Haftung in Absatzketten im französischen Recht und im europäischen Zuständigkeitsrecht [1 ed.] 9783428494866, 9783428094868

Die traditionelle Produkthaftung ist in Frankreich - anders als im deutschen Recht - im wesentlichen anhand von vertragl

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Haftung in Absatzketten im französischen Recht und im europäischen Zuständigkeitsrecht [1 ed.]
 9783428494866, 9783428094868

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MARKUS BEAUMART

Haftung in Absatzketten im französischen Recht und im europäischen Zuständigkeitsrecht

Schriften zum Internationalen Recht

Band 103

Haftung in Absatzketten im französischen Recht und im europäischen Zuständigkeitsrecht Von

Markus Beaumart

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Beaumart, Markus:

Haftung in Absatzketten im französischen Recht und im europäischen Zuständigkeitsrecht / von Markus Beaumart. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 103) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09486-7

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-09486-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist einem Problemzusammenhang gewidmet, der in Frankreich eine vom deutschen Recht abweichende Lösung gefunden hat: Die Haftung in Absatzketten bzw. in "groupes de contrats" wurde im französischen Recht im wesentlichen anhand vertraglicher Anspruchsgrundlagen entwickelt. Diese Grundentscheidung für das Vertragsrecht erklärt zum Teil die verspätete Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie in Frankreich; denn die Richtlinie fordert insoweit die Einführung einer vertragsunabhängigen Haftung. Erst mit Gesetz Nr. 98 - 389 vom 19. Mai 1998 hat Frankreich sich den europarechtliche Vorgaben angepaßt. Die Arbeit hat im Wintersemester 1997/98 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation vorgelegen. Hinweise auf den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie konnten noch bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Mai 1998 aufgenommen werden. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Alexander Lüderitz, danke ich für vielfältige Unterstützung und Förderung. Köln, im Mai 1998

Markus Beaumart

Inhaltsverzeichnis Einleitung .............................................................................

17

Erster Teil

Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

19

A. Grundlegung .......................................................................

19

I. Begriff der Absatzkette als Ausdruck einer absatzorientierten Haftung ...........

19

11. Grundlagen des französischen Haftungsrechts ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1. Vertragsrecht..................................................................

21

2. Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

3. Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktsrecht .............................

23

4. Grundsatz des non-curnul .....................................................

23

Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht in Absatzketten .....................

24

B. Vertragliche Ansprüche.............................................................

25

I. Ansprüche im unmittelbaren Verhältnis der Parteien des letzten Geschäfts . . . . . . . .

25

1. Kaufrecht .....................................................................

25

m.

a) Sachrnängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

aa) Fehlerbegriff ..........................................................

26

bb) Verborgenheit des Fehlers .. . . .. . . . . . . .. . . .. . . . .. .. . .. .. . . . .. . . . . . .. . . .

27

cc) Schadensersatzhaftung des bösgläubigen Verkäufers ..................

28

dd) Gewährleistungsfrist ..................................................

29

ee) Haftungsbeschränkungen .............................................

30

ff) Haftungsumfang ......................................................

31

8

Inhaltsverzeichnis b) Haftung wegen Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware.....................

32

aa) Abgrenzung zum Gewährleistungsrecht ...............................

32

bb) Verschulden ..........................................................

35

cc) Verjährung............................................................

35

dd) Haftungsbeschränkungen .............................................

35

ee) Haftungsumfang ........................................ ..............

36

c) Verletzung von Aufklärungspflichten ......................................

36

aa) Herleitung der Aufklärungspflichten ..................................

37

bb) Umfang der Aufklärungspflicht .......................................

37

cc) Verschulden ..........................................................

39

d) Verletzung einer obligation de s~urite .....................................

39

aa) Abtrennung der obligation de securite von sonstigen Pflichten. . . . . . . . .

39

bb) Inhalt der obligation de securite .......................................

40

cc) Verhältnis zur Sachmängelhaftung ....................................

42

dd) Einfluß der Produkthaftungsrichtlinie .................................

43

e) Sicherheitspflichten nach Produkthaftungsrecht ............................

44

2. Werkvertragsrecht ............................................................

45

a) Allgemeines ...............................................................

45

b) Bauunternehmerhaftung nach Art. 1792 ff., 2270 Cc .......................

46

II. Rückgriff innerhalb einer Absatzkette ............................................

46

1. Prozessuale Möglichkeiten....................................................

47

a) Selbständige Rückgriffsklage ..............................................

47

b) Einbeziehung Dritter in den Prozeß, insbesondere durch appel en garantie.

48

2. Materiellrechtliche Besonderheiten ...........................................

50

a) Vorhandensein des Sachmangels ...........................................

50

b) Verborgenheit des Sachmangels ............................................

51

c) Fristbeginn ................................................................

51

d) Haftungsbeschränkungen ..................................................

52

ill. Direktansprüche gegen Vormänner in der Absatzkette ............................

52

1. Begriff und Ursprung der action directe .......................................

53

2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Relativität der Vertragsbeziehungen .....

56

3. Dogmatische Begründung der action directe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

57

a) Obligation propter rem ....................................................

58

b) Stillschweigender Vertrag zugunsten Dritter ...............................

61

Inhaltsverzeichnis

9

c) Stillschweigende Forderungsabtretung .......... . .......... . ........ . ......

62

d) Theorie der Vertragsgruppen ...............................................

64

e) Billigkeit als Grundlage der action directe .................................

66

f) Stellungnahme ............................................................

67

4. Entwicklung in der Rechtsprechung ...........................................

68

a) Ausgangslage: Überwiegen des Deliktsrechts ..............................

69

b) Ausschließlichkeit des Vertragsrechts in kaufvertraglichen Ketten..........

70

c) Vertragsrecht in aus Kauf- und Werkverträgen zusammengesetzten Ketten.

71

aa) Werkvertrag gefolgt von einem Kaufvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

bb) Kaufvertrag gefolgt von einem Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

d) Vertragsrecht innerhalb von groupes de contrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

aa) Subuntemehmerverträge ..............................................

75

bb) Sonstige Vertragsgruppen .............................................

77

e) Rückgang der vertraglichen Haftung.......................................

78

f) Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht in der jüngsten Rechtspre-

chung .....................................................................

81

aa) Vertragsketten, die zum Eigentumsei"Werb führen .....................

81

bb) Vertragsketten ohne Eigentumserwerb ................................

84

V. Inhalt der ac~on directe in einzelnen Vertragsarten ...............................

85

1. Kaufrecht .....................................................................

85

2. Werkvertragsrecht ............................................................

87

VI. Praktische Umsetzuung der action directe ........................................

88

I. Entbehrlichkeit eines Vorgehens gegen den Zwischenschuldner ...............

88

2. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts .......................................

89

a) Örtliche Zuständigkeit .....................................................

89

b) Übertragung von Zuständigkeitsvereinbarungen auf den Endabnehmer .....

90

3. Rechtsfolgen der action directe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

a) Umfang der Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Übertragung von Haftungsbeschränkungen auf den Endabnehmer . . . . . . . . . .

93

c) Anrechnung des Mitverschuldens eines Zwischenglieds....................

95

10

Inhaltsverzeichnis

C. Deliktische Ansprüche ..............................................................

96

I. Deliktische Haftung von Herstellern und Verkäufern .............................

96

1. Verschuldenshaftung nach Art. 1382, 1383 Cc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

a) Ableitung des deliktischen Verschuldens aus der Figur der opposabilit~ .... aa) Auffassung der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auffassungen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 98

b) Verschulden bei Fabrikations- und Konstruktionsfehlern ...................

99

c) Verschulden bei der Verletzung von Nebenpflichten ........................

99

d) Verzicht auf das Verschuldenserfordernis bei Verletzung der deliktischen obligation de s~curit~ ...................................................... 100 2. Sachhalterhaftung nach Art. 1384 Abs. 1 Cc .................................. 102 a) Begründung einer Gefährdungshaftung für Sachen ......................... 102 b) Begriff der garde de la chose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 3. Haftungsumfang ................................................. . ............ 104 a) Allgemeines ............................................................... 104 b) Anrechnung von Mitverschulden ........................... . .............. 104 ll. Deliktische Haftung von Werkunternehmern ..................................... 105 1. Haftung von Bauunternehmern gegenüber Dritten ............................. 105

2. Haftung in Subunternehmerverträgen ................. . ....................... 105 D. Anspüche nach dem Produkthaftungsgesetz ......................................... 106 1. Umsetzung der EWG-Richtlinie Nr. 85/374 vorn 25. Juli 1985 .................. 106 ll. Voraussetzungen der Produkthaftung ..................... . ....................... 109 1. Schädigung durch ein Produkt ................................................ 11 0

2. Sicherheitsmangel des Produkts............................................... 112 3. Inverkehrbringen ............................................................. 113 4. Kausalität..................................................................... 114 5. Adressaten der Haftung....................................................... 115 a) Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Lieferanten................................................................ 116 c) Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer .................................. 117 1lI. Entlastungsmöglichkeiten des Herstellers........................................ 119 1. Fehlendes Inverkehrbringen ................................................... 119

2. Später entstandener Mangel ................................................... 119

Inhaltsverzeichnis

11

3. Fehlende kommerzielle Ausrichtung.......................................... 120 4. Einwand des Entwicklungsrisikos ............................................. 120 5. Übereinstimmung mit zwingenden Vorschriften............................... 122 6. Entlastung des Herstellers von Einbauteilen ................................... 123 IV. Produktbeobachtungspflicht ..................................................... 123 V. Haftungsumfang ................................................................. 125 1. Ersatzfähiger Schaden ........................................................ 125 a) Personenschäden.......................................................... 125 b) Sachschäden............................................................... 125 c) Keine Selbstbeteiligung .......... .. ....................................... 126 d) Keine Haftungshöchstgrenze ............................................... 126 2. Haftungsminderung infolge Mitverursachung durch den Geschädigten und Dritte......................................................................... 127 VI. Haftungsbeschränkungen ........................................................ 128 VII. Verjährung und Erlöschen........................................................ 128 1. Verjährung .................................................................... 128 2. Erlöschen..................................................................... 129 VIII. Verhältnis der Produkthaftung zu anderen Anspruchsgrundlagen ................. 129

Zweiter Teil

Internationale Zuständigkeit

131

A. Räumlicher Anwendungsbereich des EuGVÜ ....................................... 131 B. Überblick über einzelne besondere Zuständigkeiten ................................. 132 I. Gerichtsstandsvereinbarungen ................................................... 132 II. Gerichtsstand des Erfüllungsorts ................................................. 133 III. Gerichtsstand des Tatorts ........................................................ 135 IV. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft ........................................... 136

12

Inhaltsverzeichnis V. Gerichtsstand der Gewährleistungs- und Interventionsklage

137

VI. Verbrauchersachen ............................................................... 139 C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Gegensatzpaar Vertrag und Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Grundsatz der autonomen Auslegung ......................................... 140

2. Anspruchskonkurrenz ......................................................... 141 11. Abgrenzung von Vertrag und Delikt.............................................. 141 1. Entscheidung in Sachen Handte/TMCS ....................................... 141

2. Urteilsbegründung und deren Kritik........................................... 142 3. Deliktische Qualifikation der action directe ................................... 145 III. Folgerungen für zusammenhängende Fragen..................................... 147 D. Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen gegenüber einem nicht am Abschluß beteiiigten Endabnehmer ........................................................... 148 I. Erfordernis einer Vereinbarung zwischen den Parteien ........................... 148 11. Erstreckung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf Dritte ........................ 148 III. Erstreckung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf den Endabnehmer als Rechtsnachfolger? ...................................................................... 150

Dritter Teil

Anwendbares Recht

152

A. Überblick über deutsches internationales Privatrecht ................................ 152

I. Qualifikationsfragen ............................................................. 152 11. Behandlung des non-cumul ................................... . .................. 155 B. Französisches internationales Privatrecht... . ... . . . . . . .. .... . . .. . . .... ... .... . .. . . . .. 155 I. Qualifikation von vertraglichen Direktansprüchen ................................ 155 1. Einfluß des non-cumul ........................................................ 157

Inhaltsverzeichnis 2. Vorherrschaft der Qualifikation lege fori in der Rechtsprechung

13

158

3. Probleme infolge Qualifikationsdifferenzen ................................... 158 a) Keine Anwendung fremden Deliktsrechts im Wege der qualification en sous-ordre ................................................................. 159 b) Ausschluß des Renvoi infolge abweichender Qualifikation ................. 160 c) Kein Eingreifen der action directe als Bestandteil der lois de police ........ 160 4. Abweichende Lösung der Qualifikationsfrage in der Literatur................. 161 a) Autonome Qualifikation der Auslegung des EuGVÜ folgend............... 161 b) Kumulative Anwendung der an einer Vertragskette beteiligten Rechte...... 162 c) Qualifikation nach der lex causae des ersten Vertrages ..................... 163 5. Zusammmenfassung .......................................................... 163 11. Anknüpfung der action directe anhand der Kollisionsregeln des internationalen Vertragsrechts ................................................................... 164 III. Anknüpfung von Ansprüchen anband der Kollisionsregeln der Produkthaftungskonvention ...................................................................... 166

Vierter Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse

167

Anhang I .............................................................................. 171 Anhang 11 ............................................................................. 172 Anhang 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 179 Literaturverzeichnis ................................................................... 182 Sachwortverzeichnis ................................................................... 195

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere Ansicht

AB!.EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

Alt.

Alternative Anmerkung

Anm. Art.1 art. Aufl.

Artikel Auflage

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

Bd.

Band Bekanntmachung

Bek. BGB!.

Bundesgesetzblatt

BuH. civ.

BuHetin des arrets de la Cour de cassation, chambres civiles

CA

Cour d' Appel

Cass. ass. plen.

VoHversammlung des Kassationshofs Kassationshof, Zivilkammer

Cass. civ. Cass. com.

Kassationshof, Kammer fUr Handelssachen

C. assur. Cc

Code des assurances Code civil

C. com. C. consom.

Code de commerce Code de la consommation

chron.

chronique commentaire comm. Contrats, conc., consom. Contrats, concurrence, consommation C. sante pub!.

Code de la sante publique

D.

Recueil Da1loz

D.H.

Recueil hebdomadaire Da1loz Droit international prive

DIP Diss. Doc. doctr. D.P. EG EGBGB Ein!. Entsch.

Dissertation Document doctrine Recueil periodique Da1loz Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum BUrgerlichen Gesetzbuch Einleitung Entscheidung

Abkürzungsverzeichnis Erg.-Bd. EuGH EuGH, Slg. EuGVÜ EWG f.

Fasc. ff.

Fn. Frz.HWR Frz. ZR FS Gaz. Pa!. h.M. Hrsg. HS info rap. int. IPR IPRax i.V.m. IZPR IZVR J.-C!. JCP JCP6d. E JDI J.O. jur. JZ l6g. lit LugÜ

m. m.E. m.w.N. NCPC NJW

15

Ergänzungsband Europäischer Gerichtshof Enscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, Amtliche Sammlung EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Wirtschafts gemeinschaft folgende Fasciscule fortfolgende Fußnote Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht Französisches Zivilrecht Festschrift Gazette du Palais herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz informations rapides international Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Verbindung mit Internationales Zivilprozeßrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Juris-Classeur Juris-Classeur p6riodique (semaine juridique) Juris-Classeur p6riodique (semaine juridique), Mition entreprise Journal du Droit international (Clunet) Journal Officiel jurisprudence Juristenzeitung l6gislation Buchstabe Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Nouveau code de procedure civil Neue Juristische Wochenschrift

16 Nr. PHI RabelsZ Rep. Rep. Foro it. Req. Resp. civ. et assur. Rev. arb. Rev.crit.dr.int. pr. Richt!. Riv.dir.int.priv.proc.

RIW RJDA Rs. Rspr. RTDciv. RTD euro Rz.

S. somm. somm. comm. Stichw. st. Rspr. vg!. WM ZEuP Ziff. zit. ZPO

ZZP

Abkürzungsverzeichnis Nummer Produkthaftpflicht international Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Repertoire Il Foro italiano Kassationshof, Chambre des Requetes Responsabilite civile et assurance Revue de I' arbitrage Revue critique de droit international prive Richtlinie Rivista di diritto internazionale privato e processuale Recht der internationalen Wirtschaft Revue de jurisprudence de droit des affaires Rechtssache Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit civil Revue trimestrielle de droit europeen Randziffer Seite sommaire sommaires commentes Stichwort ständige Rechtsprechung vergleiche Wertpapiennitteilungen Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Ziffer zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Die traditionelle französische Produkthaftung sowie bestimmte verwandte Haftungsfragen beruhen weniger auf der Entwicklung besonderer Anspruchsgrundlagen, sondern eher auf verfahrensrechtlichen Besonderheiten. Diese bekannten, aber noch nicht näher untersuchten Fragen sollen im Mittelpunkt der Darstellung stehen. Einzugehen ist dabei zum einen auf die Regreßmöglichkeiten der in eine Absatzkette eingebundenen Personen, zum anderen auf die in solchen Vertragsketten möglichen vertraglichen Direktansprüche. Über die dogmatische Begründung letzterer besteht nach wie vor keine Einigkeit, insbesondere nachdem die jüngere Rechtsprechung bei der Anwendung der Direktansprüche mehrfachen Schwankungen unterlag. Wichtigste Frage für die praktische Rechtsanwendung ist, inwiefern der Endabnehmer in einer Absatzkette, der direkt gegen einen Hersteller oder Verkäufer höherer Ordnung vorgehen will, Einwendungen aus einem Vertrag zweier Vormänner ausgesetzt ist; nach der klassischen Theorie einer gleichsam sachenrechtlichen Übertragung der vertraglichen Rechte wäre dies der Fall. Für einen Teilbereich der Haftung innerhalb von Absatzketten bringen die durch Gesetz Nr. 98-398 vom 19. Mai 1998 1 eingeführten Vorschriften über die Produkthaftung wichtige Änderungen. Die Umsetzung der EWG-Richtlinie Nr. 85/374 vom 25. Juli 1985 hatte sich in Frankreich jahrelang verzögert. In das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde erstmals ein Regierungsentwurf vom 23. Mai 1990. Dieser wurde in beiden Kammern des Parlaments kontrovers diskutiert und mündete in einen Vorschlag des Vennittlungsausschusses vom 15. Dezember 1990. Auf dieser Fassung beruhen die vorhandenen Darstellungen von Muthig (Die Haftung des Herstellers fehlerhafte Produkte, S. 209 ff.) und Ferid / Sonnenberger (Das französische Zivilrecht, Band 4/ 1, Rz. 20382 ff.). Da der Vorschlag bis zum Ablauf der Legislaturperiode im März 1993 nicht mehr beraten werden konnte, wurde am 13. Juli 1993 erneut ein Entwurf eingebracht. Dieser Entwurf nahm erneut einzelne Änderung am geplanten Text vor, von denen als bedeutsamste nur die Konkurrenz von Ansprüchen nach bisherigem Recht und nach Produkthaftungsrecht genannt sei. Die Beratungen in Senat und Assemblee Nationale zogen sich bis in den Mai 1998 hin. Allerdings bemühte sich die Rechtsprechung bereits vor Verabschiedung des Produkthaftungsgesetzes, Geschädigten unter Anwendung der vorhandenen Anspruchsgrundlagen einen gleichwertigen Schutz zukommen zu lassen. Aufgrund des Vorrangs des Vertragsrechts, der freilich infolge der Verabschiedung des Produkthaftungsgesetzes teilweise zurückgedrängt wird, ordnen sich DiI

Abgedruckt in J.O. vom 21. 05. 1998, S. 7744.

2 Beauman

18

Einleitung

rektansprüche des französischen Rechts nicht reibungsfrei in das Recht der europäischen Zuständigkeit ein; abzugrenzen ist insoweit zwischen den Gerichtsständen der Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ und Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ. Auch in diesem Rahmen kann sich die Frage stellen, ob dem Endabnehmer Vereinbarungen der Vormänner, insbesondere also Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 17 EuGVÜ, entgegengehalten werden können. Besteht nach alledem ein Gerichtsstand in Frankreich, so ist für den deutschen Juristen nur schwer abzuschätzen, welches Recht auf einen etwaigen Direktanspruch Anwendung findet. Diese Frage wird auch in der französischen Literatur nur vereinzelt behandelt und weicht aufgrund der strikten vertraglichen Qualikfikation maßgeblich von der internationalprivatrechtlichen Behandlung der Produkthaftung in Deutschland ab. Die Untersuchung bezieht daher die Behandlung im französischen internationalen Privatrecht mit ein.

Erster Teil

Haftung in Absatzketten nach französischem Recht A. Grundlegung I. Begriff der Absatzkette als Ausdruck einer absatzorientierten Haftung Im modemen Warenkauf erfolgt die Warenvennittlung in der Regel nicht lediglich individuell zwischen Verkäufer und Käufer, sondern unter Einschaltung einer Absatzkette. Die Erscheinung betrifft in erster Linie den Konsumgüterbereich, daneben aber auch den kaufmännisch-industriellen Sektor l . Warenabsatz unter modemen Bedingungen ist aber mehr als die Aneinanderreihung mehrerer aufeinanderfolgender Verträge. Der Hersteller zielt mit Produktion und Vertrieb von vornherein auf den Letztverbraucher2 . Durch Maßnahmen zur Förderung des Absatzes, insbesondere durch Werbung, tritt der Hersteller in direkten Kontakt zum Abnehmer, auch wenn insoweit keine vertraglichen Beziehungen bestehen3 . Ziel der Absatzmaßnahmen des Herstellers ist es, die Kaufentscheidung des Letztverbrauchers bereits im Vorfeld des eigentlichen Kaufakts zu beeinflussen. Von den Eigenschaften eines Produkts erfährt der Verbraucher daher in erster Linie durch den Hersteller selbst; das unmittelbare Verkaufsgespräch mit dem jeweiligen Händler hat demgegenüber für die Kaufentscheidung nur noch untergeordnete Bedeutung. Besonders deutlich wird dies bei den sogenannten Markenartikeln: Kaufentscheidend ist hier die durch eine Marke hervorgehobene Herkunft des Produkts; der formell-juristische Verkäufer ist insoweit ohne Belang4 • Der Händler büßt dadurch seine Selbständigkeit als Mittler zwischen Hersteller und Verbraucher weitgehend ein. Seine Tätigkeit wird auf eine reine Distributionsfunktion begrenzt. Verstärkt wird diese Entwicklung durch den fortschreitenden Vertrieb technisch komplexer Produkte: Hier fehlt dem einzelnen Händler in der Regel die Kompetenz, Tauglichkeit und Ungefahrlichkeit des Produkts überhaupt festzustellen. 1 2 3 4

2*

Vgl. Heini in: FS Keller, S. 175. Kullmannl Pfister, Produzentenhaftung, Nr. 1330, S. 8. Heini in: FS Keller, S. 175, 176, Heini in: FS Keller, S. 175, 176.

20

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Demgegenüber beherrscht der Hersteller die Absatzkette von der Produktion bis zum Erwerb durch den Letztverbraucher. Er allein kann etwaige Mängel des Produkts zuverlässig beurteilen. Rechtstatsächlich stehen sich daher Hersteller und Endabnehmer einer Ware im Markt gegenübe~. Diese Situation war letztlich ausschlaggebend dafür, eine direkte Herstellerhaftung zu entwickeln. International uneinheitlich wurde aber die Frage beantwortet, ob dafür eher die vertragliche oder die deliktische Haftung heranzuziehen seien6 . Ursprünglich waren beide Haftungsbereiche für eine direkte Herstellerhaftung ungeeignet: Vertragliche Schadensersatzansprüche waren grundsätzlich von einem Verschulden des Verkäufers abhängig, was aber häufig nicht nachweisbar war; zudem konnten etwaige Ansprüche des Abnehmers vertraglich eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Deliktische Ansprüche konnten überhaupt erst in Betracht gezogen werden, nachdem sich die Ansicht durchgesetzt hatte, daß Sorgfaltspflichten auch außerhalb einer vertraglichen Sonderverbindung bestehen können?; auch im Deliktsrecht bestand aber der Nachteil, ein Verschulden des Herstellers nachweisen zu müssen. Vor diesem Hintergrund hat sich das französische Recht für die vertragliche Haftung entschieden. Über die Bedenken, die gegen eine direkte Herstellerhaftung gegenüber dem Endabnehmer aufgrund des Fehlens eines Vertragsbandes (relativite des contrats) bestehen, hat sich die Rechtsprechung durch das Institut der action directe hinweggesetzt. Die vertragliche Herstellerhaftung wurzelt im Kaufrecht und beruht maßgeblich darauf, daß jeder gewerbsmäßige Verkäufer stets verschuldensunabhängig für Fehler der Ware haftet. Das französische Recht folgt damit einer absatzorientierten Haftung: Maßgebliches Kriterium zur Abgrenzung der haftenden Personen ist die Eingliederung in die Absatzkette. Haftungsauslösend ist der Verkauf der fehlerhaften Sache oder mit einer allgemeineren Formulierung deren Inverkehrbringen.

