) – stammen durchweg aus Zeitungen oder von der dpa, das folgende allerdings als Zitat aus der Bibel, woher auch (15b) stammt). (34)

Nehmen wir das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass du lange lebest ! (Berliner Zeitung, 07.09.2002, S. 36)  



Das auf in auf dass lässt sich immer weglassen, ohne dass sich an der Bedeutung der Konstruktion etwas ändern würde; allerdings kann das Ergebnis der Weglassung – also die Formulierung mit dass alleine – stilistisch markiert bis abweichend sein, was sich wiederum durch Konjunktiv statt evtl. vorhandenem Indikativ im internen Konnekt oft verbessern lässt. Umgekehrt lässt sich, wenn alleinstehendes dass final verwendet wird, immer ohne semantische Änderung auf hinzufügen – das kann geradezu als Test für die finale Verwendung dieses Konnektors dienen. Damit kann nach Heidolph et al. (1981: 805) „die andern subordinierenden Konjunktionen mit finaler Funktion in der Regel ersetzen“. Genauere Bedingungen werden nicht angegeben. Diachron „wächst die Bedeutung von damit ständig“, wird es immer wichtiger und tendenziell zum einzigen allgemein verbreiteten finalen Konnektor; vor allem dass „spielt als Finalkonjunktion nur [noch] eine marginale Rolle“. Eine Einschränkung gilt für damit, die bei den anderen beiden finalen Konnektoren so nicht besteht: Ist im Kontext des (auf) dass-Satzes kein externes Konnekt erkennbar und auch nicht rekonstruierbar, kommt man zur optativen (vgl. HDK-1: 209 ff., Hájek 1986) (nicht-relationalen) Verwendung von (auf) dass-Sätzen (in denen also (auf) dass kein Konnektor ist). Diese Möglichkeit hat damit nicht.  



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(35a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Der russische Ingenieur Dmitri Schurin lässt seit neuestem Wodkaflaschen mit einem Mikrochip versehen, der sich beim Öffnen der Flasche mit diesen Worten hören lässt: „Auf dass dieser Trunk nicht dein letzter sei!“ (Berliner Zeitung, 23.04.2001, S. 4) „Daß dich die Demokraten holen“, schimpfen russische Mütter inzwischen, wenn demokratische Erziehungsmethoden bei den Sprößlingen versagen. (Die Presse, 19.02.1996, o. S.) *Damit dich der Teufel hole!  

(35b)



(35c)

Diese Wunsch-Lesart ist erkennbar von der finalen abgeleitet, ein externes Konnekt zwar nicht versprachlicht, aber in der Äußerungssituation sozusagen materiell vorhanden. Und oft lässt sich doch ein (implizit bleibendes) externes Konnekt auch aus dem sprachlichen Kontext rekonstruieren. (36)

Ruchs Wunsch : „Auf dass die Marke Bigwa in frischer Blüte weiterlebe!“  

In Isolation mag dieser Satz so aussehen, als handele es sich um einen Wunsch, der isoliert nicht in Beziehung zu einem anderen Sachverhalt gesetzt wird (Möge die Marke weiterleben!), also nicht um relationales auf dass. Betrachtet man aber den Vorkontext, kann durchaus doch so etwas wie ein externes Konnekt rekonstruiert werden, und zwar in beiden Belegen mit diesem Text ein je anderes: (36)’

Deshalb sei der Wechsel zu Markus Soller genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Ruchs Wunsch: „Auf dass die Marke Bigwa in frischer Blüte weiterlebe!“ (St. Galler Tagblatt, 28.01.2000, o. S.) → Der Wechsel wurde durchgeführt, damit die Marke … Eigentlich sei schon bei seinem Amtsantritt klar gewesen, dass tief greifende Veränderungen bei der Bigwa nötig seien. Ruchs Wunsch: „Auf dass die Marke Bigwa in frischer Blüte weiterlebe!“ (St. Galler Tagblatt, 01.02.2000, o. S.) → Tief greifende Veränderungen sind nötig, damit die Marke … weiterleben kann(!).  

(36)’’



Damit wären wir aber dann wieder bei einer relational-finalen, nicht bei einer optativen (und nur final grundierten) Interpretation. Auch zu (35) lässt sich ein, wenn auch nur recht vage bestimmtes, externes Konnekt rekonstruieren, etwas wie die Aufforderung „Trink (und trink auch in Zukunft weiter diesen Wodka)!“. Damit wäre auf dass als rein oder zumindest primär finaler Konnektor anzusehen, andere Verwendungen als abgeleitet. In dem Maße, in dem ein solches externes Konnekt rekonstruiert werden kann, ist dann auch der Einsatz von damit möglich. Ein gewisser Unterschied hinsichtlich der Neigung zu Konjunktiv-Verwendung im internen Konnekt ist im Gegenwartsdeutschen vorhanden. Noch am ehesten hat der Konjunktiv eine spezifische Funktion als Finalitätssignal bei (vor allem vorangestell-

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1043

tem) dass alleine. Hier kann Konjunktiv I im internen Konnekt verdeutlichen, dass es sich um eine finale Lesart und nicht etwa um die quantitativ ja bei weitem überwiegende Verwendung als komplementsatzbildender Subordinator ohne KonnektorStatus handelt. In einem Beleg aus Hájek 1986 (Dann wendet der Priester die weiße Stole um, dass das büßende Violett sichtbar wird.) würde „[e]rst die Konjunktion damit oder der Konjunktiv I […] dem Satz eindeutige finale Bedeutung geben“ (359); so, wie der Satz im Original formuliert ist, liegt die konsekutive Interpretation ‚so dass‘ mindestens genau so nahe. Dass deutet ja eher auf Faktizität des internen Konnekts (und damit, wenn es als Konnektor fungiert, auf eine konsekutive Lesart) hin, was für die Finalitätsrelation (deren Z WECK -Argument nonfaktisch sein muss) irgendwie „aufgehoben“ werden muss. Dass aber auch dass nicht obligatorisch mit Konjunktiv I stehen muss, um eine finale Lesart zu ergeben, zeigt das Beispiel aus GDS (2318), wo der Zukunftsbezug bereits für Nonfaktizität sorgt: Ich fahr’ lieber mit einem Zug früher, daß es nicht so spät wird .

(37)



Und bei der festen Wendung auf dass findet sich ein solcher Entfaktifizierungsbedarf offenkundig nicht (mehr). Die Lage generell bei den Finalkonnektoren im derzeitigen Deutsch fassen Heidolph et al. (1981: 534) zusammen: „Der Modusgebrauch im Finalsatz tendiert mehr oder weniger nach dem Indikativ“. M. a. W.: „Konj. I und II im untergeordneten Satz verschwinden“ (Vliegen 2010: 110, mit Flämig 1964). Genauer stellt Vliegen selbst für das 20. Jh. fest: „Der Rückgang des Konjunktivgebrauchs nach damit hält an (ist statistisch signifikant), stabilisiert sich aber bei auf dass“ (111). Speziell zum Modus in damit-Sätzen vgl. Sandberg (2004: 153 ff.). Konjunktiv wirkt teilweise etwas altertümlich. Dass in dieser Verwendung und auf dass wirken aber auch schon an sich etwas antiquiert. Eine andere stilistische Einschätzung des Konjunktivgebrauchs bei finalen Konnektoren im Gegenwartsdeutschen ist die als „bildungsbürgerlich“ (Vliegen 2010: 114). In allen Fällen ist bei finaler Lesart das interne Konnekt auch mit Indikativ nonfaktisch. Wie generell, kann in gewissen Fällen kontrastiv zueinander die Wahl des Konjunktiv I gegenüber der des Indikativs (und auch gegenüber kontrafaktisch gemeintem Konjunktiv II, der für eindeutig ‚es ist nicht so‘ steht) für eine nach Ansicht des Sprechers geringere Wahrscheinlichkeit des Sachverhalts sprechen (vgl. wenn gegenüber betontem wenn bzw. gegenüber falls). Dies berührt aber die Finalitäts-Relation nicht grundsätzlich. Ebenfalls eher tendenziell ist der Unterschied bei den beiden finalen Subjunktoren damit und auf dass, ob Voranstellung von Konnektor und internem Konnekt besser oder schlechter möglich ist: das scheint bei damit eher möglich als bei auf dass (der Postponierer dass erlaubt generell keine Voranstellung; zur Ausnahme bei Sprechaktbezug s. am Ende von C4.5.2). In einem zweiten (vgl. C4.5.1.2) Zufallssample  











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von je 200 Belegen waren bei auf dass nur 7 vorangestellte wie (38a); unter 200 zufälligem Belegen für den finalen Subjunktor damit waren es dagegen 34, z. B. (38b).  



(38a)

19,5 Prozent Marktanteil in Europa hielt der Espace vergangenes Jahr, oder anders gesagt: Jeder fünfte verkaufte Van war ein solches Modell. Auf dass dies so bleibe, gönnt Renault dem Espace eine sanfte Retusche. (St. Galler Tagblatt, 21.07.2000, o. S.) Alle Frauen sind eingeladen. Damit es gemütlich wird, gibt es etwas zu trinken und zu knabbern. (St. Galler Tagblatt, 19.01.2009, S. 31)  



(38b)



Die Konnektabfolge hat offenkundig keinen Einfluss auf die Satzsemantik, sondern ist eine Folge von Vertextungsstrategien und -bedürfnissen (Anschlüsse an Vorkontext bzw. Bereitstellung des Anschlusses des Nachkontexts) bzw. damit zusammenhängend auch von Fokus-Hintergrund-Gliederung, die aber hier eben anscheinend ganz allgemeinen Maßgaben folgen, nicht solchen, die für die finalen Konnektoren oder gar für einzelne von ihnen spezifisch wären. Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass es einen Unterschied zwischen den finalen Konnektoren danach gäbe, ob das interne Konnekt einen resultierenden Zustand oder eine Handlung denotiert. Beide Fälle kommen vor und unterscheiden sich nicht erkennbar in ihrer Vorkommenshäufigkeit (am Beispiel von auf dass und damit: Zustand: (39a)/(b), Handlung: (18b)/(40)); ja sie sind nicht einmal immer deutlich zu unterscheiden – generell steht hinter jedem sprachlich als solchem formulierten „Zustand“ in Finalrelationen eine Handlung (41). (39a)

Dazu gehörten in den vergangenen Monaten auch zahlreiche Personalentscheide, das Beheben von Vakanzen, das Ersetzen von Abgängen – auf dass die Bistumsleitung heute komplett ist . (St. Galler Tagblatt, 27.06.2008, S. 11) Dafür brauchen wir zugleich aber auch ein ehrliches Zusammengehen der Hiergebliebenen und der Wiederkommer, aller derjenigen, die bereit sind, mitzudenken und mitzuarbeiten, damit aus unserer Heimat DDR wieder ein Land mit eigener Identität, mit politischer und geistiger Kultur werden kann, ein Staat uneingeschränkter Menschenrechte […]. (WKD/VKA.00232 Parlaments-Szenen einer deutschen Revolution, 1990, S. 92) „[…] daß entweder die Alte oder die Junge sterben müßte, damit sie Graf Aurel heiraten kann“. (MK2/TRI.00006 Uhl, Mitternacht, S. 44) Gewöhn dir endlich Lebensart an, damit du für Paola, die schwierig genug ist, ein Vorbild sein kannst . (LIM/LI1.00098 Mangold, Umsturz, S. 60 f.)  



(39b)



(40)



(41)







C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1045

4.5.4 Instrumentale Konnektoren Instrumentalität ist in verschiedenen Hinsichten für Konnektoren eine eher periphere Relation. Es handelt sich häufiger um eine Relation zwischen einem Sachverhalt und einem an diesem Sachverhalt beteiligten Gegenstand und eher ausnahmsweise um eine zwischen propositional strukturierten Sachverhalten, wie sie für dieses Handbuch allein relevant wäre. Zumindest das namengebende eine Argument der Relation, das Instrument, ist eher ein dingliches Werkzeug als ein Sachverhalt, also eher ein Gegenstand, der im Rahmen einer Handlung gebraucht wird (vgl. etwa Heidolph et al. 1981: 231). Folgerichtig wird die instrumentale Relation bevorzugt nicht durch Konnektoren, sondern durch sprachliche Mittel innerhalb des einfachen Satzes signalisiert, in NT EZESonderheit durch Präpositionen. Konnektoral ist sie nur, soweit auch das A NTEZEDENS -Argument („II NSTRUMENT “) durch einen propositionalen Ausdruck für einen Sachverhalt, hier genauer: eine Handlung, repräsentiert ist. Und nur auf diesen Fall, nur auf diesen Begriff von Instrumentalität gehen wir im Folgenden ein. Ähnlich unterscheidet Sæbø (2011: 1420), dass instrumentale Adverbialia satzförmig (clausal) oder nonclausal sein können: Ersteres gehört zu den potenziell konnektoralen Relationen, letzteres – z. B. with a hammer / mit einem Hammer – nicht. Allerdings müsste man erstere im Deutschen statt mit einer Gerundialkonstruktion – wie in Sæbøs Beispiel by hammer ing it –, die im Sinne dieses Handbuchs nicht satzförmig ist, mit einem finiten Satz wiedergeben, also etwa indem er es hämmerte. Ein weiterer Grund, die instrumentalen Konnektoren nur sehr knapp abzuhandeln, ist, dass sie hochgradig ambig sind und bei vielen auch so verwendbaren Konnektoren die instrumentale Lesart nicht unbedingt ihre Hauptbedeutung ist. Allerdings gibt es tatsächlich spezialisierte Konnektoren (d. h. solche mit mindestens einer wesentlichen instrumentalen Lesart/Bedeutungsvariante oder weitgehend rein instrumentale) und diese müssen daher in einem eigenen – diesem – (Unter-) Kapitel angeführt werden. Möglichst eindeutig instrumentale Belege sind exemplarisch:  





(42a)

ÖVP-Generalsekretärin Korosec kombiniert die Briefbomben mit der „unvorstellbaren sozialistischen Dominanz“ im Innenministerium. Diese Spielarten der moralischen Entwaffnung des Staatsbürgers gegen Terrorismus unterstützt auch Innenminister Löschnak, indem er […] „im Wahlkampfeinsatz in Österreich unterwegs“ ist, statt die Betroffenen zu besuchen […]? (Salzburger Nachrichten, 06.10.1994, o. S.) Die Gewalt ist bei Burgess individuell anarchistisch und staatlich verfügt, aber keineswegs zentral gebündelt und absolut effizient wie im Stalinismus oder Faschismus. Diesen Unterschied verwischt Castorf, indem er Alex’ Geschichte in eine falsche historische Perspektive stellt. (die tageszeitung, 01.03.1993, S. 14)  

(42b)



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(42c)

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[…] habe Heindl demnach „in Nürnberg unbefugt gewählt und dadurch, daß er sich in den Stadtrat wählen ließ, auch ein unrichtiges Ergebnis der Wahl herbeigeführt .“ (Nürnberger Nachrichten, 06.09.1991, S. 13)  



Die instrumentalen Konnektoren sind nahe mit den finalen verwandt. Typisch sind Übertritte von der einen in die andere Klasse. „Die finale Konjunktion damit ist als Pronominaladverb Korrelat in Instrumentalsätzen“ (Eisenberg 2004: 339, sein Beispiel (26a) geben wir als (43) wieder). (43)

Daß Emma Rainer einlädt, damit erfreut sie ihn.

4.5.4.1 Liste der instrumentalen Konnektoren und alternative Ausdrucksmittel A NTEZEDENS -markierend: Subjunktoren indem dadurch (…), dass damit (…), dass Die letzteren beiden betrachtet wir mit der GDS als „Korrelatverbindungen aus den instrumentalen Präpositionaladverbien dadurch und (weniger häufig) damit und daßSätzen“ (2279). Statt dadurch (…), dass kommt auch dadurch (…), indem vor, was allerdings über eine mögliche Interpretation als Korrelatkonstruktion hinaus redundant klingt und daher wohl als Kontamination der beiden Formen indem und dadurch (…), dass anzusehen ist. Exemplarisch einer von nicht wenigen Belegen: (44a)

Der Staat kann den Strukturwandel dadurch erleichtern, indem er dafür sorgt, daß die Wirtschaft in ausreichendem Maße hochqualifiziertes wissenschaftliches und technisches Personal bekommt. (Die ZEIT, 11.10.1985, S. 30)  

Auch die Formulierung dadurch (…) weil ist eine „Kontamination beider Gefüge“ – des instrumentalen und des kausalen –, nicht normgerecht (Buscha 1989: 65). Auch sie kommt in tatsächlichen Texten vor (mit eindeutig kataphorischem dadurch): (44b)

„Die Lage wird erst dadurch bedrohlich, weil alle weggucken“, sagt der Sozialpädagoge. (Nürnberger Nachrichten, 16.02.2001, S. 10) Allerdings spielte die HSG in der vergangenen Saison häufig am oberen Limit, auch dadurch, weil sie keinen psychischen Druck verspürte, da der Aufstiegsverzicht schon früh fest stand. (Rhein-Zeitung, 08.09.2001, o. S.)  

(44c)



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C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

Postponierer wozu wofür Diese Konnektoren sind der Form nach w-Relativadverbien (vgl. HDK-1: 9 f.). Als „Interrogativadverbien“ verwendet erfragen sie Finalangaben (Wozu …? Damit …, Um … zu …); die dazu homonymen Konnektoren gehören zu den instrumentalen (wie ja auch die Präposition mit).  

Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren (alle VF, MF) dazu dafür hierzu hierfür Analog zur Lage bei den K ONSEQUENS -Markern hätte man hier auch noch die Fortsetzung der Reihen durch sozu und sofür vermuten können. Beide Formen gibt es aber offenkundig nicht. OLG E -(K K ONSEQUENS -)markierend: F OLGE Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren (alle VF, MF) DAmit DAdurch HIERmit HIERdurch SOmit

Die analoge Reihenbildung würde durch SOdurch vervollständigt. Es ist zwar belegt (45), kommt aber so selten vor, dass wir es in die Liste der synchron vorhandenen Instrumentalkonnektoren nicht aufnehmen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine reine ad hoc-Bildung in Analogie zu den anderen Formen. In anderen Belegen scheint es sich um ein Element eines recht bemühten Beamtenstils zu handeln; z. T. sind sie auch grammatisch von recht dubiosem Status.  

(45)

Von daher plädierte ich für Serbokroatische Sprache (und nicht nur Serbokroatisch), weil sodurch auch nicht die ebenfalls umstrittene Existenz eines einheitlichen Serbokroatischen suggeriert würde, sondern lediglich die Sprachfamilie genannt. (Diskussion: Eurovision Song Contest 2009/Archiv, Wikipedia, 2011)

Postponierer womit wodurch Die nicht-konnektintegrierbaren instrumentalen Konnektoren sind also alle wie die entsprechenden finalen (und wie jene passend zu ihrem Status als konditional basiert) subordinierend, nämlich Subjunktoren oder Postponierer.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Adverbkonnektoren sind von ihren Stellungsmöglichkeiten her sehr eingeschränkt. Auch und gerade im Bereich der Ausdrücke für die instrumentale Relation haben wir diverse Alternativen zu den genannten Konnektoren; diese dominieren die Konnektoren quantitativ vor allem in Bezug auf die Verwendungs-Frequenz. Hervorzuheben sind vor allem Präpositionen, und da vor allem die, die auch als Komponenten beim Aufbau der Konnektoren helfen, etwa durch, mit (Hilfe), aber auch aufgrund. Nur exemplarisch sei durch als instrumentale Präposition belegt: (46)

Rennläufer befreien sich bei einem Sturz durch Drücken eines Knopfes an den Stöcken von den Skiern. (Mannheimer Morgen, 30.11.2002, o. S.)  

Dass eine „instrumentale“ Relation mit einem „Gegenstand“ als einem Argument nicht in unseren Untersuchungsbereich gehört – da dann ja keine Beziehung zwischen Sachverhalten vorliegt –, betrifft vor allem Präpositionen mit genuinen Nomina, so etwa in mit einem Hammer. Nur wenn ihre Argumente Satznominalisierungen und damit Sachverhaltsbezeichnungen sind wie die von der Präposition abhängige NP in (46), handelt es sich um echte Alternativausdrücke für die instrumentalen Konnektoren, nicht um Marker für Partizipantenrollen. Die Nominalisierung kann „rückgängig“ gemacht werden – diese Äußerungen lassen sich also konnektoral umformulieren: (46)’ (46)’’

Dadurch dass sie einen Knopf … drücken, befreien sich Rennläufer bei einem Sturz. Rennläufer befreien sich bei einem Sturz, indem sie einen Knopf … drücken.

Ggf. muss dabei ein Modalverb eingefügt werden: (46)’’’

Rennläufer können sich bei einem Sturz befreien, wozu/wofür sie einen Knopf … drücken / Dazu/Dafür/Hierzu/Hierfür drücken sie einen Knopf.

Auch die bei Heidolph et al. (1981: 231) angeführten Beispiele (Er entkräftete die Anschuldigung dadurch, dass er das Gegenteil bewies / durch den Beweis des Gegenteils; Er entging dem Schlag durch eine schnelle Wendung, zu ergänzen wäre: … indem er sich schnell (ab)wendete) gehören somit durchaus in den Bereich der Untersuchung einer Instrumentalrelation in dem Sinne, in dem sie für Konnektoren relevant ist. Die beiden wichtigsten instrumentalen Konnektoren, die in der Literatur fast NT EZEDENS -markierenden Subausschließlich behandelt werden, sind die beiden A NTEZEDENS junktoren indem und dadurch (…), dass. Indem wird immer wieder exemplarisch für die Klasse untersucht; dadurch (…), dass aber eignet sich in gewisser Hinsicht sogar besser als Testausdruck, ob eine instrumentale Beziehung vorliegt, da es weniger  

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C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

Bedeutungsvarianten hat: Anders als sein „Konkurrent“ indem kann dadurch (…), dass keine komitativen Nebensätze einleiten (vgl. ausführlich in C2.4) und kann nicht als temporaler (vgl. C1.3.3.1) oder adversativer (vgl. C2.3) Konnektor fungieren. Allerdings sind die beiden letztgenannten Gebrauchsweisen von indem veraltet, und auch seine komitative Lesart – hier werden zwei verschiedene, aber simultan vorkommende Sachverhalte als Hauptereignis und Nebenereignis oder „Begleitumstand“ in einen mehr oder minder vagen Zusammenhang miteinander gesetzt, vgl. C2.4.2 – ist im heutigen Standarddeutsch eher peripher, so dass auch für indem zumindest für das Gegenwartsdeutsche festgestellt werden kann, dass seine zentrale Verwendung die als instrumentaler Konnektor ist. Wir beschränken uns in den folgenden Erörterungen ebenfalls auf diese beiden. Wo und soweit indem instrumental zu verstehen ist, kann es durch dadurch (…), dass ersetzt werden, „ohne dass der Inhalt des Satzgefüges verändert wird“ (Stojanova-Jovčeva 1976: 116). Beide werden übrigens gerne (mit und, nicht nur (…) sondern auch, oder, entweder (…) oder u.v.m.) koordiniert, was ebenfalls darauf hindeutet, dass sie in diesen Kontexten dieselbe semantische Funktion ausüben können, also zumindest teilsynonym sind. Ein Beispiel möge genügen: (47)

Allerdings könnten sich die Firmen auch sehr engagieren, entweder , indem sie selber Betreuungseinrichtungen schaffen, oder dadurch, dass sie sich an den Kosten beteiligen. (Nürnberger Nachrichten, 27.05.2000, S. 4)  



4.5.4.2 Zur Semantik der instrumentalen Konnektoren Die instrumentalen Konnektoren werden in der einschlägigen Literatur häufig als Konverse der finalen dargestellt (zu dieser These vgl. etwa Buscha 1989: 58 speziell bzgl. damit und indem und 75 allgemein zu „Instrumental-“ und „Finalgefüge“). Das mag seinen Grund in der Tatsache haben, dass bei den finalen wie bei den instrumentalen Konnektoren das eine Konnekt für eine Handlung steht (oder zumindest eine zugrundliegende Handlung voraussetzt) und es sich bei dem Träger dieser Rolle bei der einen Klasse (der finalen) um das externe, bei der wichtigeren und meist allein betrachteten Teilmenge der anderen, instrumentalen Klasse um das interne Konnekt handelt; das andere Argument ist eine Folge dieser Handlung. Obwohl die finalen eine asymmetrische Argumentstruktur (zwei verschiedene Rollen) haben, kommen bei ihnen unter den lexikalisierten Konnektoren im Deutschen nur Z WECK -Marker, keine dazu konversen Marker des anderen Arguments vor (vgl. A2.4.2). Bei den instrumentalen hingegen finden wir je A NTEZEDENS - und K ONSEQUENS -Marker. Wenn überhaupt, wären also nur die A NTEZEDENS -markierenden instrumentalen konvers zu den finalen; zusätzlich gäbe es innerhalb der instrumentalen Klasse zueinander konverse Unterklassen, von denen die eine dann ja zu der finalen gehören bzw. mit ihr bedeutungsidentisch sein müsste.

1050

C4 Konditional basierte Konnektoren

Eisenberg z. B. formuliert in Übereinstimmung mit der genannten Tradition: „Die finale Konjunktion damit ist semantisch die Konverse zur instrumentalen indem. Bei indem liefert der Nebensatz das Mittel, der Hauptsatz den Zweck. Bei damit liefert der Nebensatz den Zweck, der Hauptsatz das Mittel“ (2004: 338; Eisenbergs Beispiel (25) S. 339 geben wir als (48) wieder).  



(48a) (48b)

Emma erfreut Rainer, indem sie ihn einlädt. Emma lädt Rainer ein, damit er sich freut.

Der simplen Konversitätsannahme ist jedoch zu widersprechen. Wären finale und instrumentale Konnektoren schlichtweg konvers zueinander, müsste man Formulierungen mit den einen bedeutungsbewahrend und ohne weitere – außer rein syntaktisch notwendigen – Änderungen ineinander überführen können. Betrachten wir zwei Paare von in diesem Sinne scheinbar reinen Reformulierungen, ausgehend einmal von einem finalen, einmal von einem instrumentalen Beispiel. (49a)

Heinrich der Löwe hat den Dom erbauen lassen, auf dass sich die Nachwelt seiner erinnere. (Braunschweiger Zeitung, 07.08.2006, o. S.) *Indem Heinrich den Dom erbauen ließ, erinnert(e) sich die Nachwelt seiner. Indem Heinrich den Dom erbauen ließ, wollte er bewirken , dass sich die Nachwelt seiner erinnere. Die Gewinne der Banken mehrten sich, indem die Banken ihre Zinsen erhöhten. (Fortsetzung „Aber die Gewinne der Banken mehrten sich nicht.“ unmöglich) Die Banken erhöhten ihre Zinsen, damit sich ihre Gewinne mehrten. (Fortsetzung „Aber die Gewinne der Banken mehrten sich nicht.“ möglich)  

(49b) (49c) (50a)

(50b)



Zwar denotiert tatsächlich bei beiden das eine Konnekt eine Handlung, aber das andere bei den instrumentalen nicht deren Z WECK (wie das interne Konnekt der finalen), wodurch die Handlung zu einem bewusst eingesetzten Mittel würde, sondern einen Sachverhalt, der als R ESULTAT dieser Handlung gelten kann. Das spezifische Ergebnis der Handlung im Rahmen der instrumentalen Relation (also das vom entsprechenden Konnekt denotierte K ONSEQUENS -Argument) muss nicht unbedingt „bezweckt“, beabsichtigt (gewesen) sein, kann sich auch ohne oder gar gegen den Willen und die Absichten des Handelnden ergeben bzw. faktisch ergeben haben, wie man im folgenden Fall (wie auch von (42c)) unterstellen darf: (51a)

Indem wir Osterwalder auf ein Monster reduzieren, verkürzen wir gleichzeitig das Nachdenken. (St. Galler Tagblatt, 09.05.1998, o. S.)  

Absicht und damit Zweckhaftigkeit als Inhalt des externen Konnekts eines instrumentalen Konnektors kann zwar vorliegen, etwa in folgender Variante von Beleg (46):

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(46)’

1051

Sie befreien sich bei einem Sturz, indem/dadurch dass sie einen Knopf drücken.

Aber es ist häufig Interpretationssache, ob man Absicht unterstellt oder nicht (so auch in (42a) und (42b)) – das heißt, der instrumentale Konnektor fügt anders als ein finaler eine solche Unterstellung nicht seinerseits obligatorisch hinzu. Umgekehrt ist Absicht auch nicht ausgeschlossen, auch da, wo unser Weltwissen eher für eine unbeabsichtigte Folge spricht, wie in (51b). (51b)

Unlängst brüskierte er die Schweiz, indem er zwei iranische Terroristen nach Teheran ausreisen ließ, statt sie an die Berner Behörden auszuliefern. (Die Zeit, 03.03.1995, o. S.)  

Im folgenden Beleg immerhin ist die Folge (das vom berichtenden Sprecher unterstellte faktische Resultat) der Handlung sicher nicht intendiert, da die Folge gegen das eigene Interesse des Handelnden verstößt: (51c)

Indem sie das Instrumentarium für einen internationalen Interessensausgleich demontieren, schaden die USA auch sich selbst. (Berliner Zeitung, 22.01.1999, S. 4)  

Daraus folgt der zentrale Unterschied zwischen der Final- und der Instrumentalrelation, nämlich dass das Ergebnis der Handlung von den instrumentalen Konnektoren als tatsächlich eingetreten gekennzeichnet wird: Das K ONSEQUENS der Finalrelation ist nonfaktisch, das der Instrumentalrelation im Default-Fall faktisch. Dieser Unterschied blockiert die Annahme einer schlichten Konversitätsbeziehung zwischen beiden. Diesen Unterschied zwischen der Semantik von finalem damit und instrumentalem indem bemerkt auch Eisenberg (vgl. 1989: 359). Beides wird ja auch an Eisenbergs Beispielen schon sichtbar: In (48a) wird behauptet, dass das Erfreuen stattfindet, und zwar als tatsächliches Ergebnis der Einladung; in (48b) wird es nur als mögliche (und erwünschte, angestrebte) Folge der Einladung erwogen. Zusammen mit einem Modalverb können die instrumentalen (wie aber auch die kausalen) tatsächlich eine finale Relation bzw. die Konverse zu einer solchen signalisieren, aber eben nur mit einem solchen (kompositional) und nicht schon alleine (vgl. a. Hyvärinen 1991: 312). In Eisenbergs Beispiel wäre zu (48b) eher ein (48a)’ Emma will Rainer erfreuen, indem sie ihn einlädt konvers. Hier wäre im externen Konnekt ein Zweck, kein definitives Ergebnis denotiert und nonfaktisch übermittelt. Das Modalverb stellt gleichzeitig die Nonfaktizität sicher. Sich als final ergebende Formulierungen dieser Art (aus einem instrumentalen Konnektor und einem passenden Modalverb im externen Konnekt) kommen durchaus in Belegen vor, auch wieder mit anonymem Wünschenden:

1052

(52a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Indem sie die Sparzinsen stärker senkten als die Kreditzinsen, wollen die Zentralbanker den kränkelnden staatlichen Banken unter die Arme greifen. (die tageszeitung, 08.12.1998, S. 8) Im […] Workshop […] sollen die Teilnehmer mit NLP beispielsweise lernen, ihre Kommunikation zu verbessern, indem sie lernen, den „Draht“ zum Anderen aufzubauen […]. (Oberösterreichische Nachrichten, 21.09.1996, o. S.)  

(52b)



Zusammengefasst: Die (finale) Mittel-Zweck-Relation wird (K K ONSEQUENS -markierend) durch einen finalen Konnektor alleine wie in Er x-te, damit p geschieht. und konvers dazu (A A NTEZEDENS -markierend) durch einen instrumentalen Konnektor plus entsprechende Modalisierung von dessen externem Konnekt wie in Indem er x-te, wollte er erreichen, dass p geschieht signalisiert. Umgekehrt kann aufgrund von zusätzlichen Informationen aus weiterem sprachlichem Material, dem Kontext oder dem Weltwissen die Finalrelation (von der Perspektive des berichtenden Sprechers aus) auch faktisch interpretiert werden (und somit einen erfüllten Zweck, ein eingetretenes Ziel markieren), womit sich diese ihre Verwendungen der instrumentalen Bedeutung angleichen. Das meinen Lehmann/ Shin (2005: 90) wohl, wenn sie postulieren, die Instrument- („S1 by means of S2“) und die Zweck-Relation (purpose: „S2 in order that S1“) seien partielle Konversen zueinander, aber nur für solche (also den Unter-Typ der) Finalrelationen, bei denen der Zweck S1 tatsächlich realisiert wird. Er x-te, damit p geschehe, und tatsächlich geschah es . / P geschah, indem er x-te – und das war genau, was er gewollt hatte. Lehmann/Shin weisen aber selbst noch auf weitere Differenzen zwischen den beiden Relationen hin: Sie unterscheiden sich wesentlich in ihrer Funktionalen Satzperspektive. In der Instrumentalrelation „S1 by means of S2“ ist S1 die primäre, S2 die sekundäre Situation, in der Finalrelation „S2 in order that S1“ ist S2 die primäre, S1 die sekundäre Situation. Man kann also bestenfalls stark eingeschränkt, für einen Spezialfall, nicht aber generell postulieren, die Instrumentalrelation sei eine Konverse zur finalen. Das Ergebnis der Handlung kann also durch zusätzliche sprachliche Mittel als (nur) angezielt, beabsichtigt gekennzeichnet werden, wird dies aber nicht zwingend schon durch den Konnektor allein. Somit entfällt für die instrumentalen Konnektoren gegenüber der Bestimmung der finalen die Annahme, dass ihnen zum einen eine Bedeutung der Art ‚(A A GENS tut) q, wenn/weil er oder eine andere Instanz will, dass p‘ entspricht bzw. eine solche Relation unterliegt. Was nun die andere Relation, auf die wir die Bedeutung der finalen Konnektoren analytisch zurückgeführt haben, angeht, so können wir auch bei den instrumentalen Konnektoren (p, indem q) als unterliegend annehmen, dass ‚p weil q‘ bzw. ‚i. d. R. wenn q, dann normalerweise p‘. Allerdings besteht auch hier ein Unterschied, was die kausale Umschreibung angeht: Im finalen Fall – wo ja das interne Konnekt nonfaktisch ist – wird der Kausalzusammenhang nur als Hoffnung präsen 





C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

1053

tiert, im instrumentalen dagegen als gegeben: Hier wird ja die Wirkung/Folge als ENS das in q gefaktisch eingetreten präsentiert, es verbleibt „p geschieht, weil A GGENS nannte tut“. Hatte das Hyperprädikat hofft bei der finalen Lesart in der kausalen Variante die Faktizität der Konnekte verhindert, so tritt hier diese Wirkung nicht ein, da auch das Hyperprädikat nicht gegeben ist. Vielmehr ist der Default-Fall ein Doppelfaktischer: Die Handlung p wurde tatsächlich vollzogen (wenn auch eben nicht unbedingt als Mittel zum Zweck), und die angestrebte Wirkung q stellte sich ein. Mit dieser Zurückführung auf (hier eben nur) eine unterliegende Kausal- (bzw. Konditional-)relation wird es innerhalb der Instrumentalkonnektoren anders als bei den finalen möglich, I NSTRUMENT - und R ESULTAT -Marker auch als A NTEZEDENS - von K ONSEQUENS -Markern zu unterscheiden – und beide gibt es im Deutschen. Diese beiden Teilgruppen innerhalb der Instrumentalen – und nicht etwa finale zu instrumentalen Konnektoren – sind Konverse zueinander. (Wie auch sonst praktiziert, vgl. etwa auch die kausalen und konsekutiven etc., fassen wir diese beiden Gruppen von tatsächlich zueinander konversen Konnektoren in einer Klasse und hier auch unter einem Terminus zusammen, wie des Weiteren beispielsweise auch innerhalb der Klasse der konzessiven Konnektoren, vgl. C4.3.)

Abb. C4.5-2: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei A NT EZEDENS -markierenden instrumentalen Konnektoren

Abb. C4.5-3: Zuordnung von semantischer und syntaktischer Struktur bei K ONSE QUENS -markierenden instrumentalen Konnektoren

1054

C4 Konditional basierte Konnektoren

Mit der Verallgemeinerung auf Resultate (anstatt von Zwecken oder Zielen) als das eine Argument einerseits, der Feststellung der Faktizität beider Konnekte andererseits haben wir das Problem, die instrumentalen von den kausalen abzugrenzen (und die K ONSEQUENS -markierenden genauer von den konsekutiven). Kausale und instrumentale Konnektoren ähneln sich in vielen Hinsichten. Letztere sind aber spezifischer: Bei instrumentalen Konnektoren wie bei den finalen denotiert das eine Konnekt (bei den A NTEZEDENS -markierenden instrumentalen speziell das interne) nicht einfach einen G RUND / eine U RSACHE beliebiger Art, sondern spezifischer einen Sachverhalt, der handlungsförmig sein muss (und somit intentional als „Instrument“ eingesetzt werden kann). Das Resultat findet statt, weil die entsprechende Handlung durchgeführt wurde oder wird. Auch hier kann wieder, wie bei den finalen, an Stelle einer Handlung ein Handlungsresultat stehen, immer aber muss dieses wiederum durch eine geeignete Handlung bewirkt worden sein, um die es „eigentlich“ geht, stets also muss u. a. ein zu intentionalem Verhalten fähiges, bevorzugt menschliches Agens impliziert sein – auch wenn die betreffende Intention eben nicht (unmittelbar) auf das andere Argument gerichtet sein muss. Vgl.  

(53a)

Nicht nur die Verkehrsprobleme sollen in Zukunft dadurch gemildert werden, dass die Hauptroute des Hafens nicht mehr durch die Freizone führt. (Hannoversche Allgemeine, 26.11.2008, S. 13) ‚(dadurch) dass die zuständigen Behörden dafür sorgen, dass …‘ In der Schlussphase war der VfR-Sieg dann kaum noch gefährdet. Dies wurde auch dadurch begünstigt, dass der bereits verwarnte Seeberger nach einer Schwalbe die Gelb-Rote Karte sah (74.) (Mannheimer Morgen, 07.09.2009, S. 13) ‚(dadurch) dass der Schiedsrichter ihm diese Karte zeigte‘  

(53b)



Beispiele wie Dadurch, dass die Vase zerbrach, hat sich eine völlig neue Situation ergeben. sind insoweit nicht instrumental, sondern kausal, als unterstellt wird, dass hinter dem Zerbrechen der Vase kein handlungsfähiges Agens steht. Mit dieser Bestimmung der Instrumentalrelation als auf Handlungen als A NTEZEDENS -Argument eingeschränkt müssen wir zugleich dadurch (…), dass als polysem mit einer rein kausalen Lesart ansehen, während für indem die für die spezifische instrumentale Lesart passende Restriktion „einer bevorzugten Bezugnahme auf Handlungen“ gilt (GDS: 2279). Diese größere Nähe zur Kausalität zeigt sich in einem Phänomen, das die GDS beobachtet hat: „Nicht selten, vor allem im umgangssprachlichen Gebrauch, erscheint statt dadurch (…), daß die Verbindung dadurch (…), weil“ (2280, Belege s. d.). Die wenigen Belege mit A NTEZEDENS -markierenden instrumentalen Konnektoren, wo q keine Handlung denotiert, sind als abweichend anzusehen (z. B. (54), das zumindest eine extreme Verkürzung darstellt; akzeptabel wäre etwas wie indem wir ihn auch zum Obmann machen); oder aber hier liegt eine allgemein-kausale Lesart des Konnektors vor.  



1055

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(54)

Indem unser 1.-Liga-Trainer […] gleichzeitig auch Juniorenobmann ist, sollte es gelingen, die zuletzt schwache Nachwuchsbewegung bei uns wieder mit neuem Leben zu erwecken. (St. Galler Tagblatt, 03.08.2001, o. S.)  

Personifizierungen, d. h. Fälle, wo an sich nicht intentionsfähige Subjekte metaphorisch o.a. wie solche behandelt werden, sind natürlich akzeptabel:  

(55)

[…] dass die Kastanie bei uns eine ähnliche Karriere zurücklegte , indem sie den Gotthard überstieg. (Zürcher Tagesanzeiger, 03.06.1996, S. E4)  

(Deutlich haben wir hier aber keine finale Weiterinterpretation: Der Kastanie wird nicht unbedingt die Absicht unterstellt, Karriere zu machen – Es handelt sich vielmehr um eine faktische Folge ihrer Nordausbreitung.) Eine korpusbasierte Untersuchung der Gebrauchsbedingungen des AdverbkonA NTEnektors dadurch (K K ONSEQUENS -Marker) und des Subjunktors dadurch (…), dass (A ZEDENS -Marker) -M im Kontrast zu den genuin kausalen bzw. konsekutiven weil und deshalb hat 2009 Romina Barbera in ihrer unveröffentlichten Magisterarbeit vorgelegt. Ihr Fazit: Dadurch und dadurch (…), dass haben spezifischere Gebrauchsbedingungen als die beiden rein kausalen. Insbesondere finden letztere „fast nie bei der Beschreibung von intentionalen Handlungen Verwendung“ (60). Barbera entnimmt nun ihren Belegen folgende These: Wo die Folge, das Resultat (in (56a) und (56b): dass die Polizei die Warnschilder aufstellt) „als intentionale Handlung gedeutet werden“ kann, „ist der Gebrauch der Konnektoren dadurch und dadurch dass unüblich“ (61/62). (56a) (56b)

Weil/*dadurch dass die Fahrbahn unter Wasser stand, stellte die Polizei Warnschilder auf. Die Fahrbahn stand unter Wasser. Deshalb/*dadurch stellte die Polizei Warnschilder auf.

Da hingegen, wo dies wie in (57a) und (57b) nicht der Fall ist, sind die kausalen und instrumentalen frei gegeneinander austauschbar. (57a) (57b)

Die Fahrbahn stand unter Wasser. Deshalb/dadurch geriet der Wagen außer Kontrolle. Weil/dadurch dass die Fahrbahn unter Wasser stand, geriet der Wagen außer Kontrolle.

Wir erklären diese Kontraste allerdings anders, nämlich so, dass in den Beispielen unter (56) die instrumentalen Konnektoren ausgeschlossen sind, da das A NTEZEDENS Argument keine Handlung und – in Isolation betrachtet – auch nicht erkennbar Folge einer solchen ist. In (57) dagegen handelt es sich um die kausale Verwendung dieser

1056

C4 Konditional basierte Konnektoren

Konnektoren: Aus einer Nicht-Handlung folgt sachlich (im Sinne einer Ursache-Wirkung-Beziehung) eine ebensolche. Es finden sich aber noch weitere Unterschiede zwischen kausalen und instrumentalen Konnektoren. Kausale Relationen können zwischen viel weitgehender „überschneidungsfreien“ Sachverhalten bestehen als instrumentale. Das zeigt folgendes Minimalpaar: (58a) (58b)

Meier übernimmt wieder die Rolle des Verteidigers. Deshalb/dadurch kann Huber im Mittelfeld Druck machen. Meier übernimmt wieder die Rolle des Verteidigers. Deshalb/*dadurch macht Huber im Mittelfeld Druck.

Die Instrumentalrelation steht in einer Skala von Graden der Übereinstimmung der beiden Ereignisse in den beteiligten Partizipanten und in der raumzeitlichen Situierung nahe am Extrempol maximaler Deckung. Die Kausalrelation steht deutlich weiter weg von diesem Pol: Zwar müssen sich Ursache und Wirkung i. d. R. an einer raumzeitlichen Stelle treffen, sie können aber ansonsten ganz unterschiedliche Orte in der Raumzeit einnehmen; und mehr als einen Aktanten müssen sie auch nicht gemeinsam haben (vgl. C2.4.2). Zur Beteiligung von Aktanten an den Sachverhalten vgl. die ausführlichen Erörterungen zu indem in C2.4.4. Über den engen Zusammenhang mit der kausalen Relation, die wir wie in C4.2.2.1 dargelegt auf die konditionalen zurückführen, erweisen sich die instrumentalen Konnektoren als konditional basiert. Alternativ zu diesem vermittelten Bezug auf die konditionale Relation lässt sich wie bei den finalen auch bei den instrumentalen Konnektoren eine direkte Beziehung zur Konditionalität nachweisen. Und auch hier liegt es nahe, dass generische Aussagen, Konstatierungen von allgemeinen Regeln eine größere Nähe zu wenn als zu weil aufweisen:  

(59)



Eine Gastfamilie gibt dadurch, dass sie ein Gastkind in ihre Familie aufnimmt, wertvolle Anregungen für die Entwicklung eines Kindes. (Die Südostschweiz, 06.03.2007, o. S.)  

Der instrumentalen Verwendung von indem eng verwandt ist die Variante, in der das externe Konnekt nicht einen aus der im internen benannten Handlung resultierenden Zustand o. ä. denotiert, sondern dieselbe Handlung, unter einem andern Aspekt (vor allem funktional) oder z. B. allgemeiner beschrieben (vgl. dazu etwa Rath 1971: 154). Spezifischer als bei den instrumentalen im generellen Fall (und auch als bei den finalen) sind hier als beide Argumente nur Sachverhalte vom Typ Handlungen beteiligt. Ein Beispiel wäre:  



(60)

Franz bestellte ein weiteres Bier, indem er mit dem Finger schnippte.

1057

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

Dass er ein Bier bestellte, ist nur in einem sehr allgemeinen Sinn ein Ergebnis der Handlung im internen Konnekt (ein Resultat i. e. S. wäre z. B., dass er ein weiteres Bier erhielt), sondern eine andere Beschreibung derselben Handlung von ihrer sozialen Funktion, ihrem Zweck her. Sæbø (2011) diskutiert diese Fälle allerdings durchaus mit der Terminologie der Instrumentalität. Instrumentalsätze präsentieren demnach eine Handlung als ein „Instrument“ einer in einer Hierarchie von Handlungsbeschreibungen „anderen“. Diese Verwendung der instrumentalen Konnektoren ist von ihrer i. e. S. instrumentalen nicht immer klar zu unterscheiden, bzw. auf viele Belege und Beispiele passen beide Beschreibungen, da man eine Handlung eben auch aufgrund ihres Ergebnisses charakterisieren kann. Von den folgenden Belegen und Beispielen ist demnach (61a) eher i. e. S. instrumental, (61b) eher in dem anderen erläuterten Sinn zu verstehen – je nachdem, ob man an die Handlung des Heilens oder an das Ergebnis, den Zustand des Geheiltseins denkt – und (61c) kann auf beide Weisen gleichzeitig verstanden werden. Die Reihenfolge der Konnekte hat bei den A NTEZEDENS -Markierern offenbar keinen Einfluss auf eine Präferenz für einen der beiden Lesarten.  









(61a)





Ich glaube, wir können das meiste für die dringenden Probleme in der Dritten Welt dadurch tun, indem wir dafür sorgen, daß unsere Verschwendungswirtschaft umgestellt wird auf rationale Grundlagen. (WKD/DOD.01322 Opposition, 1989, S. 137) „Kranke heilt man nicht, indem man sie umbringt.“ (Die Zeit, 06.01.1995, S. 4) Franz glättete das Metall, indem er es mit dem Hammer bearbeitete.  

(61b) (61c)



In allen Belegen mit Indem q, gleichzeitig p, die wir gefunden haben, denotiert q sowohl eine alternative Beschreibung (daher „gleichzeitig“) wie ein Resultat der Handlung (das ja zeitlich nach ihr, aber auch praktisch zugleich mit ihr auftreten kann). Auch in letzterem Fall wird gewissermaßen die Handlung unter einem anderen Aspekt (eben dem Resultat aus ihr) beschrieben. Besonders deutlich wird das z. B. in (62):  

(62)

Indem sie maßgeschneiderte Moleküle mit bestimmten Eigenschaften verwenden, erreichen die Forscher zwei Ziele gleichzeitig: Sie verknüpfen auf natürliche Weise die Strukturierung mit der gewünschten biologisch-chemischen Funktion. (Frankfurter Allgemeine, 02.11.1999, o. S.)  

Einen interessanten Spezialfall stellen instrumentale Konnektoren, etwa indem, mit Aufforderungen als externem Konnekt dar, gleich wie diese sprachlich formuliert werden – ob „direkt“ als Imperativ (63a), in der Höflichkeitsform (63b) oder z. B. auch mit Infinitiv oder als „Muss“ mit dem entsprechenden Hilfsverb (63c):  

1058

(63a)

(63b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Beschreibung Leere die Pyramide indem Du Kombinationen von 13 Punkten bildest! Anleitung: Leere die Pyramide indem Du Gruppen im Punktwert von 13 bildest! (www.spielen.com/spiel/pyramid-solitaire.html) […] hält Lopez seine Mitarbeiter an: „Erhöhen Sie die Nervosität, indem Sie den Zulieferern Termine setzen, Entscheidungen jedoch verzögern.“ (Der Spiegel, 15.03.1993, S. 120) Das Spiel Die Spieler bauen gemeinsam eine Landschaft mit Städten und Straßen. Jeder Spieler muss versuchen, möglichst viele Punkte zu erreichen, indem er Pöppel auf Straßen […] oder in einer Stadt […] platziert. Es ist auch möglich, Pöppel auf Wiesen […] oder auf ein Kloster […] zu setzen. (www.brettspielwelt.de/Hilfe/Anleitungen/Carcassonne/)  

(63c)

Erklären lässt sich diese Verwendung von indem wiederum mit dem bzw. sie stützt unser Erklärungsmodell der Handlungshierarchie: Eine Handlung lässt sich unterschiedlich feinkörnig beschreiben, in Teilhandlungen zerlegen etc. und die konkrete Handlung im internen Konnekt spezifiziert die allgemeinere Handlung, zu der aufgefordert wird, und dies Konkretisierung erleichtert dem Adressaten die Befolgung der Aufforderung. (Zu instrumentalen Konnektoren in „Arbeitsanweisungen“ vgl. ausführlich Homberger 1994 und 1996.) Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu möglichen Differenzparametern innerhalb der Klasse der instrumentalen Konnektoren. Diese ist zwar vergleichsweise gut bestückt, aber die meisten ihrer Elemente sind (vor allem in dieser Funktion) in Texten nur recht selten vorzufinden, wenn nicht gar in dieser Verwendungsweise von zweifelhaftem Lexikalisierungsstatus. Entsprechend sind sie wenig deutlich voneinander differenziert. Substitutionsproben an drei typischen Belegen – einer Aussage über einen konkreten individuellen Sachverhalt in der Vergangenheit (64a), eine eher allgemeine Regelaussage (64b) und einen aus der Aufforderungsklasse (64c) – zeigen, dass die Unterschiede, wenn überhaupt vorhanden, dann eher stilistischer Natur sind bzw. auch im Rahmen einer Theorie der Illokutionshierarchie nach dominantem und subsidiärem Sprechakt zu fassen und – wohl damit in engem Zusammenhang – mit Kategorien der Fokus-Hintergrund-Gliederung zu behandeln. Die Untersuchung ihrer unterschiedlichen Einbindung in Texte übersteigt den Gegenstandsbereich dieses Handbuchs. Die unterschiedliche Fokussierbarkeit bzw. „Thema-Rhema-Struktur“ scheint eher verschiedene Lesarten bzw. Verwendungsweisen eines Konnektors zu differenzieren als Unterschiede zwischen den Konnektoren zu kennzeichnen (vgl. Hyvärinen 1991: 323: Möglicherweise ergibt sich je nach Lesart des Konnektors bzw. danach, ob attributiver N(P)- oder Satzbezug vorliegt, eine verschiedene Thema-Rhema-Struktur).

C4.5 Finale und instrumentale Konnektoren

(64a)

1059

Kuerten verhinderte auf dem Weg ins Endspiel das US-Traumfinale, indem er Andre Agassi in zwei Sätzen ausschaltete. (Tiroler Tageszeitung, 04.04.2000, o. S.; leicht gekürzt und umgestellt)  

Substitutionsprobe dazu: Die A NTEZEDENS -markierenden Subjunktoren sind als Ersatzform akzeptabel und ändern nichts an der Bedeutung; allerdings sind dadurch (…), dass und damit (…), dass besser, wenn vorangestellt, woraus wiederum andere Bedingungen für die Einpassung in den Text folgen (thematischer Anschluss an den Vorkontext und auch Bereitstellung von Anknüpfungspunkten für den Folgetext). Die Postponierer wozu, und wofür und die Adverbkonnektoren dazu, dafür, hierzu und hierfür haben hier eine finale Interpretation: Das Verhindern des Traumfinales ist bei ihnen nicht nur eine faktische Folge seines Sieges über Agassi, sondern lag dezidiert in seiner Absicht und ist geradezu Zweck seines Sieges, was bei den Subjunktoren nicht (zwingend) der Fall ist. K ONSEQUENS -)markierenden Konnektoren muss natürlich in allen Bei den F OLGE -(K drei Fällen eine Vertauschung der Konnekte vorgenommen werden. Dann sind die Postponierer womit und wodurch akzeptable Ersatzformen ohne Bedeutungsveränderung, und nämliches gilt für die Adverbkonnektoren DAmit, DAdurch, HIERmit, HIERdurch und SOmit. (64b)

Babys […] lernen, indem sie uns […] imitieren. (Berliner Zeitung, 29.08.2001, S. 11)  

Substitutionsprobe dazu: Die A NTEZEDENS -markierenden Subjunktoren dadurch (…), dass und damit (…), dass sind akzeptable Ersatzausdrücke ohne semantische Unterschiede. Auch hier klingt damit (…), dass ein wenig unangebracht, aber wohl aus generellen Gründen. Die Postponierer wozu und wofür unterstellen in diesem Kontext anders als die Subjunktoren, dass die Babys uns absichtlich imitieren, um zu lernen, d. h. sie bewirken auch hier eine finale Interpretation. Dasselbe gilt für die Adverbkonnektoren dazu, dafür, hierzu und hierfür. Ob eine solche finale Interpretation dieser instrumentalen Konnektoren in solchen Kontexten zwingend ist, muss bei unserem derzeitigen Kenntnisstand dahingestellt bleiben; da sie sich aber nicht in allen Kontexten einstellt, bleiben wir bei der Zuordnung zu den hinsichtlich der Rolle der Intentionalität allgemeineren instrumentalen Konnektoren. OL GE -(K K ONSEQUENS -)markierenden Postponierern ist wodurch (Babys Von den F OLGE imitieren uns, wodurch sie lernen) bedeutungsneutral substituierbar und völlig akzeptabel, womit allerdings ein wenig unklar (Babys imitieren uns, womit sie lernen). Für die Adverbkonnektoren DAmit, DAdurch, HIERmit, HIERdurch und SOmit gilt dasselbe wie für wodurch, wobei SOmit eine starke Beimischung von „argumentativem Fazit“ hat, die den anderen fehlt (was dafür spricht, die Konnektoren im Rahmen einer  

1060

C4 Konditional basierte Konnektoren

Argumentationstheorie zu untersuchen, einen Ansatz, den GDS und Rudolph nicht zufällig genutzt haben), sich aber letztlich nur in größeren Textzusammenhängen untersuchen und nachweisen lässt. (64c)

Nehmen Sie Ihre Karriere in die Hände, indem Sie aktiv planen. (Hamburger Morgenpost, 22.02.2012, S. 21)  

Substitutionsprobe dazu: Von den A NTEZEDENS -markierenden Subjunktoren ist dadurch (…), dass weitgehend akzeptabel, vielleicht sogar etwas besser, wenn eingeschoben (Nehmen Sie dadurch dass Sie aktiv planen Ihre Karriere in die Hände); bei umgekehrter Reihenfolge (Dadurch dass Sie aktiv planen, nehmen Sie Ihre Karriere in die Hände) wäre p hier als Aussage, nicht als Aufforderung aufzufassen. Die Ersatzform damit (…), dass „klingt“ in diesem Kontext „schräg“, was aber vielleicht an ihrer generellen Seltenheit liegt. Die Formulierung mit den Postponierern wozu/(?)wofür ist durchweg akzeptabel, lässt sich aber verbessern durch Hinzufügung eines heischenden (den Aufforderungscharakter verdeutlichenden) Modalverbs: wozu/wofür Sie aktiv planen müssen/sollten (auch q sollte ja deutlich eine (Hilfs-)Aufforderung sein). Die Adverbkonnektoren dazu, dafür, hierzu und hierfür sind ebenfalls alle vier als Ersatzausdrücke unproblematisch und bewirken keine weitere erkennbare Bedeutungsveränderung. OLG E -(K K ONSEQUENS -)markierenden Konnektoren sind alle auch akzeptable Die F OLGE Ersatzausdrücke, aber hier macht sich nun eine unterschiedliche Gewichtung der Inhalte beider Konnekte relativ zueinander bemerkbar. Bei den Postponierern womit und wodurch liegt das Gewicht auf der anderen Aussage: Primär wäre dann die Aufforderung Planen Sie …, die andere ist nur eine erfreuliche Konsequenz daraus und eine sekundäre Aufforderung. Die Adverbkonnektoren DAmit, DAdurch, HIERmit, NTEZEDENS EZEDENS HIERdurch und SOmit haben dagegen eher die Gewichtung wie die A NT Marker. Aber bei ihnen hat die (Hilfs-)Aufforderung jenen gegenüber ein stärkeres eigenes Gewicht. Bei den A NTEZEDENS -Markern ist der klar dominante Sprechakt Nehmen Sie …, der andere dient nur zu dessen Befolgungs-Ermöglichung; hier, bei den K ONSEQUENS -Markern, ist auch der andere fast gleichwertig und -gewichtig.

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren 4.6.1

Liste der negativ-konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1063 4.6.1.1 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars  1064 4.6.1.2 Alternative Ausdrucksweisen  1070 4.6.2 Semantische Charakterisierung der Relation  1072 4.6.2.1 Grundbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren  1072 4.6.2.2 Untergliederung der negativ-konditionalen Konnektoren  1075 4.6.2.2.1 Die A NTEZEDENS -Marker („exzeptive Konnektoren“)  1076 ONSEQUEN S -Marker  1082 4.6.2.2.2 Die K ONSEQUENS 4.6.2.2.3 Grenzen der Paraphrasierbarkeit durch wenn (…) nicht NTEZEDEN S -Markern  1084 bei K ONSEQUENS - und bei A NTEZEDENS 4.6.2.2.4 Das Verhältnis von K ONSEQUENS - zu NTEZEDENS S -Markern zueinander  1093 A NTEZEDEN 4.6.2.3 Systematische Polysemie und semantische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen  1102 4.6.3 4.6.3.1 4.6.3.2 4.6.3.3 4.6.3.4 4.6.3.5 4.6.3.6

4.6.4

Semantische Besonderheiten einzelner negativ-konditionaler Konnektoren: Differenzparameter  1112 (Un-)Möglichkeit der Polysemie negativ-konditional/additiv basiert  1112 Semantische Auswirkung der Hinzufügung NTEZEDENS S -Markern  1117 eines konditionalen Konnektors bei den A NTEZEDEN Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften  1120 Einschränkungen hinsichtlich des Sprechaktcharakters des externen Konnekts  1121 Negierbarkeit des internen Konnekts  1124 Stilebene, vor allem der Postponierer-Varianten der K ONSEQUENS -Marker  1124 Negativ-konditionale Verwendungen eines nicht genuin negativ-konditionalen Konnektors: höchstens  1126

Ulrich Hermann Waßner

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren Wie die verschiedenen Arten der negationsinduzierenden additiven Konnektoren (s. C2.2) eine Unterklasse zu den additiv basierten Konnektoren darstellen, so bilden auch die negativ-konditionalen eine Unterklasse der konditional basierten. Wie die negativ-additiven/-komitativen, korrektiven und substitutiven dort zeichnet die negativ-konditionalen hier aus, dass der Konnektor selbst eine Negation in eines seiner Konnekte induziert. Eine eigene Klasse der negativ-konditionalen wird in den semantischen Gesamtklassifikationen der Konnektoren traditionell nicht als eigene Klasse ausgewiesen und die einzelnen Vertreter der Klasse werden nur in der Spezialliteratur, aber kaum in Übersichtsdarstellungen und Grammatiken eigens und detailliert behandelt. Am ehesten gibt es noch Informationen zu außer und sonst, etwa von Abraham (1979 und 1980) oder Métrich/Faucher/Courdier (1993, 2001); sowie Wunderlich (1979), Duplâtre (1998) und Denissova (2001) speziell zu sonst. In der GDS finden sich Informationen in Bezug auf diese Klasse vor allem in dem Kapitel zu den „restriktiven Konjunktoren“ außer und es sei denn (2429 ff.) und ansonsten Details an verstreuten Stellen. Außerdem lassen sich einige Überlegungen zu verwandten Ausdrücken in anderen Sprachen, vor allem im Englischen (z. B. zu otherwise, else und unless vgl. Abraham 1980: 409 Fn. 5, sowie speziell zu unless etwa Declerck/Reed 2001) aufs Deutsche übertragen.  







4.6.1 Liste der negativ-konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar 1. A NTEZEDENS NTEZED ENS -Marker („exzeptive Konnektoren“): Syntaktische Einzelgänger a) nichtkonnektintegrierbar (konjunktional) außer ausgenommen es sei denn b) konnektintegriert (adverbial) dennN E G - K O N D : MF

Subordinatoren außer dass (Subjunktor) ausgenommen dass (Subjunktor) es sei denn dass (Postponierer)

2. K ONSEQUENS -Marker: a) nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren sonst: VF, MF ander(e)nfalls: VF, MF, Null widrigenfalls: VF, MF

Postponierer ander(e)nfalls widrigenfalls

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b) nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor ansonst(en): VF, MF, NE, Null

Postponierer ansonst(en)

4.6.1.1 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars Die K ONSEQUENS -Marker sind morphologisch auffallend einheitlich. Zwei von ihnen enthalten die konditionale Komponente -falls. (andernfalls und anderenfalls sind als reine Wortbildungsvarianten anzusehen und als ein Lexem zu rechnen.) Die anderen fassen wir aufgrund dieses ihnen gemeinsamen Bestandteils als „-sonst-Gruppe“ zusammen. Zu dieser könnte als vierte die Form sonsten gerechnet werden, die als nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor (VF, MF) wie als Postponierer gewissermaßen die morphologische Systematik der sonst-Formen vervollständigen würde. Wir nehmen sie aber nicht in den Bestand mit auf, weil sie nur noch sehr selten vorkommt und offenkundig schon lange als archaisch gelten kann; schon in Paul (21908: 505) heißt es „Veraltet […] ist eine Nebenform sonsten“. Sie gehört bestenfalls noch einzelnen Mundarten an (vgl. dazu DWB (Bd. 10): Sp. 1734), ist in ihrer regionalen Verwendung sehr eingeschränkt. Zwar ist die Form durchaus auch in synchronen Korpora belegt, die größere Hälfte der sonsten-Belege stammen aber bei genauerem Hinsehen als Zitate aus früheren Sprachstufen des Deutschen, und bei den anderen ist damit zu rechnen, dass es sich um Tippfehler handelt. Erst recht kann die Form sunsten als definitiv veraltet, „ausgestorben“ gelten (vgl. Paul 102002: 926/7 s. v. sonst). DeReKo enthält (18.12.2012) nur vier Belege dafür, die alle Zitate aus älteren Sprachstufen des Deutschen darstellen. Zum diachronen Zusammenhang der morphologischen Varianten der -sonstGruppe heißt es bei Paul (102002: 80): „ansonsten seit Mitte 18. Jh. neben ansonst […]; Präfigierung von sonsten, einer fnhd. […] Weiterbildung von sonst. Im Duden wird ansonst(en) seit 1941 als schweiz., bayr., österr. ‚andernfalls‘ gebucht, seit 1961 ansonsten ‚im übrigen‘ davon getrennt, letzteres […] heute allg. ugs. und schriftspr.“. Im Duden-Herkunftswörterbuch (21989: 682) s.v. sonst findet man: „seit dem 15. Jh. […] ist auch die Weiterbildung zum heute nicht mehr gebräuchlichen sonsten bezeugt, die im 17. und 18. Jh. sehr häufig war. Ein verstärktes ‚sonst‘ ist das seit dem 18. Jh. verbreitete ansonsten (bis zum 19. Jh. auch als ‚ansonst‘).“ Vgl. dazu auch Behaghel (1924: 53). Die zeitliche Abfolge der Wortbildung verlief also wohl vom kürzesten sonst über sonsten zum präfigierten ansonsten; wo in dieser Abfolge ansonst seine Stellung findet, ist unklar. Die beiden Extrempunkte der Entwicklung (ältestes und morphologisch „minimales“ sonst, neuestes und morphologisch „maximales“ ansonsten) unterscheiden sich semantisch noch am deutlichsten.  









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Exkurs: Zur Häufigkeitsverteilung der K ONSEQUENS ONSE QUENS -Marker Die drei bzw. vier Konnektoren innerhalb der -sonst-Gruppe kommen extrem unterschiedlich häufig vor. DeReKo (W-gesamt) hat am 12.12.2012 unter 4.937.394.774 Wörtern 626.221 Belege mit sonst (das konsequenterweise zum Wortschatz des Zertifikats Deutsch gehört, vgl. Duden Online www. duden.de/rechtschreibung/sonst) und 236.257 mit ansonsten, aber nur 846 mit ansonst (Immerhin genug Belege, um diese Wortform nicht zu ignorieren – manche unstreitig geläufige Wörter sind seltener belegt) und 183 mit sonsten. Zu den beiden seltenen Formen wurden punktuell mehrere muttersprachliche Sprecher des Deutschen von verschiedener regionaler Herkunft aus den Ländern des deutschen Sprachraums befragt; keiner dieser Informanten kannte die Form ansonst oder sonsten – die auch im HDK-1 noch nicht gelistet wurden. Sie tauchen auch in Wörterbüchern nur hier und da auf (ansonst etwa im DUW, aber nicht im HDG; alle vier Konnektoren der -sonst-Gruppe finden sich – um nur zwei Literaturstellen exemplarisch zu nennen – im Duden-Herkunftswörterbuch (21989: 682) s. v. sonst (den anderen dreien wurde hier kein eigenes Lemma gewidmet) sowie in Paul (102002: 80); innerhalb des dortigen Eintrags zum Lemma ansonsten findet auch ansonst ohne weitere Anmerkung Erwähnung; unter dem Lemma sonst (926) werden „veralt. Nebenff. sonsten, sunsten“ erwähnt). Auskunftlich der Beleglage – und in Ermangelung einer muttersprachlichen Intuition ist man ausschließlich auf diese Informationsquelle angewiesen – deckt sich das syntaktische und semantische Verwendungsspektrum von ansonst mit dem von ansonsten. Wir können also ansonst als reine Variante von ansonsten ansehen. Von den beiden Variantenpaaren mit vs. ohne -en hat jeweils der eine Konnektor – einmal die kürzere Form (sonst), im anderen Fall die längere (ansonsten) – im Standarddeutschen „überlebt“, während der andere nunmehr auf regionale Residuen beschränkt ist. Die kürzere Form ansonst findet sich auskunftlich der Beleglage vor allem in Österreich, der Schweiz und Südostdeutschland. Zu ansonst als Postponierer stammen die wenigen gefundenen Belege sogar ausschließlich aus der Schweiz. Empirische Daten zur regionalen Verteilung der vier Konnektoren mit dem Bestandteil -sonst- im deutschen Sprachgebiet und ihrer syntaktischen Varianten finden sich in Konopka/Waßner (2013), zur regionalen Variante ansonst vgl. etwa Ammon et al. (2004: 46). Bei den unterschiedlichen syntaktischen Verwendungen der K ONSEQUENS -Marker gilt, dass widrigenfalls fast gleich häufig als Postponierer wie als Adverbkonnektor vorkommt, hingegen gilt für ander(e)nfalls und über alle Mitglieder der -sonst-Gruppe hinweg, dass die Verwendung als Adverbkonnektor deutlich dominiert, die als Postponierer sehr selten ist, bei sonst sogar völlig fehlt. Über die Akzeptabilität der Postponierer-Varianten dieser K ONSEQUENS -Marker für die Standardsprache kann man geteilter Meinung sein. Sie sind aber – vor allem in juristischer und Verwaltungssprache – hinreichend häufig belegt, um sie in die Bestandliste aufzunehmen. Exemplarische Belege:  



(1)

Meine Freundin hat mich schon gewarnt, das Rauchen aufzugeben und die Beine zu rasieren, andernfalls wir gar nicht nach Kalifornien eingelassen würden . (Züricher Tagesanzeiger, 16.02.1998, S. 53) Nur wenn sich Wehrmann, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam für eine Armee einsetzten, sei die Milizarmee noch zukunftsträchtig, ansonsten die Politik je länger je mehr über Kooperationen und Berufsarmee diskutieren werde . (Die Südostschweiz, 18.11.2007, o. S.) Autobesitzer, die vor Monaten ihr Vehikel ordnungsgemäß angemeldet hatten, bekamen immer wieder Aufforderungen zugesandt, ihre Kennzeichen abzuholen, ansonst sie verschrottet würden . (Neue Kronen-Zeitung, 09.09.1994, S. 10)  



(2)



(3)







Vergleichbare Schwankungen zwischen der Verwendung als Adverbkonnektor und als Subordinator sind typisch für manche konditional basierten Klassen (vgl. etwa die Konzessiven, C4.3.1.1). Man kann also davon ausgehen, dass im Sprachwandel die Tendenz besteht, dass – von einer ursprünglich relativ großen Beliebigkeit der Verwendung der Formen als Adverbkonnektor oder als Subordinator

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ausgehend, wie sie noch im Frühnhd. bestand – jeweils nur eine Form und nur eine Verwendungsweise (hier die als Adverbkonnektor) als die unmarkierte übrigbleibt, die andere nur noch mit starker stilistischer Markiertheit, nämlich hier Verbletzt als „Gehobenheits-“ bzw. Verwaltungssprachlichkeitsmerkmal, genutzt wird.

Auffällig ist auch eine gewisse syntaktische Homogenität bzw. ein geradezu systematischer formaler Aufbau der Klasse. Wie unter den negationsinduzierenden bei den additiv basierten finden sich auch unter den negationsinduzierenden bei den konditional basierten besonders viele syntaktische Einzelgänger; die Unterklasse der NTEZEDENS EZEDENS -Marker umfasst nur solche, wobei die drei nichtkonnektintegrierbaren A NT allerdings je auch eine Subordinator-Variante haben, die durch den Zusatz von dass entsteht, eine Gemeinsamkeit mit den (ihrerseits durchweg konditionalen) Verbzweitsatz-Einbettern (vgl. C4.1.3.2.1 sowie schon HDK-1: 440; speziell zu ausgenommen dass HDK-1: 354, 641, 646 f.). Außer deklarativen Verbzweit-Sätzen (vgl. zu außer Altmann 1997: 78) haben diese Einzelgänger-Konnektoren auch Subjunktor-Phrasen als internes Konnekt bzw. Kokonstituente. (Was generell die möglichen Konnektformate der negativ-konditionalen Konnektoren angeht, verweisen wir auf die entsprechenden Kapitel in HDK-1, speziell für ausgenommen, außer und es sei denn auf C3.13.1, S. 669 ff.) Zu einer möglichen Erklärung der Konzentration syntaktischer Einzelgänger unter den negationsinduzierenden Konnektoren vgl. schon C2.2.2. Die drei nichtkonnektintegrierbaren Einzelgänger unter den A NTEZEDENS -Markern sind jedoch im Detail syntaktisch durchaus von unterschiedlichem Charakter. Es sei denn ähnelt in mancher Hinsicht den Konjunktoren und wird z. B. von der GDS (2431) auch als solcher eingestuft; zu unserer davon abweichenden Entscheidung vgl. HDK-1: 592. Auch außer hat konjunktorartige Züge, hat aber auch Gemeinsamkeiten mit den anderen Konnektorenklassen (vgl. HDK-1: 605) und unterscheidet sich von den Konjunktoren doch so wesentlich (vgl. Altmann 1997: 78), dass wir es ebenfalls nicht als Konjunktor angeführt haben. Ausgenommen hat morphosyntaktische Merkmale mit (den durchweg konditionalen) Verbzweitsatz-Einbettern wie angenommen oder vorausgesetzt gemeinsam (vgl. schon HDK-1: 638–41; ausführlicher jetzt in C4.1.3.2.1), so auch, dass es der Partizip Perfekt-Form eines Verbs entspricht. Es unterscheidet sich aber syntaktisch von diesen auch in wesentlichen Aspekten (HDK-1: 642 ff., 646 f.). In mindestens einem zentralen Merkmal gleicht es auch den Konjunktoren (HDK-1: 646). Zu den gemeinsamen Eigenschaften der drei mit den koordinierenden Konjunktionen vgl. a. HDK-1: 669–671. Bei manchen A NTEZEDENS -Markern (außer (dass) (die Variante außer dass in ihrer negativ-konditionalen Lesart), es sei denn (dass), denn) ist die Abfolge der Konnekte fest: Diese Konnektoren erzwingen eine Linearstruktur externes vor internem Konnekt, also K ONSEQUENS vor A NTEZEDENS (vgl. zu außer etwa Altmann 1997: 78). Bei diesen ist die A NTEZEDENS -Markierung also obligatorisch antiikonisch kodiert. Bei anderen (ausgenommen (dass), außer dass in additiver Verwendung, aber auch außer  











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mit einem wenn-Satz als internes Konnekt) besteht keine solche Einschränkung. (Und sie können auch in ihr externes Konnekt eingeschoben werden.) (Speziell zu außer vs. ausgenommen vgl. HDK-1: 639.) Exemplarische Belege für außer wenn (negativ-konditional)/außer dass (additiv bzw. adversativ) mit vorangestelltem internem Konnekt: (4)

(5)

Außer wenn die USA Nordkorea „drangsalierten“, werde es keinen zweiten Test unternehmen, habe Kim […] betont. (dpa, 22.10.2006; (Zusammenfassung 1430) Bericht: Nordkorea macht zweiten Atomtest von US-Verhalten abhängig) Außer dass beider Nachnamen einsilbig sind und mit K beginnen und außer dass beide Schriftsteller sind, haben Hermann Kant und Georg Klein nicht viel gemeinsam. (Berliner Zeitung, 23.09.2000, Beilage Magazin, S. 1)  

Dies ist auch möglich mit den anderen genannten Konnektoren und mit Einschub: (4)’

Ausgenommen dass/wenn die USA Nordkorea „drangsalierten“, werde es keinen zweiten Test unternehmen. Ausgenommen, die USA „drangsalierten“ Nordkorea, werde es keinen zweiten Test unternehmen. Nordkorea werde – außer wenn/ausgenommen wenn/dass die USA es „drangsalierten“ – keinen zweiten Test unternehmen. Nordkorea wurde – ausgenommen die USA „drangsalierten“ es – keinen zweiten Test unternehmen.

Dagegen: (4)’’

*Es sei denn/Außer die USA „drangsalierten“ Nordkorea, werde es keinen zweiten Test unternehmen.

NTEZEDENS EZEDENS -Markern, bei denen beide ReihenfolAllerdings ist auch bei denjenigen A NT gen möglich sind, die Nachstellung des internen Konnekts (gemeinsam mit dem Konnektor nach dem externen Konnekt) die bevorzugte. So hat auch der Einzelgänger ausgenommen deutliche Postpositionstendenz, wie auch die Variante ausgenommen dass, die aber ebenfalls nicht ausschließlich so vorkommt. K ONSEQUENS markierung dagegen ist ikonisch kodiert. Bei allen K ONSEQUENS -Markern ist die Abfolge der Konnekte fest (vgl. exemplarisch für sonst Denissova 2001: 137); als Adverbkonnektoren und Postponierer erzwingen sie eine Linearstruktur NTEZEDENS EZEDENS vor K ONSEQUENS : p, sonst/ansonst(en)/widrigen-/ander(e)nfalls q, aber A NT *Sonst/ansonst(en)/widrigen-/ander(e)nfalls q, p. (Darin unterscheiden sie sich von den wenn (…) nicht-Reformulierungen, bei denen wie bei manchen A NTEZEDENS -Markern beide Reihenfolgen möglich sind: Wenn nicht p, q wie bei den negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Markern; aber auch q, wenn nicht p.)

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Somit können die obligatorisch (zusammen mit ihrem internen Konnekt) postponierten negativ-konditionalen Konnektoren erst recht nicht am Textanfang stehen und auch nicht alleine (d. h. von ihrem externen Konnekt isoliert, aber gemeinsam mit ihrem internen Konnekt) eine Überschrift bilden. Die seltenen Fälle, wo es sei denn mit seinem internen Konnekt (und also ganz ohne externes) alleine die Überschrift eines Textes bilden, sind als aufmerksamkeitsheischende und gerade wegen ihrer Unvollständigkeit und teils Unverständlichkeit leseanreizende Ausnutzungen einer eigentlich fehlerhaften Verwendung anzusehen. Drei der in den Korpora gefundenen Fälle dieser Art sind bezeichnenderweise Zitate: wörtliche Rede bzw. bekannte Sprüche.  

(6a) (6b) (6c)

Es sei denn, du segnetest mich (Frankfurter Allgemeine, 10.11.2001, o. S.) ‚Es sei denn, man reizt mich‘ (Kleine Zeitung, 18.10.2000, o. S.) „Es sei denn, auch Du wirst zum Narren!“ (Rhein-Zeitung, 30.04.1999, o. S.)  





Die K ONSEQUENS -Marker sind durchweg Adverbkonnektoren – auskunftlich der BelegZahlen nahezu beschränkt auf die beiden Stellungsmöglichkeiten VF und auch MF. Sie haben alle – mit der einen Ausnahme sonst – auch eine Postponierer-Variante. Die K ONSEQUENS -Marker gehören damit, worauf wir in A3.2.1.2.1 bereits hingewiesen haben, zu einer ganzen Reihe von Heterosemie-Fällen, bei denen Adverbkonnektor und subordinierender konjunktionaler Konnektor homograph nebeneinander existieren und der gleichen Relationsklasse angehören. Diese Zuordnung zu den beiden syntaktischen Grund-Möglichkeiten Adverb- oder konjunktionaler Konnektor ist bei ihnen semantisch und kommunikativ gesehen offenkundig weitgehend arbiträr, wie zueinander analoge Paare von Belegen wie (7) und (8) zeigen. (7)

Der Inhaber der Urkunde wird aufgefordert , spätestens bis zum 17.06.2011 seine Rechte anzumelden und die Urkunde vorzulegen. Widrigenfalls erfolgt die Kraftloserklärung der Urkunde. (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf, 193. Jahrgang, 31.03.2011, Nummer 12, S. 139; www.brd.nrw.de/wirue beruns/Amtsblatt/2011/Amtsblatt_12_2011.pdf) Die Inhaber der Sparkassenbücher werden aufgefordert , spätestens binnen 3 Monaten nach Bekanntmachung ihre Rechte unter Vorlage der Sparkassenbücher anzumelden, widrigenfalls die Kraftloserklärung der Urkunden […] erfolgen wird . (Aufgebot für ein Sparkassenbuch; Amtsblatt, www.bonn.de/ imperia/md/content/ratundverwaltunbuergerdiensteonline/amtsblatt/2003/ 24.pdf)  



(8)





Eine Anmerkung zu der Aufnahme von dennN E G - K O N D in die Liste der negativ-konditionalen Konnektoren ist noch vonnöten. Es ist der einzige Adverbkonnektor unter den NTEZEDENS EZEDENS -Markern, es hat keine Variante mit … dass oder … wenn wie die anderen A NT drei, und es ist in seiner negativ-konditionalen Semantik zudem syntaktisch-positionell auf das Vorkommen im Mittelfeld beschränkt, weswegen wir es als (konnekt-

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integrierbaren) syntaktischen Einzelgänger einstufen, der nicht mit dem (nicht konnektintegrierbaren) kausalen Einzelgänger denn zu verwechseln ist. In dieser Verwendung, vor allem mit Konjunktiv im internen Konnekt (9a), hat denn exzeptive Bedeutung. Diese seine Verwendung ist veraltet und schon „spätestens im 18. Jahrhundert zurückgegangen“ (GDS: 2431) und darf für die heutige Alltagssprache stilistisch als „preziös“ (Glück 22000: 202) gelten. Sie kommt überwiegend in festen sprichwortartigen Sentenzen (und mehr oder deutlichen Variationen davon bzw. Anspielungen darauf) vor, und ist da vor allem in zweien bekannt und verbreitet:  

(9a)

Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.

Der andere geläufige Satz stammt aus der Bibel und zeigt, dass so verwendetes denn nicht mit Konjunktiv II stehen muss: (9b)

Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber er antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. (1. Mose, 32, 27)

Bei Verwendungen von denn, die sich nicht auf einen dieser beiden beziehen, ist dann doch Konjunktiv II i. d. R. angebracht, nicht zuletzt, um dieses denn klar von seinen Homonymen zu unterscheiden, die ja z. T. auch im Mittelfeld stehen können.  





(10)

Beides zu tun, scheint mir nicht ratsam, Sie hätten denn sehr hohe Wände in Ihrer Wohnung. (www.besuche-oscar-wilde.de/werke/deutsch/essays/scho ne_heim.htm)

Generell ist aber die negativ-konditionale Verwendung von denn eine – wenn auch synchron minder produktive – eigenständige Lesart und lässt sich nicht aus einer kausalen (zum Begründungs-denn vgl. C4.2; s. a. HDK-1, insb. 633 ff.) oder temporalen Verwendung des gleichlautenden Konnektors herleiten. Denn ist als heterosem einzustufen. (Verwendungen von denn außer der als kausaler syntaktischer Einzelgänger gibt es auch als Vergleichspartikel/-Adjunktor ‚(anders) als‘ sowie als Modalpartikel in Interrogativsätzen (Was machst Du denn da? Hast du denn nichts davon gewusst?) etc.)  



Exkurs: Zu einer Lesart von denn, die von seiner exzeptiven abzuleiten ist Meinunger (2004: 63) führt noch eine weitere Verwendungsweise von denn an, in der es ebenfalls mit außer synonym – also exzeptiv – ist, aber eine andere Syntax als das bisher behandelte denn hat, wie in seinem Beispiel Er tut nichts denn faulenzen (Er tut nichts außer faulenzen): Denn ähnelt hier eher dem Vergleichs-denn (‚als‘). Meinunger analysiert es als Ellipse von es sei denn, also wohl auch als von seiner negativ-konditionalen Bedeutung abgeleitet. Tatsächlich kann man das Beispiel ungefähr als Er tut nichts, es sei denn faulenzen umschreiben, näherliegend ist aber wohl Er tut nichts (anderes) als faulenzen. Meinunger selbst weist darauf hin, dass das es sei von es sei denn keineswegs immer weggelassen werden kann, so in seinem Beispiel Er tut es, es sei denn du tötest den Hamster, in dem aber durchaus der Adverbkonnektor denn im Mittelfeld eingesetzt werden kann. Das Produkt der

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Tilgung von sei denn, Er tut es, denn du tötest den Hamster, wäre nur kausal zu lesen, Er tut es, du töte(te)st denn den Hamster (eine allerdings synchron stilistisch stark markierte Formulierung) negativ-konditional ‚außer‘ (‚i. d. R. tut er es; wenn du aber den Hamster tötest, tut er es nicht‘).  



4.6.1.2 Alternative Ausdrucksweisen Bei den negativ-konditionalen Konnektoren handelt es sich um eine offene, produktive Klasse; als Kandidaten für den Status eines Konnektors dieser Art über die oben genannten hinaus kommen z. B. gewisse Bildungen auf -falls (über widrigenund ander(e)nfalls hinaus) in Frage. Die häufigeren unter den derartigen Bildungen mit einem höheren Lexikalisierungsgrad gehören allerdings als Konnektoren nicht zu den konditional basierten (vgl. a. C4.1.1.3.6.4), sondern zu den additiven Konnektoren – gleich-, ebenfalls. Sie treten auch als einstellige modale Ausdrücke auf (bestenfalls, allenfalls, schlimmstenfalls) (vgl. auch C4.1.1.3.6.4). Weiterhin gibt es ad hoc-Bildungen, die tatsächlich in den Bereich der negativ-konditionalen Konnektoren gehören dürften: Canoo (www.canoo.net) nennt z. B. entgegengesetztenfalls, zu dem Duden online (www.duden.de) als Synonyme sonst und andernfalls angibt. Außerhalb von Wörterbüchern u. ä. sind dafür aber kaum Belege zu finden, weswegen wir es als extrem ungebräuchlich nicht in die Bestandsliste aufgenommen haben. Entgegengesetztenfalls findet sich in W-Gesamt, Stand 12.05.2011, überhaupt nicht, anders als viele andere durchaus vorkommende Bildungen auf -falls. Immerhin wird es aber von Fontane in Fünf Schlösser verwendet, und diesem Autor sollte man vielleicht nicht „Papierdeutsch“ vorwerfen, und auch in Google (etwa unter books. google.de) kann man Belege finden. Diese wenigen Fundstellen reichen aber nicht für eine andere Entscheidung aus. Sie scheinen recht idiosynkratisch zu sein. Auch in Grammatiken werden darüber hinaus Formen genannt, die wir als frei bildbare Konnektoren ohne spezifischen Eigenwert aus der weiteren Untersuchung ausschließen, etwa im anderen Falle. Ebenfalls ad hoc gebildet ist der Ausdruck mit der Einschränkung dass, auf den Jude (131971: 208) als eine „häufige Verbindung“ mit dass hinweist. In unserer Bestandsliste findet sich neben dem üblichen es sei denn auch der eine Teil davon, denn alleine, als eigenständiger Konnektor. Umgekehrt kann man in es sei denn auf das denn, da es in dieser Bedeutung heute völlig verblasst ist, auch verzichten. Das Ergebnis dieser Weglassung, es sei alleine, weist in vergleichbarem syntaktischen Kontext wie es sei denn ebenfalls negativ-konditionale Verwendung auf.  





(11)

Statt mühsam nach Kleingeld zu suchen, können die Wolfsburger ab sofort ihre Parkgebühren per Telefonanruf zahlen – es sei, es ist besetzt. (Braunschweiger Zeitung, 09.10.2007, o. S.)  

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Aufgrund ihrer Seltenheit und ausgeprägten stilistischen Markiertheit haben wir die Form es sei nicht eigens in die Bestandsliste der negativ-konditionalen Konnektoren aufgenommen. Neben den Konnektoren gibt es im Deutschen noch weitere Möglichkeiten, die negativ-konditionale Relation auszudrücken. Einen gewissen Bestand an PräpositioNT EZEDENS -Marker selbst: nen liefern mit ihren homonymen Varianten zwei der A NTEZEDENS Außer kommt auch als Präposition mit Dativ vor. Auch ausgenommen kommt auch als Prä- oder Postposition vor, die einen von dem Verb, dessen Partizipialform es ist, „geerbten“ Akkusativ regiert (Genitivrektion kommt vor, ist aber als abweichend zu werten); vgl. dazu GDS: 2227, HDK-1: 643/4 sowie 647, oder auch Jung (1967: 367). Zur NT EZEDENS -Marker Frage des Status von Homonymen gewisser negativ-konditionaler A NTEZEDENS als „Phrasenkoordinatoren“ vgl. Näheres bei Breindl (2012: 94 f.) mit weiterer Literatur; zur Frage, ob außer in all diesen Fällen eine Präposition ist, vgl. auch Clément/ Thümmel (1975: 85/86). Zu weiteren nicht-konnektoralen Verwendungen von außer und ausgenommen (als Adpositionen, Adjunktoren, Infinitiveinleiter außer um zu etc.) vgl. HDK-1 603/604 et passim sowie wiederum Breindl (2012: 94 f.) sowie speziell zu außer z. B. das Duden-Herkunftswörterbuch (21989: 55). Und so wie wir bei den konditionalen mit und bei als alternative Ausdrucksmittel haben (vgl. C4.1.1.3.5), funktionieren auch bis auf und ohne (vgl. z. B. Jung 1967: 366) zumindest in gewissen Verwendungen als Formulierung für eine negativ-konditionale Relation, nämlich mit einer Verbnominalisierung, wodurch die Gesamtkonstruktion leicht auf eine Sachverhaltsrelation zurückgeführt werden kann, indem in einer Paraphrase anstelle der nominalisierten die verbale Basisform gewählt und das ggf. Fehlende ergänzt wird. Das Subjekt des dann resultierenden internen Konnekts muss oft vage bleiben:  







(12)

[…] stehen beim Roothuus umfassende Renovationsarbeiten an, die ohne Unterstützung nicht realisiert werden können . (St. Galler Tagblatt, 25.02. 1999, o. S.) → Wenn nicht (außer/ausgenommen wenn) jemand (die Renovierer, sei es die Arbeiter oder die Auftraggeber?!) von jemandem unterstützt wird, können die Arbeiten nicht realisiert werden. / Ausgenommen jemand unterstützt …, … / …, es sei denn jemand unterstützt …  



Zu den K ONSEQUENS -Markern gibt es keine vergleichbaren homonymen Präpositionen. Parenthetische Partizipialkonstruktionen, wie bei den konditionalen Konnektoren (vgl. C4.1.1.3.2), sind bei den negativ-konditionalen nicht als Ersatzkonstruktion möglich. Zwei andere alternative Ausdrucksmöglichkeiten für die negativ-konditionale Relation können zugleich heuristisch fruchtbar gemacht werden bzw. sind aufschlussreich für die Bestimmung der Semantik der Konnektoren dieser Klasse, und zwar insofern, als sie wesentliche Bedeutungsaspekte der Relation aufscheinen lassen. Das eine ist die Asyndese, das andere die Verwendung eines desintegrierten

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Substantivs mit satzverknüpfender Funktion (vgl. auch C4.1.1.3.4 zur konditionalen und C4.2.1.3.2 zur kausalen Verknüpfung). Zu Letzterem: An Substantiven (und Nominalphrasen), die, desintegriert, ganz ähnlich wie Konnektoren im Text stehen und fungieren (vgl. Waßner 2004: 388; Ortner 1983), wäre naheliegenderweise vor allem Ausnahme: als alternativen Ausdruck für die A NTEZEDENS -Marker zu nennen. (Als entsprechendes zweistelliges Prädikat findet sich (dass p,) ist eine/die Ausnahme (dazu, dass q).) (13)

Und eine Glitz & Glamour-Stadt wie LA erlaubt ihren Stars fast alles. Ausnahme: Sie dürfen nicht langweilig sein. (Neue Kronen-Zeitung, 17.02.1999, S. 53) → …, außer/ausgenommen/es sei denn sie sind langweilig.  

Asyndetischer Ausdruck der Relation ist nur für die konditionale Bedeutungskomponente möglich. Die asyndetische Übermittlung der unterliegenden Konditionalrelation muss dabei auf geeignete Art, etwa durch Verberststellung (V1), sichergestellt werden (schon wegen der erforderlichen Nonfaktizität, die ja bei Verbzweit-Konstativsätzen nicht interpretierbar ist). (Zum Ausdruck der Konditionalrelation mit V1-Sätzen als Form der Asyndese vgl. C4.1.1.3.1.) Die Negation dagegen muss – wenn der Konnektor wegfällt – wie bei allen negationsinduzierenden explizit versprachlicht werden. (Vergleichbar kann man negativ-additive Konnektoren wie weder (…) noch durch Formulierungen mit Asyndese der Additivitäts-Relation, aber ausdrücklicher Negation, also etwa nicht (…) nicht ersetzen, vgl. zu entsprechenden Formvarianten C2.2.3.2.1.)

4.6.2 Semantische Charakterisierung der Relation 4.6.2.1 Grundbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren Einerseits signalisieren die negativ-konditionalen Konnektoren eine Konditionalrelation (i. S. v. C4.1.1.1 und C4.1.2.3) zwischen den Konnekten, sind also konditional basiert. Andererseits induzieren diese Konnektoren Negation, und zwar in das externe Konnekt des Konnektors. In einigen Arbeiten werden Konnektoren der negativ-konditionalen Klasse umstandslos den konditionalen zugeschlagen, ohne auf ihren spezifischen Unterschied zu jenen zu achten. (Vgl. Jung 1967: 383; vgl. dazu auch Eisenmann 1973: 323/324; die ältere Duden-Grammatik (51995: 363; 61998: 371) hat sonst, ansonsten und andernfalls (zusammen mit notfalls) als „konditionales Adverb“; auf weitere Autoren, die so vorgehen, weist Florin 1997: 14 hin: bei Eichler/Bünting 1976: 187 werden andernfalls und sonst als konditionale Adverbien angeführt; vgl. auch das „konditionale“ sonst bei Wunderlich 1979: 378.) Diese Zuordnung ignoriert aber das ihnen gemeinsame Wesentliche, das sie von den konditionalen unterscheidet, nämlich eben die Induktion einer Negation.  



1073

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Negationsinduktion ist hier nur in dem einen Sinne gemeint, dass sie durch die Bedeutung des Konnektors selbst zustande kommt, nicht aber im Sinne des anderen Falls, dass der Konnektor einen negativen Ausdruck in seiner Umgebung fordert, d. h. dass das externe Konnekt einen Negator enthalten muss. (Beide Fälle kommen bei den negationsinduzierenden additiven Konnektoren vor, vgl. C2.2.2.) In die Konditionalrelation gehen beide Konnektsachverhalte defaultmäßig als nonfaktische ein. Nonfaktizität aber bleibt auch bei Negation erhalten, während Faktizität unter Negation zu Kontrafaktizität wird. D. h. anders als bei den additiv basierten bedeutet Negationsinduktion hier nicht zugleich, dass Kontrafaktizität induziert wird. Mit diesen zwei wesentlichen Eigenschaften erhalten wir die allgemeine Klassenbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren beider Unterklassen: Sie „bewirken“ (fügen hinzu) die Negation des externen Konnekts des Konnektors und signalisiert eine Konditionalrelation, deren Argumente das negierte externe und das unveränderte interne Konnekt sind. Demnach sind Konstruktionen, die diese Konnektoren enthalten, prinzipiell mit wenn … nicht bzw. wenn nicht … paraphrasierbar (vgl. u. a. zu sonst Wunderlich 1979: 372 et passim und HDK-1: 547; zu ausgenommen HDK-1: 637, 641/42; zu außer und es sei denn HDK-1: 592; zu außer wenn GDS: 2340; zu ansonsten/andernfalls Boettcher/ Sitta 1972: 168/169; sodann zur analogen Lage bzgl. englisch unless etwa Kortmann 1998: 466 und zur Entsprechung zum in dieser Hinsicht sogar durchsichtigen lat. nisi ‚wenn nicht, außer‘ Abraham 1979: 245 und ebenso zu denn ‚nisi‘ DWB Band 2 Sp. 949; Bauer 1832: 394 hat wenn nicht selbst neben außer (dass), denn, ausgenommen, sonst u. a. unter den „ausnehmenden oder exceptiven Bindewörter[n]“, alle aber auch schon bei den konditionalen angeführt, vgl. 290 f. sowie 283), was in Zweifelsfällen als Test für die Möglichkeit bzw. das Vorliegen einer negativ-konditionalen Lesart bei einem bestimmten Konnektor dienen kann. Das ähnelt der Lage bei den negativ-additiven und ihrer näherungsweise Ersetzbarkeit durch eine Kombination von und mit einem expliziten Negator in den Konnekten (vgl. C2.2.2; bei den negativadditiven auch mit je einem Negator in beiden Konnekten). Gewissermaßen sichtbar wird eine Synonymie von z. B. andernfalls in negativkonditionaler Verwendung und einer Formulierung mit wenn (…) nicht in der Reformulierung in folgendem Beleg:  















(14)

Er wünscht sich, daß eine große Partei wie die CDU sich maßgeblich und führend, offen und konzeptionell an der Suche nach einer realitätsnahen, richtigen Politik beteiligt. Und andernfalls ? Wenn das nicht gelingt , sieht er schwarz. (Die Zeit, 19.09.1997, S. 4)  





Eine zusätzlich vorhandene explizite Negation im externen Konnekt hebt sich mit der vom Konnektor induzierten ganz entsprechend dem logischen Gesetz der doppelten Negation auf, vgl.

1074

(15a)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Stier: Lassen Sie Ihr Herzblatt nicht zu lange alleine, sonst drohen Gewitterwolken. (Salzburger Nachrichten, 22.02.1999, o. S.) „Das Konzept der Flutung des früheren Betreibers wird nicht mehr verfolgt, außer es tritt eine Gefahrenlage auf“, kündigte König an. (Hannoversche Allgemeine, 06.01.2009, S. 5)  

(16b)



Insofern muss es in diesen Fällen in der Paraphrase nicht wenn (…) nicht, sondern wenn (…) doch (= nicht nicht) heißen: (16a) wird so zu Wenn Sie Ihr Herzblatt doch (= nicht- nicht ) zu lange allein lassen, drohen Gewitterwolken, (16b) zu Wenn aber eine Gefahrenlage auftritt, wird es doch weiter verfolgt.  

Exkurs: Zu einer „restriktiven“ Klasse von Konnektoren In der Literatur wird anstelle einer negativ-konditionalen verschiedentlich eine „restriktive“ Klasse mit teilweise derselben Extension angesetzt (vgl. z. B. Duden-Grammatik 2005: 631: Spezifizierende Konjunktionen, Untergruppe: „restriktive“ (außer, es sei denn), vgl. a. 636; Jude 131971: 253 und 274 f.; Ortner 1983), eine Praxis, der wir hier nicht folgen. Als restriktive Konnektoren werden neben negativ-konditionalen, vor allem A NTEZEDENS -Markern (außer, es sei denn, vgl. GDS: 2429–31), bevorzugt genannt inwiefern, soweit, nur dass (etwa bei Heidolph et al. 1980: 701) sowie diesen morphologisch ähnliche (vgl. etwa Buscha 1989: 18 passim; Helbig/Buscha 171996: 452 und im Detail ff.; Duden-Grammatik 82009: 624 und 629; vgl. a. GDS: 2338–49). Die Klassenbezeichnung restriktiv bezieht sich somit auf eine in unserer Systematik nicht enthaltene Überklasse der negativ-konditionalen, die zwar z. T. auch konditional basiert sind, aber nicht alle Negation induzieren (z. B. insofern); sie deckt sich weder mit den konditionalen noch umfasst sie alle Arten von konditional basierten. Die Bedeutung der restriktiven Konnektoren wird üblicherweise schlicht mit dem Wort Einschränkung umschrieben, so z. B. in der Duden-Grammatik (82009: 629: „Restriktive Subjunktionen zur Bezeichnung der Einschränkung“), bei Helbig/Buscha (171996: 688) oder auch bei Jude (131971: 253, vgl. a. 274), etwas genauer auch als (vor allem nachträgliche) Einschränkung einer allgemeinen Aussage (vgl. a. GDS: 2326). Die Beschreibung als „einschränkend“ (so auch Buscha 1989: 77) genügt jedoch nicht, die negativ-konditionalen von den konditionalen – oder gar den kausalen – Konnektoren zu unterscheiden. Näher an der Bestimmung der negativ-konditionalen Klasse ist die der restriktiven Bedeutung als „mit Ausnahme von“ (Helbig/Buscha 171996: 457; Buscha 1989: 43). Aber das trifft nicht genau die unter dem Label „restriktiv“ gelisteten Konnektoren. Das Inventar der Klasse der restriktiven z. B. bei Buscha (1989: 18) zeigt, dass die Klasse nicht durch ein klares semantisches Kriterium definiert ist: Buscha zählt hierzu Konjunktionen, die in unserer Klassifikation zu den additiv basierten gehören (nur dass), konditionale (insofern, (in)soweit – bei Buscha auch mit dem Korrelat als) sowie negativ-konditionale Konjunktoren (außer, außer dass). Der Terminus restriktiv erscheint uns deshalb als zu vage, um als Etikett für die negativ-konditionale Klasse geeignet zu sein. Wo er in der Literatur verwendet wird, bezeichnet er eine nach keiner erkennbaren Kriteriensystematik gebildete Mischklasse. In diesem Handbuch verwenden wir den Terminus in anderen Zusammenhängen; vgl. das „restriktive aber“ in C2.3.3.3 oder die „restriktiven Fokuspartikeln“, die unter bestimmten Bedingungen ebenfalls zu adversativen Konnektoren werden (vgl. C2.3.1, C2.3.7); die Nähe der sog. restriktiven Klasse zu den adversativen Konnektoren findet sich zumindest auskunftlich der Beispielkonnektoren wie aber und allerdings auch in Grammatiken, etwa  















C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1075

bei Helbig/Buscha (171996); oder bei Schulz/Griesbach 1982 und ihnen folgend Fritsche (vgl. 1982: 77, 89–91); vgl. a. Buscha (1989: 43); Rudolph (vgl. 1982: 171/172; 1989: 189) fasst die adversativen und die restriktiven zusammen mit weiteren Klassen zum Verknüpfungstyp des Kontrasts zusammen. Auch und vor allem bei der Konzessivität kommt das Kriterium „Einschränkung“ ins Spiel. In noch anderen Verwendungen schließlich bezieht sich der Terminus restriktiv auf eine metakommunikative Verwendung negativ-konditionaler Konnektoren, so in der Duden-Grammatik (82009: 1084/5): „Wenn die Exzeptivbedingung nicht nur auf den Sachverhalt, sondern auch auf die Äußerung bezogen werden kann, haben Exzeptivkonditionalsätze restriktive Bedeutung“; es folgen zwei Beispiele mit es sei denn / außer + V2.

4.6.2.2 Untergliederung der negativ-konditionalen Konnektoren An dem Verhältnis von Konditionalrelation und Negation, das an der Umschreibung mit wenn (…) nicht sichtbar wird, zeigen sich auch gleich die zwei fundamentalen Untergruppen der negativ-konditionalen Konnektoren. Zu unterscheiden sind solche negativ-konditionale Konnektoren, in denen das interne Argument als hinreichende Bedingung für das negierte externe Argument hingestellt wird, von jenen, bei denen das negierte externe Konnekt eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit einer im internen Konnekt q explizit benannten Aussage oder für die Gültigkeit einer im internen Konnekt denotierten Aufforderung ist: Gruppe 1 – die A NTEZEDENS -markierenden negativ-konditionalen (exzeptiven) Konnektoren des Typs p, außer q: ‚(immer) wenn q, (dann) nicht p‘ (das interne Konnekt NT EZEDENS der unterliegenden Bedingungsrelation) von außer ist das A NTEZEDENS Gruppe 2 – die K ONSEQUENS -markierenden negativ-konditionalen Konnektoren des Typs p, sonst q: ‚immer wenn nicht p, q‘ (das interne Konnekt von sonst ist das K ONSEQUENS der Konditional-Relation) Die Negation wird bei diesen Formulierungen bei beiden Untergruppen im externen Konnekt der negativ-konditionalen Konnektoren induziert, taucht dann aber bei der gewählten Form der negativ-konditionalen Umschreibung (mit einer hinreichenden Bedingung [immer] wenn … dann) im einen Fall im dann-Argument, im anderen im wenn-Argument auf. D. h.: Negiert wird bei den A NTEZEDENS -Markern das K ONSEQUENS , NT EZEDENS der unterliegenden Konditional-Relatibei den K ONSEQUENS -Markern das A NTEZEDENS on. Damit stellt sich die Diskussion in der einschlägigen Literatur, ob es sich um eine Relation der notwendigen oder eine der hinreichenden Bedingung handelt, für uns vielmehr als die Frage dar, in welchem Konnekt die Negation induziert wird. (Denn die beiden so resultierenden Fälle wären ja logisch äquivalent zur notwendigen Bedingung mit der Negation im je anderen Argument, so dass diese beiden Fälle gar nicht gesondert untersucht werden müssen.)  

1076

C4 Konditional basierte Konnektoren

Exkurs: Zur logischen Grundlage der Unterteilung in genau zwei Unterklassen: Formeln mit Implikation/Replikation und Negation eines Arguments Die oben angegebene Bedeutungsformel für die A NT EZEDENS -Marker mit der hinreichenden Bedingung, (q → ¬p), ist mit der folgenden, die eine notwendige Bedingung, dann aber die Negation im A NT EZEDENS enthält, nämlich (¬p ← q), wegen der Konversität der Relationen Implikation → (hinreichende Bedingung) und Replikation ← (notwendige Bedingung) erkennbar äquivalent. Gleiches gilt für die beiden möglichen Formeln für die Grundbedeutung der K ONSEQUENS -Marker, (¬p → q), was der o. g. verbalen Umschreibung entspricht, und (q ← ¬p). Die erste Gruppe von Formeln ist allerdings zur zweiten nicht äquivalent. Die vier anderen möglichen Kombinationen sind mit diesen nicht, aber untereinander ebenfalls äquivalent. Vom logischen Standpunkt aus sind also genau zwei Fälle (in je verschiedenen Darstellungsweisen) zu unterscheiden, und dies legitimiert auch von dieser Perspektive aus die Unterteilung der negativ-konditionalen Konnektoren in die zwei Unterklassen der ANTEZEDENS - bzw. KONSEQUENS -Marker.  

4.6.2.2.1 Die A NTEZEDENS -Marker („exzeptive Konnektoren“) NTEZED ENS -Marker umfasst die „exzeptiven“ Konnektoren Die Untergruppe der A NTEZEDENS außer (dass), ausgenommen (dass) und es sei denn (dass) sowie denn als adverbialen Einzelgänger. Die Kernbedeutung dieser Untergruppe der negativ-konditionalen Konnektoren bzw. ihre rollensemantische Struktur lässt sich wie folgt grafisch darstellen.

Abb. C4.6-1: Zuordnung von rollensemantischer und syntaktischer Struktur bei negativ-konditionalen NT EZEDENS -Markern) Konnektoren (A A NTEZEDENS

(Für dennN E G - K O N D muss die Grafik syntaktisch entsprechend angepasst werden.) Der propositionale Bedeutungsanteil, der im assertiven Fall behauptet wird, ist q → ¬p, im Beispiel von Abb. C4.6-1 ‚[aber] (immer) wenn es regnet, gehen wir (morgen) nicht ins Schwimmbad‘ (Das immer soll hier die Interpretation als hinreichende Bedingung sicherstellen. Sprachlich passt es nur zu jeden Tag, nicht zu morgen im externen Konnekt von außer.) Das ist eine von zwei möglichen Spezifikationen der generellen Klassenbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren (Konditionalität plus Negation in einem der beiden Argumente).

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1077

Zu diesem Bedeutungsanteil kommt bei den A NTEZEDENS -Markern eine Hintergrundannahme hinzu, dass p der Normalfall ist, i. d. R. gilt, das heißt speziell: immer, wenn die Ausnahmebedingungen in q nicht vorliegen. Wenn das externe Konnekt p vor dem internen (q) steht, was der häufigere Fall ist, wird p oft zunächst als generische Aussage präsentiert, im Falle eines singulären Sachverhalts auch als uneingeschränkt gültige Aussage. Wo somit ein externes Konnekt p des Konnektors zunächst scheinbar generell bzw. uneingeschränkt behauptet wird oder als erwünscht erklärt wird, geht dann aber in die eigentliche negativkonditionale Relation als deren externes Argument ein p‘ ein, das gegenüber p in seiner Allgemein- bzw. schlichten Gültigkeit eingeschränkt ist, und zwar eben durch die aus der Ausnahmebedingung q folgenden Fälle (die Ausnahmen). Würde p (mit ‚gilt immer‘) in die Relation eingehen, würde das zu einem Widerspruch (‚gilt immer, gilt aber nicht unter der Ausnahmebedingung‘; ‚es ist immer so wie in p dargestellt, aber unter bestimmten Bedingungen eben doch nicht‘) führen; daher wird durch die Fortsetzung mit einem exzeptiven Konnektor der zunächst scheinbar vorhandene Anspruch auf Allgemeingültigkeit zurückgenommen, ergibt sich also die gemeinte Aussage, dass p eben doch nicht – wie formuliert – generell gilt, sondern es Ausnahmen gibt: Unter der Bedingung q gilt p also gerade nicht. Es bleibt aber immerhin so viel, dass die Aussage p im externen Konnekt den (häufigeren) Normalfall benennt (vgl. a. Abraham 1979: 244), zu der nicht-p die Ausnahme darstellt, für die q eine hinreichende Bedingung angibt. In diesem Sinne wird durch den negativ-konditionalen Konnektor der A NTEZEDENS -markierenden Unterklasse bzw. dessen internes Konnekt der Inhalt des externen Konnekts „teilweise beschränkt“ (vgl. Jude 1971: 274; hier scheint die Motivation auf, die Klasse als „restriktive“ zu bezeichnen, was aber höchstens für die A NTEZEDENS -Marker in dieser tatsächlich „einschränkenden“ Verwendung passt). Aus ‚die Aussage/Norm gilt immer‘ wird ‚sie gilt fast immer (also mit Ausnahme gewisser spezifizierter Bedingungen)‘; aus ‚gilt nie‘ entsprechend ‚fast nie‘. Die eingeschränkte Aussage i. d. R. p kann faktisch bleiben, der Konditionalzusammenhang (innerhalb dessen die beiden Argumente natürlich wieder nonfaktisch sind) bleibt von ihr unberührt. Falls – wie es in den meisten Belegen der Fall ist – im externen Konnekt ein Allquantor wie immer, alle, jeder; kein, nie, nichts; sogar überhaupt kein, gar nichts vorhanden ist (17a/b), nehmen die A NTEZEDENS -Marker diesen zurück, reduziert ihn auf ‚meist‘ etc. (wobei aber auch Ausdrücke dieser Art – wenig, nicht viel, eigentlich/so gut wie nichts – im externen Konnekt nicht selten sind), und nennt q dann Fälle, wo es anders ist als im externen Konnekt: Für fast alle x gilt p, und/aber doch auch für einige x gilt nicht-p bzw. r.  



(17a)





„[…] Die Ordnungsgebühr werden wir auf keinen Fall bezahlen, es sei denn, wenn uns die letztmögliche Instanz den Pokal aberkannt hat.“ (Rhein-Zeitung, 10.01.1997, o. S.) → es gibt also doch einen Fall (nämlich den im wennSatz genannten), in dem wir bezahlen werden  

1078

(17b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Du fühlst nichts. Absolut nichts. Außer immer tieferer Verzweiflung, immer größerer Hoffnungslosigkeit. (Hamburger Morgenpost, 13.11.2009, S. 4–5)  

Insofern liegen hier nicht Präzisierungen, sondern Korrekturen vor. Vgl. so Lötscher: In Bezug auf zunächst scheinbar vorhandene Faktizität und Allgemeinheitsanspruch nehmen die internen Konnekte dieser Konnektoren „einen Teil einer eben formulierten Aussage wieder zurück“ (1999: 311) und Ortners Beispiel (47) (1983: 112). Wäre der Satz vor dem Konnektor abgebrochen oder beendet worden, hätte die Präsupposition, die aus dem Konstativsatz resultiert (immer/für alle pi bzw. p gilt faktisch und uneingeschränkt), Bestand gehabt. D. h. der Adressat wird gewissermaßen zunächst einmal auf die falsche Spur gesetzt. Vermieden werden kann dieser Effekt, indem – ganz korrekt – von vorneherein vorsichtiger formuliert wird, etwa mit fast alle, was das Vorliegen einer Einschränkung schon ankündigt. Tatsächlich kommen viele Fälle vor, wo die Allgemeinheit der Aussage im externen Konnekts tatsächlich schon von vorneherein explizit eingeschränkt ist:  

(17c)

Normalerweise , so sagt der Volksmund, kann man etwas erzählen, wenn man eine Reise tut. Ausgenommen, man ist Politiker. (Tiroler Tageszeitung, 19.08.1997, o. S.)  



Ähnlich wie adversative Fortsetzungen und sogar mit denselben Ausdrücken wird die beabsichtigte negativ-konditionale Fortsetzung oft auch vor-angekündigt; dann ist der Satz von vorneherein als externes Konnekt erkennbar und ein Abbruch nach ihm wäre unverkennbar ein Anakoluth bzw. eine Aposiopese. (Man beachte in diesem Zusammenhang auch, wie Ausdrücke wie eigentlich [niemand], praktisch [keine], grundsätzlich (18a), prinzipiell (18b) usw. in der Alltagssprache geradezu gegensätzlich verwendet werden: semantisch sind sie Affirmativitätsmarker oder Universalquantoren ‚immer, in allen Fällen‘, eine einschränkende oder exzeptive Fortsetzung der sie enthaltenden Aussage – nach dem von den adversativen Konnektoren her bekannten ja/zwar (…) aber-Muster, vgl. C2.3, vor allem C2.3.3.4, C2.3.6 – wird dann aber qua konversationeller Implikatur dem Marker selbst zugeschrieben: der Sprecher muss einen Grund haben, das Zutreffen bzw. die Allgemeingültigkeit des im Konstativsatz Ausgesagten explizit zu betonen, und das kann gerade die Fokussierung auf eine Ausnahme sein, so dass sich eine Verwendung i. S. v. ‚meist, cet. par, aber gerade nicht immer‘ ergibt.)  

(18a)



Boxershorts kommen grundsätzlich besser an als G-Strings, außer du tanzt bei den Chippendales. (Nürnberger Zeitung, 14.04.2004, o. S. / Rhein-Zeitung, 14.04.2004, o. S.) → Boxershorts kommen i. d. R. besser an als G-Strings, aber sie kommen (nur und immer dann) nicht besser an als jene, wenn du bei den Chippendales tanzt. „ Prinzipiell kreditieren wir ein Fünf-Mio.-Objekt nicht mit 16 Mio. Mark.“ Sein Kollege […] bestätigt, dass das „ eigentlich keinen Sinn macht“. Es sei  



(18b)





C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1079

denn, auf solch einem Grundstück würde ein Hochhaus mit einem entsprechenden Investitionsvolumen entstehen. (Berliner Morgenpost, 20.08.1999, S. 18)  

Im Falle der umgekehrten Abfolge q vor p (Voranstellung des Konnektors gemeinsam mit seinem internen Konnekt vor dem externen Konnekt) wird genau dadurch, dass zunächst die Ausnahme formuliert wird, verhindert, dass p als generische Aussage erscheinen kann, die Faktizitäts- und Uneingeschränktheits-Präsupposition also bereits von vorneherein vermieden. Nichtsdestotrotz finden sich auch in diesem Fall an der sprachlichen Oberfläche oft universale bzw. apodiktische Formulierungen, in denen das externe Konnekt p einen uneingeschränkten positiven oder negativen Universalquantor enthält, wird p so formuliert, als gelte die Aussage ‚p‘ allgemein, etwa durch Zusätze wie immer, kein usw. – Außer wenn das Wetter plötzlich umschlägt habe ich nie Schmerzen. (Eine solche universale Quantifikation kann aber auch rein semantisch vorliegen, muss nicht unbedingt explizit formuliert sein.) Diese Universalquantoren beziehen sich dann auf alle anderen Fälle – eben mit Ausnahme der im externen Konnekt genannten. Wir haben also immer die Situation, dass das externe Konnekt p einen Regelfall angibt, gegenüber dem das interne Konnekt q eine Ausnahmebedingung formuliert – eine Bedingung dafür, dass die Ausnahme nicht-p stattfindet. Somit ergeben sich als möglichst explizite Paraphrasen, an dem konstruierten Beispiel von Abb. C4.6-1: In der Regel/cet. par./im Normalfall gehen wir morgen/jeden Tag ins Schwimmbad ( p ), aber (immer) wenn es regnet ( q ), gehen wir morgen/an dem betreffenden Tag nicht ins Schwimmbad ( nicht-p ). Damit können die Konnektoren dieser Unterklasse, aber eben auch nur diese, als Ausnahmesignale angesehen und mit Recht als exzeptive Konnektoren (lat. exceptio ‚Ausnahme‘) bezeichnet werden (so etwa die Duden-Grammatik 82009: 519 oder Lühr 2007 mit weiteren Literaturverweisen; vgl. a. C4.1.2.2.4); zugleich wird bei dem Wort Ausnahme auch schon deutlich, dass eine Negation im Spiel ist; sie ist ja schon in das „Mutter“-Verb – ausnehmen ‚absehen von, ignorieren‘ – inkorporiert: ‚nicht beachten/berücksichtigen‘. Auf eine andere Motivation dafür, außer und ausgenommen „exceptiv, ausnehmend [zu] nennen“, macht Bauer (1832: 395) aufmerksam, nämlich dann, „wenn diese Wörter statt als mit exceptiver Bedeutung hinter verneinenden Aussagen stehen: es war niemand […] zu sehen in der Kirche, als der Küster, oder ausgenommen der Küster, oder außer der Küster“. Dass die Ausnahmen nicht auf Einzelfälle beschränkt sind, sondern der Fall möglich ist, dass unter mehrfach vorkommenden Bedingungen immer wieder Ausnahmen einer bestimmten Art auftreten, zeigen Formulierungen mit außer immer

1080

C4 Konditional basierte Konnektoren

dann, wenn q, mit der starken kommunikativen (wenn auch nicht logischen) Implikation, dass q vorkommt, und zwar mehrfach (und eben in der Konsequenz auch mehr als eine Ausnahme). Vgl. etwa folgende Belege: (19a)

(19b)

Die Schmerzen waren absolut auszuhalten (außer immer dann wenn der Schlachter-Chirurg zum Verbandwechsel der dann offenen Wunde kam) (www.stoma-forum.de/archiv/topic_6670_4.html) ich hab halt immer recht ^^ außer immer dann, wenn ich falsch liege. (www.jumpjupiter.com/forum/viewtopic.php?f=27&t=12901&start=0)

Bei diversen weiteren Belegen dieser Art aus Internet-Foren findet sich typischerweise das Ironiesignal „^^“. Man beachte aber, dass zwar die Ausnahmebedingungen wiederholte Ereignisse sind, die aber zu einer Konsequenz (es ist nicht so, dass q) und damit doch zu EINER Ausnahme führen. Wieder mit „gesteigertem“ p: (20)

Außer immer wieder auch nur die kleinste Andeutung eines in der KR vorhandenen Widerstandes mit irgendwelchen […] Vorwänden rauszulöschen, trägst du zu diesem Artikel nichts aber auch wirklich gar nichts bei. (Diskussion: Konservative Revolution/Archiv2, Wikipedia, 2011)

Anders (21), wo drei (sachlich verschiedene) Ausnahmen koordiniert aufgezählt werden, so dass nicht sinnvoll die Rede von einer komplexen Ausnahme sein kann: (21)

Für die Entwicklung der Region hat die „Zona Franca“ nichts beigetragen – außer immer mehr Arbeitslose anzulocken , den Wald zu vernichten und dem Staat Millionen zu kosten . (Salzburger Nachrichten, 13.06.1991, o. S.)  





Generell ist es keineswegs so, dass außer nicht mit anderen Einschränkungsformulierungen kombiniert (und letztlich auch koordiniert) werden könnte, wie z. B. Abraham (vgl. 1980: 413) unterstellt. Mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln können auch zwei oder mehr Einschränkungen (ggf. unter verschiedenen Aspekten o. ä.) zu einer Aussage formuliert werden, z. B. mit außer einerseits und dem präpositionalen Alternativausdruck bis auf andererseits (bei dem das interne Konnekt durch Rückgängigmachung einer Nominalisierung zu rekonstruieren wäre). Beispiel für solche Doppeloder gar Mehrfachausnahmen:  





(22)

Bis auf ein noch auszubauendes Teilstück […] und zwei besondere Hinweisschilder […] wären außer der Beschilderung des Radweges keine weiteren Investitionen vonnöten. (Rhein-Zeitung, 05.05.2008, o. S.) → Es wären keine weiteren Investitionen vonnöten, wenn nicht ein Teilstück noch auszubauen und der Radweg zu beschildern wäre  

1081

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Bisher sind wir nur auf Fälle eingegangen, in denen die Konnekte deklarativen Satzmodus aufweisen bzw. den assertiven Sprechakten angehören. Die A NTEZEDENS -Marker können sich aber auch auf andere Satzarten und Sprechakttypen beziehen. Das externe Konnekt von außer z. B. kann die Konstatierung einer Norm, aber auch eine vollzogene oder berichtete positive oder negative Aufforderung sein, was beides nicht immer klar voneinander zu unterscheiden ist:  

(23)

3. Gebot Du sollst nicht töten, außer du und die deinen werden angegriffen oder es geht dir sonst wie an den Kragen. (Nürnberger Zeitung, 25.09.2003, o. S.)  

In der Umschreibung ihrer allgemeinen Bedeutung wäre demnach genauer, aber immer noch verkürzt, etwas einzufügen wie ‚… das gilt / tue dies jedoch nicht, wenn …‘. Negiert wird hier also die Gültigkeit der Norm bzw. der Aufforderung. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme verkehrt sich auf der Sprechaktebene, besonders deutlich sichtbar, wenn Wünsche und Aufforderungen ins Spiel kommen. Demonstriert am Beispiel von denn:  

(24a)



Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.

Das entspricht auf der propositionalen Ebene unserer bisherigen Darlegung, ist interpretierbar als ‚i. d. R. hängen sie keinen, nur selten „haben“ sie einen, dann aber hängen sie ihn („nicht keinen“)‘. Anders jedoch (24b):  

(24b)



Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Darin ist als dominanter Sprechakt zu interpretieren, dass der Adressat den Sprecher segnen soll, und das nicht lassen ist nur eine subsidiäre Drohung im (unerwünschten) Nichtbefolgensfall. Hier – und in dieser Hinsicht – ist also die Zuordnung der Rollen A USNAHME und R EGEL gerade umgekehrt. In der einschlägigen Literatur (vgl. z. B. Abraham 1979: 249/250; Declerck/Reed 2001: 217 ff.) wird darüber hinaus auch prominent darauf hingewiesen, dass der Sprechakttyp des externen Konnekts eine entscheidende Rolle bei der „Vervollständigung“ der unterliegenden Konditionalrelation zu einer nicht nur hinreichenden, sondern auch notwendigen Bedingung spielt. Dabei scheint sich vor allem der Kontrast zwischen Versprechen und Drohung auszuwirken, ob also der Inhalt von p für den Adressaten wünschenswert ist oder nicht. Wir verweisen für die einschlägige Diskussion auf die genannte Literatur: Da die „biimplikative Perfektion“ auch hier als pragmatische Implikatur und nicht als semantischer Bedeutungsbestandteil anzusehen ist, was sich u. a. daran zeigt, dass diese Interpretation nachträglich wieder aufgehoben werden kann, spielt sie für die Semantik der negativ-konditionalen Konnektoren keine weitere Rolle. Es bleibt dabei, dass immer hinreichendes wenn beteiligt ist.  





1082

C4 Konditional basierte Konnektoren

Eine Tendenz zur Äquivalenz liegt übrigens auch in Fällen vor, wo der Sprecher weitere mögliche – ihm bewusste und für den Fall relevante – hinreichende Bedingungen explizit in ihrer Wirksamkeit negiert (und damit die im internen Konnekt von außer genannte Bedingung gewissermaßen näher zu den notwendigen rückt): (25)

„Aktuell gibt es fürs Telefonieren nur ein Organmandat. Eine Anzeige kommt erst, wenn es ein Fahrer abstreitet und sich weigert, die Strafe zu zahlen.“ Das Paradoxe: „Sogar wenn ein Fahrer beim Telefonieren das Fahrzeug verreißt und fast einen Unfall verursacht, kann er deshalb nicht angezeigt werden – außer er verweigert die Strafe“, erklärt Nestelberger. (Niederösterreichische Nachrichten, 07.07.2010, o. S.)  

4.6.2.2.2 Die K OONSEQ NSEQUENS UENS -Marker Zu den K ONSEQUENS -Markern gehören die Konnektoren sonst, ansonst(en), ander(e)n- und widrigenfalls des Typs (immer) wenn nicht p, q. Auch zu ihrer Rollenverteilung eine grafische Übersicht:

Abb. C4.6-2: Zuordnung von rollensemantischer und syntaktischer Struktur bei negativ-konditionalen Konnektoren (K K ONSEQUENS -Markern)

Die gemeinsame (Klassen-)Bedeutung der K ONSEQUENS -Marker stellt sich wie folgt dar: Ihr propositionaler Bedeutungsanteil, der im assertiven Fall behauptet wird, ist – zusammenfassend als Formel dargestellt – ¬p → q (‚(Immer) wenn sich die Parteien bis 26.06. nicht einigen, entscheidet das Gericht‘). Hier ist also das externe Konnekt p NTEZEDENS EZEDENS der Konditionalrelation. Die induzierte Negation bezieht des Konnektors A NT sich wieder auf das externe Konnekt, damit hier aber eben auf dieses A NTEZEDENS . Diese Analyse passt zur Etymologie von sonst; nach Duden-Herkunftswörterbuch (21989: 682) hat sich dessen heutige Bedeutung „schon im späteren Mhd. entwickelt aus der Fügung sō ne ist ‚wenn es nicht so ist‘ […], die zu sunst, mitteld. sonst zusammengezogen worden ist“. Die Konnektoren dieser zweiten Gruppe liefern aber anders als die der ersten nicht obligatorisch eine Unterstellung mit, dass der vom externen Konnekt denotierte

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1083

Sachverhalt p „in der Regel“ gilt, wohingegen q der seltenere, womöglich einmalige Ausnahmefall ist. Natürlich gibt es Fälle, wo (wie bei der anderen Untergruppe generell) im externen Konnekt etwas dargestellt wird, was in der Regel der Fall ist, und das interne eine konkretere (Gruppe von) „Ausnahme(n)“ benennt: (26)

Im Schnitt holen die Kunden ihre Fahrzeuge nach drei Monaten wieder ab. Anderenfalls dürfen sie nach vier Monaten vom Bezirksamt versteigert werden. (Berliner Zeitung, 24.12.1999, S. 23) → wenn die Kunden das aber im Einzelfall nicht tun, dürfen die Fahrzeuge (ausnahmsweise) …  

Aber das ist eben kein durchgängiges Merkmal aller Verwendungen der K ONSEQUENS Marker. Und auch hier wird im externen Konnekt keine konkrete, faktische Aussage gemacht. Einen zu dem der anderen Gruppe analogen präsuppositionalen Bedeutungsanteil gibt es also nicht allgemein. ¬p → q ist logisch äquivalent zu p Ú q (und auch sprachlich lassen sich vielfach Formulierungen der Form p oder q bedeutungsgleich durch solche der Struktur wenn nicht p, dann q ersetzen, vgl. C3.2.2 a)), daher kann q in Abwesenheit einer Unterstellung, dass p der Normal- oder Regelfall ist, auch einfach irgendeine beliebige NT EZEDENS -Markern – auch Alternative sein. Dann ist – anders als generell bei den A NTEZEDENS keine Umschreibung mit Ausnahme: oder ausnahmsweise möglich. (27)

Die Daseinsvorsorge kann nicht mehr alleine aus Arbeitsplätzen finanziert werden. Sonst führen die demografischen Veränderungen dazu, dass die Arbeitskosten immer höher werden und dass die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft dramatisch abnimmt. (Berliner Zeitung, 27.06.2003, S. 5) → wenn sie doch so finanziert wird, … – was davon – p oder q – häufiger oder wahrscheinlicher ist, bleibt offen.  

Auch bei dieser Unterklasse kommen neben rein hinreichenden Bedingungen auch Erweiterungen zu hinreichenden und notwendigen vor. (28)

Die Koalition mit den Bündnisgrünen in Düsseldorf sieht Hombach „pragmatisch“. Wenn es ihr gelinge, die „Kernaufgaben“ […] zu lösen, sei es gut. „Anderenfalls geht die Koalition kaputt“, stellt Hombach nüchtern fest. (Frankfurter Rundschau, 01.09.1998, S. 3) → (Dann und nur dann) wenn es ihr nicht gelingt, geht die Koalition kaputt  

Für den Fall, dass die Relation als nicht nur hinreichende, sondern auch notwendige Bedingung interpretiert werden kann, ist der Fall kriteriell, dass es nicht sein kann, dass nicht p (also in (28) der, dass die Koalition die Aufgabe doch löst), und dennoch q gilt (sie also kaputt geht). Dieser Fall ist aber schon durch die vorgeschaltete Konditionalbeziehung Wenn es ihr gelinge … sei es gut – ihrerseits als hinreichende

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Bedingung interpretiert – ausgeschlossen, so dass zumindest in diesem Fall tatsächlich eine auch notwendige Bedingung und somit insgesamt Äquivalenz (mit Negation des einen Relats) vorliegt (die Koalition geht kaputt gdw. sie die Aufgabe nicht löst). Die Tatsache aber, dass der Sprecher es für notwendig findet, beide Implikationsrichtungen, aus denen sich die Äquivalenz „zusammensetzt“, explizit zu machen, ist ein Indiz dafür, dass ander(e)nfalls nicht schon alleine dafür sorgt, dass eine Äquivalenzrelation zu interpretieren ist. In Abwesenheit von zwingenden Argumenten dafür gehen wir von der bescheideneren Annahme aus, dass dem nicht so ist, also in die Bedeutung auch dieser negativ-konditionalen Konnektoren nur die hinreichende Bedingung eingeht, die bikonditionale „Vervollständigung“ ein pragmatischer Effekt der Sprachverwendung ist. Was die beteiligten Satzmodi und Sprechakttypen der Konnekte bzw. den Ebenenbezug angeht, kann allgemein festgehalten werden: Die K ONSEQUENS -Marker kommen auch, wenn nicht sogar bevorzugt, bei Normaussagen (‚etwas muss, soll so-undso sein‘) und direktiven Sprechakten (‚tue dies und das (nicht)!‘) vor, die Unterklasse als Ganzes ist aber nicht auf diese eingeschränkt.

4.6.2.2.3 Grenzen der Paraphrasierbarkeit durch wenn (…) nicht ONS EQUENS - und bei A NTEZEDENS -Markern bei K ONSEQUENS Bei der Unterstellung, die Formulierungen mit wenn (…) nicht seien Paraphrasen der entsprechenden Konstruktionen mit negativ-konditionalen Konnektoren, ist zu beachten, dass die Formulierung mit wenn (…) nicht zwar sprachlich die diesen Konnektoren unterliegende semantische Relation „sichtbar“ macht, dass aber in vielen NT EZEDENS - und K ONSEQUENS -Argument Fällen in diese Relation anderes Material als A NTEZEDENS eingeht, als den „oberflächlichen“ Konnekten semantisch direkt entspricht. Grenzen der bedeutungsbewahrenden Ersetzbarkeit von negativ-konditionalen Konnektoren durch wenn (…) nicht werden in der einschlägigen Literatur intensiv diskutiert (vgl. z. B. Abraham 1980; zu außer Abraham 1979; analog zu engl. unless : if not vgl. Fretheim 1977; Kortmann 1998: 466; im Anschluss an Geis 1973 Rosenkvist 2008, dessen Überlegungen sich allerdings nicht ohne weiteres auf deutsches außer (wenn) übertragen lassen); das scheint sich den Autoren, die sich mit diesen Konnektoren beschäftigen, geradezu als ein Hauptproblem darzustellen. So wird darauf hingewiesen, dass die prinzipielle Nonfaktizität der Argumente der negativ-konditionalen Relation bei der Verwendung der entsprechenden Konnektoren durch zusätzliche sprachliche Faktoren „überschrieben“ werden kann. Doch dass auch faktisch (und/oder kontrafaktisch) zu interpretierende Konnekte vorkommen können, ist kein stichhaltiger Einwand gegen eine Paraphrasierbarkeit mit wenn (…) nicht, denn … 1. … das ist auch bei dem konditionalen Konnektor wenn möglich (vgl. C4.1.3.1.4), weswegen sich dieser ja gerade besser für den Zweck eignet, negativ-konditionale Konnektoren zu ersetzen bzw. deren Bedeutung wiederzugeben, als andere, womög 

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1085

lich eindeutiger konditionale Konnektoren, die aber nicht auch faktisch vorkommen, etwa falls und sofern (vgl. C4.1.3.1.2). Zur generellen Möglichkeit der Überschreibbarkeit von Default-Faktivitätswerten vgl. A4.2. 2. … die entsprechende Feststellung bezieht sich oft auf die additiv basierte Lesart der betreffenden Konnektoren, um die es hier ja aber gar nicht geht. Natürlich ist darauf zu achten, dass der Faktivitätswert bei der Umformung in eine wenn (…) nicht-Formulierung erhalten bleibt, was z. B. durch passenden Einsatz (Hinzufügung oder Wegfall) von Modalia bzw. geeignete Änderung des Verbmodus im Konnekt geschehen kann. Ein weiteres der Unterscheidungsmerkmale zwischen den Formulierungen mit einem negativ-konditionalen Konnektor und denen mit wenn (…) nicht, die in der Literatur diskutiert werden, ist das, dass wenn als normalsprachlicher Konnektor grundsätzlich die notwendige wie die hinreichende Bedingung signalisieren kann (C4.1.2.3.1; vgl. a. Abraham 1979: 249/250), während es in die Bedeutungsbeschreibung der negativ-konditionalen Konnektoren immer nur im Sinne der hinreichenden Bedingung eingeht (zur Begründung dieser Entscheidung vgl. die Einleitung zu C4). Auch das aber ist kein stichhaltiger Einwand, da notwendige und hinreichende Bedingung Konverse zueinander sind und sich eine Formulierung im einen Sinn stets durch eine passende im anderen wiedergeben lässt, etwa nach dem Schema ‚nur wenn p, q ist äquivalent zu immer wenn q, p‘; somit finden sich für alle negativ-konditionalen Verwendungen der entsprechenden Konnektoren passende Umschreibungen mit wenn im Sinne der hinreichenden Bedingung und auch in der umgekehrten Ersetzungsrichtung ergeben sich keine Probleme bei geeigneter Umformung der Ausgangsformulierung mit wenn. Als weiterer Unterschied zwischen Formulierungen mit wenn (…) nicht und solchen mit einem negativ-konditionalen Konnektor, z. B. außer, wird oft postuliert, dass zwar zwei oder mehrere wenn nicht-Sätze, nicht aber ein außer- und ein wenn nicht-Satz miteinander koordiniert werden können (vgl. z. B. Abraham 1979, 1980: 413; er präzisiert, das sei keine syntaktische, sondern eine logische Beschränkung) und das Analoge für sonst gilt (vgl. z. B. Abraham 1980: 414), was zeigen würde, dass der Teilsatz mit dem negativ-konditionalen Konnektor und der mit wenn (…) nicht auf die eine oder andere Art nicht zur selben Kategorie gehören würde. Diese These der Nichtkoordinierbarkeit ist jedoch intuitiv nicht nachvollziehbar. Tatsächlich ist zwar in den Korpora des IDS Stand Anfang Dezember 2013 kein Beleg der Struktur p, außer q1 und/oder wenn nicht q2 und umgekehrt (p, wenn nicht q1 und/oder außer q2) zu finden und auch im Internet ergaben entsprechende Suchen kein Ergebnis, es lassen sich aber grammatisch akzeptable Beispiele konstruieren: Morgen gehen wir schwimmen, wenn es nicht regnet und außer ich muss arbeiten. Dass in Fällen wie dem folgenden eine Koordination mehrerer Ausnahme(bedingunge)n nur als Zusammenfassung zu einer einzigen, aber in sich komplexen Ausnahme(bedingung) zu verstehen ist, entspricht zwar der Oberflächenstruktur solcher Formulierungen insofern, als alle Bedingungen (die wenn-Sätze) unter einem einzigen  







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C4 Konditional basierte Konnektoren

negativ-konditionalen Konnektor zusammengefasst und innerhalb dessen internem Konnekt koordiniert werden (p, außer {wenn q oder wenn r}; vgl. a. ohne explizites wenn Wir gehen morgen ins Schwimmbad, außer es regnet und/oder ich muss noch arbeiten), ist aber aufgrund der Verschiedenheit der Ausnahme(bedingunge)n – die sich kaum unter einen gemeinsamen Oberbegriff fassen lassen – inhaltlich eine wenig überzeugende Analyse. (29)

Die beste Rede hat ein Grüner gehalten, der […] sprach […] mehrmals von „Jochen Fischer“, was aber egal ist, denn diesen Namen sollte man sich sowieso nicht merken, außer wenn davor Susanne steht oder wenn man die Gelegenheit hat, die Träger desselben zu verhauen. (die tageszeitung, 08.04.1999, S. 20)  

Die weitergehende Unterstellung, auch zwei oder mehr außer-Sätze könnten nicht koordiniert werden (entsprechend für englisch unless vgl. Declerck/Reed 2001: 211 passim), was bedeuten würde, dass außer nur einen Ausnahmefall nennen kann (der komplex sein kann), es also nicht iterierbar ist, während mit wenn (…) nicht mehrere separate Ausnahmebedingungen genannt werden können, ist theoretisch und empirisch ebenso unhaltbar. (Das Beispiel von Abraham 1980: 413 hat auch bei ihm schon nur zwei Fragezeichen, keinen Asterisk, und ist nach unserem Eindruck völlig akzeptabel.) Vielmehr können sich auch mehrere koordinierte außer-Konnekte auf dasselbe externe Konnekt beziehen (Wir gehen morgen ins Schwimmbad, außer es regnet und/oder außer ich muss noch arbeiten / und wenn ich nicht noch arbeiten muss). In der sprachlichen Realität kommt dies auch häufig vor, aber überwiegend mit Konnekten unterhalb der Satzebene, die wiederum nicht selten als Satznominalisierungen analysiert werden können und Sachverhalte, nicht Gegenstände bezeichnen. (30a)

(30b)

Die Haftung gegenüber dem Kunden/Vertragspartner von TERALIS wird – außer bei Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und außer in Fällen des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit und außer wenn TERALIS eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat – ausgeschlossen […]. (www.teralis.de/133, 06.12.2013) Ich bin sehr gespannt, welchen Beitrag Sie dazu liefern werden, außer der Wiederholung Ihrer Vorurteile , außer dem Verneinen von Zahlen und außer der Verkennung der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. (Protokoll der Sitzung des Parlaments Deutscher Bundestag am 30.09.2010, o. S.) […] wir schauen mal, was Sie machen, außer reden oder außer punktuelle Fragen zu klären . (Protokoll der Sitzung des Parlaments Thüringer Landtag am 14.10.2011, o. S.)  



(30c)





C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

(30d)

1087

Bis 10. Dezember außer donnerstags und außer 1. Dezember um 20.30 Uhr mit Führung durch das Bode-Museum um 19 Uhr. (Berliner Zeitung, 24.11. 2006, S. 24)  





Das interne Konnekt von außer impliziert also keinen „Alleinanspruch“ (Abraham 1980: 414). Für Ausnahme(bedingunge)n gibt es keine Einzigkeitsforderung oder -unterstellung; es kann weitere geben, eine zweite Bedingung zur „Alternativerfüllung“ führt keinesfalls zum Widerspruch. Eine eventuelle Nichtakzeptabilität hätte pragmatische Gründe, die Koordination der außer- (und auch sonst-)Sätze ist aber nicht semantisch-grammatisch abweichend (vgl. Declerck/Reed 2001: 212, die im Englischen analog auch Belege für die Koordination von unless-clauses mit (‚both‘ …) and gefunden haben, was zeigt, dass eine solche Konstruktion nicht logisch abweichend sein kann, wie Abraham unterstellt.) Ähnliches gilt für die anderen NTEZEDENS EZEDENS -Marker; für es sei denn z. B. sind Formulierungen der Form p, es sei denn A NT q1 und/oder [es sei denn] q2 – also Formulierungen einer komplexen Ausnahmebedingung – zwar in den Belegen selten zu finden, aber durchaus nicht ungrammatisch.  

(31a)

Es gibt kein Argument, mit dem man ausgerechnet im Falle psychischer Erkrankungen den Patienten zum Leeren des eigenen Geldbeutels nötigen müßte, es sei denn, die ungleichgewichtige und ungerechte Trennung zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen würde beibehalten und psychische Leiden blieben weiterhin Krankheiten zweiter Klasse, oder es sei denn, bei Psychotherapien werde der politisch gewünschte geeignete Einstieg in eine Zuzahlung der Patienten gesehen, die letztlich auch auf andere Therapien ausgeweitet werden könne. (Nürnberger Nachrichten, 01.08. 1997, S. 25) Mittlerweile bin ich auch in der Lage, mit dem Klima in Berlin fertig zu werden. Ich weiß, dass es bei dem sehr starken Wettbewerbsdruck in dieser Stadt kaum möglich ist, im politischen Betrieb neue Freunde zu finden – es sei denn, man hat sie schon aus dem privaten Bereich, und es sei denn, man ist in Schleswig-Holstein stark verwurzelt. Beides ist bei mir zum Glück der Fall. (Hamburger Morgenpost, 21.03.2013, S. 18, 19) Es gibt keinen besonderen Anlass, Georg Kreisler zu interviewen, außer dass er seinen 89. Geburtstag gefeiert hat und außer dass er der eigenwilligste und abgedrehteste Liedermacher ist, den wir kennen, und außer dass wir froh sind, dass er noch lebt. (Die Zeit (Online-Ausgabe), 04.08.2011, o. S.)  

(31b)



(32)





1088

C4 Konditional basierte Konnektoren

Dasselbe ist auch bei sonst möglich und findet sich auch belegt: (33)

Allerdings ist es purer Schwachsinn, dass Windenergie und Tourismus einander ausschließen, sonst [= wenn sie sich doch einander ausschlössen] hätten wir bei der Landesausstellung nicht 500.000 Besucher gehabt und sonst [ebenfalls = wenn sie sich doch einander ausschlössen] hätte auch das nördliche Burgenland nicht so viele Besucher. (Niederösterreichische Nachrichten, 23.05.2013, o. S.)  

Das Problem scheint sich also eher für die generelle Ersetzbarkeit von wenn nichtKonstruktionen durch solche mit einem negativ-konditionalen Konnektor zu stellen als umgekehrt: Nicht alle wenn (…) nicht-Formulierungen können gleichbedeutend mit (allen) negativ-konditionalen Konnektoren wiedergegeben werden, da diese Konnektoren jener Konstruktion gegenüber z. T. speziellere – auch syntaktische – Verwendungsbedingungen aufweisen (vgl. u. a. Abraham 1979: 251 und 1980: 412), aber – und das ist entscheidend für die Semantik dieser Konnektorenklasse – Konstruktionen mit negativ-konditionalen Konnektoren können auf geeignete Weise bedeutungsbewahrend in solche mit wenn (…) nicht umformuliert werden. Nun ist genau zu beachten, was bei der Umschreibung mit wenn (…) nicht als Argument in die negativ-konditionale Relation eingeht, und das ist z. T. bei den beiden Unterklassen – A NTEZEDENS - wie K ONSEQUENS -Markern – verschieden, da ja auch die konkrete Umschreibung mit wenn (…) nicht-Formulierungen schon in der Grundstruktur unterschiedlich ist (bei assertivem p: außer: wenn q, nicht p vs. sonst: wenn nicht p, q). Bei den K ONSEQUENS -Markern scheint das K ONSEQUENS -Argument, bei den NTEZEDENS EZEDENS -Markern das A NTEZEDENS -Argument der Relation immer genau dem interA NT nen Konnekt des Konnektors bzw. dem davon denotierten Sachverhalt zu entsprechen. In vielen Fällen kann jedoch das externe Konnekt des negativ-konditionalen Konnektors nicht einfach in die zugrundliegende negativ-konditionale Relation „kopiert“ werden, vielmehr muss bei der exakten Formulierung dieser Relation in bestimmten Fällen sprachliches Oberflächenmaterial weggelassen, hinzugefügt oder auch Inhalte hinzu-gefolgert werden. Die Konditionalrelation ist in diesen Fällen nicht das exakte semantische Äquivalent des sprachlichen Materials, das als externes Konnekt des entsprechenden Konnektors fungiert. Insbesondere folgende Fälle sind zu berücksichtigen (vgl. ausführlich Wunderlich 1979; speziell Näheres zu dem Argument, das in die Konditional-Relation eingeht, gegenüber dem expliziten „Konnekt“ von sonst vgl. HDK-1 547/48): Ein evtl. vorhandener absoluter Allgemeinheitsanspruch im externen Konnekt ist bei den A NTEZEDENS -Markern rückwirkend einzuengen, sei es in Bezug auf den positiven oder negativen Allquantor einer Aussage oder in Hinsicht auf die Uneingeschränktheit einer Norm oder Regel. Aus immer im externen Konnekt muss also – allerdings nicht etwa beim Argument der negativ-konditionalen Relation, sondern beim präsupponierten Zusatz  





1089

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

der un-bedingten Behauptung – fast immer oder meist o. ä. werden, da sich sonst ein logischer Widerspruch ergibt: Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass das externe Konnekt nicht universal bzw. uneingeschränkt gilt. In die Relation selbst geht das Argument ganz ohne Quantor und rein hypothetisch-nonfaktisch ein.  

Die Wiener Börse interessiert sich zur Zeit überhaupt nicht für das Geschehen im Ausland, außer es betrifft Österreich unmittelbar. (Tiroler Tageszeitung, 08.02.2000, o. S.) → Die Wiener Börse interessiert sich zur Zeit meist/überwiegend nicht für das Geschehen im Ausland, aber wenn es Österreich unmittelbar betrifft, interessiert sie sich doch dafür.

(34)



Umgekehrt muss bei der Umschreibung der exzeptiven Konnektoren mit wenn (…) nicht-Formulierungen die bei letzteren fehlende, bei den A NTEZEDENS -Markern aber vorhandene Unterstellung ‚i. d. R. p‘ eigens explizit gemacht werden, so dass p, außer q zu i. d. R. p, aber wenn q, nicht p wird. Ein (einschränkendes) modales, auch wertendes Element im externen Konnekt eines K ONSEQUENS -Markers gehört vielfach nicht zum diesem Konnekt entsprechenden Bedingungs- (A A NTEZEDENS -)Argument der unterliegenden Konditionalrelation. Entsprechend ist dann bei der Paraphrase mit wenn (…) nicht ein evtl. in der Originalformulierung vorhandenes Modal(ad)verb etc. wegzulassen, sei es epistemisch (35d) oder deontisch (35b) verwendet. Zugleich kann der negativ-konditionale Zusammenhang in manchen Fällen ((35b) und (35c)) aber gerade als Argument für die ausgesagte Modalität dienen (dazu vgl. näher Wunderlich 1979: 374 f. 377).  









(35a)

Ich bin müde und geh zur Ruhe. Vielleicht findet sich morgen Zeit zur Verbesserung, sonst übermorgen. (Diskussion: Francine Shapiro, Wikipedia, 2011) → Wenn sich morgen nicht (bzw. keine) Zeit dafür findet , verbessere ich übermorgen. Vielleicht sollte sich die Stadtpolitik auch mit dem Bürgern von Heute und nicht zuletzt den von Morgen beschäftigen, sonst wird es hier bald außer Geld und Autos nicht mehr viel geben! (Frankfurter Rundschau, 27.09.1999, S. 19) → Wenn sie sich nicht damit beschäftigt , wird es bald … Und daher sollte sie sich damit beschäftigen. Es muss jetzt der Aufstieg aus den Köpfen, sonst haben wir ein Problem. (Braunschweiger Zeitung, 14.08.2010, o. S.) Sein Reichtum […] muss sogar den „Sonnenkönig“ beeindruckt haben, ansonsten er ihm nicht diesen „kollegialen“ Titel verliehen hätte. (Die Südostschweiz, 27.11.2007, o. S.)  

(35b)



(35c)





(35d)



Im internen Konnekt des Konnektors bleibt ein Modalverb dagegen bei der Paraphrase erhalten:

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(36)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Anwälte forderten den Senat auf, die Urteile zu akzeptieren und mit den 380 Beschäftigten Verhandlungen über ihre Weiterbeschäftigung zu führen. Anderenfalls müsse Radunski nach einem späteren […] letztinstanzlichen Urteil 30 Millionen Mark pro Spielzeit an Löhnen und Gehältern nachzahlen. (Berliner Zeitung, 05.05.1998, S. 10) → Wenn der Senat der Aufforderung nicht nachkommt, muss Radunski …  



In Fällen wie (37) umfasst das A NTEZEDENS -Argument der Konditionalrelation nur den dass-Satz, nicht das wertende Hyperprädikat; und natürlich auch nicht Ausdrücke der Sprechereinstellung (wie hier wenigstens, in anderen Fällen epistemische Verwendungen von Modalverben des Vermutens oder Schlussfolgerns: es muss wohl so sein). Also wäre als Paraphrase etwa anzusetzen: Wenn Rogge damals nicht mehr Stimmen bekommen hätte als Kim, hätte das IOC jetzt … (Solche Konnexionen von Material unterhalb der Satz-/Propositionsebene behandelt ausführlich Fabricius-Hansen 2011.) (37)

Gut nur, dass damals wenigstens Jacques Rogge […] mehr Stimmen bekam als Kim. Sonst hätte das IOC jetzt ein weit größeres Problem. (Berliner Zeitung, 04.06.2004, S. 14)  

Ein ähnlicher Fall ist der folgende: (38)

„[…] Wir brauchen Tafeln, Karten und natürlich ein Wegekonzept“, meint Hirschl. Andernfalls bestehe die Gefahr, daß Natur-Interessierte in sensible Zonen […] vordringen. (Die Presse, 28.04.1997, o. S.)  

Hier muss für die Relation das „Brauchen“ in ein „Haben“ umgesetzt werden: Wenn wir keine Tafeln etc. bekommen , besteht die Gefahr, dass etc. Eng verwandt damit ist der folgende Fall: Ist das externe Konnekt eines K ONSEQUENS -Markers eine Äußerung der Aufforderungs-Klasse (berichtet oder vollzogen), wie schon in (36), so geht als negierte B EDINGUNG in die Konditionalrelation nicht das externe Konnekt als Direktivum ein, sondern die hypothetische Aussage, dass die Aufforderung befolgt wird. Diese Aussage ist als solche dann auch wahrheitswertfähig.  

(39a)

Im April 1997 befahl der Wirt seiner Lehrtochter, sich in den Putzraum zu begeben. Dort schloss er von innen beide Türen ab und forderte die junge Frau auf , sich auszuziehen, ansonsten er handgreiflich werde. Angesichts dieser Drohung gehorchte das Mädchen, worauf es vom Lehrmeister vergewaltigt wurde. (St. Galler Tagblatt, 21.02.2008, S. 48) → wenn sie sich nicht auszieht, also der (hier: berichteten) Aufforderung nicht folgt, …  



C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1091

Bei den A NTEZEDENS -Markern gilt unter der in q genannten Bedingung die Aufforderung in p nicht, sie beziehen sich also direkt auf den selbständigen Sprechakt im externen Konnekt: (39b)

Komm doch morgen, außer du hast was anderes vor. → Wenn du etwas anderes vorhast, brauchst Du die Aufforderung (Einladung) nicht zu befolgen, hat sie keine performative Kraft.