11. Grundlagen des französischen Haftungsrechts Im französischen Haftungsrecht wird als zivilrechtliche Haftung (responsabilite civile) die Verpflichtung verstanden, den einem anderen durch ein haftungsauslösendes Verhalten zugefügten Schaden zu ersetzen8 • Der Begriff umfaßt als OberbeHeini in: FS Keller, S. 175, 177. Für die vertragliche Haftung haben sich neben Frankreich Österreich (Vertrag mit Schutzwirkung), vgl. Produkthaftungshandbuchl Posch, Bd. 2, § 128 Rz. 14, sowie teilweise die USA (breach of warranty), vgl. Produkthaftungshandbuchl DebusseherelKretsehmar, Bd. 2, § 108 Rz. 2, 22 f., entschieden. 7 Beispielsweise wurde in Frankreich das Inverkehrbringen einer mangelbehafteten Sache erstmals durch Cass. civ., 22. 07. 1931, D.H. 1931,506 als deliktisches Verschulden gegenüber Dritten gewertet. 8 Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 5. 5

6

A. Grundlegung

21

griff die vertragliche (responsabilite contractuelle) und deliktische Haftung (responsabilite delictuelle et quasi-delictuelle)9.

1. Venragsrecht

Als responsabilite contractuelle bezeichnet man die Pflicht des Schuldners einer vertraglichen Pflicht, dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Nichterfüllung der Vertragspflicht entstanden ist lO • Obwohl Art. 1147 Cc als Voraussetzung der vertraglichen Haftung neben dem Begriff der inexecution auch den des retard nennt, wird ganz überwiegend davon ausgegangen, daß der Verzug lediglich beispielhaft miterwähnt ist, mithin ein einheitlicher Nichterfüllungsbegriff gilt ll . Unter diesen Begriff der Nichterfüllung im Sinne des Art. 1147 Cc fallen sämtliche Leistungsstörungen, soweit sie nicht, wie etwa die kaufrechtliche Gewährleistungshaftung, speziell geregelt sind. Bei wortgetreuer Anwendung des Art. 1147 Cc würde der Schuldner einer vertraglichen Pflicht bei Nichterfüllung ohne jedes Verschulden haften, soweit er nicht das Vorliegen einer cause etrangere nachweisen kann 12 . Da dies im Widerspruch zu Art. 1137 Cc stünde, wonach derjenige, der zur Erhaltung einer Sache verpflichtet ist, die Sorgfalt eines ordentlichen Familienvaters schuldet, unterscheiden Rechtsprechung und Lehre zwei Arten vertraglicher Verbindlichkeiten: Unter Art. 1147 Cc fallen allein obligations de resultat, unter Art. 1137 Cc dagegen obligations de moyens 13 . Bei einer obligation de resultat verpflichtet sich der Schuldner dazu, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen 14 • Bleibt dieser Erfolg aus und kann der Schuldner auch keine cause etrangere nachweisen, so steht die Verantwortlichkeit des Schuldners, die faute, fest. Demgegenüber verpflichtet sich der Schuldner bei einer obligation de moyens lediglich dazu, bei der Erfüllung seiner Verpflichtung mit der Sorgfalt eines bon pere de familIe vorzugehen, ein darüber hinausgehender Erfolg wird nicht Vertragsinhalt 15 . Der Gläubiger muß daher einen Sorgfaltsverstoß des Schuldners, ein comportement fautif, darlegen. Die Abgren9 Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 6 C.; Starckl Rolandl Boyer, Obligations, Bd. I, Nr. 10-12. 10 Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 6; Malauriel Aynes, Obligations, Nr. 808. 11 Vgl. StarcklRolandlBoyer, Obliagations, Bd. 2, Nr. 1453 C.; Terre!SimlerlLequette, Obligations, Nr. 545. 12 Vgl. Malauriel Aynes, Oligations, Nr. 814. 13 MalaurielAynes, Obligations, Nr. 821; Terre!SimlerlLequette, Obligations, Nr. 552; Malauriel Aynes, Obligations, Nr. 815 Cf. 14 MalaurielAynes, Obligations, Nr. 821; Terre!SimlerlLequette, Obligations, Nr. 555; StarcklRolandlBoyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1457 Cf. 15 Malaurie I Aynes, Obligations, Nr. 816; Terre! Simler I Lequette, Obligations, Nr. 554; StareklRolandlBoyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1466 Cf.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

zung zwischen obligation de resultat und obligation de moyens ist nicht für alle Vertragsarten abschließend geklärt; die Rechtsprechung hat eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. 2. Deliktsrecht

Das französische Deliktsrecht geht in Art. 1382 und 1383 Cc von zwei GeneralklauseIn aus. Dabei betrifft Art. 1382 Cc (delit) die vorsätzliche Handlung, Art. 1383 Cc (quasi-de1it) die fahrlässige Handlung. Die Unterscheidung hat heute keine praktische Relevanz mehr; beide Normen können als Grundnorm der responsabilite delictuelle zusammengefaßt werden l6 . Art. 1382, 1383 Cc setzen eine faute des Schädigers, einen Schaden des Verletzten sowie Kausalität voraus. Aufgrund der Weite der GeneralklauseI, die im Unterschied etwa zum deutschen Deliktsrecht auch den Ersatz reiner Vermögensschäden ermöglicht, mußten einschränkende Kriterien gefunden werden. Wichtigster Ansatzpunkt hierfür ist eine Eingrenzung des Begriffs der faute. Der Begriff verbindet Elemente der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens in sich; dem deutschen Verschuldensbegriff kann er daher nicht gleichgestellt werden 17. Bei Abweichungen im einzelnen besteht jedenfalls insoweit Einigkeit, als die faute einen Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht darstellt; in das Unwerturteil fließen dabei sittlich-moralische Wertungen einig. Der ersatzfähige Schaden wird durch die Kriterien sicher (certain) und direkt (direct) eingegrenzt l9 . Mit dem Kriterium dommage certain werden insbesondere zukünftige, aber bloß ungewisse Schäden vom Ersatz ausgeschlossen. Die Direktheit des Schadens steht in engem Zusammenhang mit dem Begriff der Kausalität2o • Wie die Kausalität im einzelnen zu bestimmen ist, ist in der Literatur umstritten. Ein großer Teil der Literatur spricht sich für die Adäquanztheorie aus 21 . Dieser folgt meist auch die Rechtsprechung, wobei aber auch Wertungs gesichtspunkte berücksichtigt werden 22 • Neben den deliktischen GeneralklauseIn kennt der Code civil verschiedene Gefährdungshaftungstatbestände. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbeVgl. Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 52. Vgl. Ferid/Sonnenberger; Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 20105. 18 Vgl. Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general», Nr. 70 ff.; Malaurie/Aynes, Obligations, Nr. 52 f.; Starek/Roland/Boyer; Obligations, Bd. I, Nr. 278 f; TemiiSimlerlLequette, Obligations, Nr. 686 f., 691. 19 Malaurie / Aynes, Obligations, Nr. 241; TerreJ Simler / Lequette, Obligations, Nr. 670672; Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 101, 1200. 20 Starckl Rolandl Boyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 1200. 21 Malaurie/Aynes, Obligations, Nr. 93-95; Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. lI/I, Nr. 566; TerreJSimler/Lequette, Obligations, Nr. 819. 22 Vgl. Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 2, Nr. 566. 16

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A. Grundlegung

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sondere auf die Sachha1terhaftung nach Art. 1384 Abs. 1 Cc, die eine Gefahrdungshaftung für bestimmte gefährliche Gegenstände beinhaltet.

3. Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktsrecht Die Voraussetzungen der vertraglichen und deliktschen Haftung weichen in verschiedener Hinsicht voneinander ab. Die wichtigsten Unterschiede seien kurz erwähnt. Im Deliktsrecht muß der Geschädigte stets eine faute des Schädigers beweisen; im Vertragsrecht steht er günstiger, sofern der Schädiger eine obligation de resultat verletzt hat. Dagegen erscheint in anderer Hinsicht das Deliktsrecht günstiger: Haftungsbeschränkungen sind dort generell unwirksam; im Vertragsrecht sind sie dagegen grundsätzlich wirksam, wobei dieser Grundsatz in einzelnen Bereichen wichtige Ausnahmen erfahrt23 . Zudem fehlt im Deliktsrecht die Begrenzung des Schadensersatzes auf den vorhersehbaren Schaden, die Art. 1150 Cc für das Vertragsrecht anordnet. Bei der Verjährungsfrage läßt sich nur schwer allgemeingültig feststellen, welche Haftungsgrundlage günstiger ist. Im Vertragsrecht ordnet Art. 2262 Cc eine dreißigjährige Verjährungsfrist an, für Handelsgeschäfte gilt nach Art. 189 bis C.com. eine zehnjährige Frist. Daneben bestehen für einzelne Bereiche spezielle Regelungen 24 • Im Deliktsrecht galt lange Zeit ebenfalls die dreißigjährige Verjährungsfrist, das Gesetz Nr. 85-677 vom 5. Juli 1985 hat diese auf zehn Jahre verkürzt (Art. 2270-1 Cc).

4. Grundsatz des non-cumul Die Unterschiede in den Anspruchsgrundlagen erlangen um so größere Bedeutung als sie nicht frei miteinander konkurrieren. Vielmehr gilt der Grundsatz des non-cumu1, der eine Wahl zwischen den Anspruchsgrundlagen ausschließt. Sobald ein Schaden aufgrund von Umständen eingetreten ist, die die Voraussetzungen der vertraglichen Haftung erfüllen, ist für den Geschädigten jeder Rückgriff auf die deliktische Haftung versperrt. Dieser Grundsatz wird einhellig in Literatur und Rechtsprechung vertreten 25 ; als Begründung wird meist auf die Spezifität des Vertrages verwiesen, der der gesetzlichen Regelung vorgehe 26 . Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. II/ I, Nr. 395. Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. II/ I, Nr. 395. 25 Vgl. nur Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 168 ff.; Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. II /1, Nr. 404; Malaurie / Aynes, Obligations, Nr. 880; dort auch zu den Ausnahmen bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, bei Wahl des Adhäsionsverfahrens und beim Vertrag zugunsten Dritter im Personentransport, wo die Angehörigen den vertraglichen Anspruch zurückweisen können. Aus der Rechtsprechung: Cass. civ. Ire, 11. 05. 1982, Gaz. Pa!. 1982,2,612; Cass. civ. Ire, 11. 01. 1989, JCP 1989, II, 21326. 26 Tune in: Rep. de droit civil, responsabilite (en general), Nr. 175. 23

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Vertragshaftung greift danach stets ein als Folge der Nichterfüllung einer Vertragspflicht. Die Ausdehnung von vertraglichen Nebenpflichten drängt zugleich das Deliktsrecht zurück27 . Zudem muß gerade der Gläubiger der verletzten Pflicht betroffen sein. Dies ist unproblematisch bei unmittelbaren Vertragspartnern; hier greift bei Verletzung gerade einer vertraglichen Pflicht stets auch Vertragsrecht ein. Eine Erweiterung der vertraglichen Haftung schafft aber die Gewährung von vertraglichen Direktansprüchen an Dritte28 . Auch insoweit wird Deliktsrecht zurückgedrängt.

III. Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht in Absatzketten Bei der Schadensverlagerung innerhalb einer Absatzkette ist stets der Rückgriff Glied für Glied möglich: Der Endabnehmer nimmt seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch, der seinerseits Rückgriff bei seinem Vormann nimmt. Dieses Vorgehen wird allerdings häufig als unbefriedigend empfunden. Gegen den Rückgriff Glied für Glied werden angeführt der Gedanke der Prozeßökonomie, der mögliche Ausfall des Geschädigten wegen Konkurses eines Zwischenglieds sowie die Entwicklung im Verbraucherschutz, wobei die Produkthaftung besondere Bedeutung hat29 • Angesichts dieser Nachteile fragt sich, ob trotz Fehlens einer unmittelbaren Vertragsbeziehung innerhalb der Kette ein direktes Vorgehen gegen den Hersteller als Verursacher des Schadens in Betracht kommt. Nach klassischer Auffassung, die den in Art. 1165 Cc festgelegten Grundsatz der Relativität der Vertragsbeziehung streng anwendet, würde das Vorliegen mehrerer dazwischengeschalteter Verträge jedenfalls einem vertraglichen Direktanspruch entgegenstehen. Alternativ könnte stattdessen Deliktsrecht herangezogen werden. Die Abgrenzung wird bedeutsam aufgrund der unterschiedlichen Regeln für die vertragliche und deliktische Haftung sowie aufgrund des Grundsatzes des non-cumul. Entscheidend für die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht innerhalb einer Vertragskette ist die Frage, ob der Geschädigte entweder Vertragpartner ist oder zumindest eine dem Vertragspartner ähnliche Stellung einnimmt (tiers contractant). Die Abgrenzung solcher den Vertragspartnern angenäherten Dritten von sonstigen Dritten (penitus extranei) ist starken Schwankungen unterworfen und soll im Laufe der Arbeit näher untersucht werden.

27 Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1781-1796; Malaurie/Aynes, Obligations, Nr. 876-879; Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 401. 28 Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1801 ff., 1809 ff.; Malaurie/Aynes, Obligations, Nr. 873 f.; Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 399. 29 Viney in: Melanges Holleaux, S. 399 ff.

B. Vertragliche Ansprüche

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Ursprünglich kam Vertragsrecht allein in rein kaufvertraglichen Ketten zur Anwendung, wobei lange Zeit in Durchbrechung des non-cumul konkurrierende deliktische Ansprüche zugelassen wurden. Soweit Deliktsrecht zur Anwendung kommt, ist zu klären, wie die faute des Schädigers gegenüber dem Geschädigten bestimmt werden soll, insbesondere ob zu ihrem Nachweis die Darlegung einer Vertrags verletzung des Schädigers gegenüber seinem eigenen Vertragspartner ausreicht. Diese Frage betrifft die sogenannte opposabilite des Vertrages und wird ebenfalls näher zu untersuchen sein. Seit 1975 wurde die Gewährung von deliktischen "Direktansprüchen" aufgrund der Figur der opposabilite zunehmend kritisiereo. Sie mache jede vertragliche Vorkehrung des Schädigers, wie etwa mit dem eigenen Vertragspartner vereinbarte Haftungsbeschränkungen hinfällig, und stelle den Dritten letztlich besser als den unmittelbaren Vertragspartner. Aufgrund dieser Kritik zeichnete sich seit Ende der 70er Jahre ein Vordringen des Vertragsrechts ab. Die Rechtsprechung übertrug in der Folge die vertragliche Lösung auf Vertragsketten im weiteren Sinne, die nicht mehr allein im strengen Sinne dem Warenabsatz durch eine lineare Kette dienten. Damit schien die Fragestellung in den größeren Zusammenhang des vertraglichen Drittschutzes allgemein gestellt, bis im Jahre 1991 erneut eine Wandlung der Rechtsprechung eintrat. Das Erfordernis, im Rahmen der Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie eine vertragsunabhängige Haftung zu schaffen, führt schließlich für diesen speziellen Bereich zu einer Durchbrechung des non-cumul.

B. Vertragliche Ansprüche I. Ansprüche im unmittelbaren Verhältnis der Parteien des letzten Geschäfts 1. Kaufrecht

In Frankreich ist bereits vor Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes eine strenge Haftung von Herstellern und Händlern für Produktschadensfälle auf der Grundlage der Regelungen des Kaufrechts entwickelt worden. Ausgangspunkt war die Sachmängelgewährleistung der Art. 1641 ff. Cc, wonach der Verkäufer für verborgene Mängel (vices caches) der Sache haftet. Daneben bestand in der Rechtsprechung zeitweise die inwischen wieder zurückgedrängte Tendenz, Produktschadensfälle nach allgemeinem Nichterfüllungsrecht wegen Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware abzuwickeln. Von zunehmender Bedeutung sind schließlich bestimmte Nebenpflichten des Verkäufers, deren Verletzung ebenfalls die allgemeine Nichterfüllungshaftung (Art. 1146 ff. Cc) nach sich zieht. 30

Insbesondere durch Teyssie, Groupes de contrats.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

a) Sachmängelhaftung Nach Art. 1641 Cc haftet der Verkäufer für solche versteckte Mängel der Sache, die die Eignung der Sache zum vertragsgemäßen Gebrauch derart beeinträchtigen, daß der Käufer sie bei Kenntnis des Mangels nicht oder nur zu einem geringeren Preis erworben hätte.

aa) Fehlerbegrijf Entscheidendes Merkmal des Fehlerbegriffs ist ähnlich wie im deutschen Recht die fehlende bzw. mehr als unerheblich herabgesetzte Gebrauchstauglichkeit der Sache. Diese Gebrauchsbeeinträchtigung soll nach dem von einem Teil der Literatur vertretenen sogenannten funktionellen Fehlerbegriff bereits für das Vorliegen eines Sachmangels ausreichen 31 . Insbesondere die ältere Literatur32 und im Ausgangspunkt auch die Rechtsprechung 33 verlangen darüber hinaus, daß sich die Gebrauchs beeinträchtigung gerade aus einem der Sache unmittelbar anhaftenden Mangel, d. h. einem Mangel im materiellen Sinne, ergibt. In zahlreichen Entscheidungen nähert sich die Rechtsprechung aber im Ergebnis dem funktionellen Fehlerbegriff: Soweit sich die Gebrauchsbeeinträchtigung nach den Gegebenheiten des Falles allein aus einem der Sache anhaftenden Mangel ergeben kann, schließt die Rechtsprechung aufgrund einer tatsächlichen Vermutung auf das Vorliegen eines Mangels im materiellen Sinne34 • Wann die erforderliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit vorliegt, ist Tatfrage, wird also nach den Gegebenheiten des Falles souverän durch die Instanzgerichte festgestelles . Mangels Zweckbestimmung kommt es auf den üblichen Gebrauch an 36 . Verwendungen, die über den üblichen Gebrauch hinausgehen, können allenfalls relevant sein, wenn sie dem Verkäufer zur Kenntnis gebracht wurden37 . 31 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 10; Ghestin/Deschi, Vente, Nr. 721 f.; Alter, Obligation de deIivrance, Nr. 119; Nana, Reparation des dommages, Nr. 12 f; Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1752, 1767. 32 Baudry-Lacantinerie /Guyot, Bd. 11, Nr. 836 f.; Planioll Ripert, Bd. 11, Nr. 2477 f.; Aubry/Rau, Bd. V, § 355 bis, S. 106. 33 Vgl. Cass. civ. Ire, 15.01. 1976, BuH. civ. I, Nr. 22; Cass. com., 24. 03. 1980, BuH. civ. IV, Nr. 144; Cass. civ. Ire, 08. 04. 1986, BuH. civ. I, Nr. 82; JCP 1987, 11, 20721; Cass. civ. Ire, 15. 11. 1988, BuH. civ. I, Nr. 322. 34 Cass. civ. Ire, 18.01. 1978, BuH. civ. I, Nr. 27; Cass. civ. Ire, 21. 07. 1987, BuH. civ. I, Nr. 250; Cass. civ. Ire, 02. 12. 1992, BuH. civ. I, Nr. 303. 35 Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 269; vgl. Cass. com., 04. 05.1971, Bul!. civ. IV, Nr. 112; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 597. 36 Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 269; Ferid/ Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 597. 37 Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 164; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 597; teilweise abweichend Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 269 (eher non-conformite).

B. Vertragliche Ansprüche

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Unter den Fehlerbegriff des Art. 1641 Cc fallen danach insbesondere Fabrikationsund Konstruktionsfehler38 • Die Übereinstimmung der Sache mit technischen Normen entlastet den Verkäufer niche 9 . Der Mangel der Sache muß bereits beim Gefahrübergang zumindest im Keim vorhanden gewesen sei 40 . Dies hat der Käufer zu beweisen, was häufig Schwierigkeiten bereitet41 • Sofern nicht ein Sachverständigengutachten Aufklärung bringt, versucht die Rechtsprechung durch tatsächliche Vermutungen zu helfen42 . Eine weitergehende Beweiserleichterung zugunsten des privaten Käufers sollte ursprünglich im Zuge der Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie durch einen neuen Art. 1641-1 CC 43 in das Kaufrecht eingearbeitet werden wird. Dieses Vorhaben ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben worden44 . bb) Verborgenheit des Fehlers Die Haftung des Verkäufers erfordert weiter, daß es sich um einen verborgenen Mangel handelt. Art. 1642 Cc schließt die Haftung aus für Mängel, die der Käufer kannte oder aber hätte kennen können45 . Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit spielen sowohl objektive als auch subjektive Kriterien eine Rolle. Ausgangsrnaßstab ist der aufmerksame Käufer von durchschnittlicher Sorgfalt46 . Zugerechnet werden dem jeweiligen Käufer aber auch seine speziellen Kenntnisse47 • Hieran anknüpfend hat die Rechtsprechung eine starke Differenzierung zwischen gewerblichen und privaten Käufern entwickelt. Von einem gewerblichen Käufer wird mit Blick auf seine jeweilige Sachkunde grundsätzlich eine größere Sorgfalt bei der Einschätzung der Sache verlangt48 . Aufgrund dieser größeren Sachkunde wird die Kenntnis von bestimmten Fehlern vermutet; der Vermutung kann der gewerbliche Käufer allerdings entgehen, wenn er nachweist, daß der Fehler unentdeckbar Huet. Responsabilite du vendeur. Nr. 161. Cass. corn., 30.03. 1978, Gaz. Pal. 1978,2, sornrn. 293; Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 160. 40 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1453-1460; Collart Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 271. 41 Collart Dutilleul / Delebecque. Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 272. 42 Vgl. Cass. civ. Ire, 31. 03. 1954, O. 1954, jur. 417; Cass. civ. Ire, 21. 07. 1987, Bull. civ. I, Nr. 250. 43 Abdruck in Anhang I. 44 Vgl. Synopse in Ooc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 45 Weist der Käufer aber eine Sache mit offenen Mängeln zurück, so ist keine Lieferung erfolgt und der Käufer hat die Rechte wegen Nichterfüllung (Art. 1610, 1611 Cc). 46 Ghestin. Conformite et garanties, Nr. 15; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1424. 47 Ghestin. Conformite et garanties, Nr. 15; Collart Dutilleul/Delebecque. Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 275. 48 Cass. corn., 20. 07. 1973, Bull. civ. IV, Nr. 264; Cass. corn .• 16. 12. 1981. Bull. civ. IV, Nr. 448; Cass. civ. Ire, 20. 12. 1983, Bull. civ. I, NT. 308; Cass. corn., 24. 01. 1984, Bull. civ. IV, NT. 34. 38

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

war49 . Neben den etwaigen besonderen Kenntnissen des Abnehmers werden auch Eigenarten der Sache berücksichtigt; bei einem Kauf gebrauchter Sachen muß beispielsweise eher mit Mängeln gerechnet werden 5o . ce) SchadensersatzhaJtung des bösgläubigen Verkäufers

Nach der Regelung des Art. 1644 Cc kann der Käufer, der sich erfolgreich auf einen Sachmangel beruft, zunächst lediglich Wandlung oder Minderung verlangen. Daneben gewährt die Rechtsprechung gegenüber einem gewerblichem Verkäufer auch einen Nachbesserungsanspruch51 • Ein solcher Nachbesserungsanspruch sollte ursprünglich mit der Umsetzung des Produkthaftungsgesetzes als neuer Art. 16441 Cc in das Gesetz aufgenommen werden 52. Im Laufe der Gesetzesberatungen ist man davon wieder abgerückt53 • Schadensersatz schuldet der Verkäufer dagegen nach Art. 1646 Cc lediglich beschränkt auf das negative Interesse, unbegrenzt nur im Falle seiner Bösgläubigkeit nach Art. 1645 Cc. Zur zentralen Anspruchsgrundlage für Produkthaftungsfälle konnte sich Art. 1645 Cc erst infolge seiner äußerst käuferfreundlichen Auslegung durch die Rechtsprechung entwickeln 54 . Danach wird der gewerbliche Verkäufer, der aufgrund seines Berufes verpflichtet sei, etwaige Fehler zu kennen, dem in Art. 1645 Cc genannten bösgläubigen Verkäufer gleichgestellt55 . Diese Gleichstellung desjenigen, der den Fehler kraft seiner Tätigkeit kennen muß, mit dem wissenden Verkäufer findet sich bereits in der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts 56 . Eine erste Entscheidung in diesem Sinne läßt sich im Jahre 1893 nachweisen57 • Anders als die heutige Rechtsprechung ließen die frühen Entscheidungen gegenüber der Vermutung der Bösgläubigkeit noch den Gegenbeweis des gewerblichen Verkäufers

49 Cass. com., 15. 11. 1983, BuH. civ. IV, Nr. 311; Collart Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 275-277. Seine Rechte bleiben dem gewerblichen Käufer auch erhalten, wenn der Verkäufer den Fehler vorsätzlich verschwiegen hat, Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1439 m.w.N. 50 Collart Dutilleul / Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 280. 51 Cass. com., 17.05. 1971, BuH. civ. IV, Nr. 134; dazu Huet, Responsabilite du vendeur, Nr.459. 52 Text abgedruckt in Anhang I. 53 Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 54 Die anfänglich vertretene Abwicklung über Art. 1646 Cc hat die Rechtsprechung bereits früh wieder verworfen. Vgl. Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 255. 55 Ständige Rechtsprechung seit Cass. civ. Ire, 19.01. 1965, BuH. civ. I, Nr. 52; D. 1965, jur. 389; vgl. Cass. civ. 3e, 17.02. 1965, BuH. civ. III, Nr. 133; Cass. com., 03. 05.1983, BuH. civ. IV, Nr. 131. 56 Vgl. Pothier; Bd. IV, Nr. 212-215. 57 CA Bourges, 27. 06. 1893, D.P. 1894,2,573.