Das Argument kann auch aus einem eingebetteten Satz resultieren, s. schon (37), wo der eingebettete Satz als Argument der Relation angehoben wird. Es ist jedoch keineswegs die Regel, dass der untergeordnete Satz des komplexen Vorkontextes das externe Konnekt ist. In folgendem Fall ist es der übergeordnete (und somit die Gesamtkonstruktion), auf den sich der Konnektor bezieht: (40)

„In Jugoslawien muss man möglichst bald klarstellen, dass ich kein Mitglied der Sozialisten bin. Andernfalls werde ich nicht an der Europameisterschaft teilnehmen“, erklärte der gefürchtete Freistoßschütze. (Tiroler Tageszeitung, 29.04.2000, o. S.) → Wenn man nicht möglichst bald klarstellt , dass …, werde ich … (und nicht etwa: „Wenn ich doch Mitglied … bin , werde ich …“)  





Gerade auch bei den nicht selten vorkommenden Einbettungen einer negativ-konditionalen Relation in ein Argument einer kausalen Relation muss genau darauf geachtet werden, was der Bezug der negativ-konditionalen Konnektoren bzw. der Umfang der Argumente der von ihnen (und eben nicht von den anderen ggf. vorhandenen Konnektoren) signalisierten Relation ist. (41a)

Wir mussten ganz einfach zulangen, da wir sonst das Spiel noch verloren hätten. (St. Galler Tagblatt, 05.05.1997, o. S.) → Wir mussten zulangen, da …; und: wenn wir nicht zugelangt hätten, hätten wir …: dieser negative Konditionalzusammenhang geht in die Kausalrelation als Begründungs-Argument ein, die Folge ist die Verpflichtung, zuzulangen. Zu einer Partnerschaft gehöre auch, dass man sich zum Partner bekennt, denn anderenfalls sei „das System bald hin“, fürchtet Flecker. (Kleine Zeitung, 29.08.1999, o. S.) → wenn man sich nicht zum Partner bekennt, ist …; daher sollte man sich zum Partner bekennen  

(41b)



Typisch vor allem für die K ONSEQUENS -Marker ist, dass ihr externes Konnekt seinerseits eine Konditionalbeziehung beinhaltet. Die Struktur solcher Belege ist grob wenn/ sofern/… p der Fall ist, („gilt“ oder „tue“) q1; ansonst(en)/ander(e)nfalls (= wenn p nicht der Fall ist,) („gilt“ oder „tue“) q2. D. h. die negativ-konditionale Relation, die NTEZEDENS EZEDENS der Konditionaldem Konnektor unterliegt, bezieht sich nur auf das A NT Relation in ihrem externen Konnekt und nicht auf die ganze dort eingebettete Kon 

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C4 Konditional basierte Konnektoren

ditional-Konstruktion, hat nur deren A NTEZEDENS NT EZEDENS als ihr zu negierendes A NTEZEDENS , bzw. das interne Konnekt des negativ-konditionalen Konnektors (q2) stellt die Alternative zum K ONSEQUENS jener Relation (q1) dar. (42a)

(42b)

Wenn ein solches Individuum in D existiert, so ist die Formel (21)(i) wahr, anderenfalls falsch. (Semantik_Arbeitspapier_Horst Lohnstein.htm: Arbeitspapier: Semantik, Horst Lohnstein, aus dem WWW) Sofern […] eine lexikalische Bedeutung in ihrer Zuordnung zu einem lexikalischen Ausdruck von einer anderen Bedeutung desselben Ausdrucks her begründet ist […], liegt lexikalische Polysemie vor, anderenfalls Homonymie. (Herbermann 1995: 164 Fn. 2) Meld dich, wenn alles nur ein Witz war. Andernfalls lass mich in Ruhe. (Berliner Zeitung, 07.10.2000, S. 14)  

(42c)



Das A NT NTEZEDENS EZEDENS -Argument der K ONSEQUENS -Marker ist nicht immer genau der Satz vor dem Konnektor, sondern häufig etwas daraus Inferiertes o.s.ä. Vgl.: (43)

Für die FDP sei diese Lösung „das Minimum“. Ansonsten entstünde die „gespenstische Situation“, daß man nach dem „Arier-Nachweis“ im Dritten Reich nunmehr den „Nicht-Arier-Nachweis“ führen müsse. (Mannheimer Morgen, 14.03.1985, S. 01) → ‚Wenn diese Lösung nicht zustande kommt (o. s. ä.), entsteht …‘  





Es versteht sich, dass oft das externe Konnekt für die Bedeutungsparaphrase sinnvoll zu einem Satz ergänzt werden muss: (44)

In Brüssel soll die Bündnisgrüne den […] zuständigen Kommissar David Byrne über den Fahrplan zur Aufhebung des deutschen Einfuhrstopps unterrichten. Man erwarte dabei „klare Signale“, hieß es in Byrnes Umgebung, anderenfalls müsse die Kommission […] ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. (Frankfurter Rundschau, 18.11.1999, S. 5) → ‚Wenn diese Signale nicht kommen‘ o. s. ä.  





Nominalisierungen des externen Konnekts müssen für die Bedeutungsparaphrase „aufgelöst“ (zu Sätzen ergänzt) werden: (45)

Nach einem […] Rechtsgutachten des Parlamentarischen Dienstes bedarf es bei einer Zusammenlegung von Kliniken über Bezirksgrenzen hinweg einer Zustimmung der betroffenen Bezirke. Andernfalls müsse ein entsprechendes Gesetz erlassen werden. (Berliner Zeitung, 22.07.1999, S. 23) → ‚wenn die Bezirke nicht zustimmen, muss …‘  

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

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4.6.2.2.4 Das Verhältnis von K ONS O NS EQUENS - zu A NTEZEDENS -Markern zueinander Das Verhältnis zwischen den beiden Unterklassen der negativ-konditionalen Konnektoren, also von A NTEZEDENS - und K ONSEQUENS -Markern zueinander, ist komplex. Den grundlegenden Gemeinsamkeiten, die es ermöglichen, ihnen allen eine gemeinsame allgemeine Bedeutung zuzuschreiben und sie somit als einheitliche Klasse aufzufassen, stehen fehlende Analogien gegenüber, wo also die Lage in der einen Klasse nicht komplementär zu der in der anderen ist. Insbesondere sind die beiden Unterklassen nicht einfach, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, konvers zueinander (Abraham 1980: 414 bezeichnet das Verhältnis von sonst und außer zueinander als „Konversenähnlichkeit“). Bei der genaueren Bestimmung der beiden semantischen Unterklassen haben wir bereits gesehen, dass sie sich nach mindestens drei Faktoren unterscheiden: 1) Die einen sind Sinn A NTEZEDENS -Marker, die anderen K ONSEQUENS -Marker, d. h. die Verteilung von A NTEZEDENS / K ONSEQUENS der unterliegenden Relation der hinreichenden Bedingung auf internes und internes Konnekt des jeweiligen negativ-konditionalen Konnektors ist verschieden. Das ist genau der Faktor, der vermuten lässt, dass die beiden Klassen konvers zueinander sein könnten. Aber folgende beiden Fakten stehen dem entgegen: 2) In der Umschreibung mit wenn (als Ausdruck für die hinreichende Bedingung) steht die Negation einmal in dessen internem, bei den anderen in NTEZEDENS EZEDENS oder im K ONSEQUENS der dem dessen externem Konnekt, also im A NT negativ-konditionalen Konnektor zugrundeliegenden Konditionalrelation. 3) Die Art und Weise, wie A NTEZEDENS - gegenüber K ONSEQUENS -Markern mit dem Verhältnis von Regel- und Ausnahmefall und deren Verteilung auf internes und externes Konnekt umgehen, ist unterschiedlich. Bei den A NTEZEDENS Markern steht auf jeden Fall im externen Konnekt der häufigere, „normale“, „Regel“-Fall, im internen eine Ausnahmebedingung, die zu der (selteneren bis einmaligen) Ausnahme nicht-p führt (oder falls konkret angegeben: zu r, auch das im Gegensatz zu p). Dies leistet eine schlichte Umschreibung mit wenn (…) nicht nicht, sondern es muss in einer beabsichtigten Paraphrase eigens explizit gemacht werden. Anders bei den K ONSEQUENS -Markern: Bei ihnen besteht keine grundlegende Regel-Ausnahme-Beziehung, kommt nicht nur das zu den A NTEZEDENS -Markern konverse, sondern jede Art von Wahrscheinlichkeits- oder HäufigkeitsVerhältnis zwischen den von internem bzw. externem Konnekt denotierten Sachverhalten in Frage und vor, sowohl asymmetrische (in beide Richtungen) als auch symmetrische (beides gleich wahrscheinlich, gleich häufig) oder neutrale (keinerlei Aussage oder Implikation über Häufigkeitsverhältnisse: eine Unterscheidung in allgemeineren, wahrscheinlicheren, häufigeren Fall und Ausnahme, Spezialfall spielt gar keine Rolle, wird gar nicht thematisiert). Zwar ist auch hier das Verhältnis „externes Konnekt nennt die Regel, internes die Ausnahme“ das häufigere, aber es ist eben – auch bei den assertiv 

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C4 Konditional basierte Konnektoren

hypothetischen Fällen – nicht das einzige vorkommende und akzeptable. Das folgende Beispiel (46a) aus Métrich/Faucher/Courdier (1993: 231) zeigt, dass es bei K ONSEQUENS -Markern auch gerade umgekehrt so sein kann, dass das interne Konnekt den Regelfall, das Übliche denotiert, während das externe die Ausnahme enthält; hier aber wie meist mit temporalem ansonsten ‚zu (allen) anderen Zeiten (bei allen anderen Gelegenheiten)‘. Für diese gegenNT EZEDENS -Markern gerade umgekehrte Struktur finden sich aber über den A NTEZEDENS auch bei i. e. S. negativ-konditionaler Verwendung diverse Belege, vgl. etwa (46b).  

(46a) (46b)



Sonderbar: da kümmert er sich plötzlich um Dinge, von denen er ansonsten nicht einmal Notiz nimmt. Wirkliche Emotionen zeigt Bush nur, wenn seine US-Boys zaubern. Ansonsten plaudert er immer wieder mit dem chinesischen Außenminister Yang Jiechi neben sich oder lehnt sich scheinbar gelangweilt in den Sitz zurück […]. (dpa, 11.08.2008; US-Präsident Bush im Olympia-Fieber: „Ich liebe Sport“ Von Imke Hendrich, dpa)

Die im Folgenden genannten weiteren Unterschiede zwischen den beiden Unterklassen haben dagegen keine Auswirkung auf die Frage ihrer Konversität: a) Faktivitätswert bei Konjunktiv II im internen Konnekt Faktische Aussagen über singuläre Ereignisse in Vergangenheit oder Gegenwart können – als externes Konnekt gedeutet – nicht mit exzeptiven Konnektoren fortgesetzt werden, denn ein für Gegenwart oder Vergangenheit behauptetes Einzelereignis (das als erinnert oder aktuell beobachtet präsentiert wird) kann nicht nachträglich durch eine Ausnahme(-bedingung) in seiner Faktizität neutralisiert werden (*Wir gingen gestern/gehen jetzt in diesem Moment ins Schwimmbad, außer/ausgenommen/ es sei denn es regnet/es regne denn). Wohl aber kann erwogen werden, was bei einem alternativen Verlauf der Geschehnisse hätte folgen können, so dass unter gewissen Umständen eine Fortsetzung mit den K ONSEQUENS -Markern sonst, ansonst(en) und ander(e)nfalls sehr wohl möglich ist. Daher auch kann bei diesen sehr wohl unter gewissen Umständen durch Konjunktiv II im internen Konnekt (auch bei Vergangenheits- und Gegenwartsbezug im externen Konnekt) dessen Kontrafaktizität (und daraus folgend die Faktizität des externen Konnekts) signalisiert werden (immer noch im Rahmen der negativ-konditionalen Relation). Hier wäre der vom internen Konnekt denotierte Sachverhalt zu einem gewissen Zeitpunkt möglich gewesen, hat aber zwischen diesem Zeitpunkt und dem Äußerungszeitpunkt nicht stattgefunden: Das interne Konnekt denotiert einen zum tatsächlichen Verlauf der Ereignisse alternativen Hergang in einer „möglichen Welt“. Wir gingen gestern ins Schwimmbad kann auch als Einzelereignis mit sonst … (+ Konjunktiv II), etwa … sonst hätten wir ihn verpasst, fortgesetzt werden.

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C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Aus der Kontrafaktizität des internen Konnekts ergibt sich dann die Schlussfolgerung auf die Faktizität des Sachverhalts im externen Konnekt (einem unmodalisierten Konstativsatz im Indikativ, insbesondere mit Vergangenheits- oder Gegenwartsbezug), wird also die durch den Konnektor eigentlich erwartbare Aufhebung der Faktizität des externen Konnekts verhindert: Es bleibt bei der ursprünglichen faktischen Aussage p, die durch diesen Zusammenhang sogar noch in ihrer Aussagekraft bestärkt wird. Wir exemplifizieren das am Beispiel von sonst. Formulierungen der Art von Beispiel (47) sind typisch für die dargelegte Form der „Verschärfung“ zu (kontra-) faktischem internem Konnekt; den Kontrast zwischen beiden Fällen verdeutlichen die anderen beiden Belege in (48), in (48a) mit Vergangenheitsbezug und Konjunktiv II, daher kontrafaktischem, in (48b) mit Zukunftsbezug und Indikativ, daher mit nonfaktischem p. (47)

Die Bevölkerung hat uns sehr unterstützt, sonst hätten wir dieses Projekt nicht realisieren können. → Wir konnten das Projekt doch (Aufhebung einer doppelten Negation nicht-nicht; die Aussage ‚wir konnten es nicht realisieren‘ ist kontrafaktisch) realisieren. Kontrafaktischer Zusammenhang: Wenn uns aber die Bevölkerung nicht unterstützt hätte (Implikation: sie hat es aber), hätten wir es nicht realisieren können (Implikation: wir konnten es aber realisieren.) Funktioniert im Präsens (… unterstützt uns sehr …) genauso (wenn sie uns nicht unterstützen würde , …). Er […] war nicht am Bau beteiligt […]. „Zum Glück nicht , sonst hätte ich jetzt ein grosses Problem.“ (St. Galler Tagblatt, 19.02.1999, o. S.) → Wenn er doch am Bau beteiligt gewesen wäre [er war tatsächlich aber nicht!], hätte ich jetzt ein großes Problem. Es bleibt aber dabei: Er war nicht am Bau beteiligt. Marth bemüht sich […] um einen attraktiven Gegner für die Hütteldorfer: […] „Es kommen aber nur Topteams in Frage“, stellt Marth […] klar: „sonst warten wir lieber noch ein Jahr.“ (Neue Kronen Zeitung, 28.05.1996, S. 49) → Wenn keine Topteams gewonnen werden können [man weiß noch nicht, ob das gelingt oder nicht], warten wir noch.  

(48a)





(48b)



Es können also bei diesen K ONSEQUENS -Markern auch in der Verwendung mit ihrer negativ-konditionalen Grundbedeutung faktisch (und kontrafaktisch) zu interpretierende Konnekte vorkommen; in die negativ-konditionale Relation geht das Argument aber als nonfaktisches ein. Der Unterschied muss ggf. in beide Richtungen markiert werden; so signalisiert in (48a) auch bei der Umschreibung mit wenn (…) nicht Konjunktiv II Kontrafaktizität, in (48b) muss zur Sicherung der nonfaktischen Lesart in die wenn (…) nicht-Formulierung ein bzw. in anderen Fällen auch, wenn statt mit wenn (…) nicht mit einem negativ-konditionalen Konnektor formuliert wird, dort wiederum ein „‚modales‘ Element eingesetzt [werden] mit dem semantischen Wert ‚nicht faktisch‘/‚möglich‘. Außer ‚hoffentlich‘ wäre auch ‚viel 

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C4 Konditional basierte Konnektoren

leicht‘ oder das Modalverb ‚sollen‘ möglich. Die Wahl des jeweils passenden modalen Elements richtet sich nach dem jeweils Gemeinten“ (Boettcher/Sitta 1972: 169). Der dargelegte Unterschied hinsichtlich des möglichen Faktivitätswertes zeigt, dass nicht alle Typen von sonst-Verwendung in eine außer-Version übertragbar sind (vgl. Abraham 1980: 412): Und zwar geht es eben nicht, wenn das externe Konnekt von sonst faktisch (oder kontrafaktisch) ist, wie in Die Erde dreht sich in einer elliptischen Bahn und mit einer geneigten Achse um die Sonne. Sonst hätten wir keine Jahreszeiten. NTEZEDENS EZEDENS -Markern hat die Frage, ob das finite Verb des internen Bei den A NT Konnekts im Indikativ oder Konjunktiv steht, keinen Einfluss auf den Faktivitätswert NTEZEDENS EZEDENS -Arguments; insbesondere bewirkt Konjunktiv II – der ja auch hier des A NT durchaus nicht selten vorkommt – nicht Kontrafaktizität, auch außerhalb von Redeberichten nicht. Speziell bei es sei denn weist auch schon der Modus des Bestandteil sei (Konjunktiv I) auf Nonfaktizität zumindest des internen Konnekts hin. Auch wenn der Sprecher (wie wahrscheinlich in (49)) darauf hinweisen will, dass es nach dem Kenntnisstand zum Äußerungszeitpunkt so ist, dass nicht-p der Fall ist, so wird doch stets die Möglichkeit offengehalten, dass sich an dieser Kenntnis der Faktenlage zukünftig etwas ändert, dass man also durch künftige neue Informationen zu einem anderen Schluss, auch in Bezug auf vergangene Ereignisse, kommen muss. In diesem Sinne ist p nonfaktisch und nicht kontrafaktisch zu verstehen. Damit geht aber auch der Schluss auf Faktizität des externen Konnekts verloren.  

(49)

Die Leibwächter hatte Palme an jenem Freitag abend nach Hause geschickt und sich dann kurzfristig entschieden, ins Kino zu gehen. So konnte außer der Familie und womöglich seiner Vertrauten […] Emma Rothschild niemand wissen, wo Palme steckte. Es sei denn, jemand wäre ihm gefolgt. (die tageszeitung, 28.02.1987, S. 7)  

Mit dem Konnektor wird also auch zusammen mit Indikativ im Konnekt schon erreicht, was alternativ mit dem Konjunktiv erreicht werden könnte: Nonfaktizität. Allerdings gibt es eine gewisse Abstufung in der vom Sprecher unterstellten Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der Ausnahmebedingung: Sie ist bei Konjunktiv II am geringsten. An einem konstruierten Beispiel unter Konstanthaltung aller anderen Faktoren und ohne Einfluss der Semantik eines Nennwortschatzes exemplifiziert: In Das Mimi wauzt immer. Es sei denn / außer das Fifi hat/hätte geurzt / Es sei denn dass das Fifi geurzt hat. steht hat kontrastiv eher dafür, dass der Sprecher es für gut möglich hält, dass das Fifi geurzt hat; aber auch hier wird das nicht als faktisch dargestellt. Hätte signalisiert demgegenüber, dass der Sprecher das eher nicht glaubt, macht das interne Konnekt aber auch wiederum nicht kontrafaktisch: immer noch bleibt der Sachverhalt möglich, wenn auch die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens deutlich geringer als im anderen Fall ist.

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1097

Wie bei den A NTEZEDENS -Markern kann aber auch bei den K ONSEQUENS -Markern Konjunktiv II einfach eine weniger wahrscheinliche Möglichkeit markieren; sonst könnte in diesen Fällen in der Gegenwartssprache genauso gut Indikativ stehen: das interne Konnekt bleibt nonfaktisch. (50a)

Mit Hilfe der Lega Nord, die gegen dieses Dekret stimmen wird, kann die Opposition mit 31 Stimmen rechnen und somit das Dekret für verfassungswidrig erklären. Andernfalls bliebe das Dekret 60 Tage in Kraft. (Salzburger Nachrichten, 19.07.1994, o. S.)  



Man beachte dabei die Perspektive: (50b)

[…] die 27.200 Zuschauer sahen auf der elektronischen Anzeigetafel, daß der VfL Bochum einem Sieg entgegenspielte, wußten somit, daß ihr HSV nicht verlieren durfte, andernfalls er in der demütigenden Relegationsrunde hätte spielen müssen. (die tageszeitung, 14.05.1990, S. 12) → ‚wenn der HSV es doch (= nicht nicht) tut (= verlieren), muss er …‘  

Vom Standpunkt des Sprechers, also des Berichterstatters, ist der Sachverhalt im internen Konnekt tatsächlich kontrafaktisch (er kennt das Ergebnis schon); aber für die Berichteten, die Zuschauer, ist die Relegationsrunde zur Ereigniszeit noch hypothetisch, also eine bestehende Möglichkeit. Auch wenn das externe Konnekt vorsichtigerweise „nur“ als Vermutung präsentiert wird, etwa durch ein Modalverb wie in (51), kann es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit haben: Wird dann nämlich das interne Konnekt als kontrafaktisch gekennzeichnet, ist („reduktiver“) Rückschluss von nicht-q auf das tatsächliche Vorliegen von p möglich und wird doch stark suggeriert, dass nach Meinung des Sprechers p tatsächlich der Fall ist: (51)

Ihre drei männlichen Kollegen Cass, Ace und Mark Richardson dürften jedenfalls keine auf das Spotlight angewiesene Charaktere sein, sonst wären Skunk Anansie längst den Weg aller anderen Metal-Fusion-Bands gegangen. (Frankfurter Rundschau, 13.11.1999, S. 11)  

b) Umgang mit den Fällen von Universalitätsanspruch Konnektoren beider Unterklassen kommen in Formulierungen vor, in denen im externen Konnekt explizit ein Anspruch auf dessen uneingeschränkte bzw. generelle Geltung erhoben zu sein scheint. Aber in Bezug auf diesen durch solche Konnekte vermittelten Anspruch haben sie unterschiedliche Wirkung. NT EZEDENS -Markern, bei denen ein externes Bei denjenigen Verwendungen von A NTEZEDENS Konnekt dieser Art (das einen entsprechenden Quantor enthält) vorangestellt ist, wird der zunächst formulierte Universalitätsanspruch mit dem Konnektor zurückgenom-

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C4 Konditional basierte Konnektoren

men und (als nur vorläufig und scheinbar) nachträglich wieder aufgehoben: es erweist sich, dass p doch nicht für alle einschlägigen Fälle, sondern nur für fast alle, für die meisten gilt. (52)

Das ist nur eine ganz normale Kreuzspinne […] – die tut niemandem etwas. Außer, du bist eine Fliege und zappelst in ihrem Netz. (Mannheimer Morgen, 18.10.2003, o. S.)  

Anders bei den K ONSEQUENS -Markern: Hier kann es sein, dass ein Universalitätsanspruch bestehen bleibt. Eine exemplarische Suche nach Belegen mit den positiven und negativen Universalquantoren all-, immer, kein-, nie und niemand im externen NTEZEDENS EZEDENS Konnekt von ander(e)nfalls ergab, dass hier – anders als bei den A NT Markern – nach einem tatsächlich positiven oder negativ generischen Sachverhalt im externen Konnekt das interne Konnekt ganz überwiegend, wenn nicht ausschließlich im Konjunktiv II steht und dadurch als kontrafaktisch gekennzeichnet ist. Ähnliches fand sich bei sonst. Einschlägige Belege mit absoluten, unmodalisierten Verwendungen der Universalquantoren all- oder jed- im externen Konnekt sind von der Struktur p gilt (generell), und gälte p nicht, dann gälte q – aber es bleibt dabei, dass p gilt. Wir haben also eine ganz andere Beziehung als bei den A NTEZEDENS -Konnektoren: die generelle Aussage bleibt uneingeschränkt bestehen; das interne A USNAHME -Konnekt wird, wenn es konjunktivisch formuliert ist, nur als potenzielle Alternative erwogen, die eindeutig als ‚hat aber nicht tatsächlich stattgefunden‘ gekennzeichnet wird. Es bleibt dabei, dass das externe Konnekt als nonfaktisches Argument in die negativkonditionale Relation eintritt; dazu kommt aber die Aussage, dass p gilt und dass q nicht der Fall ist, also p Ù ¬q (was ja einer der zulässigen Fälle dieser Relation ist). (Sogar formallogisch kann man aus der Kontrafaktizität von q und der durch den negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Marker signalisierten Relation auf ‚p und nicht q‘ schließen: ¬q Ù (¬p → q) → (p Ù ¬q).) (53a)

Weitwinkelvorsatzlinsen betreibt man immer in der kürzesten Brennweite des Objektivs (anderenfalls hätten sie ja keinen Sinn). (FSP.VIO Schild, Videofilmen, o. S.) Alle demokratischen Kontrollmöglichkeiten […] haben versagt, sonst wäre der Großteil und nicht nur wenige der Alten auch in der Lage, Vermögen an die Jungen zu vererben. (Frankfurter Rundschau, 11.02.1997, S. 23)  

(53a)



c)

Ausnahmen und Ausnahmebedingungen bei assertiv/hypothetischen und bei direktiven externen Konnekten Beide Unterklassen haben gemeinsam, dass ihr externes Konnekt (nicht aber das interne) und die Konstruktion als Ganze eine beliebige Satzart, jeder Sprechakttyp sein, eine beliebige epistemische Einstellung ausdrücken kann. Insbesondere kann das externe Konnekt außer einer Aussage vor allem auch eine Aufforderung i. w. S.  



C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1099

sein – wie bei außer in (54) – (sowie natürlich z. B. auch eine Frage) und sich das interne auf die Sprechaktebene beziehen. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Unterklassen ist aber der, dass bei beiden unterschiedliche (Arten von) Ausnahme(bedingunge)n bei assertiv/hypothetischen und bei direktiven externen Konnekten (was also Wahrheit der Proposition bzw. Geltung des Sprechakts angeht) bestehen. Mit „Aufforderung i. w. S.“ sind Äußerungen gemeint, die nicht – wie Aussagen (i. w. S. assertiver Sprechakt, incl. Vorhersagen und nur „hypothetische Annahmen) – im strengen Sinne wahrheitswertfähig sind, sondern vollzogene oder berichtete Sprechakte aus der direktiven Klasse (Anweisungen und Vorschriften (Gesetze, Verträge, Verwaltungsakte, Verfügungen), positiv (Bitten, Gebote) oder negativ (Verbote)) wie auch die Formulierung allgemeiner Pflichten, (Verhaltens-)Regeln und (Handlungs-)Normen (Soll- gegenüber Ist-Aussagen): Tue x! Unterlasse x! Man soll/muss x tun / hat x zu tun! Bestimmte Personen dürfen nicht x tun!; auch das Resultat einer Handlung: x darf nicht so-und-so sein, m. a. W. ‚man hat sich so zu verhalten, so zu handeln, dass x nicht so-und-so wird‘.  











(54)



„Das ist auch so ein Revolvermannprinzip, das du dir unbedingt einprägen mußt: Greife nie zum Schießeisen, außer es geht um Geld oder dein Leben!“ (MK2/TRI Pegg, Nacht, S. 13)  

Bei externen Konnekten p aus der Familie der Aussagen benennt das interne Konnekt q von A NTEZEDENS -Markern eine Ausnahmebedingung, eine Bedingung für den ausnahmsweise vorkommenden Fall, dass nicht-p (oder ein daraus folgendes, damit kompatibles r, das mit p nicht zusammengeht). Nicht-p bzw. r ist die Ausnahme, denn p gilt „generell“, ist der Normal- oder Regelfall, nicht-p bzw. r dagegen sind seltener, weniger wahrscheinlich. ONSEQU ENS -Marker dagegen benennen mit ihrem internen Konnekt q nur dann K ONSEQUENS eine Ausnahme, wenn mit dem externen Konnekt eine allgemeingültige Aussage vollzogen wird, also die Unterstellung hinzukommt, dass p und somit auch nicht-q(!) der häufigere, der Regelfall ist; nur dann auch ist nicht-p eine Ausnahmebedingung. Sonst liegt bei den Konnektoren dieser Unterklasse gar kein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor und wird nur ein alternativer Weltverlauf genannt – dessen Wahrscheinlichkeits- bzw. Häufigkeitsmerkmale und nähere Bedingungen für diesen, außer dass der Sachverhalt im externen Konnekt nicht der Fall ist, bleiben offen, und selbst die Alternativen zu q können unbenannt bleiben. Im Falle eines externen Konnekts der Aufforderungs-Klasse i. w. S. geht es im internen Konnekt von A NTEZEDENS -Markern um eine Bedingung, unter der (d. h. wenn diese erfüllt ist) die Aufforderung ausnahmsweise doch nicht gilt, nicht verpflichtend ist, nicht befolgt werden muss oder soll (Nimm die Hände hoch, außer du bist behindert; Komm doch am Mittwoch! Außer dass du schon etwas anderes vorhast.). Es wird also nicht der universale Wahrheitsanspruch hinsichtlich einer  





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C4 Konditional basierte Konnektoren

Proposition, sondern die unbedingte Geltung des Sprechakts oder einer Norm aufgehoben. (55)

Auch wenn im Mietvertrag die Haltung größerer Haustiere wie Hunde oder Katzen untersagt ist, muss der Mieter sich daran halten – außer, sie sind aus therapeutischen Zwecken für ihren Halter notwendig. (Die Rheinpfalz, 12.02. 2010, S. 33) → ‚wenn (aber auch nur wenn) sie notwendig sind, muss sich der Mieter nicht an das Verbot halten‘  

Das gilt zumindest für außer und es sei denn (dass) (vgl. die entsprechende Reformulierung des Mittwoch-Beispiels), ob aber auch für ausgenommen (?Ausgenommen du hast schon etwas anderes vor) und vor allem für ?außer wenn …, muss derzeit offen bleiben. Bei den K ONSEQUENS -Markern hinwiederum gilt eine Aufforderung i. w. S. im vorangestellten externen Konnekt auch nach Fortsetzung mit einem Konnektor dieser Klasse (am Beispiel von negativ-konditionalem sonst: Nimm die Hände hoch, sonst schieße ich) nach wie vor uneingeschränkt und ausnahmslos. q nennt eine (für den Adressaten negative, unangenehme etc.) Konsequenz, die eintritt, wenn jener die Aufforderung nicht befolgt, keine Ausnahme, und auch keine Ausnahmebedingung. Mit einem solchen Verstoß gegen das Ge- oder Verbot muss bei Aufforderungen prinzipiell immer gerechnet werden, er wird aber als zu vermeidende Ausnahme gekennzeichnet (das Befolgen sollte ja die Regel sein). Die Aufforderung bleibt uneingeschränkt in Kraft, das interne Konnekt soll sie sogar noch stützen und die Wahrscheinlichkeit ihrer Befolgung erhöhen, gerade nicht aber etwa ein Schlupfloch öffnen, indem der direktive Sprechakt unter gewissen Bedingungen (ausnahmsweise) außer Kraft gesetzt würde. Es handelt sich also beim internen Konnekt um einen subsidiären Sprechakt im Sinne der Illokutionshierarchie (vgl. dazu z. B. Motsch/ Pasch 1987; Pasch 1987; Viehweger 1989; Motsch/Viehweger 1991; Heinemann/Viehweger 1991; Brandt/Rosengren 1992; Bak/Kang/Waßner 1992), dominanter Sprechakt ist die un-bedingte Aufforderung !p. Die (hypothetische) Aussage der Befolgung von !p geht als das eine, negierte Argument in die Relation ein, die unerwünschte Konsequenz aus dem Fall, dass p! faktisch nicht befolgt werden sollte, als das andere: ‚[ich fordere dich auf: Tue p! Aber/Denn] wenn du p nicht tust , geschieht q‘. Negiert wird hier also nicht der Sprechakt des externen Konnekts oder auch dessen propositionaler Gehalt, sondern eine ausgesagte Glückens- oder Erfolgsbedingung für den entsprechenden Sprechakttyp, nämlich eben die Befolgensbedingung. Als Spezifizierung der allgemeinen Klassenbedeutung für direktive externe Konnekte wären dann also Konstruktionen der Form z. B. p! Widrigenfalls q zu reformulieren genauer als (immer) wenn nicht p’ der Fall ist/sein wird, wenn nämlich die Aufforderung p! nicht befolgt wird, geschieht q.  









1101

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

d)

A NTEZEDENS - vs. K ONS ONSEQU EQUENS ENS -Marker als Revisionsmarker: Selbst- und Fremdkorrektur Die A NTEZEDENS -Marker können auch der Korrektur (Revision) einer fremden oder eigenen Behauptung dienen, die mit universalem Anspruch (als ausnahmslos gültig) aufgestellt wurde, ebenso auch der Einschränkung einer generellen Aufforderung. (Dialogische) Fremdkorrektur: (56a)

A: Der 1. FCK wird alle restlichen Pokalspiele gewinnen. B: Ausgenommen sie müssen noch gegen Braunschweig antreten.

Monologisch (Selbstkorrektur): (56b)

Den Kreuznachern geht nichts über den Jahrmarkt. Ausgenommen, es gibt einen Jubiläumsjahrmarkt zu feiern. (Rhein-Zeitung, 11.08.2007, o. S.)  

Dass allerdings eine entsprechende Einschränkung schon vorgeplant sein kann und dann natürlich nicht als Selbstkorrektur zu werten ist, sieht man vor allem an der – selten vorkommenden, aber nicht ungrammatischen – Möglichkeit, das interne Konnekt voranzustellen: (57)

Ausgenommen du hast einen völlig falschen Fahrstil, verbraucht das Auto nie mehr als 6 Liter pro 100 km.  

Die K ONSEQUENS -Marker eignen sich anders als die A NTEZEDENS -Marker nicht in dieser Weise als Revisionsmarker und zur Selbst- und Fremdkorrektur. Hier bleibt ja im direktiven und im faktisch-kontrafaktisch Fall der Universalitätsanspruch bestehen; die Erwähnung der Konsequenz aus dem möglichen Nichtbestehen oder -eintreten des Sachverhalts bzw. (unerwünschten) Nichtbefolgen der Aufforderung im externen Konnekt ist viel zwingender schon vorgeplant, kann geradezu Fokus der Aussagen sein. e)

Unterschiedlicher Zusammenhang mit den alternativebasierten Konnektoren Ein letzter hier zu nennender Unterschied zwischen beiden Unterklassen ist die aussagenlogische Äquivalenz zu je unterschiedlichen Arten der Disjunktion (vgl. C3.1.4). NT EZEDENS -Marker, q → ¬p, gilt nämFür die unterliegende Konditional-Relation der A NTEZEDENS lich Äquivalenz zur Exklusion q | p (sprachlich zu oder ‚nicht beide‘). Die der K ONSEQUENS -Marker, ¬p → q, ist aussagenlogisch äquivalent zur „inklusiven Disjunktion“ oder Adjunktion p Ú q, also zu inklusivem und/oder. Hier wird wieder ein Aspekt der Nonkonversität beider Unterklassen sichtbar, denn auch die Exklusion und die Adjunktion sind nicht konvers zueinander.

1102

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wieder lässt sich diese Lage analog auf die Verhältnisse bei nicht-assertiven Sprechakten übertragen, die in der „Übersetzung“ als Ausgesagte als A NTEZEDENS einer negativ-konditionalen Relation fungieren, aber eben auch als Konjunkt einer disjunktiven, etwa in der Reihe Nimm die Hände hoch! Sonst schieße ich. Wenn du nicht die Hände hochnimmst, schieße ich. Ich schieße, außer du nimmst die Hände hoch. Ich schieße; wenn du aber die Hände hochnimmst, schieße ich nicht. Hände hoch oder ich schieße. Damit sind wir bei dem Thema der Zusammenhänge der negativ-konditionalen mit Konnektoren anderer semantischer Klassen.

4.6.2.3 Systematische Polysemie und semantische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen Wie das zuletzt Ausgeführte zeigt, verbindet die negativ-konditionalen Konnektoren eine enge logisch-semantische Beziehung zu den disjunktiven. Dementsprechend werden einzelne Vertreter dieser Klasse – vor allem die K ONSEQUENS -Marker ander(e)nfalls und sonst – in manchen Gesamtklassifikationen der Konnektoren bzw. Konjunktionen bei den disjunktiven Konnektoren mitgenannt. So von Polenz (1985: 270); Fritsche (1982: 72, 88); Jude (131971: 202 und 252; dort auch widrigenfalls und – frei bildbares, bei uns daher nicht erfasstes – im anderen Falle); vgl. die Anmerkungen in C3.1.4. Am Beispiel eines Vertreters dieser Klasse vgl. weitere Literaturhinweise bei Denissova (2001: 139): „Meistens wird sonst als disjunktiv (Eisenmann 1973, 231 ff., 323 f.; u. a.), disjunktiv-adversativ (Admoni 1955, 217), alternativ (Erben 1972, 192), alternativ-konditional (Polikarpov 1996, 183), bedingend (Duden 1995, 363, Šendel’s 1979, 242) bzw. kausal-bedingend (Duden 1984, 352; Jung 1980, 362) charakterisiert.“ Ebd. Fn. 10: „Ein einschlägiger Bericht zum terminologischen Streit bezüglich sonst ist bei Eisenmann (1973) und Prorokova (1983, 61 f.) nachzulesen.“ Schon syntaktisch würde aber eine Aufnahme unter die disjunktiven die Homogenität jener Klasse stören; allerdings werden gerne nur diejenigen negativ-konditionalen Konnektoren unter die disjunktiven gerechnet, die als „nebenordnende Konjunktionen“, also wie jene als Konjunktoren angesehen werden (so z. B. Jude; Jung 1967: 383 sieht andernfalls und sonst als „Adverbien“, die „koordinativ“ die „logische Beziehung“ „konditional“ herstellen) – nach der Analyse in HDK-1 allerdings sind die betreffenden K ONSEQUENS -Marker nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren. Für die Subsumtion der negativ-konditionalen unter die konditional basierten (und nicht unter die alternativebasierten) sprechen formal u. a. die beiden Bildungen von K ONSEQUENS Markern mit -falls. Außerdem hat z. B. ausgenommen viele Gemeinsamkeiten mit den  















1103

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Verbzweitsatz-Einbettern, die ja auch alle Konditionale und somit nicht alternative-, sondern konditional basiert sind (vgl. C4.1.3.2.1 sowie schon HDK-1: 646 f.). Dass negativ-konditionale Konnektoren unter die disjunktiven subsumiert werden, ließe sich andererseits durchaus sachlich begründen mit der oben ausgeführten aussagenlogischen Äquivalenz der Konditional-Relation mit einem negierten Argument einerseits (wie sie diesen Konnektoren zugrundeliegt) zu je einer Variante der Disjunktion andererseits. Mit dieser logischen Äquivalenz lässt sich aber natürlich nicht nur begründen, die genuin negativ-konditionalen Konnektoren zu den disjunktiven zu rechnen, sondern auch das umgekehrte Vorgehen. Tatsächlich können Konnektoren beider Klassen auch im jeweils anderen Sinn verwendet werden. Es handelt sich dann um eine sekundäre Andersverwendung, die in beide Richtungen stattfindet. Allerdings sind die logischen Relationen Adjunktion bzw. Exklusion beide symmetrisch, so dass man rein semantisch die beiden Argumente, die ja dieselbe Rolle spielen, in ihrer Reihenfolge „um den Junktor herum“ verändern kann; die negativkonditionale Relation bleibt dagegen als konditional basierte asymmetrisch, hat zwei NT EZEDENS und K ONSEQUENS , was auch z. B. der o. g. ungleiche Argumentrollen, A NTEZEDENS Situation bei direktivem externen Konnekt entspricht, wo das direktive Argument die dominante illokutionäre Rolle spielt, das andere als subsidiär dagegen durchaus weggelassen werden kann, und wo beide Konnekte daher nicht vertauscht werden können, auch nicht bei Verwendung eines disjunktiven Konnektors (Hände hoch oder ich schieße. vs. *Ich schieße oder Hände hoch.). Von den beiden Argumenten ist außerdem – ebenfalls asymmetrisch – nur eine vom Konnektor induziert negiert. Damit bleibt die negativ-konditionale Relation Grundbedeutung der Konnektoren dieser Klasse, auch wenn denen von ihnen, die hier i. d. R. genannt werden, aufgrund ihrer o. g. syntaktischen Nähe zu den Konjunktoren eine Tendenz zu symmetrischen Relationen zu eigen ist. Als generelle Grundbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren eignet sich eine Entsprechung zur disjunktiven Relation nicht, wie auch Denissova (2001: 139) am Beispiel von sonst bemerkt: „Die disjunktive Funktion von […] sonst wird durch die Ersatzprobe […] mit […] oder für sonst nachgewiesen. Es gibt aber […] sonst-haltige Satzkomplexe, in denen […] sonst nicht durch diese Ausdrücke ersetzt werden [kann].“ Bei sonst ist also „der disjunktive Charakter nicht immer zu erkennen“. Einige negativ-konditionale Konnektoren haben regulär neben ihrer negativ-konditionalen Grundbedeutung eine additiv basierte Lesart, wie folgende Beispiele zeigen (vgl. a. Abraham 1980: 408–12 zu sonst):  











(58a)

(58b)

Der Antrag muss vollständig sein, sonst/ansonst(en) kann er nicht berücksichtigt werden. (negativ-konditional: ‚p, andernfalls q; wenn nicht p, dann q‘) Es fehlte nur eine Bescheinigung der Krankenkasse. Sonst/Ansonst(en) war der Antrag vollständig. (additiv: ‚p, und darüber hinaus (gilt) q‘)

1104

(59a) (59b)

C4 Konditional basierte Konnektoren

Die Unterlagen müssen bis 31.03. eintreffen, außer sie stellen Verlängerungsantrag. (negativ-konditional: ‚p, es sei denn q; wenn q, gilt nicht p‘) Außer dass die Unterlagen verspätet eintrafen, waren sie auch noch unvollständig. (additiv: ‚p, und darüber hinaus (gilt) q‘)

In ihrer additiv basierten Lesart sind sie – mit den evtl. notwendigen syntaktischen Anpassungen bzw. textuell gesteuerten Vertauschungen der Rolle von internem und externem Konnekt – mit additiven Konnektoren wie außerdem oder darüber hinaus, daneben, des Weiteren, ferner, und ansonsten etc. (vgl. C2.1.1), aber in anderen Fällen auch mit adversativen wie aber, allerdings oder nur (vgl. C2.3.1) austauschbar, nicht aber mit den eindeutig negativ-konditionalen wie andere(e)nfalls. (Zu nur als adversativer Konnektor mit Fokuspartikelherkunft vgl. C2.3.7.) In diesen additiv basierten Lesarten sind beide Konnekte im assertiven Fall faktisch. Zunächst einige Anmerkungen zur additiven Lesart. Mindestens ein Faktor zur Disambiguierung zugunsten dieser Lesart kann angegeben werden: Diese ergibt sich vor allem dort, wo (oder wird sogar dadurch erzwungen, dass) der Konnektors außer (dass) von einem (Teil des) externen Konnekt(s) gefolgt wird, in dem der Ausdruck auch noch (oder einer der beiden Ausdrücke) enthalten ist (außer (= zusätzlich dazu,) (dass) q, auch noch p; außer (= neben) N1 auch noch N2), so dass sich eine – allerdings (noch) nicht lexikalisierte – Form analog zu solchen mehrteiligen additiven Konnektoren wie nicht nur (…) sondern auch ergibt. M. a. W., in additiver Lesart kommt außer (dass) häufig mit dieser Fortsetzung vor, und umgekehrt: Diese Fortsetzung ist mindestens ein sprachliches Indiz für diese Lesart dieses Konnektors.  

(60)



Erdogan und Gül wissen, dass eine falsche Entscheidung zu einem jähen Ende ihrer Regierung führen kann. Geben sie den Amerikanern zu weit nach, könnte ihre eigene Basis ihren Kopf fordern; brüskieren sie dagegen Mr. Bush, werden die USA, außer dass sie den Irak trotzdem angreifen, auch noch den Geldhahn für die darbende türkische Wirtschaft zudrehen. (die tageszeitung, 14.01.2003, S. 12)  

Der K ONSEQUENS -Marker ansonst(en) verhält sich mit auch noch in seinem internen Konnekt so ähnlich; ansonst(en) (…) auch noch kann als Ganzes durch einen additiven Konnektor ersetzt werden. Bei sonst dagegen bewirkt der Zusatz auch noch im internen Konnekt ganz und gar nicht die additive Lesart – Belege mit dieser Ausdruckskombination und einer solchen Lesart waren nicht zu finden. Natürlich sind diese sprachlichen Indizien nicht obligatorische Voraussetzung für eine additive Interpretation. Umgekehrt kommen die negativ-konditionalen Konnektoren nicht selten in bereits als konditional markierten Kontexten vor, wo also schon der Satz vorher bzw.

1105

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

das vorangestellte externe Konnekt eine(n Hinweis auf eine) Konditionalrelation enthält, und sind dann, wenn sie sich auf den wenn-/falls-/…-Satz (und nicht etwa, wie in einem Teil der Fälle, auf den Hauptsatz) beziehen und sich die logischsemantische Struktur von „Doppelbedingungen“ wenn/falls/sofern/im Falle o. ä. p, q1, sonst/ansonst(en) [= wenn nicht p] q2 ergibt, stets negativ-konditional zu interpretieren. Das A NTEZEDENS der durch den negativ-konditionalen Konnektor indizierten Relation ist das negierte A NTEZEDENS der anderen Konditionalrelation, in die Konstruktion als ganze gehen dann die K ONSEQUENTEN beider Konditionalrelationen ein, einmal als externes Konnekt (bei der vorangehenden Konditionalrelation), einmal als internes (bei der negativ-konditionalen Relation):  

(61)

Tausend Rupien lassen den Beamten über die Mängel hinwegsehen – wenn er milde gestimmt ist, ansonsten kostet die Nachsicht mehr. (Züricher Tagesanzeiger, 10.10.1998, S. 5)  

Ähnliches gilt naheliegenderweise auch für die A NTEZEDENS -Marker, Struktur: wenn p1, q; außer p2, also wenn p2, (dann doch) nicht-q. (62)

Wenn in Zeiten wie diesen in einem Großbetrieb ein Dutzend Mitarbeiter gekündigt werden, dann findet diese Nachricht kaum mehr den Weg in die Schlagzeilen. Wenn in einem Großbetrieb ein Mitarbeiter gekündigt wird, ist das schon gar nichts Besonderes, außer es handelt sich um das Eisenstädter Rathaus […]. (Burgenländische Volkszeitung, 07.10.2009, S. 7)  

Auch wenn im externen Konnekt ein Negationsausdruck wie niemand, keiner etc. steht, ist außer eher negativ-konditional zu lesen. Das ist aber nur eine Tendenz. Das Vorkommen speziell der Polysemie mit einer additiven Bedeutung findet ähnlich wie die verbreitete Zuordnung der negativ-konditionalen Konnektoren zu den disjunktiven seine Entsprechung in gewissen aussagenlogischen Äquivalenzen der unterliegenden Konditional-Relation (genauer: der logischen Implikation mit Negation eines oder beider Argumente) mit Formen der logischen Konjunktion. Es ist ja eine nachgewiesene Tatsache, dass sich alle aussagelogischen Junktoren auf Kombinationen von Konjunktion Ù und Negation zurückführen lassen. Man kann also unterstellen, dass sich hier ein semantisch-logischer Zusammenhang der zugrundeliegenden Relationen auch sprachlich ganz entsprechend äußert, was ja sonst nicht immer der Fall ist. Logisch betrachtet sind (¬p) → q und ¬(¬p Ù ¬q) einerseits sowie p → (¬q) und ¬(p Ù q) andererseits jeweils äquivalent zueinander. Da sich diese Äquivalenzen aber sprachlich konkret kaum niederschlagen (die entsprechenden Formulierungen, nämlich vor allem zu wenn nicht-p, dann q das komplexe es ist nicht der Fall, dass weder p noch q bzw. auch zu wenn p, dann nicht-q das immer noch umständliche es ist nicht der Fall, dass p und q sind gedanklich-kognitiv wohl zu schwer zu verarbeiten), wollen wir das hier nicht weiter ausführen.

1106

C4 Konditional basierte Konnektoren

Aber auch einen unmittelbar sprachlichen Zusammenhang zwischen negativkonditionaler und additiver Lesart kann man aufzeigen und damit für das heutige Deutsch zugleich die negativ-konditionale als die Grundbedeutung dieser Konnektoren, die additive Lesart als daraus abgeleitete erweisen. Liest man nämlich die negativ-konditional Beziehung statt auf der propositionalen Ebene der bezeichneten Sachverhalte auf der epistemischen Ebene, also im Falle der K ONSEQUENS -Marker p, sonst/ansonst(en), (auch noch) q statt als ‚wenn es nicht so ist wie in p, ist es so wie in q‘ oder als ‚wenn p nicht der Fall ist , gilt q‘ vielmehr als ‚wenn man nicht beachtet , dass p, gilt immer noch q‘, erhält man eine Lesart, die mit einer additiven Interpretation auf der propositionalen Ebene zumindest kompatibel ist bzw. aus der diese pragmatisch folgt. Wir haben hier also einen Bezug auf den gedanklichen Umgang mit der Tatsache, nicht direkt mit der Tatsache selbst. Bei den A NTEZEDENS Markern haben wir ja bereits festgestellt, dass wir ein ggf. eingeschränktes p’ (‚i. d. R. p‘) als behauptet voraussetzen, und dass diese Konnektoren hinzufügen, dass im Falle von nicht-p q gilt. Auch hier kann man die Argumente wieder unter einen epistemischen Operator stellen und erhält so aus ‚wenn es so ist wie in q, wenn q der Fall ist , gilt nicht p‘ für außer q (auch noch) p ‚wenn man q beachtet , braucht man p nicht zu beachten ‘. Die entsprechenden Argumente werden zwar ‚nicht beachtet‘, was aber an der Möglichkeit ihrer faktischen und bedingungs-losen sachlichen Gegebenheit nichts ändert. Damit ermöglicht diese Form eine additiv basierte Lesart. Bei der additiven Verwendung ist auf der propositionalen Ebene keine Negation im Spiel, die entsprechenden Konnektoren induzieren in dieser Verwendung keinerlei Negation in eines der Konnekte. Die Umschreibung geschieht ja nicht mit außerdem/ darüber hinaus (…) nicht, wie es dann analog zu der negativ-konditionalen Bedeutung mit wenn (…) nicht sein müsste. (60) etwa steht für ‚p und q‘, nicht für ‚p und nicht-q‘ o. ä. Anders als in HDK-1: 642 noch unterstellt, hat auch der Konnektor ausgenommen (wenn(!)) keine negativ-additive Lesart ‚und nicht‘. Auch die dort (637) angeführten Beispiele lassen sich durchgängig als ‚außer wenn‘ und somit als ‚(aber) wenn (…) nicht‘ lesen. Anders bei den homonymen Präpositionen, die tatsächlich negativ-additiv/-adversativ vorkommen: Alle Deutschen außer der/ausgenommen die/mit Ausnahme der Pfälzer ‚wenn sie nicht Pfälzer sind‘, ‚und/aber nicht die Pfälzer‘, was sich ja auch durch ohne oder bis auf in einer seiner Lesarten ausdrücken lässt: … ohne/bis auf die Pfälzer. Die Vermutung, dass die Induktion von Negation das wesentliche semantische Kernelement z. B. von sonst sei, speist sich zwar auch aus der Etymologie (Duden Online: „althochdeutsch sus = so (aber, nicht)“, www.duden.de/rechtschreibung/ sonst), bestätigt sich aber umfassend nur an den konditional basierten Lesarten, nicht an der additiven. Bei letzterer beschränkt sich ihr Bezug wie dargestellt auf die epistemische Ebene (dort ist der negativ-konditionale Aspekt bewahrt), sie „verschwindet“ beim Übergang zur propositionalen Ebene. Bei der additiv basierten Lesart der A NTEZEDENS -Marker gibt das interne Konnekt keine Ausnahmebedingung zu der im externen Konnekt bezeichneten Gruppe von  

















1107

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Sachverhalten an, sondern einen (bzw. eine Menge von) weiteren – zusätzlich zu jenen – geltenden Sachverhalt(en), der/die schlicht zusätzlich aufgezählt oder als im Kontrast zu jenen stehend gekennzeichnet wird/werden. Die K ONSEQUENS -Marker nennen eine (zusätzliche) Alternative, wenn p nicht der Fall ist, d. h. sie enthalten die Doppelheit von Bedingung mit Negation und additiv basierter Relation schon per se. Was die adversative Interpretation angeht, ist das Folgende zu bemerken. Auch das konditionale wenn kann ja adversativ verwendet werden, vgl. C4.1.2.2.6. Es gibt zwar, wie dort erwähnt, keinen intrinsischen logischen oder pragmatischen Zusammenhang zwischen Adversativität und Konditionalität, aber eben einen zwischen negativ-konditional/exzeptiv und adversativ. Speziell die Ausnahme-Relation, die bei den A NTEZEDENS -Markern mit im Spiel ist, hat generell eine Tendenz zur Adversativität, da zusätzlich (und „gleichzeitig“) zu der von den A NTEZEDENS -Markern signalisierten negativ-konditionalen Relation zwischen dem ursprünglich geäußerten universalen bzw. uneingeschränkten p bzw. dem demgegenüber durch die AusnahmeBedingung q in seiner Allgemeingültigkeit eingeschränkten p‘ und q noch eine mehrstellige adversative Beziehung des Kontrasts, des Gegensatzes zwischen der R EGEL (der zunächst angedeuteten Unterstellung, dass p generell gilt) und der A USNAHME (der Aussage, dass es allerdings unter der Bedingung q eben nicht gilt) im Spiel ist: p, außer/ausgenommen/es sei denn q ist naheliegenderweise zu lesen als ‚i. d. R. p, aber wenn/wenn aber q, dann (ausnahmsweise) nicht-p‘. Bei dieser Kontrast-Relation fungiert p‘ = ‚i. d. R. p‘ als externes Konnekt und ist nicht einfach q das interne Konnekt, sondern die gesamte negativ-konditionale Konstruktion. Formalisiert: p‘ (meist, i. d. R. p); aber (wenn q, nicht-p). Wir haben also in diesen Fällen gleich zwei Relationen vorliegen (das meint Behaghel 1928: 87 wohl damit, wenn er schreibt, dass die Tatsache, dass „die Ausnahme zum Gegensatz wird“, „wohl das Ergebnis einer Konstruktionsmischung“ sei.) In vielen Fällen reduziert sich die Lesart der Gesamtkonstruktion dann sogar auf diese Kontrast-Relation zwischen ‚oft/meist(!) p‘ und ‚es gibt Fälle von nicht-p‘. Wahrscheinlich an dieses Bedeutungsmoment denkt Jude, wenn er außer dass/wenn in die Nähe der konzessiven Konnektoren rückt: „Zahlreiche E i n s c h r ä nk u n g s s ä t z e (Restriktivsätze) stehen den Konzessivsätzen näher als den Konditionalsätzen“ (1971: 275). An einem Beispiel:  













(63)



































Wescott verweigert seinem Erzähler Tower, tieferen Sinn in dem Schauspiel zu entdecken. Da ist auch nichts, es sei denn eine einfache Arithmetik: Wenn drei mit der Liebe hadern, gibt es immer einen, der verliert […]. (Frankfurter Allgemeine, 1995)

Außer z. B. hat von Anfang an auch eine adversative Seite; nach Pfeifer (1997: 79) bedeutet es schon im 8. Jh. als Konjunktion neben ‚ausgenommen‘ auch ‚aber‘. Nach Auer (1998: 60) gehört außer zu den Konnektoren, die „eine semantische Beziehung […] des Kontrasts bzw. der Einschränkung zwischen aufeinanderfolgenden Äußerungen“ herstellen. Zu einen Gegensatz einleitendem außer dass ‚sondern,  



1108

C4 Konditional basierte Konnektoren

aber‘ vgl. Abraham (1979: 245, vgl. a. 249), zur adversativen Lesart von außer dass ‚nur daß‘ vgl. auch Jude (1971: 208). Eine solche Interpretation kommt offenkundig auch z. B. bei ausgenommen dass ‚nur dass, allerdings, aber‘ vor. Wir variieren in (64a) ein Beispiel aus HDK-1 (641) (Originalbeleg vgl. (74)); die Adversativität wird deutlicher, wenn der Konnektor mit seinem internen Konnekt seinem externen nachgestellt wird:  

(64a) (64b)

Pianos haben viele Vorzüge. Ein gutes Clavicord hat jedoch alle Schönheiten mit jenem gemein, ausgenommen daß es einen schwächeren Ton hat. Der Flohmarkt findet jeden ersten Samstag im Monat statt, außer, der erste Samstag fällt auf einen Feiertag. (Rhein-Zeitung, 04.01.2011, S. 17) → ‚…, wenn aber der erste Samstag auf einen Feiertag fällt, findet er nicht statt‘  

Auch hier noch eine Anmerkung zu einem Disambiguierungsfaktor. Wir haben schon gesehen, dass das interne Konnekt in einigen Fällen mit demselben Wort wie gewisse adversative Konnektoren vor-angekündigt wird (eigentlich/prinzipiell/grundsätzlich (…) aber/außer/es sei denn); in solchen Kontexten liegt nahe, dass der negativ-konditionale Konnektor adversativ zu interpretieren ist. Und auch hier noch eine Anmerkung zum Verbleib der Negation. Bei der adversativen Verwendung ist (anders als bei der additiven) je nachdem Umschreibung mit aber/nur oder mit aber/nur (…) nicht möglich, oder anders betrachtet, wenn bereits mit wenn (…) nicht paraphrasiert wurde, wird dann eben das wenn durch einen adversativen Konnektor ersetzt. In letzterem Fall ist also auch auf der propositionalen Ebene Negation beteiligt. Dies erklärt sich wie folgt: Handelt es sich um eine Verschärfung der additiven Lesart, gilt das dortige Erklärungsmodell (‚wenn (…) nicht‘ auf der epistemischen Ebene) und auf der propositionalen Eben verbleibt wie dort keine Negation. Geht es dagegen um den adversativen Aspekt der negativ-konditionalen Relation, der sich „verselbständigt“, verbleibt die Negation der negativ-konditionalen Relation auch auf der propositionalen Ebene und ist negativ-adversative Umschreibung ‚nur/aber/allerdings nicht‘ angebracht. Auch bei den K ONSEQUENS -Markern steckt eine Kontrast-Relation schon in der negativ-konditionalen Grundbedeutung, auch wieder zwischen einem zunächst angenommenen p (das externe Konnekt wird bei ihnen ja immer zuerst genannt) und dem Zusammenhang ‚wenn aber nicht-p, q‘. Zur adversativen Lesart von sonst vgl. z. B. Eisenmann (1973: 232). Zusammen mit der oben dargestellten Lesart auf der epistemischen Ebene, die eine faktische Interpretation der Konnekte und eine additiv basierte Lesart der Relation ermöglicht, erhalten wir so das gewünschte:  

(65)

Die Bundesbahn mußte einen Lokschaden auf der Strecke von Roth nach Nürnberg beheben, ansonsten gab es keine Probleme […]. (Nürnberger Nachrichten, 30.11.1993, S. 9) → ‚wenn wir das aber nicht berücksichtigen …‘, also ‚darüber hinaus aber, außerdem aber …‘  

1109

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

In der additiven Lesart kann die Konstruktion (wie bei und etc.) temporal, kausal etc. weiterinterpretiert werden. Eine spezielle Form der Kontrastlesart stellen die lokalen und temporalen Spezifikationen der negativ-konditionalen K ONSEQUENS -Marker der -sonst-Gruppe dar, die in manchen Wörterbüchern als eigenständige Bedeutungen angegeben werden (vgl. zur temporalen Lesart von sonst etwa HDG: 1066; P AUL 102002: 926/7; Duden-Herkunftswörterbuch 21989: 682; darauf, dass sich eine enge Verwandtschaft von Konditionalund Temporal-Relationen auch bei wenn zeigt, gehen wir in C4.1.2.2.1 und C4.1.3.1.1–3 ausführlich ein): ‚anderswo, an anderen Orten (hingegen, jedoch, demgegenüber)‘ (66a), ‚zu anderen Zeiten‘ (66b); sowie die, die sich in ihrer Vagheit wohl am besten mit ‚bei anderer Gelegenheit, in anderen Fällen‘ wiedergeben lassen, was i. d. R. ‚zu anderen Zeiten (und ggf. Orten)‘ mit inkludiert (66c).  

(66a)

(66b)



Der Samstag beginnt besonders in den süddeutschen Flussniederungen vielerorts mit Nebel und vom Saarland bis zur Nordsee mit vereinzelten Regenschauern, sonst aber [ist es] meist freundlich. (dpa, 29.09.2006; Zusammenfassung 1215) Als wir aus dem Glockenturm schauten, fielen uns die vielen Hakenkreuzfahnen auf – sonst wehten immer viele rote Fahnen –, die an vielen Gebäuden heraushingen. (Braunschweiger Zeitung, 12.03.2013, o. S.) Die Regierung, die sich ansonsten ohnehin nie blicken läßt und höchstens vor Wahlen eine Spur der Kinderküssung durchs Land zieht, soll ruhig einmal hautnah mitbekommen, was sie mit ihrer Politik dort unten so alles bewegt. (Salzburger Nachrichten, 28.10.1997, o. S.)  

(66c)



Nun lassen sich diese Fälle nicht auf eine einfache und sprachlich überzeugende Weise negativ-konditional reformulieren oder gar paraphrasieren, aber ähnlich wie oben ausgeführt auf eine Weise analysieren, die doch die negativ-konditionale Fundierung sichtbar macht, nämlich wieder als Beziehung auf der epistemischen Ebene: wenn man aber nicht an den Ort/die Zeit/die Gelegenheit x denkt oder von x spricht … Es gibt aber auch Fälle, wo durchaus direkt eine negativ-konditionale Umschreibung (zusätzlich zur z. B. temporalen) möglich ist: In Münster läuten täglich die Glocken, sonst/ansonst(en) ‚zu anderen Zeiten + wenn das aber nicht so ist‘ regnet es. NTEZEDENS EZEDENS -Markern Eine ähnliche Bedeutungserweiterung zeigt sich bei den A NT außer und ausgenommen beim Bezug auf Gegenstände oder auf – wieder vor allem lokale und temporale – Sachverhaltsaspekte statt auf „ganze“ Sachverhalte, mit denen der Bereich der Verwendung der entsprechenden Ausdrücke als Konnektoren genau genommen verlassen wird (es handelt sich dann um Präpositionen, Adverbien o. ä.), die sich aber ebenfalls mit einem Rekurs auf die negativ-konditionale Relation erklären lässt, worauf wir hier nur kurz hinweisen wollen, denn diese Verwendungsweisen kommen auch mit satzförmigen Konnekten vor und verdienen daher hier kurze Erwähnung. So kann wie In Südkalifornien regnete es täglich, außer/ausgenom 



1110

C4 Konditional basierte Konnektoren

men als wir Wasser brauchten als ‚…, nicht aber, wenn wir Wasser brauchten‘ auch alle außer dem Chef als ‚…, nicht aber, wenn es sich um den Chef handelt ‘ erklärt werden, [In Südkalifornien regnet es] täglich außer sonntags als ‚…, nicht aber, wenn es Sonntag ist‘, [Es regnet] überall außer in der Pfalz – etwas mühsamer – als ‚…, nicht aber, wenn es sich um die Pfalz handelt ‘ (Dies geht besser, wenn man wie oben dargestellt auf die epistemische Ebene wechselt). Die Relation ist dieselbe, nur dass ihre Bezugsgrößen (Argumente) statt Sachverhalten Sachverhalts-Partizipanten („Gegenstände“ i. w. S.) oder Sachverhalts-Aspekte besonderer Art (Zeiten, Räume) sind. In letzterem Fall müssen die oberflächlichen Konnekte bei einer Umformulierung zu Sachverhaltsbezeichnungen ergänzt werden. Während im heutigen Deutsch die negativ-konditionale als Grundbedeutung dieser Konnektoren anzusehen ist und die anderen Lesarten auf die genannte Weise daraus abgeleitet werden können, hat die diachrone Entwicklung der beiden A NTEZEDENS -Marker ausgenommen und außer gerade die umgekehrte Entwicklungsrichtung genommen. Außer war ursprünglich lokal, ein Komparativ der Präposition aus (‚außerhalb von‘). Die Kernbedeutung aller heutiger außer-Varianten ist aus dieser lokalen auf typische Weise (nämlich vom materiellen, konkret-anschaulichen – räumlichen – zum zunehmend ideell-kognitiven, abstrakten – über das temporale dann zum rein logischen) metaphorisch übertragen. Die ursprünglich rein lokale Bedeutung als Präposition ist heute noch in Wendungen wie außer Haus(e(s)) erhalten sowie in dem rein lokativen Kompositum außerhalb (vgl. Pfeifer 1997: 79). Die Bildung außerdem ist dagegen rein additiv. Bei der deverbalen Bildung ausgenommen lässt sich die Bedeutung der ganzen Heterosemen-Gruppe ganz entsprechend auf das Ausgangsverb zurückführen. Allgemeine gemeinsame Bedeutung aller Verwendungen und Varianten (Präposition; Adjunktor; Konnektor-Einzelgänger, mit dass auch Subjunktor) des Ausdrucks ausgenommen ist ‚etwas aus etwas extrahieren‘, was man wie außer letztlich auf die epistemische Ebene übertragen interpretieren kann (also ‚gedanklich einen Teil aus einem Ganzen, etwa eine Teil- aus einer Grundmenge – einem Bereich beliebiger Art – (her-)ausnehmen‘ o. ä.), womit wir bereits im für den Konnektor einschlägigen Bedeutungsbereich sind. Das Gemeinsame mit den Konnektoren-Verwendungen lässt sich mit einem Modell der Mengensubtraktion fassen: Aus einer im externen Konnekt gegebenen Grundmenge bestimmten durch das externe Konnekt definierten oder anderweitig im Diskursuniversum gegebenen Typs (Sachverhalte, Zeitpunkte oder -räume, Orte oder räumliche Bereiche, Personen etc.) wird unter der im internen Konnekt benannten Bedingung eine Teilmenge, bestehend aus einem oder mehreren Elementen dieses Typs, „(her-)ausgenommen“, auf die der im externen Argument bezeichnete Sachverhalt nicht zutrifft, der „außerhalb“ des vom externen Konnekt aufgespannten Bereiches liegt. „Bei der Exklusionsrelation (außer, ausgenommen) wird aus einer Menge von typgleichen Elementen eines herausgenommen“ (Breindl 2012: 95). Diese  









1111

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Konnektoren signalisieren sozusagen eine sprachliche Subtraktionsanweisung ‚davon abgezogen‘, die sich je nach Kontext anders ausbuchstabiert. (Vgl. zu außer z. B. auch Behaghel 1928: 85: (Die Konjunktion) „außer ist ausnehmend; es führt eine Größe ein, die von einer der ganzen Kategorie geltenden Aussage nicht betroffen wird“.) So („subtraktiv“) erhalten wir die negativ-konditionale Verwendung, aber analog ergibt sich auch die additiv basierte als Variationen von ‚ein Teil aus einem Ganzen herausheben, extrahieren‘, hier aber mit umgekehrter Perspektive, tatsächlich „additiv“: Bei der additiven Lesart von außer wird nicht von der Obermenge ausgegangen (das interne Konnekt bezeichnet keine Teilmenge der im externen Konnekt genannten Ereignisse, nennt vielmehr einen zusätzlich bestehenden Sachverhalt), sondern umgekehrt von einer Teilmenge auf die Komplementär- oder eine weitere Teilmenge im Rahmen der Obermenge vorangeschritten, z. B. bei einer Menge von zeitlichen Bestimmungen: In Südkalifornien regnet es außer sonntags auch montags. Die „Subtraktionsbedeutung“ von außer gilt aber auch hier sehr wohl, nämlich auf einer metakommunikativen Ebene: Der Sprecher signalisiert dem Hörer, dass er von der Menge aller im aktuellen Gesprächszusammenhang vom Sprecher für relevant erachteten Sachverhalte sozusagen das im außer-Satz genannte Ereignis abziehen soll, davon absehen soll. Das, was Boettcher/Sitta (1972: 204) zum Typ „exzeptiv“ außer dass (wobei beide dort angegebenen Beispiele additiv/adversativ, nicht negativ-konditional sind) sagen, nämlich, er „grenzt einen Tätigkeitsbereich aus dem Restbereich der Gesamttätigkeit aus“, gilt in diesem Sinne für beide Verwendungsweisen. Auf diese Weise werden alle Lesarten von außer und ausgenommen (in allen Formen) erfasst. Die mengentheoretische Analyse erklärt auch eine zunächst merkwürdig anmutende Tatsache: Angemessene Umschreibungen für die additive Lesart dieser Konnektoren sind Ausdrücke wie die oben angegebenen, etwa der additive Adverbkonnektor darüber hinaus sowie (und) außer(!)dem etc. und (deutlich mit inkorporierter Negation!) abgesehen davon (‚wenn man davon absieht, wenn man das ignoriert, es nicht beachtet/bedenkt‘) ‚zusätzlich gilt, ein weiteres Argument ist‘; in (67) z. B. sind alle diese Ersatzausdrücke möglich. Alleinstehendes und – der prototypische additive Konnektor – dagegen kann diese Funktion nicht erfüllen. Das liegt eben daran, dass wir hier nicht schlichte Additivität, sondern so etwas wie Mengensubtraktion haben, die mit und nicht ausgedrückt werden kann, wohl aber mit den anderen genannten Ausdrücken.  





(67)

Wenig Überraschungen in der Fußball-Bezirksliga 1: Einzig und allein die SV Meinersen landet zu Hause gegen den besser platzierten STV Holzland den Coup. Ansonsten war für Außenseiter wenig zu holen. (Braunschweiger Zeitung, 29.10.2007, o. S.)  

Allerdings gibt es durchaus Fälle, wo auch und als bedeutungsbewahrendes Substituens in Frage kommt; so das additive Beispiel Anna kommt, sonst niemand ‚…,

1112

C4 Konditional basierte Konnektoren

darüber hinaus kommt niemand‘, aber eben auch ‚… und niemand ander(e)s kommt‘. Die Struktur ist die gleiche wie in (67): Zunächst, im externen Konnekt, wird die Ausnahme genannt, dann, im internen, die Grundgesamtheit, von der in (67) dieser seltenere Fall „abgezogen“, ausgenommen wird. In den Fällen, wo Paraphrase mit ‚und‘ auch möglich ist, haben wir dagegen den umgekehrten Vorgang: Es wird nicht von einer Grund- und Gesamtmenge eine Ausnahmenmenge abgezogen, sondern es wird zu einer Teilmenge eine weitere hinzugefügt („addiert“), um so als Vereinigungsmenge die vollständige Grund- oder Bezugsmenge zu erhalten.

4.6.3 Semantische Besonderheiten einzelner negativ-konditionaler Konnektoren: Differenzparameter Die negativ-konditionalen Konnektoren haben innerhalb der jeweiligen Unterklasse relativ geringe Bedeutungsunterschiede. Innerhalb der K ONSEQUENS -Marker hat das morphologische Variantenpaar ansonst und ansonsten und erwartungsgemäß auch anderenfalls gegenüber der rein lautlich/graphischen Variante andernfalls offenkundig sogar untereinander gar keinen Bedeutungs- oder Verwendungsunterschied außerhalb eines rein diachron bzw. regional fundierten. Auch die syntaktischen Varianten der ansonsten identischen Konnektoren (K K ONSEQUENS -Marker als Adverbkonnektor bzw. Postponierer) sind jeweils völlig synonym, es gibt zwischen ihnen keinen Bedeutungsunterschied. Die Relation bleibt bei Wechsel der syntaktischen Klasse unverändert und auch die Rollenverteilung auf internes und externes Konnekt ist jeweils dieselbe, so dass sich die beiden Varianten in allen Fällen durch Umstellung bedeutungsbewahrend ineinander umformen lassen. Es liegen nicht etwa Konversen vor. Am Beispiel von andernfalls (vgl. dazu HDK-1: 682 und 685) vgl. Beleg (68); Analoges gilt für widrigenfalls (vgl. schon das Paar (7) vs. (8)) und ansonst(en). (68)

Zuvor hatte Reinicke Eberlein gedroht, ja bei der Super-Version zu bleiben, andernfalls er eins „übergezogen“ bekäme. (die tageszeitung, 11.11.1992, S. 1) ‚…, andernfalls bekäme er eins „übergezogen“‘.  

4.6.3.1 (Un-)Möglichkeit der Polysemie negativ-konditional/additiv basiert Einige negativ-konditionale Konnektoren sind regulär polysem, andere nicht. Von den K ONSEQUENS -Markern haben sonst und ansonst(en) neben einer negativkonditionalen auch eine additive Bedeutungsvariante ‚außerdem, daneben, darüber hinaus, des Weiteren‘. So sind in folgenden Beispielen (69a) (nonfaktisch) und (69b) (faktisch-kontrafaktisch) eindeutig negativ-konditional gemeint, (69c) ist dagegen additiv zu verstehen.

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

(69a) (69b) (69c)

1113

Der Antrag muss vollständig sein , sonst/ansonsten kann er nicht berücksichtigt werden. Der Antrag war vollständig. Sonst/Ansonsten hätte er nicht berücksichtigt werden können. Es fehlte nur eine Bescheinigung der Krankenkasse. Sonst/ansonsten war der Antrag vollständig.  

Dabei hat der Adverbkonnektor ansonsten im Vorfeld und in abgeschwächtem Maße im Mittelfeld eine massive Tendenz zu einer additiven Lesart. Als Postponierer ist diese Interpretation deutlich seltener zu finden. Die negativ-konditionale Verwendung des Adverbkonnektors – die durchaus auch vorkommt, aber in (69) oder auch in (70) von verschiedenen Gewährsleuten hinsichtlich ihrer Akzeptabilität unterschiedlich bewertet wird – könnte eine reine Interferenz des ähnlich klingenden sonst sein, das ja ebenfalls ein Adverbkonnektor ist. (70)

Die Beseitigung steuerlicher Ungleichgewichte […] forderte gestern VKB-Generaldirektor Gernot Krenner. Ansonsten werde es auch für gut fundierte Banken schwierig, die EGkonformen Bestimmungen risikogewichteter Eigenvorsorge zu erfüllen. (Die Presse, 04.01.1992, o. S.)  

Die beiden anderen K ONSEQUENS -Marker, ander(e)nfalls und widrigenfalls, können demgegenüber nicht additiv (basiert) gebraucht werden, weder als Adverbkonnektor noch als Postponierer (wobei in den Belegen vereinzelt offenkundige Verwechslungen von ander(e)nfalls mit adversativem andererseits vorkommen). An Beispielen mit denselben präsumtiven Interpretationen wie in (69): (69a)’ (69b)’ (69c)’

Der Antrag muss vollständig sein , andere(e)nfalls/widrigenfalls kann er nicht berücksichtigt werden. Der Antrag war vollständig. Andere(e)nfalls/*Widrigenfalls hätte er nicht berücksichtigt werden können. Es fehlte nur eine Bescheinigung der Krankenkasse. *Andere(e)nfalls/*Widrigenfalls war der Antrag vollständig.  

Es kann allerdings nicht – wie man auf den ersten Blick meinen könnte – der (selbständig auch als konditionaler Konnektor vorkommende) Bestandteil -falls sein, der eine additive Lesart verhindert, denn es gibt neben dem konditionalen Konnektor falls und dem irrelevanzkonditionalen jedenfalls sehr wohl ausschließlich additive Konnektoren mit diesem Morphem (ebenfalls, gleichfalls, vgl. C2.1.1); das lässt sich so erklären, dass sie direkt von einer genitivischen Nominalphrase mit dem Substantiv Fall als Kopf abgeleitet sind, nicht von demgegenüber bereits spezifischerem falls. Widrigenfalls wäre in (69b)’ akzeptabel, wenn das externe Konnekt als ‚Der Antrag war vorschrifts gemäß ausgefüllt worden ‘ gemeint wäre bzw. gelesen würde.  



1114

C4 Konditional basierte Konnektoren

Wir haben also die Möglichkeit einer additiven Interpretation – das Vorliegen regulärer Polysemie bei sonst/ansonst(en) gegenüber den monosemen Konnektoren andere(e)nfalls und widrigenfalls – als Differenzparameter innerhalb der K ONSEQUENS Marker anzusehen. Aber auch die A NTEZEDENS -Marker unterscheiden sich in Hinsicht auf die Möglichkeit einer additiven Lesart voneinander. Es sei denn (dass) und der Mittelfeld-Adverbkonnektor dennN E G - K O N D können nicht additiv(-basiert) vorkommen. (Zu es sei denn vgl. GDS: 2431.) Außer dagegen kommt auch additiv basiert vor (vgl. etwa GDS: 2429). Vor allem außer dass ist in Bezug auf deklarative externe Konnekte (incl. rhetorischen Fragen etc.) in den meisten Fällen nur mit additiv basierter Lesart akzeptabel – additiv wie vor allem in den außer dass … auch noch-Formulierungen (vgl. schon (59b) und (60)) oder adversativ, wie in folgenden Belegen, die zwar Ersatz des Konnektors durch einen adversativen (aber, jedoch, nur (dass)), nicht aber durch und oder einen anderen der o. g. additiven (außerdem) etc.) erlauben:  

Es gab kein Problem, außer dass ab und an ein Automat kaputt war. (die tageszeitung, 23.06.2001, S. 32) Und daher ist es vielleicht sogar möglich, die Wochenarbeitszeit von Angestellten von 38,5 auf 40 Stunden zu erhöhen. Für viele Mitarbeiter wie im Klinikum würde sich wenig ändern – außer, dass sie rechnerisch die Anzahl ihrer Überstunden reduzieren würden. (Braunschweiger Zeitung, 19.10.2005, o. S.)