B. Vertragliche Ansprüche

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zu; inzwischen hat die Rechtsprechung die Vermutung zu einer unwiderleglichen ausgebaut58 . Damit besteht im Ergebnis für den gewerblichen Verkäufer eine rein objektive Haftung für alle auf einen Sachmangel zurückführbaren Schäden59 . Unerheblich ist, ob der Mangel zum Zeitpunkt des Verkaufs erkennbar war; gehaftet wird auch für sogenannte Entwicklungsrisiken6o . Die Haftung besteht für sämtliche Schäden, die auf der Mangelhaftigkeit der Sache beruhen61 ; eine Differenzierung zwischen Mangelschaden und Mangelfolgeschaden ist dem französischen Kaufrecht fremd. Diese strenge Einstandspflicht trifft gewerbliche Verkäufer sämtlicher Verteilungsstufen vom Hersteller über den Zwischenhändler bis hinab zum Einzelhändler62 • Untergeordnete Weiterverkäufer können aber in der Regel durch appel en garantie den Schaden bis auf den Hersteller zurückverlagern, so daß die rechtspolitisch erwünschte Haftungskanalisierung gewährleistet ist. dd) Gewährleistungsfrist

Die Ansprüche aus Sachmängelgewährleistung sind nach Art. 1648 Cc vom Käufer binnen ,,kurzer Frist" geltend zu machen. Diese Frist, die nicht als Verjährungs-, sondern als Ausschlußfrist angesehen wird63 , konnte früher nur durch Klageerhebung gewahrt werden. Art. 2244 Cc 64 sieht nunmehr vor, daß sich der Käufer zunächst auch auf eine gerichtliche Sachverständigenbestellung (demande en rMere) beschränken kann. Erhebliche Unsicherheiten bestehen hinsichtlich des Zeitpunkts des Fristbeginns und der Dauer der Frist. Der Fristbeginn wird durch die Instanzgerichte souverän festgelegt, in der Regel auf den Zeitpunkt der Kenntnis vom Mangel, soweit eine Untersuchung der Sache stattgefunden hat, auch auf den Zeitpunkt der Kenntnis vom Sachverständigengutachten65 . Auch die Dauer der Frist wird nach den Gege58 Vgl. Cass. corno 20. 01. 1970 U. 28. 04.1971, JCP 1972, II, 17280 rn. Anrn. Boitardund Rabut; Cass. civ. Ire, 21. 11. 1972, BuH. civ. I, Nr. 257; JCP 1974, II, 17890 rn. Anrn. Ghestino Ausführlich zur gesamten Entwicklung Bittner, Schutz des französischen Käufers, S. 4952. 59 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 262; ders. in: Responsabilite des fabricants, S. 3, 56 f.; Malinvaud, JCP 1968, I, 2153, Nr. 32; Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1793. 60 Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 168; Viney in: Securite des consornrnateurs, S. 71, 75; Produkthaftungshandbuchl Rohs, § 123 Rz. 12. 61 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 257. 62 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 259; GhestinlDesche, Vente, Nr. 856; Collart Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 289; Malinvaud, JCP 1968, I, 2153, Nr. 37. Ein Teil der Literatur will den bloßen Weiterverkäufer vor der strengen Haftung bewahren, vgl. Alter, Obligation de delivrance, Nr. 231; Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1796; Overstake, RTD civ. 1972, 486, 504-506. 63 Vgl. FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 611. 64 Geändert durch Gesetz Nr. 85-677 vom 05. 07. 1985. 65 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1490-1495 rn.w.N.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

benheiten des Einzelfalles bestimmt, die Mehrzahl der Entscheidungen nimmt eine Frist zwischen einem halben und zwei Jahren bei einem Mittelwert von einem Jahr an66 . Ein Teil dieser Unsicherheiten sollte ursprünglich durch die im Zuge der Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie angestrebte Reform des Art. 1648 CC67 ausgeräumt werden. Dem Käufer sollte danach grundsätzlich auferlegt werden, den Mangel binnen einen Jahres ab Fristbeginn anzuzeigen. Offen blieb allerdings auch unter dem Reformvorschlag, welche Frist für die Klageerhebung gelten sollte68 . Der Reformvorschlag wurde im Laufe der Beratungen des Produkthaftungsgesetzes aufgegeben 69. ee)llajtungsbeschränkungen

Die strenge Behandlung des gewerblichen Verkäufers setzt sich in der Frage der Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen fort. Eine ständige Rechtsprechung verwehrt dem gewerblichen Verkäufer in bestimmten Fallgruppen die Berufung auf einen Haftungsausschluß 7o . Dies ergibt sich bei Anwendung des Art. 1643 Cc, der dem bös gläubigen Verkäufer den Haftungsausschluß versagt, aus der dargestellten unwiderleglichen Vermutung der Bösgläubigkeit zu Lasten des gewerblichen Verkäufers. Ein Haftungsausschluß eines gewerblichen Verkäufers gegenüber einem Verbraucher wird danach generell als unzulässig angesehen; bei einem gewerblichen Abnehmer differenziert die Rechtsprechung nach der Art dessen beruflicher Tatigkeit: Gegenüber dem gewerblichen Abnehmer, der in derselben Branche tätig ist wie der Verkäufer (professionnel de la meme specialite) sollen Haftungsbeschränkungen wirksam sein 71. Nur soweit der Mangel für den Käufer völlig unerkennbar war, wird der Klausel auch gegenüber dem gewerblichen Käufer gleicher Fachrichtung die Anerkennung versagt72 . Gegenüber einem gewerblichen Abnehmer, der in einer anderen oder bloß benachbarten Branche tätig ist, sind Haftungsbeschränkun66 Vg!. Ghestin/Desche. Vente, Nr. 738; Collart DutilleullDelebecque. Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 283; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1497 f.; Larny droit econornique, Nr. 4376 rn.w.N. 67 Text abgedruckt in Anhang I. 68 Collart Dutilleull Delebecque. Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 284; Karila. Gaz. Pa!. 1991, I, doctr. 208, 213; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR. Bd. 4/1, Rz. 2 G 604d. 69 Vg!. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 70 Cass. civ. Ire, 19.01. 1965, D. 1965, jur. 389; Cass. civ. Ire, 17.05. 1965, BuH. civ. I, Nr. 324; Cass. corn., 04. 06.1969, D. 1970,jur. 51. 71 Cass. corn., 08. 10. 1973, JCP 1975, 11, 17927 rn. Anrn. Ghestin; Cass. corno 08.07.1975, JCP 1976,11,18332; Cass. civ. 3e, 30.10.1978, JCP 1979,11,19178; Cass. civ. 3e,06. 11. 1978, JCP 1979,11, 19178; Cass. corn., 03. 12. 1985, BuH. civ. IV, Nr. 287; Cass. corn., 23. 06. 1992, BuH. civ. IV; vg!. Collart DutilleullDelebecque. Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 292; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1560. 72 Vg!. Larny droit econornique, Nr. 4405.

B. Vertragliche Ansprüche

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gen dagegen wie gegenüber dem Verbraucher unwirksam73. An das Vorliegen einer "profession de meme specialite" werden dabei hohe Anforderungen gestellt, so daß der Bereich, in dem Haftungsbeschränkungen wirksam vereinbart werden können, eng umgrenzt ist74 . Diese Rechtsprechung wurde durch die Gesetzgebung zu mißbräuchlichen Klauseln aufgegriffen. Nach Art. 35 des Gesetzes Nr. 78-23 vom 10. Januar 1978 i.Y.m. Art. 2 des Dekrets Nr. 78-464 vom 24. März 1978 sind Klauseln unzulässig, die das Recht des Abnehmers auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Vertragspflicht aufheben oder einschränken. Art. 35 des Gesetzes vom 10. Januar 1978 wurde sodann wortgleich als Art. L 132-1 in den Code de la consommation übernommen75 . Inzwischen ist Art. L 132-1 c.consom. in Umsetzung der Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 76 erneut geändert worden 77 und verbietet nun allgemein mißbräuchliche Klauseln, die ein Ungleichgewicht zwischen den Pflichten der Parteien schaffen. Dieses Ungleichgewicht kann sich nach wie vor aus einer Verletzung von Art. 2 des Dekrets vom 24. März 1978 ergeben, so daß Haftungsbeschränkungen wie nach alter Gesetzeslage untersagt bleiben 78 . Diese Gesetzgebung betrifft allerdings nur Klauseln gegenüber Verbrauchern ("consommateurs", "non-professionnels,,)79; für Klauseln gegenüber gewerblichen Abnehmern bleibt weiterhin die Rechtsprechung zu Art. 1643 Cc zu beachten. ff) Haftungsumfang

Nach Art. 1645 Cc wird für sämtliche Mangel- und Mangelfolgeschäden gehaftet; dazu zählen Schäden an der verkauften Sache, an anderen Sachen, körperliche Schäden und auch auch der entgangene Gewinn8o . Im Rahmen von körperlichen Schäden sind neben einer Entschädigung für dauernde oder zeitweise Beeinträchti73 Cass. civ. Ire, 28. 04. 1987, BuH. civ. I, Nr. 134; D. 1988, jur. 1 m. Anm. Delebecque; JCP 1987, 11, 20893 m. Anm. Paisant. 74 Vgl. Malaurie I Aynes, Obligations, Nr. 434; Lamy droit economique, Nr. 4404. 75 Durch Gesetz Nr. 93-949 vom 26. Juli 1993. 76 Richtlinie 93/ 13 EWG vom 05. April 1993, ABI. EG 1993, L 95 /29. 77 Durch Gesetz Nr. 95-96 vom 01. Februar 1995. 78 Zur gesamten Entwicklung Ghestinl Marchessaux-van Meile, JCP 1995, I, 3854, Nr. 17 f. 79 Die Rechtsprechung hat teilweise versucht bestimmte gewerbliche Abnehmer in diesen Verbraucherbegriff einzubeziehen, Cass. civ. Ire, 28. 04. 1987, BuH. civ. I, Nr. 134. Neuerdings besteht - auch unter dem Einfluß der Richtlinie zu mißbräuchlichen Klauseln - wieder eine Tendenz zum engen Verbraucherbegriff: Cass. civ. Ire, 24. 11. 1993, JCP 1994, 11, 22333 m. Anm. Leveneur; Cass. com., 10.05. 1994, D. 1995, somm. comm., 89 f. m. Anm. Mazeaud; Contrats, conc., consom. 1994, Nr. 155 m. Anm. Leveneur; früher bereits: Cass. civ. Ire, 15.04. 1986, BuH. civ. I, Nr. 90. In der Literatur für den engen Verbraucherbegriff: Calais-Auloy, Consommation, Nr. 9; Sinay-Cytermann, JCP 1994, 3804, I, Nr. 14 f. 80 Huet in: J.-CI. civil, Art. 1641 - 1649 Cc, Fasc. 50, Nr. 74.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

gung der körperlichen Integrität (incapacite permanente partielle/totale)81 auch immaterielle Schäden zu ersetzen: Schmerzensgeld (pretium doloris), Entschädigung für entgangene Lebensfreude (prejudice d'agrement) sowie für ästhetischen Schaden (prejudice esthetique)82. Eine Beschränkung auf den vorhersehbaren Schaden nach Art. 1150 Cc scheidet bei der Haftung des gewerblichen Verkäufers aus; dies wird mit der unwiderleglichen Vermutung der Kenntnis vom Mangel zu Lasten des gewerblichen Verkäufers begründet. Da der bösgläubige Verkäufer nicht durch Art. 1646 Cc geschützt sei, entfalle auch der Schutz des Art. 1150 Cc, der lediglich eine allgemeine Ausprägung des Art. 1646 Cc darstelle 83 . b) Haftung wegen Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware Die Lieferung einer fehlerhaften Sache kann neben der Sachmängelgewährleistung auch Ansprüche wegen Nichterfüllung der Lieferpflicht (Art. 1610, 1611 Cc) auslösen. Die Pflicht des Verkäufers zu liefern (vgl. Art. 1603 Cc) erfaßt nämlich auch die Pflicht, eine vertragsgemäße Sache zu liefern 84 . Insbesondere bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft ist diese Lieferpflicht verletzt. Der Käufer kann in diesem Fall nach allgemeinen Vorschriften Auflösung des Vertrages und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (Art. 1147, 1184 Cc). Auf diese Haftung für non-conformite ist die Rechtsprechung in den letzten Jahren häufig ausgewichen, um dem Erwerber einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen, der nicht der für den Käufer ungünstigen kurzen Verjährung des Art. 1648 Cc unterliegt 85 .

aa) Abgrenzung zum Gewährleistungsrecht Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von non-conformite und Sachmängelhaftung wird in der Literatur eine klare Abgrenzung beider Rechtsinstitute gefordert 86 . Dabei stehen sich zwei verschiedene Abgrenzungskriterien gegenüber. Insbesondere die ältere Literatur stützt sich auf den klassischen materiellen Fehlerbegriff und nimmt Mangelhaftigkeit dann an, wenn eine Verschlechterung im Sinne einer äußeren Veränderung der Sache vorliegt; non-conformite, wenn eine andere als die vertraglich vereinbarte Sache geliefert wird, worunter auch die Lie81

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83

424.

Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 1, Nr. 98. Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 1, Nr. 123-125. Ghestin, Conforrnite et garanties, Nr. 257; vgl. Cass. civ. Ire, 23. 10. 1974, D. 1975, jur.

84 Das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft löst nach französischem Recht keine Gewährleistungshaftung aus, sondern stellt eine Vertragsverietzung dar, vgl. Ferid/Sonnenberger, Bd. 2, Frz. ZR, Rz. 2 G 541. 85 Vgl. Cass. civ. Ire, 14.02. 1989, Bull. civ. I, Nr. 84; Cass. civ. Ire, 20. 03. 1989, Bull. civ. I, Nr. 140; Cass. civ. Ire, 29. 01. 1991, Bull. civ. I, Nr. 41; ausführlich S. 33. 86 Vgl nur Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1091 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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ferung einer anderen als der vereinbarten Qualität ffillt 87 . Ein anderer Teil spricht sich für eine chronologische Abgrenzung aus und läßt bis zur Lieferung Nichterfüllungsregeln, danach Sachmängelhaftung eingreifen88. In der Rechtsprechung findet sich eine Abgrenzung nach dem Zeitpunkt der Entgegennahme der Ware nur vereinzelt; soweit die Abnahme der Ware durch den Käufer ohne Rüge eine Billigung der Ware darstellt, können dem Käufer allerdings die Rechte aus non-conformite versperrt sein89 . Vom Ausgangspunkt her nimmt die Rechtsprechung die Abgrenzung eher nach dem begrifflichen, materiellen Fehlerbegriff vor; das Vorliegen eines derart bestimmten Fehlers schloß ursprünglich non-conformite als Spezialregelung aus 90 • Insbesondere seit Beginn der achtziger Jahre wurde diese Grenzziehung zwischen Fehler und Falschlieferung durch die Rechtsprechung der ersten Zivilkammer des Kassationshofs verschoben, indem der Bereich der Falschlieferung weit ausgehnt wurde91 • Erreicht wurde dies durch die Einführung eines funktionellen Begriffs der Vertragsgemäßheit: Nach diesem Begriff soll zur Erfüllung der Lieferpflicht nicht nur gehören, daß die vereinbarte Sache geliefert wird, sondern auch, daß die Sache für die normale sowie die vom Käufer angestrebte Verwendung geeignet sei92 • Das hatte notwendigerweise eine Überschneidung von Fehler und Falschlieferung zur Folge. Innerhalb dieses Bereichs tendierte die Rechtsprechung dazu, dem Käufer die freie Wahl zu lassen, auf welche Grundlage er seine Klage stützen wolle 93 . Der weite Begriff der Nichterfüllung schien 1986 implizit durch die Assemblee pleniere gebilligt worden zu sein94 . Seit 1991 folgte ihm auch die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs 95 • In der Literatur erfuhr der weite Begriff der non-conformite nahezu einhellig Kritik96 • Die vom Gesetz vorgegebene Aufteilung der Pflichten des Verkäufers in 87 Vgl. Baudry-LacantinerielGuyot, Bd. 11, Nr. 836 f.; Demolombe, Bd. XXIV, Nr. 107; Planioll Ripert, Bd. 11, Ne. 2477 f. 88 Ghestin, Conforrnite et garanties, Nr. 219 ff.; Remy, RTD civ. 1984,753. 89 Cass. corn., 12.02. 1980, D. 1981, jur. 278. 90 Vgl. Cass. corn., 16. 07. 1973, BuH. civ. IV, Nr. 247; ähnlich Cass. corn., 15.06. 1981, BuH. civ. IV, Nr. 273. 91 Cass. civ. Ire, 14.02. 1989, BuH. civ. I, Nr. 84; Cass. civ. Ire, 20. 03. 1989, BuH. civ. I, Nr. 140; Cass. civ. Ire, 29. 01. 1991, BuH. civ. I, Nr. 41; D. 1992, sornrn. 201 rn. Anrn. Tournafond; zahlreiche weitere Nachweise bei Larny droit econornique, Nr. 4354. 92 Cass. civ. Ire, 08. 11. 1988, BuH. civ. I, Nr. 314; Cass. civ. Ire, 14.02. 1989, BuH. civ. I, Nr. 83; Cass. civ. Ire, 20. 03.1989, BuH. civ. I, Ne. 140. 93 Vgl. Cass. civ. Ire, 24. 03. 1992, Contrats, conc., consorn. 1992, Ne. 130 rn. Anrn. Leveneur. 94 Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, BuH. civ., Nr. 2; D. 1986, jur. 293 rn. Anrn. Benabent; JCP 1986,11,20616 rn. Anrn. Malinvaud. 95 Cass. corn., 22. 05. 1991, BuH. civ. IV, Nr. 176; D. 1992, sornrn. 200 rn. Anrn. Toumafond; Cass. corn., 18. 02. 1992, BuH. civ. IV, Nr. 82; Cass. corn., 01. 12. 1992, BuH. civ. IV, Nr.389. 96 Benabent, Anrn. zu Cass. civ. lee, 05. 05. 1993, D. 1993, 506; ders., D. 1994, chron. 115; GhestinlDeschi, Vente, Nr. 763 f.; MalaurielAynes, Contrats speciaux, Ne. 286;

3 Beaumart

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Liefer- und Gewährleistungspflicht werde mißachtet; der Gewährleistungspflicht komme im Ergebnis keinerlei Bedeutung mehr ZU 97 • Die vom Gesetz gewollte Abgrenzung sei zudem durch sachliche Unterschiede zwischen den beiden Haftungsbereichen vorgegeben 98 . Letztlich lasse die Ausdehnung der non-conformite keinerlei präzise Abgrenzungskriterien erkennen, sondern sei allein auf das Ausschalten der kurzen Frist des Art. 1648 Cc gerichtet99 . Aus diesen Gründen hatte die dritte Zivilkammer stets ein Einschwenken auf die Linie der ersten Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen abgelehnt 1oo. Die anhaltende Kritik führte dazu, daß die erste Zivilkammer zu einer präziseren Abgrenzung von Fehler und Falschlieferung zurückkehrte, indem sie den Bereich der non-conformite einschränkte lO1 • Nunmehr soll ein Mangel, der die Sache für den normalen Gebrauch untauglich macht, ausschließlich einen Fehler darstellen und die Rechte aus Nichterfüllung ausschließen lO2 • Damit ist die Rechtsprechung wieder auf die klassische Trennlinie eingeschwenkt: Die Untauglichkeit einer Sache zum normalen Gebrauch stellt stets einen Fehler dar; für die Frage der Vertragsgemäßheit der Sache kommt den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entscheidende Bedeutung zu. Überschneidungen zwischen den beiden Haftungsbereichen lassen sich nicht vollständig ausschließen, dürften aber selten sein. Eine Überschneidung erfordert nämlich, daß die Sache nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspricht, daß sich daraus eine Gebrauchsminderung ergibt sowie daß der Käufer die Abweichung von den Vertragsbestimmungen erst nach Lieferung erkennen konnte 103 . In diesem eingeschränkten Bereich kann der Käufer auch weiterhin wählen, auf welche Grundlage er seinen Anspruch stützen will. Aus Art. 12 NCPC ergibt sich zudem für den Richter die Pflicht, den erhobenen Anspruch gegebenenfalls von Amts weJourdain, Gaz. Pal. 1994, 2, doctr. 826, 828; Remy, RTD civ. 1983, 755; Toumajond, D. 1989, chron. 237; Veaux, Contrats, conc., cons. 1993, Nr. 9; Groutet, Resp. civ. et assur. 1993, chron. Nr. 27; Atias, D. 1991, chron. 1,2; tendenziell teilweise zustimmend aber Atias, D. 1993, chron. I, H. 91 Vgl. Malinvaud, Anm. zu Cass. ass. p16n., 07. 02. 1986, JCP 1986, 11, 20616 Nr. 11; Gregoire, RJDA 1993,751 Nr. 2; Apollis, RJDA 1994,489,494 f. 98 Vgl. dazu Toumajond, D. 1989, chron. 237, 241 f. 99 Toumajond, D. 1989, chron. 237, 241 f. 100 Cass. civ. 3e, 27. 03. 1991, Bull. civ. III, Nr. 107; D. 1992, jur. 95 m. Anm. Karila; Cass. civ. 3e, 23.10.1991, Bull. civ. III, Nr. 249; D. 1993, somm. 239 m. Anm. Toumajond. 101 Cass. civ. Ire, 05. 05. 1993, Bull. civ. I, Nr. 158; Cass. civ. Ire, 16.06. 1993, Bull. civ. I, Nr. 224; D. 1994,jur. 546 m. Anm. Clay; Cass. civ. Ire, 27.10.1993, Bull. civ. I, Nr. 305; D. 1994,jur. 212 m. Anm. Benabent; Cass. civ. Ire, 08.12.1993, D. 1994,jur. 212 m. Anm. Benabent. 102 Cass. civ. Ire, 05. 05.1993, D. 1993,jur. 506 m. Anm. Benabent; so auch Cass. com., 26.04. 1994, Bull. civ. IV, Nr. 159; ICP M. E, 1994,11,607 m. Anm. Leveneur; Cass. com., 31. 05. 1994, Bull. civ. N, Nr. 199. 103 Benabent, D. 1994, chron. 115 f.; vgl. Malauriel Aymls, Contrats speciaux, Nr. 287.

B. Vertragliche Ansprüche

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gen der richtigen Anspruchsgrundlage zu unterstellen 104 • Stets muß dabei aber den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden 105.

bb) Verschulden Die Lieferpflicht stellt eine typische "obligation de resultat" dar, das Verschulden des Verkäufers wird vermutet. Hersteller und Vertriebshändler können sich somit nur durch Nachweis einer cause etrangere entlasten (Art. 1147, 1148 Cc). Die Einstufung als obligation de resultat soll nach einem Teil der Literatur allerdings nur für die Lieferpflicht im engeren Sinne gelten. Was über die bloße Lieferung hinausgehe, insbesondere die Pflicht zur Lieferung einer vertragskonformen Sache, soll danach eine "obligation de moyens" darstellen und daher Verschulden der Verkäufers voraussetzen (Art. 1137 CC)106. Das danach erforderliche Verschulden kann allerdings auch nach dieser Ansicht leicht nachgewiesen werden; beim gewerblichen Verkäufer genüge insoweit die bloße Lieferung eines fehlerhaften Produkts lO7 •

ce) Verjährung Soweit Anspruche wegen Nichterfüllung aufgrund Lieferung nichtvertragsgemäßer Ware in Betracht kommen, unterliegen diese nach Art. 2262 Cc der allgemeinen dreißigjährigen Verjährung bzw. im Falle eines Handelsgeschäfts nach Art. 189 bis C. com. der zehnjährigen Verjährung.

dd)llajtungsbeschränkungen Haftungsbeschränkungen sind im Bereich der Nichterfüllung grundSätzlich wirksam 108. Dieser Grundsatz ist allerdings durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Spezialgesetzlich untersagt sind Klauseln zwischen gewerblichen Verkäufern und Verbrauchern nach Art. L. 132-1 C. consom. i.Y.m. Art. 2 des Dekrets Nr. 78-464 vom 24. März 1978 109. Eine Klausel kann schließlich unwirksam sein bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln des Verkäufers llo . Da die 104 Cass. civ. Ire, 16.06. 1993, D. 1994, jur. 546 m. Anm. Clay; a.A. noch Cass. civ. Ire, 13.01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 7; Cass. civ. Ire, 10. 03. 1993, BuH. civ. I, Nr. 110 unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 NCPC. 105 Cass. civ. Ire, 27. 10. 1993, D. 1994, jur. 211. 106 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 190; Mazeaudlde luglart, Bd. III/2, Nr. 948; Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1764; a.A. Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 765. 107 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 190; Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr.1764. 108 Ghestinl Deschi, Vente, Nr. 712; Malaurie I Aynes, Contrats speciaux, Nr. 326. 109 Vgl. oben S. 30 f. Fn. 79, unter anderem zu den Versuchen, die Bestimmungen auch auf gewerbliche Käufer außerhalb ihres eigenen Spezialgebiets auszudehnen. 110 StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1634.

3*

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Rechtsprechung Pflichtverletzungen von Herstellern und gewerblichen Verkäufern zunehmend dem grob fahrlässigem Handeln gleichstellt, sind im Ergebnis Haftungsbeschränkungsklauseln auch bei der Nichterfüllung häufig unwirksam"!. Namentlich für Personenschäden kann die Haftung wegen Art. 6 Cc (ordre public) nicht ausgeschlossen werden. Eine Aushöhlung des Kernbereichs der Haftung ist zudem stets unzulässig" 2 .

ee)llajtungsumjang Bei Nichterfüllung der Lieferpflicht wird gemäß Art. 1149 ff. Cc ,,reparation integrale" geschuldet; ersetzt werden daher auch Mangelfolgeschäden und entgangener Gewinn 1l3 . Allerdings begrenzt Art. 1150 Cc die Haftung auf vorhersehbare Schäden. Diese Begrenzung gilt gemäß Art. 1151 Cc dann nicht, wenn dem Verkäufer bekannt war, daß die gelieferte Sache nicht vertragsgemäß ist; für den gewerblichen Verkäufer führt dies aufgrund der Vermutung seiner Bösgläubigkeit zur unbeschränkten Haftung" 4 . c) Verletzung von Aufklärungspflichten Nach Art. 1603 Cc treffen den Verkäufer lediglich zwei Hauptpflichten: die verkaufte Sache zu liefern und ihre Freiheit von Sach- und Rechtsmängeln zu garantieren. Seit einigen Jahrzehnten hat die Rechtsprechung diesen Pflichten bestimmte Nebenpflichten zur Seite gestellt, die insbesondere den gewerblichen Verkäufer treffen. Zu diesen gehört die Aufklärungspflicht, deren Verletzung die allgemeine Vertragshaftung (Art. 1146 ff. Cc) nach sich zieht" 5 . Bei festgestellter Verletzung der Aufklärungspflicht kann der Käufer daher Auflösung des Kaufvertrags und Schadensersatz (Art. 1147, 1184 Cc) verlangen, wobei sich der Ersatzanpruch auch auf Folgeschäden erstreckt. Da die Verletzung von Aufklärungspflichten nach allgemeiner Vertragshaftung sanktioniert wird, gelten die entsprechenden Vorschriften über Verjährung (Art. 2262 Cc bzw. 189 bis. c.com.), Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen" 6 und Haftungsumfang (Art. 1150 Cc).

III Vgl. Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 270 ff.; Viney in: Securite des consommateurs, S. 71, 83. 112 Vgl. Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 795. 113 Ferid/Sonnenberger. Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 548. 114 Malinvaud, Gaz. Pal. 1973,2, doctr. 463, Nr. 3. llS Ferid/Sonnenberger. Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 G 504. 116 Diese sind gegenüber dem Verbraucher und bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unwirksam; die Haftung für Personenschäden kann niemals ausgeschlossen werden, vgl. oben S. 35 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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aa) Herleitung der Aujklärungspjlichten Die Rechtsprechung hat das Bestehen von Aufklärungspflichten aus Art. 1134 Abs. 3 Cc sowie Art. 1135 Cc hergeleitet ll7 . Nach Art. 1134 Abs. 3 CC unterliegt die Erfüllung von Verträgen dem Grundsatz von Treu und Glauben. Art. 1135 Cc bestimmt, daß Verträge nicht nur zu den ausdrücklich getroffenen Abreden verpflichten, sondern auch zu dem, was sich unter Berücksichtigung von Billigkeit, Gebräuchen und des Gesetzes aus der Natur der Verpflichtung ergibt. Aufklärungspflichten haben aber nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch beim Gesetzgeber Anerkennung gefunden. Art. L 111-1 und L 111-2 C. consomYs begründen für den gewerblichen Verkäufer die allgemeine Verpflichtung, den Verbraucher über die Eigenheiten der verkauften Sache aufzuklären l19 • Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Verletzung der Aufklärungspflicht will ein Teil der Literatur Deliktsrecht anwenden, soweit die Aufklärung vor Vertragsschluß geschuldet wird 120. Andere sehen die Aufklärungspflicht als einheitliche vertragliche Pflicht an, unabhängig davon, ob Beratung vor oder nach Vertragsabschluß geschuldet wird 12l. Kommt eine Pflichtverletzung vor Vertragsabschluß in Betracht, läßt die Rechtsprechung die Frage nach Vertrags- oder Deliktsrecht häufig offen I22 . Soweit die Rechtsprechung ausdrücklich Stellung nimmt, scheint sie sich allerdings eher für die vertragliche Haftung auszusprechen, unabhängig davon, ob die Aufklärung in einer vorvertraglichen Phase oder später unterlassen wurde l23 .

bb) Umfang der Aujklärungspjlicht Welches Maß an Aufklärung jeweils geschuldet ist, ist Frage des Einzelfalls. Aus der umfangreichen Kasuistik lassen sich aber bestimmte Leitlinien herauslesen. Entscheidend sind zum einen die Eigenschaften der verkauften Sache, zum anderen die Kenntnisse der Parteien l24 . Aufklärung wird um so eher geschuldet, als 117 Vgl. Cass. civ. Ire, 14. 12. 1982, BuH. civ. I, Nr. 362; Cass. civ. Ire, 06. 10. 1982, BuH. civ. I, Nr. 279; ausführlich zur Begründung der Aufklärungspflicht Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 513 f. 118 Eingeführt durch Gesetz Nr. 92-60 vom 18. 01. 1992, sodann in den C. consom. übernommen. 119 V gl. Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 93. 120 So insbesondere Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 192. 121 Collart DutilleullDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 214 m.w.N. in Fn.2. 122 Vgl. Cass. civ. Ire, 04. 10. 1977, BuH. civ. I, Nr. 351; Cass. com. 04. 12. 1978, BuH. civ. IV, Nr. 292; Cass. civ. Ire, 02. 06. 1982, BuH. civ. I, Nr. 208. 123 Cass. com., 25. 06. 1980, BuH. civ. IV, Nr. 276; Cass. com., 01. 12. 1992, BuH. civ. IV, Nr. 391; Cass. civ. 3e, 30. 06.1992, BuH. civ. III, Nr. 238. 124 Vgl. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1629 ff.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

es sich um eine technisch komplexe l25 oder gar gefährliche Sache 126 handelt. Zwar werden solche störungs- und schadensanfälligen Sachen ohnehin meist von gewerblichen Verkäufern vertrieben; doch ist anerkannt, daß auch den privaten Gelegenheitsverkäufer eine - allerdings in ihrem Umfang verminderte - Aufklärungspflicht trifft 127. Der gewerbliche Verkäufer muß über sämtliche für die Kaufentscheidung und die Benutzung der Sache erheblichen Umstände informieren 128 . Dabei muß der Hersteller, der den Eigenheiten der Sache nähersteht, weitergehend aufklären als der (auch gewerbliche) Weiterverkäufer 129 . Soweit es sich bei dem Weiterverkäufer allerdings um einen fachlich spezialisierten Händler handelt, dürfte er ebenso streng wie der Hersteller zu behandeln sein 130 . Über die bloße Information des Käufers hinaus schuldet der gewerbliche Verkäufer bisweilen auch Beratung des Käufers. Dies gilt insbesondere bei Gegenständen, die speziell auf die Bedürfnisse des Käufers zugeschnitten sind wie etwa bei Computeranlagen oder -programmen 131. Hier können den Käufer auch Mitwirkungspflichten treffen; er muß die beabsichtigte Verwendung spezifizieren 132 • Schließlich kommt auch den Kenntnissen des Käufers bei der Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht große Bedeutung zu: Gegenüber dem Verbraucher muß der gewerbliche Verkäufer besonders detailliert aufklären; hier sind die gesetzlichen Anforderungen aus Art. L 11l-1 und L 111-2 C. consom. zu beachten. Weniger streng sind die Anforderungen beim Verkauf an einen gewerblichen Käufer 133 . Ganz entbehrlich ist die Aufklärung aber nur dann, wenn die Sache an einen gewerblichen Käufer verkauft wird, der in der selben Branche tätig ist wie der Käufer und der daher die notwendigen Kenntnisse zum Umgang mit der Sache haben muß 134 . Vgl. Cass. corn., 01. 12. 1992, BuH. civ. IV, Nr. 391 (Kauf einer Computeranlage). Vgl. Cass. civ. Ire, 31. 01. 1973, BuH. civ. I, Nr. 40 (leicht entzündlicher Klebstoff zur Verlegung von Kunststoflboden); Cass. civ. Ire, 14. 12. 1986, BuH. civ. I, Nr. 361 (Insektenvernichter, der für die Augen gefährlich ist); Cass. civ. Ire, 13.05. 1986, BuH. civ. I, Nr. 128 (leicht entzündliche Kunstschaumdichtungsrnasse). 127 Vgl. Cass. civ. 3e, 30. 06. 1992, BuH. civ. III, Nr. 238. 128 CoUart DutilleullDelebecque. Contrats civils et cornmerciaux, Nr. 216. Auf Konkurrenzprodukte muß aber nicht hingewiesen werden, vgl. Cass. com., 12. 11. 1992, Bull. civ. IV; Nr. 352. 129 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1644 f.; Collart Dutilleull Delebecque. Contrats civils et cornmerciaux, Nr. 216, 219. 130 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1645; Collart DutilieullDelebecque. Contrats civils et comrnerciaux, Nr. 219; implizit Cass. civ. Ire, 23. 04. 1985, Bull. civ. I, Nr. 125; D. 1985,jur. 558 rn. Anm. Dion. 131 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1634 f.; vgl. Cass. civ. Ire, 18.05. 1989, Bull. civ. I, Nr. 206 (Installation einer Überwachungskamera); Cass. corn., 25. 10. 1994, Contrats, consom., conc. 1994, Nr. 3 S. 4 m. Anm. Leveneur (Installation einer Computeranlage). 132 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1655 m.w.N. 133 Vgl. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1649. 134 Vgl. Cass. corno 08. 01. 1973, Bull. civ. IV, Nr. 16; Cass. civ. Ire, 09. 12. 1975, D. 1978, jur. 205 m. Anrn. Savatier; JCP 1977, II, 18588 rn. Anrn. Malinvaud. 125

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B. Vertragliche Ansprüche

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cc) Verschulden

Die Aufklärungspflicht des Verkäufers wird einhellig als obligation de moyens eingestuft 135. Daraus folgt, daß der Käufer mangelnde Aufklärung beweisen muß. Von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung bisweilen Ausnahmen und läßt mit Hilfe einer widerleglichen Vermutung einen eingetretenen Schaden oder die bloße Unbrauchbarkeit der Sache selbst für die Annahme einer faute des Verkäufers ausreichen 136. Der Verkäufer seinerseits kann die Vermutung durch den Nachweis einer sachwidrigen Verwendung oder einer mangelnden Kooperation widerlegen 13? d) Verletzung einer obligation de securite Den gewerblichen Verkäufer trifft daneben als weitere Nebenpflicht eine Sicherheitspflicht, die sogenannte obligation de securite 138 . Diese ist erst in den letzten Jahren durch die Rechtsprechung als eigenständige Nebenpflicht, deren Verletzung die allgemeine Vertragshaftung (Art. 1146 ff. Cc) nach sich zieht, herausgearbeitet worden. Zuvor wurden Sicherheitsmängel der vertriebenen Gegenstände meist durch die Sachmängelhaftung 139, bei Konzeptionsmängeln auch als Verstoß gegen die Pflicht zur Lieferung vertragsgemäßer Ware l40 oder als Verstoß gegen Aufklärungspflichten sanktioniert l41 . aa) Abtrennung der obligation de securite von sonstigen Pflichten

Die erste Entscheidung, in der vom Bestehen einer eigenständigen obligation de securite ausgegangen wurde, dürfte diejenige der ersten Zivilkammer des Kassationshofs vom 20. März 1989 sein l42 • In dem Rechtsstreit wurde der Hersteller eines implodierten Fernsehers auf Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch genommen. Das Gericht bestimmte die Pflichten des Herstellers wie folgt: "Der gewerbliche Verkäufer ist ... verpflichtet Produkte zu liefern, die frei sind von Män135 Cass. civ. Ire, 23. 04.1985, BuH. civ. I, Nr. 125; D. 1985,jur. 558 m. Anm. Dion; Cass. com., 11. 06. 1985, Bull. civ. IV., Nr. 188; Cass. com., 14. 03. 1989, BuH. civ. IV, Nr. 89; Collart DutilleullDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 223. 136 Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 223; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1658 f. m.w.N. 137 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1659 m.w.N. 138 Präventiv ist das Gesetz Nr. 83-660 vom 21. 07. 1983 über die aHgemeine Produktsicherheit zu beachten. 139 Cass. civ. 2e, 05. 05.1959, BuH. civ. 11, Nr. 350; JCP 1959,11,11159 (lotion capillaire); vgl. Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1797; Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 89 f. 140 CA Paris, 16. 12. 1988, D. 1989, info rap. 24. 141 Cass. civ. Ire, 31. 01. 1973, BuH. civ. I, Nr. 40; Cass. civ. Ire, 13.05. 1986, BuH. civ. I, Nr. 128; Cass. civ. Ire, 07. 06. 1989, BuH. civ. I, Nr. 232. 142 Cass. civ. Ire, 20. 03.1989, D. 1989,jur. 381 m. Anm. Malaurie.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

geln und Konstruktionsfehlern, aus denen sich eine Gefahr für Personen oder Sachen ergeben kann." Als Grundlage für diese Pflicht des gewerblichen Verkäufers wurde Art. 1135 Cc herangezogen. Diese Rechtsprechung wurde durch weitere Entscheidungen des Kassationshofs gefestigt. Eine obligation de securite besteht beispielsweise für Hersteller und Verkäufer von Körperpflegemitteln gegenüber dem Benutzer; diese Produkte dürfen nicht zu Hautbeeinträchtigungen führen l43 • In einem anderen Fall wurde entschieden, daß der Vertriebshändler eines Produkts sich dessen Gefahrlosigkeit vergewissern muß; daß bereits der Hersteller es unterlassen hatte, auf den Etiketten auf die leichte Entflammbarkeit eines Desinfektionsmittels hinzuweisen, kann ihn nicht entlasten l44 . Von einer solchen obligation de securite zu Lasten des Vertriebshändlers wurde auch in der Entscheidung der ersten Zivilkammer des Kassationshofs vom 11. Juni 1991 ausgegangen, wobei dieselbe Formulierung wie in der Entscheidung vom 20. März 1989 verwendet wurde l45 . Die Käufer eines Wohnmobils waren in diesem Wagen durch eine Kohlenmonoxidvergiftung zu Tode gekommen. Die Erben konnten die beteiligten Vertriebshändler erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, obwohl die Unfallursache in der Ausstattung des Wohnmobils mit einer mangelhaften Gasheizung und unzureichender Belüftung bereits durch den Hersteller lag. Auf die in der Entscheidung vom 20. März 1989 gefundene Umschreibung der obligation der securite stützt sich schließlich auch die Entscheidung vom 27. Januar 1993 146 . Gestützt auf die obligation de securite des gewerblichen Verkäufers sprach der Kassationshof einem Jäger, der durch die Explosion fehlerhafter Munition in seinem Gewehr verletzt worden war, Schadensersatz zu. Dieselbe Umschreibung der obligation de securite des gewerblichen Händlers und Herstellers findet sich in der Entscheidung des Kassationshofs vom 15. Oktober 1996 147 • Hier gewährte der Kassationshof einem Motorradfahrer Ersatz für die durch Bruch der Motorradbrille erlittenen Verletzungen.

bb) Inhalt der obligation de securite Anband der zitierten Entscheidungen lassen sich die Voraussetzungen, unter denen wegen Verletzung der obligation de securite gehaftet wird, näher bestimmen. Zunächst trifft die obligation de securite nur den gewerblichen Verkäufer und den Hersteller l48 . In der Mehrzahl der Fälle kam sie Verbrauchern zugute. Einer EntCass. civ. Ire, 22. 01. 1991, Bull. civ. I, Nr. 30; D. 1991, inf. rap. 56. Cass. civ. Ire, 04. 04. 1991, Bull. civ. I, Nr. 131. 145 Cass. civ. Ire, 11. 06. 1991, Bull. civ. I, Nr. 201; Anm. Viney, JCP 1992, 1,3572, sub B.; Anm. Jourdain, RTD civ. 1992, 114; D. 1993, somm. 241 m. Anm. Toumajond; Contrats, conc., consom. 1991, Nr. 219 m. Anm. Leveneur. 146 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 44; Anm. Jourdain, RTD civ. 1993,592594. 147 Cass. Civ. Ire, 15. 10. 1996, Bull. civ. I, Nr. 354; Anm. Viney, JCP 1997,4215, Nr. 13; Anm. Jourdain, D. 1997, somm. 286, 287. 143

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B. Vertragliche Ansprüche

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scheidung des Kassationshofs vom 17. Januar 1995 läßt sich aber entnehmen, daß dem Hersteller auch gegenüber dem Vertriebshändler eine obligation de securite obliegt 149 . Die Einbeziehung auch gewerblicher Käufer in den Schutz wird auch in der Literatur befürwortet, zumindest soweit sie nicht in derselben Branche wie der Verkäufer tätig sind 150. Soweit die obligation de securite gegenüber dem Verbraucher betroffen ist, kann die Haftung schon nach Art. L 132-1 C. consom. i.Y.m. Art. 2 des Dekrets vom 24. März 1978 nicht ausgeschlossen werden. Soweit Haftungsausschlüsse Personenschäden betreffen, werden sie seit geraumer Zeit auch gegenüber gewerblichen Abnehmern nicht anerkannt l5l . Weitergehend dürfte aber ein Ausschluß bei der obligation de securite auch bei Sachschäden generell ausgeschlossen sein: Die obligation de securite deckt als vertragliche Nebenpflicht Schäden ab, die bei außenstehenden Dritten die deliktische Haftung nach sich ziehen 152. Daraus ergibt sich, daß sie - wie entsprechende deliktische Ansprüche - durch vertragliche Vereinbarungen generell nicht eingeschränkt werden darf153 • Die obligation de securite besteht weiter nicht schlechthin bei gefährlichen Sachen, sondern die verkaufte Sache muß einen Mangel oder Fabrikationsfehler aufweisen i54 • Andernfalls wäre der Haftungsbereich unangemessen weit gezogen 155 . Auf die explizite Feststellung eines Konzeptionsfehlers verzichtet aber eine Entscheidung, die die Bereitstellung einer Zahnspange im Rahmen eines Behandlungsvertrages betraf, da sich der Konzeptionsfehler bereits aus der besonderen Gefährlichkeit ergab l56 . Ein Verschuldensnachweis wird dem Geschädigten, der Ansprüche wegen Verletzung der obligation de securite erhebt, nicht abverlangt; es handelt sich daher nicht um eine obligation de moyens 157 . Andererseits stellt die obligation de securite, wie sie von der Rechtsprechung im Kaufrecht entwickelt wurde, auch kein Schulbeispiel einer obligation der resultat dar. Denn dann würde allein der Nach148 Vg!. Cass. civ. Ire, 22. 01. 1991, Bull. civ. I, Nr. 30. Nur Jourdain, Gaz. Pa!. 1994,2, docIr. 826, 830 will auch den Gelegenheitsverkäufer einer obligation de securite unterwerfen. 149 Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995 jur. 350 m. Anm. Jourdain (insbes. 353 sub. 1.). 150 Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1671. 151 Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 1111, Nr. 636 m.w.N. 152 V g!. unten S. 96 ff. 153 Jourdain, Gaz. Pa!. 1994,2, dOCIr. 826, 830; ders., Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995,jur. 350, 353; Mazeaud, Anm. zu Cass. civ Ire, 07. 06. 1995, D. 1996,jur. 395, 398. 154 Vg!. Cass. civ. Ire, 20. 03.1989, D. 1989,jur. 381; Cass. civ. Ire, 11. 06.1991, Bull. civ. I, Nr. 201; Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 44; Cass. Civ. Ire, 15. 10. 1996, Bull. Civ. I, Nr. 354. 155 Vg!. Jourdain, Gaz. Pa!. 1993,2, dOCIr. 1171, 1173; Malaurie, Anm. zu Cass. civ. Ire, 20.03. 1989, D. 1989, jur. 381, 382. 156 Cass. civ. Ire, 22.11. 1994, Bull. civ. I, Nr. 340. 157 Die obligation de securite stellt insbesondere im Bereich der Werk- und Dienstverträge zumeist lediglich eine obligation de moyens dar, so daß dort der Nachweis eines Fehlverhaltens erforderlich ist, vg!. Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 1111, Nr. 402 m.w.N.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

weis des Schadenseintritts, d. h. einer Beeinträchtigung der Sicherheit ausreichen. Der Käufer muß vielmehr stets beweisen, daß der von ihm erlittene Schaden kausale Folge eines Sicherheitsmangels ist l58 . Wegen der Entbehrlichkeit des Verschuldensnachweises wird die im Kaufrecht entwickelte obligation de securite in der Literatur als obligation de resultat bzw. als dieser angenäherte Verpflichtung bezeichnet l59 . Für die Einordnung als obligation de resultat spricht auch die Entscheidung des Kassationshofs vom 27. Januar 1993 16 die sich auf Art. 1147 Cc beruft, aus dem regelmäßig das Vorliegen einer obligation de resultat hergeleitet wird. Andererseits ist die Verpflichtung des gewerblichen Verkäufers nicht als strikte Garantiehaftung ausgestaltet l61 , so daß der Verkäufer sich beispielsweise ganz oder teilweise entlasten kann, wenn er nachweist, daß der Schaden auf einer besonderen Anfälligkeit des Opfers beruht oder durch Verschulden des Opfers, etwa durch die Nichtbeachtung einer Gebrauchsanweisung (mit-)verursacht wurde l62 .