(71a)



(71b)





Mit einem externen Konnekt anderer Sprechaktcharakteristik bzw. anderen Satzmodus‘ kann außer dass dagegen auch negativ-konditional sein und gehört daher mit in die Bestandsliste dieser Klasse. Das gilt insbesondere, wenn p vom Typ Aufforderung i. w. S. (explizit oder implizit performativ) oder eine normative „Aussage“ ist.  

(72a)

(72b)



Greife nie zum Schießeisen, außer dass/ausgenommen dass es um dein Leben geht! → ‚…, wenn es aber um dein Leben geht, tu es doch (= nicht nie)!‘ Es besteht keine Steuerpflicht/Du musst keine Steuer bezahlen, außer dass/ ausgenommen dass dein Einkommen über 100.000 Euro liegt.  

Und einige wenige Beispiel gibt es auch, in denen die Abfolge außer dass nicht zusammen (als Ganzes lexikalisiert) als additiv gemeint ist und empfunden wird, sondern wie der dann negativ-konditionale verwendete Konnektor außer mit einem dass-Satz als internes Konnekt, so etwa (32), das aber – wie generell die negativkonditionalen A NTEZEDENS -Marker – auch einen deutlich adversativen Anstrich hat: es gibt keinen Anlass für q, außer dass p ‚wenn nicht & allerdings doch den, dass p‘. Wenn B USCHA (1989: 42/43) schreibt, abhängig vom Kontext entspreche die Konjunktion außer entweder außer dass oder außer wenn, so ist damit wohl auf die

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1115

Doppeldeutigkeit von außer zwischen einer additiven und einer negativ-konditionalen Lesart und die Möglichkeit seiner Desambiguierung durch die Zusätze dass bzw. wenn angespielt. Vgl. zu außer (wenn) und außer dass ausführlicher Behaghel (1928: 86/87). Anders als in HDK-1 (592) suggeriert, ist außer dass also nicht immer additiv. Und das auch im konstativen Fall: Vor allem, wenn es mit seinem internen Konnekt dem externen folgt, bleibt eine negativ-konditionale Interpretation möglich. Hierher gehört auch Abrahams (1979: 240) Beispiel Es gibt keinen Ausweg, außer dass/wenn wir ihn um Hilfe bitten: ‚Wenn wir ihn aber um Hilfe bitten, gibt es doch einen Ausweg (nämlich in einer Interpretation eben genau diesen; in einer anderen: einen oder mehrere hier ungenannte, die dann folgen, wenn wir um Hilfe gebeten haben)‘. Auch ausgenommen dass kann auch – und zwar auch in Bezug auf wahrheitswertfähige bzw. -orientierte (i. w. S. assertive) externe Konnekte – negativ-konditional zu interpretieren sein, so etwa im folgenden Beleg aus HDK-1: 641.  

(73)



Ausgenommen, daß man von Jugend auf daran gewöhnt sei, sind prächtige Zimmer und elegante Hausgeräte etwas für Leute, die keine Gedanken haben und haben mögen. (Süddeutsche Zeitung, 02.12.1995, S. 907)  

Somit gilt für die Varianten mit oder ohne dass: Bei ausgenommen (vgl. a. HDK-1 641, 646) und es sei denn ändert die Hinzufügung von dass nichts signifikant an der Bedeutung bzw. am Bedeutungsspektrum der Ausdrücke, bei außer sehr wohl. Es sei denn und es sei denn dass sind Synonyme zueinander. Der Konjunktiv von sei induziert bereits hinreichend Nonfaktizität, ist in dieser Hinsicht gewissermaßen stärker als das spätere und entferntere dass und dominiert dessen potenziell faktizitätsherstellende Wirkung. Umgekehrt lässt sich bei der adversativen (oder wie in (74) konzessiven ‚wenn auch‘) Lesart von ausgenommen dass (‚aber, nur dass‘) das dass nicht weglassen, da sich sonst die für alleinstehendes ausgenommen allein mögliche (im folgenden Beleg widersinnige) negativ-konditionale Interpretation ‚wenn nicht‘ ergäbe: (74)

Die neuern Forte piano […] haben viele Vorzüge […]. Ich glaube aber doch, daß ein gutes Clavicord, ausgenommen daß es einen schwächern Ton hat, alle Schönheiten mit jenem gemein […] hat […]. (Süddeutsche Zeitung, 04.04.1998, S. 907) / *ausgenommen es hat …  

Wir sehen, dass keinesfalls die Hinzufügung von dass zu einem der konjunktionalen Einzelgänger A NTEZEDENS -Markern systematisch in einer rein additiven SubjunktorVariante resultiert, wie man vielleicht hätte vermuten können; dass fungiert ja häufig als Faktizitätsmarker, hat hier aber nicht diese Wirkung.

1116

C4 Konditional basierte Konnektoren

Exkurs: Zum Verhältnis von abgesehen davon (dass) zu den negativ-konditionalen Konnektoren Der nicht nacherstfähige Adverbkonnektor abgesehen davon bzw. der Subjunktor abgesehen davon dass wie auch seine präpositionale Variante abgesehen von wird in manchen Wörterbüchern und in einschlägiger Literatur (vgl. etwa Abraham 1979: 411) als Synonym zu den Konnektoren bzw. Präpositionen außer oder sonst angeboten bzw. umgekehrt wird seine Bedeutung mit jenen erklärt (die präpositionale Variante und die Präposition außer etwa in HDG: 7). Man könnte daher annehmen, dass er zu den negativ-konditionalen Konnektoren zu rechnen ist. Dafür würde sein Aufschlusswert sprechen, aus dem sich beide Komponenten ergeben: Von dem Verb, von dem es abgeleitet ist, „erbt“ es eine dort schon inkorporierte Negation (absehen von ‚etwas nicht in Betracht ziehen‘ – wobei ähnlich wie bei ausgenommen Übertragung aus der sachlichenwörtlichen Bedeutung ‚nicht hinsehen‘ auf die kognitiv-epistemische Ebene vorliegt, vgl. DUW: 92 sowie HDG: 19), und aufgrund der Abstammung von dessen Partizip II lässt es sich konditional paraphrasieren: abgesehen davon ‚wenn man davon absieht‘, analog zu den gleichartig gebildeten deverbalen Verbzweitsatz-Einbettern wie angenommen, gesetzt, vorausgesetzt, die stets konditional sind und ebenfalls eine Subjunktor-Variante mit … dass haben, vgl. C4.1.3.2. Eine streng negativ-konditionale Lesart des Konnektors abgesehen davon (dass) fand sich aber in den gesichteten Zufallsbelegen nicht. In (75) ist abgesehen davon (wenn) synonym mit ‚außer wenn, mit der (einen) Ausnahme, wenn‘, hier wird aber das konditionale Bedeutungsmoment von wenn beigetragen, abgesehen davon selbst steuert nur ein negatives, adversatives Moment ‚nur nicht‘ dazu bei.  

(75)

Es ist unglaublich, wie viel Müll neben den Strassen liegt und wie wenig dagegen unternommen wird. Keine Aufklärung, keine Schlagzeilen – abgesehen davon wenn im Frühjahr der große Frühjahrsputz von diversen Vereinen und Gemeinden gestartet wird und wie wild gesäubert wird, ohne das Übel bei der Wurzel zu packen. (Niederösterreichische Nachrichten, 18.11.2008, S. 50)  

Somit ist es mindestens nicht notwendig erforderlich, abgesehen davon (dass) unter die negativkonditionalen Konnektoren zu rechnen. Vielmehr ist es in seiner Kernbedeutung additiv ‚zusätzlich gilt‘ und eben auch nicht zwingend negationsinduzierend: abgesehen davon, dass p, q heißt ‚p und q‘. Somit eignet sich abgesehen (da)von (dass) sogar als Indikator für das Vorliegen einer additiven Lesart der polysemen negativ-konditionalen Konnektoren: In ihrer additiven Variante sind sie, gleich ob als Konnektor oder – soweit vorkommend – als Präposition etc., Synonyme für abgesehen (da)von (dass), worauf auch schon Abraham (1980: 411) aufmerksam gemacht hat; und das heißt: Wenn eine außer (dass)/sonst/ansonst(en)-Konstruktion mit abgesehen (da)von (dass) substituierbar ist, ist sie additiv basiert zu verstehen, wenn nicht, nicht. Ausgenommen (dass) hat keinen analogen Weg zu einem lexikalisierten additiven Konnektor genommen. Hier dominiert noch die Verbbedeutung und die Analogie zu ähnlich klingenden konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern wie angenommen (dass). Auf eine weitere, wenn auch seltenere, nämlich irrelevanzkonditionale (also auch konditional basierte und negationsinduzierende!) Verwendung von abgesehen davon (dass) gehen wir nicht näher ein. Paraphrase mit außer oder sonst/ansonst(en) scheitert hier folgerichtig. Aber bei Zusatz von wie, wo es auch oft universal-irrelevanzkonditional zu verstehen ist, kann abgesehen davon in anderen Fällen auch für Ausnahme-‚außer‘ stehen: (76)

„Ich denke, dass Deutschland nun an der Reihe ist ein großes Turnier zu gewinnen. Ich bin zwar kein Fan der Deutschen, abgesehen davon wie sie den Fußball verkaufen, doch sie haben eine junge und trotzdem eingespielte Mannschaft.“ (Burgenländische Volkszeitung, 07.06.2012, o. S.) → ‚mit der Ausnahme/außer bzgl. der Art wie sie den Fußball verkaufen‘  

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1117

Jedoch ist auch dieses abgesehen davon wie das entsprechende außer nur negativ-konditional in dem Sinne ‚wenn man die Art, wie sie …, nicht berücksichtigt; (außer wenn =) wenn man das doch tut, bin ich (in dieser Hinsicht und insoweit) Fan‘; auf der propositionalen Ebene dagegen wäre es adversativ zu interpretieren (‚nur‘: zwar wohl in dieser Hinsicht, aber in keiner anderen). Und entsprechende Konstruktionen können auch direkt additiv zu interpretieren sein: (77)

Heute werden Vollernter eingesetzt, die in einer Stunde das schaffen, was früher ein Dutzend Erntehelfer in zehn Stunden leisteten. „Einmal ganz abgesehen davon, wie schwierig, ja fast unmöglich es heute geworden ist, überhaupt Erntehelfer zu finden“, bekräftigt Hünerkopf. (Rhein-Zeitung, 27.03.2001, o. S.) → ‚und ein weiteres Argument dafür, Vollernter einzusetzen, ist, dass es heute so schwierig geworden ist, …‘  

4.6.3.2 Semantische Auswirkung der Hinzufügung eines konditionalen Konnektors bei den A NTEZEDENS -Markern Die negativ-konditionalen Konnektoren, und hier speziell die konjunktionalen unter den A NTEZEDENS NTEZED ENS -Markern, können auch mit einem konditionalen Konnektor – vor allem wenn – kombiniert vorkommen; diese Zusammenstellungen werden verschiedentlich auch als eigener Konnektor angesehen. (Für den adverbialen negativ-konNTEZEDENS EZEDENS -Marker denn gilt dies nicht, da er nur im Mittelfeld vorkommt ditionalen A NT und daher nicht auf gleiche Weise mit wenn zusammengekoppelt werden kann.) So hat Buscha (vgl. 1989: 18, 42–46) neben außer und außer dass u. a. auch außer wenn als eine „subordinierende Konjunktion“. Die Auswirkung der Hinzufügung oder Weglassens bzw. des Fehlens von … wenn ergibt einen weiteren Differenzparameter, der NT EZEDENS -Markern es sei denn und ausgenommen einerseits und zwischen den A NTEZEDENS außer andererseits unterscheidet.  

(78a1)

Bei einem der Überfälle wurde ein Volkswagen als Fluchtfahrzeug eingesetzt, eine von Bilderdieben gerne genutzte unauffällige Marke – ausgenommen, wenn es schnell gehen soll, dann ziehen sie Fahrzeuge der VW-Tochter Audi vor. (Nürnberger Nachrichten, 12.04.2008, S. 3) → wenn es schnell gehen soll, nutzen sie sie nicht gerne, sondern ziehen … vor Von vornehmer Geburt […], war [er] immer heiter und liebenswürdig, ausgenommen wenn er von den Schlachten und dem Unglücke seines Vaterlandes, von seinem Hasse gegen Rußland sprach. (Keller, Der grüne Heinrich. Digitale Bibliothek, S. 26334) Der Mensch nimmt kaum Plutonium auf, es sei denn, wenn es zu einem ungewollten Ausstoß bei der Verwendung, dem Transport oder der Entsorgung von Plutonium kommt. (www.lenntech.de/pse/elemente/pu.htm) Spezielles Futter gibt es nicht , außer wenn der Weizen ausgegangen ist. Dann werden Pellets angeboten – spezielles, in Miniwürstchenform gepresstes Kraftfutter. (Die Rheinpfalz, 16.01.2010, S. 22)  

(78a2)



(78b)

(78c)





1118

C4 Konditional basierte Konnektoren

Bei es sei denn ändert wenn nichts an der Bedeutung der Form ohne es; es sei denn, wenn wie z. B. in (78b) könnte also als Ganzes als negativ-konditionaler Konnektor angesehen werden, die Konstruktion könnte jedenfalls bedeutungsgleich auch mit es sei denn mit Verbzweitsatz als internem Konnekt oder sogar auch mit es sei denn, dass formuliert werden – und das gilt durchgängig für Belege dieser Art. Auch in Belegen mit ausgenommen wenn lässt sich das wenn weglassen, ohne dass es zu einer Bedeutungsänderung kommt, vgl. etwa (78a); nur das Verb im internen Konnekt muss natürlich wieder entsprechend umgestellt werden. Ausgenommen, ausgenommen wenn und ausgenommen dass sind Synonyme zueinander. Umgekehrt betrachtet: Das hinzugefügte wenn ist bei ausgenommen und es sei denn (wenn es nicht kataphorisch ist, also sein K ONSEQUENS ihm nicht erst noch folgt) redundant, d. h. es „verdoppelt“ und verstärkt nur das konditionale Moment, das der Konnektor schon für sich hat, womit aber weder an dessen negativ-konditionaler Bedeutung noch z. B. an den Faktivitätswerten seiner Konnekte (beide nonfaktisch) etwas geändert wird. Nun wäre ein rein redundanter Zusatz unter Aspekten der Sprachökonomie sehr verwunderlich. Und tatsächlich kann das wenn bei es sei denn und ausgenommen – auch wenn es eben nichts an deren Bedeutung ‚wenn aber q, dann nicht p‘ ändert – durchaus eine eigene Funktion haben, nämlich (mindestens) die, dass es eine Fortsetzung durch eine konkrete Alternative (dann nämlich r anstelle von p) erleichtert, die zwar auch ohne wenn möglich ist, aber durch … wenn dadurch flüssiger in den Text eingefügt wird, dass sie schon „vorangekündigt“ wird und somit erwartbar ist (vgl. z. B. (78a1)). Das semantische Verhältnis von Regelfall und Ausnahme(-bedingung) bleibt bestehen. Eine spezifische semantische Wirkung hat ein folgender wenn-Satz demgegenüber da, wo beim alleinstehenden Einzelgänger mehr als eine Bedeutungsvariante in Frage kommt, bei außer nämlich: Der Zusatz von wenn spezifiziert hier die Bedeutung als konditional basiert und so werden mögliche Missverständnisse vermieden. M. a. W. die Variante außer wenn ist anders als die Einzelgänger-Variante außer monosem. Wenn ist in außer wenn also nicht redundant. Der Ersatz durch außer wenn bietet sich somit auch als Test an, ob bei einer Formulierung mit außer alleine die negativkonditionale Lesart vorliegt (vgl. Näheres dazu und zur Alternative außer im Fall dass bei Abraham 1979: 243). Diese Disambiguierung durch wenn ist aber nicht zwingend erforderlich und sie ergibt sich andererseits kompositionell, weswegen wir die Zusammensetzung außer wenn nicht als eigenen Konnektor aufnehmen, sondern als frei bildbar betrachten. Das entsprich einer entsprechenden Bemerkung in GDS: 2340. Außer wenn kann im Unterschied zum Einzelgänger außer bei negativ-konditionaler Interpretation mit seinem internen Konnekt seinem externen vorangestellt sein. Folgende Reihe von Beispielen soll in jedem Fall bedeuten „Er ist so gut wie immer gut gelaunt, wenn er (aber) ein Spiel des 1. FCK sieht, ist er nicht gut gelaunt“:  













1119

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Außer wenn er ein Spiel des 1. FCK sieht, ist er stets gut gelaunt. *Außer er sieht ein Spiel des 1. FCK, ist er stets gut gelaunt. Er ist er stets gut gelaunt, außer wenn er ein Spiel des 1. FCK sieht. Er ist er stets gut gelaunt, außer er sieht ein Spiel des 1. FCK.

(79)

Exkurs: Zur dazu alternativen Fortsetzung mit dem konditionalen Subjunktor falls Man sollte annehmen, dass eine Fortsetzung mit falls, das ja eindeutiger konditional ist als wenn (vgl. C4.1.3.1 ff.), dieser Desambiguierungsaufgabe noch besser gerecht würde. Tatsächlich aber wird diese Möglichkeit nur sehr selten genutzt. Außer falls ist deutlich seltener belegt als außer wenn; in den geschriebensprachlichen Korpora des IDS finden sich gerade mal etwa fünf einschlägige Belege, z. B.:  



(80a) (80b)

Ich bin mit meinem Teil jetzt fertig (außer falls dir noch Mängel im Rezeptionsteil auffallen sollten ) […]. (Diskussion: Platon/Archiv, Wikipedia, 2011) Das korrigierte Bestimmtheitsmaß R2 kann auch negative Werte annehmen und ist kleiner als das unbereinigte, außer falls R2 = 1, dann ist auch R2 = 1. (Bestimmtheitsmaß, Wikipedia, 2011)  

  

In allen Fällen kann falls durch wenn (und sogar dass) ersetzt oder (mit entsprechenden Umstellungen im internen Konnekt) auch ganz weggelassen werden.

Dieser Differenzparameter lässt sich also so zusammenfassen: Bei den A NTEZEDENS Markern ausgenommen und es sei denn ist die Bedeutung mit V2-Hauptsatz (d. h. als Einzelgänger) gleich der als Subordinator mit wenn. Beim negativ-konditional/additiv polysemen außer dagegen hat die Hinzufügung von wenn disambiguierende Funktion. Das ist in beiden Fällen nicht damit zu verwechseln, dass im internen Konnekt eine Konditionalrelation eingebettet ist. Dies – also etwa P. Ansonsten, wenn r, q. – ist auch die einzige Weise, dass die ONSEQU ENS -Marker mit wenn fortgesetzt werden. Wenn bildet hier keine Einheit mit K ONSEQUENS dem negativ-konditionalen Konnektor, sondern markiert eigenständig eine zusätzliche konditionale Relation, die als Ganze das interne Konnekt des negativ-konditionalen Konnektors bildet. Das ergibt eine Modifikation der Grundbedeutung der K ONSEQUENS -Marker durch Erweiterung der Bedingungsklauseln – an der Oberfläche wird eine Konditionalrelation in das interne Konnekt des K ONSEQUENS -Markers eingebettet, tatsächlich werden semantisch zwei (oder mehr) Bedingungen, eine negative (vom K ONSEQUENS Marker signalisiert) und eine weitere (von wenn markiert), koordiniert und gelten beide:  

Wenn p nicht gilt und/sondern wenn (wenn aber) r gilt, gilt q. r kann ein (mindestens geltende) weitere (zusätzliche notwendige) Bedingung sein; r kann aber auch „vielmehr, stattdessen“, also anstelle von p gelten; und auch eine Spezifikation oder bloße Erläuterung des anderen Falls bis hin zu einer fast reinen

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Paraphrase (weitgehend bedeutungsgleich mit der Negation des externen Konnekts), also eine positive Reformulierung der negierten Bedingung, kommt vor. Über Wahrscheinlichkeitsverteilungen/einen Default-Fall wird wiederum nichts gesagt. (81)

Wenn beide Mannschaften gleichviele Tore geschossen haben, wird nichts ins Feld geschrieben; ansonsten, wenn Team1 mehr Tore geschossen hat wird Team1 ins Feld geschrieben und sonst Team2. (www.swisseduc.ch/ informatik/anwendungen/tabellenkalkulation_turniere/docs/turniere_ schueler1.pdf)

(Allerdings ist zu beachten, dass die meisten Belege mit ansonsten wenn nicht die negativ-konditionale Lesart von ansonsten haben, sondern eher die additive ‚außerdem, des weiteren‘.)

4.6.3.3 Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften Das interne Konnekt von außer ist fokal (HDK-1: 606). Dasselbe gilt für das von sonst (Denissova 2001: 144; bzw. 137 „rhematisch“), wie auch für dessen externes Konnekt (ebd. 137). Typischerweise sind außer- und es sei denn-Sätze vom externen Konnekt durch eine intonatorische Pause abgesetzt: (82a)

Das Komma trennt den verflixten nachgestellten Beisatz (die Apposition) ab, es sei denn, der verflixte Beisatz gehört zum Namen. (die tageszeitung, 01.07.1993, S. 13) Demnach bräuchte ein Lebewesen vermutlich mindestens 600 Millionen Jahre, um zu uns zu kommen, es sei denn – das Lebewesen kann durch die Zeit reisen. (Neue Kronen-Zeitung, 02.01.1996, S. 24)  

(82b)





Wo kein solches Satzzeichen folgt, ist das interne Konnekt in der großen Mehrzahl der Fälle – 50 von 67 Zufallsbelegen – kein Satz, sondern eine NP, PP o. ä. Nach der GDS (2431) stattet es sei denn „das zweite Konjunkt mit größerem Gewicht“ aus. Das ist an den dort angegebenen Beispielen (hier als (83a–c) wiedergegeben, Quellenangaben s. d.) ebensowenig wie an weiteren untersuchten nachzuvollziehen.  



(83a) (83b) (83c)

Andere zu analysieren – es sei denn, um geistig verwirrten Menschen wieder zurecht zu helfen – ist ein unvornehmes Benehmen. Und ein Ball ist niemals flach. Es sei denn, er ist schlapp. Und das bedeutet doch (…), daß eine Wiedervereinigung der Deutschen nicht stattfinden kann, es sei denn unter kommunistischen Vorzeichen.

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

1121

Typischerweise sind additive außer dass-Sätze weitgehend auf die Anteposition beschränkt: Es wird vom Unwichtigen, Bekannten zum Wichtigen, Neuen vorangeschritten. Diese Konstellation kann natürlich wieder pragmatisch gebrochen werden, indem gerade das Relevante an der Irrelevanz-Position untergebracht wird, was der Hörer via konversationeller Implikatur als besonders nachdrückliche Mitteilung auffasst.

4.6.3.4 Einschränkungen hinsichtlich des Sprechaktcharakters des externen Konnekts Innerhalb der K ONSEQUENS -Marker gibt es noch einen weiteren Differenzparameter: Sie alle bevorzugen eine Aufforderung i. w. S. als externes Konnekt, widrigenfalls aber lässt bei korrektem Gebrauch ausschließlich diese Möglichkeit zu ((84d) vs. (84c); zum Kontrast zu den anderen vgl. (84a) gegenüber (84b) und die Reihe in (84c)).  

(84a) (84b) (84c)



Zwei mal zwei ist vier. Andernfalls wäre drei mal zwei auch nicht sechs. Zwei mal zwei ist vier.*Widrigenfalls wäre drei mal zwei auch nicht sechs. […] Maiandacht, bei schönem Wetter in der Grotte, sonst in der Kirche. (St. Galler Tagblatt, 03.05.1997, o. S.) → Die Maiandacht findet bei schönem Wetter in der Grotte statt, sonst/ansonst(en)/ander(e)nfalls/*widrigenfalls [findet sie] in der Kirche [statt]. Resolution 1441 […] fordert […] die unverzügliche und vorbehaltlose Zusammenarbeit Bagdads mit den UN und droht widrigenfalls „ ernsthafte Konsequenzen “ – vulgo Gewalt – an. (Frankfurter Allgemeine, 18.03.2003, o. S.)  

(84d)





Ganz vereinzelt vorkommende Belege, wo widrigenfalls mit einem externen Konnekt anderer Art vorkommt, können und müssen als grammatisch abweichend gelten (85) oder erzwingen – wo eine normative Lesart möglich ist – die Uminterpretation des externen Konnekts eben nicht im Sinne von ‚das ist so‘, sondern von ‚das soll so sein, hat so zu sein‘. (85)

Sozialhilfeempfänger verfügen in aller Regel über keine anderweitigen Vermögenswerte, widrigenfalls wären vorab vorhandene Werte zu veräussern […]. (St. Galler Tagblatt, 23.11.1999, o. S.)  

In (85) liegt kein Verstoß gegen eine Regel vor (‚wenn sie dieser Norm oder Aufforderung nicht nachkommen, gegen diese Regel verstoßen‘), sondern gemeint ist offenkundig ‚sollte dies nicht (bzw. hier: doch) der Fall sein‘. Das flexiblere andernfalls wäre hier eher angebracht, lässt es sich doch anders als widrigenfalls negativkonditional als ‚sollte dies doch (= nicht-nicht) der Fall sein‘, also ‚falls dies doch der Fall ist‘ lesen.

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C4 Konditional basierte Konnektoren

Somit ist als genauere Bedeutung von widrigenfalls anzusetzen: ‚Wenn diese Aufforderung nicht befolgt, dieser Norm nicht entsprochen wird (durch eine Handlung oder einen aus einer solchen resultierenden Zustand), ergeben sich die im internen Konnekt genannten negativen Konsequenzen‘. Widrigenfalls heißt also so etwas wie ‚im Nichtbefolgensfalle‘ und kann entsprechend auch durch solche nicht ganz selten vorkommende bürokratische Formeln wie bei Zuwiderhandeln (als Vorfeldbesetzer) ersetzt werden. Das interne Konnekt von widrigenfalls benennt nicht die Ausnahme, sondern die negativen Folgen der als Ausnahme anzusehenden Nichtbefolgung der Norm/Aufforderung im externen Konnekt und kann als stützender – assertiver – Sprechakt für den dominanten Aufforderungssprechakt angesehen werden, sei es im Vollzug oder sei es so berichtet. Der Zusammenhang ist der einer (insgesamt konditionalen – bedingten – bzw. gleichzeitig „begründeten“) Drohung: ‚Tue x! Und wenn du nicht tust, wozu ich dich aufgefordert habe, hast du folgende negative Folgen zu gewärtigen‘. Dass das interne Konnekt q eine negative Konsequenz im Nichtbefolgensfall aufzeigt, ist der Grund dafür, warum eine Erlaubnis – ich fordere dich nicht auf, diesund-das nicht zu tun – sich nicht eignet, in die von widrigenfalls indizierte Relation einzutreten. Es bezieht sich im folgenden Fall auf die Regel, das Verbot, nicht auf die Ausnahme, wenn p dann doch erlaubt ist: Da sich ferner häufig der Fall ereignet, daß zum Bedürfniß eines Bauwesens Chaussee-Staub oder Morast auf der Straße geschöpft wird, und dadurch Vertiefungen und Löcher gemacht werden, so ist solches nur unter Anweisung der Wegknechte erlaubt , widrigenfalls [= wenn eine solche Anweisung nicht erfolgt, das Schöpfen also verboten ist] verfällt derjenige, welcher es eigenmächtig thut , in eine Strafe von 3 fl. 15 kr. (Dienstanweisung für Wegknechte nach 1808; www.fh-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronolo gie/19Jh/Dienstanweisung/weg_die2.html)

(86)









Die anderen K ONSEQUENS -Marker können ebenfalls ein externes Konnekt der Art haben, wie wir es bei widrigenfalls ausschließlich vorfinden. Das ist bei ihnen häufig so, bei andernfalls sogar in der Mehrzahl der Fälle, aber eben nicht exklusiv. Andernfalls z. B. kann eben auch hypothetische Aussagen statt Direktiva als externes Konnekt haben:  

(87a)

Zu dem Vorwurf, sie habe den irakischen Präsidenten Saddam Hussein mit Gesangsdarbietungen gefeiert […], hatte sie während des Verfahrens geäußert, sie hätte andernfalls [= wenn sie das nicht getan hätte] um ihr Leben fürchten müssen. (die tageszeitung, 21.06.1991, S. 9) Gelingt Blüm die Mißbrauchsregelung, ginge die Kürzung auf 63 […] zurück, andernfalls [= wenn Blüm das nicht gelingt] auf 60 […] Prozent. (die tageszeitung, 21.01.1993, S. 2)  

(87b)



1123

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

Bei den A NTEZEDENS NT EZEDENS -Markern bestehen diesbezüglich keine Einschränkungen, können alle möglichen Satzarten/-modi bzw. Sprechakttypen unter den Arten des externen Konnekts sein (vgl. etwa HDK-1 593, 642), und ist dieses Kriterium daher kein binnendifferenzierendes. Dass sich in Korpora für die A NTEZEDENS -Marker keine Belege mit Imperativ-Sätzen als externes Konnekt – wie exemplarisch eine neuere Suche für ausgenommen bestätigt – fanden, heißt zwar, dass Aufforderungen i. e. S. bei den NTEZEDENS EZEDENS -Markern als externes Konnekt tatsächlich wohl seltener vorkommen, ist A NT aber kein Argument dafür, dass sie hier gar nicht möglich seien, da offenkundig akzeptable Beispiele leicht konstruiert werden können:  



Geh bitte jeden Tag zur Schule, außer/ausgenommen/es sei denn du bist krank/du seiest denn krank!

(88)

Und z. B. für es sei denn finden sich durchaus solche Belege (vgl. a. HDK-1: 593):  

(89a)

Schwänzt niemals, niemals, wirklich absolut niemals, ein im Vorfeld zugesagtes Referat! (Es sei denn, Ihr liegt im Krankenhaus; aber besser auch dann nicht). Euer Dozent wird Euch sonst nicht nur in der Luft zerreißen, sondern Euch tief in seinem Elefantengedächtnis speichern und die nächsten drei Semester hassen. (Braunschweiger Zeitung, 03.12.2008, o. S.) Gibt es gar schon einschlägige Forschung? Sagt es mir endlich ! Es sei denn, die Ursache liegt wieder einmal in den Genen – so will ich es erstens nicht wissen, und zweitens erfahren wir es dann ohnehin bald. (Die Presse, 27.02. 1995, o. S.)  

(89b)





Auch die Sprechaktklasse, die in der Sprechakttheorie in der Nachfolge von Searle „Deklarativa“ genannt wird (nicht zu verwechseln mit dem deklarativen epistemischen und Satzmodus des HDK-1), also scheinbare Aussagen, mit denen unmittelbar – gleichsam definitorisch, indem Fakten geschaffen und Normen gesetzt werden – die Welt verändert wird, ist unter den internen Konnekten von ander(e)nfalls zu finden. Typisch dafür sind Gerichtsurteile, eine hier naheliegende Äußerungsklasse: (90)

Nach der Entscheidung […] des BGH sind solche Vollstreckungsklauseln wegen Verstoßes gegen die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) als nichtig anzusehen, da anderenfalls deren Gesetzeszweck […] unterlaufen würde. (Berliner Morgenpost, 29.11.1998, S. 51)  

1124

C4 Konditional basierte Konnektoren

4.6.3.5 Negierbarkeit des internen Konnekts Anders als die anderen A NTEZEDENS -Marker und überhaupt die anderen negativ-konditionalen Konnektoren kann konnektintegriertes dennN E G - K O N D nicht mit negiertem internen Konnekt vorkommen, ohne dass das Ergebnis grammatisch abweichend wird. Vgl. (91a) (81b)

*Die Nürnberger hängen jeden, sie hätten ihn denn nicht . *Ich lasse dich, du segnest mich denn nicht .  



und für den Kontrast zu den anderen Mitgliedern der Untergruppe: Lange wird das aber wohl kaum durchzuhalten sein – es sei denn, selbst der Kreml könnte die Militärs nicht mehr stoppen. (Frankfurter Allgemeine, 12.11.1999, o. S.): …, ausgenommen selbst der Kreml … / ?außer selbst der Kreml / *der Kreml könnte die Militärs denn nicht mehr stoppen

(92)



4.6.3.6 Stilebene, vor allem der Postponierer-Varianten der K ONSEQUENS -Marker Die beiden Bildungen auf -falls unter den K ONSEQUENS -Markern sind stilistisch stark markiert. Speziell widrigenfalls kann – anders als ander(e)nfalls – als weitgehend rein verwaltungssprachlich gelten, kommt fast nur in juristischen und institutionellen, bürokratischen und Verwaltungs-Kontexten vor (Textsorten sind oft staatliche Verlautbarungen wie Gesetze, Verordnungen, Parlamentsbeschlüsse, Verwaltungsverlautbarungen und „berichtete“ Texte dieser Art, z. B. in Zeitungen) bzw. evoziert Assoziationen zu solchen Kontexten mehr oder minder bewusst; man beachte z. B. den Nominalstil von Ausdrücken wie Kraftloserklärung in (7) und (8). Autoren von Äußerungen mit widrigenfalls sind fast durchgängig Institutionen wie Ämter, Behörden, Firmen etc., nur selten dagegen private Individuen, sind also „juristische“, nicht „natürliche“ Personen. Prototypisch das folgende militärische Verbot mit der Strafandrohung im Nichtbefolgensfall:  



[…] weil nach ein paar Fällen von Desertion „ kein Soldat oder Matrose an die Seeseite gehen darf , unter dem Vorwande zu fischen, oder zu schwimmen, widrigenfalls der Prevost Befehl hat ihn auf der Stelle zu erschießen […].“ (Die Zeit (Online-Ausgabe), 08.09.2005, o. S.)

(93)





In geringerem Maße gilt dies – wie schon die Einschränkung auf Aufforderungen i. w. S. als externes Konnekt – auch für ander(e)nfalls. Es hat zwar – seiner Bedeutung entsprechend, die in diesen Bereichen viele Anwendungen findet – ebenfalls eine gewisse Neigung zu verwaltungssprachlichen, ökonomischen, juristischen, institutio 



1125

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

nellen Kontexten, ist aber keinesfalls auf diese Kontexte, auf Geschäftsstil oder Verwaltungssprache festgelegt, vielmehr als gemeinsprachlich anzusehen, wie Belege aus Literatur ((95), wenn hier auch in einem ebenfalls eher als formaljuristisch gekennzeichneten Zusammenhang), Wissenschaft/Medizin (94a) und Sportberichterstattung (94b) demonstrieren: (94a)

Gerade Tuberkulosekranke müssten sich gut ernähren, weil sich andernfalls die Medikamente negativ auf den Organismus auswirkten. (die tageszeitung, 23.03.2001, S. 6–7) „Ich bin sicher, dass die Jungs vernünftig bleiben.“ Ob andernfalls der Sportchef einschreitet und den Trainer gar an der Seitenlinie lautstark unterstützt? (Berliner Zeitung, 12.02.2001, S. 39)  

(94b)



Aus der Beleglage lässt sich also keine stilistische Markierung des Adverbkonnektors als verwaltungssprachlich begründen: Die Belege stammen ebenso häufig aus solchen Kontexten wie aus ganz anderen – auch wenn hier oft von juristischen Themen und Zusammenhängen die Rede ist, sind doch die Sprecher und Redeanlässe, ist also die komplette Äußerungssituation nicht eine der Verwaltung oder wenigstens sonstiger behördlicher u. ä. Institutionen. Stärker ausgeprägt ist die Tendenz, wenn andernfalls als Postponierer verwendet wird. Diese Variante kommt ganz überwiegend in Kontexten aus der politischen und juristischen Sphäre vor, und auch wenn nur über sie berichtet wird, die Textsorte selbst also z. B. journalistisch oder literarisch (95) ist, handelt es sich i. d. R. um Anspielung auf oder um mehr oder minder direkte Übernahme bis hin zum wörtlichen Zitat einer Redeweise, wie sie für diese Bereich spezifisch ist. Mit dieser Spezifikation kann ander(e)nfalls als Postponierer als verwaltungssprachlich bezeichnet werden (so auch HDK-1: 698), was aber nicht nur für ander(e)nfalls gilt, sondern eine ganz generelle Tendenz der Postponierer-Verwendungen unter den negativ-konditionalen Konnektoren ist.  



(95)





Dr. von Macke […] sieht […] sich jetzt genötigt, Herrn Kern für Schutzmaßnahmen zugunsten der Slipanlage vorsorglich in Anspruch zu nehmen, andernfalls aller Schaden zu Lasten Kerns gehe. (WAM/OEI Walser, Ohne einander, S. 200)  

Somit wäre zusammenzufassen: ander(e)nfalls und ansonst(en) sind als Postponierer, nicht aber als Adverbkonnektoren stilistisch als verwaltungssprachlich markiert. Insofern unterscheiden sie sich von widrigenfalls, das durchgängig diesen stilistischen Charakter hat, und von den Adverbkonnektoren unter den K ONSEQUENS -Markern, die keine entsprechende stilistische Markierung haben.

1126

C4 Konditional basierte Konnektoren

4.6.4 Negativ-konditionale Verwendungen eines nicht genuin negativ-konditionalen Konnektors: höchstens Besondere Erwähnung verdient noch die Möglichkeit der negativ-konditionalen Verwendung des folgenden Konnektors, der nicht zur negativ-konditionalen Klasse gehört. Höchstens hat zwei Grundverwendungen: Einerseits – und in der Mehrzahl seiner Vorkommen – signalisiert es ein tatsächlich erreichbares Maximum, das unterhalb einer prinzipiell möglichen absoluten Obergrenze einer Vergleichs-Skala liegt bzw. eine nach oben unbegrenzte Skala abschneidet (höchstens zwei Siege [in fünf Wettbewerben] ‚es gibt fünf mögliche Siege, davon sind 0, 1 oder 2 realistisch erreichbar‘; höchstens ein Jahr ‚maximal ein Jahr (von all den noch kommenden Jahren) wird zu erreichen sein‘). Als Adverbkonnektor wird höchstens aber auch negativ-konditional verwendet und ist dann mit außer, ausgenommen oder es sein denn (wenn) substituierbar. Dies gilt, wenn auf höchstens ein Verbzweitsatz (alle unter (96); höchstens hier in NullPosition, vgl. HDK-1: 511) oder eine Subordinatorphrase mit wenn (wie in (98)/(99)) folgt. In dieser negativ-konditionalen Konnektor-Verwendung hat höchstens viele GeNT EZEDENS -Markern: Auch hier finden meinsamkeiten mit den negativ-konditionalen A NTEZEDENS sich bevorzugt scheinbar absolute Allquantoren im ersten, externen Konnekt (vor allem negative: nie, kein, … (96a), z. T. noch „intensiviert“: überhaupt kein, gar nicht, … (96b)), die dann durch die Einschränkung (Ausnahmebedingung), die auf höchstens folgt, relativiert werden, manchmal aber auch bereits eingeschränkte Formeln wie in der Regel (96c) oder auch nur Vermutungen für die Zukunft, die aber – wie die Fortsetzung mit höchstens zeigt – mit dieser Ausnahme für relativ sicher eintretend gehalten werden (96d). In (96e) wird der Bedingungscharakter des internen Konnekts besonders deutlich, da als Folge nicht etwa das externe fungiert (das stillschweigend „kopiert“ werden müsste), sondern ein neues, mit dann angeschlossenes. Bei der Ausnahmebedingung ist es wie bei den negativ-konditionalen A NTEZEDENS -Markern prinzipiell gleichgültig, ob das Verb im Indikativ oder Konjunktiv steht; einerseits ist sie auch schon mit Indikativ nonfaktisch, andererseits bewirkt der Konjunktiv II hier keine Kontrafaktizität. Allerdings gibt es eine gewisse Abstufung in der vom Sprecher unterstellten Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der Ausnahmebedingung: Sie ist bei Konjunktiv II am geringsten (96f).  

(96a)

„Bei uns stellt sich keiner mehr mit 60 Jahren hin und schreit. Höchstens, er hat ein paar Bier zu viel …“ (Burgenländische Volkszeitung, 28.03.2007, S. 77; identisch Burgenländische Volkszeitung, 02.01.2008, S. 57) Ohne PE geht in Mitteleuropa gar nichts . Höchstens, man ist Promi. (Mannheimer Morgen, 28.03.2007, o. S.) Die Verfasser solcher Drohungen werden in der Regel nicht gefasst – „höchstens, es verplappert sich mal einer“. (Nürnberger Zeitung, 10.07.2009, S. 15)  



(96b)





(96c)



1127

C4.6 Negativ-konditionale Konnektoren

(96d)

Es könnten die gemütlichsten Spiele meines Lebens werden . Höchstens, es kommt doch ein Zimmermädchen und findet uns. (Braunschweiger Zeitung, 15.02.2006, o. S.) Ein in Wallegewändern und Jesuslatschen antretender Heavymetal-Musiker, das geht halt einfach nicht . Höchstens, er ist ein finnischer Heavymetal-Musiker, dann muss er das so machen. (die tageszeitung, 04.04.2008, S. 25) „Hab ich noch nie gehört, dass einer Möwen für Totenseelen hält. Ziemlich unpassend, wenn du mich fragst. Höchstens, es wären Seelen, die ein Heidengeschrei machen und überall hinscheißen.“ (Braunschweiger Zeitung, 13.09.2008, o. S.)  



(96e)





(96f)



Auch höchstens hat wie die negativ-konditionalen A NTEZEDENS -Markern eine Variante der Verwendung als Adverbkonnektor, wo es für ‚Ausnahme‘, nicht für ‚Ausnahmebedingung‘ steht, also adversativ (‚aber, lediglich, nur‘), nicht negativ-konditional ist. (97a) (97b)

Ihr Aussehen erstaunt mich nicht, ich wundere mich höchstens , dass sie sich selbst nicht zu dick findet. Nach der Kur ist sie immer noch ziemlich mollig, höchstens, dass die Pfunde jetzt etwas verteilt sitzen.  

Deutlich negativ-konditional ist höchstens bei Erweiterung mit wenn, wobei höchstens noch die Implikation beiträgt, dass es sich um die einzige (bekannte, akzeptable, …) Ausnahme handelt: (98a)

„Eine Tante als Nobelpreisträgerin – mehr geht nicht, höchstens wenn man ihn selber bekommt, aber wofür?“ sagte Gregor Gysi […] über die Verleihung des Literaturnobelpreises 2007 an seine Tante Doris Lessing. (Berliner Zeitung, 12.10.2007, S. 25) → Wenn man ihn selbst bekommt, zeigt das, dass doch mehr geht. Bei den rein biologischen Methoden – also dem Einsatz von Parasiten und Feinden – hielten die Tagungsteilnehmer solche Risiken für unwahrscheinlich . „Höchstens wenn man Arten in andere Kontinente einführt, könnten sie dort vielleicht der heimischen Insektenwelt schaden“, sagte Institutschef Christoph Reichmuth. (Berliner Zeitung, 08.09.1999, S. IV) → wenn man … einführt, sind die Risiken dagegen nicht unwahrscheinlich; und/denn dann könnten sie … schaden  

(98b)





(98b) ist eine Art garden path-Formulierung: Das interne Konnekt von höchstens wenn kann sich nach links und nach rechts (wo die Risiken näher spezifiziert werden) beziehen.

1128

C4 Konditional basierte Konnektoren

Bei den meisten dieser Fälle kann das wenn weggelassen werden, ohne dass sich an der negativ-konditionalen Lesart etwas ändert. Das geht auch bei (98b) mit seinem Bezug nach links; um allerdings auch die kataphorische Lesart zu bewahren, muss in dem dann als externes Konnekt fungierenden Teilsatz ein explizites dann ergänzt werden (Höchstens man führt … ein. Dann könnten sie …). In manchen weiteren Fällen wie (99) muss bei Weglassung von wenn, wenn die negativ-konditionale Bedeutung bewahrt bleiben soll, anderes sprachliches Material eingefügt oder als externes Konnekt „kopiert“ werden; die Formulierung mit höchstens ist demgegenüber stark verdichtet und leistet mehrere dieser Funktionen auf einmal: (99)

Bundeswehr-Offiziere weinen höchstens, wenn ihnen ein Sturm in Kabul die Sandkörner in die Augen treibt. (Berliner Zeitung, 12.10.2005, S. 7) → Bundeswehr-Offiziere weinen selten (=i. d. R. weinen sie nicht). Höchstens ein Sturm treibt … (= wenn ihnen aber ein Sturm …, weinen sie (doch)).  





Trotz alledem bleibt es dabei, dass die Hauptverwendung von höchstens die skalare ist, weswegen wir es nicht in den Bestand der negativ-konditionalen Konnektoren und letztlich in gar keine unserer Konnektorenklassen aufgenommen haben.

C5 Metakommunikative Konnektoren

C5

Metakommunikative Konnektoren

C5.1

Liste der metakommunikativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1131

C5.2

Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  1138

C5.3

Subklassifizierung der metakommunikativen Konnektoren  1139

C5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5

Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren  1141 Reformulierende Konnektoren  1141 Identifizierende Konnektoren  1144 Spezifizierende metakommunikative Konnektoren  1145 Resumptive Konnektoren  1148 Generalisierende Konnektoren  1151

C5.5 5.5.1

Diskursbezogene metakommunikative Konnektoren  1152 Relevanzbezogene Konnektoren: übrigens, nebenbei (gesagt), überhaupt  1152 Präzisierende Konnektoren: nämlich und und zwar  1155 Exemplifizierende Konnektoren  1162

5.5.2 5.5.3 C5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3

Metakommunikative Verwendungen von Konnektoren anderer Klassen  1163 Korrektive Konnektoren: Korrektur „de dicto“: sondern, vielmehr  1163 Metakommunikative Verwendungen disjunktiver Konnektoren: oder, beziehungsweise, respektive  1164 Metakommunikative Verwendungen des konklusiven also  1166

Eva Breindl*

C5 Metakommunikative Konnektoren C5.1 Liste der metakommunikativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren also: VF, MF, NE, Null beispielsweise/bspw.: VF, MF, NE übrigens: VF, MF, NE, Null z. B./z. Bsp./zum Beispiel: VF, MF, NE, Null  



Nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren allgemeiner (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null allgemein formuliert/gesagt/gesprochen: VF, MF, Null anders (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null anders herum/andersrum (formuliert): VF, MF, Null auf gut Deutsch (gesagt): VF, MF, Null auf X (gesagt): VF, MF, Null besser (ausgedrückt/formuliert/gefragt/gesagt): VF, MF, Null genauer (ausgedrückt/formuliert/gefragt/gesagt): VF, MF, Null genau genommen: VF, MF, Null genau gesagt: VF, MF, Null im Klartext (ausgedrückt/gesprochen): VF, MF, Null im Übrigen: VF, MF, Null in dürren Worten (ausgedrückt/formuliert/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null in/mit einem Wort (ausgedrückt/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null kürzer (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt): VF, MF, Null kurz (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null kurzum: VF, MF, Null kurz und gut: VF, MF, Null mit anderen Worten (ausgedrückt/formuliert/gefragt/gesagt); m. a. W.: VF, MF, Null nämlich: VF, MF, Null nebenbei (bemerkt/gefragt/gesagt/gesprochen): VF, MF, Null sozusagen: VF, MF überhaupt: VF, MF, Null und zwar: VF, Null vielmehr: VF, MF, Null  

* Auf Grundlage eines Entwurfs von Renate Pasch.



1132

C Semantische Konnektorenklassen

Konjunktoren beziehungsweise/bzw. das heißt/d. h. id est/i. e. oder respektive/resp. soll heißen sondern sprich will heißen will sagen  



Metakommunikative Konnektoren sind zum allergrößten Teil mehrteilige, mehr oder minder idiomatische Ausdrücke, die aus Phrasen gebildet sind. Den Löwenanteil stellen dabei Partizipialphrasen aus einem Verbum dicendi und einem modifizierenden Adverbiale (kurz gesagt, anders formuliert), wobei gesagt im Gebrauch bei weitem das häufigste Partizip ist. Bei einigen dieser Bildungen kann das Partizip auch entfallen oder es ist, wie etwa bei kurzum und kurz und gut, nur eine partiziplose Variante üblich. Auf finite Verba dicendi gehen einige metakommunikative Konjunktoren (d. h., i. e., sprich, will sagen/heißen, soll heißen) zurück. Das interne Konnekt dieser deverbalen Konnektoren ist somit ursprünglich das satzförmige Komplement eines Matrixsatzes mit einem redeeinleitenden Verb. Wie daraus die Konnektorfunktion entsteht, sieht man am deutlichsten bei das heißt, wo das sich als Satzanapher auf den Vortext bezieht; diese Anapher ist bei soll/ will heißen, will sagen weggefallen. Konnektoren, die Matrixsatzresten entsprechen, zeigen typische Positionsbeschränkungen, die auf eben diese Herkunft zurückgeführt werden können. Sie können nur an der Nullstelle zwischen den Konnekten stehen und sind nicht ins Mittelfeld ihres internen Konnekts integrierbar. In dieser Position sind desintegrierte Adverbkonnektoren von Konjunktoren oft nicht eindeutig zu unterscheiden (vgl. dazu Breindl 2009). Auf einen Status als desintegrierten Adverbkonnektor deutet die prosodische Desintegration hin, die etwa bei kurzum, das heißt, id est stark ausgeprägt ist; andererseits treten hier koordinationstypische Reduktionen von identischem Material in den Konnekten auf und die Konnektoren können Koordinate von variablem kategorialen Typ verknüpfen. Aus diesem Grund erscheint uns eine Klassifikation dieser Einheiten als Konjunktoren plausibel.  

(1)



Der Rest der Seite gehört dem Volk , sprich Hunderten von begeisterten Jasagern und einer triumphierenden Corazon Aquino. (die tageszeitung, 02.02. 1987, S. 7) Für eine Autofahrt ist die Zeit zu kostbar , will sagen: zu knapp . (die tageszeitung, 13.06.1989, S. 17)  



(2a)







C5 Metakommunikative Konnektoren

(2b)

1133

Der „EA888“ aus Silao ist ein Motor neuester Bauart . Soll heißen: Er erfüllt die EU-6- und die amerikanische strenge „SULEV-Norm“ . (Braunschweiger Zeitung, 26.01.2013, o. S.) Kenyatta ist ein Kikuyu, sein wichtigster Kontrahent Raila Odinga ein Luo. Will heißen: Die Kikuyu im Land geben ihre Stimme Kenyatta, die Luo wählen Odinga . (dpa, 04.03.2013) Wir zeigen unser Magazin wöchentlich , das heißt, wir können eine ganz andere Kontinuität, auch eine ganz andere Aktualität gewährleisten. (die tageszeitung, 13.06.1988, S. 14) Ich verkehre sowohl in Portugal als auch in Brasilien, und weiß sozusagen aus erster Quelle wie komplexiert (leider) die Brasilianer sind: Ja, komplexierter als alle anderen kolonisierten Völker dieser Erde, will mir scheinen. Id est: Es soll euch nicht aus der Bahn werfen. (WDD11/P58.29462)  





(2c)



(3a)





(3b)

Diejenigen metakommunikativen Konnektoren, die wir hier als Adverbkonnektoren klassifiziert haben, können durchweg im Vorfeld (4a) oder Mittelfeld (4b) erscheinen, was für die Klassifikation als Adverbkonnektor hinreichend ist. Tatsächlich werden sie aber bevorzugt prosodisch (bzw. oft auch graphematisch) desintegriert an der Nullstelle verwendet wie in (4c). Auch bei der – eher selten belegten – Mittelfeldstellung (4b) sind sie meist parenthetisch und prosodisch bzw. graphematisch abgesetzt. (4a)

Betritt man die Räume der Galerie und sieht sich die Objekte etwas genauer an, nimmt man erstaunt wahr, daß die aus Bronze sind. Genauer gesagt, bestehen sie aus einer Stahlblechkonstruktion, die mit einer Bronzeschicht überzogen wurde. (die tageszeitung, 11.11.1988, S. 18) Wäre man Politiker, sollte man sich Dresden zum Arbeitsplatz wählen. Dort steht der Landtag in zentraler Lage an der Elbe, verglaste Fassaden geben den Blick auf den vorbeifließenden Strom frei. Fehlt es Debatten an Spannung, bietet sich ein Blick auf Wolkenformationen, Vogelschwärme oder sogar dem direkt vorm Plenarsaal entlang spazierenden Objekt an, dem doch alle Bemühungen der Politik gelten sollten: dem Bürger. Der wiederum kann Volksvertretern bei der Arbeit zusehen, wodurch, auf neudeutsch gesagt, eine Win-win-Situation entsteht. (Hannoversche Allgemeine, 07.11.2008, S. 18) An Bord wird nur aufgewärmt, und da liegt der Hase im Pfeffer. Genauer gesagt: Da liegt Tiefgefrorenes, lieblos Angerichtetes aus der Dose. (die tageszeitung, 16.06.1990, S. 18)  

(4b)



(4c)



Auch für diese Adverbkonnektoren finden sich mitunter konjunktorartige Verwendungen, wo Koordinate unterhalb der Satzebene innerhalb eines Koordinationsrahmens verknüpft werden.

1134

(5)

C Semantische Konnektorenklassen

Die Verständigung funktioniert vor allem mit Händen und Füßen, ein bißchen Englisch, nur Ria spricht Deutsch , genauer gesagt Schwäbisch . (die tageszeitung, 01.06.1987, S. 9)  





Das zeigt noch einmal, dass die Grenze zwischen Konjunktor und Adverbkonnektor bei Konnektoren, die als Matrixsatzreste zu erklären sind, nicht scharf gezogen werden kann. Für metakommunikative Konnektoren gilt: Außer beispielsweise (das schon seiner Wortbildung nach ein Adverb ist) und sozusagen gibt es keinen einzigen, der nicht an der Nullstelle verwendet werden könnte. In Bezug auf Stellung und Form des internen Konnekts haben die metakommunikativen Konnektoren im Einzelnen Präferenzunterschiede. In Tab. C5-1 wird dies für genauer gesagt und anders formuliert exemplarisch gezeigt. Für letzteres ist Vorfeldstellung in einer Stichprobe nur zweimal belegt, und zwar in Wendungen wie (6), in denen der komplette Trägersatz die Funktion eines metakommunikativen Konnektors übernimmt. (6)

Gleichzeitig gab Deutschland am meisten für Renten und Pensionen aus – noch vor Schweden und Dänemark. Anders formuliert heißt dies: In den sozialkonsumtiven Ausgaben führen Deutschland und die kontinentaleuropäischen Länder, während sie in den sozialinvestiven Ausgaben der Bildung an letzter Stelle liegen. (Frankfurter Allgemeine, 02.01.2001, o. S.)  

Tab. C5-1: Stellungs- und Konnekttyppräferenzen von genauer gesagt und anders formuliert

Verknüpfungen von vollständigen Sätzen

Verknüpfungen unterhalb der Satzebene

genauer gesagt

anders formuliert

Nullstelle

006

091

Vorfeld

006

002

Mittelfeld

001

001

NP

035

004

PP

050

001

andere Phrasen

002

001

N

100

100

Mit dem Status als Matrixsatzrest hat es ferner zu tun, dass metakommunikative Konnektoren ihrerseits nach lexikalischen Formmustern gruppiert werden können, und auch über die in der Liste angegebenen Formen noch in gewissem Grad lexikalische Variation zulassen. (7a)

Im ersten von zwei Finalspielen um den Titel in der Champions League stehen sich zwei norddeutsche Teams gegenüber. Genauer gesagt: zwei

1135

C5 Metakommunikative Konnektoren

schleswig-holsteinische Teams. Noch genauer gesagt: Zwei Teams, deren Heimat keine 100 Kilometer auseinander liegt. (die tageszeitung, 16.04.2007, S. 22) Der gelernte Kfz-Mechaniker ist für sämtliche allfälligen Wehwehchen des Hauses zuständig, oder ganz genau gesagt für die Wehwehchen der Häuser Stadtplatz 1–4 und 55. (Oberösterreichische Nachrichten, 10.07.1997, o. S.)  

(7b)



Metakommunikative Konnektoren mit einem Verbum-dicendi-Partizip unterliegen ferner einer satzmodusabhängigen Variation. Wenn ihr internes Konnekt ein Fragesatz ist, kann der Konnektor mit dem Partizip gefragt (statt mit dem deklarativen Partizip gesagt) auftreten. Dies ist freilich keine grammatische Regel, denn vereinzelt finden sich durchaus Belege von Fragesatz einleitendem gesagt. (8a)

Haben Sie eine Beziehung zu Ihren Fans, oder anders gefragt, kennen Sie diese Leute? (St. Galler Tagblatt, 09.02.2001, o. S.) Mehr als einmal schweifte mein erstaunter Blick Richtung Wandkalender – ganz nach dem Motto „Wer hat an der Uhr gedreht“. Oder anders gesagt: Ist denn schon wieder Karneval? (Rheinzeitung, 05.11.2007, o. S.)  

(8b)



Wir haben in der Liste nur solche Ausdrücke als metakommunikative Konnektoren aufgenommen, die einen gewissen Idiomatisierungsgrad aufweisen. Ein Zeichen von Idiomatisierung und Verblassung der wörtlichen Bedeutung ist z. B. die genannte satzmodusunabhängige Verwendung von gesagt zur Einleitung eines Fragesatzes oder die Verwendung von mit einem Wort zur Einleitung einer geradezu weitschweifigen Erklärung wie in (9).  

(9)

Es liegt hier offensichtlich ein großes konzeptives Problem vor, das dazu führt, daß eine europäische Erfahrung eben nicht europäisch gedacht werden kann. Es ist, mit einem Wort gesagt: der enge Rahmen der nationalstaatlichen Historiographie, der es systematisch verhindert, transnationale Erfahrungen empirisch zu erfassen und transnational-europäisch zu diskutieren. (Frankfurter Rundschau, 03.07.1999, S. 7)  

Generell muss man aber in Rechnung stellen, dass die metakommunikativen Konnektoren in viel stärkerem Maße eine offene Klasse darstellen als etwa disjunktive oder adversative Konnektoren. Dabei speist sich die Klasse vor allem aus zwei Quellen: (i)

Phrasale Ausdrücke, die auf Matrixsatzstrukturen mit verba dicendi zurückgehen Matrixsätze mit Verba dicendi können durch Verkürzung, Idiomatisierung und syntaktische Integration konnektorartigen Status erhalten. Von solchen „Pragmati-

1136

C Semantische Konnektorenklassen

kalisierungen“ sind etwa Matrixsätze wie ich mein(e), (ich) glaub(e), ich sag mal betroffen (vgl. Bastian 2002, Günthner/Imo 2003, Auer/Günthner 2005, Imo 2007). Allerdings können solche Phrasen neben der Entwicklung zu einem reformulierenden, auf den Vortext bezogenen Konnektor auch eine Entwicklung zu einem einstelligen geltungsbezogenen Satzadverbial nehmen und zu „Heckenausdrücken“ (Hedges) werden; in solchen Verwendungen sind sie keine Konnektoren. Eine vergleichbare Doppelfunktion hat auch das in der Liste enthaltene sozusagen: In (10a) ist es verknüpfend, in (10b) ein einstelliges Adverb mit Hedgefunktion wie quasi, irgendwie, streng genommen oder gewissermaßen, mit dem ein Sprecher auf den Grad Bezug nimmt, in dem ein Sachverhalt als Instanz eines bestimmten Typs von Sachverhalten zu betrachten ist. (10a)

Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Sozusagen blickten wir mit Schläuchen und nicht mit den Augen. (die tageszeitung, 19.05.1989, S. 15) Die sogenannten Sozialprogramme – Erhöhung der Löhne, Renten und Beihilfen – wurden immer sozusagen plangetreu erfüllt. (die tageszeitung, 06.10.1987, S. 8)  

(10b)



(ii) Konnektoren anderer Klassen In der Liste finden sich neben den genuinen und nicht anders verwendbaren metakommunikativen Konnektoren auch einige, die primär anderen semantischen Klassen angehören: die disjunktiven Konnektoren oder, beziehungsweise und respektive (s. C3), die korrektiven sondern und vielmehr (s. C2.2.4) und das konklusive also (C4.2). Bei metakommunikativer Verwendung (vgl. z. B. 11d) bringen sie keine andere Bedeutung ein, operieren aber auf einer anderen Ebene, nämlich der des Ausdrucks und werden somit zu metakommunikativen Konnektoren, während die Denotate der verknüpften Konnekte identisch sind. Oder tritt in dieser Funktion allein – so beispielsweise in Werktiteln wie (11a, b) – oder in der Kombination mit anderen metakommunikativen Konnektoren auf wie in (7b) und (8) sowie in der Kombination oder vielmehr (11c).  

(11a) (11b) (11c) (11d)

Bin oder die Reise nach Peking. (Titel einer Erzählung von Max Frisch) Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende (Romantitel von Alfred Döblin) Um drei Uhr morgens sind wir nach Hause gegangen oder vielmehr gewankt. Luise ist keine Putzfrau, sondern Raumpflegerin. (Bsp. aus Jacobs 1991: 588)

Etwas anders liegt der Fall bei nämlich, wo in der Gegenwartssprache klar zwei Lesarten zu unterscheiden sind: eine kausal-begründende, mit denn weitgehend äquivalente, und eine spezifizierende, diskursbezogene. Umstritten ist, ob als abstrakte gemeinsame Grundbedeutung eher die spezifizierende/erläuternde (Onea/Volodina

C5 Metakommunikative Konnektoren

1137

2009, 2011) oder die kausal-begründende (Granito 1983, 1984, Pasch 2009) anzusetzen ist. Kap. C5.5.2 geht darauf näher ein. Unter dem Stichwort „Diskurspartikel/Diskursmarker“ wurde in Arbeiten aus dem Umfeld der Gesprochene-Sprache-Forschung, der Diskursforschung, der linguistischen Pragmatik und der Relevanztheorie auch für weitere, insbesondere kausale, adversative und – in schwächerem Maße – temporale Konnektoren ein Status als primär diskursorganisierender Einheiten diskutiert (vgl. Mosegaard-Hansen 1998, Schiffrin 2001, Siepmann 2001, Blakemore 2002, 2003; vgl. etwa Konerding 2004 zu also, Imo 2010 zu jetzt, zum engl. after all Traugott 1997 und Lewis 2007, zu frz. enfin Mosegaard-Hansen 2005). Virulent ist diese Diskussion insbesondere für Subjunktoren mit Verbzweitstellung wie weil und obwohl (Günthner 1999a, 2002b). In aller Regel bleiben bei diesen Konnektoren aber ihre relationalen Bedeutungen vollständig erhalten und die Diskursfunktion ist eher auf eine Verknüpfung auf der Sprechaktebene zurückzuführen (s. dazu A4.4). Dass Konnektoren neben ihrer relationalen Bedeutung auch eine diskursorganisierende oder -steuernde Funktion übernehmen können, ist u. E. noch kein Anlass, sie als eigene Klasse „Diskurspartikel“ auszugrenzen, zumal für eine solche Klasse kein einheitliches syntaktisches Distributionsmuster auszumachen wäre. Überdies können auch einstellige Adverbien, Präpositionalphrasen, Subjunktorphrasen usw. in bestimmten Kontexten mit speziellen Diskursfunktionen „aufgeladen“ sein. Dazu müssen sie auch nicht notwendig satzverknüpfend sein.  

(12a) (12b) (12c) (12d)

Sie ist, wenn man das mal so drastisch sagen darf, stinkfaul. Sie ist, um es mal ganz deutlich zu sagen, stinkfaul. Sie ist – ich sag das jetzt mal ganz drastisch – stinkfaul. Sie ist offen gestanden/ehrlich gesagt/unter uns (gesagt) stinkfaul.

Wo für einen Konnektor über seine relationale Bedeutung hinaus auch eine spezielle Diskursfunktion erkennbar ist, wird dies in den Kapiteln des C-Teils vermerkt, ohne dass diese Konnektoren in die Klasse der metakommunikativen Konnektoren aufgenommen wurden. Hier werden lediglich die reformulierenden Verwendungen der disjunktiven und korrektiven Konnektoren sowie des kausal-konklusiven also in die Liste der metakommunikativen Konnektoren aufgenommen und in C5.6 beschrieben, die nicht als Verknüpfungen auf der Diskursebene bzw. auf der Sprechaktebene analysiert werden können. Somit wurden als metakommunikative Konnektoren in die Liste unter C5.1 bzw. die Gesamtliste der Konnektoren (D) nur Ausdrücke aufgenommen, die – weitgehend idiomatisiert sind, – verknüpfende Funktion haben und – auf der Basis ihrer wörtlichen Bedeutung reformulierende oder diskursbezogene Funktion haben.

1138

C Semantische Konnektorenklassen

C5.2 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik Die Klasse der metakommunikativen Konnektoren hat eine Sonderrolle im Verhältnis zu den übrigen semantischen Konnektorenklassen. Metakommunikative Konnektoren verknüpfen ihre Konnekte prinzipiell nicht auf der Ebene der Sachverhalte, sondern beziehen sich auf die Form des Ausdrucks der Konnekte oder deren informationsstrukturelle Rolle im Diskurs.1 Sie können auf den Präzisionsgrad Bezug nehmen oder auf die Adäquatheit der Formulierung im gegebenen Kontext. Damit etablieren sie eine weitere Verknüpfungsebene über die in A4.4 eingeführte Ebene der epistemischen und sprechaktbezogenen Verknüpfung hinaus.2 Anders als bei den Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene und der der Sprechakte werden metakommunikative Verknüpfungen aber in aller Regel durch Konnektoren hergestellt, die ausschließlich auf dieser Ebene verknüpfen, was die Ausgliederung einer separaten Klasse metakommunikativer Konnektoren rechtfertigt. Diejenigen metakommunikative Konnektoren, die sich auf die Form beziehen, etablieren mit ihrem internen Konnekt eine Formulierungsalternative zum externen Konnekt. Für Konnektoren, die Alternativen verknüpfen, gilt das Prinzip der Gemeinsamen Einordnungsinstanz (GEI, CI = common integrator) für die Denotate der verknüpften Konnekte (s. C2.1.2 und C3). Verknüpfungen wie (13) sind wegen einer fehlenden GEI semantisch nicht wohlgeformt. (13)

#Löwen sind Großkatzen. Genau gesagt ist morgen Neumond.

1 In der Literatur werden metakommunikative Konnektoren auch unter den Bezeichnungen „reformulativ“ (eher in der Literatur zu romanischen Sprachen) oder „Diskurspartikel“ bzw. „Diskursmarker“ (eher in der angelsächsischen Tradition, ferner in der Diskursrepräsentationstheorie und in der Grammatikalisierungsforschung) behandelt. Dabei wird in der Regel zwischen einstelligen und zweistelligen (konnektoralen) Ausdrücken nicht unterschieden. Vgl. Bastian/Hammer (2002) (Hg.), Behr (2002), Celle/Huart/Gresset (Hg.) (2007), Métrich/Faucher (2009) für den romanischen Zweig. Für den „Diskurspartikel“-Angang vgl. Doherty (2001), Aijmer (2002), Blakemore (2003), Fischer (Hg.) (2005), Auer/Günthner (2005), Rehbein/Hohenstein/Pietsch (Hg.) (2007). 2 Die Existenz weiterer Ebenen als der von Sweetser (1990) und einer Vielzahl sich darauf beziehender Arbeiten (darunter auch dieses Handbuch) angesetzten propositionalen, epistemischen und illokutiven Ebene ist in der Literatur immer wieder – strittig – diskutiert worden. Von einer feinkörnigeren Schichtung geht z. B. das einflussreiche Layered-Structure-Modell von Dik aus (vgl. Dik et al. 1990). Crevels (2000) setzt unter Bezug auf Dik für konzessive Konnektoren neben den drei in etwa den Sweetserschen Konzepten entsprechenden Ebenen eine vierte textuelle an. In C4.3.4.4 wurde allerdings gezeigt, dass es sich dabei eher um einen Wechsel zu einer adversativen Relation handelt. Auch Lang (2000) diskutiert für adversative Konnektoren eine textuelle Ebene.  



C5 Metakommunikative Konnektoren

1139

Die semantische Eigenschaft, Formulierungsalternativen miteinander zu verknüpfen, macht es möglich, dass auch disjunktive (alternativebasierte) Konnektoren wie oder sowie korrektive Konnektoren wie sondern dazu verwendet werden können, Alternativen der Form aufeinander zu beziehen und damit metakommunikativ zu verknüpfen. Ferner erklärt sich so die Tatsache, dass Verknüpfungen mit metakommunikativen Konnektoren tendenziell wie symmetrische Relationen (additive, disjunktive, kontrastiver Vergleich) mit einer parallelen syntaktischen Struktur kodiert werden. Metakommunikative Konnektoren sind entweder Konjunktoren oder Adverbkonnektoren, die den Konjunktoren darin ähneln, dass sie Verknüpfungen von Konstituenten beliebigen Typs unterhalb der Satzebene zulassen. Mit der Etablierung einer Formalternative bringt ein Sprecher oft auch eine subjektive Bewertung zum Ausdruck; er geht ja davon aus, dass die alternative Formulierung auch die adäquatere ist. Meist ist das aus der wörtlichen Bedeutung des Konnektors (besser gesagt) unmittelbar ablesbar. Metakommunikative Konnektoren können nicht im Skopus höherer Operatoren stehen und nicht fokussiert werden bzw. im Diskurs zur Debatte gestellt werden. Aus diesem Grund können sie auch nie den Hauptakzent der Konstruktion erhalten.

C5.3 Subklassifizierung der metakommunikativen Konnektoren Die metakommunikativen Konnektoren lassen sich anhand des Kriteriums, worauf sie Bezug nehmen, in zwei Klassen einteilen. Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren nehmen gemäß ihrer wörtlichen Bedeutung auf den Ausdruck Bezug und führen alternative – aus der Sicht des Sprechers präzisere, allgemeinere, kürzere, bessere – Formulierungen für den im externen Konnekt genannten Sachverhalt ein. Diskursbezogene metakommunikative Konnektoren spezifizieren die Funktion ihrer Konnekte für den Diskurs, z. B. deren Relevanz oder ihren Präzisierungsgrad. Tab. C5-2 zeigt die Subklassifizierung der metakommunikativen Konnektoren.  

1140

C Semantische Konnektorenklassen

Tab. C5-2: Subklassen metakommunikativer Konnektoren Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren reformulierende Konnektoren

anders gesagt anders herum/andersrum (formuliert) auf Deutsch/Französisch/Neudeutsch/gut Deutsch (gesagt) mit anderen Worten (gesagt/ausgedrückt) sozusagen

Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren identifizierende Konnektoren

das heißt, d. h. id est, i. e. soll heißen sprich will heißen will sagen

spezifizierende Konnektoren

besser gesagt genau genommen genau gesagt genauer (gesagt) im Klartext (gesprochen)

resumptive Konnektoren

in dürren Worten (gesagt/gesprochen) in/mit einem Wort (gesagt/gesprochen) kurz (gesagt), kurz und gut kurzum kürzer (gesagt/formuliert/gefasst/ausgedrückt)

generalisierende Konnektoren

allgemeiner gesagt (ganz) allgemein gesprochen





Diskursfunktionsbezogene metakommunikative Konnektoren relevanzbezogene Konnektoren

im Übrigen nebenbei (gesagt) übrigens überhaupt

präzisierende Konnektoren

nämlich und zwar

exemplifizierende Konnektoren

beispielsweise; bspw. z. B.; z. Bsp.; zum Beispiel  



Metakommunikative Verwendungen von Konnektoren anderer Klassen disjunktive Konnektoren

beziehungsweise, bzw. oder respektive, resp.

korrektive Konnektoren

sondern vielmehr

kausal-konklusive Konnektoren

also

C5 Metakommunikative Konnektoren

1141

C5.4 Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren Die Mehrzahl der metakommunikativen Konnektoren operieren auf der Ebene der Ausdrucksform ihrer Konnekte. Sie liefern mit ihrem internen Konnekt eine Formulierungsalternative für den mit dem externen Konnekt bezeichneten Sachverhalt, durch die es dem Hörer aus der Sicht des Sprechers leichter fallen soll, das Denotat des externen Konnekts zu identifizieren und in seinem Stellenwert für den Diskurs einzuordnen. Formulierungsbezogene Konnektoren lassen sich danach untergliedern, ob sie die Denotate ihrer Konnekte als identisch ausgeben (reformulierende Konnektoren wie anders gesagt, auf gut Deutsch, kurz gesagt und identifizierende Konnektoren wie das heißt, will sagen), als Präzisierungen (spezifizierende und resumptive Konnektoren wie genauer gesagt, exemplifizierende Konnektoren wie beispielsweise, resumptive Konnektoren wie kurzum, mit einem Wort und kurz und gut, kurzum) oder als Verallgemeinerungen (generalisierende Konnektoren wie allgemein gesagt). Spezifizierende und resumptive Konnektoren bezeichnen Präzisierungsrelationen, bei denen die Bedeutung des externen Konnekts die des internen inkludiert. Bei den generalisierenden liegt eine dazu inverse Inklusionsrelation vor. Die identifizierende und präzisierende Relation verfügen über ein reicheres und semantisch stärker differenziertes Konnektoreninventar als die generalisierende Relation, für die praktisch nur der Konnektor allgemein(er) gesagt/gesprochen/formuliert in Frage kommt. Die Asymmetrie rührt daher, dass in einer normalen Kommunikationssituation zur Vermeidung oder Ausräumung von Missverständnissen weitaus häufiger die Notwendigkeit entsteht, dass ein Sprecher nachträglich seine Äußerung anders formulieren oder präzisieren muss, als dass er sie vager und damit weniger informativ machen muss.

5.4.1 Reformulierende Konnektoren Mit der Verwendung eines „reformulierenden“3 Konnektors weist ein Sprecher die Denotate der verknüpften Konnekte als identisch und in Bezug auf den Ausdruck verschieden aus. (Andernfalls wäre die Äußerung tautologisch.) Das interne Konnekt eines reformulierenden Konnektors ist also eine alternative Formulierung, eine Erläuterung der Bedeutung des externen Konnekts. Es kann sich dabei um einen Ausdruck handeln, der bis auf irgendeine Dimension der Variation (diatopisch, stilistisch) ein Synonym darstellt. 3 Der Terminus reformulierend wird in der Literatur teilweise in einem allgemeineren Sinn verwendet, mindestens im Sinne dessen, was wir hier unter dem Terminus Formulierungsbezogene Konnektoren bezeichnen. Speziell in Arbeiten zum Französischen werden darunter auch Konnektoren mit argumentativer Funktion verstanden.