°,

Die praktisch bedeutsamste Konsequenz der Ausbildung einer eigenständigen obligation de securite, deren Verletzung nach allgemeinem Vertragsrecht sanktioniert ist, betrifft die Verjährungsfrage; die kurze Frist der Sachmängelhaftung aus Art. 1648 Cc ist nicht zu beachten l63 . Allerdings können über die Verletzung der obligation de securite nur Personenschäden und Schäden an anderen Sachen abgewickelt werden. Hinsichtlich der Sache selbst ist demgegenüber Art. 1648 Cc zu beachten; in der Entscheidung betreffend die Todesfälle in dem Wohnmobil war demzufolge die Wandlung des Kaufvertrages über den mangelhaften Wagen verwehrt worden l64 . ce) Verhältnis zur Sachmängelhaftung Nicht geklärt ist bislang die Frage, ob die obligation de securite die Sachmängelhaftung ausschließt oder ob der Geschädigte nach seiner Wahl auch weiterhin Folgeschäden, die aufgrund eines Sicherheitsmangels eingetreten sind, auf der Grundlage der Sachmängelhaftung abwickeln kann 165. Die in der Entscheidung vom 27. Januar 1993 verwendete Formulierung, "der Anspruch unterliege nicht 158 Vg!. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1673; Cass. Civ. Ire, 15. 10. 1996, Bull. Civ. I, Nr. 354 m. Anm. lourdain, D. 1997, somm. 286, 288. 159 lourdain, Gaz. Pa!. 1994, 2, doctr. 826, 829; ders., Gaz. Pa!. 1993, 2, doctr. 1171, 1173; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1673; Arlie, RJDA 1993,409,414. 160 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 44. 161 Cass. civ. Ire, 22. 01. 1991, Bull. civ. I, Nr. 30. 162 Vg!. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1674 m.w.N. 163 Vg!. insbesondere Cass. civ. Ire, 11. 06. 1991, Bul!. civ. I, Nr. 201. 164 Cass. civ. Ire, 11. 06. 1991, Bull. civ. I, Nr. 201. 165 Allerdings dürfte die Wahl der Sachmängelhaftung dem Abnehmer kaum jemals vorteilhafter sein. Für ein Wahlrecht: Leveneur, Anm. zu Cass. civ. Ire, 11. 06. 1991, Contrats, conc., consom. 1991, Nr. 219; für Ausschließlichkeit: lourdain, Gaz. Pa!. 1994,2, doctr. 826, 830; Viney, JCP 1992, 1,3572, sub B.; Arlie, RJDA 1993,409,411.

B. Vertragliche Ansprüche

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der Garantie (gegen Sachmängel), sondern dem allgemeinen Vertragsrecht", legt die Ausschließlichkeit der obligation de securite nahe 166. Damit würde durch die Sachmängelhaftung nur noch der Mangelunwert der Sache selbst einschließlich ihres wirtschaftlichen Nutzens abgewickelt; Personenschäden und Schäden an anderen Sachen dagegen ausschließlich nach allgemeinem Vertragsrecht wegen Verletzung der obligation de securite l67 . Eindeutige Entscheidungen in diesem Sinne sind allerdings noch nicht ergangen. Zudem mag gegen die Annahme der Ausschließlichkeit angeführt werden, daß die Haftung nach den Vorschriften der Produkthaftung gegenüber der Sachmängelhaftung nicht ausschließlich ist l68 . dd) Einfluß der Produkthaftungsrichtlinie Insgesamt zeigt die Ausgestaltung der obligation de securite durch die Rechtsprechung eine Anlehnung an die Vorgaben der Produkthaftungsrichtlinie l69 . Nach Versäumung der Umsetzungsfrist sind die Gerichte damit ihrer Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts nachgekommen 170. Sowohl die Rechtsprechung zur obligation de securite als auch Art. 9 der Produkthaftungsrichtlinie gewährleisten den Ersatz von Personenschäden und an anderen Gegenständen als der Sache selbst. Auch im Hinblick auf den Begriff eines fehlerhaften Produkts hat sich die Rechtsprechung den Bestimmungen der Richtlinie, nach deren Art. 6 Ersatz geschuldet wird, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die der Verbraucher berechtigterweise erwarten kann, angenähert. Der Geschädigte muß nach der Rechtsprechung zur obligation de securite wie nach der Richtlinie lediglich den Sicherheitsmangel, seinen Schaden und die Kausalität beweisen. Gewisse Unterschiede bestehen bei den Entlastungsmöglichkeiten des Herstellers. Während bei der obligation de securite wie bei jeder obligation de resultat nur eine cause etrangere entlasten kann, zählt die Richtlinie in Art. 7 enumerativ einzelne Entlastungsgründe auf. Unter diesen stellt die Richtlinie die Einführung des Entlastungsgrunds des Entwicklungsrisikos in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers (Art. 7lit e), Art. 15 Abs. Ilit b) der Richtlinie). Eindeutige Stellungnahmen zu der Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelte obligation de securite den Einwand des Entwicklungsrisiko zuläßt, liegen bisher nicht vor. Gegen die Beachtlichkeit des vom Hersteller erhobenen Einwands des Entwicklungsrisikos könnte man anführen, daß ein solcher Einwand auch nach Gewährlei-

Vgl.Arlie, RJDA 1993,409,411. Vgl. Arlie, RJDA 1993,409,411; Jourdain, Gaz. Pa!. 1994,2, doctr. 826, 830. 168 Vgl. Art. 1386-18 Cc, Abdruck in Anhang III. 169 Vgl. Solente/Claret, PHI 1995,96,97 f. 170 Vgl. EuGH, 10.04. 1984, 14/83 - von Colson u. Kamann/Land NRW - Sig. 1984, 1891, 1908 f.; EuGH, 10.04. 1984,79/83 - HarzIDeutsche Tradex - Slg. 1984, 1921, 1942; EuGH, 13. 11. 1990, 106/89 - Marleasing SA/La Commercial International de Alimentacion SA, Sig. 1990 I, 4135, 4159. 166 167

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

stungsrecht, welches vor Ausbildung der obligation de securite meist als Anspruchsgrundlage herangezogen wurde, nicht zur Entlastung führt 171 . Spürbare Unterschiede bestehen bei der Bestimmung des Anspruchsverpflichteten. Nach Art. 1 der Richtlinie haftet allein der Hersteller, lediglich wenn Händler den Hersteller nicht benennen, haften sie nach Art. 3 Abs. 3 subsidiär; die Haftung wegen Verletzung der obligation de securite bezieht demgegenüber jeden gewerblichen Händler mit ein, was auch in dem neuen Art. 1386-7 Abs. 1 Cc Niederschlag gefunden hat 172 . Die Abtrennung der obligation de securite von der Sachmängelhaftung hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden. Die Ansiedlung des Schutzes gegen Sicherheitsmängel bei der Gewährleistung sei sachwidrig, zumal es um den Ersatz von Schäden unterschiedlicher Tragweite gehe 173. Eine Unzulänglichkeit kann aber auch die großzügige Auslegung einer obligation de securite nicht vermeiden: Der Schutz durch die obligation de securite ist im Unterschied zu den Vorgaben der Richtlinie nach wie vor beim Vertragsrecht angesiedelt 174 . Schäden Dritter lassen sich damit nicht ohne weiteres abwickeln. Um gleichwohl einen wirksamen Schutz zu bieten, werden vertragliche Ansprüche auf Unterabnehmer der Sache übertragen 175 . Zum Schutz völlig Außenstehender sind zudem wirksame deliktische Ansprüche entwickelt worden l76 . e) Sicherheitspflichten nach Produkthaftungsrecht Abweichend von den Vorgaben der Produkthaftungsrichtlinie sieht die französische Umsetzung durch das Gesetz Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 vor, daß entsprechende Ansprüche wegen Sicherheits mängeln stets auch gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner geltend gemacht werden können l77 . Die vorgesehenen Anspruchs grundlagen werden unten im Zusammenhang mit den Direktansprüchen gegen den Hersteller vorgestellt l78 .

171 Vgl. nur Huet in: J.-Cl. civil, Art. 1641-1649 Cc, Fasc. 320, Nr. 113; vgl. auch unten S. 121 f. 172 So auch bereits die Entwürfe zur Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie von 1990 und 1993. 173 Vgl. Calais-Auloy, D. 1993, chron. 130, 132; Jourdain, Gaz. Pal. 1994, 2, doct. 826, 829; Arlie, RJDA 1993,409,411. 174 Kritisch zu dieser Beschränkung auf das Vertragsrecht: Jourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, RTD civ. 1993,593,594; Lambert-Faivre, D. 1994, chron. 81, 83. 175 Dazu ausführlich unten S. 52 ff. 176 Dazu ausführlich unten S. 96 ff. m Art. 1386-7 Abs. 1 Cc. 178 Vgl. unten S. 106 ff.

B. Vertragliche Ansprüche

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2. Werkvertragsrecht

a) Allgemeines Der Code civil enthält keine klare Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag, sondern kennt lediglich den einheitlichen Begriff des contrat de louage (vgl. Art. 1710 Cc). Die Lehre hat jedoch den Begriff contrat d'entreprise herausgearbeitet l79 , der inhaltlich dem Werkvertrag des BGB entspricht. Insbesondere wird beim Werkvertrag eine obligation de resultat geschuldet l8o . Der Code civil enthält keine der deutschen Regelung des Werklieferungsvertrags entsprechenden Vorschriften; die Abgrenzung wird meist nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt des einzelnen Vertrages getroffen \81 • Die Rechte des Bestellers bei Nichtlieferung oder bei Mängeln des Werks sind teilweise unklar geregelt. Liefert der Unternehmer nicht oder ist das Werk mit offenbaren Mängeln behaftet, ergeben sich keine Schwierigkeiten: Der Besteller kann in jedem Fall die sich aus der Nichterfüllung ergebenden Rechte geltend machen 182, insbesondere Neuherstellung oder Nachbesserung verlangen; bei Mängeln des Werks setzt dies voraus, daß der Besteller es zurückweist l83 . Unklar ist aber, welche Rechte dem Besteller zustehen, wenn sich Mängel erst nach Abnahme herausstellen, es sich mithin um versteckte Mängel handelt. Aus der Systematik des Werkvertragsrechts könnte man schließen, daß nach Abnahme keinerlei Rechte mehr geltend gemacht werden können; gleichwohl ist heute allgemein anerkannt, daß vices caches eines Werks in Anlehnung an das Kaufrecht zur Gewährleistungshaftung führen 184. Nicht eindeutig geklärt ist, ob den Werkunternehmer eine obligation de securite trifft 185 . Überwiegend wird eine solche erst nach Fertigstellung des Werks angenommen 186. Ob die Haftung aber tatsächlich auf der Verletzung einer eigenständigen Nebenpflicht beruht oder ob die Ersatzpflicht bereits aus der Erstreckung der Mängelgarantie auf Mangelfolgeschäden folgt, ist offen l87 . 179 Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d' entreprise, Nr. I; Malaurie / Aynes, Contrats speciaux, Nr. 700; Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 696. 180 Collart DutilleuliDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 723; Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 63 m.w.N. 181 Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 20-22 m.w.N. 182 Vgl. Collart DutilleuliDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 742; Boubli in: Rep. de droit civil, Nr. 109; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 K 127. 183 Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 111 f. m.w.N. 184 Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 113; Collart DutilleuliDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 744; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 K 128. 185 Vgl. Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 91. 186 Dann kommt vor Fertigstellung nur eine deliktische Haftung in Betracht, vgl. Cass. civ. 3e, 19. 10. 1971, D. 1972, jur. 77. 187 Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 92 ff.; Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 729.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

b) Bauunternehmerhaftung nach Art. 1792 ff., 2270 Cc Eine spezielle Gewährleistungshaftung für Baumängel hat das Gesetz Nr. 78-12 vom 4. Januar 1978 eingeführt l88 . Nach Art. 1792 ff. Cc haftet jeder constructeur d'un ouvrage dem Besteller oder einem Erwerber für bei Abnahme nicht erkennbare Mängel; wer als constructeur d'un ouvrage anzusehen ist, ergibt sich aus Art. 1792-1 Cc. Eine zehnjährige Gewährleistungspflicht besteht nach Art. 1792, 2270 Cc für Schäden aufgrund von Mängeln des Bauwerks, die seine Stabilität beeinträchtigen, oder wenn das Gebäude infolge Schadhaftigkeit wesentlicher Teile für seinen Zweck unbrauchbar ist; Art. 1792-2 Cc erstreckt die zehnjährige Gewährleistung auf Mängel, die die Solidität von Ausstattungselementen betreffen, die mit bestimmten konstitutiven Bauteilen (Fundament, Decken, Wande) untrennbar verbunden sind. Für Ausstattungsteile, die nicht unter Art. 1792-2 Cc fallen, besteht nach Art. 1792-3 Cc lediglich eine zweijährige Garantie hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Funktionierens. Art. 1792-5 Cc untersagt jede Beschränkung der Haftung. Nach Art. 1792-4 Cc haften gesamtschuldnerisch mit dem Unternehmer Fabrikanten und Importeure von bestimmten Baufertigteilen. Die Haftung dieser Hersteller von Baufertigteilen ist im Rahmen der Produkthaftung von besonderem Interesse: Aufgrund Art. 1792-4 Cc kann der Besteller und ein späterer Erwerber nämlich direkt gegen den Hersteller vorgehen. Einzelheiten bleiben daher dem Abschnitt über direkte vertragliche Ansprüche vorbehalten 189.

11. Rückgriff innerhalb einer Absatzkette Ein Zwischenhändler, der durch seinen Abnehmer auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, wird versuchen, seinen eigenen Verkäufer in Anspruch zu nehmen. Dieser wird sich seinerseits bemühen, den Schaden weiter abzuwälzen, bis er schließlich auf die Ebene des Herstellers verlagert wird. Auf diese Weise läßt sich eine Kette hintereinandergeschalteter Verträge bis zum eigentlichen Urheber des Fehlers zurückverfolgen, der den Schaden dann endgültig tragen muß. Prozessual kann der Rückgriff entweder durch eine selbständige Rückgriffsklage oder durch einen appel en garantie ausgeübt werden. Stets ist erforderlich, daß materiellrechtlich ein Rückgriffsanspruch vorliegt.

188 Ausführliche Darstellung bei Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d' entreprise, Nr. 378-498. 189 Vgl. unten S. 72 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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1. Prozessuale Möglichkeiten

a) Selbständige Rückgriffsklage Die selbständige Rückgriffsklage (demande en garantie principale) bringt keine prozessualen Besonderheiten mit sich. Der Inhaber des Regreßanspruchs kann zunächst seine eigene Verurteilung abwarten, bevor er sich in einem neuen Prozeß bei seinem Regreßschuldner schadlos hält. Ausnahmsweise kann der Zwischenhändler auch unabhängig von einer eventuellen Klage des Endabnehmers Rückgriff nehmen, nämlich dann, wenn er an der Inanspruchnahme seines Vormannes ein unmittelbares und sicheres Interesse (interet direct et certain) hat l90 • Ein solches Interesse liegt etwa dann vor, wenn der Zwischenhändler vor der Weiterveräußerung durch die Sache einen Eigenschaden erlitten hat, seinem Abnehmer wegen Mängeln der Sache außergerichtlich Schadensersatz leisten oder einer Reduzierung des Kaufpreises zustimmen mußte l91 . Der Rückgriff durch selbständige Klage nach eigener Verurteilung birgt die Gefahr einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung durch das im Folgeprozeß angerufene Gericht l92 . Die Rechtskraft (autorite de la chose jugee) des im Vorprozeß ergangenen Urteils ist auf die Parteien dieses Prozesses beschränkt. Aus dieser Relativität der Rechtskraft wurde ursprünglich geschlossen, ein Urteil könne die Rechtsstellung eines Dritten ohnehin nicht beeinträchtigen, so daß der Dritte die subjektiven Grenzen der Rechtskraft auch nicht aktiv geltend machen müsse l93 • Neuerdings setzt sich die Ansicht durch, daß von der Relativität der Rechtskraft die sogenannte opposabilite zu unterscheiden sei 194. Der Begriff der opposabilite besagt dabei, daß Urteile neben ihrer auf die Parteien beschränkten Rechtskraft Dritten jedenfalls faktisch entgegengehalten werden und ihre Situation beeinflussen können l95 . Aber selbst diese faktische Wirkung eines für ihn fremden Urteils kann der Regreßschuldner gegebenenfalls im Wege der tierce opposition nach Art. 582 ff. NCPC beseitigen. Mit diesem außerordentlichen Rechtsmittel kann jeder Dritte, dessen Interessen von den Wirkungen eines fremden Urteils rechtlich 190 Cass. com. 12.01. 1988, Bull. civ. IV, Nr. 30. Auch der Bauherr kann gegebenenfalls weiterhin die Gewährleistungsrechte gegen die Unternehmer geltend machen, obwohl er das Bauwerk bereits weiterverkauft hat: Cass. civ. 3e, 21. 03. 1979, Bull. civ. III, Nr. 73; Cass. civ. 3e, 26. 04. 1983, Bull. civ. III, Nr. 91. 191 Vgl. GhestinlDeschi. Vente, Nr. 1008. 192 Anders für den Rückgriff im Wege des appel en garantie Cass. com., 09. 02. 1982, Gaz. Pal. 1982,2, jur. 613 mit abI. Anm. Plancqueel. Dabei wird der Regreßschuldner allerdings Prozeßpartei. 193 Vgl. Perrot in: Rep. de procedure civile, chose jugee, Nr. 140; VincentlGuinchard, Procedure civile, Nr. 1484. 194 Perrot in: Rep. de procedure civile, chose jugee, Nr. 140 f; Fricero in: Rep. de procedure civile, tierce opposition, Nr. 4; VincentlGuinchard. Procedure civile, Nr. 1484. 195 VincentlGuinchard, Procedure civile, Nr. 182; Duclos. Opposabilite, Nr. 90 ff.; Fricero in: Rep. de procedure civile, tierce opposition, Nr. 4.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

oder auch nur tatsächlich betroffen sind, nachträglich durch Klage gegen die obsiegende Partei opponieren und zumindest was seine Person betrifft die Aufhebung bzw. Änderung des Urteils verlangen 196 • Um diese Risiken zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Zwischenhändler, der Rückgriff nehmen will, frühzeitig seinen eigenen Vormann in den Prozeß mit einzubeziehen. b) Einbeziehung Dritter in den Prozeß, insbesondere durch appel en garantie Die Einbeziehung Dritter in einen Rechtsstreit ermöglichen die Vorschriften des Interventionsrechts (Art. 325 - 338 NCPC). Dabei wird, je nachdem, ob der Dritte auf Betreiben einer Partei in den Rechtsstreit hineingezogen wurde oder freiwillig beigetreten ist, zwischen intervention forcee (Art. 331-338 NCPC) und intervention volontaire (Art. 328 - 330 NCPC) unterschieden. Die Begriffe entsprechen funktional der Streitverkündung und der Nebenintervention des deutschen Rechts 197. Für die Durchführung eines Rückgriffs ist in erster Linie das Institut der intervention forcee von Interesse. Bei der sogenannten intervention forcee aux fins de condarnnation nach Art. 331 Abs. 1 NCPC kann die Partei einen Leistungsantrag auf Verurteilung des Dritten stellen. Dadurch erhält der Dritte die volle ParteisteIlung. Interventionskläger kann dabei sowohl der Kläger als auch der Beklagte des Hauptverfahrens sein. Hauptanwendungsfall der intervention forcee ist der in Art. 334 - 338 NCPC geregelte appel en garantie (Garantieklage). Dabei unterscheidet der Nouveau Code de Procedure Civile den appel en garantie simple und den appel en garantie formelle. Von einer formellen Garantie wird nur gesprochen, soweit der Erstbeklagte aufgrund eines dinglichen Rechts in Anspruch genommen wird 198 . Praktisch bedeutsamer ist der appel en garantie simple. Er kommt in Betracht, wenn eine Prozeßpartei für den Fall ihres Unterliegens meint, Rückgriffsansprüche im weitesten Sinne gegen einen Dritten zu haben 199 ; der appel en garantie simple hat stets die Verurteilung des Dritten zum Ziel. Garantiekläger ist regelmäßig der Beklagte des Hauptverfahrens. Ausnahmsweise kann es aber auch der Kläger des Hauptverfahrens sein 2OO • Beim appel en garantie kommt es zu einem Dreiparteienprozeß, der 196 Fricero in: Rep. de procedure civile, tierce opposition, Nr. 1,4 f.; VincentlGuinchard, Procedure civile, Nr. 1484. 197 Vgl. Mansei in: Europäischer Binnenmarkt, IPR und Rechtsangleichung, S. 161, 176. 198 Etwa wenn ein auf Herausgabe verklagter Besitzer seinem Vormann den Streit verkündet. Der Erstbeklagte kann dann nach Art. 336 NCPC seine Entlassung aus dem Prozeß verlangen. Vgl. Martin in: J.-Cl. de procedure civile, Fasc. 127-1, Nr. 111. 199 Gross in: Rep. de procedure civile, garantie, Nr. 71-73; Solus I Perrot. Droit judiciaire prive, Bd. 3, Nr. 1091; VincentlGuinchard. Procedure civile, Nr. 991.

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B. Vertragliche Ansprüche

anders als die deutsche Streitverkündung auch gegenüber dem Regreßschuldner mit einem Urteil endet 201 . Häufig verkündet zudem der in den Prozeß gerufene Garant den Streit seinem eigenen Garanten weiter, so daß ganze Ketten entstehen (appel en garantie en cascade)202. Damit können Regreßverhältnisse oft innerhalb eines einzigen Prozesses geklärt werden. Der Interventionskläger muß allerdings kein Leistungsurteil gegen den Dritten anstreben. Er kann sich nach Art. 331 Abs. 2 NCPC auch auf eine intervention forcee fin de declaration de jugement commun beschränken. Durch diese Intervention wird allein die Rechtskraft des Urteils (autorite de la chose jugee) auf den Dritten ausgedehnt 203 . Die praktische Bedeutung der intervention forcee fin de declaration de jugement commun liegt insbesondere darin, von vornherein die tierce opposition auszuschließen, mit der Dritte das Urteil nachträglich anfechten könnten, soweit es ihre Interessen rechtlich oder zumindest tatsächlich beeinträchtigt. Die intervention forcee zu Zwecken der Rechtskrafterstreckung wird der Beklagte des Hauptprozesses daher häufig wählen, wenn er einen Rückgriff durch selbständige Klage dem appel en garantie vorzieht204 .

a

a

Für sämtliche Formen der intervention forcee ist bedeutsam, daß nach Art. 333 NCPC der Dritte im Gerichtsstand der Hauptparteien verklagt werden kann, ohne daß dort auch im Hinblick auf die gegen den Dritten gerichtete Klage eine örtliche Zuständigkeit (competence territoriale) bestehen müßte. Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der verschiedenen Gerichtszweige (competence d'attribution)205. Die Regelung des Art. 333 NCPC kann auch nicht auf internationale Sachverhalte übertragen werden 206 . Geringere Bedeutung kommt für Rückgriffsprozesse der intervention volontaire, dem freiwilligen Streitbeitritt des Dritten zu. Diese intervention volontaire ist als Haupt- und als Nebenintervention möglich. Eine Hauptintervention (intervention principale) kommt gemäß Art. 329 Abs. 1 NCPC überhaupt nur in Betracht, wenn der Dritte ein eigenes Recht gegen eine Hauptpartei geltend macht, was bei einem Regreßschuldner regelmäßig nicht der Fall sein wird. Bedeutung erlangen kann

200 Soweit die Initiative vom Kläger des Hauptprozesses ausgeht, erfaßt die intervention forcee Fälle der nachträglichen Streitgenossenschaft durch Erweiterung der Klage auf weitere Beklagte. Vgl. Manin in: J.-Cl. de procedure civile, Fase. 127-1, Nr. 105 f.; SoluslPerrot, Droit judiciaire prive, Bd. 3, Nr. 1066. 201 Der Garant kann allerdings nicht direkt gegenüber dem Hauptkläger verurteilt werden; Cass. civ. 2e, 03.06.1955, Bull. civ. 11, Nr. 305; D. 1956, somm. 67. 202 Solus I Perrot, Droit judiciaire prive, Bd. 3, Nr. 1083. 203 V gl. Cass. civ. 3e, 23. 06. 1981, Bull. civ. III, Nr. 132; Cass. civ. Ire, 30. 06. 1993, Bull. civ. I, Nr. 236. 204 Vgl. Manin in: J.-Cl. de procedure civile, Fase. 127-1, Nr. 117. 205 VincentlGuinchard, Procedure civile, Nr. 1160; Manin in: J.-Cl. de procedure civile, Fase. 127-1, Nr. 125-127. 206 Dazu unten S. 137 ff.

4 Beaumart

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

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aber die Nebenintervention (intervention accessoire) gemäß Art. 330 NCPC, die auf die Unterstützung einer Hauptpartei abzielt. Im Falle eines drohenden Rückgriffsanspruchs kann der Dritte von sich aus intervenieren, um das ihm nachteilige Unterliegen der unterstützten Hauptpartei zu vermeiden. Dieses Vorgehen kann im Einzelfall allerdings auch nachteilige Folgen haben, da der Dritte, solange ihm die Hauptpartei nicht den Streit verkündet, an die Rechtskraft des Urteils nicht gebunden wäre. Demgegenüber tritt nach dem freiwilligen Beitritt des Dritten eine solche Bindung ein; zudem nimmt sich der Dritte die Möglichkeit, gegen das Urteil tierce opposition einzulegen 207 . Einige Autoren meinen aber, es sei psychologisch leichter, das Gericht zu überzeugen, bevor es sich ein Urteil gebildet habe, so daß die Nebenintervention der tierce opposition hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten überlegen sei208 .

2. Materiellrechtliche Besonderheiten Der Rückgriffsanspruch unterliegt grundsätzlich denselben Bedingungen wie jeder aufgrund der entsprechenden Anspruchsgrundlage geltend gemachte Anspruch. Die Rückgriffsmöglichkeit bleibt trotz Übertragung der Rechte auf den Endabnehmer bestehen, wenn der Zwischenhändler an der Ausübung der Rechte ein ,,interet direct et certain" hat209 . Einzelne Anspruchsvoraussetzungen werden allerdings durch die Geltendmachung im Wege des Rückgriffs modifiziert: a) Vorhandensein des Sachmangels Soweit ein Anspruch auf Sachmängelhaftung gestützt wird, ist entscheidend, daß es sich um einen Mangel handelt, der bereits zum Zeitpunkt des Kaufs vorgelegen hat. Entscheidend wird damit die Feststellung, in welchem Stadium der Absatzkette der Mangel aufgetreten ist: Der Rückgriffskläger muß nachweisen, daß der Mangel bereits zum Zeitpunkt seines Erwerbs vorhanden war (anteriorite du vice)21O.

2m Vgl. SpeIlenberg, ZZP 106 (1993), 281, 309. Martin in: J.-Cl. de procedure civile, Fasc. 127-1, Nr. 15.

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209 Cass. com., 12.01. 1988, Bull. civ. IV, Nr. 30 für eine kaufvertragliche Kette. Auch der Bauherr kann gegebenenfalls weiterhin die Gewährleistungsrechte gegen die Unternehmer geltend machen, obwohl er das Bauwerk bereits weiterverkauft hat: Cass. civ. 3e, 21. 03. 1979, Bull. civ. III, Nr. 73; Cass. civ. 3e, 26. 04. 1983, Bull. civ. III, Nr. 91. Zum Ganzen: Ghestin I Deschi, Vente, Nr. 1021. 210 Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 290; Ghestinl Desehe, Vente, Nr. 1009.

B. Vertragliche Ansprüche

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b) Verborgenheit des Sachmangels Nach ständiger Rechtsprechung wird bei einem gewerblichen Händler als Verkäufer dessen Kenntnis vom Mangel vermutet. Daraus könnte man schließen, daß der gewerbliche Händler auch als Käufer notwendigerweise Kenntnis besitzt, so daß ihm der Rückgriff gegen seinen eigenen Verkäufer mangels Vorliegens eines versteckten Mangels versperrt wäre. Diese Konsequenz zieht die Rechtsprechung bei Rückgriffsklagen jedoch nicht und gewährt auch einem gewerblichen Zwischenhändler grundsätzlich den Rückgriff2I1 . Die Kenntnis vom Sachmangel wird damit unterschiedlich festgestellt, je nachdem, ob der Betroffene als Verkäufer oder Käufer anzusehen ist: Beim Verkäufer ist die tatsächliche Kenntnis völlig unerheblich, so daß eine Einstandspflicht besteht; beim Käufer kommt es darauf an, ob er den Mangel kannte oder ob der Mangel nach den Umständen des Einzelfalles für ihn erkennbar war 12 . Daß derjenige, der den Mangel bei Erwerb kannte oder kennen mußte, keinen Rückgriff nehmen kann, ergibt sich bereits aus Art. 1642 Cc. Darüber hinaus wird der Rückgriff von der Rechtsprechung auch dann verweigert, wenn ein Käufer nach Erwerb der Sache den Mangel erkennt, und die Sache in Kenntnis des Mangels weiterveräußert213 • Die Begründung für diesen Ausschluß des Rückgriffsrechts dürfte letztlich im Grundsatz der bonne foi (Art. 1134 Cc) liegen 214 . c) Fristbeginn Besonderheiten bestehen auch in der Frage des Fristbeginns. Im Rahmen der Sachmängelhaftung läuft die kurze Frist nach Art. 1648 Cc für den Zwischenhändler erst mit Klageerhebung gegen ihn215 . Die Lösung gilt entsprechend für den Bauunternehmer, der nach Inanspruchnahme durch den Bauherm seinerseits gegen den Materiallieferanten vorgeht216 . Sofern Sachmängel der Baumaterialien zu einem Baumangel geführt haben, läuft die kurze Frist der Sachmängelgewährleistung für den Bauunternehmer erst, wenn er selbst in Anspruch genommen wird; dies kann aufgrund der bis zu zehnjährigen baurechtlichen Garantien zu beträchtlicher Fristverlängerung führen. Die Begründung für diese abweichende Fristbestim211 Vgl. Cass. civ. Ire, 17. 12. 1968, JCP 1969, IV, 35; Cass. corn., 27. 10. 1970, Bull. civ. IV,Nr.285. 212 GhestinlDesche, Vente, Nr. 1010. 213 Vgl. Cass. civ. Ire, 03. 07. 1985, Bull. civ. I, Nr. 210; Cass. civ. 3e, 16. 11. 1988, Bull. civ. III, Nr. 164; CA Versailles, 29. 06. 1989, D. 1989, info rap. 258. 214 Barret in: Rep. de droit civil, vente, 1469-1471. 215 Cass. corn., 19. 03. 1974, Bull. civ. IV, Nr. 102; D. 1975, jur. 628; Cass. civ. Ire, 04.01. 1979, Bull. civ. I, Nr. 8; Cass. corn., 17.02. 1987, Bull. civ. IV, Nr. 47; Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et cornrnerciaux, Nr. 290; Malaurie I Aynes, Contrats speciaux, Nr. 420. 216 GhestinlDesche, Vente, Nr. 1014.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

mung wird allgemein in dem Grundsatz gesehen, daß gegen denjenigen, der seine Rechte nicht durchsetzen könne, keine Verjährung laufe 217 . Zum Teil wird auch erwogen, für den Fristbeginn einen noch späteren Zeitpunkt anzunehmen, nämlich dann, wenn die tatsächliche Kenntnis vom Mangel erst nach der Inanspruchnahme eintritt 218 . d) Haftungsbeschränkungen Wie gezeigt219 sind Haftungsbeschränkungen im Gewährleistungsrecht zwischen gewerblichen Händlern derselben Branche wirksam, nach allgemeinem Nichterfüllungsrecht ist die Wirksamkeit von Freizeichnungsklauseln sogar die Regel. Ist danach wirksam eine Haftungsbeschränkung vereinbart, so steht dies dem Rückgriff innerhalb der Absatzkette entgegen 220 . In der Literatur wird dies zum Teil mit dem Argument kritisiert, dies verhindere die rechtspolitisch erwünschte Haftungskanalisation auf den Erstverantwortlichen221 •

III. Direktansprüche gegen Vormänner in der Absatzkette In bestimmten Fallgruppen kann ein Geschädigter, statt seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch zu nehmen, sich an ein entfernteres Glied der Kette halten, mit dem er selbst nicht unmittelbar verbunden ist. Rechtstechnisch geschieht dies mittels der action directe 222 . Auf dieser Rechtsfigur beruht maßgeblich die Produkthaftung nach den herkömmlichen Regeln vor Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes. Zeitweise wurde die action directe zudem als allgemeines Institut zur Begründung vertraglichen Drittschutzes innerhalb von Vertragsgruppen im weitesten Sinne angesehen 223 .

Ghestinl Deschi. Vente. Nr. 1014; Malaurie I Aynes. Contrats speciaux. Nr. 420. Ghestinl Deschi. Vente, Nr. 1014 m.w.N. auf S. 1035. Dies wird aber praktisch nur höchst selten der Fall sein. 219 Vgl. oben S. 30 f., 35 f. 220 Vgl. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1481. 221 GhestinlDeschi. Vente, Nr. 1011. 222 Entgegen dem Wortlaut handelt es sich hierbei um einen materiellrechtlichen Anspruch und nicht um eine besondere Klageart. vgl. MartylRaynaudlJestaz, Obligations, Bd. 2, Nr.156. 223 Vgl. Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, BuH. civ. I, Nr. 69; Cass. civ. Ire, 21. 06. 1988, BuH. civ. I, Nr. 202; dazu ausführlich S. 76 - 78. 217 218

B. Vertragliche Ansprüche

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1. Begriffund Ursprung der action directe Die action directe ermöglicht einem Gläubiger, durchgriffsweise von dem Vertragspartner seines Schuldners Leistungen zu verlangen, die der Dritte gegenüber dem Schuldner zu erbringen hat224 . In dieser Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen eines Drittschuldners liegt eine Parallele zur action oblique nach Art. 1166 Cc. Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß die action directe dem Gläubiger den unmittelbaren Zugriff im eigenen Namen auf das Vermögen eines Drittschuldners gestattet, während der Inhaber einer action oblique lediglich an Stelle seines Schuldners und in dessen Namen dessen Forderungen gegen den Drittschuldner geltend macht 225 • Das Vorgehen mittels der action directe vermeidet damit, daß die jeweils in Rede stehenden Rechte zunächst in das Vermögen des (Haupt-)Schuldners fallen und erspart dem Gläubiger eine Konkurrenz mit sonstigen Gläubigem des Schuldners226 . Hierin liegt die besondere Anziehungskraft der action directe begründet. Über diese allgemein gehaltene Definition hinaus lassen sich Voraussetzungen und Wirkungsweise der action directe kaum allgemeingültig bestimmen. Zu verschieden sind die Erscheinungsformen der action directe, um von einem einheitlichen Rechtsinstitut zu sprechen 227 . Bereits hinsichtlich der Rechtsgrundlagen lassen sich actions directes gesetzlichen Ursprungs und solche, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden, unterscheiden. Nach klassischer Auffassung sollen allerdings actions directes nur dort in Betracht kommen, wo sie ausdrücklich gesetzlich angeordnet sind228 . Diese Auffassung erscheint in letzter Zeit in Frage gestellt, seitdem nachgewiesen wurde, daß zahlreiche - auch gesetzlich geregelte - actions directes zunächst von der Rechtsprechung entwickelt wurden229 . Selbst die im Code civil entdeckten actions directes sind nicht durch wörtliche Anwendung, sondern erst durch Auslegung der jeweiligen Texte entstanden 23o . 224 GhestinlJaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 713; Terre/SimlerlLequette, Obligations, Nr. 1090; Malauriel Aynes, Obligations, Nr. 1043; Izorche in: Rep. de droit dviI, action directe, Nr. 1. 225 Izorche in: Rep. de droit dvil, action directe, Nr. 1; Malaurie I Aynes, Obligations, Nr.1043. 226 Izorche in: Rep. de droit dviI, action directe, Nr. 1; Malaurie I Aynes, Obligations, Nr. 1043; Terre/SimlerlLequette, Obligations, Nr. 1090. 227 VgI. MalaurielAynes, Obligations, Nr. 1043; Terre/SimlerlLequette, Obligations, Nr. 1093 f. 228 VgI. Cozian, Action directe, Nr. 100 f.; Martyl Raynaudl Jestaz, Obligations, Bd. 2, Nr. 156; MazeaudlChabas, Obligations, Bd. lI/I, Nr. 806.; StarcklRolandlBoyer, Obligations, Bd. 3, Nr. 550. 229 Umfassend Jamin, Action directe, insbes. Nr. 299 f. Der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Verantwortlichen wurde beispielsweise erstmals durch Req., 30. 11. 1926, D.H. 1933,393; D. 1927, 1,57 anerkannt, sodann durch Art. 53 des Gesetzes vom 13. Juli 1930 geregelt, inzwischen in Art. L 124-3 C. assur. aufgenommen.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Nach dem Inhalt des jeweiligen Anspruchs lassen sich Direktansprüche auf Zahlung (actions directes en paiement) und haftungsrechtliche Direktansprüche (actions directes en responsabilitet en garantie) unterscheiden 231 • Dabei beruhen die Direktansprüche auf Zahlung in der Regel auf einer gesetzlichen Anordnung, während die haftungsrechtlichen Direktansprüche im wesentlichen eine Entwicklung der Rechtsprechung darstellen und nur in Einzelfällen eine gesetzliche Regelung erfahren haben232 . Für die vorliegende Untersuchung sind allein die haftungsrechtlichen actions directes interessant. Die haftungsrechtlichen Direktansprüche werden hier ohne weiteres als actions directes bezeichnet. Der Begriffsbestimmung des Teils der Literatur, die die Bezeichnung action directe für gesetzlich angeordnete Direktansprüche reserviert, wird also nicht gefolgt233 . Dafür spricht zum einen die neuere Tendenz, sämtliche Direktansprüche als ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt anzusehen234 • Zudem hat sich der Begriff action directe bei einem beachtlichen Teil der Literatur235 sowie in der Rechtsprechung 236 für sämtliche Direktansprüche durchgesetzt. Der Ursprung der haftungsrechtlichen actions directes liegt im Kaufrecht. Sie wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts anhand der Rechts- und Sachmängelhaftung entwickelt. Ausgangspunkt der Entwicklung war dabei die action oblique des Art. 1166 Cc, die zunächst im Rahmen der Rechtsmängelhaftung zugelassen wurde. Von den Autoren des frühen 19. Jahrhunderts wurde die Garantie gegen Rechtsmängel als Zubehör des Kaufgegenstandes angesehen, welche allein den jeweiligen Eigentümer begünstigen solle und daher ohne weiteres mit der Sache übertragen werde; dem Unterabnehmer stehe folglich eine action oblique gegen die Vormänner seines eigenen Verkäufers ZU 237 • Auch in der Rechtsprechung wurde dieser Grundsatz zunächst in der Rechtsmängelhaftung ausgebildet238 • 230 Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 720; Jamin, Action directe, Nr. 13 ff. jeweils zu Art. 1753, 1798, 1994 Cc. 231 Zu diesen und weiteren Einteilungskriterien Te rre I Simler I Lequette, Obligations, Nr. 1093; horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 9-26. 232 horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 19-21. 233 Diese Vertreter verwenden für haftungsrechtliche Direktansprüche den Ausdruck "fausses actions directes", vgl. TerrelSimlerlLequette, Obligations, Nr. 1094; Schmidt-Szalewski, Droit des contrats, S. 438. 234 Jamin, Action directe, insbes. Nr. 299 f.; Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 763-770. 235 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. lI/I , Nr. 754, 805-3; Malaurie I Aynes, Obligations, Nr. 874, 1043; [zorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 22-26. 236 Cass. civ. Ire, 09. 10. 1979, BuH. civ. I, Nr. 241; Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, BuH. civ. m, Nr. 251; Cass. com., 10. 12. 1991, Contrats, conc., consom. 1992, Nr. 47; Cass. civ. Ire, 27.01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 44. 237 Troplong, De la vente, Nr. 437; Duranton, Bd. 16, Nr. 275; AubrylRau, Bd. m (3. Aufl.), § 355, S. 264 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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Bereits in der älteren Literatur wurden aber die Nachteile der action oblique erkannt. Die Tatsache, daß der Gläubiger der action oblique in Konkurrenz mit anderen Gläubigern steht, wurde als unbillig empfunden, da die kaufrechtlichen Garantien allein dem Schutz des jeweiligen Abnehmers dienten 239 • Enthalte der eigene Vertrag des Endabnehmers gar einen Garantieausschluß, so daß er gegen seinen unmittelbaren Verkäufer nicht vorgehen könne, so gehe er auch gegenüber den Vormännern seines Verkäufers leer aus 240 . Eingang in die Rechtsprechung fanden diese Gedanken erst Ende des 19. Jahrhunderts. In seiner Entscheidung vom 12. November 1884 ließ der Kassationshof erstmals eine auf die Sachmängelhaftung gestützte action directe ZU241 . Der klagenden Eisenbahngesellschaft, die aus dem Konkurs eines anderen Unternehmens Lokomotiven gekauft hatte, war durch Mängel dieser Lokomotiven Schaden entstanden. Der gegen den Erstverkäufer und Hersteller gerichteten Klage wurde stattgegeben, da der Eisenbahngesellschaft mit dem Kaufvertrag auch alle Rechte des in Konkurs gegangenen Unternehmens gegenüber dem Erstverkäufer übertragen worden seien. Damit war zugunsten des Endabnehmers eine Erweiterung der vertraglichen Rechte ausgebildet worden. Diese vertragliche Besserstellung des Endabnehmers war zum damaligen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit der Bevorzugung. Deliktische Ansprüche Dritter aufgrund des Inverkehrbringens einer mangelbehafteten Sache waren in der Rechtsprechung noch nicht anerkannt242 . Nach Anerkennung solcher deliktischen Ansprüche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb dem Endabnehmer zunächst die Wahlmöglichkeit zwischen vertraglichem Direktanspruch und Deliktsrecht. Erst die jüngere Rechtsprechung setzte auch in diesem Bereich die Ausschließlichkeit des Vertragsrechts gegenüber dem Deliktsrecht durch 243 .

238 Cour royale de Bordeaux, 05. 04. 1826, S. 27, 2, S. 6; D.P. 26, 2, S. 177; 04. 02. 1831, S. 31, 2, S. 138; D.P. 31,1, S. 85. 239 Laurent, Bd. 24, Nr. 229. 240 Duranton, Bd. 16, Nr. 275. 241 Cass. civ., 12. 11. 1884, D.P. 85, 1,357; S. 86, 1, 149. Die bisweilen zitierte Entscheidung Cass. civ., 25. 01. 1820, S. 1820, 1,213 stützte sich dagegen formal noch auf die action oblique. 242 Das Inverkehrbringen einer mangelbehafteten Sache wurde wohl erstmals von Cass. civ., 22. 07.1931, D.H. 1931,506 als deliktisches Verschulden gewertet. 243 Cass. civ. Ire, 09.10.1979, BuH. civ. I, Nr. 241; Gaz. Pa!. 1980, 1,249 m. Anm. Planequeel; D. 1980, info rap. 222 m. Anm. Larroumet; Anm. Durry, RTD civ. 1980,354.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Relativität der Vertragsbeziehungen

Das französische Zivilrecht geht in Art. 1165 Cc vom Grundsatz der Relativität der Vertragsbeziehungen aus. Die Gewährung eines vertraglichen Anspruchs für Nichtvertragsparteien kann daher nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Neben Art. 1165 Cc wird von einigen Autoren als weiteres Hindernis gegenüber der Zulassung von actions directes der Grundsatz der Gleichheit der nichtbevorrechtigten Gläubiger (Art. 2092, 2093 Cc) erwähnt. Die action directe komme in ihren Wirkungen einem dinglichen Gläubigervorrecht (privilege) nahe 244 , oder doch zumindest einer gesetzlichen persönlichen Sicherheit, indem sie dem Gläubiger einen zweiten Schuldner zur Verfügung stelle245 • Daraus wird zum Teil geschlossen, eine action directe könne nur bei gesetzlicher Anordnung in Betracht kommen, da sie im Ergebnis eine Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichheit bedeute 246 • Eindeutig im Vordergrund der Betrachtung steht jedoch der Grundsatz des Art. 1165 Cc. Die Bestimmung geht auf den von den mittelalterlichen Glossatoren überlieferten Rechtssatz ,,res inter alios acta aliis neque nocere neque prodesse potest" zurück247 . Während die Vorschrift unter dem im 19. Jahrhundert prägenden Gedanken der Willensfreiheit noch als selbstverständlich angesehen wurde 248 , wurde sie in diesem Jahrhundert zunehmend als zu starr empfunden. Teilweise wurde gar von "le pn!tendu principe de l'effet relatif des contrats" gesprochen 249 • Inhaltlich begrenzt Art. 1165 Cc die schuldrechtlich bindende Wirkung und hinsichtlich dinglicher Rechte die verfügende Wirkung auf die jeweiligen Vertragsparteien. Partei sind dabei die Personen, in deren Namen der Vertrag geschlossen wurde25o, zudem diejenigen, die nachträglich durch Gesamtrechtsnachfolge oder Vertragsübernahme die Stellung einer Partei übernehmen 251 • Über diesen Kreis hinaus kann lediglich die rein tatsächliche Wirkung von Verträgen jedem Dritten entgegengehalten werden; hier sind die vertraglichen Bindungen nicht berührt. Ausnahmsweise kann ein Dritter allerdings durch Partei vereinbarung, nämlich durch 244 Cozian, Action directe, Nr. 100 f.; Martyl Raynaudl Jestaz, Obligations, Bd. 2, Nr. 156; MazeaudlChabas, Obligations, Bd. II/l, Nr. 806. 245 Terrei Simler I Lequette, Obligations, Nr. 1090. 246 MalaurielAynes, Obligations. Nr. 1043; SimlerlDelebecque, Suretes, Nr. 617. 247 Vgl. Terre/SimlerlLequette, Obligations. Nr. 460. 248 Vgl. Terre/SimlerlLequette. Obligations. Nr. 460; GhestinlJamin/Billiau, Effets du contrat, Nr. 320 m.w.N. 249 Savatier, RTD civ. 1934.525. 250 MalaurielAynes, Obligations. Nr. 658; GhestinlJaminlBilliau, Effets du contrat. Nr. 347 ff. 251 Malauriel Aynes, Obligations. Nr. 658; Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr.355.

B. Vertragliche Ansprüche

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Abschluß eines Vertrags zugunsten Dritter nach Art. 1121 Cc, vertraglich berechtigt werden. Größere Schwierigkeiten wirft die Frage auf, inwiefern Dritte auch ohne eine solche ausdrückliche Vereinbarung vertraglich berechtigt sein können. Unter den Dritten werden völlig Außenstehende (penitus extranei) von solchen Dritten unterschieden, die sich mehr oder weniger eng im Umfeld einer Vertragspartei befinden. Bei letzteren wird mit unterschiedlicher Begründung teilweise eine Einbeziehung in die Vertragswirkungen befürwortet. Keine Einbeziehung in das Vertragsrecht findet statt hinsichtlich der nichtbevorrechtigten Gläubiger (creanciers chirographaires) einer Partei. Diesen steht aufgrund ihrer GläubigersteIlung zwar ein allgemeines Pfandrecht am Vermögen ihres Schuldners (Art. 2092, 2093 Cc) zu. Doch werden sie dadurch weder Schuldner noch Gläubiger an seiner Stelle. Die von seinem Schuldner geschlossenen Verträge können das Vermögen eines nichtbevorrechtigten Gläubigers vielmehr lediglich faktisch beeinträchtigen252 . Anders wird eine weitere Kategorie Dritter behandelt, nämlich die Einzelrechtsnachfolger (ayants cause a titre particulier)253. Diese sollen in bestimmten Fallgruppen durch auf die übertragene Sache bezogene Rechte begünstigt werden. Auf diesem Gedanken beruht die herkömmliche Auffassung, nach der in kaufvertraglichen Ketten ein späterer Abnehmer Gewährleistungsansprüche auch gegen Vormänner seines Verkäufers geltend machen kann. Nach einer neueren Auffassung sollen zudem alle diejenigen, die mit den Parteien eine Vertragsgruppe im weitesten Sinne bilden, vertragliche Ansprüche auch gegenüber den Personen, mit denen sie selbst nicht abgeschlossen haben, geltend machen können. Die Begründung und Reichweite dieser Einbeziehung von Dritten, die einer Vertragspartei nahestehen, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.