1142

(14a) (14b)

C Semantische Konnektorenklassen

Ich muss heute noch zum Ophthalmologen, auf gut Deutsch zum Augenarzt. Die Menschen werden aber nicht nur älter, sondern sie bleiben auch länger munter. Auf neudeutsch gesagt: Viele betagte Menschen sind erstaunlich fit. (Frankfurter Allgemeine, 02.07.1997, o. S.) Adlerkrieger (auf Nahuatl: Cuāuhtli) waren Mitglieder der aztekischen Armee. Sie waren Berufssoldaten und agierten als Eliteeinheiten. Eine weitere Gruppe waren die Jaguarkrieger (auf Nahuatl: Ocēlōtl). (Adlerkrieger, Wikipedia, 2011) Ansonsten ist die Gegend, so wie alle Gegenden, die an Grenzen zu sozialistischen Nachbarländern liegen, das, was man im Fachjargon strukturschwach nennt, mit anderen Worten, sie ist arm. (die tageszeitung, 27.11.1989, S. 11– 12)  

(14c)

(14d)



Reformulierende Konnektoren können Formulierungsalternativen für Sätze einleiten (15a–e) oder für Einheiten unterhalb der Satzebene (16a–d). Sie stehen bevorzugt an der Nullstelle (15a, b, c); Vorfeldstellung (15d) und Mittelfeldstellung (15e) sind seltener. Bei Phrasenbezug können sie auch nachgestellt erscheinen (16d). (15a)

Die Defizitdeckungsgarantien sind gesprochen. Anders gesagt, die Verluste der Veranstalter trägt das Volk, die Gewinne gehen in private Taschen. (die tageszeitung, 14.04.1990, S. 14) Da steht er auf der Bühne und stochert mit spitzer Definition im Wespennest, scheint sich zu verhaspeln und beginnt neu, andersherum, er bricht ab, hätschelt das Thema und sticht mit der Pointe, ein Durcheinanderdenker (sagt er über sich), aber ein scharfer Denker mit sämtlichen Informationen. (Nürnberger Nachrichten, 23.05.1992, S. 26) Und er regte an, Venedig möge das Reglement ändern. Auf gut Deutsch: Die Jury hätte an den amerikanischen Star auch noch den Darsteller-Preis geben sollen. (Nürnberger Zeitung, 08.09.2008, S. 15) „Das hat absolut nicht den technischen Regeln entsprochen: auf gut Deutsch gesagt, war das Pfusch“, sagte Hülmann. (die tageszeitung, 17.10.2002, S. 28) Lohnempfänger frönten seiner Erkenntnis nach einer überdurchschnittlichen „Konsumneigung“, geben mit anderen Worten einen relativ hohen Anteil ihres Einkommens schlicht aus. (die tageszeitung, 12.10.1989, S. 9)  

(15b)



(15c)



(15d)



(15e)



(16a)

Ein neuer Held geht in Serie: ein Pfaffe, passend zur lausigen Zeit, ein „sozial fortschrittlicher, engagierter“ Protestant dazu, mit anderen Worten: die Überflüssigkeit in Person. (die tageszeitung, 03.10.1988, S. 14) Zum Abspecken oder andersrum, den Gürtel enger schnallen, hat VEU-Präsident Günther W. Amann aufgerufen. (Kleine Zeitung, 03.03.1999, o. S.)  

(16b)



1143

C5 Metakommunikative Konnektoren

(16c)

Das Geldsammeln bei privaten Gönnern oder gemeinnützigen Stiftungen – auf Neudeutsch: Fundraising – ist einfach noch ein unterentwickelter Zweig an deutschen Hochschulen. (Berliner Zeitung, 12.11.2002, S. 13) Doch ihre Mutter ist nicht fürsorglich, sie ist überfürsorglich. Eine Glucke auf gut Deutsch. (Berliner Zeitung, 05.08.1999, S. VI)  

(16d)

Reformulierende Konnektoren weisen über ihre wörtliche Bedeutung die verknüpften Ausdrücke als in Bezug auf das Denotat identisch aus. Sprecher verwenden sie aber auch, um Ausdrücke miteinander zu verknüpfen, deren Denotate de facto gar nicht identisch sind, sondern z. B. in einem Spezieller-Allgemeiner-Verhältnis zueinander stehen wie in (15c), wo das interne Konnekt einen Vergleich zu dem im externen Konnekt denotierten Sachverhalt sehr viel präziseren Sachverhalt darstellt; der reformulierende Konnektor könnte hier auch durch einen spezifizierenden (und zwar, genauer gesagt) ersetzt werden. Bei Phrasenbezug kann die Bedeutung des internen Konnekts dann als zusätzliche – meist sprechersubjektiv bewertete – Charakterisierung eines Referenten genutzt werden wie in (16a) oder (16d). Indem der Sprecher aber so tut, als biete er nur alternative Formulierungen für ein und dasselbe Denotat, suggeriert er, dass seine (bewertende!) Charakterisierung eine über den Einzelfall hinausgehende generelle Charakterisierung des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts durch die mit dem internen Konnekt bezeichnete Eigenschaft ist. Für (16a) wäre dann abzuleiten, dass jeder sozial fortschrittliche, engagierte Protestant auch die Überflüssigkeit in Person ist und für (16b), dass eine fürsorgliche Mutter immer auch eine Glucke ist. Sozusagen bringt in die Beziehung der Konnekte noch eine spezielle Nuance ein, nämlich die, dass sein internes Konnekt sein Denotat mittels einer übertragenen, metaphorischen Bedeutung bezeichnet, also seine Bedeutung in anderen Verwendungssituationen die Identifikation eines anderen Denotats gestatten würde. Die anderen reformulierenden Konnektoren lassen zwar eine metaphorische Interpretation ihres internen Konnekts ebenfalls zu, erzwingen sie aber nicht. Die genannte für sozusagen geltende einschränkende Festlegung ist ein Bedeutungsaspekt, der sozusagen auch in nichtkonnektoralen Verwendungen wie Der war sozusagen der Chef zukommt. Sozusagen tritt anders als die oben behandelten reformulierenden Konnektoren meist integriert und kaum an der Nullstelle auf.  

(17a)

Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Sozusagen blickten wir mit Schläuchen und nicht mit den Augen. (die tageszeitung, 19.05.1989, S. 15) Der stellvertretende Zugführer hat mich oft geschlagen; er hat sich sozusagen das Recht des Kommandeurs genommen und mich oft erniedrigt. (die tageszeitung, 25.11.1989, S. 27) Den Mann schlug sie erst ins Gesicht, dann trat sie ihm zwischen die Beine. Kundenbetreuung pur, sozusagen. (Berliner Zeitung, 03.05.2002, S. 4)  

(17b)



(17c)



1144

C Semantische Konnektorenklassen

5.4.2 Identifizierende Konnektoren Mit der wörtlichen Bedeutung der identifizierenden metakommunikativen Konnektoren das heißt, id est (mit ihren orthographischen Varianten), sprich, will sagen und soll heißen weist ein Sprecher das interne Konnekt als Bedeutungsäquivalent zum externen Konnekt aus; diese Verwendung illustriert (18a). Die Verwendungsmöglichkeiten sind aber weiter als die wörtliche Bedeutung suggeriert. Identifizierende Konnektoren können auch verwendet werden, wenn die Denotate der Konnekte in einem Inklusionsverhältnis zueinander stehen, also das interne Konnekt einen spezifischeren Sachverhalt denotiert (18b, d, i), einen allgemeineren (18g) oder auch in Korrekturkonstruktionen (18f, h). Identifizierende Konnektoren werden also auch in Kontexten verwendet, in denen sie ohne Veränderung der Bedeutung durch einen reformulierenden, einen spezifizierenden oder einen generalisierenden Konnektor ersetzt werden könnten. Die Konnektoren dieser Subklasse sind durchweg Konjunktoren und können nicht integriert verwendet werden. (18a)

(18b)

Ansonsten ist die Gegend, so wie alle Gegenden, die an Grenzen zu sozialistischen Nachbarländern liegen, das, was man im Fachjargon strukturschwach nennt, das heißt, sie ist arm. (als Ausdrucksvariante zu Beleg (14d) im Abschnitt C5.4.1, in reformulierender Funktion) Er hat auch, weit mehr als Brandt, Zugang zu den Grünen, das heißt zu Grünen Abgeordneten, die ebenso diese Tugenden schätzen. (die tageszeitung, 25.03.1987, S. 4) (in spezifizierender Verwendung) „Die Konzessionsabgabe der Stadtwerke an den Senat darf nicht angetastet werden.“ Sprich: Die neue Energiepolitik darf kein Geld kosten. (die tageszeitung, 12.07.1989, S. 18) Der Rest der Seite gehört dem Volk, sprich Hunderten von begeisterten Jasagern und einer triumphierenden Corazon Aquino. (die tageszeitung, 02.02.1987, S. 7) […] Weil jetzt zusammen fährt, was nach Brandt zusammenhört; will sagen: Die freien Tage dieses festlichen Wochenendes bringen auf den Straßen dieser Stadt Menschen zueinander, die aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. (die tageszeitung, 14.04.1990, S. 35) Andere, insbesondere West-Flugzeuge darf sie aus Sicherheitsgründen nicht besteigen, für eine Autofahrt ist die Zeit zu kostbar, will sagen: zu knapp. (die tageszeitung, 13.06.1989, S. 17) 474 Milliarden Franc plus Inflationsausgleich, also über 150 Milliarden DM sind in den nächsten vier Jahren allein für die technische Ausrüstung der Streitkräfte, d. h. für konkrete Rüstungsprojekte vorgesehen. (die tageszeitung, 07.11.1986, S. 7)  

(18c)



(18d)



(18e)



(18f)



(18g)









1145

C5 Metakommunikative Konnektoren

Exkurs zu d. i./d. i.: Gleichbedeutend mit das heißt ist das seltener – vorwiegend in wissenschaftlicher Literatur (als abgekürzte Übersetzung und des lateinischen id est) gebrauchte d. i. – ausbuchstabiert: das ist. D. i. wird in HDK-1 wie das heißt als Konjunktor aufgeführt, aber im Gegensatz zu d. h. haben wir im DeReKo für d. i. keinen Beleg für eine Verwendung vor einem Satz gefunden, obwohl es sich ansonsten wie d. h. und alle anderen Konjunktoren verhält, also semantisch zwei Ausdrücke, zwischen denen es steht, miteinander verknüpft, aber keine syntaktische Relation zwischen ihnen herstellt. Vgl.:  













Eine Enterbung , d. i. die Entziehung des Pflichtteils durch den Erblasser , kann grundsätzlich nur bei Vorliegen der gesetzlichen (schwerwiegenden) Enterbungsgründe erfolgen, […] (Salzburger Nachrichten, 19.10.1991, o. S.) Noch einmal: der einzellige menschliche Keim ist bereits ein Ganzes hinsichtlich seines Wesens , d. i. seines Menschseins , dem kein Mehr hinzugefügt werden kann. (Erich Blechschmidt, Ethische Grenzen der genmanipulation des Menschen, 1987) Hinzu kommt leider die Unbrauchbarkeit für den an moderner, d. i. zeitgenössischer Architektur Interessierten: […] (die tageszeitung, 27.11.1991, S. 25) Rotwein ca. 15 Minuten im Eiskasten rasten lassen, anschließend ein Probenockerl machen, in heißem, aber nicht kochendem, gesalzenem Wasser ca. acht Minuten pochieren , d. i. gar ziehen lassen . (Neue Kronen Zeitung, 17.09.1995, o. S.)

(i)









(ii)



(iii)









(iv)











In all diesen Konstruktionen könnte ohne Bedeutungsveränderung auch d. h. stehen. Dass im Gegensatz zu d. h. auf d. i. kein Satz folgt, lässt sich u. E. aus seiner Etymologie erklären: Anders als d. h. kann d. i. zum einen keinen unmittelbar vor ihm geäußerten Ausdruck mit dem Inhalt des ihm unmittelbar folgenden Ausdrucks verbinden. Vielmehr bezieht es sich auf den Inhalt des vorangehenden Ausdrucks. Dieser kann aber, wenn er der eines Satzes ist, nicht durch die Kopula sein mit dem Inhalt eines folgenden Satzes identifiziert werden. Man vergleiche etwa die Äußerung „Lisas Beruf ist die Pädiatrie“ heißt, Lisa ist Kinderärztin mit der semantisch abweichenden Konstruktion *{„Lisas Beruf ist die Pädiatrie“. ist Lisa ist Kinderärztin}. Das das aus das ist kann also – anders als das das aus das heißt – weder einen Ausdrucksinhalt, noch einen Ausdruck im Format einer Satzstruktur als Denotat haben. Wie die Beispiele zeigen, kann d. i. wie d. h. in reformulierenden (s. i und iv), spezifizierenden (s. ii) sowie resumptiven (s. iii) Konstruktionen auftreten, hat also bis auf die genannte syntaktische Besonderheit die gleichen Gebrauchsbedingungen wie dieses.  















5.4.3 Spezifizierende metakommunikative Konnektoren Spezifizierende metakommunikative Konnektoren bringen zum Ausdruck, dass die grammatisch determinierte Bedeutung des internen Konnekts spezieller ist als die des externen Konnekts, d. h. die Bedeutung des internen Konnekts impliziert die Bedeutung des externen. Sie können deshalb allenfalls ironisch verwendet werden, um Ausdrücke mit identischem Denotat zu verknüpfen.  

(19)

*Er ist Augenarzt, genau gesagt ist er Ophthalmologe.

Es können sowohl die verknüpften Sätze pauschal (20a) als auch unterschiedliche Konstituenten der verknüpften Sätze (phrasale Einheiten unterhalb der Satzebene, (20b) an der Etablierung der Spezieller-als-Relation beteiligt sein.

1146

(20a)

C Semantische Konnektorenklassen

Diese Stärke weckt allerdings die Begehrlichkeiten der Politik. Genauer gesagt bringt die Ertragskraft der Versicherungen die rot-grüne Bundesregierung auf den Plan, die Branche etwa durch niedrigere Schadenrückstellungen und dadurch höhere Steuerzahlungen zur Kasse zu bitten. (Mannheimer Morgen, 12.11.1998, o. S.) Am 3. April 1990 öffneten sich die Tore des Landesamtes – genauer gesagt: eine Kellertür. (die tageszeitung, 09.05.1990, S. 22)  

(20b)





Wie die reformulierenden Konnektoren werden auch spezifizierende Konnektoren bisweilen in Kontexten verwendet, in denen die Denotate der verknüpften Ausdrücke nicht in einem streng logischen Präzisierungs- bzw. Inklusionsverhältnis stehen. (21a)

Fünf Spieltage vor Saisonschluß ist aus Sicht der vier Mainzer Fußball-Landesligisten erst eine Entscheidung gefallen. Oder genauer gesagt: zumindest fast gefallen. (Rheinzeitung, 17.04.1999, o. S.) Der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Kudella hat ein Problem. Genauer gesagt mindestens zwei: Er liest die taz nicht gründlich, und er hört nicht zu, wenn der Bürgermeister im Parlament was sagt. (die tageszeitung, 06.07. 1989, S. 17) Allüberall hängen Nylonschnüre von der Decke, und an den Nylonschnüren hängen fotochemisch belichtete Folien, und diese belichteten Folien zeigen etwas allüberall Vertrautes: Es sind Besen. Genau gesagt sind es keine Besen, sondern Bilder von Besen. (die tageszeitung, 09.01.1997, S. 27)  

(21b)



(21c)



Für (21a) gilt: die Bedeutung von ‚die Entscheidung ist fast gefallen‘ impliziert logisch natürlich nicht die Bedeutung ‚die Entscheidung ist gefallen‘. Und in (21b) impliziert vielleicht ‚zwei Probleme haben‘ logisch die Bedeutung ‚ein Problem haben‘, aber man kann hier schlecht von einer Präzisierung sprechen: zwei Probleme haben ist nicht präziser als ein Problem haben. Hier kann aber ‚ein Problem haben‘ nachträglich über eine skalare Implikatur zu ‚mindestens ein Problem haben‘ korrigiert werden. Auf diese Weise kann ein Sprecher eine Äußerung, die de facto die Funktion einer Korrektur hat, als Präzisierung ausgeben. Solche Verwendungen sind für genau gesagt möglich, nicht aber für und zwar, nämlich und im Klartext. Die Spezifizierung kann sich bei den Konnektoren dieser Klasse – anders als bei den ebenfalls spezifizierenden Konnektoren nämlich und und zwar – nicht auf einen Geltungsaspekt des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts beziehen, wenn dieser gar nicht explizit im externen Konnekt verbalisiert ist. In (22a) leitet und zwar eine Präzisierung hinsichtlich der temporalen Situierung des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts ein; als die weniger spezifische Konstituente ist im externen Konnekt dann ein indefinites ‚irgendwann‘ zu ergänzen. Mit genau(er) gesagt sind solche Verknüpfungen nicht möglich, da es immer auf einen Ausdruck Bezug nehmen muss.

1147

C5 Metakommunikative Konnektoren

(22a) (22b)

Das wird passieren, und zwar sehr bald. *Das wird passieren, genau gesagt sehr bald.

Genau(er) gesagt tritt in allen Positionen auf, steht aber, wie aus Tab. C5-1 ersichtlich, hauptsächlich bei phrasalen Einheiten (24); dabei kann es vorangestellt (24a, c) und nachgestellt sein (24b). (23a)

Zum Glück für alle neigt sich Phase eins dem Ende entgegen; genau gesagt dauert sie bis um 17 Uhr eins und dreissig Sekunden. (Züricher Tagesanzeiger, 25.10.1999, S. 3) Der geistige Gehalt des Artikels ist nichts als die Retourkutsche. Genauer: es ist die infantile Methode, alle Vorwürfe mit einem Male raffen zu wollen, um sie mit dem Wort „selber“ abzuwenden (die tageszeitung, 15.11.1988, S. 8) Bei der Beule und dem Lackkratzer bleibt es dann auch meist, denn die Fahrerinnen sind im Durchschnitt zwar – bezieht man die Fahrleistung mit ein – in ebenso viele Unfälle wie Männer verwickelt, doch sind die Folgen weitaus geringer. Genau gesagt: Auf deutschen Straßen verursachen Autofahrer fünfmal so viele Unfälle mit tödlichem Ausgang wie Frauen. (Frankfurter Allgemeine, 1995, o. S.)  

(23b)



(23c)



(24a)

Noch ist die Finanzierung von ARD und ZDF gesichert – genau gesagt, bis zum Jahr 2000. (die tageszeitung, 04.04.1996, S. 3) Die Kinder- und Jugendtheater spielen eine besondere Rolle bei Baden-Württembergischen Theatertagen. Eine Hauptrolle, genau gesagt. (Mannheimer Morgen, 02.05.1989, o. S.) Nach Jahrzehnten oberbayerischer Dominanz sind jetzt die Franken im Kommen, genauer gesagt die Mittelfranken. (dpa, 15.10.2007, o. S.)  

(24b)



(24c)



Der Konnektor besser gesagt liegt quasi an der Grenze zwischen einer rein reformulierenden und einer spezifizierenden Verwendung. Meist wird er präzisierend verwendet wie in (25a), doch sind auch rein reformulierende (25b) oder korrektive Verwendungen (25c) belegt. Das interne Konnekt wird hier vom Sprecher als präzisere, angebrachtere Formulierung für den im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalt nachgereicht (und in dieser Hinsicht ist der Konnektor spezifizierend), damit muss aber keine Einschränkung des Denotats verbunden sein. (25a) (25b)

Wer kommt aus NRW besser gesagt Umgebung Mönchengladbach/Viersen/ Neuss/Krefeld? (http://www.forumromanum.de) Mein Gegenüber schien mir eine Persönlichkeit zu sein, die sehr viel Ähnlichkeit mit Cassius Clay, oder, besser gesagt, mit Mohamed Alí hatte: dieselbe Dreistigkeit und derselbe ironische Charakterzug. (http://www.sidekick.it/ martino/sergio_martino_de.html)

1148

(25c) (25d)

C Semantische Konnektorenklassen

Malaria ist – oder besser gesagt wäre – heilbar. Der Staat darf nicht zum Zwecke der Steuerung von Migration – oder im Klartext gesprochen: der Abschreckung – Menschen mit weniger Sozialleistungen abspeisen, sie isolieren, an den Rand der Gesellschaft drängen und sie damit zu Menschen zweiter Klasse degradieren. (dpa, 09.04.2013)

Die durch genau(er) gesagt, besser gesagt und im Klartext (gesprochen) (25d) verknüpften Ausdrücke müssen Alternativen im Rahmen einer gemeinsamen Einordnungsinstanz (GEI) sein. So ergibt z. B. wegen einer nicht rekonstruierbaren GEI die Satzverknüpfung Löwen sind Großkatzen. Genau gesagt ist morgen Neumond. keinen Sinn. Genau gesagt, genauer gesagt, besser gesagt und im Klartext (gesagt) geben über die Spezifizierungsrelation hinaus noch weitere Information über die Art des externen Konnekts und unterscheiden sich darin von und zwar und nämlich: Sie kennzeichnen es als nicht ausreichend präzise für das, was der Sprecher zum Ausdruck bringen will und was er mit der im internen Konnekt verwendeten Formulierung präziser und adäquater ausdrückt. Ein weiterer Unterschied zu nämlich und und zwar ist, dass genau(er)gesagt, besser gesagt und im Klartext (gesagt) nicht isoliert in Fragen nach einer Spezifikation des Denotats des externen Konnekts auftreten können:  

(26)

A: Jetzt haben wir ein Problem. B: Nämlich?/Und zwar?/*Genau(er) gesagt?

Die Nichtweglassbarkeit des internen Konnekts dieser Konnektoren in Fragen hängt damit zusammen, dass eben – anders als bei nämlich und und zwar – bei ihnen das interne Konnekt nicht nur eine Spezifikation liefert, sondern zusätzlich eine indirekte Charakterisierung des externen Konnekts als ungenau, als kommunikativ unzulänglich. In der Dialogsequenz in (26) steht aber die kommunikative Unangemessenheit nicht zur Debatte, vielmehr erwartet der Nachfragende nur eine Präzisierung.

5.4.4 Resumptive Konnektoren Bei resumptiven Konnektoren wie kurz gesagt, kurzum, mit einem Wort haben wie bei den reformulierenden Konnektoren internes und externes Konnekt identische Äußerungsbedeutungen und beziehen sich auf ein und dasselbe Denotat. Darüber hinaus wird der im internen Konnekt verwendete Ausdruck vom Sprecher als ökonomischer, formal weniger aufwendig dargestellt als der im externen Konnekt verwendete Ausdruck. Meist werden diese Konnektoren nur desintegriert an der Nullstelle verwendet, doch sind integrierte Verwendungen nicht ganz ausgeschlossen, weshalb eine Klassifikation als Konjunktor auszuschließen ist.

1149

C5 Metakommunikative Konnektoren

(27a)

Das bedeutet aber nicht, daß alle Wege Berlins zum HdKdW führen. Es liegt zentral – aber nur für Autofahrer. Fern von jeder U-Bahn hält nur der Touristenbus auf seinem Weg vom Alex zum Zoo am Kulturhaus, und wegen Überfüllung hält er oft nicht. In dürren Worten: die Infrastruktur ist beklagenswert schlecht, eine Reise zum HdKdW will wohl überlegt sein. (die tageszeitung, 29.08.1992, S. 11) Den eigenen Lebensstil in der Abgrenzung zum Süden zu definieren, fiel den Menschen zwischen Rhein und Weser schon immer leicht. Was noch fehlte, war ein prägender, nicht von der Abgrenzung allein lebender Regionalismus. Kurz: Es mangelte an einer Landesidentität. (die tageszeitung, 22.09.1986, S. 5) Selbstverständlich kommen reisende Virtuosen weit herum in der Welt, sehen die Städte aller Länder, schicke Hotels, geistreiche Gastgeber, exquisite Buffets. Natürlich hebt in gelungenen Augenblicken die Musik die Schwerkraft auf, läßt die Musiker im strahlenden Glanz des Podiums von allen Fesseln der Materie suspendiert im Klange scheinbar schweben und erlaubt es ihnen, nach vollbrachter Anstrengung im warmen Applaus zu baden. Kurz gesagt können Musiker ihre Neigungen leben, von den Musen umschwärmt, von der Welt bewundert. (die tageszeitung, 01.07.1994, S. 16–17) Wir wollen aus der Kampagne „Waffen für El Salvador“, die durch die taz zu einer Institution geworden ist, wieder eine lebendige Initiative machen. Sie soll von einem breiten Kreis von Zeitungen, Zeitschriften und Radios unterstützt werden und dazu beitragen, die Diskussion über die Entwicklung der Kämpfe in El Salvador wieder intensiver zu führen. Dies ist kurz gesagt die Idee, die auf dem Bundestreffen der El Salvador-Solidaritätsgruppen Anfang März dieses Jahres entstanden ist. (die tageszeitung, 19.07.1988, S. 8) Da kommen wir noch einmal in den Genuß, die deutsche Männerunterhose zu bewundern. Das Modell „Feinripp“ der Firma Schiesser bietet statt Sexappeal für den Mann, an dem sie hängt, weiträumigen Tragekomfort und durch die dezent weiß-gräuliche Farbe die mehrtägige Chance, Spuren der Benutzung durchscheinen zu lassen. Kurzum, in dieser Unterhose wird die Sehnsucht nach dem Mann zur Endstation. (die tageszeitung, 14.10.1988, S. 15) Um vor weiteren Sanktionen verschont zu bleiben, haben betroffene Klubs gebeten, anonym zu bleiben. Das akzeptiere ich und nenne die beiden Vereine kurzum die „Haie“ bzw. die „Goldfische“. (Kleine Zeitung, 04.02.1997, o. S.) Oder wenn Friedrich der Große sagt, man solle das Oderbruch besiedeln, auch mit Katholiken oder Menschen anderer Glaubensrichtungen, dann ist das für die damalige Zeit sehr aufgeklärt. Toleranz ist, kurzum, eine wichtige Tugend im Umgang miteinander. Sie darf aber weder zur Repression noch zur Prinzipienlosigkeit verkommen. (Frankfurter Allgemeine, 12.01.2001, o. S.)  

(27b)



(27c)



(27d)



(27e)



(27f)



(27g)



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(27h)

C Semantische Konnektorenklassen

Der Polizeiangriff führte zu 23 Festnahmen wegen Vermummung und Widerstand – nicht ein einziges Ermittlungsverfahren läuft wegen Sachbeschädigung. Kurz und gut – ein solcher Polizeieinsatz erscheint mir am internationalen Frauentag maßlos unverhältnismäßig. (die tageszeitung, 21.03.1990, S. 23) Ein kultivierter, dezenter, schüchterner Büchermensch, sehr steif und bebrillt, mit einem Wort: süüüüß. (die tageszeitung, 23.11.1989, S. 14)  



(27i)



Für den resumptiven Konnektor in/mit einem Wort (gesagt) finden sich nicht wenige Belege, in denen die Lautfolge des internen Konnekts entgegen dem, was die wörtliche Bedeutung dieses Konnektors – sein Aufschlusswert – ausmacht, aus erheblich mehr als einem Ausdruck besteht. (28a)

In der rundum therapierten Gesellschaft verfügt der Angestellte über Umgangsformen, Selbstbewußtsein und Kompetenz. Mit einem Wort: Er ist an der Macht. (die tageszeitung, 31.01.1998, S. 4) Dieses Gesetz […] garantiert den Bestand der Gruppe. Wäre nämlich zugelassen, was Richter mit Abscheu in der Stimme ‚Grundsatzkritik‘ nennt, so wäre die Gruppe alsbald der Auseinandersetzung mit ihrem Selbstverständnis ausgeliefert, es würden Gegensätze aufgerissen, Standpunkte fixiert, Politik käme ins Spiel, mit einem Wort, die Gruppe würde am Ort der literarischen Taten mit der Außenwelt konfrontiert. (die tageszeitung, 04.11.1988, S. 14–15)  

(28b)



Mitunter werden die Ausdrücke in dürren Worten; kurz; kurz gesagt; mit einem Wort und mit einem Wort gesagt mit resumptiver Äußerungsbedeutung nicht relational, sondern semantisch einstellig verwendet: (29a)

Wie ist die Stimmung unter den Arbeitern? Mit einem Wort: beschissen. (die tageszeitung, 19.02.1996, S. 22) Als Höhepunkt des Festivals erwies sich der Auftritt des Genfer Double Jeu Trios. Was der Gitarrist Christian Graf, der Saxophonist François Chevrolet und der Schlagzeuger Bernard Trontin boten, war – mit einem Wort gesagt – beglückend. (Züricher Tagesanzeiger, 01.10.1996, S. 69)  

(29b)



In diesen Verwendungen beziehen die resumptiv verwendeten Ausdrücke den ihnen folgenden Text nicht auf einen vorangegangen Text, der als externes Konnekt fungieren würde, sondern der jeweilige Ausdruck charakterisiert den ihm folgenden Text nur als eine zusammenfassende Beschreibung eines komplexen Sachverhalts, dessen Beschreibung auch ausführlicher ausfallen könnte als die aufgeführte Charakterisierung.

C5 Metakommunikative Konnektoren

1151

5.4.5 Generalisierende Konnektoren Die generalisierenden Konnektoren allgemein(er)/ganz allgemein gesagt/gesprochen/ formuliert bilden Konstruktionen, die zu den durch spezifizierende und exemplifizierende Konnektoren gebildeten Konstruktionen invers sind: Bei ihnen ist die Bedeutung ihres externen Konnekts spezieller als die ihres internen. (30a)

Bleibt die Frage, wie stark angesichts dieser Umstände die uigurische Identität verankert ist und ob der Islam dabei als stabilisierender Faktor wirkt. Allgemeiner gesagt: welche Aspekte der Geschichte Sinkiangs – der territorialen, ethnisch-kulturellen, religiösen usw. Identität – wollen die Befürworter der Unabhängigkeit […] in den Vordergrund stellen? (die tageszeitung, 12.09.1997, S. 14–15) Es entsteht, so der New Yorker Kritiker Max Kozloff, eine Art Kammer(musik)Fotografie: „Duette für Tisch und Stuhl oder Trios für Brust, Schulter und Schenkel“. Allgemeiner gesprochen: Auch Sujets, die auf den ersten Blick nichts miteinander verbindet, können durch ähnliche Lichtinszenierungen oder vergleichbare Strukturen aufeinander bezogen werden. (Frankfurter Rundschau, 12.09.1998, S. 4) BERLIN, 12. Dezember. Als Norbert Blüm am Mittwoch das Kino CinemaxX am Potsdamer Platz in Berlin betrat, hatte er auch seinen berühmten NorbertBlüm-Habitus dabei. Diese sanfte Stimme, das leise Lächeln und ein gewisses Verständnis für alles Gute und weniger Gute auf der Welt. Allgemein gesprochen sollte es in dem Berliner Kino um Freundschaft und Frieden gehen, ja auch Völkerverständigung, irgendwie. (Berliner Zeitung, 13.12.2001, S. 3) Der Neoliberalismus zielt auf die Zerstörung des Sozialstaats, der linken Hand des Staates, d. h. auf die Abschaffung all dessen, was sich nach der Logik der cost efficiency nicht rechnet. Am augenfälligsten ist dies im Falle des Gesundheitswesens, das von der neoliberalen Politik gleich von zwei Seiten angegriffen wird: Zum einen erhöht sich die Zahl der Kranken und der Krankheiten und zum anderen werden die medizinischen Ressourcen, die Möglichkeiten ihrer Behandlung eingeschränkt. Ganz allgemein gesprochen verursacht eine Politik, die sich an der Kosteneffektivität orientiert, reale gesellschaftliche (kollektive) Kosten in beträchtlicher Höhe, die, wenn man sie in die Rechnung hineinnimmt, das Absurde dieser Politik deutlich machen. (die tageszeitung, 09.09.2000, S. 5) Über „Einsamkeit“ macht sich Theresia Gallion Gedanken. Und bietet zugleich Schritte zur Auseinandersetzung mit dieser Einsamkeit, aber auch zu ihrer Überwindung an: „Ein erster Schritt könnte der Besuch des Weihnachtsgottesdienstes sein“, nennt sie eine Möglichkeit. Auch der Kirchenchor, der Bastelkreis und das Bücherei-Team suchten noch Mitstreiterinnen und Mit 

(30b)



(30c)



(30d)





(30e)

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C Semantische Konnektorenklassen

streiter. Ganz allgemein gesprochen: „Ein Schritt zur Überwindung von Einsamkeit besteht darin, die Angst vor dem Neuen zu verlieren.“ (Mannheimer Morgen, 23.12.1998, o. S.) Während das Barrel Rohöl derzeit die 100-Dollar-Marke testet, war sogenannte Blockbutter, die zur industriellen Weiterverarbeitung gedacht ist, im August teurer als ein Päckchen abgepackte Butter beim Discounter. Getoppt wird dieser Preissprung noch vom Weizen, der 2007 um rund 70 Prozent teurer wurde. Allgemein formuliert: Rohstoffe und einige Grundnahrungsmittel sind dieses Jahr drastisch teurer geworden. (Mannheimer Morgen, 01.12.2007, S. 7)  

(30f)





C5.5 Diskursbezogene metakommunikative Konnektoren 5.5.1 Relevanzbezogene Konnektoren: übrigens, nebenbei (gesagt), überhaupt Relevanzbezogen nennen wir Konnektoren, die ihr internes Konnekt in Bezug auf das kommunikative Gewicht kennzeichnen, die es für den Diskurskontext, speziell im Bezug auf das externe Konnekt, hat. Von den relevanzbezogenen Konnektoren kennzeichnen nebenbei (gesagt) und übrigens das interne Konnekt als relevanzschwache Nebeninformation, die nicht zur Beantwortung der textuellen Quaestio beiträgt (vgl. Klein/von Stutterheim 1992), überhaupt als relevanzstarkes, ja gewichtigstes Argument in argumentativen Zusammenhängen. (31a)

Die Schauspielerin Käthe Reichelt (sic!) sagte dann, was sie von den Leuten hält, die gekommen waren. Kälber seien sie. Und sie würden abgestochen werden. Mit einem Messer aus Kruppstahl. (Nebenbei, so schlimm kann das gar nicht sein. Jeder im Lande weiß, was vom sowjetischen Wald- und Wiesenstahl, dem Pendant, zu halten ist.) Wegen der RednerInnen waren die Leute nicht gekommen. Die Menschen im Lustgarten hatten Angst. Angst vor dem Neuen, dem Anderen. Sie fürchten sich vor Herausforderungen, vor Veränderungen. (die tageszeitung, 07.04. 1990, S. 9) Wir hatten 1988 eine Gesamtzahl von 27 Banküberfällen mit einer Aufklärungsquote von 37 Prozent, daß sind zehn aufgeklärte Taten. In diesen [sic] Jahr hatten wir bis zum 1. August 20 Taten, dabei müssen wir aber den Zeitraum vom 7. Juli bis 25. Juli mit einer auffälligen Häufung von sieben Taten innerhalb dieses Zeitraums berücksichtigen. Aber das sind Taten, die aus einer Sogwirkung heraus entstanden sind. Wenn wir die abziehen – sie  

(31b)









C5 Metakommunikative Konnektoren

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sind nebenbei gesagt alle aufgeklärt – haben wir 13 Taten, vier davon sind Versuche. (die tageszeitung, 05.08.1989, S. 27)  

Übrigens ist einer der wenigen nicht positionsbeschränkten unter den metakommunikativen Adverbkonnektoren und tritt auch in der Nacherstposition auf. (Zu Funktionen bei Mittelfeldposition vgl. Egbert 2002.) (31c)

Nun ist zunächst mal erstaunlich, daß das Opferinstrument par exellence – das Schwert und der Dolch große Ähnlichkeit in Aussehen und Wirkung mit den Götterblitzen haben. Der Mensch spielt wiederum dieses entlastende Opferspiel. Er tötet selbst mit dem Blitzschwert. Und ich denke auch, daß das erste Eisengerät das Schwert – nicht nur Form und Wirkung eines einschlagenden Blitzes hat, sondern einer war. Der Mensch gräbt ein Schwert aus! Er hat auch das Feuer daher. Und wenn er nun selbst Katastrophe spielt, Feuer macht, Erz dazwischen, bums, da hat er den Eisenklumpen, macht selbst den Dolch und spielt auch gleich wieder Gewitter: sticht das Ding in das Opfer. Übrigens wird auch die Keramik ihren Ursprung hier haben. Ein weiteres Fruchtbarkeitsindiz ist die Mutationskraft der Blitzeinschläge in den Erdboden. (die tageszeitung, 14.10.1988, S. 14) Auf dem Rückweg äußerte er sich, von mir befragt, sehr abfällig über den unseligen Maler Rudolf. Es fehle ihm nicht an künstlerischem Ernst, aber er komme nirgends in die Tiefe, sei ein Halber, beherrsche auch das Metier nicht. Am Handwerk übrigens fehle es allen Modernsten, die im Schlepptau der Franzosen seien und mehr Gedanken als Malgenie hätten. Menzel stecke sie alle ein, als Schöpfer u. Könner. Wie weit mag das stimmen? All meine Aesthetik versagt der Malerei u. der Musik gegenüber. Ich bin da ganz hilflos. (BIO/TK1, Klemperer, Tagebücher, S. 769–897)  

(31d)



Bei den relevanzbezogenen Konnektoren entscheidet über die Reichweite ihres internen Konnekts letztlich das Weltwissen: Wenn irgendwann der Inhalt des Textes, der auf den Trägersatz des Konnektors folgt, ein anderes Thema bearbeitet – eine andere „Quaestio“ beantwortet – als der Inhalt des Trägersatzes, dann ist dies ein Zeichen dafür, dass das interne Konnekt des Konnektors beendet ist. Exkurs zu im Übrigen: Es gibt Konnektoren, bei denen es nicht ganz klar ist, ob man sie als additiv (wie auch, außerdem, und und zudem) oder als metakommunikativ klassifizieren soll. Dies gilt z. B. für im Übrigen, das vom HDG als Synonym von übrigens betrachtet wird, vom 10-bändigen Brockhaus dagegen als Synonym von außerdem und zudem und in Métrich/Faucher (2009) in einer Bedeutung als Synonym (concurrent) von ansonsten, sonst und abgesehen davon und in einer zweiten als Synonym von außerdem, obendrein und übrigens. Wir denken, dass die unterschiedlichen Verwendungen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Wir haben viele Belege für im Übrigen durchgesehen und feststellen können, dass der Konnektor vorwiegend in Aufzählungen von Begründungen verwendet wird und dann durch 

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C Semantische Konnektorenklassen

aus als additiv angesehen werden kann, indem zu vorausgehenden Begründungen eine weitere hinzugefügt wird. (31e)

Der ÖPNV vom flachen Land in Richtung Braunschweig ist auch nicht so aufgestellt, dass Hunderte von Pendlern mal eben auf Bus oder Bahn umsteigen könnten. Im Übrigen: Auch die Busse werden in den Staus hängenbleiben. (Braunschweiger Zeitung, 15.04.2013, o. S.)  

Relevanzanzeigende Funktion können für die geschriebene Sprache auch paarige Gedankenstriche und runde Klammern haben, können sie doch Appositionen und Parenthesen, die zum Rest einer Äußerung nicht in einem definitorischen Verhältnis stehen, von diesem abgrenzen (vgl. Das ist doch (und meinen Kollegen habe ich das schon gesagt)/– und meinen Kollegen habe ich das schon gesagt – ganz schön gemein.). Allerdings können sie auch Reformulierungen und Spezifikationen einschließen, sind also genauso wie der Doppelpunkt semantisch unterspezifiziert. Wir rechnen sie dennoch zu den relevanzbezogenen Konnektoren, weil sie in all diesen Fällen die Bedeutung des Ausdrucks, der von dem jeweiligen paarigen Konnektor eingeschlossen wird, als gegenüber ihrem Kontext sekundäre Proposition, sekundäre epistemische Minimaleinheit oder sekundäre Illokution markieren. Überhaupt hat gewissermaßen die zu übrigens komplementäre Funktion, insofern es sein internes Konnekt als im Rahmen einer Argumentation besonders relevant auszeichnet. Damit ist in der Regel auch eine Generalisierung verbunden – das schlagkräftigere Argument ist auch das generellere, da es auf eine größere Anzahl von Fällen zutrifft. Beim generalisierenden Konnektor allgemein(er) gesagt ist dagegen die relevanzbezogene Funktion nicht Bestandteil der lexikalischen Bedeutung. Mit überhaupt kann ein Sprecher auch zum Ausdruck bringen, dass er seine Äußerung als abschließendes Argument in einer Diskussion ansieht, dem der Gesprächspartner kein gewichtigeres Argument mehr entgegenzusetzen hat. Überhaupt wird vorwiegend an der Nullposition, häufig in der Kombination und überhaupt verwendet, Vorfeldstellung wie in (32b) oder Mittelfeldstellung wie in (32c) sind ebenfalls möglich. Es kann auch Fragesätze (32d) und Imperativsätze (32e, f) einleiten, die es dann als die im Kontext wichtigste Frage bzw. Aufforderung ausweist. (32a)

Ganz erschreckt aber hat mich der penetrante Hinweis an sage und schreibe drei (!) Stellen des Textes, dass die Katholiken unter uns gefährlicher leben. Magenkrebs sei eine katholische Krankheit, und überhaupt, in „ärmeren und meist katholischen Gegenden“ stirbt’s sich früher. Nun frage ich mich wirklich, was uns Katholiken so auf den Magen schlägt und welche unverdaulichen Brocken uns so früh ins Grab bringen. (St. Galler Tagblatt, 10.05. 1997, o. S.) Zur Zeit gibt es hierzulande vermutlich keine politische Partei, die ein marktsozialistisches Programm in Erwägung zieht. Überhaupt ist das allgemeine Klima für weitreichende Reformen, wie sie in den hier skizzierten Modellen vorgesehen sind, ungünstig. (Frankfurter Rundschau, 18.03.1997, S. 10) Vor 17 Jahren erweiterte die Familie ihren Betrieb noch um den Zweig der Friedhofsgärtnerei, wobei die Aufträge von privater Seite, von den Angehörigen der Verstorbenen, kommen. Aufträge langjähriger privater Kundschaft zu deren Zufriedenheit auszuführen ist überhaupt ein Hauptanliegen des Betriebes. Gibt es doch einmal Reklamationen, ist meist Regine Felsberg am Telefon und kann in der Regel den Unmut besänftigen. (St. Galler Tagblatt, 01.12.2001, o. S.) Damals vertrat ein nicht unwesentlicher Teil der Verantwortlichen die „normale“ Innsbrucker Position: Das wird nichts, bei uns geht das nicht, und überhaupt, wozu sollte das gut sein? Das hat sich mittlerweile geändert. (Tiroler Tageszeitung, 27.09.1997, o. S.)  

(32b)



(32c)



(32d)



C5 Metakommunikative Konnektoren

(32e)

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Jetzt also haben wir sie im Tiroler Unterland. Hier sind die Menschen ja tolerant und gar nicht prüde und überhaupt: Soll doch jeder/jede tun, wie er/sie will. Wer gegen eine SexVermarktungsmesse (von Erotik ist ja keine Spur) ist, der/die ist intolerant, ja verzopft. (Tiroler Tageszeitung, 19.10.1996, o. S.) Es ist freilich ein Umweg, aber desto lustiger und sichrer; Maria von Magdala ist ihn auch gegangen, und wer weiß, wie viel andere. Überhaupt, Schwester, wenn von Liebe die Rede ist, solltest du dich gar nicht drein mischen. (Johann Wolfgang von Goethe,Wilhelm Meisters Lehrjahre. Hamburger Ausgabe, Band 7, S. 565)  

(32f)





Mit überhaupt können auch Einheiten unterhalb der Satzebene als relevant gekennzeichnet werden. (33)

Wenige Vögel, ja überhaupt, wenige höhere Tiere […], haben ein so hoch entwickeltes Familien- und Gesellschaftsleben wie die Dohlen. (Bsp. aus Métrich/Faucher 2009: 864)

Neben der Verwendung als metakommunikativer Konnektor kann überhaupt auch als einstellige Fokuspartikel in negierten Kontexten (Das ist überhaupt nicht peinlich.) und als Abtönungspartikel in Fragesätzen (Hörst du mir überhaupt zu? Wer ist das überhaupt?) auftreten (vgl. zur Polysemie von überhaupt König 1983). Auf der Basis des operationalen Kriteriums, dass ein Fragesatz mit überhaupt im Unterschied zu einem Fragesatz ohne überhaupt schlecht diskursinitial verwendet werden kann, muss auch die Abtönungspartikelfunktion von überhaupt als konnektoral klassifiziert werden. (Zur Schwierigkeit der Abgrenzung einstelliger von zweistelligen Verwendungen bei Partikeln und Adverbkonnektoren ohne phorische Komponente vgl. auch die Diskussion in Métrich/Faucher 2009: 876.)

5.5.2 Präzisierende Konnektoren: nämlich und und zwar Nämlich und und zwar teilen mit den reformulierenden spezifizierenden Konnektoren genau(er) gesagt und besser gesagt (s. C5.4.3) die präzisierende Relation zwischen den Argumenten des Konnektors. Sie nehmen aber ihrer wörtlichen Bedeutung nach nicht auf die Form des Ausdrucks Bezug, sondern operieren auf der Ebene des Diskurses. Sie kennzeichnen den durch ihr internes Konnekt bezeichneten Sachverhalt als Spezifizierung eines inhaltlich unterspezifizierten Sachverhaltsaspekts des externen Konnekts, der in diesem explizit oder implizit gegeben ist. Dass dieser Aspekt nicht notwendig sprachlich ausgedrückt sein muss, unterscheidet sie von den spezifizierenden reformulierenden Konnektoren, die auf einen Ausdruck dessen, was sie (präzisierend) reformulieren, angewiesen sind. (34a)

Noch ein weiteres Problem sieht die BI [Bürgerinitiative] auf sich zukommen. Nämlich/Und zwar/*genauer gesagt: Was passiert mit den vom Umweltministerium gespeicherten Adressen der Einwender? (die tageszeitung, 21.06. 1988, S. 5)  

An (34a) lässt sich ein semantischer Unterschied zwischen und zwar und nämlich auf der einen Seite und genauer gesagt auf der anderen Seite demonstrieren: Mit dem

1156

C Semantische Konnektorenklassen

internen Konnekt von genauer gesagt kann nur eine präzisere Formulierung für ein im externen Konnekt eingeführtes und für den Hörer identifizierbares Denotat angegeben werden, es kann aber keine Information einführen, die es dem Hörer überhaupt erst ermöglichen würde, ein ihm unbekanntes Denotat zu identifizieren. Daraus leiten sich folgende Gebrauchsunterschiede ab: Referenzauflösende Nachtragskonstruktionen (vgl. Altmann 1981) sind mit und zwar und nämlich, nicht aber mit genau(er) gesagt möglich.4 (34b)

Tatsächlich gibt es in der ganzen Welt nur ein Land, das Pro-Kopf gerechnet höher als Irland verschuldet ist, nämlich Israel. (die tageszeitung, 17.02.1987, S. 9) […] und zwar Israel/*[…] genauer gesagt Israel.  

(34b’)

Korrekturverwendungen sind mit genau(er) gesagt, nicht aber mit und zwar und nämlich möglich. (34c)

Jetzt haben wir ein Problem, genau gesagt/*und zwar/*nämlich haben wir zwei Probleme.

Spezifizierungen nicht genannter Aspekte des im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalts sind mit genau(er) gesagt nicht möglich. (Auf diesbezügliche Unterschiede zwischen nämlich und und zwar wird weiter unten eingegangen.) (34d) (34e)

Wir fahren morgen in Urlaub, und zwar/nämlich/*genauer gesagt an die Ostsee. Die Polizeibeamten müssen als Abschlußprüfung sechs Klausuren schreiben, und zwar zu Themen wie „Allgemeines Verwaltungs-, Polizei- und Ordnungsrecht“ oder „Einsatzlehre einschließlich Kriminalistik“. (die tageszeitung, 16.09.1986, S. 2) […] nämlich/*genauer gesagt zu Themen wie „Allgemeines Verwaltungs-, Polizei- und Ordnungsrecht“ oder „Einsatzlehre einschließlich Kriminalistik“.  

(34e’)

4 Onea/Volodina (2009) weisen darauf hin, dass nämlich-Spezifikationen im Nachfeld nicht alle Kriterien für Nachtrag (genauer gesagt: Reparatur-Nachtrag) und Rechtsversetzung erfüllen. So treten bei Nachtragskonstruktionen im Mittelfeld eher definite Kennzeichnungen als Bezugskonstituenten des Nachtrags auf (ebenso wie bei Rechtsversetzungskonstruktionen), während nämlich gerade indefinite Bezugskonstituenten bevorzugt. Vgl. den Kontrast zwischen (i) und (ii): (i) Meine Chefin dreht manchmal völlig durch. Die ist halt so, die Frau. (ii) Meine Chefin dreht manchmal völlig durch. #Die ist halt so, nämlich die Frau. Onea/Volodina schließen daraus, dass nämlich in diesen Verwendungen weder als Rechtsversetzungsnoch als Nachtragskonstruktion im Sinne von Altmann (1981) und auch nicht als Reparaturnachtrag im Sinne von Averintseva-Klisch (2009) analysiert werden kann.

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C5 Metakommunikative Konnektoren

(34f)

Karl-Heinz Schreiber hat ein „spannendes Problem, das es der Politik sehr schwer macht“. Nämlich: Zahlreiche BremerInnen wollen partout keine neuen Straßen haben und sagen das immer lauter. (die tageszeitung, 10.12.1988, S. 25) […] und zwar/*genauer gesagt: Zahlreiche BremerInnen wollen partout keine neuen Straßen haben und sagen das immer lauter.  

(34f’)

In den obigen Beispielen sind und zwar und nämlich äquivalent. Beide treten vorzugsweise vor Nichtsatzkonnekten auf wie in (35a) mit einer PP oder (35b) mit einer Subjunktorphrase: (35a)

Die Volkszählung ist in vier Bezirken beendet, nämlich in Tiergarten, Reinickendorf, Spandau und Wedding. (die tageszeitung, 20.08.1988, S. 25) […] und zwar in Tiergarten, Reinickendorf, Spandau und Wedding. Gewiß, sein Name taucht immer wieder auf, nämlich sobald von Heinrich Heine die Rede ist. (die tageszeitung, 01.12.1989, S. 17) […] und zwar sobald von Heinrich Heine die Rede ist.  

(35b)



Sie haben jedoch unterschiedliche syntaktische und semantische Eigenschaften und sind nicht in jedem Kontext austauschbar. Und zwar tritt, wenn es einen Satz anschließt – was ausgesprochen selten ist und in einer 100er-Stichprobe im DeReKo kein einziges Mal belegt war –, eher im Vorfeld auf (36a, b); eine Position an der Nullstelle (36c, d) ist selten und stilistisch markiert. Nämlich tritt in spezifizierender Funktion standardsprachlich entweder mit Nichtsatzkonnekten auf oder – ebenfalls selten – an der Nullstelle wie in (37a). Vorfeldposition wie in (37b) ist belegt, aber stilistisch markiert. (36a)

Gab es für Sie Überraschungen bei der intensiven Beschäftigung mit dem Werk von Kurt Weill? Ja, durchaus, und zwar hat mich die Art und Weise der amerikanischen Lieder doch verwundert. (Rheinzeitung, 24.11.2006, o. S.) Sie sprachen von Bindungen, Herr Ortleb. wir sind gebunden, und zwar sind wir gebunden an die Vier-Mächte-Rechte und Vier-Mächte-Verantwortlichkeiten; denn wir stehen unter diesen und wollen in den 2-plus-4-Verhandlungen diese ablösen. (Volkskammer der DDR; 15. Tagung am 17.06.1990, S. 539) Damals waren diese Verse ein Ärgernis, und auch nächste Freunde von Pasolini (z. B. Moravia) verstanden sie nicht. In ihnen hat Pasolini praktisch die Thesen seiner Freibeuterschriften antizipiert, und zwar: Die 68er Bewegung ist letztlich eine kleinbürgerliche Bewegung, die auf eine bloße Modernisierung des Landes hinausläuft. (Frankfurter Rundschau, 04.07.1998, S. 8) Dass ein Pädagoge wie Sie sich gegen die Ausländer aussprechen kann, tut mir im Herzen weh! Wir Eltern von Ihren ehemaligen „Schweizer Schülern“  

(36b)



(36c)





(36d)

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C Semantische Konnektorenklassen

haben etwas aus dem vorerwähnten Artikel gelernt und zwar: Urteile den Menschen nicht nach seiner Herkunft ob ausländisch oder schweizerisch! (St. Galler Tagblatt, 14.07.2000, o. S.) Es darf nicht soweit kommen – das würde beim staatlichen Todesschuß der Fall sein – daß auf das Lebensrecht der Geisel möglicherweise keine Rücksicht mehr genommen wird und ein anderer Grundsatz in den Vordergrund tritt, nämlich: der Staat darf der Gewalt nicht weichen. (die tageszeitung, 23.08.1988, S. 5) Hallo Freunde der Konnexion, auf den SCW seid ihr bisher ja noch nicht so sehr versessen ;-). Und trotzdem habe ich mal was draufgelegt, nämlich hat Eva den Konnektoren-Abschnitt meines Buchmanuskripts kommentiert, und einige ihrer Anmerkungen sind durchaus weitergehende Diskussionspunkte auch für uns alle. (Aus einer E-Mail)  

(37a)



(37b)

Im Unterschied zu und zwar kann nämlich auch in satzinternen Positionen auftreten, nämlich in Nacherstposition und im Mittelfeld, hat dann aber eine Lesart, die und zwar nicht hat: es ist kausal-begründend, d. h. es schließt eine Begründung auf der epistemischen Ebene (38a) oder auf der Sprechaktebene (38b) an.5 (s. auch C4.2.3.1.1.2.3). In dieser Verwendung ist es (abgesehen vom syntaktisch-distributionellen Unterschied) äquivalent mit denn. Es kann eine kausal-begründende Beziehung auch dann erzwingen, wenn die Bedeutungen der Argumente nicht auf der Basis von Weltwissen als in einem Kausalzusammenhang stehend interpretierbar sind wie in der Verknüpfung mit Kunstwörtern in (38c). (38c) nämlich ist nur so zu verstehen, dass der Sprecher mit dem im internen Konnekt genannten Sachverhalt seine Überzeugung begründet, dass der mit dem externen Konnekt bezeichnete Sachverhalt zutrifft. Und zwar kodiert dagegen eine solche begründende Relation nicht von sich aus, wie (38c’) zeigt, für das man nicht nur einen einzigen spezifischen inhaltlichen Zusammenhang feststellen kann.  

(38a)

Wer im Besitz eines magnetischen „Sesam-öffne-Dich“ für beispielsweise einen Parkplatz in der Tiefgarage am Marktplatz ist, sollte sich hüten, diesen Schlüssel mit der Scheckkarte in Berührung zu bringen. Auf dieser nämlich befindet sich ebenfalls ein Magnetcode, der nur vom Geldautomaten entziffert werden kann. Oder besser: können sollte. (Mannheimer Morgen, 17.01. 1991, o. S.)  

5 Vgl. auch Hartmann (1977: 109) zu begründenden nämlich-Sätzen: „Wenn auch der Partikelsatz oft eine Begründung enthält, so wird damit weniger eine Kausalrelation zwischen bestehenden Sachverhalten behauptet; vielmehr weist der Sprecher auf die Notwendigkeit hin, die in diesem Partikelsatz enthaltene Information zur Explikation, Verdeutlichung, Erklärung eines vorher benannten Sachverhalts zur Kenntnis zu nehmen“.

C5 Metakommunikative Konnektoren

(38a’) (38b) (38b’) (38c) (38c’)

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# […] Und zwar befindet sich auf dieser ebenfalls ein Magnetcode, … Kann ich mal ein Glas Wasser haben? Ich hab nämlich seit Stunden nichts mehr getrunken. # […] Und zwar hab ich seit Stunden nichts mehr getrunken. Der Knull hat geprempelt. Das Fipi hat nämlich geurzt. Der Knull hat geprempelt. Und zwar hat das Fipi geurzt.

Nämlich wird deshalb in Wörterbüchern und Arbeiten zur Bedeutung von Partikeln in aller Regel mit zwei Lesarten angeführt; exemplarisch hier Métrich/Faucher (2009: 594 ff.), die das mittelfeldfähige nämlich als „Erklärung und Rechtfertigung“ von der „Gliederungspartikel“ unterscheiden, die das „zuvor Gesagte verdeutlicht oder ergänzt“ (ebd. 598). In vielen europäischen Sprachen müssen die beiden Lesarten lexikalisch differenziert werden.6 Ein weiterer Unterschied zwischen nämlich und und zwar liegt darin, dass nämlich nur eingeschränkt dann auftreten kann, wenn im externen Konnekt der zu spezifizierende Aspekt nicht explizit genannt ist. So sind z. B. auch Nachtragskonstruktionen mit Verbkomplementen mit und zwar, nicht aber mit nämlich möglich.  



(39a) (39a’)

Räum deine Klamotten hier weg! Und zwar dalli. #Räum deine Klamotten hier weg! Nämlich dalli.

(39b) (39b’)

Wir haben geerbt, und zwar ein halbverfallenes Häuschen. #Wir haben geerbt, nämlich ein halbverfallenes Häuschen.

(39c)

Seit Jahren suchen die Basisgruppen nach freien Räumen – und zwar nicht nur im übertragenen Sinne – in denen sie ohne Gängelung ihrer Arbeit nachgehen können. (die tageszeitung, 03.07.1987, S. 9) #Seit Jahren suchen die Basisgruppen nach freien Räumen, nämlich nicht nur im übertragenen Sinne.  

(39c’)

Dagegen scheinen aber die Beispiele in (40) zu sprechen. (40a)

Hansen aber habe die „Angelegenheit umgehend erledigt haben“ wollen, nämlich durch Einstellung, heißt es weiter. (die tageszeitung, 07.03.1990, S. 5)  

6 So entspricht dem spezifizierenden nämlich im Französischen à savoir, im Spanischen und Portugiesischen a saber, span. auch o sea, im Italienischen cioè und vale a dire, im Ungarischen éspedig, im Russischen значит (značit) und то есть (to est’), im Polnischen to jest, to znaczy und mianowicie, und im Englischen namely. Dem Begründungs-nämlich entspricht im Französischen car, im Spanischen es que, im Portugiesischen é que, im Italienischen perché und infatti, im Ungarischen ugyanis, im Russischen так как (tak kak), ведь (bed’) im Polnischen bowiem und gdyż und im Englischen for.

1160

(40b)

C Semantische Konnektorenklassen

„Ich habe auf dem FDGB-Kongreß zwar auch die Hand gehoben“ – nämlich für einen Generalstreik, falls das geforderte Gewerkschaftsgesetz nicht noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. (die tageszeitung, 13.02.1990, S. 7)  

Hier spezifiziert aber das interne Konnekt von nämlich immerhin die Bedeutung der VP: So kann in (40a) die Bedeutung des internen Konnekts als Spezifizierung des modalen Aspekts ‚umgehend‘ der VP betrachtet werden, und für (40b) gilt, dass das Handheben als Zeichen eines Verhaltens in einem Abstimmungsprozess immer das Zeichen für etwas ist. Damit kann die Einschränkung, auf einen zuvor genannten, aber semantisch unterspezifizierten Aspekt Bezug zu nehmen, weiterhin als Bedeutungsmerkmal für das spezifizierende nämlich gelten, in dem es sich von und zwar unterscheidet.7 In ihrer Diskursfunktion sind und zwar und nämlich allerdings durchaus vergleichbar. Beide stehen im Dienst von Fokussierungsstrategien. Sie sind anders als rechtsversetzte Konstituenten (s. 11a) keine vom Sprecher nachgeschobene, im informationsstrukturellen Hintergrund anzusiedelnde Reparatur einer für den Hörer nicht identifizierbaren Referenz, sondern sie sind von vorneherein vom Sprecher als Fokus seiner Mitteilung intendiert, für die er einen Spannungsbogen von der indefiniten (oder nur implizit gegebenen) zur definiten Referenz herstellt. Nichtsatz-Konstituenten nach und zwar und nämlich tragen, anders als klassische Rechtsversetzungen, im Nachfeld immer den Hauptakzent der Verknüpfung. (41a) (41b) (41c)

[Das]i muss sie doch /geWUSST haben, ich meine [dass ihr Mann fremdgeht]i\. *Das muss sie doch /geWUSST haben, und zwar dass ihr Mann fremdgeht.\ *Das muss sie doch /geWUSST haben, nämlich dass ihr Mann fremdgeht.\

Dennoch sind und zwar und nämlich nicht in allen spezifizierenden Kontexten äquivalent. (42a) (42b) (42c)

Sie erzählte ihm, wo sie studiert hatte, nämlich/?und zwar in Münster. Sie zeigte ihm, wie man das macht, nämlich/?und zwar mit Hilfe einer Axt. Sie fragte, ob er krank war, und zwar/?nämlich im letzten Vierteljahr.

7 Vgl. schon bei DWB: nämlich „dient zur hervorhebung und bekräftigung oder zur näheren, namentlichen anführung von etwas früher unbestimmt und allgemein angegebenen“. Im Rahmen eines diskurssemantischen Ansatzes geben Onea/Volodina (2009) als Bedeutung an: „Vor einem Nicht-Satz spezifiziert nämlich immer einen in der unmittelbar vorangehenden Äußerung eingeführten unterspezifizierten Diskursreferenten.“

C5 Metakommunikative Konnektoren

1161

In den Beispielen unter (42) handelt es sich um eingebettete Ergänzungs- und Entscheidungsfragen, deren Denotat als qua Existenzpräsupposition gegeben zu interpretieren ist. In einem solchen Kontext kann nämlich, nicht aber und zwar erscheinen. Auf eine weitere Gebrauchsbeschränkung von und zwar gegenüber nämlich weist Granito (1984) hin. Und zwar ist nicht zu verwenden, wenn die Bezugskonstituente im externen Konnekt definit und mit einer Einzigkeitsbedingung versehen ist, sondern nur, wenn die Bezugskonstituente Alternativen eröffnet. Unsere älteste Tochter, nämlich Ursula, kommt morgen zu Besuch. (Bsp. aus Granito 1984: 182) *Unsere älteste Tochter, und zwar Ursula, kommt morgen zu Besuch. Eine unserer Töchter, nämlich/und zwar Ursula, kommt morgen zu Besuch.

(43a) (43b) (43c)

Daraus lassen sich die spezifizierenden Bedeutungen von und zwar vs. nämlich wie folgt beschreiben: (i)

Nämlich setzt voraus, dass im externen Konnekt eine Bezugskonstituente existiert, deren Denotat als gegeben und alternativlos dargestellt wird. Mit dem Trägerkonnekt von nämlich wird dafür eine präzisere Charakterisierung gegeben. Und zwar selegiert aus einer Menge von Alternativen eine als im gegebenen Kontext zutreffend. Die Alternativenmenge wird im externen Konnekt entweder durch einen indefiniten Ausdruck eröffnet, oder sie ist in der Verbbedeutung impliziert.

(ii)

Der Doppelpunkt wurde in A1.4 (v) unter Formgesichtspunkten als Grenzfall eines Konnektors beschrieben. (Zu Konnektorverwendungen des Doppelpunkts vgl. Karhiaho 2003.) Er signalisiert in einer ansonsten asyndetischen Satzfolge inhaltliche NichtAbgeschlossenheit des Satzes, hinter dem er steht, und impliziert, dass eine inhaltliche Relation zwischen diesem und dem folgenden Ausdruck besteht. Dabei kann er nur bei einer Auswahl an erschließbaren semantischen Relationen verwendet werden, nämlich genau denjenigen, die auch in asyndetischen Satzfolgen erschließbar sind, also z. B. keinen negationshaltigen Relationen (vgl. Breindl/Waßner 2006). Als Konnektor ist der Doppelpunkt also extrem unterspezifiziert. Außer in Kausalzusammenhängen wie (44a) tritt er auch in spezifizierenden und exemplifizierenden Zusammenhängen auf. In diesen Verwendungen könnte immer auch ein und zwar oder nämlich oder zum Beispiel eingesetzt werden.  

(44a) (44b)

Hans ist todmüde: Er hat den ganzen Tag Holz gehackt. Die Krönung kommt jetzt: Die supermoderne Entschwefelung hat bis heute nicht ein einziges Mal im Vollast-Betrieb funktioniert. (die tageszeitung, 03.12.1987, S. 4)  

1162

(44c)

C Semantische Konnektorenklassen

Wir könnten uns doch ein Haustier anschaffen: einen Hund, eine Katze oder wenigstens ein Meerschweinchen.

5.5.3 Exemplifizierende Konnektoren Die exemplifizierenden Konnektoren beispielsweise und zum Beispiel (mit ihren graphematischen Varianten) bezeichnen einen Spezialfall einer Präzisierungsrelation: Sie spezifizieren einen Typ eines Sachverhalts, von dem der durch das interne Konnekt bezeichnete Sachverhalt eine Instanz darstellt; es liegt also gewissermaßen ein Type-Token-Verhältnis vor. Wie bei jeder Präzisierungsrelation gilt wieder, dass die Bedeutung des internen Konnekts die des externen inkludiert, aber nicht umgekehrt. Das Denotat des internen Konnekts kann hier niemals das des externen exhaustiv erschöpfen, wie das bei den in C5.4.2 behandelten spezifizierenden Konnektoren möglich ist. Anders als beim formulierungsbezogenen spezifizierenden Konnektor genau(er) gesagt weisen die exemplifizierenden Konnektoren ihr internes Konnekt von vorneherein nicht als ökonomischere Ausdrucksalternative, sondern als Denotateinschränkung gegenüber dem im externen Konnekt bezeichneten Sachverhalt aus. Syntaktisch sind die exemplifizierenden Konnektoren unter den metakommunikativen Konnektoren eine Besonderheit, insofern sie überwiegend integriert im Vorfeld (45a, b) und Mittelfeld (45c, d) vorkommen und auch die Nacherstposition (45e) erlauben. Nullposition (45f) ist hier eher der seltene Fall. Anschluss von Phrasen (45g, h) und Nachstellung (45h) sind ebenfalls möglich. (45a)

Heute sei es nicht mehr möglich zu unterscheiden, ob bestimmte Forschungsprojekte sogenannten defensiven Zielen oder der Entwicklung verbotener Angriffswaffen dienen. Beispielsweise sei in der Impfstofforschung wahrscheinlich, daß diese die Immunisierung eigener Soldaten gegen eigene Kampfstoffe versucht. (die tageszeitung, 05.09.1986, S. 4) Andere waren wegen ihres großen Bekanntenkreises interessant. Zum Beispiel waren Journalisten wegen ihrer hohen Flexibilität wichtig. (die tageszeitung, 09.07.1990, S. 11) Die Staatsführung wird kleinen ethnischen Gruppen das Recht zur Bildung autonomer Regionen gewähren, die großen Völker der Oromo, Amharen und Tigray hingegen in mehrere administrative Regionen aufspalten und durch fortgesetzte Umsiedlungen untereinander kulturell vermischen. So wird die Regierung beispielsweise eine autonome Afar-Region installieren, welche Teile Eritreas, Tigrays und Wollos umfassen wird. (die tageszeitung, 11.09. 1986, S. 3) Mit den anthrophomorphen Qualitäten der Maschinen zu spielen hat seine Grenzen. Wir wollen zum Beispiel keine sprechenden Abraham Lincolns wie in Disneyland. (die tageszeitung, 29.06.1989, S. 20)  

(45b)



(45c)



(45d)



C5 Metakommunikative Konnektoren

(45e)

1163

Dort, wo die Demokratiebewegung nicht mehr auf private Wohnstuben angewiesen ist, füllten sich am frühen Mittwoch nachmittag die Büros. In Magdeburg zum Beispiel „kamen viele Arbeiter aus Betrieben“, so Forum-Sprecher Reiner Krauße […]. (die tageszeitung, 20.10.1989, S. 2) Die Studie, die in Zusammenarbeit mit zahlreichen Frauen und Gruppen entstanden ist, besticht durch vieles, was eigentlich jede weiß. Zum Beispiel: „Der Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 53,6 Prozent […]“ (die tageszeitung, 03.11.1988, S. 10) Sofortiger Handlungsbedarf besteht für die ökologischen Katastrophengebiete im Raum Leipzig, Bitterfeld, Halle, Dresden, Karl-Marx-Stadt und Cottbus und zur Rettung vieler historischer Altstädte, Kulturlandschaften und Schlösser, zum Beispiel in Mecklenburg. (die tageszeitung, 07.11.1989, S. 8) „Vielleicht“, vermutet er, „hätten ihn dann mehr Leute erhört, die Russen zum Beispiel“. (die tageszeitung, 29.10.1986, S. 7)  

(45f)





(45g)



(45h)



C5.6 Metakommunikative Verwendungen von Konnektoren anderer Klassen Werden Konnektoren anderer Klassen metakommunikativ verwendet, handelt es sich immer um Formulierungsbezug. Zwei semantische Klassen sind geradezu prädestiniert für eine Verwendung auf der Ebene des Ausdrucks: Korrektive Konnektoren (s. C2.2.4), da ihre Grundbedeutung, die Zurückweisung eines Sachverhalts und Überschreibung durch einen anderen gleichen Typs, ohne weiteres auch statt auf Sachverhalte auf die Form des Ausdrucks bezogen werden kann, und disjunktive (alternativebasierte) Konnektoren (s. C3), da ihre Grundbedeutung, die Einführung einer Alternative, auch die Einführung einer Formalternative nicht ausschließt.

5.6.1 Korrektive Konnektoren: Korrektur „de dicto“: sondern, vielmehr Der korrektive Konjunktor sondern und der der gleichen Klasse angehörende Adverbkonnektor vielmehr können auch mit Bezug auf den Ausdruck verwendet werden. Ihre Grundbedeutung bleibt dabei korrektiv; der Unterschied zu den Standardverwendungen besteht lediglich darin, dass die Korrekturoperation nicht auf die Bedeutungen der Konnekte angewendet wird, sondern auf Aspekte der Form oder auf konnotative Aspekte des Ausdrucks. (s. genauer C2.2.4.)

1164

(46a) (46b) (46c)

C Semantische Konnektorenklassen

Das hat nicht im AUgust stattgefunden, sondern im AuGUST. Wie haben uns nicht ausgeruht, vielmehr haben wir gechillt. Luise ist keine Raumpflegerin, sondern eine handfeste Putzfrau.

Die korrektiven Konnektoren sind semantisch mit den substitutiven (statt, statt dass, stattdessen) eng verwandt (s. C2.2.5). Diese lassen jedoch metakommunikative Verwendungen nicht zu. (Zu Einschränkungen bei statt vgl. Oppenrieder 2008 und Breindl 2012.) (47a) (47b)

#Das hat nicht im AUgust stattgefunden. Stattdessen fand es im AuGUST statt. #Statt dass sie sich ausruhen, chillen sie.

5.6.2 Metakommunikative Verwendungen disjunktiver Konnektoren: oder, beziehungsweise, respektive Der disjunktive Konjunktor oder tritt zunächst in Kombination mit metakommunikativen formulierungsbezogenen Konnektoren auf. Er kennzeichnet dann aufgrund seiner Bedeutung, dass zwischen den Argumenten des Konnektors eine Alternativenbeziehung besteht. Der metakommunikative Konnektor weist in einer solchen Konnektorenkombination mit seiner Bedeutung diese Alternativenbeziehung als auf der Ebene der Form operierend aus und bringt eine zusätzliche Bedeutungskomponente der Spezifizierung oder Verallgemeinerung mit ein. Identifizierende metakommunikative Konnektoren (d. h., id est) treten nicht mit oder auf; offenbar verhindert die in der wörtlichen Bedeutung angelegte Gleichsetzungsrelation die Kombination mit dem disjunktiven Konnektor. Auch die diskursbezogenen metakommunikativen Konnektoren treten nie zusammen mit oder auf, da bei ihnen zwischen den verknüpften Argumenten keine Alternativenbeziehung besteht.  

(48a)

Jeder mußte sich irgendwie durchschlagen, man handelte mit allem, wofür es einen Markt gab. Oder besser gesagt: einen Schwarzmarkt, der in Uganda „Magendo“ heißt und zahlungskräftigen Kunden auch die exotischsten Bedürfnisse erfüllt. (die tageszeitung, 09.10.1986, S. 8) Wenn es nach dem Willen des Innenministers geht, könnten Österreichs Medien rund um Weihnachten voll sein von Berichten über die Abschiebung von 7.000 Asylbewerbern zurück nach Rumänien. Oder genauer gesagt: Nach dem Willen des Ministers sollte die Abschiebung still und heimlich stattfinden, mit Maschinen der AUA oder gar in plombierten Eisenbahnwaggons. (die tageszeitung, 22.11.1990, S. 10) Die Geschwindigkeiten dazwischen variieren je nach Breitengrad oder, genau gesagt: mit dessen Kosinus. (Frankfurter Allgemeine, 1993, o. S.)  

(48b)



(48c)



C5 Metakommunikative Konnektoren

(48d) (48e)

(48f)

(48g)

1165

Er war unausgeglichen, gestresst und gereizt oder mit einem Wort: unausstehlich. Die Rechtsethik unterzieht das Recht einer rechtsexternen normativen Rechtfertigung bzw. Kritik. Oder anders formuliert: Sie fragt als Herzstück der Rechtsphilosophie nach der Gerechtigkeit des positiven Rechts. (http://www. rechtsphilosophie.uni-goettingen.de/info.html) 1976 wurden die Chlüppliseck von unseren Vorgängern gegründet. Wie kommt man zum Namen „Chlüppliseck“ oder auf gut Deutsch „Wäscheklammersäcke“? Gute Frage – wir wissen es nicht (aber 2, 3 … Bier werden sicher beteiligt gewesen sein). (http://www.facebook.com/group.php?gid=14813273978) Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob Social Media sinnvoll für eine Marke oder ein Unternehmen ist. Die Fragen sollten vielmehr lauten: Wie schnell eignen wir uns das Thema intern an? Wer sind die Haupt-Kommunikatoren bzw. die Haupt-Akteure? Wer beobachtet die für uns relevanten Themen? Oder kurzum: Wer ist unser Social Media Experte? (http://www.agentur stadtgespraech.de/blog/)

Die Weglassung des disjunktiven Konnektors hätte in den obigen Beispielen keine Veränderung der Gesamtbedeutung zur Folge, seine Anwesenheit erleichtert jedoch dem Hörer die Interpretation der Konnekte als alternative Formulierungen. Umgekehrt würde durch die Weglassung des metakommunikativen Konnektors in den obigen Beispielen nicht nur die jeweilige präzisierende, verallgemeinernde, resumptive etc. Bedeutungskomponente entfallen, sondern die Identifikation der Bedeutung des internen Konnekts als Alternative für die Form des Ausdrucks des anderen Koordinats (und nicht als Alternative zu dessen Bedeutung) würde erschwert. Der zweite Schritt der Entwicklung ist, dass oder bei isoliertem Auftreten metakommunikative Funktion übernimmt. Das kommt nur für die rein reformulierende Funktion in Frage und ist selten. Immerhin stellt es bei Werktiteln ein gebräuchliches Formulierungsmuster dar. (49a) (49b)

Don Juan oder die Liebe zur Geometrie. (Max Frisch) Vier bittere Jahre waren es gewesen, in denen Cassius Clay – oder Muhammad Ali, wie er sich seit seinem Übertritt zum Islam nannte – um seine beste Zeit als Boxer gebracht worden war. (http://www.kalenderblatt.de/index. php?what=thmanu&lang= de&manu_id=447&sdt=20100308&maca=de-podcast_kalenderblatt-1086-xml-mrss)

Auch die Konjunktoren beziehungsweise und respektive mit ihren orthographischen Varianten wurden in C3 als disjunktive Konnektoren klassifiziert. Allerdings ist ihr Bedeutungsspektrum etwas weiter als das von oder, da sie auch in Korrekturkontexten vorkommen (50b, c) und in Kontexten, in denen sie nur eine Art lose thematische Anknüpfung des internen Konnekts an den Vortext signalisieren bzw. zum Aus-

1166

C Semantische Konnektorenklassen

druck bringen, dass ein weiterer Aspekt für die gerade behandelte Quaestio relevant ist (50a). Darin ähneln sie anaphorischen phraseologischen Konnektoren wie hinsichtlich dessen, im Hinblick darauf, diesbezüglich, die ebenfalls keine spezifische inhaltliche Relation zwischen ihren Argumenten denotieren. (50a)

Iran hat am Freitag morgen eine neue Großoffensive an der südlichen Kriegsfront begonnen. Dabei sind nach Angaben von Radio Teheran Tausende irakische Soldaten getötet beziehungsweise verwundet und eine „große“ Anzahl gefangengenommen worden. (die tageszeitung, 10.01.1987, S. 1) Es sollte beziehungsweise müßte doch wohl heißen: ‚FAZ‘. (die tageszeitung, 06.04.1989, S. 14) Das Kardinalsproblem für die kommenden bundesdeutschen „Bombenbastler“ besteht in der Reinheit, respektive Unreinheit des vorhandenen Plutoniums. (die tageszeitung, 14.11.1986, S. 3)  

(50b)



(50c)



5.6.3 Metakommunikative Verwendungen des konklusiven also Die reformulierende Funktion von also liegt in Beispielen wie den folgenden vor; also ist hier durch einen metakommunikativen Konnektor wie d. h. ersetzbar.  

(51a)

Fritz Schulze, also der Vater von Inge Schulze, hat den Jackpot geknackt.