3. Dogmatische Begründung der action directe

Zur Begründung der haftungsrechtlichen action directe werden seit langem vor allem drei Theorien vertreten. Dazu zählen der Rechtsübergang als Zubehör der Sache, die Annahme einer Forderungsabtretung sowie eines Vertrags zugunsten Dritte~54. Daneben sind in der Vergangenheit zahlreiche weitere Rechtsinstitute, meist des Schuldrechts, herangezogen worden, um die action directe zu erklären. 252 Wo der nichtbevorrechtigte Gläubiger ausnahmsweise direkt gegen den Schuldner seines Schuldners vorgehen kann, kann er dies nur im Namen seines Schuldners mittels der action oblique nach Art. 1166 Cc. 253 Malaurie / Aynes. Obligations. Nr. 660. 254 Siehe dazu näher den folgenden Text S. 58 - 63.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Diese spielen in der derzeitigen Diskussion allerdings keine Rolle mehr255 und betreffen zudem überwiegend die hier nicht behandelte action directe en paiement 256 . Die Rechtsprechung folgte lange Zeit ohne ausdrückliche Stellungnahme der sachenrechtlichen Erklärung des Rechtsübergangs als Zubehör der Sache. Ende der achtziger Jahre gaben einige Entscheidungen des Kassationshofs diese Begründung zugunsten der in der Literatur entwickelten Theorie der Vertrags gruppen auf. Nachdem diese letztere Theorie 1991 ihrerseits durch die Assemblee pleniere des Kassationshofs verworfen wurde, war die Begründung und Reichweite der action directe erneut unklar. Gegen sämtliche genannten Erklärungsversuche wandte sich schließlich eine neuere Ansicht, die alle Fallgruppen der action directe auf Billigkeitsgesichtspunkte zurückführt. a) Obligation propter rem Eine Vielzahl von Entscheidungen 257 und ein beachtlicher Teil der Literatur rechtfertigt in kaufvertraglichen Ketten den Übergang der Rechte auf den Endabnehmer mit dem Gedanken des Übergangs als Zubehör der Sache. Die Begründung ist maßgeblich von Aubry und Rau entwickelt worden 258 und stützt sich auf Art. 1615 Cc, nach dem die Lieferverpflichtung im Kaufrecht auch die Pflicht zur Übertragung des Zubehörs umfaßt. Ähnliche Bestimmungen enthalten Art. 1018 Cc für das Vermächtnis und Art. 1692 Cc für die Forderungsabtretung, so daß die Annahme eines entsprechenden allgemeinen Grundsatzes naheliegt. Die Gewährleistungsansprüche würden, da sie allein dem jeweiligen Eigentümer dienen, von den Parteien als Zubehör der Sache angesehen 259 . Andere Vertreter der Literatur betonen stärker die objektive Verknüpfung der vertraglichen Ansprüche mit der Sache und sprechen von einer obligation propter rem260 oder einer an die Sache geknüpften Haftung (intuitu rei)261. Vgl. Teyssie, Groupes de contrats, Nr. 513. Eine Untersuchung dieser weiteren wie auch der hauptsächlich vertretenen Theorien findet sich bei Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 738-753; Jamin, Action directe, Nr. 240-251 und Nr. 257-274. 257 Cass. civ., 12. 1l. 1884, S. 1886, 1, 149; CA Paris, 11. 01. 1906, D.P. 1907,2,391; CA Aix-en-Provence, 05. 10. 1954, JCP 1955, H, 8548 m. Anm. Rodiere; Cass. civ. Ire, 05.01. 1972, JCP 1973, H, 17340 m. Anm. Malinvaud; Cass. civ. 3e, 20. 04. 1982, BuH. civ. III, Nr. 95; zahlreiche weitere Nachweise bei Jamin, Action directe, Nr. 253 Fn. 114. 258 Aubry I Rau, Bd. H, § 176 Nr. 69: ,,Le successeur particulier jouit de tous les droits et actions que son auteur avait acquis dans l' interet direct de la chose, corporeHe ou incorporelle, a laquelle il a succede, c'est-a-dire des droits et actions qui se sont identifies avec cette chose, comme qualites actives, ou qui en sont devenus des accessoires." 259 Vgl. Le Toumeau, Responsabilite civile, Nr. 1798 m.w.N.; Comu, RTD civ. 1973,583; Malinvaud, D. 1984, chron. 41, 44. 260 StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1821. 261 StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1821; FlourlAubert, Obligations, Bd. 1, Nr.445. 255 256

B. Vertragliche Ansprüche

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Der Kassationshof schien sich in zwei Urteilen vom 7. Februar 1986 für diese sachenrechtliche Begründung entschieden zu haben 262 . Danach stehen dem Endabnehmer alle mit der Sache verbundenen Rechte und Klagemöglichkeiten zu, die sein Rechtsvorgänger innehatte ("le sous-acquereur jouit de tous les droits et actions attaches la chose qui appartenait son auteur")263.

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Gegen die rein sachenrechtliche Erklärung wurde bereits früh eingewandt, das französische Zivilrecht erlaube es nicht, eine Sache zum Träger von Rechten zu machen. Der Begriff des Zubehörs im Sinne des Art. 1615 Cc könne nur körperliche Gegenstände, nicht aber Rechte umfassen; Rechte könnten wegen der unterschiedlichen juristischen Qualität nicht Zubehör von Sachen sein 264 . Andere weisen diese begriffliche Kritik zurück. Die Gewährleistunsrechte könnten zwanglos als Zubehör eines Rechts, nämlich des Eigentumsrechts an der Sache, angesehen werden und auf diese Weise auf den Endabnehmer übergehen 265 . Ein anderer in der Literatur vorgebrachter Einwand gegen die Theorie des Zubehörs zielt auf die Herkunft dieser Begründung: Da mit der sachenrechtlichen Erklärung im 19. Jahrhundert zunächst die action oblique begründet worden sei, könne sie eine zuverlässige Abgrenzung zwischen action directe und action oblique nicht leisten 266 . Selbst bei Absehen von dieser grundsätzlichen Kritik, bleiben Ungereimtheiten der sachenrechtlichen Erklärung bestehen. Sie vermag insbesondere nicht sämtliche Entwicklungen der Rechtsprechung zu erklären. Bei Zugrundelegung der Theorie des Zubehörs dürfte der Zwischenverkäufer, der durch den Endabnehmer verklagt worden ist, nicht mehr Rückgriff bei dem Erstverkäufer nehmen, da ja die mit der Sache verbundenen Rechte auf den Endabnehmer übergegangen sind267 . Diese Konsequenz hat die Rechtsprechung zunächst auch gezogen und den Rückgriff vemeint268 . Von dieser in der Lehre kritisierten Position ist die Rechtsprechung inzwischen wieder abgerückt, um dem Zwischenverkäufer den Rückgriff gegen den Erstverkäufer als Urheber des Schadens zu ermöglichen. Der Zwischenverkäufer kann jetzt, obwohl die Rechte aus Sachmängelgewährleistung grundsätzlich auf die weiteren Erwerber übertragen werden, gegen seinen eigenen Verkäufer vorgehen, wenn er an diesem Rückgriff 262 Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, Bull. civ., Nr. 2; JCP 1986, II, 20616 m. Anm. Malinvaud; D. 1986, jur. 293 m. Anm. Benabent. 263 Die gleiche Formel verwendet Cass. civ. 3e, 08. 02. 1995, Bull. civ. III, Nr. 39. 264 Rodiere, Anm. zu CA Aix-en-Provence, 05. 10. 1954, JCP 1955, II, 8548; ebenso: Cozian, Action directe, Nr. 94; Gross, Obligation de garantie, Nr. 192. 265 Ghestin, Confonnite et garanties, Nr. 333; Malinvaud, D. 1984, chron. 41, 44. 266 Jamin, Action directe, Nr. 254; Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 747. 267 V gl. Ghestin / Jamin / Billiau, Effets du contrat, Nr. 747; Ghestin, Confonnite et garanties, Nr. 334; Jamin, Action directe, Nr. 255. 268 Cass. civ. 3e, 12. 11. 1974, Bull. civ. III, Nr. 407.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

ein interet direct et certain hat269 . Entsprechend kann auch der Bauherr, obwohl die sogenannte garantie decennale nach Art. 1792, 2270 Cc an sich dem Eigentum am Gebäude folgt, diese noch gegen Architekt oder Bauunternehmer ausüben, wenn er daran ein solches Interesse hat27o . Das entsprechende Interesse kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der Zwischenhändler bzw. Bauherr dem Endabnehmer bereits Preisnachlaß gewährt oder ihn sonst entschädigt hat271 . Diese Bewahrung der Rechte trotz grundsätzlicher Weiterübertragung läßt sich auch nicht widerspruchsfrei durch das von Larroumet vorgeschlagene Institut der Subrogation erklären. Die Annahme, daß der Zwischenverkäufer, der den Endabnehmer entschädigt, nach Art. 1251 Nr. 3 Cc in die Rechte des Endabnehmers subrogiert werde 272 , wird in der Praxis nur selten zutreffen 273 . Der Zwischenhändler, der den Endabnehmer entschädigt, zahlt nämlich nicht - auch nicht zum Teil - eine gemeinsame Schuld von ihm selbst und dem Erstverkäufer, sondern erfüllt Gewährleistungsansprüche aus seinem eigenen Vertrag 274 . Die Konstruktion des Rückgriffsanspruchs des Zwischenhändlers als bloß wiedererlangtes Recht erscheint zudem gekünste1t 275 . Die Erklärung über die Subrogation, die stets eine Zahlung an den Endabnehmer voraussetzt, versagt vollends, wenn der Endabnehmer von seinem Verkäufer nicht Schadensersatz verlangt, sondern die Wandlung des Vertrages erlangt hat276 • Die Rechtsprechung zur Rückgriffsmöglichkeit trotz Weiterveräußerung steht somit im Widerspruch zur sachenrechtlichen Begründung der action directe des Endabnehmers. Mit der sachenrechtlichen Begründung des Rechtsübergangs als Zubehör ist auch die Rechtsprechung zur Frage der Verborgenheit des Sachmangels kaum zu vereinbaren. Die Theorie des Zubehörs kann lediglich ein abgeleitetes Recht des Endabnehmers schaffen. Bei strikter Anwendung müßte daher eine action directe des Endabnehmers bereits ausscheiden, wenn der fragliche Sachmangel dem Zwischenhändler bekannt war77 . Diese Konsequenz zieht die neuere Rechtsprechung jedoch nicht und läßt allein die Kenntnis bzw. Unkenntnis des Endabnehmers entscheiden278 . Cass. civ. Ire, 19.01. 1988, BuH. civ. I, Nr. 20. Cass. civ. 3e, 21. 03. 1979, BuH. civ. III, Nr. 73; Cass. civ. 3e, 20. 04. 1982, BuH. civ. III, Nr. 95; Cass. civ. 3e, 26. 04. 1983, BuH. civ. III, Nr. 91; Cass. civ. 3e, 24. 02. 1988, BuH. civ. III, Nr. 41. 271 Vgl. Remy, RTD civ. 1988,549,550. 272 So Larroumet, Anm. zu CA de Nimes, 18. 12. 1980, D. 1983, jur. 29, 31; ders., JCP 1988, I, 3357, Nr. 8; vgl. auch Malinvaud, D. 1984, chron. 41, 44. 273 So aber ausnahmsweise in Cass. civ. Ire, 06. 07.1988, BuH. civ. I, Nr. 231. 274 Remy, RTD civ. 1988,549,551. 275 Remy, RTD civ. 1988,549,551. 276 Remy, RTD civ. 1988,549,550. 277 So früher Cass. civ. 3e, 28. 10. 1975, BuH. civ. III, Nr. 311. 278 Cass. com., 24. 11. 1987, BuH. civ. IV, Nr. 250. 269

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Zudem würde eine strikte Anwendung der sachenrechtlichen Übertragung der Rechte dazu führen, daß dem Endabnehmer die action directe versperrt sein dürfte, wenn seine Vormänner wirksam einen Haftungsausschluß vereinbart haben 279, was ihnen möglich ist, wenn sie gewerbliche Händler aus derselben Branche sind. Diese Konsequenz erscheint dann besonders unbillig, wenn es sich bei dem Endabnehmer um einen Verbraucher handelt, dem gegenüber ein gewerblicher Verkäufer im unmittelbaren Verhältnis seine Haftung aufgrund von Art. 2 des Dekrets vom 24. März 1978 LV.m. Art. L 132-1 C. consom. nicht beschränken dürfte28o . Auf diese Frage der Übertragung von Vereinbarungen der Vormänner auf den Endabnehmer wird später noch näher einzugehen sein. b) Stillschweigender Vertrag zugunsten Dritter Ein Teil der Literatur erklärt die action directe en garantie durch einen stillschweigend zugunsten des Käufers abgeschlossenen Vertrag (stipulation pour autrui tacite)281. Bei einer solchen Vereinbarung kommt der Käufer gemäß Art. 1121 Cc in den Genuß der Gewährleistungsrechte. Die Annahme eines solchen Vertrags zugunsten Dritter sollte ursprünglich eine Stütze in Art. 1122 Cc finden 282 . Art. 1122 Cc erfasse nicht nur die Gesamtrechtsnachfolger, sondern auch Einzelrechtsnachfolger (ayants cause titre particulier), so daß vertragliche Vereinbarungen im Zweifel auch zugunsten der Einzelrechtsnachfolger abgeschlossen wären283 . Diese Auffassung zur Reichweite von Art. 1122 Cc wird allerdings heute einhellig als überwunden angesehen 284 .

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Unabhängig von der zu Art. 1122 Cc eingenommenen Position stehen der Theorie vom Vertrag zugunsten Dritter weitere Einwände entgegen. Auch der stillschweigende Abschluß eines Vertrags zugunsten Dritter erfordert stets einen entsprechenden Parteiwillen bei Versprechendem und Versprechensempfänger. Demgegenüber ist bei der action directe anerkannt, daß sie unabhängig von irgendeinem Willen der Vormänner des Berechtigten entsteht285 . Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines Vertrags zugunsten Dritter ist auf seiten des Versprechensempfängers das Vorliegen zumindest eines immateriellen 279 Ghestin, Confonnite et garanties, Nr. 334; Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 747; Jamin, Action directe, Nr. 255; Viney in: Melanges Holleaux, S. 399, 423 f. 280 Vgl. Viney in: Melanges Holleaux, S. 399,423 f. 281 Weill, Relativite des conventions, Nr. 506; Lepargneur, RTD civ. 1924,481,501; Planiol/Ripen, Bd. VI, S. 421-424; Bonet/Gross, JCP 1974, I, 2602, Nr. 29. 282 Vgl. Lepargneur, RTD civ. 1924,481,499 f.; Weill, Relativite des conventions, Nr. 506; Calastreng, Relativite des conventions, S. 49 f. 283 Lepargneur, RTD civ. 1924,481,499 f.; Mourgeon, Effets des conventions, S. 7, 53 f. 284 Goutal, Effet relatif, Nr. 25; Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 1, Nr. 753; Malaurie/ Aynes, Obligations, Nr. 660. 285 Vgl. Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 739.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Interesses (interet moral) an der Berechtigung des Dritten286 . Ein solches Interesse beispielsweise des Zwischenverkäufers erscheint aber bereits deshalb zweifelhaft, weil er nach Wahl des Endabnehmers auch weiterhin selbst in Anspruch genommen werden kann 287 . Die Wirksamkeit des Vertrags zugunsten Dritter erfordert nach französischer Auffassung weiter die Annahme durch den Dritten, die er auch verweigern kann288 . Dadurch erhält der Dritte eine Wahlmöglichkeit zwischen vertrags- und deliktsrechtlichen Ansprüchen, was zu einer Durchbrechung des Grundsatzes des non-cumul führt 289 . Demgegenüber kann der Inhaber einer action directe nach heutiger Rechtsprechung ausschließlich vertraglich vorgehen; deliktsrechtliche Ansprüche sind insoweit verdrängt29o . Insgesamt bestehen daher deutliche Unterschiede zwischen Vertrag zugunsten Dritter und action directe. Allerdings hat die Rechtsprechung den Vertrag zugunsten Dritter bisweilen zur Lösung verwandter Haftungsfragen herangezogen. So profitiert der Empfänger der Ware beim Transportvertrag von den Vereinbarungen zwischen Versender und Transportunternehmer291 . Beim Personenbeförderungsvertrag wird stillschweigend auch zugunsten bestimmter naher Angehöriger abgeschlossen 292 . Schließlich enthält der Vertrag zwischen Krankenhaus und Blutspendezentrum eine Vereinbarung zugunsten der durch Transfusion zu behandelnden Patienten, die diesen die Reinheit des gelieferten Bluts garantiert 293 . c) Stillschweigende Forderungsabtretung Ein Teil der Literatur will die action directe durch eine stillschweigende Forderungsabtretung (cession de creance tacite) erklären294 . Aus der Natur des Kaufver286 Malaurie / Aynes, Obligations, Nr. 671; Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. 11 /1, Nr.780. 287 Vgl. Boubli, JCP 1974, I, 2646, Nr. 13; Ghestin/Jamin/Billiau, Effets du contrat, Nr.739. 288 Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. 1, Nr. 796; Terre! Simler / Lequette, Obligations, Nr.494. 289 Vgl. Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1317 f. Keine echte Durchbrechung nehmen wegen der Möglichkeit, auf den vertraglichen Anspruch zu verzichten, Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. 11/ 1, Nr. 404, an. Lediglich der Effekt sei derselbe. 290 Cass. civ. Ire, 09. 10. 1979, BuH. civ. I, Nr. 241, seither ständige Rechtsprechung. 291 Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1317. 292 Malaurie/Aynes, Obligations, Nr. 223; Starck/Roland/Boyer; Bd. 2, Nr. 1317-1319. Zudem können die Angehörigen den vertraglichen Anspruch in Durchbrechung des non-cumul zurückweisen, wenn ihnen Deliktsrecht günstiger erscheint: Cass. com., 19. 06. 1951, D. 1951, jur. 717 m. Anm. Ripert; Cass. com., 23. 01. 1959, D. 1959, jur. 281 m. Anm. Rodiere. 293 Vgl. Cass. civ. 2e, 17. 12. 1954, D. 1955, jur. 269; CA Paris, 28. 11. 1991, D. 1992, jur. 85; JCP 1992, II, 21797; CA Aix, 12.07. 1993, D. 1994, jur. 13.

B. Vertragliche Ansprüche

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trages soll sich bei der durch Art. 1135 Cc geforderten Berücksichtigung von Billigkeit und Gepflogenheiten der mutmaßliche Partei wille ergeben, Gewährleistungsrechte an den späteren Erwerber abzutreten. Die Theorie der Forderungsabtretung k~n wie die bereits genannten Erklärungsversuche lediglich ein abgeleitetes Recht des Endabnehmers begründen. Entwicklungen der Rechtsprechung in Richtung auf ein Eigenrecht lassen sich damit nicht erklären. Darüber hinaus knüpft die Konstruktion über die Forderungsabtretung den Direktanspruch an den mutmaßlichen Willen der Parteien des ersten Vertrages, während die action directe unabhängig von irgendeinem Parteiwillen entsteht295 . Die Annahme eines auf Abtretung der Gewährleistungsrechte gerichteten Parteiwillens läuft im übrigen weitgehend auf eine Unterstellung hinaus. So möchte der erste .Käufer, der Mängel feststellt und die Sache daher nur zu einem geringeren Preis weiterverkaufen kann, wohl eher seine Rechte behalten, um sich bei seinem eigenen Verkäufer schadlos zu halten 296 . Die Konstruktion über die Zession nimmt dem Zwischenhändler jedoch diese RÜckgriffsmöglichkeit 297 . Nach der Konstruktion über die Abtretung dürfte der Endabnehmer als Zessionar auch nicht mehr gegen seinen Zedenten, den Zwischenverkäufer, vorgehen, sondern wäre allein auf die action directe verwiesen. In Betracht kommen dürfte nämlich allein eine unentgeltliche Zession, nach der der Zessionar sich nicht mehr an den Zedenten halten kann 298 . Dagegen ist bei der action directe anerkannt, daß der Endabnehmer nach seiner Wahl gegen seinen unmittelbaren Verkäufer und dessen Vorgänger vorgehen kann, die ihm in solidum, d. h. gesamtschuldnerisch haften 299 . Eine formale Kritik bezieht sich auf Art. 1690 Cc. Danach kann eine Abtretung Dritten nur dann entgegengehalten werden, wenn die Abtretung dem Dritten förmlich zugestellt wurde oder von diesem in öffentlicher Urkunde angenommen wurde. Die Einhaltung der Formalitäten des Art. 1690 Cc wird aber von der Rechtsprechung bei der Ausübung der action directe nicht verlangt 300• 294 Rodiere, Anm. zu CA Aix-en-Provence, 05. 10. 1954, JCP 1955,11,8548; Cozian, Action directe, Nr. 94; Gross, Obligation de garantie, Nr. 192; Savatier; Anm. zu Cass. com., 17. 12. 1973, JCP 1975, 11, 17912; ausdrücklich abgelehnt durch Cas. civ. 3e, 23. 03. 1968, D. 1970,jur. 663. 295 Vgl. Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 740. 2% Vgl. Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 337. 297 Vgl. Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 337; Cass. civ. 3e, 09. 07. 1973, JCP 1974, I, 2646 m. Anm. Boubli. 298 Vgl. GhestinlJaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 740. Beim Forderungskauf haftet der Zedent nur eingeschränkt, nämlich nach Art. 1693 Cc lediglich für die Existenz der Forderung bei der Übertragung, nicht aber für die Bonität der Forderung, vgl. MazeaudlChabas, Obligations, Bd. 11/1, Nr. 1273. 299 Cozian, Action directe, Nr. 84; Jamin, Action directe, Nr. 410; horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 159.

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

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d) Theorie der Vertragsgruppen Seit Mitte der siebziger Jahre regte sich in der Literatur verstärkt Kritik an den dargestellten klasssischen Erklärungsversuchen. Vertragliche Direktansprüche sollten nach einer grundlegenden Arbeit von Teyssie immer dann zulässig sein, wenn sie innerhalb von sogenannten Vertrags gruppen zum Tragen kämen; lediglich außerhalb solcher Vertrags gruppen soll die Anerkennung einer action directe einer gesetzlichen Grundlage bedürfen 301 . Diese neue Sichtweise geht von einem veränderten Verständnis des Vertrages aus. Das individualistische Verständnis des Vertrages, wie es dem Code civil als Kodifikation des 19. Jahrhunderts zugrundeliege, entspreche nicht mehr den derzeitigen Gegebenheiten 302 • Aufgrund der heutigen wirtschaftlichen Verflechtung und Arbeitsteilung müsse zur Erreichung von Zielen oft ein ganzes ganzes Bündel von Verträgen abgeschlossen werden 303 . Diese Verknüpfung von Verträgen verbiete es, jeden Vertrag für sich isoliert zu betrachten; erforderlich werde damit eine Neubestimmung des Grundsatzes der Relativität der Vertragsbeziehungen nach Art. 1165 Cc 304 . Eine danach für das Eingreifen der vertraglichen Haftung erforderliche (und ausreichende) Gruppe liege vor, wenn verschiedene Verträge sich entweder auf dasselbe Objekt bezögen305 oder aber einem gemeinsamen Zweck dienten 306 . Im ersten Fall handelt es sich um eine Vertragskette (chaine de contrats) von linear miteinander verbundenen Verträgen, wie sie beispielsweise bei der mehrfachen Weiterveräußerung einer Sache vorliegt. Im zweiten Fall ist eine Vertragsgesamtheit (ensemble contractuel) zu betrachten, bei denen eine Person mehrere rechtlich unabhängige Verträge mit verschiedenen Dritten schließt. Ein Beispiel hierfür ist die Errichtung eines Gebäudes durch verschiedene Unternehmer, mit denen jeweils einzelne Verträge abgeschlossen werden. Ebenfalls mit der Zugehörigkeit zu einer Vertrags gruppe begründet Neret in seiner dem Untervertrag (sous-contrat) gewidmeten Untersuchung den vertraglichen Charakter des Schadensersatzanspruchs des Empfangers einer Dienstleistung gegen den ausführenden Unterauftragnehmer307 . Dieser Ausweitung des Vertragsrechts sind weitere Autoren gefolgt. Bestimmte Schäden, die bei der Erfüllung eines Vertrages entstehen und die gerade Folge der durch den Vertrag geschaffenen Situation sind, sollen allein vertraglich ersetzt wer300

301

302 303 304 305 306 307

Vgl. Jamin, Action directe, Nr. 227. Teyssii, Groupes de contrats, insbes. Nr. 578-582. Teyssii, Groupes de contrats, Nr. 56-58. Teyssii, Groupes de contrats, Nr. 15-20. Teyssii, Groupes de contrats, Nr. 54-58. Teyssii, Groupes de contrats, Nr. 69. Teyssie, Groupes de contrats, Nr. 174-177. Neret, Sous-contrat, Nr. 378.