Allerdings fungiert also auch als ein Konnektor, dessen internes Konnekt nicht als Reformulierung, sondern nur als Schlussfolgerung – Konklusion – aus einer Prämisse interpretiert werden kann, wie in (51b), wo es nicht durch einen reformulierenden Konnektor ersetzt werden kann (s. zum konklusiven also Waßner 2004). (51b)

Morgen soll es regnen, also/*anders gesagt sollten wir mal überlegen, was wir anstelle der geplanten Wanderung unternehmen könnten.

Es stellt sich dann die Frage, ob man also aufgrund dessen als polysem zwischen einer reformulierenden und einer konklusiven Verwendung ansehen muss. Dies muss man nicht, denn auch in Verwendungen wie (51a) kann das interne Konnekt als Konklusion interpretiert werden. So kann in (51a) das Wissen (die Überzeugung), dass das Denotat von Fritz Schulze der Vater von Inge Schulze ist, als Prämisse für die Schlussfolgerung dienen, dass die durch der Vater von Inge Schulze bezeichnete Person den Jackpot geknackt hat. Also kann sich auch wie ein generalisierender Konnektor verhalten (51c), aber nie wie ein spezifizierender (51d). Die semantische Inakzeptabilität von (51d) beruht auf der Unmöglichkeit, von der Generalisierung auf den Spezialfall zu schließen. Dagegen kann in (51c) aufgrund der Verwendung von also der Hörer schlussfolgern, dass ein

C5 Metakommunikative Konnektoren

1167

Ilex eine Instanz von Laubbaum ist, auch wenn er noch nie im Leben etwas von einem Ilex gehört hat. (51c) (51d)

Ich nehme dieses Jahr als Weihnachtsbaum einen Ilex, also einen Laubbaum. *Ich nehme dieses Jahr als Weihnachtsbaum einen Laubbaum, also einen Ilex.

Fazit: Also ist nicht per se ein metakommunikativer Konnektor, kann aber seine schlussfolgernde Bedeutung auch zur Reformulierung und Ersetzung eines Ausdrucks einbringen. (Zu Diskursfunktionen von also vgl. Konerding 2004 und Alm 2007; insbes. zur Funktion als Gliederungssignal vgl. Quasthoff 1979.)

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

D

Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

D1

Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste  1171

D2

Konnektorenliste mit Beispielen  1173

Eva Breindl, Anna Volodina und Ulrich Hermann Waßner

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben D1 Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste Im Folgenden werden alphabetisch geordnet und mit ausgewählten Verwendungsbeispielen versehen sämtliche in den Bestandslisten der C-Kapitel genannten von uns als Gegenstand dieses Handbuches angesehenen lexikalischen Einheiten aufgeführt. Die Konnektorenliste in D2 erhebt unvermeidlicherweise keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit. So haben wir möglichst nur lexikalisierte Konnektoren aufgenommen. Auf solche, die im Text als „frei bildbar“ (vgl. dazu HDK-1, insbes. B 9., S. 336 ff.) gekennzeichnet wurden, haben wir weitgehend verzichtet, da es sich bei diesen um eine offene Klasse handelt, die beinahe beliebig erweiterbar ist. Die ableitbaren Konnektoren betrachten wir eben wegen ihrer Ableitbarkeit nicht als Wortschatzeinheiten und führen sie aus diesem Grund auch nicht in den Elementenlisten zu den einzelnen syntaktischen Konnektorenklassen in den C-Kapiteln an. Viele dieser frei bildbaren sowie weitere potenzielle Konnektoren und darüber hinaus verwandte nicht-konnektorale Ausdrücke finden sich in der gegenüber D2 deutlich umfangreicheren Liste von Objektwörtern, dem Wortregister im Anhang dieses Buches. In der Liste sind die Konnektoren fett gedruckt. Nichtkursive (gerade, aufrechte) runde Klammern benutzen wir dazu, fakultative Einheiten zu kennzeichnen. Auf diese Weise kennzeichnen wir Konnektoren, die in zwei morphosyntaktisch oder orthographisch unterschiedlich komplexen Varianten vorliegen, die aber derselben syntaktischen und semantischen Konnektorenklasse zuzuordnen sind und sich auch nicht in ihren stilistischen Merkmalen unterscheiden. Diese werden dann nur einmal in der Konnektorenliste aufgeführt, wobei also die Komponente, die fehlen kann, in runden Klammern angegeben ist. So erscheinen auf gut Deutsch und auf gut Deutsch gesagt in der Angabe auf gut Deutsch (gesagt) zusammengefasst: gesagt ist fakultativer Bestandteil des Konnektors. Die Konnektoren andernfalls und anderenfalls sind außer durch den einen Buchstaben/Laut nicht zu unterscheiden und daher als ander(e)nfalls zusammenzufassen. Angenommen und angenommen(,) dass z. B. erscheinen dagegen als zwei Einträge in der Konnektorenliste, weil wir sie zwei unterschiedlichen syntaktischen Konnektorenklassen zuweisen – aufgrund der Unterschiede in der Stellung des finiten Verbs des auf den jeweiligen Konnektor folgenden Konnektsatzes. Durch Schrägstrich getrennte Angaben stellen Alternativen dar. Sie finden sich in Bezug auf die graphematische Gestalt eines Konnektors (z. B. sodass/so dass; auch  







1172

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

Abkürzungen wie beziehungsweise/bzw.) oder bei alternativen Ausdrücken in einem ansonsten (syntaktisch, semantisch, stilistisch) völlig gleichen Konnektor (z. B. allgemein formuliert/gesagt/gesprochen oder sowohl (…) als/wie auch) sowie bei Wortartkategorien (z. B. so ADJ/ADV (…) (auch) immer; so ADJ/ADV (…) auch). Kursiv gesetzte Schrägstriche gehören wie im Falle und/oder dagegen zum Konnektor. Drei eingeklammerte Punkte zwischen den Bestandteilen eines syntaktisch komplexen Konnektors wie z. B. in entweder (…) oder kennzeichnen mehrteilige Konnektoren. Die drei Punkte signalisieren hier, dass zwischen die Teile des mehrteiligen Konnektors andere Ausdrücke treten können, die betreffenden Konnektoren also diskontinuierlich vorkommen können; die Klammer um die drei Punkte zeigt an, dass dies aber nicht zwingend ist, die betreffenden Konnektoren also nicht diskontinuierlich vorkommen müssen, sondern ihre Teile auch in Kontaktposition auftreten können. – vgl. Entweder gehst du jetzt, oder du übernachtest hier. und Du gehst jetzt entweder, oder du übernachtest hier. Nach jedem Konnektor steht die Bezeichnung der syntaktischen Konnektorenklasse(n), der bzw. denen wir den Konnektor in HDK-1 zugeordnet haben, wobei vereinzelte Abweichungen von der Einstufung in HDK-1 auf zwischenzeitlich eingetretene Erkenntnisfortschritte zurückzuführen sind. Die syntaktischen Positionen, die ein Adverbkonnektor in einer bestimmten Lesart typischerweise annehmen kann, können leicht der Inventarliste des C-Kapitels, auf das bei dem betreffenden Eintrag verweisen wird, entnommen werden. Daher haben wir auf diese Angabe in der Liste in D2 verzichtet. Detailliertere Ausführungen zu den Positionsmerkmalen finden sich auch in HDK-1 C2.1.2.1. Bei manchen Konnektoren findet sich die Angabe „syntaktischer Einzelgänger“, wo möglich mit genauerer Spezifikation („ko-“ oder „subordinierend“, „nichtkonnektintegrierbar“ – also konjunktional – oder „konnektintegrierbar (Adverbkonnektor)“). Diese steht nicht für eine syntaktische Klasse, sondern weist darauf hin, dass der betreffende Konnektor keiner der in HDK-1 etablierten syntaktischen Klassen vollständig zuzuordnen ist, aber zumindest bestimmte Merkmale einer der etablierten syntaktischen Konnektorenklassen aufweist. Auf die Angabe der syntaktischen Klasse folgt eine Zeile mit der Angabe der semantischen Klassenzugehörigkeit und einem Verweis in Klammern auf die Nummer des Kapitels, in dem die entsprechende Gruppe von Konnektoren näher behandelt wird. Bei Konnektoren, die mehreren syntaktischen Klassen angehören können (die wir nummeriert haben), werden die semantischen Klassen jeder einzelnen syntaktischen Variante zugeordnet. Bei den kausalen, negativ-konditionalen und instrumentalen Konnektoren geben wir zusätzlich an, ob es sich um einen A NTEZEDENS - oder einen K ONSEQUENS -Marker handelt. Diese Angabe ist besonders relevant, da die beiden Typen bei den kausalen und negativ-konditionalen – anders als bei den meisten anderen Klassen – in der traditionellen Darstellung eigene semantische Unterklassen („konsekutiv“ bzw. „exzeptiv“) konstituieren (vgl. B2.3.3).  





D2 Konnektorenliste mit Beispielen

1173

Zwischen der Klassenbezeichnung und der eingeklammerten Kapitelnummer findet sich noch vereinzelt der Hinweis, dass der betreffende Konnektor „veraltet“ ist. Da sich auch solche Konnektoren durchaus noch in zeitgenössischen Texten finden – gerade unter Ausnutzung ihres archaisierenden Charakters –, ist dieser Einstufung mit aller Vorsicht zu begegnen; wir haben sie auch möglichst sparsam eingesetzt. Eingerückt folgt ein Beleg oder ein konstruiertes Beispiel, in dem der Konnektor wiederum fettgedruckt ist. Gehört ein Konnektor (ggf. in einer bestimmten seiner syntaktischen Verwendungen) mehreren semantischen Klassen an, werden diese alle mit einem eigenen illustrierenden Beispiel angegeben. Die in der nachfolgenden Konnektorenliste angeführten Einheiten sind auch Bestandteil des elektronischen Konnektorenwörterbuchs im grammatischen Informationssystem GRAMMIS auf der Homepage des IDS (Komponente „Grammatisches Wörterbuch“). Dieses Konnektorenwörterbuch gibt ausführlichere Hinweise zu den syntaktischen Gebrauchsbedingungen, als sie in diesem Semantikband möglich sind, und enthält weitere Beispiele und Belege. Es soll ab 2015 inhaltlich aktualisiert und wesentlich erweitert, insbesondere seine semantische Komponente soll deutlich ausgebaut werden.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen aber nicht vorfeldfähiger Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Ich wäre ja gerne gekommen, aber dann ist mir leider etwas dazwischen gekommen. konzessiv (C4.3) Auf der Autobahn zwischen Helmstedt und Berlin wurden zwar erheblich mehr Personenwagen als an den Vortagen gezählt, aber die Abfertigung verlief im allgemeinen reibungslos. (Frankfurter Allgemeine, 24.12.1965, S. 1)  

abermals nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Diesmal war der Zug pünktlich in Mannheim abgefahren. Doch bei der Ankunft in Berlin hatte er abermals Verspätung. alldieweil (stilistisch markiert) 1. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Fünf zu null, ganz Trabzon ist sich da einig. Die Kinder ziehen alldieweil an unseren Schals und rufen ‚Schalte, Schalte‘. (die tageszeitung, 13.06.1998, S. 2)  

1174

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

2. Subjunktor temporal (C1) Arg anstrengen kann das Bildermachen, und das merkt man bisweilen dem Bilde an: Die Inkarnation des Gilbs döste versonnen unter einem Savannenbaum, alldieweil die Löwinnen dem Abendessen nachstellten. (Süddeutsche Zeitung, 24.10. 1998, S. 8) adversativ (C2.3) So beantwortet sich denn auch unmittelbar die Frage, wieso die Arbeitgeber Grund hätten, immer lauter über den Anstieg ihrer Arbeitskosten zu klagen, alldieweil ihre Mitarbeiter, die diese Kosten verursachen, doch schon lange nichts mehr dazuverdienten. (Süddeutsche Zeitung, 12.07.1996, S. 34) kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Das Dasein der Frauen in Indien ist kein Zuckerschlecken, alldieweil ihr Lebenszweck darin gesehen wird, dem Mann zu dienen.  



allein nicht vorfeldfähiger Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. allemal nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Fachgerechte Hilfe beim Aufsetzen eines Testaments soll später Streit vermeiden helfen. Lachende Erben sind allemal besser als zankende. allerdings nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Das Buch ist jetzt erschienen, allerdings hat es nur eine sehr kleine Auflage. konzessiv (C4.3) Andere Länder bekundeten ebenfalls ihre Absicht, Gelder bereitzustellen. Allerdings war die erste Euphorie schnell verflogen. (Mannheimer Morgen, 02.11.1985, S. 7)  

allgemein formuliert/gesagt/gesprochen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Allgemein gesprochen sollte es in dem Berliner Kino um Freundschaft und Frieden gehen, ja auch Völkerverständigung, irgendwie. (Berliner Zeitung, 13.12.2001, S. 3)  

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

1175

allgemeiner (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Allgemeiner gesagt: welche Aspekte der Geschichte Sinkiangs – der territorialen, ethnisch-kulturellen, religiösen usw. Identität – wollen die Befürworter der Unabhängigkeit […] in den Vordergrund stellen? (die tageszeitung, 12.09.1997, S. 14–15)  

als Subjunktor temporal (C1) Als die Kinder den Schneemann sahen, liefen sie sofort zu ihm hin. alsbald nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Der Königssohn rief: ‚Rapunzel, lass dein Haar herab.‘ Alsbald ließ sie ihr Haar herab. alsdann (bildungssprachlich) nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Die Wirkung von Haschisch beginnt unmittelbar nach der Einnahme mit einem Gefühl von Unruhe und Bangigkeit; alsdann folgt allgemeine Heiterkeit, die sich meist in anhaltendem Lachen äußert. also nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Wir können den Wagen heute Nachmittag drannehmen, Sie können ihn also gegen Abend abholen. in metakommunikativer Verwendung (C5.6.3) Fritz Schulze, also der Vater von Inge Schulze, hat den Jackpot geknackt. ander(e)nfalls 1. Postponierer negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Überweisen Sie den Betrag spätestens zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung, anderenfalls wir Ihnen Verzugszinsen berechnen müssen. 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Überweisen Sie den Betrag spätestens zwei Wochen nach Erhalt der Rechnung, anderenfalls müssen wir Ihnen Verzugszinsen berechnen.

1176

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

(einesteils) (…) ander(e)nteils nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Wo sich die einzelnen aufhalten weiß ich nicht. Das ist einesteils traurig. Andernteils aber erfüllt es mich mit Genugtuung. (Preussler, Schilda, S. 127)  

anders ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Die „Artificial Intelligence“ beschäftigt sich mit der Erforschung und Simulation von menschlichen kognitiven Fähigkeiten. Anders gesagt: Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung von Computerprogrammen, die Leistungen vollbringen, für die man Menschen „Intelligenz“ zuschreiben würde. anders herum/andersrum (formuliert) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Der Wähler hat doch wohl das Recht, zu erfahren, ob die Räte seiner Wahl die Stimme wert waren. Anders herum formuliert: Wer als Stadtrat nicht bei seiner Arbeit beobachtet werden will, der ist am falschen Platz. anfänglich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Anfänglich standen die Kinder noch etwas schüchtern herum, aber schon bald tobten sie munter durchs ganze Haus. anfangs nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Anfangs standen die Kinder noch etwas schüchtern herum, aber schon bald tobten sie munter durchs ganze Haus. angenommen Verbzweitsatz-Einbetter konditional (C4.1) Angenommen, unsere Mannschaft siegt dieses Mal, muss sie beim nächsten Spiel große Erwartungen erfüllen.

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angenommen(,) dass Subjunktor konditional (C4.1) Angenommen dass unsere Mannschaft dieses Mal siegt, muss sie beim nächsten Spiel große Erwartungen erfüllen. anschließend nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Der junge Türke gab uns eine kurze Führung durch das wilde Kurdistan in Berlin Mitte; anschließend spendierte er noch eine Runde in seinem Stammlokal. ansonst(en) 1. Postponierer negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Nur wenn sich Wehrmann, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam für eine Armee einsetzten, sei die Milizarmee noch zukunftsträchtig, ansonsten die Politik je länger je mehr über Kooperationen und Berufsarmee diskutieren werde. (Die Südostschweiz, 18.11.2007, o. S.) 2. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Wörterbücher müssen handlich und lesbar sein; ansonsten sind sie nutzlos.  

anstatt 1. Subjunktor (markiert) negationsinduzierend additiv (C2.2) „Da kann ich ja gleich selber vom Hochhaus springen, anstatt ich da mal mit ’ner Spritze im Arm tot gefunden werd.“ (Dokumentarfilm „Protokoll einer Hilflosigkeit“; ARD 08.08.2001, 23.00) 2. syntaktischer Einzelgänger, koordinierend negationsinduzierend additiv (C2.2) Anstatt im Topf kann man Lorbeer auch an windgeschützten Stellen im Garten ziehen. anstatt dass Subjunktor negationsinduzierend additiv (C2.2) Anstatt dass du hier herumsitzt, könntest du ja wirklich mal Staub wischen.

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anstatt dessen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negationsinduzierend additiv (C2.2) Er hatte sich auf eine deftige Brotzeit gefreut. Anstatt dessen gab es Plätzchen und Lebkuchen. anstelle dessen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negationsinduzierend additiv (C2.2) Sie hatten endlich Gelegenheit, etwas über die Missstände an den Spitälern zu berichten. Doch anstelle dessen kamen nur leere Worte. auch nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Zu Weihnachten trifft sich die ganze Familie, auch wird diesmal Tante Grete kommen. auch wenn Subjunktor konzessiv (C4.3) Jürgen ist einer der wenigen, der dank Big Brother wirklich was mitnehmen konnte. Auch wenn er damals nur Zweiter wurde, ist er wohl eindeutig der Sieger aus der ersten Staffel. (www.community-solingen.de/archive/index.php/t-11496. html) irrelevanzkonditional (C4.4) Auch wenn er sich nun den Vorwurf gefallen lassen muß, dieser Vorschlag sei nur ein Ausweg aus der Zwickmühle „Wie spare ich, ohne die Renten zu senken?“, so liegt er mit seinen Reformplänen dennoch richtig. (Die Presse, 17.06.1999, o. S.)  

auf dass (bildungssprachlich) Subjunktor final (C4.5) Sie stellte ihm ihr Haus zur Verfügung, auf dass er sein Buchprojekt verwirklichen könne. auf gut Deutsch (gesagt) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) 1976 wurden die Chlüppliseck von unseren Vorgängern gegründet. Wie kommt man zum Namen „Chlüppliseck“ oder auf gut Deutsch „Wäscheklammersäcke“? Gute

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Frage – wir wissen es nicht (aber 2, 3 … Bier werden sicher beteiligt gewesen sein). (www.facebook.com/group.php?gid=14813273978) auf X (gesagt) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Das Geldsammeln bei privaten Gönnern oder gemeinnützigen Stiftungen – auf Neudeutsch: Fundraising – ist einfach noch ein unterentwickelter Zweig an deutschen Hochschulen. (Berliner Zeitung, 12.11.2002, S. 13)  

ausgenommen syntaktischer Einzelgänger, nichtkonnektintegrierbar NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, ausgenommen, der Richter entscheidet anders. ausgenommen(,) dass Subjunktor NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, ausgenommen, dass der Richter anders entscheidet. außer syntaktischer Einzelgänger, nichtkonnektintegrierbar NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders. außer dass Subjunktor additiv (C4.6) Außer dass die Unterlagen verspätet eintrafen, waren sie auch noch unvollständig. NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Greife nie zum Schießeisen, außer dass es um dein Leben geht! außerdem nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Splitt verursacht weniger Rostschäden an Autos als Streusalz. Außerdem ist es umweltfreundlicher.

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bald nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Die Bilder des Malers waren plötzlich nicht mehr begehrt. Bald reichte das Geld nicht mehr, die Familie zu ernähren. bald (…), bald nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Der Boden der Etage ist uneben: bald läuft man über Schutt, bald über bloßgelegte Balken und notdürftig angebrachte Holzbretter. adversativ (C2.3) Denn bald geben wir löblichen Absichten einen verdienten Beifall, bald aber, von glänzendem Erfolg hingerissen, wenden wir uns zu demjenigen, dessen Vorsätze wir würden getadelt haben. (GOE/AGD.06345 Goethe, Leben, S. 113)  

beispielsweise/bspw. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Mir beispielsweise gefallen Männer mit Glatze. bereits nicht vorfeldfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Die Regierung versuchte lange, den Fall zu vertuschen. Sie war aber bereits im Herbst über das Ausmaß der Katastrophe informiert. besser ausgedrückt/formuliert/gesagt/gesprochen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Malaria ist – oder besser gesagt wäre – heilbar. bevor Subjunktor temporal (C1) Man muss ein Online-Formular ausfüllen, bevor man sich anmelden kann.

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beziehungsweise/bzw. Konjunktortge alternativebasiert (disjunktiv) (C3) Ist Daniel zu schnell gefahren? Beziehungsweise, hat er zu wenig gebremst? (St. Galler Tagblatt, 30.04.2008, S. 56) in metakommunikativer Verwendung (C5.6.2) Es sollte beziehungsweise müßte doch wohl heißen: ‚FAZ‘. (die tageszeitung, 06.04.1989, S. 14)  



bis Subjunktor temporal (C1) Bis es dunkel wird, sind wir längst zu Hause. bis dahin nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Um diese Jahreszeit wird erst gegen acht Uhr dunkel. Bis dahin sind wir längst zu Hause. bis dass Postponierer temporal (C1) So bleibt denn zusammen, bis dass der Tod euch scheidet. bis dato (stilistisch markiert) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Er ging zum Spiegel und sah hinein. Bis dato hatte er auch noch nie in einen Spiegel gesehen. (Süskind, Parfum, S. 184)  

bloß nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Ich würde den Film gerne sehen, bloß, wie komm ich ohne Auto zum Kino? bloß dass Postponierer adversativ (C2.3) Das Kleid gefällt mir gut, bloß dass es etwas zu kurz ist.

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da 1. Subjunktor temporal (C1) Zu der Zeit, da das Haus Giuseppe Baldini stürzte, befand sich Grenouille auf der Straße nach Orléans. (Süskind, Parfum, S. 147) kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Da das Pflaster nass ist, hat es offenbar heute Nacht geregnet. adversativ (veraltet) (C2.3) Über diese findet sich der Verstand zurecht, da jene das Herz vergiften. (Herder, nach Paul 81981: 121) 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das ist nun mal so beschlossen. Da kann man nichts mehr ändern.  

dabei nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Ich wundere mich, dass sich jetzt so viele Leute Gedanken um meine Gesundheit machen. Dabei fühle ich mich doch kerngesund. komitativ (C2.4) Im Jahre 79 n. Chr. brach der Vesuv aus. Dabei wurde die Stadt Pompeij vollkommen zerstört.  

dadurch nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken. Dadurch befreite er sich von den Skiern. dadurch (…), dass Subjunktor instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Dadurch, dass er zielstrebig auf ein Ziel losgegangen ist, hat er sie immer beeindruckt.

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dafür nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Auch die Zahl der Gartenrotschwänze ist zurückgegangen. Dafür sieht man jetzt mehr Kleiber in dieser Gegend. instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Rennläufer können sich bei einem Sturz von den Skiern befreien. Dafür müssen sie einen Knopf an den Stöcken drücken. dagegen nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Rosmarin übersteht im allgemeinen Frost gut. Der empfindliche Lorbeer sollte dagegen an einer geschützten Stelle überwintern. daher nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) In Brandenburg gibt es zu wenig Lehrstellen. Daher hat das Land jetzt eine Kampagne für neue Ausbildungsplätze gestartet. dahingegen (bildungssprachlich) nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Protonen sind massetragende und elektrisch positiv geladene Teilchen, deren elektrisch neutrales Gegenstück die Neutronen sind. Die Elektronen sind dahingegen fast masselos. damals nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Vor 12 Jahren hatte der Mann schon einmal im Streit einen Zechkumpan erschlagen. Der Prozess endete damals mit Freispruch wegen Notwehr. damit 1. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken. Damit befreite er sich von den Skiern. 2. Subjunktor final (C4.5) Damit du weißt, wie du dahin gelangst, habe ich dir einen Stadtplan gekauft.

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damit (…), dass Subjunktor instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Damit, dass er zielstrebig auf ein Ziel losgegangen ist, hat er sie immer beeindruckt. danach nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Tomaten mit einem scharfen Messer einritzen und mit heißem Wasser übergießen. Danach kann man sie problemlos häuten. daneben nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Ursprünglich war eine Anhebung auf fünf Mark pro Liter Benzin vorgesehen. Daneben sind generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen geplant. dann nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Am 22. Mai spielen die Bayern zum ersten Mal im neuen Stadion. Gegner ist dann Dortmund.  

darauf nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das Land hat seine sozialen Aufwendungen erheblich erhöht. Darauf sank die Armutsquote von 49 auf 16 Prozent.  

daraufhin nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das Land hat seine sozialen Aufwendungen erheblich erhöht. Daraufhin sank die Armutsquote von 49 auf 16 Prozent.  

darüber hinaus nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die Artikel der online-Ausgabe werden ständig aktualisiert. Darüber hinaus gibt es Hintergrundmaterial zu den einzelnen Artikeln.

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d(a)rum nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) In den kleinen Saal passen maximal 100 Personen. Für die Jahrestagung musste darum die Halle gemietet werden. das heißt/d. h. Konjunktor metakommunikativ (C5) Du solltest das Buch mal lesen, das heißt, du solltest es nicht nur im Regal stehen haben.  

dass 1. Postponierer kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Er lachte, dass sich die Balken bogen. final (C4.5) Wir müssen uns beeilen, dass wir den Zug noch kriegen. 2. syntaktischer Einzelgänger kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Was hast du mit der Uhr gemacht, dass sie nicht mehr geht? davor nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das neue Modell wird mit einem modernen 2.3 Liter Diesel angetrieben. Davor hatte die Firma bereits ein ähnlich sparsames, aber sehr anfälliges Modell gebaut. dazu 1. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Das Handbuch ist ungegliedert und in einer für Laien schwer verständlichen Sprache abgefasst. Dazu ist es auch noch lückenhaft. 2. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Rennläufer können sich bei einem Sturz von den Skiern befreien. Dazu drücken sie einen Knopf an den Stöcken. dazu(,) dass Subjunktor additiv (C2.1) Dazu, dass sie sehr geschickt ist, ist sie auch noch künstlerisch begabt.

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dazwischen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Der Star hatte einige große Erfolge. Dazwischen gab es aber auch immer wieder Durchhänger und Bruchlandungen. dementgegen nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Vernünftige Konjunkturpolitik muss Angebots- und Nachfrageeffekte gleichermaßen berücksichtigen. Die deutsche Wirtschaftspolitik glaubt dementgegen, dass sich das Angebot seine Nachfrage schon schaffen werde. (dem)entsprechend nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Noch nie gab es so viele Radler, wie im vergangenen Jahr (50.000, plus 12.000). Dementsprechend haben sich sowohl die Unfallzahlen (plus 5,6 Prozent), als auch die Zahl der Opfer (plus 216 / 9,5 Prozent) erhöht. (Hamburger Morgenpost, 07.04.2009, S. 1–7)  





demgegenüber nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Die französischen Festivalbeiträge sind durchweg von hoher Qualität. Die übrigen europäischen Filme fallen demgegenüber deutlich ab. demgemäß nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Das Gericht hatte über diesen Bereich gar nicht zu entscheiden. Demgemäß mussten die Urteile aufgehoben werden. demzufolge nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Frösche und Molche können ihre Beute nicht erkennen; sie erschnappen demzufolge auch ungenießbare Dinge.

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denn 1. syntaktischer Einzelgänger kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Ist das am Himmel da ein Milan? Denn der hat so einen gegabelten Schwanz. 2. Adverbkonnektor NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn. dennoch nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Den Sender BBC zu hören galt im Krieg als „Rundfunkverbrechen“ und wurde in schweren Fällen sogar mit dem Tode bestraft. Dennoch haben sich viele nicht abschrecken lassen, sondern mit einer Wolldecke über dem Kopf heimlich dem „Feindsender“ gelauscht. derweil(en) (stilistisch markiert) 1. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Sogar Rinder sind in diesen gebirgigen Höhen unterwegs. Derweilen kreisen Dohlen durch die Nebelbänke. 2. Subjunktor adversativ (C2.3) Derweil(en) die Kinder auf der Wiese spielen, führen die Erwachsenen heftige Streitgespräche. deshalb nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Die Armen trifft die Neoliberalisierung der Wirtschaft am stärksten. Deshalb wurde ein Sozialfonds gegründet, der ausländische Hilfsgelder sammeln und möglichst effizient einsetzen soll. dessen ungeachtet (bildungssprachlich) 1. Subjunktor konzessiv (C4.3) Mahlers Bekanntschaften und Freundesbeziehungen waren durchaus peripher in dem Sinne, dass zahlreiche dieser Personen heute kaum noch bekannt sind, dessen ungeachtet sie zu ihrer Zeit jedoch von weitreichender Relevanz waren. (www. kakanien.ac.at/rez/PPlener1.pdf)

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2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Insgesamt 18 Wissenschaftler haben an dem Band mitgearbeitet. Dessen ungeachtet ist ein gut lesbares Buch herausgekommen. dessen ungeachtet (…), dass (bildungssprachlich) Subjunktor konzessiv (C4.3) Dessen ungeachtet, dass Whitekirk erst im Jahre 1995 eröffnet wurde, kann er beachtliche Meisterschaften vorweisen z. B. die PGA Mastercard Tour und die PGA Europro Tour. (golfscotland.de/golfplaetze/lothian-edinburgh/whitekirk/)  

desungeachtet (bildungssprachlich) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Radfahrer, die Fußgänger gefährden, müssen hohe Strafen zahlen. Desungeachtet sind sie der Schrecken aller Fußgängerzonen. deswegen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Das mag für den Laien schwer nachvollziehbar sein. Deswegen soll hier ein Beispiel angegeben werden. des Weiteren nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die Polizei nahm gestern das Wohnhaus des beschuldigten Abgeordneten in Augenschein; des Weiteren wurden sein Berliner Abgeordnetenbüro und die Sozietät, in der er als Anwalt arbeitet, durchsucht. dieweil(en) (stilistisch markiert) Subjunktor adversativ (C2.3) Deren Vorsitzende Birgit Homburger hielt entgegen, daß sich danach lediglich die Söhne reicher Eltern vom Wehrdienst freikaufen könnten, dieweil weniger gutgestellte ihre Dienstpflicht ableisten müßten. (die tageszeitung, 28.05.1991, S. 4) kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Musik – Generationen eifriger Konzertgänger können das sicherlich bestätigen – wird nicht nur deshalb oft als störend empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden. (Nürnberger Nachrichten, 16.09.2005, o. S.)  



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doch syntaktischer Einzelgänger adversativ (C2.3) Die Idee ist nicht neu, doch fühlen sich grüne Gremien übergangen. (die tageszeitung, 10.09.1986, S. 3) konzessiv (C4.3) In Diäten ist alles, was dick macht, verboten. Doch Dickmacher gehören bedauerlicherweise zu den Köstlichkeiten des Lebens.  

DOCH syntaktischer Einzelgänger adversativ (C2.3) Ich wollte eigentlich ursprünglich nicht mitkommen. Nun komme ich DOCH mit. konzessiv (C4.3) „Warum seid ihr hierhergekommen, wenn ihr DOCH nicht demonstriert?“ frage ich einen Jungen. (die tageszeitung, 11.09.1986, S. 7)  

ebenfalls nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Der Nutzer lädt sich die Namen der Institute auf den Schirm. Adressen und Telefonnummern kann er sich ebenfalls ausgeben lassen. ebenso nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) In Genen des menschlichen Y-Chromosoms gibt es erheblich häufiger Mutationen als im X-Chromosom. Bei manchen Tierarten treten solche Mutationen ebenso auf. egal wsyntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Egal, wie ermüdend das Thema „Feminismus“ auf Einzelne wirkt, besteht die Notwendigkeit ja leider noch, den Fokus immer wieder in diese Richtung zu rücken. (die tageszeitung, 29.08.2000, S. 12)  

eh nicht vorfeldfähiger Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Jetzt brauchen wir auch nicht mehr so zu hetzen, die Geschäfte haben eh schon geschlossen.

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ehe Subjunktor temporal (C1) Ehe man ihn einbalsamierte, wurde das Gehirn entfernt. (einmal) (…) ein andermal nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Einmal nahmen die Sänger ihre Stimme ein wenig zurück, sangen nur leise, ein andermal gaben sie alles und präsentierten das volle Volumen ihres Chors. (Mannheimer Morgen, 16.04.2013, S. 18)  

einerseits nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor; meist mit and(e)rerseits, anderseits, andernteils, zum anderen im anderen Konnekt adversativ (C2.3) Sabeth glaubte nicht, daß ich nichts davon verstehe, und hatte einerseits ein maßloses Vertrauen zu mir, bloß weil man dreißig Jahre älter ist, ein kindisches Vertrauen, anderseits überhaupt keinen Respekt. (MK1/LFH.00000 Frisch, Homo Faber, S. 133)  

endlich nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Und erst später, am Vorabend der Französischen Revolution, nachdem einige der Leichengräben gefährlich eingestürzt waren […], wurde er endlich geschlossen und aufgelassen […]. (Süskind, Parfum, S. 7)  

entweder (…) oder Konjunktor alternativebasiert (disjunktiv) (C3) Entweder du isst jetzt deine Suppe oder du darfst nicht fernsehen. ergo (bildungssprachlich) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Für die gleiche Leistung ist weniger Druck erforderlich, ergo wird Energie gespart.

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erst nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Die Katze fand den Weg zurück vom Dach nicht mehr. Erst die Feuerwehr konnte das Tier retten. erstens (…) zweitens nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Erstens ist das nicht mein Fachgebiet und zweitens habe ich im März ohnehin keine Zeit. erstmal nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Nehmen Sie erstmal Ihren Hund an die Leine, dann können wir uns vernünftig unterhalten. es sei denn syntaktischer Einzelgänger, nichtkonnektintegrierbar NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Die Polizei ist nicht befugt, einen Verdächtigen mit Gewalt abzuführen, es sei denn, es ist Gefahr im Verzuge. es sei denn(,) dass Postponierer NTEZEDENS EZEDENS -Marker (C4.6) negativ-konditional, A NT Die Polizei ist nicht befugt, einen Verdächtigen mit Gewalt abzuführen, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. falls Subjunktor konditional (C4.1) Falls unerwarteter Besuch kommt, sagen wir den Ausflug ab. ferner nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die Konzerte und Theateraufführungen finden im weiträumigen Hof statt. Geplant sind ferner Sonntagsbrunchs und Jazz-Frühschoppen.

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fernerhin (stilistisch markiert) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Wir werden Sie fernerhin in unserer Kundenkartei führen. folglich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Der Passat hat die gleiche Plattform wie der Audi A6. Folglich konnten Bauteile des Audi-Allradantriebs übernommen werden. fortan (stilistisch markiert) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) 1993 begann er ein Studium in München. Fortan ließ er sich in seiner Heimatstadt nur noch selten blicken. freilich nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Die Augsburger Altstadt ist mit ihren Renaissancebauten immer eine Reise wert. Die Gegend um den Rathausplatz ist freilich durch Krieg und Nachkriegsbausünden städtebaulich beschädigt. für den Fall Verbzweitsatz-Einbetter konditional (C4.1) Für den Fall, es kommt unerwarteter Besuch, sagen wir den Ausflug ab. für den Fall(,) dass Subjunktor konditional (C4.1) Für den Fall, dass unerwarteter Besuch kommt, sagen wir den Ausflug ab. fürderhin (stilistisch markiert) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Doch dann endete der befristete Vertrag, und für Karoline Weiss waren fürderhin die Geburten ihrer Kinder die einzigen Glücks- und Erfolgserlebnisse. (Die Zeit, 20.05.1998, S. 17)  

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genau genommen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Er war ein Kurpfälzer, genau genommen Mannheimer. genau gesagt nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Ich hatte sie lange nicht mehr gesehen. Genau gesagt, ich hatte sie noch nie gesehen; ich hatte nur von ihr gelesen. genauer ausgedrückt/formuliert/gefragt/gesagt nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Dass Evi sogar mein eignes Kind sein könnte, lag im Bereich der Möglichkeit, theoretisch, aber ich dachte nicht daran. Genauer gesagt, ich glaubte es nicht. gerade nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Er hatte gerade die Kerze am Talglicht des Treppenhauses angezündet, um sich den Weg hinauf zur Wohnung zu beleuchten, als er es unten im Erdgeschoß klingeln hörte. (Süskind, Parfum, S. 87)  

geschweige (denn) syntaktischer Einzelgänger, koordinierend negationsinduzierend additiv (C2.2) Die Verstärkung der Polizei hat keine Entlastung gebracht, geschweige denn hat sie Spannungen abgebaut. gesetzt Verbzweitsatz-Einbetter konditional (C4.1) Gesetzt, die Finther gewinnen in Kaiserslautern ein Doppel, würde nur noch ein Punkt zum Gesamtsieg fehlen. (Rhein-Zeitung, 10.03.2007, o. S.)  

gesetzt(,) dass Subjunktor konditional (C4.1) Gesetzt, dass hier überhaupt auf das CL verwiesen werden soll, erscheint mir die jetzige Lösung okay zu sein. (Diskussion: Strategie der Spannung, Wikipedia, 2011)

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gesetzt den Fall Verbzweitsatz-Einbetter konditional (C4.1) Gesetzt den Fall, es regnet doch nicht, machen wir einen Ausflug. gesetzt den Fall(,) dass Subjunktor konditional (C4.1) Gesetzt den Fall, dass es doch nicht regnet, machen wir einen Ausflug. gleichfalls nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Alexandra von der Weth und Sergej Khomov brillierten als Lucia und Edgardo. Die kleineren Rollen waren gleichfalls glücklich besetzt. gleichwohl (bildungssprachlich) 1. Subjunktor konzessiv (C4.3) Gleichwohl Lotus seinem Office-Paket „SmartSuite 97“ eine umfassende Dokumentation beigelegt hat, werden nicht alle Praxisfragen beantwortet. (Berliner Zeitung, 01.10.1997) 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) In Meinungsumfragen kommt der Kanzler derzeit schlecht weg. Gleichwohl gibt er sich im Interview zuversichtlich. gleichzeitig nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr. Gleichzeitig sank aber die Anzahl der tödlich verlaufenden Unfälle. halb (…) halb nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Halb sinkt die Staatsmacht dahin, halb ziehen Mafia und Finanzmogule das Gewaltmonopol an sich.

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hernach (regional) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Er lächelt nicht, hört ernst zu, macht Notizen. Seine Antworten trägt er hernach mit Leichenbittermiene vor. hierdurch nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Tabellenzwölfte wirkte nun wesentlich aggressiver, konnte hierdurch den Spielfluß der Gäste erfolgreich stoppen und kam über zwei Standardsituationen zum nicht mehr für möglich gehaltenen Teilerfolg. (Rhein-Zeitung, 24.03.1997, o. S.)  

hierfür nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Evergreens wie „Ein Schiff wird kommen“ […] sorgen für tolle Stimmung. Die MIL hat hierfür die illustre Truppe „Die Schlagerhasen“ zusammengestellt. (Mannheimer Morgen, 02.03.2013, S. 18)  

hiermit nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken. Hiermit befreite er sich von den Skiern. hierzu nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Solche Analysen werden in der Regel nur vorgenommen, wenn der Betroffene sehr großen Mengen des Gifts ausgesetzt wurde – etwa bei einem Arbeitsunfall. Meistens wird hierzu eine Blutprobe genommen. (dpa, 06.01.2011, o. S.)  

hingegen nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Manche werfen ihm vor, er sei launenhaft. Andere hingegen schätzen ihn wegen seiner Unkonventionalität.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

hinterher nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) An dieser Besprechung wird der Präsident nicht teilnehmen. Er wird aber hinterher für eine Diskussion bereitstehen. hinwieder(um) nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Die Sonne ist im Deutschen feminin und der Mond maskulin. Im Italienischen ist erstere hinwiederum maskulin und letzterer feminin. höchstens nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor in negativ-konditionaler Verwendung, A NTEZEDENS -Marker (C4.6.4) Die Verfasser solcher Drohungen werden in der Regel nicht gefasst – „höchstens, es verplappert sich mal einer“. (Nürnberger Zeitung, 10.07.2009, S. 15)  

id est/i. e. (bildungssprachlich) Konjunktor metakommunikativ (C5) Eine Enterbung, i. e. die Entziehung des Pflichtteils durch den Erblasser, kann grundsätzlich nur bei Vorliegen der gesetzlichen (schwerwiegenden) Enterbungsgründe erfolgen.  



im Fall(e) konditional (C4.1) Verbzweitsatz-Einbetter Im Falle, es regnet doch nicht, machen wir einen Ausflug. im Fall(e)(,) dass konditional (C4.1) Subjunktor Im Fall, dass der EVS-Zentralverband in Zürich nicht aktiver wird, erwägt die Sektion Ostschweiz allenfalls auch eine Abspaltung. (St. Galler Tagblatt, 06.06. 1998, o. S.)  

im Klartext (ausgedrückt/gesprochen) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Die Finanzierung von ARD und ZDF ist gesichert – im Klartext: die Fernsehzuschauer kommen mit ihren Gebühren selbst dafür auf.

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D2 Konnektorenliste mit Beispielen

im Übrigen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Unsere EDV-Abteilung arbeitet daran, den Fehler zu beheben. Im Übrigen steht Ihnen auch unsere Hotline zur Verfügung. in dürren Worten (ausgedrückt/formuliert/gesagt/gesprochen) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Und was könnte ihn noch von den Bescheidwissern vom Dienst, ob Historiker oder Journalisten, unterscheiden? In dürren Worten: Was Walser „Sonntagsrede“ nannte, war keine Rede, sondern ein literarischer Text, der ganz anderen Gesetzen gehorcht als eine Ansprache auf dem Marktplatz. (Berliner Morgenpost, 15.12.1998, S. 23)  

in/mit einem Wort (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) In der rundum therapierten Gesellschaft verfügt der Angestellte über Umgangsformen, Selbstbewußtsein und Kompetenz. Mit einem Wort: Er ist an der Macht. (die tageszeitung, 31.01.1998, S. 4)  

indem Subjunktor temporal (veraltet) (C1) Indem er aber also gedachte, siehe, da erschien ihm ein Engel. (Lutherbibel, Mt. 1, 20) adversativ (veraltet) (C2.3) Indem Ferdinand alles tat, seine mißlichen Umstände zu verbessern, unterließ Friedrich nichts, seine gute Sache zu verschlimmern. (Schiller, Geschichte, S. 89) komitativ (C2.4) „Wenigstens du, Mama“, sagte Anna, indem sie den Arm der Schwärmerin nahm und sie hinkend weiterzog. (MK1/LMB.00000 Mann, Betrogene, S. 20) instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Rennläufer können sich bei einem Sturz von den Skiern befreien, indem sie einen Knopf an den Stöcken drücken.  





indes(sen) 1. Subjunktor adversativ (C2.3) Ich habe Martern gehabt, indes er Vergnügen hatte.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

temporal (C1) „Ist das auch wirklich wahr?“ fragt er, indes sich seine dunklen Augen in diesem schrecklich bleichen Gesicht noch mehr weiten. Von Superkitsch sprachen sogar manche, indessen die Fernsehanstalt kalt lächelnd auf die Rekordzahlen der Sehbeteiligung verwies. (Mannheimer Morgen, 29.03. 1989, o. S.) 2. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Er schüttelte seinem Patienten verabschiedend die Hand und schickte sich an, das Behandlungszimmer zu verlassen. Katja begann indessen die Nackenmassage mit den Worten: „Schreien Sie getrost, wenn ich zu derb sein sollte.“ (MK1/TPM.00000 Pinkwart, Mord, S. 117) adversativ (C2.3) Die Technik selbst ist seit Jahr und Tag im Emsland zur Besichtigung freigegeben. Ihre Wirtschaftlichkeit indessen kann in Deutschland nirgendwo demonstriert werden. (Die Zeit, Januar 1997, S. 1)  





infolgedessen nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS - Marker (C4.2) Der Kindermaskenball wechselt im Zwei-Jahres-Rhythmus mit dem Kinderumzug, der infolgedessen erst wieder im nächsten Jahr stattfindet. (St. Galler Tagblatt, 03.02.2000, o. S.)  

inzwischen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) In jungen Jahren haben wir uns in einem bösen Streit getrennt. Inzwischen haben wir uns aber versöhnt. jedenfalls nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Oliver Bierhoff schwingt sich auf zum Fußball-Olymp. So sieht es jedenfalls die italienische Presse. jedoch nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Hans war müde, schaufelte jedoch unentwegt weiter.

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D2 Konnektorenliste mit Beispielen

adversativ (C2.3) Das Flugzeug sollte am Mittag um 12.45 Uhr nach Palma de Mallorca starten. der Abflug wurde jedoch verschoben, weil noch ein Passagier fehlte. (General-Anzeiger: Jg. 79, Nr. 24, S. 1 f.)  





kaum syntaktischer Einzelgänger, konnektintegrierbar (Adverbkonnektor) temporal (C1) Kaum hatte sich die Tür geöffnet, stürzten auch schon die Katzen herein. kaum dass Subjunktor temporal (C1) Kaum dass es ihr etwas besser ging, rauchte sie wieder ihre schrecklichen Zigarillos. kurz/kürzer (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Er hat wenig zu tun, er hat nicht allzuviel Kontakt und nicht das Geld für andere Freizeitmöglichkeiten. Kurz gesagt: Er ist arbeitslos. kurz und gut nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Der Polizeiangriff führte zu 23 Festnahmen wegen Vermummung und Widerstand – nicht ein einziges Ermittlungsverfahren läuft wegen Sachbeschädigung. Kurz und gut – ein solcher Polizeieinsatz erscheint mir am internationalen Frauentag maßlos unverhältnismäßig. (die tageszeitung, 21.03.1990, S. 23)  

kurzum nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Toleranz ist, kurzum, eine wichtige Tugend im Umgang miteinander. mal (…) mal/dann nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Er hat mich von der Ansprache her am meisten berührt. Mal hat er ganz sanft geredet, dann ist er plötzlich explodiert. (Hamburger Morgenpost, 05.12.2006, S. 27) adversativ (C2.3) Salzburg agierte wie auf einer Hochschaubahn, mal war die Form großartig, mal wieder schwach. (Salzburger Nachrichten, 27.11.1995, o. S.)  



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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

mit anderen Worten (ausgedrückt/formuliert/gefragt/gesagt); m. a. W. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Deutschland ist auf dem besten Weg in ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit. M. a. W.: wir leben weiter auf Pump!  







mithin nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Umbau und Renovierung würden 4,5 Millionen Euro kosten, mithin ist dieser Plan finanziell nicht tragbar.  

mittlerweile nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Der Löwenzahn wuchert überall. Mittlerweile hat er sich sogar schon in der Mauer breit gemacht. nachdem Subjunktor temporal (C1) Nachdem er ihr Bild zerrissen hatte, bedauerte er es auch sogleich. kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Nachdem du jemand bist, der im Gegensatz zu mir ein Gefühl für die altgriechische Sprache hat, solltest du wissen, daß schon Menschen wegen eines Iotas ihr Leben verloren haben. (Diskussion: Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern, Wikipedia, 2011) nachher nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das Misstrauen, das man aufgrund der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegen den Staat in dieser Situation gehabt hatte, war vorher berechtigt gewesen. Nachher war es kein Thema mehr. (Berliner Zeitung, 28.10. 1997, S. 12)  

nämlich 1. nicht vorfeldfähiger Adverbkonnektor kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Die Ähnlichkeit ist nicht weiter verwunderlich. Die beiden sind nämlich Schwestern.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Sie erzählte ihm wo sie studiert hatte, nämlich in Münster. nebenbei (bemerkt/gefragt/gesagt/gesprochen) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Aber das sind Taten, die aus einer Sogwirkung heraus entstanden sind. Wenn wir die abziehen – sie sind nebenbei gesagt alle aufgeklärt – haben wir 13 Taten, vier davon sind Versuche. (die tageszeitung, 05.08.1989, S. 27)  

nebenher nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Nach dem Abitur studierte er Geschichte und Englisch. Nebenher jobbte er bei einem Anzeigenblatt. nichtsdestominder nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Was passiert, ist ungewiss. Nichtsdestominder zeigten sich die Politiker nach der Sitzung optimistisch. nichtsdestotrotz nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Im Fach Deutsch sind 2 400 Studenten eingeschrieben. Nichtsdestotrotz will das Ministerium jetzt gleich zwei Professuren streichen. nichtsdestoweniger nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Die Neuregelung betrifft die meisten Studenten gar nicht. Nichtsdestoweniger löste sie starke Unruhe aus. noch nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Bald wird es regnen. Noch stauen sich die Wolken an den Bergen südlich der Stadt.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

noch dazu nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die Palästinenser bekämpfen sich ja selbst mit dem Mittel des Terrors und sie werden noch dazu von Staaten mißbraucht, die den Terrorismus finanziell und militärisch unterstützen. (Mannheimer Morgen 09.08.1986, S. 5)  

nun 1. Subjunktor temporal (C1) Nun die Ernte eingebracht war, begannen stillere Tage. 2. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Der 14-jährige wurde wiederholt beim Autoknacken erwischt. Nun kümmert sich das Jugendamt um ihn. nunmehr (bildungssprachlich) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das System wird bereits seit einigen Jahren von der Polizei genutzt. Nunmehr soll es in einer eigenen siebenköpfigen Dienststelle verstärkt Erfolge zeigen. nur nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Vor der Wahl machen alle Parteien den Wählern großzügige Versprechungen. Nur: Die Geschenke sind nicht finanzierbar. nur dass Postponierer adversativ (C2.3) Das Kleid gefällt mir gut, nur dass es etwas zu kurz ist. ob (…) (oder) ob; ob (…) oder syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Ob es regnet, ob es schneit, wir machen den Ausflug. Ob es regnet oder ob es schneit, wir machen den Ausflug. Ob es regnet oder schneit, wir machen den Ausflug.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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obendrein nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor additiv (C2.1) Viele Tierheime sind nach dem Erlass überfüllt. Kampfhunde obendrein sind schwer vermittelbar. obgleich Subjunktor konzessiv (C4.3) Obgleich der Maler seine Heimatstadt nur zweimal verließ, war er neuen Einflüssen gegenüber immer aufgeschlossen. obschon (regional) Subjunktor konzessiv (C4.3) Obschon er leidend ist, übt er noch viele Funktionen aus. obwohl Subjunktor konzessiv (C4.3) Obwohl er leidend ist, übt er noch viele Funktionen aus. obzwar Subjunktor konzessiv (C4.3) Obzwar er leidend ist, übt er noch viele Funktionen aus. oder Konjunktor alternativebasiert (disjunktiv) (C3) Kommst du oder soll ich dir Beine machen? in metakommunikativer Verwendung (C5.6.2) Die „Stadtkommandantur Höchst“ oder „Stadthauptmannschaft Westfrankfurt“, wie sie sich auch nannte, berief sich auf die amerikanische Militärregierung in Frankfurt, um sich deren Autorität zunutze zu machen. (Frankfurter Rundschau, 26.04.1997, S. 5)  

ohne dass Subjunktor negationsinduzierend additiv (C2.2) Ohne dass sie es bemerkt hat, hat sie sich langsam vergiftet.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

ohnedies nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Im Sommer ist mir Marokko viel zu heiß. Ohnedies leide ich unter Flugangst. ohnehin nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Während unseres Sommerurlaubs wird der Kater immer von den Nachbarn versorgt. Die fahren im Juli ohnehin nie weg. respektive/respective/resp. (bildungssprachlich) Konjunktor alternativebasiert (disjunktiv) (C3) Die Meinung des Journalisten […] wird nicht klar deklariert respektive sie wird nicht deutlich vom Bericht abgegrenzt. (St. Galler Tagblatt, 18.06.1999, o. S.) in metakommunikativer Verwendung (C5.6.2) Im heutigen Stadtbild entspricht dieses so genannte Südliche Gräberfeld dem Severinsviertel resp. der Severinstraße und der Bonner Straße. (Colonia Claudia Ara Agrippinensium, Wikipedia, 2011)  

schließlich 1. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Ab 1930 trat ein striktes Ausfuhrverbot für alle antiken Objekte in Kraft. 1970 schließlich, zwei Jahre nach der Machtergreifung durch Saddam Hussein, wurden im Irak sogar der Privatbesitz und der Handel mit ausgegrabenen Objekten verboten. (Berliner Zeitung, 12.11.2005, o. S.) 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Mach bitte langsam, schließlich bin ich nicht mehr der Jüngste.  

schon nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Der Frühling kann nicht mehr weit sein: schon sprießen die ersten Schneeglöckchen aus dem Boden.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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sei es syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Sei es, dass Rotgrün, sei es, dass Schwarzgelb, sei es, dass eine große Koalition in Berlin regiert, die Rahmenbedingungen werden anderswo gesetzt. seit Subjunktor temporal (C1) Seit ich die Alpen kenne, will ich dort immer wieder hin. seitdem 1. Subjunktor temporal (C1) Seitdem ich die Alpen kenne, will ich dort immer wieder hin. 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) 1948 waren sie zum ersten Mal in Brügge. Seitdem fahren sie fast jedes Jahr einmal hin. seither nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) 1948 waren sie zum ersten Mal in Brügge. Seither fahren sie fast jedes Jahr einmal hin. selbst wenn Subjunktor irrelevanzkonditional (C4.4) „Selbst wenn sich die betreffenden Leute etwas zuschulden kommen liessen, so hätten sie einen anderen Umgang verdient“, sagte sie am Donnerstag der Presse. (Züricher Tagesanzeiger, 27.06.1997, S. 12)  

sintemal(en) (stilistisch markiert) Subjunktor kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Niemand will und kann bestreiten, dass jeder ein Recht auf Urlaub hat, und es ist auch selbstverständlich, dass derselbe mit der Familie verlebt werden soll, sintemalen man ansonsten kaum Zeit füreinander findet (Braunschweiger Zeitung, 16.08.2008, o. S.)  

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

so Subjunktor konditional (C4.1) So sie ihn sehen, grüßen Sie ihn bitte von mir. so ADJ/ADV (…) (auch) immer; so ADJ/ADV (…) auch syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) So anstrengend der Kurs auch war, ich habe davon profitiert. sobald Subjunktor temporal (C1) Sobald es aufhört zu regnen, gehen wir los. sodann nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Der Betrag erschien der Frau zu hoch und sie zahlte nicht. Sodann erhielt sie eine Zahlungsaufforderung vom Rechtsanwalt. sodass/so dass Postponierer kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Hoffentlich regnet es nicht, sodass wir den Ausflug auch machen können. sofern Subjunktor konditional (C4.1) Sofern sie ihn sehen, grüßen Sie ihn bitte von mir. sofort nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Die alte Dame schüttet am Isarufer ihre Tüte mit Brot aus. Sofort ist sie von Schwänen, Gänsen, Enten und Blässhühnern umschwärmt.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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sogar wenn Subjunktor irrelevanzkonditional (C4.4) Mit solchen Sunblockern könnte sich ein Rotblonder mit besonders empfindlicher Haut den ganzen Tag den Strahlen aussetzen, sogar wenn die Sonne doppelt so kräftig scheinen würde. (St. Galler Tagblatt, 19.07.2000, o. S.)  

sogleich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Erich Honecker, einst SED-Generalsekretär, wird der Berliner Justiz überstellt und erweist sich sogleich als haftunfähig. solang(e) 1. Subjunktor temporal (C1) Solange du bei mir bist, habe ich keine Angst. 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Die Gruppe vereinbart einen Begriff, der zu erraten ist. Der Ratende stellt sich solange vor die Tür. soll heißen Konjunktor metakommunikativ (C5) Ansonsten ist die Gegend, so wie alle Gegenden, die an Grenzen zu sozialistischen Nachbarländern liegen, „strukturschwach“, soll heißen, sie ist arm. somit nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Auf den Kandidaten Müller entfielen 16 von 16 Stimmen. Somit ist Müller einstimmig für das Amt des Kassenwarts bestätigt. instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken. Somit befreite er sich von den Skiern. sondern Konjunktor negationsinduzierend additiv (C2.2) Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen, sondern er hat sich viele Gedanken dazu gemacht.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

in metakommunikativer Verwendung (C5.6.1) Luise ist keine „Putzfrau“, sondern „Raumpflegerin“. sonst nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Sekt muss gut gekühlt sein, sonst schmeckt er abscheulich. sooft Subjunktor temporal (C1) Sooft sie anruft, ist immer nur der Anrufbeantworter angeschaltet. sowie 1. Subjunktor temporal (C1) Sowie die Tür geöffnet war, kamen die Katzen herein und stürzten sich auf ihr Futter. 2. Konjunktor additiv (C2.1) Das ist so, weil Katzen Raubtiere sind, sowie Mäuse zu den Nagern gehören. sowieso nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor irrelevanzkonditional (C4.4) Wir gießen gerne eure Pflanzen, über Weihnachten fahren wir sowieso nie weg. sowohl (…) als/wie auch Konjunktor additiv (C2.1) Das ist möglich, weil es dort sowohl ein Klavier gibt, als auch eine Bühne aufgebaut werden kann. sozusagen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Sozusagen blickten wir mit Schläuchen und nicht mit den Augen. (die tageszeitung, 19.05.1989, S. 15)  

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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später nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Es gab ein ausgiebiges Abendessen und gute Gespräche. Später wurde getanzt. sprich Konjunktor metakommunikativ (C5) Sie müssen am Sonntag zu ihren Eltern, sprich: Sie wollen nicht zu uns kommen. statt (markiert) 1. Subjunktor negationsinduzierend additiv (C2.2) Statt du hier herumsitzt, solltest du arbeiten. 2. syntaktischer Einzelgänger, koordinierend negationsinduzierend additiv (C2.2) Statt im Topf kann man Lorbeer auch an windgeschützten Stellen im Garten ziehen. statt dass Subjunktor negationsinduzierend additiv (C2.2) Statt dass du hier herumsitzt, solltest du arbeiten. stattdessen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negationsinduzierend additiv (C2.2) Der Streit unter den Nachbarn konnte durch die Schiedsstelle nicht geschlichtet werden. Stattdessen eskalierte der Konflikt. teils (…) teils nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Teils arbeiteten die Eltern mit Drohungen, teils versprachen sie Belohnung: Genutzt hat es nichts. trotzDEM Subjunktor konzessiv (C4.3) Trotzdem sie krank ist, geht sie zur Arbeit.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

trotzdem nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Katzen haben heutzutage als Haustiere keinerlei praktischen Nutzen. Trotzdem sind sie überaus beliebt. überdies nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor additiv (C2.1) 40 Prozent der Bundesbürger sparen nur für den kurzfristigen Konsum und nicht fürs Alter. Zwei Millionen Haushalte sind überdies stark verschuldet.  

überhaupt nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Ich möchte von Ihnen nicht weiter belästigt werden. Überhaupt, woher haben Sie eigentlich meine Telefonnummer? übrigens nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Es fehle ihm nicht an künstlerischem Ernst, aber er komme nirgends in die Tiefe, sei ein Halber, beherrsche auch das Metier nicht. Am Handwerk übrigens fehle es allen Modernsten, die im Schlepptau der Franzosen seien und mehr Gedanken als Malgenie hätten. (BIO/TK1.00024 Klemperer, Leben, S. 883)  

umso mehr, als Postponierer kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Du solltest nett zu ihr sein, um so mehr, als sie immer nett zu dir ist. umso weniger, als Postponierer kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Du solltest sie nicht ärgern, um so weniger, als sie doch krank ist. unbeschadet dessen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Die Umkleidekabinen des Stadions sind in einem erbärmlichen Zustand. Unbeschadet dessen sind die Nachwuchskicker mit Freude am Ball.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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unbeschadet dessen (…), dass Subjunktor konzessiv (C4.3) Unbeschadet dessen, dass es noch lange dauern kann, bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, sind die Arbeitgeber verpflichtet, volle Lohnfortzahlung zu leisten. und Konjunktor additiv (C2.1) Im Gebirge schneit es und in der Ebene fällt nur noch Regen. und + Verberstsatz syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Dennoch zählen diese Argumente zur Zeit nicht – und wären sie noch so richtig. und DOCH syntaktischer Einzelgänger adversativ (C2.3.4) Auch in Hamburg kochen sie nur mit Wasser. Und doch bin ich auf die nächste Titelgeschichte, das nächste Gespräch, den nächsten Essay gespannt. (Züricher Tagesanzeiger, 04.01.1997, S. 44) konzessiv (C4.3) Die militärische Lage ist verworren und der Zynismus der Kriegsherren grenzenlos. Und doch: Es gibt auch eine Friedensarbeit zwischen den Fronten, eine Versöhnungsarbeit über die eigene Volksgruppe hinweg. (St. Galler Tagblatt, 03.10.1998, o. S.)  



und wenn Subjunktor irrelevanzkonditional (C4.4) Dennoch zählen diese Argumente zur Zeit nicht – und wenn sie noch so richtig wären. (die tageszeitung, 11.06.1996, S. 1)  

und zwar nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Der Wiesenweg ist hier ganz in der Nähe, und zwar ist er die zweite Abzweigung nach rechts von der Schulstraße.

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

und/oder Konjunktor alternativebasiert (disjunktiv) (C3) Nur wer sein eigenes Geld investiert, der steht auch wirklich hinter seinem Projekt! Und/oder er bringt es fertig und holt andere Investoren ins Boot. (Die Südostschweiz, 31.12.2010, o. S.)  

ungeachtet Subjunktor konzessiv (C4.3) Nach europäischem Anrecht dürfen sogar verkeimte Nahrungsmittel (z. B. Flüssigei) nach einer Bestrahlung wieder auf den Marktgebiet gebracht werden, ungeachtet sie bereits verkommen waren. (lebensmittel-online.50webs.com/konservierungs verfahren/lebensmittelbestrahlung.html)  

ungeachtet, dass Subjunktor konzessiv (C4.3) Schubert habe sich nie angebiedert – ungeachtet, dass es Wählerstimmen kosten könne, sei er gradlinig seinen Weg gegangen […]. (Frankfurter Rundschau, 25.09.1998, S. 7)  

ungeachtet dessen nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor konzessiv (C4.3) Die Wirtschaft klagt über eine Konjunkturflaute. Ungeachtet dessen bleiben die Gewerkschaften in ihren Forderungen hart. ungeachtet dessen (…), dass Subjunktor konzessiv (C4.3) Ungeachtet dessen, dass es noch lange dauern kann, bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, sind die Arbeitgeber verpflichtet, volle Lohnfortzahlung zu leisten. unterdes(sen) nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Ich mach noch schnell oben die Fenster zu. Fahr du unterdessen schon mal den Wagen aus der Garage.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

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vielmehr nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negationsinduzierend additiv (C2.2) Die Berufshaftpflicht haftet nicht in jedem Fall. Man muss vielmehr zwischen privaten und dienstlichen Wegen unterscheiden. in metakommunikativer Verwendung (C5.1.6.1) Wie haben uns nicht „ausgeruht“, vielmehr haben wir gechillt. vorausgesetzt Verbzweitsatz-Einbetter konditional (C4.1) Peter sollte für diese Arbeit eingesetzt werden, vorausgesetzt, er beherrscht sein Handwerk. vorausgesetzt(,) dass Subjunktor konditional (C4.1) Peter sollte für diese Arbeit eingesetzt werden, vorausgesetzt, dass er sein Handwerk beherrscht, vorher nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Wasch dir bitte die Hände. Vorher brauchst du dich gar nicht hinzusetzen. w- (…) (auch) immer; w- (…) auch; w- immer (…) (auch) syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Was auch immer die Gründe sein mögen, sie sind falsch. (die tageszeitung, 05.01.1995, S. 17)  

während Subjunktor temporal (C1) Während die Kinder im Garten spielen, diskutieren die Erwachsenen die Wahlergebnisse. adversativ (C2.3) Während man vor 50 Jahren noch einen erheblichen Teil des Einkommens für Nahrung und Kleidung aufbringen musste, schlägt heute vor allem das Wohnen teuer zu Buche.  

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D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

währenddessen 1. Subjunktor temporal (C1) Währenddessen im Parlament die Parteien über den Haushalt debattierten, demonstrierten gestern die Studenten vor dem Rathaus. adversativ (C2.3) Frauen lokalisieren den Sitz ihrer Gefühle häufig im Bauch, währenddessen sich Männer eher als verstandesorientiert und kopflastig bezeichnen. (Salzburger Nachrichten, 04.04.1998, o. S.) 2. nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Die Kinder spielten im Garten. Währenddessen diskutierten die Erwachsenen das Wahlergebnis. adversativ (C2.3) Selbst Traditionsklubs wie der AC Bavaria Goldbach äußerten in den letzten Wochen Gedanken, sich aus finanziellen Beweggründen eventuell freiwillig aus der Ersten Liga zu verabschieden. Für den Athletenverein ist ein Abstieg währenddessen kein Thema. (Frankfurter Rundschau, 27.12.1997, S. 9)  



weder (…) noch syntaktischer Einzelgänger, koordinierend negationsinduzierend additiv (C2.2) Er hat weder Spendengelder entgegengenommen noch hat er solche auf Auslandskonten transferiert. weil Subjunktor kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Weil er noch promovieren will, sitzt er den ganzen Tag am Schreibtisch. weiter nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die beiden haben nur Händchen gehalten und sich geküsst. Weiter ist nichts passiert. weiterhin nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Die Artikel der online-Ausgabe werden ständig aktualisiert. Weiterhin gibt es Hintergrundmaterial zu den einzelnen Artikeln.

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D2 Konnektorenliste mit Beispielen

temporal (C1) Novartis will Fusion mit Roche. Der Pharmakonzern Novartis ist weiterhin an einem Schulterschluss mit dem Konkurrenten Roche interessiert. (Mannheimer Morgen, 20.11.2002, o. S.)  

weiters (regional) nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Im Mittelpunkt des Kinderkonzertes stand Sergei Prokofjew „Peter und der Wolf“ […]. Weiters wurden vier temperamentvolle Zigeunertänze sowie zwei moderne Werke aus dem Popbereich aufgeführt. (St. Galler Tagblatt, 13.05.1997, o. S.)  

wenn Subjunktor temporal (C1) Wenn es dunkel wurde, kehrten die Erinnerungen zurück. konditional (C4.1) Wenn Maria in Mannheim ist, geht sie ein- bis zweimal im Monat in die Oper. wenn (…) auch Subjunktor konzessiv (C4.3) Wenn es auch nicht leicht ist, sollte man das Projekt doch in Angriff nehmen. wenn (…) schon Subjunktor konzessiv (C4.3) Wir wollen wenigstens eine Ausstellung besuchen, wenn das Wetter schon nicht besonders ist. wenngleich Subjunktor konzessiv (C4.3) Der Palast gibt uns auch heute noch eine Idee der damaligen Größe, wenngleich er großteils verfallen ist. wennschon Subjunktor konzessiv (C4.3) Nicht mal Playboys hatten wir! Jedenfalls sind mir keine begegnet, was meine begriffliche Verwirrung wennschon nicht entschuldigt, dann doch aber erklärt. (Berliner Zeitung, 21.02.1998, S. 19)  

1216

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

wennzwar Subjunktor konzessiv (C4.3) Zwar mag eine Art Schlank-Hungern (speziell bei Pubertierenden) am Beginn der Erkrankung stehen, aber im wesentlichen ist sie dann doch das, was sie darstellt, nämlich: ein Hungerstreik, – wennzwar die damit verbundenen Forderungen nicht benannt werden. (www.fh-nb.de/soz/haselmann/aufsatz02.doc) weshalb Postponierer kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Das Wetter war sehr schlecht, weshalb sie statt zu wandern eine Ausstellung besuchten. weswegen Postponierer kausal, K ONSEQUENS -Marker (C4.2) Das Wetter war sehr schlecht, weswegen sie statt zu wandern eine Ausstellung besuchten. widrigenfalls 1. Postponierer negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Wahlvorschläge […] müssen spätestens zwei Wochen vor dem Wahltag […] schriftlich bei dem Vorsitzenden der Wahlkommission […] einlangen, widrigenfalls sie nicht berücksichtigt werden können. (www.vu-wien.ac.at/zv/info/mitteilungsblatt/ 2003/20030502.htm) 2. nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor negativ-konditional, K ONSEQUENS -Marker (C4.6) Wahlvorschläge […] müssen bis 20. September 2006, 12 Uhr […] eingelangt sein, widrigenfalls können sie nicht berücksichtigt werden. (www.uni-graz.at/zv1www/ mi060906.doc)  

wie 1. Subjunktor temporal (C1) Wie sie die Tür öffnete, stürzten ihr auch schon die beiden Katzen entgegen. 2. Konjunktor additiv (C2.1) Ihre unheimliche Macht in unsrer Zeit liegt darin, daß sie beides, das Gute wie das Böse, ins nicht mehr Absehbare zu steigern vermag. (MK1/WBM.00000 Bollnow, Vermessenheit, S. 96)  

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

1217

wie ADJ/ADV (…) (auch) immer/wie ADJ/ADV (…) auch syntaktischer Einzelgänger irrelevanzkonditional (C4.4) Wie modern auch immer ein Medium sein mag, ändert es doch nichts an der in Jahrtausenden geprägten Funktionsweise unseres Gehirns. wieder syntaktischer Einzelgänger adversativ (C2.3) Maria ist kerngesund, Hans wieder hat öfter Infekte. wiederum nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Maria ist kerngesund, Hans wiederum hat öfter Infekte. wiewohl (bildungssprachlich) Subjunktor konzessiv (C4.3) Wiewohl er leidend ist, übt er noch viele Funktionen aus. will heißen Konjunktor metakommunikativ (C5) Unter dem Leitsatz „Colore, odore, sapore“, will heißen „Farbe, Geruch, Geschmack“, besprach Weinmeister Arno Wagner kundig die hervorragenden Kreszenzen. (Rhein-Zeitung, 17.11.2000, o. S.)  

will sagen Konjunktor metakommunikativ (C5) Sie müssen am Sonntag zu ihren Eltern, will sagen: Sie wollen nicht zu uns kommen. wo 1. Subjunktor temporal (C1) Doch nun, wo der Einzug der „Republikaner“ ins Münchener Rathaus droht, kann die CSU einen Hardliner a la Gauweiler gut gebrauchen. (die tageszeitung, 12.06. 1989, S. 4)  

1218

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

2. Postponierer konzessiv (C4.3) Wie kannst du alle Menschen hassen, wo du doch selbst einer bist? (aspies.de/ forum/index.php?t=msg&goto=82957&#msg_82957) wobei Postponierer konzessiv (C4.3) Walzer und Polka hatten bei ihnen Fahrt und durchaus den richtigen Schmäh, wobei: Es gibt wohl kaum ein mittelmäßiges Profi-Orchester irgendwo, das das nicht so hinbekommen würde. (Frankfurter Rundschau, 09.01.1997, S. 25) komitativ (C2.4) Er lacht nie, wobei er seine Zähne wirklich nicht verstecken muss.  

wodurch Postponierer instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken, wodurch er sich von den Skiern befreite. wofür Postponierer instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Rennläufer können sich bei einem Sturz von den Skiern befreien, wofür sie einen Knopf an den Stöcken drücken. wogegen Postponierer adversativ (C2.3) Maria ist kerngesund, wogegen Hans öfter Infekte hat. wohingegen Postponierer adversativ (C2.3) Maria ist kerngesund, wohingegen Hans öfter Infekte hat. womit Postponierer instrumental, K ONSEQUENS -Marker (C4.5.4) Der Rennläufer drückte nach seinem Sturz einen Knopf an den Stöcken, womit er sich von den Skiern befreite.

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

1219

wonach Postponierer temporal (C1) Sie wanderten fünf Stunden lang im Nieselregen, wonach alle einen Punsch zum Aufwärmen brauchten. worauf Postponierer temporal (C1) Die Musiker packten ihre Instrumente ein, worauf das Publikum endlich den Saal verließ. woraufhin Postponierer temporal (C1) Der Boxer stolperte hilflos in die Seile, woraufhin der Ringrichter den Kampf abbrach. wozu Postponierer instrumental, A NTEZEDENS -Marker (C4.5.4) Rennläufer können sich bei einem Sturz von den Skiern befreien, wozu sie einen Knopf an den Stöcken drücken. z. B./z. Bsp./zum Beispiel nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor metakommunikativ (C5) Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Mir z. B. gefallen Männer mit Glatze.  



zudem nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor additiv (C2.1) Auf einer CD-Rom lassen sich viel mehr Seiten unterbringen als in einem Buch. Zudem kann man sehr viel bequemer recherchieren. zuerst nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Aber er heißt tatsächlich Heinrich Heine.

1220

D Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

zugleich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Hessen hat einen Abschiebestopp für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina erlassen und zugleich den Abschiebestopp für kroatische Flüchtlinge verlängert. (die tageszeitung, 09.05.1992, S. 4)  

zuguterletzt nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Kasperl und Seppel erleben bange Stunden mit dem bösen Zauberer Zwackelmann, aber zuguterletzt gelingt es ihnen, den Zauberer zu überlisten und die arme Unke wieder zu entzaubern. zuletzt nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor temporal (C1) Bei ihrer ersten Begegnung waren sie einander noch unsympathisch, später arbeiteten sie zusammen und zuletzt waren sie ein phantastisches Team. (zum einen) (…) zum ander(e)n nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor additiv (C2.1) Stockholm, 1912: Die schwedische Hauptstadt erlebt gleich zwei ungewöhnliche Ereignisse. Zum einen ist es tatsächlich Sommer in Stockholm, zum anderen darf man die Olympischen Spiele ausrichten. (Nürnberger Nachrichten, 13.02.2013, S. 30) adversativ (C2.3) Zwiespältig betrachtet der Tabellenzweite die kommende Aufgabe. Zum einen dürfte die Euphorie über das Erreichen des Bezirkspokalfinales Ansporn sein, zum anderen könnte die Zusatzbelastung des Mittwochspiels dem SVL noch in den Knochen stecken. (Braunschweiger Zeitung, 28.04.2007, o. S.)  



zumal (da) Postponierer kausal, A NTEZEDENS -Marker (C4.2) Ostern in Griechenland ist wunderschön, zumal (da) es dort um diese Jahreszeit schon angenehm warm ist.

1221

D2 Konnektorenliste mit Beispielen

zunächst nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das für den Bundestag geplante Bürogebäude Unter den Linden 50 ist fertig. Es wird jedoch zunächst nicht möbliert, weil die anderen bereits fertigen Büros kaum genutzt werden. Erst zum Umzug soll es möbliert werden. zusätzlich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor additiv (C2.1) Gegen Nervosität helfen Johanniskraut, Baldrian und Hopfen. Zusätzlich nehme man ein warmes Bad mit ein paar Tropfen Lavendelöl. zuvor nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Für einen guten Witterungsschutz muss die Lasur zwei Mal aufgetragen werden. Zuvor muss der Untergrund gesäubert und abgeschliffen werden. zwar nicht positionsbeschränkter Adverbkonnektor adversativ (C2.3) Der Beschuldigte räumte zwar ein, nicht gezahlt zu haben. Rückstände von 4913 Euro zu haben, wies er zurück. (Braunschweiger Zeitung, 03.12.2010, o. S.)  



zwischendurch nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Das Fleisch rundherum scharf anbraten und mit Dunkelbier ablöschen. Zwischendurch das Knödelbrot schneiden. zwischenzeitlich nicht nacherstfähiger Adverbkonnektor temporal (C1) Für die kommende Woche ist insgesamt trübes Wetter und Regen vorausgesagt. Zwischenzeitlich soll jedoch immer wieder die Sonne hervorbrechen.

Inhaltsverzeichnis Teilband I Inhaltsübersicht  VII Vorwort  IX Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  XI Einleitung  1

A

Grundlagen für die semantische Beschreibung der Konnektoren, Begriffsbildung und Definitionen

A1

Syntaktische Grundlagen: syntaktische Konnektorklassen, komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum  13

A1.1

Abgrenzung des Gegenstands und Subklassifikation von Konnektoren  14 Nicht-konnektintegrierbare Konnektoren  16 Konnektintegrierbare Konnektoren  20 Einzelgänger  23 Komplexe Satzstrukturen und syntaktische Verknüpfungsverfahren  23 Grenzfälle der Konnexion  35 Adjektiv- und Partizipphrasen (eingebettete sekundäre Propositionen) als Argumente  35 Nominalphrasen (Termausdrücke) als externe Argumente  39 Verbalphrasen (Prädikate) als externe Argumente  41 Formen von Konnektoren und Grenzfälle  42 Komplexe Satzstrukturen und ihr Variationsspielraum  46 Differenzparameter Stellung des Konnektors  47 Differenzparameter Satztyp des internen Konnekts  48 Differenzparameter Grad der Integration des internen Konnekts  49 Differenzparameter Grad der Parallelität von externem und internem Konnekt  50

1.1.1 1.1.2 1.1.3 A1.2 A1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 A1.4 A1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4

A2

Das Zusammenspiel von syntaktischer und semantischer Struktur in Konnektorkonstruktionen  51

A2.1

Konnektoren als rollenzuweisende Relatoren  53

1224

A2.2 A2.3

2.3.1 2.3.2 A2.4 2.4.1 2.4.2

A3 A3.1

Inhaltsverzeichnis

Subklassenspezifische syntaktische Kategorisierung der Argumentausdrücke: internes und externes Konnekt  56 Subklassenspezifische semantische Kategorisierung der Argumente: internes und externes Argument als Träger spezifischer semantischer Rollen  61 Konzeptuell basierte Kategorisierungen: Figur-Grund, Trajektor-Landmark  62 Informationsstrukturell motivierte Kategorisierungen  67 Die Syntax-Semantik-Schnittstelle: Abbildung semantischer Rollen auf die Konnekte und Typen semantischer Relationen  69 Symmetrische Relationen  73 Asymmetrische Relationen: NTEZEDENS S -(K K ON -)S S EQUENS -Relationen  76 A NTEZEDEN

Grundbedeutung und Mehrdeutigkeit von Konnektoren  79

Mehrdeutigkeit und Ausdrucksvielfalt als Probleme der Konnektorensemantik: „Polysemieproblem“ und „Synonymieproblem“  81 A3.2 Eine Form – mehrere Bedeutungen: Heterosemie, Polysemie, Unterspezifikation  84 3.2.1 Heterosemie  89 3.2.1.1 Heterosemie zwischen konnektoraler und nicht-konnektoraler Verwendung  90 3.2.1.1.1 Adjektiv – Adverbkonnektor  91 3.2.1.1.2 Verbalpartizip – Subjunktor/Verbzweitsatz-Einbetter/ Einzelgänger ausgenommen/Adverbkonnektor  91 3.2.1.1.3 Deiktisches Adverb/Pronominaladverb/w-Adverb – Adverbkonnektor/Subjunktor bzw. Postponierer  92 3.2.1.1.4 Adposition – Subjunktor/Einzelgänger  93 3.2.1.1.5 Partikel – Adverbkonnektor  94 3.2.1.1.6 Adjunktor (als, wie) – Subjunktor  96 3.2.1.1.7 Komplementierer (dass, ob) – Subjunktor/Einzelgänger  96 3.2.1.1.8 Liste heterosemer Konnektoren mit nicht-konnektoralen Verwendungen  97 3.2.1.2 Heterosemie zwischen Konnektoren verschiedener syntaktischer Konnektorklassen  99 3.2.1.2.1 Systematische Variation: Konversenbildung mit Adverbkonnektor und Subjunktor/Postponierer  99 3.2.1.2.2 Idiosynkratische Variation  100 3.2.2 Reguläre Polysemie: Mehrdeutigkeit bei Konstanz der syntaktischen Konnektorklasse  101

Inhaltsverzeichnis

3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 A3.3 A3.4

Sequenz (A A NTEZEDENS markierend) → Kausalität  104 Simultanität → Adversativität; Komitativität → Konzessivität  105 Simultanität → Kausalität  106 Simultanität → Konditionalität  107 Unterspezifikation bei Konnektoren  108 Unterspezifikation in Bezug auf die Verknüpfungsebene  108 Unterspezifikation in Bezug auf idiosynkratische semantische Merkmale  110 Zur deskriptiven Erfassung von invarianter Bedeutung und Bedeutungsvariation  111 Eine Funktion – mehrere Formen: paradigmatische Bezüge zwischen Konnektoren einer Relationsklasse  113

A4

Dimensionen der semantischen Beschreibung von Konnektorkonstruktionen  117

A4.1

Grundbegriffe der Beschreibung und Prinzipien der Bedeutungskonstitution  120 Bedeutungskomponenten von Konnektoren  124 Quantifizierung  125 Skalierung  126 Evaluierung  128 Informationsstruktur  131 Von der grammatisch determinierten Bedeutung zur Äußerungsbedeutung: Prinzipien der interpretativen Anpassung  132 Post hoc ergo propter hoc  134 Konditionalverstärkung  134 Konjunktoranreicherung  135 Anpassungen in der aspektuellen Charakteristik  136 Faktivität  137 Charakterisierung der Faktivitätsdimension und ihrer Merkmalsausprägungen  137 Sprachliche Ausdrucksmittel für die Faktivitätswerte  139 Konnektoren und Faktivität  145 Informationsstruktur und Linearstruktur  149 Konzepte für die Beschreibung der Informationsstruktur von Konnektorkonstruktionen  150 Fokus und Hintergrund  151 Topik – Kommentar  158 Mehrfacher Fokus  162

4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.1.3 4.1.1.4 4.1.2

4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.2.4 A4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 A4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3

1225

1226

4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.3 4.3.3.1 4.3.3.2 4.3.3.3 4.3.3.4 4.3.3.5 4.3.3.6 A4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.2.3 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.4.4 A4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3

Inhaltsverzeichnis

Informationsstrukturelle Restriktionen als lexikalisches Merkmal und Differenzparameter  164 Einschränkungen in der Fokussierbarkeit des Konnektors  164 Einschränkungen im informationsstrukturellen Potential der Konnekte  171 Zum Zusammenhang zwischen Linearstruktur und Informationsstruktur  174 Präferenzen in der Konnektabfolge bei konjunktionalen Konnektoren mit variabler Abfolge  175 Nullstelle  177 Vorfeld  178 Nacherstposition  179 Mittelfeld  182 Nachfeld  184 Ebenen der Verknüpfung  186 Eine Relation – mehrere Lesarten: Das Konzept des Drei-Ebenen-Modells  187 Funktionale Unterschiede zwischen den Ebenen  190 Die propositionale Ebene  190 Die epistemische Ebene  190 Die Sprechaktebene  192 Korrelationen zwischen den formalen Eigenschaften der Relation und ihrer Interpretation  193 Auftreten von skopusfähigen Ausdrücken (Negation, Korrelate, Fokuspartikeln) im K ONSEQUENS -Konnekt  195 Syntaktische Einbettung des A NTEZEDENS -Konnekts in die Struktur seines Bezugskonnekts  198 Erfragbarkeit des A NTEZEDENS -Konnekts  201 Fazit und Anmerkungen zur weiteren Vorgehensweise im Handbuch  203 Temporalität, Aspektualität und Modalität  205 Tempus  207 Aspektualität  218 Modalität  228

B

Die semantische Klassifikation der Konnektoren des Deutschen

B1

Die Forschungslage  242

B2

Die semantische Klassifikation dieses Handbuchs  251

Inhaltsverzeichnis

1227

B2.1 B2.2 B2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Metakommunikative Konnektoren  253 Temporale Konnektoren  255 Aussagenlogisch basierte Relationen  257 Additiv basierte Konnektoren  258 Alternativebasierte (disjunktive) Konnektoren  262 Konditional basierte Konnektoren  262

C

Semantische Konnektorenklassen

C1

Temporale Konnektoren  271

C1.1 1.1.1

Liste der temporalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  274 Konzeptuelle und etymologische Charakterisierung des Inventars  276 Alternative Ausdrucksmittel zur Kodierung von Zeit  279 Asyndetische Satzfolgen  279 Temporale PPen, NPen und Adverbien: kontextrelative, sprechzeitrelative und konventionalisierte Temporaladverbialia  281 Semantische Charakterisierung der Klasse  286 Funktion und Bedeutungskomponenten von Temporalkonnektoren  286 Zur Untergliederung der Temporalkonnektoren  288 Syntaktisch-semantische Besonderheiten von Temporalkonnektoren  294 Zeitpunkt spezifizierende (positionelle) Temporalkonnektoren  297 Unspezifisch situierende Konnektoren: als, da, wenn, wie, wo  298 Der Subjunktor als  299 Postponierendes temporales als  305 Der Subjunktor wie  308 Temporales subordinierendes da und wo  310 Der unspezifische Adverbkonnektor da  314 Der Subjunktor wenn  317 Sequenzkonnektoren  327 NTEZEDEN S -Marker nachdem  327 Der A NTEZEDENS Die Sequens markierenden Subjunktoren bevor und ehe  334 Die Sequens markierenden Postponierer wonach, worauf, woraufhin  345 Sequenzmarkierende Adverbkonnektoren: dann, danach, daraufhin, davor, vorher  347 Grenzbezogenen Konnektoren im Übergangsbereich zwischen Sequenz und Koinzidenz: sobald, sowie und kaum (dass)  355

1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2 C1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 C1.3 1.3.1 1.3.1.1 1.3.1.2 1.3.1.3 1.3.1.4 1.3.1.5 1.3.1.6 1.3.2 1.3.2.1 1.3.2.2 1.3.2.3 1.3.2.4 1.3.2.5

1228

Inhaltsverzeichnis

Koinzidenzkonnektoren  363 Die Subjunktoren indem, indes(sen), während(dessen), (all)dieweil  363 1.3.3.2 Adverbkonnektoren zum Ausdruck von Koinzidenz: währenddessen, indes(sen), (all)dieweil, gleichzeitig, zugleich, zeitgleich; damals  369 C1.4 Zeitdauer spezifizierende (durative) Temporalkonnektoren  374 1.4.1 Überlappende Intervalle: solang(e)  374 1.4.2 Links oder rechts begrenzte Intervalle: die Subjunktoren seit(dem) und bis (dass)  378 1.4.3 Durative Adverbkonnektoren: seitdem, seither, bis dahin, bis dato, weiterhin, fürderhin, solange  385 C1.5 Der Frequenz spezifizierende Temporalkonnektor sooft  387 1.3.3 1.3.3.1

C2

Additiv basierte Konnektoren  391 Einleitende Bemerkungen  393

Additive Konnektoren  397 Liste der additiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  399 2.1.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  401 2.1.3 Additive Konjunktoren  407 2.1.3.1 Der Universalkonjunktor und  408 2.1.3.1.1 Syntaktische Eigenschaften  408 2.1.3.1.2 Semantische Eigenschaften: Standardverwendungen und Bedeutungsspielraum  410 2.1.3.1.2.1 Reine Listeninterpretationen  410 2.1.3.1.2.2 Weiterinterpretationen zu anderen additiv basierten Relationen  411 2.1.3.1.2.3 Konditionale Interpretationen  415 2.1.3.1.2.4 Sogenannte „implikative“ Interpretationen  417 2.1.3.1.2.5 Nicht-konnektorales und: „Kollektion“ („Phrasenkoordination“)  421 2.1.3.1.2.6 Besondere Diskursfunktionen von und  424 2.1.3.2 Die vergleichsbasierten Konjunktoren sowohl (…) als auch, sowie und wie  425 2.1.3.2.1 Formvariation  425 2.1.3.2.2 Heteroseme und Vorkommen in anderen Konnektorklassen  427 2.1.3.2.3 Syntaktische Eigenschaften: Restriktionen gegenüber und  428 C2.1 2.1.1

Inhaltsverzeichnis

2.1.3.2.4

Semantische Restriktionen: Ausschluss von Interpretationsanreicherungen  431 2.1.3.2.5 Semantische Restriktionen: Ausschluss von Kollektivund Fusionsinterpretationen  432 2.1.3.2.6 Restriktionen bezüglich der Anzahl der Koordinate  434 2.1.3.2.7 Informationsstrukturelle Restriktionen  436 2.1.3.3 Differenzparameter für additive Konjunktoren und ihre kompositionale Herleitung  438 2.1.3.4 Das Verhältnis korrelativer Konjunktoren zu ihren einfachen Pendants  444 2.1.4 Additive Adverbkonnektoren  445 C2.2 Negationsinduzierende additive Konnektoren  451 2.2.1 Liste der negationsinduzierenden additiven Konnektoren  451 2.2.2 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  451 2.2.3 Negativ-additive Konnektoren: weder (…) noch, geschweige (denn)  457 2.2.3.1 Semantische Eigenschaften  457 2.2.3.2 Weder (…) noch  458 2.2.3.2.1 Formvariation  459 2.2.3.2.2 Syntaktische Eigenschaften  461 2.2.3.2.3 Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften von weder (…) noch-Verknüpfungen  463 2.2.3.3 Geschweige (denn)  465 2.2.3.3.1 Syntaktische Eigenschaften  465 2.2.3.3.2 Semantische Eigenschaften  467 2.2.4 Korrektive Konnektoren: sondern, vielmehr  471 2.2.4.1 Semantische Eigenschaften  471 2.2.4.2 Formvariation  475 2.2.4.3 Bedeutungsvariation: nicht nur p, sondern auch q – eine additive sondern-Variante?  476 2.2.4.4 Syntaktische und prosodische Eigenschaften  478 2.2.4.5 Informationsstrukturelle Eigenschaften  481 2.2.4.6 Zum Unterschied zwischen Adversativ-und Korrektivverknüpfungen: NEG p, aber q vs. NEG p sondern q  482 2.2.4.7 Differenzparameter zwischen sondern und vielmehr  487 2.2.5 Substitutive Konnektoren: (an)statt, (an)statt dass, anstatt dessen, stattdessen, anstelle dessen  488 2.2.5.1 Semantische Eigenschaften  488 2.2.5.2 Syntaktische Eigenschaften  496 2.2.5.3 Differenzparameter gegenüber korrektiven Konnektoren: statt (dass) p, q vs. NEG p, sondern q  497

1229

1230

2.2.5.4 2.2.5.5 2.2.6 2.2.6.1 2.2.6.2 2.2.6.3 2.2.6.4 C2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3 2.3.3.4 2.3.3.5 2.3.3.6 2.3.4 2.3.5 2.3.5.1

2.3.5.2 2.3.5.3 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.8.1

2.3.8.2

Inhaltsverzeichnis

Differenzparameter zwischen substitutiven und adversativen Konnektoren: p, statt dass q vs. p, während/wohingegen q  500 Differenzparameter zwischen den substitutiven Konnektoren  501 Der negativ-komitative Konnektor ohne dass  503 Semantische Eigenschaften  503 Bedeutungsvariation: ist ohne dass polysem?  504 Syntaktische Eigenschaften  508 Differenzparameter gegenüber substitutiven Verknüpfungen: p, ohne dass q vs. p, statt (dass) q  509 Adversative Konnektoren  511 Liste der adversativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  513 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  516 Verwendungen von aber und Ausprägungen von Adversativität  521 Kontrastiver Vergleich („contrastive comparison“, „semantic opposition but“)  522 Konzessivität („Erwartungsgegensatz“, „denial of expectation but“)  525 Planvereitelung („restriktives aber“, „frustrated plan“)  527 Kompensatorischer Gegensatz („Bewertungsgegensatz“, „evaluatives aber“)  529 Schwacher Kontrast („Topikwechselmarkierung“, „konnexiv-adversatives aber“)  532 Nicht-propositionale adversative Verknüpfungen  533 Doch/DOCH, und DOCH und jedoch  535 Konnektoren des kontrastiven Vergleichs  540 Monoseme Konnektoren des kontrastiven Vergleichs: dagegen, dahingegen, hingegen, dementgegen, demgegenüber, wogegen, wohingegen  541 Temporal-adversativ polyseme Konnektoren: während(dessen), indes(sen), alldieweil, dieweil, derweil, (hin)wieder(um), wieder  545 Die Polysemie von während: eine exemplarische Analyse  547 Konnektoren zwischen Affirmativität und Adversativität: allerdings, dafür, freilich, zwar  551 Adversative Konnektoren mit Fokuspartikelherkunft: allein, bloß, nur, bloß dass, nur dass  559 Korrelative adversative Konnektoren  562 Korrelative adversative Konnektoren der Form ein- (…) ander-: einerseits/einesteils/zum einen (…) ander(er)seits/ andernteils/zum andern  562 Korrelativ-repetitive adversative Konnektoren: bald (…) bald, halb (…) halb, mal (…) mal, teils (…) teils  565

Inhaltsverzeichnis

1231

2.4.3 2.4.4

Komitative Konnektoren  567 Liste der komitativen Konnektoren  569 Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  569 Dabei und wobei  575 Indem  582

C3

Alternativebasierte („disjunktive“) Konnektoren  589

C3.1 3.1.1 3.1.2

Liste der disjunktiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  592 Bestand  592 Syntaktische und morphologische Charakterisierung des Inventars  596 Nicht-konnektorale Ausdrucksmittel zur Kodierung der Alternative-Relation  605 Semantische Charakterisierung der disjunktiven Konnektoren  611 Die Alternative-Relation als Grundlage der Bedeutungsbestimmung der disjunktiven Konnektoren; semantische Merkmale  611 Systematische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen  624 Systematische Polysemien bzw. Weiterinterpretation der disjunktiven Konnektoren  624 Austauschbarkeit disjunktiver und additiver Konnektoren unter Beibehaltung der Bedeutung der Gesamtkonstruktion  632 Disjunktive und irrelevanzkonditionale Konnektoren  638 Semantische Besonderheiten einzelner disjunktiver Konnektoren: Differenzparameter  641 Einschließende (inklusive) vs. ausschließende (exklusive) Alternativen  643 Definition  643 Verallgemeinerung auf mehr als zwei Konnekte  645 Ein- vs. ausschließende Alternative als Differenzparameter  648 Offene vs. geschlossene Listen  668 Unterschiedlich gute Möglichkeit der Mehrstelligkeit; „Klammerung“  672 Distributive Verwendung von bzw./resp.  675 Kombinatorik mit korrektiven/substitutiven und metakommunikativen Konnektoren, Möglichkeit und Unmöglichkeit der ‚Ersatz‘-Lesart  676 Reduktion des internen Konnekts auf einen reinen Negator  680 Zusammenfassung  681

C2.4 2.4.1 2.4.2

3.1.3 C3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 C3.3 3.3.1 3.3.1.1 3.3.1.2 3.3.1.3 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

1232

Inhaltsverzeichnis

Teilband II Inhaltsübersicht  V Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole  VII C4

Konditional basierte Konnektoren  683 Einleitende Bemerkungen  685

Konditionale Konnektoren  689 Liste der konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  692 4.1.1.1 Ausdifferenzierung der Klasse und Kodierungspräferenzen  692 4.1.1.2 Bildungsmuster und Herkunft konditionaler Konnektoren  696 4.1.1.3 Alternative Ausdrucksweisen  697 4.1.1.3.1 V1-Konditionale  697 4.1.1.3.2 Parenthetische Partizipialkonstruktionen  704 4.1.1.3.3 Asymmetrische Satzkoordination durch und und oder  706 4.1.1.3.4 Fügungen mit Substantiven wie Bedingung, Voraussetzung, Fall; (unter der Bedingung/Voraussetzung, dass)  709 4.1.1.3.5 Konditionale Präpositionalphrasen  710 4.1.1.3.6 Periphere Ausdrucksweisen  711 4.1.1.3.6.1 Generische w-Relativsätze  712 4.1.1.3.6.2 wenn- vs. dass-Komplementsätze  712 4.1.1.3.6.3 Optative Konditionale  715 4.1.1.3.6.4 Einstellige Adverbien auf -falls  716 4.1.2 Systematische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  717 4.1.2.1 Relationsschema  717 4.1.2.2 Verwandtschaftsbeziehungen mit anderen Relationen  718 4.1.2.2.1 Konditionalität und Temporalität  718 4.1.2.2.2 Konditionalität und andere konditional fundierte Relationen  720 4.1.2.2.3 Spezialfall 1: Irrelevanzkonditionale  721 4.1.2.2.4 Spezialfall 2: Exzeptivkonditional  722 4.1.2.2.5 Konditionalität und Disjunktion  723 4.1.2.2.6 Konditionalität und Adversativität/Konfrontativität  723 4.1.2.2.7 Konditionalität und Frageausdrücke  724 4.1.2.3 Definition der Konditionalrelation  725 4.1.2.3.1 Arten von Bedingungen  731 4.1.2.3.2 Subtypen von Konditionalität  733 4.1.2.4 Konditionalität und Verknüpfungsebenen  737 C4.1 4.1.1

Inhaltsverzeichnis

4.1.2.4.1

1233

Formale Merkmale für die Unterscheidung zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen  742 4.1.2.4.2 Spezifika des Gebrauchs konditionaler Konnektoren als Sprechaktkonditionale bzw. Standardkonditionale  749 4.1.2.4.3 Semantischer Unterschied zwischen Sprechaktkonditionalen und Standardkonditionalen  753 4.1.3 Konditionale Konnektoren im Detail  755 4.1.3.1 Die konditionalen Subjunktoren: wenn, falls, sofern und so  756 4.1.3.1.1 wenn als prototypischer Konditionalkonnektor  756 4.1.3.1.2 Konditionales Trio: wenn vs. falls vs. sofern  757 4.1.3.1.3 Temporales wenn, aber kein temporales falls und sofern  764 4.1.3.1.4 ‚Faktisches‘ wenn, aber kein ‚faktisches‘ falls und sofern  766 4.1.3.1.5 Die Verwendung von wenn, falls und sofern mit Sprechaktbezug  767 4.1.3.1.6 sofern vs. soweit  768 4.1.3.1.7 Konditionales wenn vs. konditionales so  771 4.1.3.2 Verbzweitsatz-Einbetter und komplexe konditionale Konnektoren  772 4.1.3.2.1 Konditionale Verbzweitsatz-Einbetter  774 4.1.3.2.1.1 V2S-Einbetter als einheitliche Klasse konditionaler Konnektoren  775 4.1.3.2.1.2 Semantische Klassen von Verben, von denen V2S-Einbetter abgeleitet werden können  777 4.1.3.2.1.3 V2S-Einbetter im Vergleich zu den monolexikalischen konditionalen Konnektoren wie wenn und falls  778 4.1.3.2.1.4 Zur Interpretation von Strukturen mit V2S-Einbettern als Standard- und Sprechaktkonditional  780 4.1.3.2.2 Aus konditionalen Verbzweitsatz-Einbettern abgeleitete komplexe Subjunktoren  782 Kausale Konnektoren  787 Liste der kausalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  790 4.2.1.1 Ausdifferenzierung der Klasse und Kodierungspräferenzen  791 4.2.1.2 Bildungsmuster und Herkunft kausaler Konnektoren  801 4.2.1.3 Alternative Ausdrucksmittel für Kausalität  803 4.2.1.3.1 Asyndese und verwandte Phänomene  803 4.2.1.3.2 Lexikalische nicht-konnektorale Bedeutungsträger von Kausalität  811 4.2.1.4 Gebrauchsfrequenzen bei kausalen Konnektoren  817 4.2.2 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  819 4.2.2.1 Kausalität als Spezialfall von Konditionalität  819 4.2.2.1.1 Der Ansatz der GDS  820 C4.2 4.2.1

1234

Inhaltsverzeichnis

Definition der Kausalrelation  822 Abgrenzung von anderen konditional basierten Relationen  825 Unterschiedliche Beschreibungsansätze für Kausalität  829 Strukturierung nach den Ebenen der Verknüpfung  833 Kausale Relationen auf der propositionalen Ebene  835 Kausale Relationen auf der epistemischen Ebene  835 Kausale Relationen auf der Sprechaktebene  836 Kausale Konnektoren im Detail  837 Antezedensmarkierende kausale Konnektoren (i. e. S. kausale)  838 4.2.3.1.1 Syntaktische und semantische Besonderheiten antezedensmarkierender kausaler Konnektoren  838 4.2.3.1.1.1 Die kausale „Trias“ weil, da und denn  840 4.2.3.1.1.1.1 weil als zentraler Kausalkonnektor  840 4.2.3.1.1.1.2 Der Subjunktor da  858 4.2.3.1.1.1.3 Begründungs-denn  866 4.2.3.1.1.2 Weitere periphere i. e. S. kausale Konnektoren  874 4.2.3.1.1.2.1 Temporale Subjunktoren mit abgeleiteter kausaler Bedeutung  874 4.2.3.1.1.2.2 Postponierer umso mehr/weniger als, zumal (da) und das begründende dass, die einen Zusatzgrund zum Ausdruck bringen  877 4.2.3.1.1.2.3 Die kausalen Adverbkonnektoren nämlich und schließlich  880 4.2.3.2 Konsequensmarkierende kausale Konnektoren (konsekutive)  886 4.2.3.2.1 Syntaktische und semantische Besonderheiten konsequensmarkierender kausaler Konnektoren  886 4.2.3.2.1.1 Fokussierung und anaphorischer Bezug konsequensmarkierender kausaler Adverbkonnektoren  890 4.2.3.2.1.2 Konsequensmarkierende kausale Postponierer  892 4.2.3.2.2 Konsequensmarkierendes (adjazentes) so dass vs. antezedensmarkierendes weil  896 4.2.3.2.3 Konsequensmarkierende kausale Adverbkonnektoren und die Ebenen der Verknüpfung  898 4.2.2.1.2 4.2.2.2 4.2.2.3 4.2.2.4 4.2.2.4.1 4.2.2.4.2 4.2.2.4.3 4.2.3 4.2.3.1







C4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.4



Konzessive Konnektoren  901 Liste der konzessiven Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  903 Ausdifferenzierung der Klasse und syntaktische Variabilität: Heterosemie als besonderes Kennzeichen der Klasse  904 Bildungsmuster und Herkunft konzessiver Konnektoren  908 Alternative Ausdrucksmittel für Konzessivität  909 Gebrauchsfrequenzen bei konzessiven Konnektoren  912

Inhaltsverzeichnis

4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 4.3.3 4.3.4 4.3.4.1 4.3.4.2 4.3.4.3 4.3.4.4 4.3.5 4.3.5.1 4.3.5.2 4.3.5.3 4.3.6

4.3.7 4.3.8 C4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.2 4.4.3.3 4.4.4 4.4.4.1

1235

Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  913 Konstitutive semantische Eigenschaften von Konzessivität  913 Abgrenzung gegen andere Relationen  918 Syntaktische und semantische Besonderheiten konzessiver Verknüpfungen  919 Der Übergangsbereich zwischen konzessiven und adversativen Konnektoren  925 Konzessivität und Verknüpfungsebenen  933 Konzessive Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene  933 Konzessive Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene  935 Konzessive Verknüpfungen auf der Sprechaktebene  938 Zum Zusammenhang zwischen Form, Ebenenbezug und Relation  940 Mit ob-, wenn- und wie- zusammengesetzte konzessive Konnektoren  941 Mit ob- zusammengesetzte Subjunktoren: obwohl, obschon, obgleich, obzwar  942 Mit wenn- und wie- zusammengesetzte Konnektoren: wenngleich, wiewohl, gleichwohl, wennschon  944 Wenn (…) auch in Abgrenzung zu obwohl und auch (…) wenn  947 Aus deverbalen Präpositionen abgeleitete Adverbkonnektoren und Subjunktoren (Bildungen mit trotz, ungeachtet und unbeschadet)  954 Die konzessiven Adverbkonnektoren dennoch, doch, und doch, jedoch  958 Komitativ-konzessive Konnektoren: dabei, wobei, wo  960 Irrelevanzkonditionale Konnektoren  963 Liste der irrelevanzkonditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  965 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  967 Subtypen der Irrelevanzkonditionalität  972 Alternative Irrelevanzkonditionale: ob, sei es  973 Universale Irrelevanzkonditionale: w- auch immer, egal w-; so/wie GRADP auch immer  978 Skalare Irrelevanzkonditionale: auch/selbst/sogar/und wenn  982 Verknüpfungsebenen  991 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der propositionalen Ebene  992

1236

4.4.4.2 4.4.4.3 4.4.5 4.4.5.1 4.4.5.2 4.4.5.3 4.4.5.4 C4.5 4.5.1 4.5.1.1 4.5.1.2 4.5.1.3 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.4.1 4.5.4.2

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Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der epistemischen Ebene  993 Irrelevanzkonditionale Verknüpfungen auf der Sprechaktebene  994 Irrelevanzkonditionale Adverbkonnektoren  996 Sowieso  1000 Ohnehin, ohnedies  1002 Eh  1005 Allemal  1006 Finale und instrumentale Konnektoren  1011 Liste der finalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1014 Bestand  1014 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars  1018 Alternative Ausdrucksmittel zur Kodierung der Finalitäts-Relation  1019 Semantische Charakterisierung der Klasse  1025 Besonderheiten einzelner finaler Konnektoren  1041 Instrumentale Konnektoren  1045 Liste der instrumentalen Konnektoren und alternative Ausdrucksmittel  1046 Zur Semantik der instrumentalen Konnektoren  1049

Negativ-konditionale Konnektoren  1061 Liste der negativ-konditionalen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1063 4.6.1.1 Morphologische und syntaktische Charakterisierung des Inventars  1064 4.6.1.2 Alternative Ausdrucksweisen  1070 4.6.2 Semantische Charakterisierung der Relation  1072 4.6.2.1 Grundbedeutung der negativ-konditionalen Konnektoren  1072 4.6.2.2 Untergliederung der negativ-konditionalen Konnektoren  1075 4.6.2.2.1 Die A NTEZEDENS -Marker („exzeptive Konnektoren“)  1076 ONSEQUEN S -Marker  1082 4.6.2.2.2 Die K ONSEQUENS 4.6.2.2.3 Grenzen der Paraphrasierbarkeit durch wenn (…) nicht NTEZEDEN S -Markern  1084 bei K ONSEQUENS - und bei A NTEZEDENS 4.6.2.2.4 Das Verhältnis von K ONSEQUENS - zu NTEZEDENS S -Markern zueinander  1093 A NTEZEDEN 4.6.2.3 Systematische Polysemie und semantische Zusammenhänge mit anderen Konnektorenklassen  1102 C4.6 4.6.1

Inhaltsverzeichnis

4.6.3 4.6.3.1 4.6.3.2 4.6.3.3 4.6.3.4 4.6.3.5 4.6.3.6 4.6.4

Semantische Besonderheiten einzelner negativ-konditionaler Konnektoren: Differenzparameter  1112 (Un-)Möglichkeit der Polysemie negativ-konditional/additiv basiert  1112 Semantische Auswirkung der Hinzufügung NTEZEDENS S -Markern  1117 eines konditionalen Konnektors bei den A NTEZEDEN Informationsstrukturelle und prosodische Eigenschaften  1120 Einschränkungen hinsichtlich des Sprechaktcharakters des externen Konnekts  1121 Negierbarkeit des internen Konnekts  1124 Stilebene, vor allem der Postponierer-Varianten der K ONSEQUENS -Marker  1124 Negativ-konditionale Verwendungen eines nicht genuin negativ-konditionalen Konnektors: höchstens  1126

C5

Metakommunikative Konnektoren  1129

C5.1

Liste der metakommunikativen Konnektoren und Bemerkungen zum Inventar  1131 Semantische Charakterisierung der Relation und Verortung in der Systematik  1138 Subklassifizierung der metakommunikativen Konnektoren  1139 Formulierungsbezogene metakommunikative Konnektoren  1141 Reformulierende Konnektoren  1141 Identifizierende Konnektoren  1144 Spezifizierende metakommunikative Konnektoren  1145 Resumptive Konnektoren  1148 Generalisierende Konnektoren  1151 Diskursbezogene metakommunikative Konnektoren  1152 Relevanzbezogene Konnektoren: übrigens, nebenbei (gesagt), überhaupt  1152 Präzisierende Konnektoren: nämlich und und zwar  1155 Exemplifizierende Konnektoren  1162 Metakommunikative Verwendungen von Konnektoren anderer Klassen  1163 Korrektive Konnektoren: Korrektur „de dicto“: sondern, vielmehr  1163 Metakommunikative Verwendungen disjunktiver Konnektoren: oder, beziehungsweise, respektive  1164 Metakommunikative Verwendungen des konklusiven also  1166

C5.2 C5.3 C5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 C5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 C5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3

1237

1238

Inhaltsverzeichnis

D

Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben

D1

Hinweise zur Benutzung der Konnektorenliste  1171

D2

Konnektorenliste mit Beispielen  1173

Inhaltsverzeichnis  1223 Literaturverzeichnis  1239 Quellenverzeichnis  1283 Register  1285 1. Sachregister  1285 2. Wortregister  1299  



Literaturverzeichnis Abraham, Werner (1975): Deutsch aber, sondern und dafür und ihre Äquivalente im Niederländischen und Englischen. In: Bátori, István (Hg.): Syntaktische und semantische Studien zur Koordination. Tübingen: Narr. (= Studien zur deutschen Grammatik 2), S. 105–136. Abraham, Werner (1976): Die Rolle von Trugschlüssen in der Diachronie von Satzkonnektoren. In: Pohl, Dieter/Salnikov, Nikolai (Hg.): Opuscula Slavica et Linguistica. Festschrift für Alexander Issatschenko. Klagenfurt: Heyn. (= Schriftenreihe Sprachwissenschaft), S. 11–72. Abraham, Werner (1979): Trakls „Trompeten“. Spiel mit Syndesen und Asyndesen. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 11/1, S. 133–144. Abraham, Werner (1980): Sonst und außer als Folgerungskonnektoren. In: Brettschneider, Gunter/ Lehmann, Christian (Hg.): Wege zur Universalienforschung: Sprachwissenschaftliche Beiträge zum 60. Geburtstag von Hansjakob Seiler. Tübingen: Narr. (= Tübinger Beiträge zur Linguistik 145), S. 406–418. Abraham, Werner (1991a): Discourse Particles in German: How does their illocutive force come about? In: Abraham, Werner (Hg.): Discourse Particles. Descriptive and theoretical investigations on the logical, syntactic, and pragmatic properties of discourse particles in German. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins. (= Pragmatics & Beyond New Series 12), S. 203–252. Abraham, Werner (1991b): The grammaticalization of the German modal particles. In: Traugott, Elisabeth Closs/Heine, Bernd (Hg.): Approaches to grammaticalization (Band 2). Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. (= Typological studies in language 19), S. 331–380. Abramov, Boris A. (1990): Ausdrucksformen der zueinander in Beziehung gesetzten Propositionen im Deutschen. In: Bahner, Werner/Schildt, Joachim/Viehweger, Dieter (Hg.): Proceedings of the Fourteenth Internaional Congress of Linguists, 10.–15. August 1987. Berlin: Akademie, S. 713–716. Adamíková, Marcela (2000): Lexikalische, syntaktische und prosodische Mittel der Differenzierung von KONTRAST und KORREKTUR am Beispiel des Slowakischen. In: Linguistik online 6/2, http://www.linguistik-online.de/2_00/adamikova.html. Adamíková, Marcela (2004): Kontrast oder Korrektur? Prosodische Disambiguierung bei negationshaltigen Adversativ-Konstruktionen in den Westslavinen. Leipzig: Institut für Linguistik, Universität Leipzig. (= Linguistische Arbeitsberichte 82). (zugl. Diss., HU Berlin). Adelung, Johann Christoph (1793): Grammatisch – kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Wien: Pichler. (Elektronische Volltext- und Faksimile-Edition nach der Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801). Admoni, Vladimir G. (1955): Vvedenie v sintaksis sovremennogo nemeckogo jazyka. Moskva: Literatury na inostr. jazykach. Ágel, Vilmos (2000): Valenztheorie. Tübingen: Narr. (= Narr Studienbücher). Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (2006): Theorie des Nähe- und Distanzsprechens. In: Ágel, Vilmos/ Hennig, Mathilde (Hg.): Grammatik aus Nähe und Distanz. Theorie und Praxis am Beispiel von Nähetexten 1650–2000. Tübingen: Niemeyer. S. 3–31. Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (Hg.) (2006): Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen: Niemeyer. Aijmer, Karin (2002): English Discourse Particles: Evidence from a Corpus. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins. (= Studies in Corpus Linguistics 10). Aikhenvald, Alexandra Y. (2004): Evidentiality. Oxford: University Press. Albert, Ruth (2003): Hat das Deutsche Aspekte? In: Kaltz, Barbara/Sauter, Roger (Hg.): A propos de l’aspect. De l’aspect verbal à l’aspect d’énoncé. Aix-en-Provence Univ. de Provence, Dép. d’Allemand. (= Cahiers d’études germaniques 44, 2003/1), S. 7–13.  





















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Quellenverzeichnis Die schriftsprachlichen Belege entstammen großteils dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo):  



Deutsches Referenzkorpus / Archiv der Korpora geschriebener Gegenwartssprache, Institut für Deutsche Sprache, Releases von 2004-I bis 2014-I. http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/archiv.html

DeReKo-Belege aus literarischen Werken und Sachtexten sind – anders als die aus Zeitungen und Zeitschriften – mit ihrer Korpus-Sigle gekennzeichnet. Gesprochensprachliche Belege stammen, wenn nichts anders angegeben ist, aus der öffentlich zugänglichen Datenbank gesprochenes Deutsch DGD (v. a. Pfeffer-Korpus, Zwirner-Korpus, Freiburger Korpus):  





http://dgd.ids-mannheim.de

Für schriftsprachliche Belege, die nicht dem DeReKo entnommen sind, werden hier die Quellen angeführt: Brecht, Bertolt (1959): Geschichten von Herrn Keuner. Leipzig: Inst. Für Buchgestaltung. Busch, Wilhelm (2002): Gesammelte Werke. Berlin: Directmedia Publ. Cotta, Bernhard (1854): Gangstudien oder Beiträge zur Kenntniss der Erzgänge. Freiburg: J. G. Engelhard. Descartes, René (2009): Meditationen. Mit sämtlichen Einwänden und Erwiderungen. Hamburg: Meiner. Dörfler, Marianne/Dörfler, Ernst (1989): Zurück zur Natur? Leipzig/Jena/Paris: Urania-Verlag. Dürrenmatt, Friedrich (1985): Das Versprechen. Requiem auf den Kriminalroman. Zürich: Diogenes. Einstein, Albert (1921): Geometrie und Erfahrung. Erweiterte Fassung des Festvortrages gehalten an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 27. Januar 1921. Berlin: Julius Springer. Goethe, Johann Wolfgang von (1798): Der Zauberlehrling. Tübingen: J. G. Cotta. Güntzer, Augustin (1657/2002): Kleines Biechlin von meinem gantzen Leben. Die Autobiographie eines Elsässer Kannengießers aus dem 17. Jahrhundert. Ed. und komm. v. Fabian Brändle und Dominik Sieber. Unter Mitarbeit v. Roland E. Hofer und Monika Landert-Scheuber. (= Selbstzeugnisse der Neuzeit; Bd. 8), Köln/Weimar/Wien: Böhlau. Hauff, Wilhelm (1862): Das Wirtshaus im Spessart. Frankfurt: Insel Verlag. Hirsch, Bernhard (2002): Werte-Controlling. Zur Berücksichtigung von Wertvorstellungen in Unternehmensentscheidungen. DUV. Hoffmann, E.T.A. (1978): Die Serapionsbrüder, Gesammelte Erzählungen und Märchen. Berlin: Aufbau Verlag. Hoffmann, Heinrich (1845): Der Struwwelpeter. Lustige Geschichten und drollige Bilder mit 15 schön kolorirten Tafeln für Kinder von 3–6 Jahren. Frankfurt am Main: Literarische Anstalt. Keneally, Thomas (1994): Schindlers Liste. München: Goldmann. Leon, Donna (1997): Acqua alta. Commissario Brunettis fünfter Fall. Zürich: Diogenes. Luther, Martin (1954): Die heilige Schrift nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luther. Neu durchgesehen (1914) nach dem vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß genehmigten Text. Wien: Britische und Ausländische Bibelgesellschaft. Mauz, Gerhard (2005): Die großen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland. Springe: zu Klampen. Mitchell, Margaret (1937): Vom Winde verweht. Hamburg: Claassen.  



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Register 1 Sachregister Abtönungspartikel 1, 22–23, 84, 91, 101, 110, 128, 516, 535, 809–810, 1155 Accomplishments 213, 222, 225, 291, 365–366, 374, 576, 583, 585 Achievements (vgl. a. Ereignis) 213, 222, 225, 309, 365, 366, 374, 576, 583, 585 Activities → Aktivitäten/Prozesse Additiv(ität) 1–2, 7, 17, 20, 23, 35, 53, 75, 90, 93, 101, 103, 116, 123–124, 126–128, 135, 140, 146–147, 155, 163–164, 170, 181, 230, 240–241, 244–245, 247, 258–262, 265, 279, 372, 386, 393–396, 399–588, 592, 594, 596, 605, 608, 611–612, 623, 629– 630, 632–634, 636–637, 641, 643, 649, 665, 670–671, 676–677, 687, 697–698, 707, 832, 905, 909–910, 913, 951, 982, 987, 1000, 1023, 1063, 1066–1067, 1070, 1072–1074, 1085, 1103–1117, 1119–1121, 1139, 1153–1154 adjazent 344, 348, 893–894, 896 Adjunktion 615, 644, 647–649, 660, 664, 1101, 1103 Adjunktor 2, 15, 41, 96–97, 300, 407, 425, 427, 977, 1069, 1071, 1110 Adverbial(e) (s. a. Satzadverbial, Verbgruppenadverbial) 2, 23, 25, 27, 29, 34, 58, 92, 141, 154, 161–162, 170, 174–175, 179, 184, 205–209, 212–214, 220–221, 226, 261, 267, 281–283, 287, 290–291, 293–297, 314–315, 325–326, 348, 350, 368, 373– 374, 380–381, 384, 387, 401, 405, 421, 547, 548, 552, 569, 572, 740, 742, 793, 802, 921, 949, 957, 977, 981, 1045, 1132 Adverbialsatz 17, 172, 174, 178, 243–245, 255, 697, 714–715, 864, 866, 897, 921, 1013 – peripherer (peripheral adverbial clause, PAC) 245, 172, 174–715, 714, 864, 897 – zentraler (central adverbial clause, CAC) 714–715, 864 Adverbkonnektor 1, 3, 7, 9, 15, 18, 20–23, 28, 30–31, 34–35, 37–40, 42–43, 45, 47, 55– 56, 58–60, 66–68, 70–72, 78, 82, 90–94, 97, 99–100, 103, 110, 112, 122, 126–129, 131, 147, 149–150, 154, 157, 159–162,  

164–166, 168–170, 174–181, 183–185, 188, 196, 240, 244–246, 248, 255, 259, 261, 264–265, 274–276, 278, 283, 285–287, 289–290, 292, 295, 298, 306, 310, 314– 315, 327, 347–349, 351–352, 354–355, 360, 363, 365, 369, 372–374, 377–378, 385– 388, 393, 395, 399–401, 413, 427, 429, 444–448, 451, 456, 461–462, 466, 476, 487–488, 493–495, 497, 501–502, 513– 514, 522–526, 528, 531–533, 535, 537, 541– 543, 546, 551–553, 557–559, 564, 569–571, 574–575, 577, 581, 583, 587, 596, 598, 627, 632, 694, 716, 790, 795–797, 799–800, 802, 805, 838, 874, 876, 880–881, 887– 888, 890, 892, 898, 903, 905–907, 910, 912, 916, 923–925, 930–934, 937, 946, 948–949, 957–959, 965, 969–971, 973, 996–999, 1005–1008, 1015, 1024, 1047– 1048, 1055, 1059–1060, 1063–1069, 1102, 1111–1114, 1116, 1125–1127, 1131–1134, 1139, 1153, 1155, 1163 – nicht nacherstfähiger 21, 180, 274, 399, 451, 513, 569, 790, 903, 965, 1047, 1063, 1102, 1116, 1131 – nicht positionsbeschränkter 20, 22, 274, 399, 513–514, 790, 799, 903, 965, 1131 – nicht vorfeldfähiger 22, 275, 513, 790, 903, 965 Adversativ(ität) 1, 9, 23, 35, 38, 50, 74–75, 78, 82, 94–95, 101, 103, 105–107, 124, 130, 146, 155, 161, 169, 172, 180, 194, 199, 206, 227, 230, 240–245, 247, 260–261, 279, 313, 317–320, 326, 331, 363–369, 393– 396, 411–414, 443, 454, 475, 482–483, 486–487, 500–501, 513–516, 518–520, 523–524, 526, 528, 530, 532–534, 535–555, 558–565, 581, 588, 599, 611–612, 642, 665, 671, 697–698, 718, 723–724, 832, 875–876, 904, 908–910, 912–913, 919– 925, 927–928, 930–933, 936, 940–942, 945, 947, 949, 954, 958–960, 1009, 1049, 1067, 1074–1075, 1078, 1102, 1104, 1107– 1108, 1111, 1113–1117, 1127, 1135, 1137–1138 Affirmativ(ität) 94–95, 116, 145, 154, 169, 464, 467–468, 472, 482, 515–516, 531, 536,

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Register

551–555, 613, 636, 908–909, 924, 930, 941, 959–960, 1002, 1008, 1078 Agens 54–55, 73, 266, 410, 419–420, 570–571, 579, 583–584, 957, 1017, 1020, 1027–1031, 1033–1036, 1040–1041, 1052–1054 Aktionsart 205, 218–224, 291, 812 – atelische 223, 381 – telische 223, 381 Aktivitäten/Prozesse (activities) 6, 121–122, 206, 213, 222, 225, 280, 336, 381, 498, 576, 584 Akzent 32–34, 49, 92–95, 99, 149, 151–154, 156–157, 159–161, 180, 183, 214, 346, 418, 443, 448, 463–464, 473, 479–481, 486, 494, 523–524, 537, 542, 552, 559, 665, 743, 869–870, 889–892, 897, 989–991, 1005, 1007, 1022, 1139, 1160 Alternative 146, 148, 160, 170, 234, 251, 258, 262, 393, 439, 442–444, 470–473, 476, 484–486, 489–495, 521–524, 542, 560, 591–599, 601, 603–625, 627–633, 635–671, 673–680, 686, 709, 737, 951–952, 972– 977, 980, 983–985, 992–996, 998, 1000– 1001, 1101–1103, 1139, 1161, 1163–1165 – ausschließende 414, 500, 643, 645–646, 648, 651–653, 657–658, 661–662, 666– 668 – einschließende 637, 643–645, 649, 652, 677 – exklusive 629, 635, 643–647, 649–651, 655– 666 – inklusive 601, 643–646, 648- 650, 653–654, 660, 669 Alternative-Relation 605, 608, 611, 614–615, 618, 620–625, 629–630, 640, 644, 648, 656, 662–663, 666, 677, 679, 680 Anapher 58, 123–124, 151, 159, 747, 1004, 1132 Anaphora, anaphorisch 1, 22, 58, 71, 91, 93–94, 155, 283, 285, 314–315, 349–350, 354, 373, 377, 502, 544, 555, 715, 780, 795, 798–799, 890, 924, 957–958, 1003–1004, 1018, 1024, 1166 Anteposition 24, 36, 38, 49, 56, 166, 175–176, 310, 328, 343, 359, 379, 508, 585, 759, 760, 771, 784, 798, 806, 814, 850, 855, 859, 860, 864, 928, 934, 936, 941–943, 953, 958, 971–972, 974, 986–987, 992, 995, 1121 Antezedens(-Marker) 6, 58, 61–64, 70, 72, 76– 78, 104, 106, 114, 148, 168–169, 172, 175–

177, 186, 188, 190, 192–195, 198–203, 245, 256, 262–266, 287–288, 292, 297–298, 320–322, 324–327, 342, 349, 352, 354– 355, 413, 415, 571, 625–627, 639, 686, 692, 695–696, 699–702, 706, 714, 718, 720– 721, 724, 728–730, 733, 739, 747, 751, 753–754, 766–767, 774, 790, 792–799, 802–803, 805–806, 812–814, 816–818, 820, 822, 825–826, 834, 838, 840, 849– 853, 856–857, 859, 874, 880, 886–891, 896, 909, 916–918, 927–928, 933, 935– 936, 938, 940–941, 951–952, 960–961, 967–974, 982, 984–987, 990, 992–996, 1020, 1029–1031, 1046, 1048–1049, 1052– 1055, 1057, 1059–1060, 1063, 1066–1068, 1071–1072, 1074–1077, 1081–1084, 1087– 1094, 1096–1099, 1101–1103, 1105–1107, 1109, 1114–1115, 1117, 1119, 1123–1124, 1126–1127 Apposition 441, 631, 873, 1120, 1154 Argument – externes 2, 5, 13, 39–41, 55–56, 61, 65, 71, 289, 295, 350, 395, 454, 469, 490, 497, 503, 507, 517, 519–520, 531, 537, 556–557, 573, 575, 577–578, 583, 587, 945, 948, 1008, 1075, 1077, 1110 – internes 2, 5, 13, 55–56, 60–61, 65, 71–72, 125–126, 128, 131–132, 154, 225, 264, 289, 299, 454–457, 470, 490, 495, 503–505, 507, 517, 519–520, 531, 546, 556–557, 573–575, 577–578, 583, 695, 812, 948, 960–961, 1022, 1038, 1075 Aspekt(ualität) 6, 47, 122, 134, 136, 205, 207, 210–211, 215, 218–228, 279, 288, 290–292, 298–301, 303, 305, 307, 309, 316, 327– 328, 330–331, 335–336, 346, 355, 367, 374, 381, 383, 385, 389, 411, 529, 549, 565, 576, 606, 630, 812, 1109, 1156, 1159–1160 Assertion 6, 67, 126–127, 143–144, 178, 245, 257, 259, 265, 320, 344, 362, 440, 478, 488, 505, 520, 559–560, 605, 611–612, 617–618, 621–622, 644, 645, 654, 663, 665–666, 672, 685, 687–688, 695, 698, 704, 708, 747, 773, 775, 777, 783, 804, 808–809, 822, 824, 826–828, 834, 840, 850, 852, 868, 870, 890, 913–914, 929, 951, 967, 970, 983, 1076, 1081–1082, 1088, 1093, 1098–1099, 1102, 1104, 1115, 1122

1 Sachregister

1287

Asymmetrie 31, 50, 60–63, 65–66, 68–69, 73– 76, 78, 135, 149, 175, 188, 209, 241, 256, 260, 264, 277, 292, 327, 337, 3628, 376, 378, 393–395, 404, 413, 415, 417, 440– 441, 443, 456, 458, 471, 473, 480, 484, 490, 515, 531, 555, 562, 604, 627, 630–631, 672, 679, 686, 693, 706–709, 794, 813, 867, 927, 932, 941, 991, 1018, 1049, 1093, 1103 asymmetrische Relation 61–62, 69, 73–76, 149, 404, 473, 627, 794, 932–933, 1018 Asyndese, asyndetisch 27, 36, 45–46, 161, 279, 302, 401–402, 404, 406, 412, 418, 473, 478, 486, 523, 578, 601, 605, 608– 610, 623, 673–674, 698, 803, 807–808, 810, 911, 940, 973, 1023, 1071–1072, 1161 Attribut(iv) 17, 27, 32–35, 38–40, 43, 91, 94, 184, 195, 203, 295, 345, 348, 352, 377, 420, 431, 465, 540, 583, 610, 633, 800, 835, 920, 923, 1021–1022, 1024, 1058 Aufforderung 144–145, 257, 417, 421, 424, 610, 617, 621–625, 627–628, 661, 666, 707– 708, 808, 868, 940, 1030, 1039, 1042, 1057–1058, 1060, 1065, 1075, 1081, 1090– 1091, 1098–1101, 1114, 1121–1123, 1154 aussagenlogisch basierte Relation(en) 253, 255, 257, C2-C4 Äußerung 4–5, 29, 31, 114, 120, 123, 125, 132– 133, 135, 137, 139, 143, 145, 149, 151, 162, 167, 178, 187, 193, 197–198, 203, 207, 210, 258, 284, 297, 380, 405, 416, 425, 453, 471–472, 474, 478, 481, 484–485, 518, 521, 534, 538, 560, 562, 580, 614, 623, 628–630, 643, 645, 653–654, 656, 663, 667, 675, 678, 681, 685–686, 705, 708, 719, 727, 798, 803–804, 832–833, 843, 847–848, 938–939, 947, 994–995, 1002, 1005, 1017, 1031, 1035, 1042, 1048, 1075, 1090, 1094, 1096, 1099, 1107, 1123, 1125, 1141, 1145–1146, 1148, 1150, 1154, 1160 Äußerungsbedeutung 4, 5, 114, 120, 135, 132, 151, 1148, 1150

Bedeutungsanreicherung (bei Konnektoren) 96, 105, 107, 134–135, 258, 347, 359, 373, 410, 506, 508–509, 570, 581, 587–588 Bedeutungskomponente(n) 95, 112, 120, 123– 126, 128, 132, 259–260, 286–288, 353, 381, 393, 694, 702, 791, 1072, 1164–1165 Bedeutungsvariation 83, 89, 101, 108, 111, 476, 504 Bedeutungswandel 93, 101, 106, 279, 550, 843 Bedingung 5, 44–45, 55–56, 61, 73, 76–77, 110–111, 134, 148, 184, 210, 239, 251, 260, 262–263, 265, 283, 285, 320, 365, 401, 419–420, 423, 461, 474, 507–508, 520– 521, 525–526, 571, 579, 584, 609–610, 613, 627, 632, 634, 649, 652, 670, 685– 686, 692, 694, 697–698, 702, 704, 709, 713, 717–718, 721–722, 724–726, 731– 733, 736, 773–776, 781, 810, 815, 820, 826, 835, 855–857, 887, 915, 927–928, 932, 948, 952, 960, 967–970, 972–975, 978, 983–985, 994–996, 1025–1026, 1029, 1030–1032, 1055, 1074–1077, 1079–1091, 1093–1094, 1096, 1098–1100, 1105–1107, 1118–1120, 1126–1127 – hinreichende 110, 134–135, 144, 251, 258, 262, 265, 284, 613, 652, 686, 710, 722, 731–733, 915, 928, 968, 1030–1032, 1075– 1077, 1081–1084, 1085, 1093 – notwendige 110, 144, 134–135, 248, 250–251, 265, 283, 418, 525, 613, 686, 701, 710, 731–733, 774, 828, 835, 928, 972, 985, 995, 1025, 1031, 1075–1076, 1081–1083, 1084–1085, 1119 Betonung 94, 99, 170, 258, 359, 610, 614, 641, 665, 765, 921, 947, 958, 966, 990, 1002, 1015 Bewertungsgegensatz 130, 529 Bezugsausdruck 39, 533, 1004 Bezugskonnekt 55, 58–59, 122, 194, 198, 200, 230, 292, 316, 369, 385, 695, 867 Bezugssatz 29, 202, 896 Bildungsmuster 42, 267, 696, 801, 908

Bedeutung – grammatisch determinierte 4, 5, 120, 122, 132–133, 1145 – wörtliche 48, 133, 135, 359, 1116, 1135, 1137, 1139, 1143–1144, 1150, 1155, 1164

CAC (central adverbial clause) → Adverbialsätze, zentrale Complementizer → Komplementierer contrastive comparison → kontrastiver Vergleich contrastive topic → Topik, kontrastives

1288

Register

Definit(heit) 223, 340–341, 444, 978, 1036, 1146, 1156, 1160–1161 Deixis, deiktisch 18, 22, 44, 81, 92, 96, 98, 101, 132, 207, 209–210, 212, 276, 284, 310, 312, 347–348, 353, 385, 427, 440, 541, 802, 860, 985, 998, 1000, 1018 Deklarativ(ität) 120, 140–141, 178, 265, 320, 360, 362, 393, 415, 419, 463, 538, 559, 610, 617, 622, 634, 807–808, 923, 938, 970, 996, 998, 1066, 1081, 1114, 1123, 1135 Denotat 62, 88, 121–122, 137, 206, 219, 358, 412, 436, 610, 628, 679, 687, 1026, 1035– 1036, 1136, 1138, 1141, 1143–1148, 1156, 1161–1162, 1166 Desintegration 3, 29–31, 33, 175, 177, 194, 198, 201, 203, 297, 344, 362, 388, 546, 561, 696, 701, 703, 740–742, 744–754, 779, 836–837, 844–848, 850, 853–854, 856–857, 869, 929, 941–942, 952, 954, 966, 986–987–988, 992, 995, 1023, 1132 Desintegrationskonstruktion 29–31, 33, 942, 987, 941 – linksperiphere 29–31 – rechtsperiphere („Nachtrag“) 31–32, 172, 709, 725, 782, 944, 1156, 1159 desintegriert, syntaktisch 49, 606, 745–748, 752, 761 Dialekt 17, 93, 177, 278, 600, 841, 846, 1005 Differenzparameter 4, 8–9, 47–50, 120, 131, 148–149, 164, 241, 279, 288, 420, 438– 439, 441–442, 454–455, 487, 497, 500– 501, 509–510, 519, 641–642, 648–649, 667,669, 673, 676, 678–679, 687, 1058, 1112, 1114, 1117, 1119, 1121 Disjunktion 170, 249, 251, 257–258, 262, 393, 591–592, 608, 610, 613, 617, 625–626, 635, 637, 642–644, 648–649, 652–655, 658, 660, 663–665, 668–669, 686, 723, 974, 1101, 1103 Diskursfunktion 254, 403–405, 421, 424, 730, 889, 918, 972, 1137, 1140, 1160, 1167 Diskursmarker 534, 841, 939, 1137–1138 Diskurspartikel 110, 735, 827, 857, 869, 1137, 1138 Diskurspräsupposition 453, 914 Diskursrelation 68, 247 Distal(ität) 292, 373 Distributiv(ität) 382, 422–424, 432, 439–440, 444, 600–601, 641, 672, 675–676

Drei-Ebenen-Modell nach Sweetser 108–109, 186–204, 529, 714, 727, 730, 738–742, 744, 753–754, 763, 795, 829–836, 840, 849, 854–855, 857–858, 861, 870, 875, 884, 889, 898, 933, 940, 1138 duratives Prädikat 213, 224, 291, 583–584 Ebenen der Verknüpfung → Drei-Ebenen-Modell nach Sweetser Einbetter 8, 16, 19–20, 23–25, 28–31, 34–35, 37, 44, 47, 56–57, 60, 68, 74, 78, 91–92, 157, 165, 167, 174–175, 177, 182, 235, 352, 401, 665, 692–693, 695, 698, 755, 772, 774–786, 838, 977, 1066, 1103, 1116 Einbettung 3, 17, 24–25, 27–29, 33–34, 49, 55, 97, 125, 143, 149–151, 153, 157, 171–174, 177, 198, 201, 203, 230, 294, 319, 362–363, 375–376, 401, 418–419, 457, 469, 482, 490, 495, 507, 548–549, 671, 694, 703, 706, 712, 714, 724, 741, 743–745, 773, 779, 782, 834, 848, 863, 914, 919, 921, 936, 941, 966–967, 974, 976–977, 983, 1091 – syntaktische 198, 157, 201, 203, 745, 198, 834 Einbettungskonstruktion 24–25, 157, 363, 966, 974, 983 Einbettungsrahmen 24–25, 33–34, 49, 171, 490, 974, 977 Einschub 32–33, 176, 182, 328, 345, 435, 494–495, 534, 547, 580, 762, 776, 943, 974, 1067 Einstelligkeit 15, 94–95, 251, 257, 361, 387, 454, 537–538, 551–552, 711, 716, 807, 809, 894, 1007, 1070, 1136–1138, 1150, 1155 Einzelgänger, syntaktischer 101, 127, 161, 173– 174, 176, 196, 276, 355, 360, 456, 627, 775, 791, 798, 866, 974, 965–966, 1063, 1066, 1069 Ellipse 31, 45, 153, 177, 202, 319, 400–401, 407, 409–410, 415, 420, 424, 440–441, 461, 486–487, 603, 896, 931, 943–945, 949, 954, 1069 – koordinativ gestützte 401, 403, 407, 409, 431, 603 Entscheidungsfrage 24, 28, 128, 140, 617, 698, 704, 712, 719, 724, 1000, 1001–1002 epistemische Ebene 91, 108, 167, 169, 187–189, 190–193, 197, 201, 203, 318, 327, 404, 529, 586, 730, 738–741, 744, 795, 825, 829, 832, 834–837, 848, 854, 855–857, 861–

1 Sachregister

862, 874, 897–898, 922, 926–927, 934– 936, 938, 941, 943, 945, 948, 960, 1106, 1108, 1109–1110, 1116, 1138, 1158 epistemische Einstellung 153, 192, 196, 203, 858, 889, 1098 epistemischer Modus 26, 31, 141, 143, 835 Ereignis 47–48, 64–65, 67, 75, 78, 102, 104– 107, 115, 121–122, 134, 136, 138, 141, 206– 207, 209–214, 220, 222–223, 226, 228, 239, 243, 255–256, 261, 277, 282, 290, 299, 301, 303–305, 308–310, 312, 327, 338, 341, 346, 350, 355, 358–359, 362, 365–366, 368, 374–375, 380–381, 393– 396, 403, 410, 412–413, 416–417, 420, 423, 432, 470, 490, 499, 504, 506, 509, 515, 517–518, 527–528, 545, 549–550, 569–571, 573, 576–580, 583–588, 593, 620, 642, 804, 812, 823–824, 835, 882, 921, 933–934, 936, 960, 975, 1007, 1016, 1026, 1027–1030, 1034, 1049, 1056, 1080, 1094, 1096–1097, 1111 Erfragbarkeit 23, 170–171, 194, 201–203, 221, 290, 306–307, 339, 342, 346, 703, 835– 837, 846, 849, 864–865, 870–871, 879, 920–922 Ergänzungsfrage 719, 1161 ‚Ersatz‘-Lesart 617, 628, 630, 667, 672, 676–678, 681 Etymologie 2, 9, 42, 81, 85, 88, 112–113, 276, 279, 298–299, 358, 360, 365, 375, 439, 448, 472, 515, 594, 612, 616, 618, 626, 636–637, 653, 672, 696, 718, 757, 801, 814, 875, 908, 930, 957, 966, 973, 996– 997, 1003, 1082, 1106, 1145 Evaluierung 125–128, 832 Evidential(ität) 143 Exklamativ(ität) 120, 144, 319–320, 534–535, 538, 1018 Exzeptivkonditional 722–723, 1075 Faktiv(ität) 124, 137–141, 143–146, 148, 205, 228, 235, 241, 294, 319, 321, 343, 451, 455, 489–490, 493, 500, 507, 610, 630, 703, 713, 778, 909, 1033, 1037, 1085, 1094, 1096, 1118 Faktizität 40, 97, 129, 137–148, 230–231, 235– 236, 259, 264–265, 267, 319, 322–325, 333, 335, 338–339, 415–416, 451–452, 454–457, 468–469, 489–490, 493, 495,

1289

497–498, 501, 507, 595, 609–610, 618, 620–621, 626, 656, 671, 721, 724, 737, 767, 820–821, 827, 918, 950, 953, 968, 970, 985–986, 996, 1033–1034, 1036, 1038, 1043, 1051, 1053–1054, 1072–1073, 1078–1079, 1084, 1094–1096, 1098, 1115, 1126 Faktum 107, 137, 557, 636, 951, 1003 Figur-Grund 56, 61–63, 65–66, 68–69, 366 Final(ität) 18, 61, 71, 73, 76–78, 97, 100, 103, 147–148, 164, 218, 231, 233, 242–245, 263–264, 266–267, 314, 345, 457, 520, 527, 639, 687, 718, 769, 793, 821, 825, 828–829, 893, 905, 947, 1013–1044, 1046–1047, 1049–1056, 1059 Finit(heit) 25, 32, 35, 45, 53, 144, 154, 182, 229, 400, 438, 465, 497, 509, 571, 693, 733, 785, 812, 931–932, 946, 949, 954, 977, 1014, 1045, 1096, 1132, Finitum 182, 199, 212, 301, 430–431, 440–441, 461, 463, 478, 480, 487, 536, 701, 923 Fokus 6, 17–18, 32–34, 46, 68, 150–164, 166–172, 178, 257, 346, 361, 366, 418, 463, 478, 480, 483, 500, 522, 524, 545, 560, 574, 615, 707, 744, 748, 774, 849–857, 1044, 1058, 1074, 1078 – enger 152, 155, 167–169, 552 – maximaler 154, 159, 171 – weiter 152, 154, 524 Fokusexponent 34, 152, 154, 157, 183, 418, 464, 480, 481 Fokus-Hintergrund-Gliederung 17, 33, 151–153, 156–158, 361, 545, 574, 744, 748, 849– 850, 853, 1044, 1058 Fokuskonstituente 160, 472, 560, 983 Fokuspartikel 1, 22–23, 95–96, 123, 126–127, 169, 180, 195–196, 203, 295, 317, 326, 395, 427, 434, 442, 462–463, 476–477, 516, 521, 533, 535, 537, 548, 559–560, 562, 665, 835–836, 846–865, 909, 919, 950–951, 958, 983, 987, 1008, 1074, 1104, 1155 – restriktive 476, 548, 559–560, 562, 1074 Fokusprojektion 126, 151–153, 159, 481, 560 Fokussierbarkeit 23, 153, 155–156, 164, 166– 172, 176, 418, 808, 849, 853, 865, 890, 892, 899, 944, 1058 Fokussiertheit 33–34, 68, 95, 114, 152–155, 167–170, 184, 196, 324, 341, 366, 375–376,

1290

Register

442, 464, 471–472, 476, 478, 479–483, 528, 809, 849, 865, 879, 920, 922, 990, 1139 Fokussierung 131–133, 153–155, 158, 164, 167, 170, 172, 179, 183, 246, 324, 472, 478, 481, 588, 744, 865, 890, 921, 923, 958, 1078, 1160 Frege-Prinzip/Fregesches Prinzip 121 frustrated plan → Planvereitelung Funktion, syntaktische 1, 24–26, 29, 32, 34, 37, 39, 58, 88, 91, 182, 255, 290, 294, 401– 403, 408, 480, 606 Funktor 4, 53–54, 91, 121, 249, 453, 631, 649, 658, 695, 807, 809 – komplexer 4 Fusionsinterpretation 420, 432–433, 441 Futur 140, 207–208, 210–211, 213–214, 277, 338, 345, 415, 452, 493, 984 Garden path 36, 1127 Gebrauchsbedingung 6, 82, 121, 123–125, 135, 405, 427, 584, 1055, 1145 Gebrauchsfrequenz 7–8, 149, 357, 363, 378, 445, 817–818, 912, 932 gemeinsame Einordnungsinstanz (GEI) 163, 259, 401, 403, 404, 406, 520, 540, 611, 613–614, 673, 1138, 1148 geschlossene Liste 668–669, 670, 974 Gleichzeitig(keit) 21, 78, 91, 98, 166, 214, 231–232, 256, 275, 279–280, 283–284, 286, 288–289, 298–301, 368–369, 371– 372, 376, 515, 575, 576, 1032, 1057 Gliedsatz 638, 1013 Gradpartikel 722, 982 Grenzton 24, 27–29, 50, 198, 346, 698, 743, 745, 748, 752, 848, 869 Hauptakzent 152, 154, 156, 743, 889–892, 897, 1139, 1160 Hauptproposition 123 Hauptsatz 18, 48–49, 63, 116, 133, 247, 340, 360–361, 544, 573, 577, 730, 816, 844– 845, 847, 871, 927, 940, 1013, 1040, 1050, 1105, 1119 Herausstellung 23, 152 Heterosem(ie) 2, 9, 84, 89–93, 95–97, 99–101, 112, 298, 378, 410, 427, 497, 501, 536, 575, 605, 906–907, 931, 933, 959, 1015, 1068– 1069, 1110

Hyperonym(ie) 87–88, 115, 485, 919 Hyponym(ie) 88, 115, 485 Ikonizität 796–798, 831, 888 – ikonisch 18, 66, 70, 75, 176, 184, 195, 265, 279, 328, 334, 379, 411–413, 415, 506, 698, 700, 796, 797, 798, 803–806, 859, 874, 888, 928, 971, 1018, 1066, 1067 Illokution, illokutive/illokutionäre Rolle/Funktion/Kraft 122, 143, 193, 242, 247–248, 419, 421, 424, 535, 548, 580, 617, 622– 624, 628, 642, 655, 665, 705, 754, 961– 962, 1040, 1058, 1100, 1103, 1154 Imperativ 120, 320, 415–419, 421, 538, 708, 868, 1006, 1018, 1057, 1123, 1154 Implikation 245, 249–251, 255, 257–258, 381, 394, 454, 485, 504, 520, 610, 612, 625– 626, 630, 652, 662, 685–686, 725, 803, 913, 918, 941, 1034, 1076, 1080, 1084, 1093, 1095, 1105, 1127 „implikative“ Interpretation von und 417–421 Implikatur 102, 123–135, 155, 220, 258, 265, 301, 319, 350, 375–376, 379, 381, 384, 389, 411, 413, 416, 458, 474, 484–485, 508, 522, 545, 570, 630, 658, 708, 758, 764, 766, 873–874, 909, 914, 952, 972, 975, 984, 1078, 1081, 1121, 1146 – konventionelle 873–874 – konversationelle 155, 265, 474, 764, 952, 975, 984 Indefinit(heit) 341, 978, 1146, 1156, 1160–1161 Infinitiv 15, 144, 163, 212, 266, 417, 419, 421, 457, 496–497, 503, 800, 893, 905, 910, 922, 977, 1014, 1020–1022, 1040–1041, 1057, 1071 Informationsstruktur 1, 4, 6, 20, 23, 32–33, 46, 64, 66–69, 74, 125, 131–132, 149–153, 155–156, 158–159, 161, 164, 171–172, 174–177, 178, 180, 185, 189, 207, 253, 257, 306–307, 338, 361–363, 366, 375, 427, 439, 463–464, 471, 480–481, 486, 521, 523–526, 531, 542–543, 545, 547, 550, 552, 588, 794, 798, 806, 808, 810, 814, 837, 840, 843–850, 855–860, 869–870, 889, 896, 929, 990–991, 1138, 1160 Instrumental(ität) 76–78, 93, 103, 147, 164–165, 181, 239, 241, 243–246, 263–264, 266– 267, 314, 363, 365, 395, 405, 420, 569– 571, 576, 579, 583, 587–588, 657, 718, 791,

1 Sachregister

1013, 1015, 1017–1020, 1024, 1032, 1045– 1059 Integration 3, 18, 24, 29–31, 33, 46–49, 157, 175, 177, 194, 198, 201, 203, 297, 362, 514, 701, 703, 730, 740–742, 744–748, 751, 754, 779, 781, 785, 836–837, 842, 844, 847–848, 850, 853–854, 856–857, 864, 869, 929, 936, 941–942, 952–954, 966, 986–987, 991–992, 995, 1132, 1135 Intention 2, 379, 498, 517–518, 527–529, 678–679, 1017, 1023, 1026–1028, 1035, 1054–1055, 1059 Interpretationsanreicherung 2, 106, 394, 406, 411, 431, 438, 458, 506, 515 interpretative Anpassung 133, 205, 218, 227 Interrogativ(ität) 26, 93, 99, 120, 257, 319, 320, 617, 628, 642, 672, 699, 703, 724, 846, 895, 921, 965, 967, 1047, 1069 Interrogativsatz 120, 628, 699, 703, 846, 895, 967, 1069 Intonation 24, 27–30, 32, 49, 157–158, 193, 200, 203, 346, 418, 424, 461, 479, 486, 524, 557, 670, 743–745, 753, 768, 794, 834–835, 843, 848, 926–927, 931, 990 Intonationskontur 27–30, 32, 49, 990 Iterativ(ität) 5, 136, 213–214, 225, 227–228, 285, 288, 290, 315, 321, 323, 325–326, 333, 343, 367, 369, 374, 376, 382, 384, 779, 985, 1034, 1039 Katapher, Kataphora, kataphorisch 33, 94, 285, 349, 350, 353–354, 360, 551, 555, 600–601, 607, 618, 677, 780–781, 785, 798, 1024, 1046, 1118, 1128 Kausal(ität) 2, 8, 18, 23, 27, 36–37, 43, 46, 49, 55, 61, 63–64, 66, 68–73, 76, 78, 82–83, 93, 96, 100–104, 106–110, 113, 124–127, 131, 134–135, 140, 143, 147, 149, 158, 165–166, 168, 172, 176, 179–181, 183– 184, 187–189, 194–195, 199–200, 202, 206, 215, 217, 227, 229–230, 239–245, 247, 249, 258, 263–267, 279, 289, 294, 296, 301–302, 310, 313–314, 316–318, 320–321, 330–331, 337, 342, 350–352, 359, 363–364, 379, 393, 394, 401, 405, 412, 489, 504–506, 520–521, 538, 546, 569–570, 575, 586–587, 604, 608, 621, 685, 687, 697–698, 718, 720–721, 727, 729, 732, 734, 738–740, 752, 756, 766,

1291

772–773, 790–899, 904, 907, 911, 915– 916, 919–922, 933, 935–936, 940–941, 961, 966–967, 969, 991, 1002–1003, 1013, 1015, 1017, 1020, 1023, 1025, 1029–1035, 1046, 1051–1056, 1069–1070, 1072, 1074, 1091, 1102, 1109, 1136–1137, 1140, 1158, 1161 Kernbedeutung 111, 257, 571, 575, 588, 615, 650, 653, 658, 685, 692, 707, 785, 873– 874, 1076, 1110, 1116 Klammerung 161, 600, 602, 655, 672–675 Koinzidenz 64, 103, 105, 230, 256, 287, 292, 297–298, 300–303, 306, 309, 312, 315– 316, 327, 329, 351, 355, 358–359, 363, 365, 368–370, 372, 388, 515, 545, 579, 581, 588, 917 Koinzidenzkonnektor 256, 287, 301, 327, 358–359, 363, 370 Kokonstituente 1066 Kollektion 420–422, 432 Komitativ(ität) 18, 92, 97, 103, 105–106, 146, 155, 232, 243–246, 259, 261, 314, 363, 365, 372, 393, 395–396, 420, 452, 454, 503, 506–509, 569–588, 605, 910, 921, 960, 1049, 1063 Kommentar (s. a. Topik-Kommentar-Gliederung) 31, 49, 123, 151, 158–161, 163, 522– 523, 525, 533–534, 540, 542–543, 550, 556, 580, 914, 948 Kommentar, metakommunikativer 29, 31, 49, 534 kommunikative Funktion 416, 453, 632, 888, 1165 kommunikative Minimaleinheit 29–31, 415, 419, 424, 428, 559, 704 Komplement 15, 17, 25–27, 33–34, 37, 41, 43– 45, 53–56, 58–62, 71, 81–82, 92–94, 96– 98, 115, 129, 139–140, 154, 159, 170, 178, 182, 213, 219–220, 223, 230, 294–295, 313, 317–320, 336, 340, 353, 378, 381– 382, 417–419, 421, 434, 436–437, 439, 443–444, 457, 465, 468, 490, 493–495, 499–500, 502, 575, 612, 633, 647, 693– 695, 702, 711–715, 777, 795, 799, 800, 814, 867, 879, 895, 923, 942, 981, 987, 1015– 1016, 1024, 1035, 1043, 1093, 1111, 1132, 1154, 1159 Komplementierer (Complementizer) 25–26, 43–44, 81–82, 96–98, 140, 318–319, 418,  

1292

Register

693–694, 695, 795, 799–800, 879, 942, 1015–1016, 1024 Komplementsatz 15, 17, 34, 45, 96, 139, 178, 182, 230, 317–319, 417, 421, 457, 702, 711– 715, 777, 895, 1015, 1016, 1043 komplexe Konnektoren 751, 910 konditionale Interpretation 5, 136, 323, 394, 415, 507, 705–707, 709–712, 757, 764, 768, 774, 791, 910, 952, 1115 Konditional(ität) – „faktische“ Konditionale 734–735, 748 – hypothetische Konditionale 321–322, 735 – kontrafaktische Konditionale 201, 718, 726– 729, 734, 736, 746, 754, 765, 822, 826, 834, 910 Konditionalsatz 201, 243, 694, 696, 699–700, 704–705, 712–715, 717, 724–727, 729–730, 733–737, 745, 748, 751, 753, 773, 778, 827, 910, 991, 1075, 1107 Konditionalverstärkung 134–135, 265, 376, 919, 972, 974 Kongruenz 58, 407, 441, 461, 502, 603, 977 Konjunktion 117, 20–22, 26, 43, 75, 81, 95, 207, 239–241, 244–249, 251, 255, 257–261, 288–290, 299, 308, 311, 363, 393–394, 401, 408, 411, 440–441, 451, 461–463, 514, 519, 538, 552, 559, 572, 592, 594, 600, 604, 610, 616, 635–636, 649, 658, 676, 687, 812, 819, 843–844, 904, 913–914, 921, 967, 982, 1013, 1043, 1046, 1050, 1074, 1102, 1105, 1107, 1111 Konjunktionaladverb 21, 37, 246, 514 Konjunktor 16, 19–20, 23, 27–28, 31, 37–39, 45–47, 56, 58, 60–61, 66, 68, 90, 98, 101, 108, 126, 135–136, 155, 157, 163–164, 170, 177, 240, 245, 249, 259, 261, 393, 395, 399, 400–401, 405–410, 418, 422, 424– 429, 431, 433, 438–439, 441, 444–445, 447, 451, 455–456, 461–462, 465–466, 475, 480, 488, 497, 514, 536, 592, 596– 598, 603, 605–606, 608, 617, 632, 641, 665, 675, 867, 911, 959, 973, 987, 1063, 1066, 1074, 1102–1103, 1132–1134, 1139, 1144–1145, 1148, 1163–1165 Konklusiv(ität) 104, 168, 795, 898–899, 1002, 1136–1137, 1140, 1166 Konnekt 15 et passim – eingebettetes 182 – externes 16, 18–19, 69–70, 146

– internes 16, 18–19, 43–44, 48, 55–57, 60–61, 65, 69, 102, 104, 130, 146, 150, 154, 203, 215, 218 konnektintegrierbare Konnektoren 16, 20, 22, 838 Konnektiv 21, 242, 637 Konnektivpartikel 21 Konnektor 1–9, 14–15 et passim Konnektorklasse, syntaktische 6, 28, 61, 89, 100–101, 410 Konnexion 1–2, 4, 35, 37, 39–40, 56, 73, 122, 208, 214, 235, 242, 257, 283, 288, 421, 459–462, 467, 575, 804, 951, 1003, 1029, 1090 konnexiv-adversatives aber 532–538 Konsekutiv(ität) 8, 18, 46, 69–72, 82, 97, 100, 103–104, 149, 155, 167, 231–232, 242–245, 263–265, 289, 347, 393, 411–413, 458, 504–507, 790, 792–795, 797, 799, 804– 805, 815, 818, 829, 879, 886, 893–894, 896, 898, 916, 1013, 1015–1017, 1020, 1024, 1026, 1032, 1034, 1043, 1053–1055 Konsequens(-Marker) 6, 18, 61, 68, 70, 72, 77–78, 106, 148, 168, 186, 188, 190–195, 197–200, 202–203, 245, 256, 262–266, 320, 322, 379, 413, 415, 504, 537, 570–571, 594, 625–627, 686, 692, 695, 700, 718, 722, 725, 728–729, 739, 747–748, 751, 753–754, 790, 792–799, 802–803, 805, 812–813, 815–818, 820, 822, 834, 839, 849–853, 856–857, 878, 880, 886–893, 896, 898, 915–916, 918, 923, 926–928, 933–936, 938, 940–941, 951–952, 957– 958, 961, 967–972, 982–983, 985, 990, 992–996, 1016, 1020, 1029–1031, 1047, 1049–1055, 1059–1060, 1063–1068, 1071, 1075–1076, 1082–1084, 1088–1089, 1090– 1095, 1097–1104, 1106–1109, 1112–1114, 1118–1119, 1121–1122, 1124–1125, 1172 Konstativ(ität) 19, 141, 608–610, 618–619, 647, 656, 1072, 1078, 1095, 1115 Kontext – intensionaler 230 – situativer 193, 483, 579, 720 – sprachlicher 884, 1042 Kontrafaktizität 129, 137–141, 143, 147, 230– 231, 235, 322–323, 451–452, 454–457, 468–469, 737, 1038, 1073, 1094–1096, 1098, 1126

1 Sachregister

kontrastiver Vergleich (contrastive comparison) 75, 105, 161, 318–319, 414, 500, 522–527, 535, 539–541, 543–544, 546, 551, 557, 565, 581, 723 Konverse 62–63, 69–70, 75, 99–100, 104, 149, 157, 230, 241, 264–265, 267, 306, 309, 336, 342, 352, 355, 365, 367, 385, 473, 488, 490, 493, 526, 686, 792–797, 880, 886, 919, 926–927, 996, 1020, 1022, 1028, 1049–1053, 1085, 1093, 1112 Konzessiv(ität) 7, 23, 36, 40, 48, 55, 61, 63, 75–77, 82, 101, 103, 105–106, 115, 123–124, 129, 131, 147, 165, 168–169, 172–173, 177, 179, 181–182, 199- 200, 230, 239–245, 257–258, 260, 263–266, 313, 315, 317, 319, 326, 393–394, 396, 405, 411–412, 414, 454, 483, 504–507, 515, 519–522, 524– 529, 535, 537–539, 541, 545, 551, 557, 564, 570–571, 575, 581–582, 604, 611, 638, 680, 687, 702, 705, 718, 720, 724, 734, 766, 793–794, 821, 825, 827–829, 832, 839, 903–954, 958–962, 965, 967–969, 972, 974, 983, 985, 987, 990–991, 1003, 1053, 1065, 1075, 1107, 1115, 1138 Koordinat (s. a. Koordination) 26–27, 38, 61, 115, 126, 155, 163, 400–403, 405, 407–410, 420, 422–424, 426, 428, 431, 434–440, 442–444, 460, 463–465, 476, 478, 480, 486, 1132–1133, 1165 – primäres 37, 408, 456, 480 Koordination 3, 26–29, 36–38, 53, 55, 61, 68, 109–110, 149, 159, 163, 245, 401–403, 405–406, 413, 415–416, 418, 420–424, 431, 434–438, 440–443, 456, 458, 461– 462, 464–465, 473, 478, 480, 487, 494, 509, 515, 540, 597, 603, 610, 635, 641– 642, 693, 706, 709–710, 786, 805, 867, 973, 1085, 1087 Koordinationsrahmen 27, 37–38, 61, 126, 155, 163, 170, 401–403, 409, 422–424, 434, 456, 462, 465, 471, 480, 1133 koordinative Verknüpfung 26, 37, 122, 245, 404, 412, 428, 462, 476, 540, 596 – diskontinuierliche 27, 424, 428, 461 – kontinuierliche 27, 428, 461 Koordinator 60, 400, 407–408, 419, 423, 438, 462, 642, 868, 1071 Korrelat 3, 17, 30, 32–34, 127, 152, 168, 170, 172, 182, 184, 194–197, 203, 285, 294, 318,  

1293

325, 350, 352, 377, 384, 386, 388, 426– 428, 440–441, 444–445, 457, 459, 461– 464, 482, 530, 546, 548, 551, 562–565, 599–600, 694–695, 697, 704, 714–715, 741, 743, 751–752, 772, 780–782, 785, 808–809, 819, 833, 835–837, 845–846, 854, 864–865, 891, 923–924, 932–933, 940, 969, 1024, 1046, 1074 Korrelatkonstruktion 3, 17, 32–34, 152, 168, 172, 184, 195–196, 352, 377, 583, 845, 923, 969, 1024, 1046 Landmark 62–63 Lexem 13, 42, 219, 365, 608, 642, 658, 761, 774, 814, 829, 843, 1015, 1064 Linearisierung 7, 64–65, 131, 175–177, 182, 328, 334–335, 338, 343, 359–360, 377, 379, 858–859, 932, 954, 986 Linearstruktur 3, 29, 32, 47, 149, 155, 174–175, 183, 858, 1066–1067 Linksversetzung 30, 32–34, 36, 175, 314–315, 352, 377, 542, 544, 694–695, 747, 751–752, 759–761, 763, 845, 923, 954, 982–983, 986 Listeninterpretation 75, 410, 432, 438, 459, 804, 882 Matrixsatz 37, 45, 178, 196–198, 231, 289, 319, 417, 419, 421, 465, 697–698, 705, 711, 714, 776, 832, 836, 858, 862, 873, 890, 980–982, 1021, 1041, 1132, 1134–1136 Mehrdeutigkeit 6, 8, 42, 81–85, 87–92, 101– 103, 108–109, 111–112, 121, 188, 394, 477, 507 Metapher 103, 187, 277, 1015 Mitteilung 6, 49, 90, 149, 159, 176, 178, 375, 425, 518, 545, 1121, 1160 Modalität 143, 205, 207, 228–229, 266, 455, 529, 730, 769, 771, 857, 893, 1029, 1032, 1036, 1089 Modifikator 2, 44, 243, 252, 267, 295, 349 Modus 26, 31, 45–47, 50, 91, 120, 136, 140–141, 143, 145, 193, 205, 227–231, 233–236, 245, 265, 318–319, 323, 394, 415, 417, 419, 452, 455, 490, 528, 534, 608, 610, 635, 687, 700–701, 705, 733–734, 737, 765, 812, 821, 835, 861, 897, 938, 948, 965, 971, 984, 986, 998, 1032, 1037, 1043, 1081, 1085, 1096, 1114, 1123, 1135

1294

Register

– Indikativ 141, 205, 232–235, 323, 671, 702, 705, 722, 733–735, 754, 965, 987, 1036– 1037, 1041, 1043, 1095–1097, 1126 – Konjunktiv I 141, 231–233, 235, 493, 987, 1037, 1043, 1096 – Konjunktiv II 141–142, 230–232, 234–235, 736, 747, 987, 1033, 1037, 1043, 1069, 1094–1098, 1126 Modus dicendi 948 Mögliche-Welten(-Semantik) 245, 728–730, 732, 822–823, 834 Nachphase 301, 381 Nachtrag 31–32, 172, 184, 709, 725, 782, 944, 1156, 1159 Nachzeitigkeit 155, 214, 255–256, 288–289, 292, 299–300, 309, 327, 355, 385 Negation 23, 95, 116, 122–123, 125, 127, 129, 134, 137–143, 146–148, 195, 203, 223, 231, 243, 246, 249, 257–260, 266, 330, 340– 344, 356, 381, 393, 395–396, 416, 444, 451–456, 459–461, 463–469, 471–472, 474–476, 478–479, 481–483, 485, 487– 488, 490, 497–498, 500–501, 503–505, 507–508, 516, 520, 528–529, 537–538, 613, 625–626, 629, 635–637, 649, 652– 653, 663–664, 680, 687, 706–707, 736, 743–744, 770, 828, 835–836, 846, 864, 878–879, 897, 905, 908, 915, 919–920, 974, 977, 1003, 1023, 1032, 1039, 1063, 1066, 1072–1076, 1079, 1082, 1084, 1093, 1095, 1105–1108, 1111, 1116, 1120, 1161 – implizite 490 Negator 680, 1073 nicht-konnektintegrierbare Konnektoren 1, 16, 20–22, 70, 1018, 1047 nicht-propositionale (Bezugs-)Ebene 23, 167, 174–175, 188–189, 191, 195–196, 198, 200, 421, 533–535, 714, 832, 861–862, 864, 879, 913, 929 Nonfaktizität 137–142, 145–146, 148, 230–231, 235, 264, 323–324, 338–339, 618, 620, 626, 721, 986, 1033–1034, 1036, 1043, 1051, 1072–1073, 1084, 1096, 1115 Nonfaktizitätsindikatoren 323 offene Liste 668–670 optative Konditionale 715–716 Optativ(ität) 711, 715–716, 747, 1041–1042

PAC (peripheral adverbial clause) → Adverbialsatz, peripherer Parataxe 3, 21, 28, 55, 406, 412 Parenthese 3, 706, 725, 760, 1154 parenthetische Partizipialkonstruktion 704, 1071 Partikel 1–2, 15, 17, 21–23, 36, 71, 84, 89–92, 94–98, 101, 110–111, 123, 126–128, 169, 172–173, 180–181, 183, 195–196, 203, 228, 266, 295, 313, 317, 319, 326, 340, 360– 362, 395, 416, 427, 434, 440–443, 452, 456, 462–463, 476–479, 483, 503, 516, 521, 532–535, 537–538, 548, 552, 559–560, 562, 599, 608, 618, 637, 665, 722, 724, 733, 735, 757, 807, 809–811, 827, 835– 836, 846, 857, 865, 869, 897, 908–910, 919, 941, 950–951, 958, 978–980, 982– 983, 987, 990–991, 998–999, 1002, 1005, 1008, 1014, 1069, 1074, 1104, 1137–1138, 1155, 1158–1159 Patiens 54–55, 73, 402, 957 Pendant 3, 18, 55, 92, 94, 106, 177, 249, 262, 278, 378, 424, 444, 453, 457, 459, 461– 462, 464, 468, 472, 482, 508, 575, 644, 818, 844, 916, 935, 958–959, 974, 1000, 1152 Phrasenkoordination 421, 465, 458 Planvereitelung (frustrated plan) 527–528, 539, 561 Polykategorialität 37–38, 42, 514 polyseme Konnektoren 545, 2, 696, 1116, 1119, 1015 Polysemie 6, 75, 81–82, 84–86, 88–89, 95, 101–103, 107–110, 112–113, 134, 188, 256, 289–290, 313, 321, 330, 515–516, 522, 540, 545–547, 559, 565, 581, 624, 757, 765, 880, 908, 1015, 1092, 1102, 1105, 1112, 1114, 1155 post hoc ergo propter hoc 104, 134, 330, 379, 506 Postponierer 16–18, 20, 23–24, 26, 28, 31, 34– 37, 39, 47, 56–57, 60, 64–65, 70, 77–78, 82, 92–94, 98–100, 127, 155, 157, 165–168, 171–172, 176, 190, 196, 231, 240, 261, 265, 276, 297, 306–307, 345–347, 379, 401, 514, 525–526, 528, 541, 544, 547, 559, 562, 569–571, 574–575, 627, 716, 791, 795–798, 818, 838, 877, 879, 887–888, 892–894, 896, 904, 1013–1015, 1018–1019, 1039,

1 Sachregister

1043, 1047, 1059–1060, 1063–1065, 1067–1068, 1112–1113, 1124–1125 Postposition 24, 36, 38, 48–49, 68, 175–176, 183, 281, 294, 306–307, 328, 334, 343, 379, 582, 585, 759, 771, 784–785, 798, 806, 814, 845, 850–851, 854, 859, 887, 896, 928, 936, 940–942, 949, 958, 971, 974, 986–987, 1022, 1067, 1071 Präposition 15, 17, 22, 42–44, 59, 62, 66, 71, 84, 90, 92–94, 97–99, 111, 155, 205, 207, 240, 244, 261, 276–279, 282–284, 295, 311, 313, 347, 349, 374, 378, 381, 400, 431, 457, 462, 468, 497, 501, 503, 508, 533, 541, 569, 571–572, 575, 587, 605, 710, 712, 795, 800, 802, 812–814, 817, 831, 892, 905, 908–909, 922, 936, 954, 957, 960, 998, 1013, 1015–1016, 1018, 1021– 1022, 1024, 1045–1048, 1071, 1080, 1106, 1109–1110, 1116, 1137 Präpositionaladverb 957, 1046 Präsupposition 67, 123, 126, 135, 139, 144–145, 260, 265–266, 319, 376, 442, 444–445, 453, 470, 474, 520, 534, 537, 559–560, 621, 688, 713, 767, 849, 860, 913–914, 916–917, 919, 925, 928–930, 936, 939, 941, 948, 951–952, 962, 1078–1079, 1083, 1161 primäre (einfache) Konnektoren 569 Probabilität → Wahrscheinlichkeit Projektion 126, 151–153, 159, 294, 481, 560, 777 Pronominaladverb 18, 21–22, 34, 42–43, 58, 92–93, 97–98, 168, 179, 181–182, 276, 283, 345, 363, 373, 424, 503, 514, 577, 800, 907, 910, 933, 958, 1024, 1046 propositionale Ebene 188, 190, 201–202, 296, 857, 941 propositionale Struktur 15, 38, 110, 121–122 propositionaler Gehalt 31, 190–191, 622–625, 628, 666, 745, 767, 832, 837 Prosodie 180, 406, 665, 740, 745, 847–848 Proximität 292 Prozesse → Aktivitäten/Prozesse (activities) Quaestio 150–151, 160, 182, 1152–1153, 1166 Quantifizierung 125–126, 972, 978 Rechtsversetzung 32, 34, 710, 1156, 1160 Referent 29–30, 32, 132, 156, 208, 242, 419, 422–423, 489, 695, 710, 982, 1143, 1160

1295

Referenzidentität 58, 422, 509, 584, 982, 1040 Referenzsachverhalt 226, 228, 255, 286–288, 290–293, 301, 303, 329, 331, 333–338, 346, 348, 350–351, 355, 357–359, 365, 368–376, 379–385, 388–389 reguläre Polysemie 6, 86, 89, 101–103, 515, 545, 581 Rektion 15–16, 20, 43, 57, 92, 154, 175, 314, 336, 378, 497, 800, 905, 1071 relationale Komponente 22 Relativsatz 312, 448, 575, 711–712, 981–982 Relevanzkonditional 318, 320, 638, 703, 706, 737, 740, 754, 995–996 Reparaturnachtrag → Rechtsversetzung restriktives aber 527, 1074 Restriktiv(ität) 199, 201, 215–216, 240, 242– 244, 295–296, 299, 463, 476, 516, 527, 548, 559–560, 562, 581, 608, 723, 873, 925, 932, 988, 1074–1075, 1077, 1107 Rhema → Thema-Rhema Rhematizität 74 rhetorische Frage 452, 605, 868 Rolle, semantische 34, 54–56, 61, 69–76, 113, 131, 148, 401–406, 458, 615, 707, 791–792, 798, 872, 927, 968–969 Sachverhaltsbeschreibung 38, 123, 134, 257, 329, 631, 1040 Sachverhaltsbezeichnung 144, 1048, 1110 Sachverhaltsebene → propositionale Ebene Satz – einfacher 153, 235, 569 – eingebetteter 25, 34, 362, 1021, 1091 – komplexer 28, 53, 122, 156, 847, 873 – selbständiger 29, 45, 996 – (syntaktisch) unselbständiger 68, 574 – zusammengesetzter 569 Satzadverb 39, 49, 95, 197–198, 794, 919, 936 Satzadverbial 2, 35, 39, 58, 245, 267, 295, 421, 548, 552, 1136 Satzakzent 95, 149, 152, 154, 448 Satzart 18, 544, 617, 1081, 1098 Satzgefüge 214, 242, 838–839, 873, 1040, 1049 Satzmodus 45–46, 120, 136, 140–141, 193, 318–319, 394, 415, 417, 419, 534, 608, 610, 938, 998, 1123, 1135 Satzstruktur 7, 13, 15–16, 18–19, 23–33, 35, 46, 48, 50, 53, 55, 58, 69, 137, 143, 178, 281, 782, 803, 845, 867, 980, 1135, 1145

1296

Register

Satztyp, topologischer 57 Satzverknüpfer 15, 40, 96, 239, 241–243, 408, 430, 569, 844, 868, 908, 1072 Sequens 62, 63, 176–177, 256, 287, 342, 345, 350, 410–411 Sequens-Marker 288, 350, 292, 334–335, 1350–1353 Sequenz 75, 103–104, 134, 188, 216, 279–281, 301–302, 306, 316, 327, 346, 350, 352– 353, 355, 357, 359, 380, 410, 504–505, 578 Sequenzkonnektor 134, 176, 214, 216–218, 256, 288, 292, 300, 306, 315–316, 327–362 Sequenzinterpretation 135, 301–302, 309, 312, 331 Sequenz-Marker 355 Sequenzrelation 62, 76, 176, 292–293, 297– 298, 327, 329, 331, 333, 336, 343, 347, 354, 388 Simultan(ität) 47, 105–107, 368, 410, 545, 578, 581, 588, 1049 Skalierung 125–126, 128, 459, 468, 477, 516, 982 Skopus 26, 33–34, 49, 57, 96, 110, 174, 193– 198, 203–204, 211, 431, 444, 462, 468– 469, 487, 507, 516, 548–549, 603, 635– 636, 656, 673–674, 714, 743–744, 759, 793–794, 835–837, 839, 846, 864, 878– 879, 897, 915, 919, 951, 982–983, 988, 1139 skopusfähige Ausdrücke 194, 198, 203, 835– 836, 846 Sprachsystem 217, 614, 654 Sprechaktbezug 193, 200–202, 204, 560–561, 618, 623–624, 628–629, 645, 654, 767– 768, 781, 809–810, 834, 857–858, 884, 898, 919, 929, 938, 940, 942, 994–995, 1039, 1043 Sprechaktebene 23, 34, 48–49, 108, 167, 181, 187–189, 192–193, 197–198, 201, 203, 248, 296, 318, 560, 738, 740, 746, 748, 750– 753, 767, 781–782, 829, 832, 834, 836– 837, 848, 854, 857, 861, 869, 871, 874, 897, 922, 938–941, 943–944, 947, 960, 994–995, 1081, 1099, 1137, 1158 Sprechaktkonditional 703, 737, 739–740, 742, 745, 748–754, 767, 775, 779–780 Standardkonditional 742, 744, 746–750, 752– 754, 779, 781, 968, 996 States → Zustände

Stilebene 641, 1040, 1124 Subjunktor 1, 3, 5, 7–8, 16–19, 23–24, 26, 28, 30–31, 34, 36–41, 43–45, 47–50, 56–58, 60, 63–65, 67–68, 70, 74, 78, 82, 90–94, 96–101, 104, 106, 112, 115, 132, 134, 142, 147, 154–155, 157–158, 161–166, 169–179, 182–183, 190, 194–195, 198, 202–203, 205–206, 212–213, 215, 218, 224, 230–233, 235, 240, 245–246, 252, 255–256, 259, 261, 275–276, 278, 283, 287, 289–290, 292, 294–296, 299–300, 307–308, 297, 310–314, 317–319, 321, 323–324, 326–327, 334, 336, 339, 341–344, 352, 355–356, 359, 361–363, 365, 369, 373–374, 377– 379, 381, 385–388, 399–401, 424, 427, 429, 440–441, 451, 457, 473, 488, 496– 498, 501, 503, 508–509, 514, 525–526, 528, 545–547, 569–571, 574, 582–583, 587, 595–596, 627, 665, 692–693, 695–696, 718, 750, 755–756, 761–762, 771, 774–775, 779, 781–783, 785–786, 790, 794–796, 798–801, 812–813, 818–819, 829, 838, 844–845, 858, 860, 868, 874–876, 888, 891, 896, 903–904, 906–910, 912–913, 915–916, 918, 920, 922–925, 928–934, 936, 938–939, 941–944, 946–947, 949– 951, 953–954, 958, 960–961, 965–966, 968–969, 976–977, 981, 985–987, 996, 1014–1015, 1018, 1020, 1024, 1044, 1046– 1047, 1055, 1059–1060, 1063, 1066, 1110, 1115–1116, 1119 Subordination 3, 25, 27–28, 38, 55, 171, 571, 867 Subordinationsrahmen 38 Subordinator 17–18, 26, 64, 234, 246, 596, 693, 802, 1015–1016, 1043, 1063, 1065– 1066, 1119, 1126 subordinierende Konjunktion 17, 26, 239, 244, 248, 289, 604, 1068, 1117, 1041 Substandard 17, 93, 278, 311, 340, 497, 904, 954 Sukzessiv(ität) 18, 102, 110, 160, 241, 247, 252, 411, 439, 647, 908, 1038 Supplement 25, 92–93, 97, 175, 182, 220, 244– 245, 294, 318, 465, 497, 575, 981 Symmetrie 74–75, 78, 161, 241, 260, 395, 400, 458, 625–626 symmetrische Relation 17, 20, 61, 69, 73–76, 149, 161, 259, 679, 926, 932–933, 1103, 1139

1 Sachregister

Syndese, syndetisch 27, 401–402, 406, 418, 591, 608, 803 Synonymie(problem) 81–83, 87, 114, 115, 216, 217, 600, 626, 1024, 1073 Temporal(ität) 2, 5–7, 9, 18, 23, 36, 39–40, 47– 48, 50, 62–64, 66, 70, 74–76, 78, 90, 92– 93, 98, 100–107, 110–111, 125–126, 132, 134, 136, 140, 142, 146, 148, 155, 161–162, 165–168, 170, 172–173, 176, 178–181, 184, 188, 196, 201, 203, 205–218, 220, 223– 228, 230, 234, 236, 239–244, 249–250, 253, 255–256, 276–303, 305–315, 326, 331, 333, 337, 339, 352, 354–355, 357–365, 367–368, 372–374, 379–381, 383, 405, 410–413, 427, 430, 448, 458, 490, 504, 506, 514–515, 540, 545–550, 565, 570, 575, 578–579, 581, 583, 587, 642, 695–696, 705, 718–720, 730, 748, 756–758, 763– 766, 773, 791, 794, 801–802, 805, 874– 877, 880, 882, 884, 888, 904, 921–922, 933, 960, 985, 1002, 1005–1008, 1015, 1022, 1027, 1049, 1069, 1094, 1109–1110, 1137, 1146 Temporaladverbialia 161, 170, 205–206, 207, 209, 212, 220, 281–283, 287, 290, 293, 294–295, 297, 325, 368, 373 – kontextrelative 212, 281–284, 347–348, 353 – konventionalisierte 281–283, 285–286, 290, 293 – sprechzeitrelative 212, 281, 284, 290, 347, 354 Tempus 47, 91, 134, 140–141, 205, 207–220, 228, 230, 232–233, 277, 279, 281, 287, 292, 301–302, 308–309, 319, 327–332, 335–336, 338, 345, 349–350, 355, 357– 360, 368, 380–383, 385, 389, 412, 415, 430, 452, 490, 493, 733–734, 804–805, 812, 953, 987 Thema-Rhema 74, 159, 404, 411, 843, 1058, 1120 Theta-Rollen 54 topic-comment → Topik-Kommentar-Gliederung Topik/topic 49, 106, 122, 124, 151, 158–163, 175, 178–181, 207, 314, 380, 443–444, 463–464, 500, 518, 522–526, 532–533, 535, 540, 542–543, 546, 548, 550, 704, 814, 882 – hanging topic 29

1297

– konstantes (continuity topic, familiarity topic) 159–160 – kontrastives (contrastive topic) 160–162, 180, 443–444, 463, 522–523, 542–543, 525 – neu etabliertes (shifting topic) 160, 180, 526, 542 – Rahmensetzung (framesetting topic) 159, 161–162 Topik-Kommentar-Gliederung 522 Topiksituations-Proform 122, 314 Topikwechselmarkierung 180, 532 Trägerkonnekt 55, 58–60, 68, 71, 127, 174, 285, 292, 348, 363, 369–370, 385, 447, 525, 542, 552, 558, 578, 970, 1161 Über-/Unterordnung 63–64, 94, 241, 421, 440, 514, 562 unbetont 538, 551, 665, 807, 1037 unspezifisch situierend(e Konnektoren) 162, 256, 298, 292, 297, 301, 323, 388 Unterspezifikation 84, 86, 88–89, 108–110, 113, 204, 227, 424 Ursache 44, 50, 55–56, 73, 78, 82, 94, 104, 107, 109–110, 174, 176, 191–192, 239, 240, 316, 352, 364, 394, 442, 498, 580, 583, 585– 586, 720, 727, 732, 738–739, 772–773, 792, 796, 801–802, 814–817, 821, 824, 828–829, 834–836, 862, 872–874, 877, 889, 921, 1013, 1029, 1032, 1035, 1054, 1056, 1123, 1147 Urteil 3, 8, 38, 234, 319, 359, 381, 413, 453, 586, 868, 936, 969 V1-Konditional 201, 695, 697, 699–704, 712, 724, 864 Valenz 72, 154, 251, 262, 295, 306, 318, 329, 518, 521, 525–528, 531, 533, 613, 615, 624– 626, 635, 643, 644, 647–652, 658, 660, 663–664, 668, 686–687, 915, 1020, 1024, 1082, 1084, 1101, 1103, 1105 Variable 2, 38, 53, 56, 62, 83, 120, 152, 158, 174–176, 328, 360, 452, 504, 798, 866, 888, 968, 973, 978, 996, 1132 Verberststellung (V1) 57–58, 183, 201, 319, 320321, 360–363, 438, 603, 695, 697–704, 706, 712, 716, 724, 752–753, 781, 805–809, 864, 868, 951, 966, 988, 991, 1072 Verbgruppenadverbial(e) 2, 39, 41

1298

Register

Verbletztstellung (VL) 17, 57–58, 171, 239, 188, 194, 199–200, 307, 430, 440, 656, 781, 783–784, 786, 812, 840, 842–848, 850– 854, 856–857, 866–867, 869, 940, 945, 951 Verbzweitsatz-Einbetter (V2S-Einbetter) 8, 16, 19–20, 23–24, 28–31, 34–35, 37, 44, 47, 56–57, 60, 68, 74, 78, 91–92, 157, 165, 167, 174–175, 177, 182, 235, 352, 401, 665, 692– 693, 695, 698, 755, 772, 774–784, 785– 786, 838, 977, 1103 Verbzweitstellung (V2) 19, 57–58, 141, 177–178, 188, 194, 199–200, 352, 361–363, 438, 544–545, 548, 582, 603, 639, 694, 698, 704, 777–778, 781–782, 784, 786, 801, 807–809, 833, 840–846, 848, 850–857, 862, 866–869, 872–873, 929, 938–943, 945, 966, 991, 1075, 1119, 1137 vergleichsbasierte Konjunktoren 425, 428 Verknüpfungsebene 49, 89, 108, 110, 181, 737, 933, 940, 991–992, 995, 1138 Verum-Fokus 95, 154, 169, 324, 552, 923 Vorphase 301, 303, 366, 380 Vorzeitigkeit 155, 214–215, 220, 232, 255–256, 288–289, 299–301, 309, 327–330, 349– 350, 355, 357–358, 385, 493 Wahrheit 84, 122–125, 127, 135, 137–139, 144, 146, 152, 154, 172, 241, 249–251, 255, 257– 258, 261, 319–320, 344, 362, 368, 393, 401, 411, 415, 451–454, 457–458, 473–474, 490, 504–505, 507, 509, 534, 572, 612– 613, 615, 618, 621–622, 624, 628, 630,

642–649, 653, 661–664, 666, 669, 685– 686, 698, 723–724, 727–728, 769, 773, 793, 820, 915, 918, 927, 952, 983, 992, 1075, 1090, 1099, 1115 Wahrheitsbedingung 123–125, 132, 178, 210, 340, 423, 521, 709, 726, 736, 887, 967, 978, 983 Wahrscheinlichkeit (Probabilität) 1, 114–115, 126, 128, 138, 143, 167, 197, 235, 322– 323, 338–340, 395, 470–471, 494, 685, 735–736, 750, 769, 848, 940, 952, 984, 1036–1037, 1043, 1093, 1096, 1120, 1126 Weglassung (s. a. Ellipse) 60, 431, 552, 603, 670, 677–678, 862, 1041, 1070, 1128, 1165 weiterführender Nebensatz 18, 306, 1023 weiterführender Relativsatz 18, 575, 869, 896 Weiterinterpretation 394, 411, 529, 631, 1055 Wortakzent 92, 94, 152  

Zeitintervall 5, 39, 132, 207–208, 210, 212, 225, 228, 282–283, 285–287, 291–293, 295–296, 301, 303–304, 310, 312, 329, 355, 365–366, 368–371, 373–375, 379, 382, 388, 549–550, 578, 587, 719, 764 Zusatzgrund 874, 877 Zustände (states) 191, 206, 213, 222, 224–226, 336, 356, 376, 498, 549, 576, 585 Zweck 6–7, 33, 55, 61, 73, 77, 83, 108, 133, 148, 153, 175, 208, 217, 240–241, 248, 266, 424, 514, 532, 611, 685, 706, 819, 828, 888, 905, 921, 1013, 1018, 1024–1034, 1038, 1043, 1049–1054, 1057, 1059, 1084

2 Wortregister Das Wortregister enthält nicht nur (lexikalisierte) Konnektoren, sondern auch Wörter anderer Art, die in diesem Handbuch diskutiert werden. Es wurden großzügiger als sonst Ausdrucksvarianten zusammengefasst, um das Register kurz zu halten. Bei optionalem dass u. ä. ist in diesem Register NICHT gekennzeichnet, ob es in Distanz- oder Kontaktposition stehen kann. Auch nach Betonung unterschiedene Konnektoren (wie in DOCH vs. doch oder trotzdem vs. trotzDEM) werden nicht eigens ausgewiesen. Auf Ausdrücke in der „Liste aller Konnektoren mit Beispielen und Klassenangaben“ (Kapitel D) wird nicht verweisen.  

aber 14, 22, 35, 42, 58, 74 f., 90, 103, 130, 146, 154, 161, 165, 169, 177, 180, 229, 242, 244 f., 249, 251, 260 f., 350, 393–395, 413 f., 443, 445, 454, 475, 482–485, 513– 527, 529–536, 538–541, 546, 551–556, 558, 561, 563–566, 594, 600, 610, 653, 665, 671, 886, 903, 908–912, 919, 925, 932, 959, 1074, 1078, 1089, 1104, 1106– 1108, 1114 abermals 21, 126, 165, 180, 274, 279, 289 f., 373, 515, 546, 1007 abgesehen davon (dass) 16, 21, 92, 1111, 1116 f., 1153 alldieweil 16, 21, 42, 100, 103, 106 f., 274 f., 279, 283, 297, 359, 363–365, 514 f., 540, 545 f., 790, 801, 818, 874–876 allein (dass) 22, 90 f., 95, 97, 180, 513, 516, 528, 537, 551, 559–562 allemal 21, 77, 165, 169, 965, 996, 998–1000, 1002, 1006–1009 allenfalls 20, 127, 129, 180, 716, 1070 allerdings 20, 35, 38, 42, 94 f., 130, 162, 169, 177 f., 180, 244, 261, 324, 393, 413, 513, 516, 519, 525, 527–531, 536, 540 f., 551– 558, 561 f., 564, 580–582, 903, 908, 924– 926, 930–932, 938, 948, 960, 1002, 1008, 1074, 1104 allgemein(er) ausgedrückt (formuliert/gefasst/ gefragt/gesagt/gesprochen) 254, 1131, 1140 f., 1151 f., 1154, 1172 als 2 f., 15 f., 23, 30, 32, 39, 41 f., 57, 78, 81 f., 96 f., 100 f., 125, 134, 162, 173 f., 179, 205 f., 210, 213, 220, 227, 230–232, 236, 255 f., 279, 281–283, 285, 287–290, 292, 294– 296, 299–310, 312, 315–317, 321, 323, 327, 333 f., 342, 361–363, 367, 377, 387 f. als dass 18, 96 f., 231 f., 344, 893 als ob 2 f., 16, 41, 96 f., 145, 231, 252  































































als wenn 3, 16, 41, 96 alsbald 21, 96, 274, 279, 298, 349, 354 alsdann 20, 96, 274, 279, 298, 349, 354 also 20, 36, 38, 70, 147, 168, 179 f., 196, 279, 790, 795, 802, 887, 890, 898 f., 1131, 1136 f., 1140, 1166 f. ander(e)nfalls 18, 21, 23, 77, 99 f., 147, 181, 231, 235, 264, 266, 454, 594, 624–600, 627, 716, 905, 1063–1065, 1067, 1070, 1072 f., 1083 f., 1090–1092, 1094, 1097 f., 1102 f., 1112 f., 1121–1125 and(e(r))erseits 20, 130, 180, 229, 261, 413, 513, 515, 525, 529–531, 533, 562–565, 633, 1113 ander(e)nteils 21, 513, 533, 562–564 anders ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/ gesagt/gesprochen 625, 631 f., 676, 1131 f., 1134 f., 1140–1142, 1165 f. anders herum/andersrum (formuliert) 1131, 1140, 1142 anfänglich 21, 76, 91, 97, 165, 274, 279, 285, 298, 349 f., 353 f. anfangs 21, 76, 165, 274, 286, 350, 353 angenommen (dass) 8, 16, 19, 23, 37, 42, 76, 81 f., 91 f., 97, 147, 165, 167, 235, 692–694, 774–786, 977, 1066, 1116 angesichts dessen (dass), angesichts von 2, 16 f., 21, 43 f., 155, 795, 799 f. anschließend 21, 58, 91, 97, 165, 274, 283 f., 298, 349, 354 ansonst(en) 20, 77, 181, 627, 905, 1064 f., 1067, 1072 f., 1082, 1089, 1090–1092, 1094, 1103–1106, 1108 f., 1111–1114, 1116, 1119– 1121, 1125, 1153 anstatt (dass), anstatt dessen 16, 21, 23, 43, 93, 97, 146, 245, 451 f., 454, 456 f., 488, 492 f., 496 f., 499–501, 695 anstelle dessen 21, 259, 451, 488, 493, 501–503  

























































1300

Register

auch 1, 446, 447, 633 auch wenn 7, 103, 201, 317, 414, 766, 903, 918, 923 f., 938 f., 941, 947, 950–954, 965, 968, 983, 985–991, 994–996 auf alle Fälle 973, 996 auf dass 17 f., 43, 77, 93, 147, 218, 233, 379, 457, 1013–1015, 1017 f., 1021 f., 1024, 1026, 1029, 1031, 1033 f., 1037, 1040–1044, 1050 auf (gut) Deutsch/Polnisch/… (gesagt) 180, 254, 1131, 1133, 1140–1143 auf jeden Fall 982, 996, 1002 aufgrund (dessen) 16, 21, 798 f., 1017 aufgrund der Tatsache, (dass) 43, 772 aufgrund von 16, 21, 569, 812–814, 1017, 1048 ausgenommen (dass) 77, 91 f., 97, 174, 266, 454, 456, 497, 775, 1063, 1066 f., 1071– 1073, 1076, 1078 f., 1094, 1100–1102, 1106–1111, 1114–1119, 1123 f., 1126 ausschließlich 22, 42, 166, 1121 außer (dass) 905, 921, 1063, 1066 f., 1069– 1074, 1076, 1078–1082, 1084–1087, 1089, 1091, 1093 f., 1096, 1099, 1104, 1107 f., 1111, 1114–1117, 1121 außer wenn 264 f., 722 f., 1067, 1073, 1086, 1100, 1114 f., 1117–1119 außerdem 21, 23, 35, 38, 93, 155, 164, 181, 259, 399 f., 406, 445–447, 462, 1104, 1106, 1110 f., 1114,1120, 1153  









278 f., 289 f., 292, 341, 355, 374, 377–380, 383–386, 388, 424, 457, 508 bis dato 274, 276, 278, 286, 290, 378, 385 bisweilen 285 f., 387 bloß (dass) 18, 20, 91, 95, 97, 130, 180, 319, 416, 513 f., 516, 527 f., 530 f., 537, 551, 559– 562  







































beispielsweise/bspw. 20, 81 f., 147, 180, 254, 1131, 1134, 1140 f., 1162 bereits 42, 94, 180, 275, 298, 349, 354, 385 besonders 20, 94, 127, 166, 180, 295, 472 besser ausgedrückt/formuliert/gesagt/gesprochen 147, 625, 628, 631 f., 676 f., 1131, 1139 f., 1147 f., 1155 bestenfalls 20, 127, 129, 166, 180, 716, 1070 bevor (dass) 6, 16 f., 39, 64, 76, 93, 103, 142, 146, 154 f., 166, 170, 173, 176, 182, 234, 241, 255 f., 275, 277–279, 283, 289 f., 293, 296 f., 300, 302, 307, 327, 334–345, 347, 355, 380, 508, 794, 888 beziehungsweise/bzw. 138, 146, 262, 592–594, 596–601, 615 f., 618 f., 621, 628 f., 631 f., 636, 641, 667 f., 672–676, 678, 697, 681, 1132, 1136, 1140, 1164, 1166 bezüglich/bzgl. 1, 43 f., 800 bis (dass) 16 f., 34, 42, 64, 76, 93, 136, 142, 146, 166, 176, 214, 225 f., 228, 234, 275 f.,  







































da 8, 16, 21, 33, 37, 42, 70, 72, 76, 78, 81 f., 92, 97, 100 f., 103 f., 106, 126, 131, 144, 158, 162, 168, 172, 176, 178, 182, 189, 256, 275, 276, 295, 297 f., 289 f., 305 f., 310–316, 318 f., 322, 325 f., 328, 351–353, 357, 360– 363, 365 f., 373, 388, 540, 545, 548, 569, 790 f., 796–798, 802, 818 f., 830, 833 f., 838–840, 858–866, 870, 874, 877, 879, 884 f., 887 f., 892, 907, 962, 1091 dabei 21, 92, 97, 103, 105 f., 146, 221, 223, 225, 261, 278, 282, 305, 366, 393, 411, 413, 503, 569–572, 574–582, 586, 710, 903, 910 f., 960 f., 1098 dadurch (dass) 16 f., 21, 34, 36, 77 f., 92 f., 97, 147, 164, 181, 246, 263, 506, 509, 569–571, 575, 583, 791, 1017, 1020, 1024, 1046– 1049, 1051, 1054–1056, 1059 f. dafür (dass) 16, 20, 34, 77 f., 92, 97, 130, 180 f., 484, 488 f., 513, 519, 530 f., 539, 551, 554 f., 558, 930, 932, 1024 f., 1047 f., 1059 f. dagegen 20, 82, 92, 97, 161, 180, 242, 261, 393, 500, 513, 518, 524 f., 540–542, 544, 551, 912 daher 21, 36, 38, 59, 68, 70 f., 76, 92 f., 97, 103, 165, 168, 179 f., 229, 265, 413, 623, 790, 796, 802, 891 f., 907, 1089, 1091 dahingegen 18, 20, 92 f., 513, 515, 540–542, 544, 575 damals 21, 166, 179, 230, 274, 286, 312, 369, 372 f., 407 damit (dass) 16, 21, 40, 43, 77 f., 92, 98, 100, 147, 164, 181, 218, 231, 233, 263, 267, 345, 571, 575, 791, 800, 828, 894, 1014–1031, 1033–1044, 1046 f., 1049–1051, 1059 f. danach 18, 21, 36, 38, 40, 67, 76, 92 f., 98, 104, 166, 170, 180 f., 220, 230, 274, 278, 282 f., 286, 289 f., 293–295, 298, 345, 347–349, 354, 504 f. daneben 21, 92 f., 98, 181, 399 f., 445 f., 1104 dann 20 f., 32, 34, 58, 76, 110, 122, 162, 166, 179 f., 220, 225, 251, 256, 264 f., 274, 279,  



































































































1301

2 Wortregister

285 f., 289 f., 315 f., 318, 322, 325 f., 349– 354, 373, 415, 686 f., 694 f., 699–701, 704, 715, 743, 751 f., 763, 780–782, 822, 957 f., 971, 983, 1075, 1080, 1117, 1123, 1126, 1128 dann und wann 285 f., 387 darauf(hin) 21, 76, 92 f., 98, 134, 179 f., 256, 274, 278, 286, 289, 298, 347–351, 354 darüber hinaus 7, 21, 23, 35, 38, 93, 164, 181, 257, 259, 399, 445, 1103 f., 1106, 1111 f. darum 21, 34, 38, 67 f., 70 f., 76, 92, 98, 165, 168, 179 f., 790, 796, 802, 887, 890–892, 898, 922, 1016, 1024 das heißt/d. h. 19, 1132 f., 1140 f., 1144 f., 1164, 1166, 1171 dass 15, 17 f., 23, 25 f., 34 f., 43 f., 76–78, 82, 96–98, 100 f., 103, 137–145, 155, 168, 186, 199, 232, 259, 318 f., 379, 457, 466, 503, 514, 549, 595 f., 606, 622–635, 671, 692– 694, 696, 711–713, 715 f., 774 f., 777, 781 f., 791, 793–800, 818, 838, 879 f., 877, 893 f., 894, 896 f., 910, 958, 1014–1021, 1023– 1026, 1029, 1031, 1039–1041, 1043, 1066, 1068, 1072, 1090, 1110, 1114 f., 1118 f. dauernd 286, 374 davon abgesehen (dass) 21, 92 davor 21, 40, 76, 92 f., 98, 166, 170, 180 f., 256, 274, 278, 283, 286, 289 f., 295, 298, 347– 349, 354 dazu (dass) 16 f., 21, 35 f., 77, 92 f., 98, 103, 164, 181, 399–401, 596, 606, 1020, 1024, 1047 f., 1059 f., 1072 dazwischen 21, 92 f., 98, 166, 275, 283, 298 dementgegen 21, 82, 180, 513, 515, 540 f., 544 (dem)entsprechend 21, 43, 71, 91, 92, 98, 378, 790, 800, 899 demgegenüber 20, 23, 82, 105, 180, 261, 393, 513, 515 f., 540 f., 544, 551 demgemäß 1, 21, 43, 71, 378, 790, 800, 899 demhingegen 541 demnach 21, 71, 104, 244, 345, 800 demnächst 284, 286, 325 demzufolge 8, 21, 71, 104, 180, 244, 790, 802, 818, 887 denn 23, 77, 196, 720, 791, 798, 801 f., 813, 818 f., 822, 830 f., 833 f., 838–840, 844, 860, 862, 866–874, 881 f., 884 f., 887, 889, 1069 f., 1123 f. dennoch 21, 23, 30, 36, 38, 40, 59, 77, 123, 131, 165, 169, 181, 183, 395, 454, 518, 526, 528,  













































































































537, 541, 551, 557, 564, 677, 702, 794, 903, 909 f., 912 f., 923 f., 933, 935, 937, 949, 957–959, 961, 991 derweil(en) 16, 21, 100, 106, 146, 274, 283, 298, 514 f., 540, 545 f., 876 des Weiteren 21, 399 f., 446 f., 1104 des(sen) ungeachtet/des(sen)ungeachtet (dass) 16, 21, 36, 38, 77, 92 f., 131,155, 169, 181, 903 f., 906–910, 912 f., 930, 936, 954–956, 957 f., 976 deshalb 2, 8, 18, 21, 32–36, 40, 56, 67 f., 70– 72, 76, 147, 155, 157 f., 165, 168, 172, 179 f., 194, 244, 265, 413, 506, 509 f., 575, 752, 790, 794, 796, 802, 818 f., 833, 863–865, 872, 887, 890–892, 898, 920, 923 f., 1017, 1024, 1055 f. deswegen 8, 18, 21, 32, 34, 71, 76, 168,179 f., 197, 265, 604, 715, 752, 790, 796 f., 802, 805, 818 f., 833, 845 f., 855, 865, 887, 889–892, 898, 1024, 1031 diesbezüglich 1, 21, 91, 98, 1166 dieweil(en) 363, 369, 514, 540, 546, 874–876 doch 416, 514–516, 519, 525–528, 530–540, 903, 908–910, 925, 958–961  











































eben 32, 71, 90–94, 98, 111, 305, 354, 361, 628, 678, 809 ebenfalls 21, 165, 181, 399, 402, 445, 717, 1070, 1113 ebenso 21, 138, 165, 181, 399, 402, 442 egal 145, 231, 263, 965 f., 972, 974–976, 980 f., 998, 1001 f., 1005 egal w- (auch immer) 169, 966, 978–981 eh 965 f., 997–1000, 1002–1009 ehe 279, 289 f., 334–337, 339, 508 eher 339 f., 344, 470, 999, 1005 f. einerlei 966, 976 einerseits 20, 130, 513, 530 f., 562–565, 633 einesteils 20, 513, 562–564 einmal 21, 98, 140, 372, 513, 1007 einst 284, 286, 292, 312 einzig (und allein) 22, 91, 98, 166, 920, 922, 990 endlich 20, 42, 76, 91, 98, 180, 274, 281, 284, 296, 298, 349, 353 f., 491 entweder (oder) 19, 146, 163, 170, 174, 249, 251, 262, 429, 444 f., 459–462, 562, 591– 594, 596 f., 599–603, 606 f., 612 f., 616– 618, 625 f., 635–637, 641, 646–648, 650–  



























1302

Register

666, 669 f., 672–674, 677 f., 686, 723, 1049 ergo 21, 134, 168, 790, 795, 890, 898 f. erst 21 f., 76, 91, 95, 98, 180, 275, 281, 285, 295 f., 298, 325, 353 f. erstens (…) zweitens (…) 21, 259, 399, 445, 633 erstmal 21, 76, 275, 285, 298, 354 es sei denn (dass) 23, 77, 92, 147, 235, 265 f., 454, 456, 497, 621, 905, 921, 1063, 1066– 1077, 1087, 1094, 1096, 1100, 1104, 1107 f., 1114 f., 1117–1120, 1123 f. etwa 22, 94, 98, 128, 180, 633, 671  



gleichzeitig 21, 91, 98, 166, 275, 279, 283 f., 286, 298, 368 f., 371 f., 506, 580, 1057  





















falls 8, 16 f., 31, 36, 42, 76, 88, 110, 113–115, 165–167, 250, 262, 321 f., 325 f., 352, 627, 653, 692 f., 711–717, 720–722, 724, 731, 734 f., 749 f., 752, 755–768, 771 f., 774 f., 778, 839, 843, 1037, 1043, 1064, 1070, 1085, 1102–1105, 1112–1114, 1119, 1121– 1125 ferner(hin) 21, 23, 90 f., 98, 146, 181, 259, 399 f., 406, 445–449, 1104 folglich 21, 36, 38, 42, 58, 76, 104, 168, 179 f., 196, 279, 413, 790, 795, 801 f., 887, 890– 892, 898 f. fortan 275, 286, 290, 354, 374, 385 f. freilich 20, 35, 38, 94 f., 180, 513, 516, 533, 541, 551–555, 580, 924, 930, 932, 948 für den Fall (dass) 16, 19, 165, 167, 186, 692– 696, 774 fürderhin 275, 290, 354, 385 f.  































gar 91, 98, 147, 180, 459 f., 467, 1077, 1126 genau genommen 716, 1131, 1140 genau(er) gesagt 20, 180, 1131, 1133–1135, 1138, 1140 f., 1143, 1145–1148, 1155–1157, 1162, 1164 gerade 91, 95, 98, 166, 183, 221, 275, 285 f., 298, 305, 354, 865 f., 922 geschweige (denn) 23, 92, 123, 127 f., 146 f., 259, 393, 395, 451 f., 454–459, 465–471, 497, 905 gesetzt den Fall (dass) 16, 19, 76, 147, 165, 167, 692, 776–781 gesetzt 16, 19, 91 f., 98, 774–784, 1116 gleichfalls 21, 165, 399, 402, 717, 1113 gleichviel 966, 976 gleichwohl 16, 21, 42, 100, 165, 181, 551, 903, 905 f., 912, 924, 931, 944, 946 f.  



















halber 71, 569, 812 f., 1022 hernach 21, 76, 166, 275, 298, 349, 353 f. hierdurch 21, 77, 93, 165, 181, 791, 1047, 1059 f. hierfür 164, 181, 1047 f., 1059 f. hiermit 21, 42, 77, 165, 181, 622, 1047, 1059 f. hierzu 77, 164, 181, 1047 f., 1059 f. hingegen 20, 23, 82, 105, 162, 261, 393 f., 500, 515 f., 518, 522–525, 540–544, 550 f., 565 hinsichtlich 2, 21, 43 f., 800, 1166 hinter(her) 21, 36, 38, 76, 93, 98, 166, 274, 276–278, 298, 349, 354 hinwieder(um) 20, 180, 513, 515, 532, 540, 545–547 höchstens 1, 20, 42, 127, 129, 166, 1126–1128  























id est/i.e. 254, 1132 f., 1140, 1144 f., 1164 im Fall(e) (dass) 16, 19, 93, 569, 692, 710, 716, 751, 761, 772–774, 782 f., 1105, 1118 im Klartext (ausgedrückt/gesprochen) 1131, 1140, 1146, 1148 im Übrigen 20, 254, 1131, 1140, 1153 f. immer(hin) 20, 127–130, 180, 484, 519, 530– 532, 924, 1008 in Anbetracht dessen 21, 43 f., 92, 795, 798– 800 in/mit Bezug darauf (dass) 21, 92, 799 in dürren Worten (ausgedrückt/formuliert/gesagt/gesprochen) 254, 1131, 1140 f., 1149– 1150 in/im Hinblick darauf 1, 21, 43 f., 81 f., 92, 791, 798 f., 800, 1166 in jedem Fall 973, 996 indem 16 f., 77 f., 93, 146 f., 165, 189, 243, 246, 261, 275, 278, 297, 359, 363–365, 378, 393, 395, 420 f., 503, 514, 540, 545, 569– 572, 576, 579 f., 582–588, 1017, 1020, 1024, 1045 f., 1048–1052, 1054–1060 indes(sen) 47, 93, 100, 103, 106, 180, 256, 274 f., 278 f., 286, 290, 297 f., 313, 359, 363–365, 369, 434, 513–515, 525, 540, 545–547, 579, 587 f., 645 f., 907 infolge dessen (dass)/infolgedessen (dass) 17, 20, 40, 43, 104, 168, 180, 244, 276, 790, 890 f., 1017 insbesondere 20, 127, 180, 533 insofern 16, 21, 96, 100, 244, 585, 907, 1074  









































1303

2 Wortregister

insoweit 16, 21, 100 inzwischen 21, 36, 38, 58, 166, 180, 275, 278, 283, 286, 298, 370 f.  

nachher 21, 36, 38, 76, 166, 275, 278, 284, 286, 298, 349, 353 f., 576 nämlich 14, 22, 59, 67, 70–72, 76, 115, 131, 160, 168, 180, 183 f., 189, 194, 413, 440, 632, 677, 790, 795 f., 805, 813, 838, 861, 863, 870, 874, 880–885, 887 f., 898, 1100, 1118, 1131, 1136, 1140, 1146, 1148, 1155–1161 neben 278, 372, 1104 nebenbei (bemerkt/gefragt/gesagt/gesprochen) 92, 98, 164, 254, 677, 1131, 1140, 1152 f. nebenher 21, 275, 278, 298 neulich 284, 286 nicht (…) sondern 249, 251, 463 nicht (…), aber 483–485 nicht einmal 22, 466 nicht nur (…) sondern auch 443, 448, 476 f., 677, 1049, 1104 nichtsdestominder 21, 36, 169, 903, 908, 955 nichtsdestotrotz 21, 36, 38, 42, 77, 169, 179, 181, 526, 551, 903 f., 908, 912 f., 925, 930, 935, 955, 957 nichtsdestoweniger(trotz) 21, 36, 77, 903 f., 955 niemals 387, 983 niemand 259, 344, 452, 459, 466, 468, 1098, 1105 nihilotrotzquam 904 nirgends 456, 459 normalerweise 265, 526 nun 16, 21, 100, 160, 180, 281, 284, 286, 298, 310 f., 354, 533, 907 nunmehr 21, 275, 284, 298, 354 nur 18, 21 f., 43, 50, 90, 97, 130, 134, 137, 166, 180, 196, 203, 293, 416, 434, 514, 516, 519, 528, 530 f., 534, 537, 548, 551, 559–562, 612, 732 f., 836, 846 f., 854 f., 990 f., 1104, 1108, 1114  



ja 19, 71, 94 f., 98, 137, 145, 173, 531, 534, 809– 811, 897, 1078 je nachdem 23, 594, 638, 676 jedenfalls 20, 30, 77, 180, 965, 973, 996 f., 1008, 1113 jedoch 20, 35, 38, 95, 103, 130, 169, 180, 230, 244, 260 f., 393 f., 413, 513 f., 516, 522, 524–526, 528, 530 f., 535–537, 539–541, 551, 558, 561, 564, 654, 903, 910, 912, 919, 925, 949, 959, 1114 jemals 88, 455 jetzt 284, 286, 310–312, 319, 1137  



















kann sein (…) kann sein 138, 595, 599 kaum (dass) 23, 76, 94, 97 f., 173 f., 176, 182, 276, 279, 285 f., 288, 290, 292, 297 f., 305, 328, 354–357, 360–363, 387, 466, 469 keinesfalls 456, 716 kurz(er) (ausgedrückt/formuliert/gefasst/gefragt/gesagt/gesprochen) 20, 92, 180, 676, 1131 f., 1140 f., 1148–1150 kurz und gut 1131 f., 1140 f., 1150 kurzum 1131 f., 1140 f., 1148 f., 1165  





















lediglich 22, 166, 180, 559 mal 21, 275, 279, 284–286, 369, 372, 467, 491– 493, 513, 546, 562, 565 f., 599, 642, 1007, 1136 mal (…) mal 21, 285, 512, 513, 546, 562, 565, 599, 642 manchmal 285 f., 373, 387, 1007 mit anderen Worten (ausgedrückt/formuliert/ gefragt/gesagt); m. a. W. 180, 254, 1131, 1140, 1142 mithin 20, 168, 180, 790, 890–892, 1002 mittlerweile 21, 275, 279, 284, 298, 370 f. möglicherweise 192, 671, 971  





























ob 15, 17, 23, 25 f., 30, 34, 96–98, 115, 140, 145, 147, 169, 201, 264, 266, 318 f., 594 f., 599, 618, 628, 638–640, 696, 712, 724 f., 800, 904, 909 f., 957, 965, 968, 972, 974–976, 980, 985, 991 f., 996, 998, 1001 ob … oder ob 97, 169, 264, 266, 638, 974, 1001 obendrein 7, 21, 23, 35, 38, 155, 164, 181, 257, 259, 399, 445–448, 1153 obgleich 7, 16 f., 77, 82, 94, 97, 115, 169, 199, 604, 903, 908, 912 f., 921, 923–927, 929 f., 934, 936 f., 941–944  











nachdem (dass) 16 f., 64, 76, 93, 102–104, 134, 154 f., 166, 170, 173, 176, 182, 206, 213, 215–217, 226 f., 241, 255 f., 276, 278 f., 281 f., 289 f., 293, 295–297, 300–302, 327– 339, 342, 355, 357 f., 361, 379 f., 382 f., 790 f., 794, 801 f., 874, 876 f.  

































1304

Register

obschon 16, 77, 82, 97, 115, 169, 199 f., 257, 604, 903, 907 f., 912 f., 923 f., 930, 932, 934, 937, 942–944 obwohl 7, 16, 23, 26, 36, 38 f., 47–49, 64, 77, 82, 97, 115, 124, 147, 154, 165, 169, 172 f., 177, 189, 193, 198 f., 201, 257, 260, 263 f., 266, 454, 505–508, 515, 518, 520, 526, 528, 537, 545, 581 f., 604 f., 781, 794, 828, 839, 844, 852, 856, 865, 903, 907 f., 911–915, 917–925, 928–940, 942–944, 947, 951 f., 954, 961, 985, 1137 obzwar 16, 77, 82, 97, 115, 526, 903, 908, 913, 922, 926, 930, 932, 934, 937, 941 f., 944 oder 19, 37, 46, 74, 108, 110 f., 145 f., 148, 154, 156, 164, 170, 177, 245, 251, 254, 262, 401, 407 f., 416, 442, 465, 475, 492, 591– 614, 616–645, 648–651, 658, 693, 697, 706–709, 723, 966, 973, 980, 1049, 1101, 1103, 1132, 1139 f., 1164 f. oft/öfter 221 f., 285 f., 325, 369, 387, 981 oftmals 373, 1007 ohne (dass) 16 f., 39, 123, 140–142, 146, 232, 245 f., 259, 393, 395, 451–454, 457, 473, 503–510, 695, 910 f., 921 f. ohnedies 21, 42, 77, 503, 965, 973, 996–1000, 1002–1009 ohnehin 21, 42, 77, 147, 165, 169, 263, 965, 973, 996–1000, 1002–1009  















































plötzlich 65, 305, 366

seitdem 21, 40, 76, 93, 104, 170, 180 f., 214, 240, 256, 275 f., 278, 283, 286, 289 f., 374, 378–381, 383, 385, 488 f. seither 21, 76, 275, 278, 286, 290, 385, 488 selten 285 f., 295, 387, 469 f., 979 sintemal(en) 16, 104, 134, 379, 790, 818, 874 f. so (dass) 34, 70, 103, 140, 791, 793, 818, 826, 887, 889, 892–894, 896–898, 1015–1017, 1026, 1034 so oder so 966, 1000 so oft 286, 290, 387, 979 so … (auch) immer 361, 982 f., 992 so 692, 694–697, 700 f., 704, 715, 743, 744– 747, 750–752, 755 f., 763, 771 f., 780 sobald 16 f., 76, 170, 182, 226 f., 276, 279, 289 f., 292, 297, 307, 321, 326, 341, 355–360 sodann 21, 76, 180, 274, 279, 298, 349, 354 sodass 8, 17 f., 25, 31, 34, 36, 40, 56 f., 64, 69 f., 72, 76, 82, 94, 97, 103, 140, 155, 167 f., 171 f., 196, 265, 289, 337, 379, 791, 794, 796 f., 802, 818, 892 f., 897 f., 916, 1017 f., 1020 sofern 8, 16, 36, 76, 113 f., 250, 262, 325 f., 352, 692 f., 750 f., 755–764, 766–771, 775, 1085, 1091 f., 1105 sofort 21, 275, 279, 284, 286, 292–294, 298, 349, 354 sogar 7, 22, 77, 127, 147, 317, 477, 722, 909, 918, 950 f., 965, 973, 982–991, 993, 1082 sogleich 21, 76, 275, 292, 298, 349, 354 solang(e) 5, 16 f., 34, 107 f., 132 f., 214, 224, 226–228, 275–277, 279, 286–288, 290– 292, 295 f., 359, 374–377, 384–386 soll heißen 1132 f., 1140, 1144 somit 21, 77, 168, 181, 790, 795, 802, 887, 890 f., 1047, 1059 f. sondern 19, 27, 73, 123, 129 f., 146, 154, 163, 229, 249, 251, 254, 259, 393, 396, 443, 448, 451 f., 454–456, 460, 463, 471–488, 497–500, 502, 519, 614, 629, 632, 677, 905, 920, 922, 944, 1117, 1119, 1132, 1136, 1139 f., 1163 f. sonst 21, 77, 142, 147, 231, 235, 266, 454, 594, 600, 624–627, 637, 669, 905, 1063–1065, 1067 f., 1070, 1072–1075, 1082 f., 1085, 1087–1091, 1093–1098, 1100, 1102–1106, 1108 f., 1111–1114, 1116, 1120 f., 1123, 1153 sooft 16, 34, 125, 146, 256, 276, 279, 287, 290 f., 296, 387–389  

















































































schließlich 21, 58, 70, 76, 91, 98, 110, 131, 166, 168, 179 f., 188, 196, 274, 285, 354, 790, 795–797, 838–840, 874, 880–885, 888 schon 14, 21, 94–96, 98, 140, 144, 180, 251, 274, 295, 305, 317, 325, 360–363, 388, 459, 467, 516, 624, 735, 827, 857, 904, 908 f., 930, 1005, 1099 f., 1154 sei es 23, 77, 147, 169, 174, 497, 594 f., 599, 638–640, 918, 965, 972, 974–978, 980 seit 16 f., 42, 64, 76, 93, 98, 104, 136, 170, 214, 217, 227 f., 240, 256, 276, 278 f., 289 f., 292, 374, 378–385, 424, 488 f.







respektive/respective/resp. 19, 254, 262, 575, 593 f., 596–600, 603, 622, 632, 641, 667, 672, 675 f., 678, 1132, 1136, 1140, 1165 f.



























1305

2 Wortregister

soviel 16, 100 soweit 16, 21, 100, 768–771, 1074 sowie 16, 19, 37, 39, 76, 90, 96, 101, 103, 126, 182, 259, 276, 279, 289, 292, 297, 308, 328, 355–360, 388, 395 f., 399 f., 407 f., 422, 424, 426–428, 430–436, 439–443, 445, 497, 1006 sowieso 21, 77, 96, 145, 147, 165, 169, 965, 970, 973, 996 f., 998–1009 sowohl (als/wie (auch)) 7, 19, 37, 39, 96, 103, 126, 146, 163 f., 170, 174, 251, 259, 395 f., 399 f., 407 f., 418, 422, 424–434, 436–444, 459, 461 f., 497, 641, 663 sozusagen 677, 1131, 1134, 1136, 1140, 1143 später 21, 36, 38, 42, 91, 99, 275, 279, 281, 284, 286, 296, 298, 347–349, 571, 804 sprich 19, 1132, 1140, 1144 statt (dass) 16, 23, 64, 73, 93, 97, 99, 129 f., 146 f., 155, 163, 234, 259, 451–457, 473, 484, 488–492, 494–502, 508–510, 921 f. statt dessen/stattdessen 21, 23, 67, 73, 129, 142, 146, 181, 259 f., 396, 451–454, 456, 468, 475 f., 484, 488 f., 492 f., 495–497, 500–502, 558, 628 f., 632, 1164 stets 325, 387, 982 streng genommen 705, 1136  























unbeschadet (dessen (dass)) 16, 21, 44, 72, 169, 903–904, 908–910, 930, 954, 956 f. und 393–396, 399–426, 428 f., 431–447 und so weiter/usw. 425, 668, 670 und zwar 172, 184, 244, 254, 677, 880, 882, 1131, 1140, 1143, 1146–1148, 1155–1161 und/oder 19, 46, 53, 108, 110, 251, 262, 592 f., 594, 596, 599, 601, 302, 608, 625, 637 f., 642, 646, 648–650, 657–664, 672–674, 677 f., 680 f., 709, 1086, 1101 ungeachtet (dessen (dass)) 16, 21, 36, 38, 77, 92 f., 131, 155, 169, 181, 903 f., 906 f., 909 f., 912 f., 930, 936, 954–958, 976 unter 277 f., 327 unter Berücksichtigung dessen (dass) 2, 43, 799 f. unter der Annahme (dass) 772, 774 unter der Bedingung (dass) 709 f., 751, 772 f. unter der Voraussetzung (dass) 709, 772–774 unterdes(sen) 21, 93, 274, 278, 283, 298, 369 unterstellt 16, 19, 99, 775  







































teils 21, 399 teils (…) teils 565, 599 trotz (dass) 92 f., 508, 904, 909, 913, 950, 954 f. trotzdem (dass) 16, 21, 23, 36, 40, 44, 67, 77, 92, 94, 100, 131, 147, 165, 169, 179, 181, 276, 378, 413, 483, 518, 520, 526, 528, 537, 541, 551, 557 f., 604, 706, 903–905, 907 f., 910, 912–914, 917, 920, 924, 930, 934, 936–938, 949, 954 f., 957–959, 961  









überdies 21, 93, 164, 181, 399, 445–448 überhaupt 21, 180, 324, 326, 991, 1077, 1126, 1131, 1140, 1152, 1154 f. übrigens 21, 180, 1131, 1140, 1152, 1154 f. um (…) zu 1014 f., 1020–1022, 1034, 1040 f. um so/umso mehr, als 18, 34, 127, 468, 791, 797 f., 818, 874, 877–879 um so/umso weniger, als 18, 127, 791, 797 f., 818, 878 f. umso weniger (…) als (vielmehr) 18, 127, 487, 791, 797 f., 818, 874, 878 f.  

















vermutlich 15, 139, 197, 361, 488, 618 vielleicht 22, 90, 197, 1089 vielmehr 21, 146, 181, 244, 254, 259, 451 f., 454, 456, 471–474, 476, 487 f., 497, 501 f., 519, 594, 601, 628–630, 632, 676–678, 905, 1131, 1136, 1140, 1163 f. vor 277 f., 409, 604, 813 vor allem 21, 127, 166, 180, 533, 535, 1124 vorausgesetzt (dass) 8, 16, 19, 25, 27, 31, 33, 37, 42, 56 f., 76, 91 f., 99, 692, 732 f., 775– 778, 781–786, 977, 1066, 1116 vorher 21, 93, 166, 180 f., 275, 278, 289, 298, 347–350, 354, 576, 1005 f., 1213  



















während 9, 17, 23, 42, 44 f., 47 f., 50, 64 f., 74, 78, 91–93, 99, 103, 106, 146, 155, 161, 166, 172, 177, 199, 206, 220, 226 f., 230 f., 241, 245, 256, 261, 276, 279, 282, 287, 290 f., 293, 297 f., 303–305, 308, 313, 329, 359, 363, 365–368, 374 f., 382, 424, 500 f., 514 f., 518, 522–525, 540, 545, 547–551, 578 f., 582, 587, 802, 844, 921 f. währenddessen 17, 40, 92, 100, 106, 180, 256, 274, 276, 283, 295, 297 f., 363–365, 369, 410, 513 f., 525, 540, 545–548, 578 f., 907 wahrscheinlich 49, 143, 145, 197, 462, 548, 793 f.  































1306

Register

wann 145, 162, 221 f., 256, 286, 288, 285, 290 f., 296, 306, 338 f., 342, 374, 718 f., 765, 921, 980 warum 127, 131, 158, 172, 176, 202, 850–852, 870 f., 873, 895 f., 921, 1034 f. was auch immer 975, 980–982, 994 weder (noch/weder) 37, 123, 127, 140, 146, 163, 174, 229, 231, 251, 259, 393, 395 f., 407 f., 429, 444 f., 451 f., 454–464, 466–470, 475, 479, 612, 635, 637, 641, 644, 652 f., 655, 662, 664 f., 687, 905, 1072 wegen 143, 196, 569, 604, 677, 805, 812–814, 1013, 1123 weil 8, 15, 17, 25 f., 30–38, 44 f., 47–50, 53, 55 f., 64, 68–71, 74, 76, 78, 82 f., 103, 106, 108 f., 115, 125–127, 131 f., 142–144, 146 f., 154–158, 165, 167 f., 171 f., 176–178, 182 f., 188–190, 192, 194–202, 229 f., 263, 265, 279, 289, 337, 359, 362, 545, 549, 569, 574, 582, 596, 604 f., 640, 687, 704, 714 f., 752, 756, 772, 781, 790, 792–794, 796– 798, 801 f., 810–813, 816, 818–821, 826– 828, 830, 832–836, 838–874, 884–891, 896 f., 915, 920, 922–924, 929, 935, 942, 944, 1017, 1023, 1029–1031, 1034–1036, 1039 f., 1046, 1054–1056, 1137 weiter 21, 91, 99, 399, 448 weiterhin 21, 126, 166, 181, 275, 286, 385 f., 399, 448 weiters 21, 399, 448 f. wenig 96, 469, 1005, 1077 wenigstens 1, 21, 127–130, 166, 180, 484, 530– 532, 536, 1008, 1090 wenn 2 f., 6–8, 16 f., 27, 30, 32–34, 36, 39, 42, 49 f., 56 f., 64, 76 f., 88, 94, 103, 107, 109 f., 113–115, 125 f., 134 f., 138, 141 f., 144 f., 147, 154, 162, 165, 167 f., 169, 177, 184, 186, 189, 190, 192, 196, 198 f., 201, 210, 213, 231, 235, 250 f., 256, 260, 262, 263 f., 276, 279, 287, 289–292, 294, 296–299, 304 f., 317–327, 333 f., 342 f., 352, 358, 388, 507, 520, 526, 546, 569, 591, 593, 596, 606, 618, 621, 626 f., 634, 676, 686 f., 692 f., 696 f., 699, 701–716, 718–727, 729–732, 734–738, 740–750, 752 f., 755–758, 760– 768, 771, 774 f., 778–782, 791, 820–822, 824, 826–828, 834, 846, 839, 904, 909 f., 917 f., 920, 922, 954, 957, 971, 983–990, 992 f., 995, 1001, 1023, 1029–1031, 1034–  

















































































































1037, 1039 f., 1043, 1056, 1067 f., 1071, 1074–1078, 1080–1095, 1105–1110, 1117– 1120, 1126–1128 wenn (…) auch 7, 17, 36, 40, 77, 182, 317, 324, 722, 766, 904, 908, 912, 918, 921, 923 f., 929–932, 934, 936–939, 941 f., 944, 947– 954, 982 f., 986–988 wenn (…) schon 317, 635, 827, 904, 908 f., 944 wenngleich 7, 17, 36, 38, 40, 77, 103, 169, 173, 177, 182, 317, 766, 904, 906 f., 912, 921, 923 f., 930–932, 934, 936 f., 941 f., 944– 947, 961 wennschon 17, 77, 94, 103, 904, 947 wennzwar 77, 904, 930, 941 weshalb 18, 26, 36, 64, 70 f., 76, 92–94, 99, 155, 157, 168, 190, 196, 230, 265, 575, 791 f., 796, 886 f., 892, 894–896, 916, 921 weswegen 18, 70 f., 92–94, 99, 196, 265, 791, 796, 892, 894–896, 916, 1013 widrigenfalls 77, 100, 627, 716, 907, 1063, 1065, 1068, 1082, 1100, 1102, 1112–1114, 1121 f., 1124 f. wie ADJ/ADV (…) auch (immer) 77, 147, 169, 388 wie wenn 2 f., 41, 205 wieder 180, 513, 515, 525, 533, 545–547, 565 wiederum 166, 180, 393, 513, 546 f. wieso 870, 895 f. wiewohl 7, 17, 36, 39, 77, 96, 169, 173, 177, 182 f., 904, 906 f., 912, 923, 926 f., 929– 932, 934, 937, 939, 941 f., 945–947, 960 f. will heißen 1132 f., 1140 will sagen 19, 1132, 1140 f., 1144 wo 17, 92 f., 99, 147, 256, 276,296–298, 310– 313, 388, 637, 696, 904, 960–962, 980, 982, 1001 wobei 18, 31, 45, 47–49, 92 f., 99, 103, 106, 146 f., 155, 177, 199, 245, 261 f., 278, 393, 421, 503, 545, 569–582, 586, 781, 844, 904, 910, 929, 933, 938 f., 960 f. wodurch 18, 77, 92 f., 99, 263, 571, 575, 921, 1020, 1047, 1059 f. wofern 17, 93, 991 wofür 77, 1013, 1047 f., 1059 f. wogegen 18, 92 f., 99, 155, 261, 394, 500, 514, 525, 540 f., 544 f., 547, 921 wohingegen 18, 23, 25, 93, 146, 261, 500, 514, 522, 524 f., 540 f., 544, 547, 550 womit 18, 77, 92 f., 99, 571, 575, 1047, 1059 f.  





















































































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2 Wortregister

wonach 18, 76, 92 f., 99, 146, 276, 278, 297, 306 f., 345 worauf 18, 76, 92 f., 99, 155, 276, 278, 297, 306 f., 345–347, 350 woraufhin 18, 64, 76, 93, 134, 155, 167, 276, 297, 306 f., 345–347, 350 wozu 77, 172, 921, 979, 1013, 1020, 1034, 1047 f., 1059 f.  













zum Beispiel/z. Bsp./z.B. 21, 43, 180, 254, 632, 1131, 1140, 1162 f. zum einen (…) zum ander(e)n 21, 513, 530 f., 562 f. zumal (da) 8, 18, 22, 70, 76, 100, 126 f., 165– 168, 176, 180, 189, 791, 796–798, 818, 844, 874, 879, 907 zumindest 1, 21, 127, 166, 180 f., 530 f., 665 zunächst 21, 58, 275, 279, 283, 285, 298, 349 f., 353 f. zusätzlich 21, 91, 99, 164, 399, 445–447 zuvor 21, 67, 76, 93, 166, 229, 275, 277, 281, 283, 298, 349, 354 f. zwar (… aber) 14, 21, 58, 95, 130, 483 f., 513, 516, 528–532, 551, 553–555, 558, 600, 924 f. zwischendurch 21, 93, 166, 275, 278, 284, 298, 369 f. zwischenzeitlich 21, 275, 298  















zudem 21, 181, 378, 399 f., 446 f. zuerst 21, 36, 76, 166, 275, 284 f., 298, 349, 353 f. zugleich 21, 275, 279, 293, 298, 369, 371 f., 476 f., 578, 654 zuguterletzt/zu guter Letzt 21, 274, 284, 298, 353 f. zuletzt 21, 76, 166, 274, 283, 298, 353 f.