B. Vertragliche Ansprüche

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den können, unabhängig davon, ob eine Vertragspartei oder ein Dritter betroffen ist308 . Nach anderer Formulierung sollen bestimmte "interessierte Dritte" in den vertraglichen Bereich mit einbezogen werden und ihnen der Rückgriff auf Deliktsrecht verwehrt werden; als ,,interessiert" werden dabei diejenigen angesehen, die mit den Parteien eine Vertragsgruppe bilden309 . Diese Ausdehnung der vertraglichen Haftung soll für den Verantwortlichen die Vorhersehbarkeit des Haftungsmaßstabs (previsibilite contractuelle) sicherstellen 31O • Da dem Geschädigten aufgrund des Grundsatzes vom non-cumul deliktische Ansprüche abgeschnitten werden, kann sich der Verantwortliche gegenüber jedem Mitglied der Vertragsgruppe auf die kurze Verjährung des Vertragsrechts sowie etwaige Haftungsbeschränkungen berufen. Würde dagegen innerhalb der Vertragsgruppe Deliktsrecht gelten, so wären solche vertraglichen Vorkehrungen unbeachtlich. Als besonders unbillige Konsequenz der deliktischen Lösung wird kritisiert, daß sich der Geschädigte andererseits beweisrechtlich sehr wohl den fremden Vertrag zu Nutzen machen könne 311 : Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Dritter, der infolge der Ausführung eines fremden Vertrages geschädigt wird, gegen die verursachende Vertragspartei einen deliktischen Anspruch geltend machen312 . Für den Nachweis der deliktischen faute wird in der Praxis oft der Hinweis auf die Vertragsverletzung innerhalb des fremden Vertrages als ausreichend angesehen 313 • Ein Dritter, der zwar der Vertragsgruppe angehört, aber selbst nicht Vertragspartner ist, könnte damit eine günstigere Position als der unmittelbare Vertragspartner einnehmen. Die Lehre von den Vertragsgruppen hat in der Literatur teils Zustimmung 314 , teils entschiedene Ablehnung erfahren 315 • Die Gegner heben hervor, bei der Theorie der Vertragsgruppen handele es sich nicht um eine Erklärung; die Gleichsetzung von Vertragsgruppen und ausschließlich vertraglichen Beziehungen stelle vielmehr eine bloße Behauptung dar316 . Auch die Erfordernisse des Art. 1165 Cc Huet, Responsabilite contractuelle, Nr. 734. Bertrand, Opposabilite du contrat aux tiers, S. 407 f. 310 Neret, Sous-contrat, Nr. 372 f.; Teyssii, Groupes de contrats, Nr. 582; Durry, RTD civ. 1969,773,774 f. 311 Vg!. Viney in: Melanges Holleaux, S. 399, 407 f. 312 Cass. civ. Ire, 24. 10. 1967, JCP 1968, H, 15360 rn. Anrn. Lindon; Cass. civ. 2e, 08.06. 1979, D. 1980, jur. 563 rn. Anrn. Espagnon; Cass. corn., 04. 06. 1991, D. 1992, jur. 399 rn. Anrn. Martin; Cass. civ. 3e, 05. 02. 1992, Bull. civ. I1I, Nr. 42. 313 Cass. civ. Ire, 16. 12. 1992, Bull. civ. I, Nr. 316. Vg!. zu dieser Tendenz Viney in: Responsabilite: conditions, Nr. 214; Jourdain, RTD civ. 1993,362-366; 314 Malaurie I Aynes, Obligations (4. Aufl.), Nr. 691 f., 874; Viney in: Melanges Holleaux, S. 399 ff.; Carbonnier, Obligations, S. 49 f. ("traduit une realite observable"). 315 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. 1111, Nr. 756; Conte, Anrn. zu CA Agen, 07. 12. 1988, Gaz. Pa!. 1988, 2, 899, 900 f.; Ghestinl JaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 756-762; kritisch auch Delebecque, Rev. arb. 1991, 19 ff. 316 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 756. 308 309

5 Beaumart

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

würden letztlich nur vordergründig eingehalten, nämlich dadurch, daß der Begriff der Vertragspartei auf Angehörige der Vertragsgruppe ausgedehnt werde 3 !? Die Konzeption des Vertrages verlange jedenfalls auch ein subjektives Moment, allein aufgrund objektiver Kriterien könne niemand in die Wirkungen eines Vertrages einbezogen werden 3 !8. Schließlich laufe die Bevorzugung des Vertragsrechts einer Grundtendenz des Haftungsrechts, nämlich der Begünstigung des Geschädigten, zuwider; die Abwicklung durch Vertragsrecht bevorzuge demgegenüber den Verantwortlichen, der sich beispielsweise durch Haftungsbeschränkungen schützen könne 319 . Dieser Kritik ist insoweit zuzustimmen, als keinerlei präzise Kriterien aufgestellt worden sind, um schützens werte Dritte von anderen abzugrenzen; die Einbeziehung jedes einer Vertragsgruppe angehörigen Dritten dürfte in jedem Fall zu weit gehen 320 Der Kassationshof hat sich in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1988 auf die Lehre von den Vertragsgruppen gestützt321 • Bereits 1991 hat er diese Begründung wieder verworfen. Auf diese Entscheidungen wird bei der Untersuchung der Entwicklung in der Rechtsprechung näher einzugehen sein. e) Billigkeit als Grundlage der action directe Nach einer von Jamin vor dem Hintergrund einer grundlegenden historischen Untersuchung entwickelten Theorie beruht die action directe auf Billigkeitsgesichtspunkten. Diese Theorie strebt eine Synthese aller Erscheinungsformen der action directe an und versteht sie als Korrekturmechanismus der starren Prinzipien der Relativität der Vertrags beziehungen und der Gläubigergleichheit; die Durchbrechung ergebe sich insbesondere aus dem Gedanken, zwischen den an einer Vertragsgruppe beteiligten Vermögen einen gerechten Ausgleich zu schaffen322 . Diese Theorie erkennt zutreffend, daß bei der Entwicklung der verschiedenen Ausprägungen der action directe in unterschiedlichem Maße auch Billigkeitsgesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Thre Anwendung könnte möglicherweise eine Ausweitung der actions directes zum Ergebnis haben, da ausreichen würde, daß die strikte Beachtung der Art. 1165 und 2092 Cc unbillig erscheint323 . Doch ist dieses Kriterium für eine klare Abgrenzung letztlich zu unpräzise; auch soweit

317 Conte, Anm. zu CA Agen, 07. 12. 1988, 2, 899, 902; Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 758. 318 Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 758. 319 Conte, Anm. zu CA Agen, 07. 12. 1988, Gaz. Pal. 1988,2,899,901. 320 Vgl. Jourdain, D. 1992, chron. 149, 155 f.; Larroumet, JCP 1991, 1,3531 Nr. 8. 321 Cass. civ. Ire, 8. 3. 88, BuH. civ. I, Nr. 69; Cass. civ. Ire, 21. 06. 88, BuH. civ. I, Nr.202. 322 Jamin, Action directe, Nr. 328 f. 323 Vgl. Jamin, Action directe, Nr. 331.

B. Vertragliche Ansprüche

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Jamin Unterkriterien untersucht, wie etwa ein "lien de connexite suffisant" zwischen der Bereicherung des Drittschuldners und dem Tatigwerden des Gläubigers 324, bleibt diese Abgrenzung unsicher. Die Ungenauigkeit ergibt sich insgesamt daraus, daß sämtliche Erscheinungsformen der action directe auf eine einheitliche Begründung zurückgeführt werden 325 . f) Stellungnahme

Keine der vertretenen Theorien vermag die Gewährung einer action directe völlig widerspruchsfrei zu erklären326 . Die Rechtsprechung hat sich lange Zeit auf keine der Theorien festlegen lassen, wenngleich sie in den beiden Grundsatzentscheidungen der Assemblee pleniere aus dem Jahre 1986 zu der sachenrechtlichen Begründung zu tendieren schien327 • Die ausdrückliche Stellungnahme zugunsten der Lehre von den groupes de contrats in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1988 darf jedenfalls seit der Entscheidung der Assemblee pleniere vom 12. Juli 1991 328 als überholt gelten. Seitdem wendet die Rechtsprechung die action directe meist ohne jede Begründung an. Es gibt aber auch Entscheidungen, die eher wieder für die sachenrechtliche Begründung zu sprechen scheinen329 . Die action directe stellt letztlich eine Erweiterung der vertraglichen Haftung des Herstellers und Verkäufers dar, die der Code civil ursprünglich nicht vorsah. Aus der Sicht eines deutschen Juristen liegen hier Parallelen zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vor; zugleich geht der Anwendungsbereich der action directe jedoch über die Drittschutzwirkungen nach deutschem Recht hinaus 330 : Der Inhaber einer action directe kann nicht nur Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Nebenpflichten geltend machen, sondern auch wegen Verletzung von Primärpflichten, etwa wegen Mängeln an der Sache selbst. Aus der umfassenden historischen Analyse Jamins läßt sich ablesen, daß die Erweiterung der Haftung des Ver-

324 Jamin, Action directe, Nr. 325. Zudem paßt dieses Kriterium wohl nur für die action directe en paiement. 325 Izorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 46. 326 Vgl. zu den älteren Theorien Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 327; Jamin, Action directe, Nr. 274. 327 Cass. ass. plen., 07. 02.1986, BuH. civ., Nr. 2 328 Cass. ass. plen., 12.07. 1991, BuH. civ., Nr. 5. 329 Vor aHem Cass. civ. 3e, 08. 02. 1995, BuH. civ. III, Nr. 39 ("Ie sous-acquereur jouit de tous les droits et actions attaches a la chose qui appartenait a son auteur et dispose contre les locateurs d'ouvrage d'une action contractueHe fondee sur un manquement aleurs obligations envers le maitre de l'ouvrage"). Weniger eindeutig: Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, BuH. civ. III, Nr. 251 ("disposait d'une action contractueHe, laqueHe etait fondee sur le contrat de vente conc1u entre ce fabricant et le vendeur intermediaire"); Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 45 ("alors que I' action redhibitoire exercee par I' acquereur est ce1le de son auteur"). 330 Vgl. Dammann, Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung, S. 60.

5*

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käufers auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhen dürfte 33J • Inzwischen läßt sich wohl von Gewohnheitsrecht sprechen332 . Die Rechtsfortbildung läßt sich am ehesten durch den von Jamin angeführten Gedanken der Billigkeit erklären: Nach Art. 1135 Cc verpflichten Verträge nicht nur zu den ausdrücklich getroffenen Abreden, sondern auch zu dem, was sich unter Beachtung von Billigkeit, Bräuchen und dem Gesetz je nach Art der Verpflichtung ergibt. Da diese Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 1134 Cc zu lesen ist, würde ihr nach der ursprünglichen individualistischen Auffassung vom Vertrag nur im Verhältnis der unmittelbaren Parteien Bedeutung zukommen. Die neuere Lehre berücksichtigt jedoch durchaus auch den sozialen Zusammenhang eines Vertrages 333 . Danach läßt sich die action directe als zugleich mit dem ersten Kaufvertrag entstehendes Recht aller in die Absatzkette eingebundenen Personen auffassen 334 . Der Endabnehmer steht damit zum Verkäufer in einer vertragsähnlichen Sonderbeziehung, die aber nicht nur sein Integritäts-, sondern auch sein Äquivalenzinteresse schützt. Die von der Rechtsprechung verwendete Begründung mag zwar in Richtung der sachenrechtlichen Übertragung der Rechte gedeutet werden, sie widerspricht meines Erachtens aber nicht der Erklärung als Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung. Die klassischen Erklärungsversuche haben als Hauptnachteil gemeinsam, daß sie die action directe als bloß abgeleitetes Recht ansehen. Dies wird aber nicht sämtlichen Erscheinungsformen der action directe gerecht335 . Die action directe läßt sich demgegenüber widerspruchsfrei als eigener Anspruch des Käufers gegen den Erstverkäufer deuten, der allerdings im ersten Kaufvertrag wurze1t 336 . Der action directe liegt damit der Gedanke zugrunde, daß ein Verkäufer bestimmte Vertragspflichten nicht nur seinem unmittelbaren Vertragspartner schuldet, sondern jedem weiteren Abnehmer. 4. Entwicklung in der Rechtsprechung

Bis zum Ende der siebziger Jahre stützte sich die Rechtsprechung bei der Haftung innerhalb von Vertragsgruppen im wesentlichen auf Deliktsrecht. Die einzige Ausnahme, nach der der Endabnehmer gegen Vormänner seines Verkäufers auch die Sach- und Rechtsmängelhaftung geltend machen konnte, war eine rein kaufrechtliche Besonderheit und daher in ihrem Anwendungsbereich begrenzt. In den folgenden zwanzig Jahren wurde dann der Bereich des Vertragsrechts schrittweise immer weiter ausgebaut, bis diese Entwicklung im Jahre 1991 durch eine EntscheiJamin, Action directe, Nr. 276 ff., 329. Vgl. Dammann, Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung, S. 60. 333 Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 325-328, 363 f. 334 Dammann, Einbeziehung in die Schutzwirkung, S. 61 spricht von einer Sonderbeziehung aus gesteigertem sozialen Kontakt. 335 Ghestin/ Jamin/Billiau, Effets du contrat, Nr. 747. 336 Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 334. 331

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dung der Assemblee pleniere des Kassationshofs 337 beendet und teilweise zugunsten des Deliktsrechts zurückgenommen wurde. a) Ausgangslage: Überwiegen des Deliktsrechts Die Rechtsprechung erkennt seit geraumer Zeit an, daß jemand, der gegenüber seinem Vertragspartner eine Vertragsverletzung begeht, unter Umständen auch einem Dritten, mit dem er selbst nicht unmittelbar verbunden ist, verantwortlich sein kann. Aufgrund des Grundsatzes der Relativität der Verträge nach Art. 1165 Cc wurden allerdings zunächst vorwiegend deliktische Ansprüche zum Schutz dieser vertragsfremden Dritten in Betracht gezogen 338 . Beispiele hierfür sind die Haftung im Verhältnis zwischen Vermieter und Untermieter339 und zwischen Auftraggeber beim Werkvertrag und Subunternehmer34o . Ein weiteres Beispiel für einen solchen "deliktischen Direktanspruch" war lange Zeit der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Verkäufer mangelhaften Baumaterials, das durch den beauftragten Bauunternehmer eingebaut worden ist341 . Demgegenüber erkannte die Rechtsprechung nur in einer Fallgruppe einen vertraglichen Direktanspruch an, nämlich in kaufvertraglichen Ketten die action directe des Endabnehmers gegen Vormänner seines Verkäufers bis hinauf zum Hersteller. Dieser Direktanspruch hatte zunächst lediglich einen eng begrenzten Anwendungsbereich, nämlich die Sach- und Rechtsmängelhaftung 342 • Als Begründung des Direktanspruchs in kaufvertraglichen Ketten legt die Rechtsprechung, ohne sich mit dem Theorienstreit ausdrücklich auseinanderzusetzen, die sachenrechtliche Übertragung als Zubehör zugrunde. Dies kommt in Formulierungen wie ,,1' action directe ... affectant la chose vendue des sa fabrication" zum Ausdruck343 . Andere Entscheidungen besagen lediglich, daß es sich um einen übertragenen Anspruch (,,1' action en reparation, trans mise au sous-acquereur") handelt 344 oder 337 Cass. ass. plen., 12.07. 1991, D. 1991, jur. 549 rn. Anrn. Ghestin; JCP 1991, 11, 21743 rn. Anrn. Viney; Contrats, conc., consorn. 1991, Nr. 200 rn. Anrn. Leveneur. 338 Req., 23. 02. 1897, S. 1898, 1,65 rn. Anrn. Esmein; Req., 09. 03. 1936, D.H. 1936, 233; Req. 08. 03. 1937, D.P. 1938, I, 76 rn. Anrn. Savatier; Req., 07. 10. 1940, D.H. 1940, 180.

Civ., 06. 05. 1935, D.H. 1935,332; Req., 04. 07. 1905, S. 1906, 1,230. Cass. civ. 2e, 06. 02. 1958, Bull. civ. 11, Nr. 112; Cass. civ. Ire, 09. 03. 1964, Bull. civ. I, Nr. 138; Cass. corn., 22. 01. 1973, Bull. civ. IV, Nr. 28; Cass. corn., 04. 02. 1964, Bull. civ. III, Nr. 57. 341 Cass. civ. 3e, 05. 12. 1972, D. 1973, jur. 401 rn. Anrn. Mazeaud; zahlreiche weitere Nachweise bei Bonet/Gross, JCP 1974, I, 2602. 339 340

342 Verweigert wurde lange Zeit allerdings die Wandlung, vg!. Cass. corn., 27. 02. 1973, D. 1974,jur. 138 rn. Anrn. Malinvaud. 343 Cass. corn., 17.05.1982, Bull. civ. IV, Nr. 182; D. 1983, info rap. 479 rn. Anrn. Larroumet; Cass. civ. Ire, 09. 10. 1979, Bull. civ. I, Nr. 241; Gaz. Pa!. 1980, 1,249 rn. Anrn. Larroumet. 344 Vg!. Cass. civ. Ire: 09. 03. 1983, Bull. civ. I, Nr. 92.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

wenden sie ohne weitere Begründung an 345 • Die action directe wurde anfanglich als zusätzlicher Rechtsbehelf des Käufers angesehen. Soweit der Käufer das Vorgehen mittels eines deliktischen Anspruchs gegen Vonnänner seines Verkäufers für erfolgversprechender hält, kann er in Durchbrechung des non cumul-Grundsatzes auch deliktsrechtlich vorgehen 346 • Diese Rechtsprechung zum vertraglichen Direktanspruch wurde durch Einführung eines Art. 1646-1 Cc für einen Teilbereich gesetzlich bestätigt347 . Danach haftet der Verkäufer eines zu errichtenden Gebäudes nicht nur dem unmittelbaren Käufer, sondern auch allen späteren Erwerbern. Die vertragliche Lösung wurde sodann von der Rechtsprechung auf den Werkvertrag übertragen. Gewährleistungsansprüche bei Werkmängeln von Bauten nach Art. 1792 Cc können nicht nur durch den Bauherrn, sondern durch jeden Käufer des Gebäudes geltend gemacht werden 348 . Im Jahre 1978 wurde diese Fortentwicklung durch Änderung des Art. 1792 Cc und Einfügung der Art. 1792-1 bis 1792-6 Cc gesetzlich bestätigt349 • Der danach mögliche Direktanspruch betrifft jedoch ausschließlich die besonderen baurechtlichen Garantien und blieb daher in seinem Anwendungsbereich ebenfalls beschränkt. b) Ausschließlichkeit des Vertragsrechts in kaufvertraglichen Ketten Einen ersten wichtigen Schritt in Richtung des Ausbaus des Vertragsrechts gegenüber dem Deliktsrecht tat der Kassationshof mit seiner Entscheidung vom 9. Oktober 197935 Der Entscheidung lag ein Gebrauchtwagenkauf zugrunde. Der Käufer des Fahrzeugs erlitt wenige Tage nach dem Kauf einen Unfall, der auf einen Konstruktionsfehler der Hinterradaufhängung zurückzuführen war. Der Fehler war dem Hersteller, der allen seinen Händlern eine Notiz mit einer Nachbesserungsanweisung zugesandt hatte, bekannt. Der Käufer erhob Klage auf Zahlung von Schadensersatz gegen seinen unmittelbaren Verkäufer, den Hersteller und den Importeur, der das Fahrzeug seinerzeit dem unmittelbaren Verkäufer verkauft hatte

°.

Cass. civ. Ire, 09. 10. 1979, BuH. civ. I, Nr. 241. Vg!. Req., 08. 03.1937, D.P. 1938, 1,76 m. Anm. Savatier; Cass. civ. 3e, 09. 10. 1962, JCP 1962, II, 12910 m. Anm. Esmein; Cass. civ. Ire, 23. 05. 1978, BuH. civ. I, Nr. 201; Cass. com., 26. 06.1978, BuH. civ. IV, Nr. 177. 347 Gesetz Nr. 67-3 vom 03. 01. 1967. 348 Erstmals Cass. civ. Ire, 28. 11. 1967, BuH. civ. I, Nr. 348; seither st. Rspr.: Cass. civ. 3e, 23. 03. 1968, D. 1970, jur. 663 m. Anm. Jestaz; Cass. civ. 3e, 08. 10. 1972, BuH. civ. III, Nr. 531; Cass. civ. 3e, 28. 10. 1975, BuH. civ. III, Nr. 311. Einige woHen in Cass. civ. Ire, 26.02. 1963, BuH. civ. I, Nr. 122 den Beginn dieser Entwicklung sehen. Vg!. Malinvaud, D. 1984, chron. 41, 42; Jestaz, Anm. zu Cass. civ. 3e, 23. 03. 1968, D. 1970, jur. 663, 664; a.A. Karila, Gaz. Pa!. 1992,1, doctr. 18,21 Fn. 2. 349 Gesetz Nr. 78-12 vom 04.01. 1978. 350 Cass. civ. Ire, 09.10.1979, BuH. civ. I, Nr. 241; Gaz. Pa!. 1980, 1,249 m. Anm. Plancqueel; D. 1980, inf. rap. 222 m. Anm. Larroumet; Anm. Durry, RTD civ. 1980,354. 345 346

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und der, obwohl er die Nachbesserungsanweisung erhalten hatte, die erforderlichen Änderungen nicht vorgenommen hatte. Das Berufungsgericht verurteilte Hersteller und Importeur nach Deliktsrecht auf der Grundlage von Art. 1383 Cc. Dieses Urteil hob der Kassationshof auf mit der Begründung, der auf einen Sachmangel gestützte Anspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller oder Zwischenverkäufer sei "notwendigerweise vertraglicher Natur". Der Kassationshof setzt damit den Grundsatz des non-cumul auch im Bereich der Direktansprüche des Endabnehmers durch, so daß das frühere Wahlrecht zwischen Vertrags- und Deliktsrecht entfällt. Als wichtigste praktische Auswirkung hat der Endabnehmer nunmehr die kurze Verjährungsfrist des Art. 1648 Cc zu beachten. Dies mindert die Attraktivität des Direktanspruchs, zumal für die Fristberechnung der erste Vertrag maßgeblich ist351 • Schließlich kann sich ein Mitglied der Absatzkette auch nicht mehr auf die garde de la structure nach Art. 1384 Abs. 1 Cc berufen, die der Hersteller gegebenenfalls nach der Weiterveräußerung behält 352 . Damit ist dem Geschädigten ein in beweisrechtlicher Hinsicht besonders günstiger Anspruch versperrt; Art. 1384 Abs. 1 Cc enthält eine Gefährdungshaftung für bestimmte gefahrträchtige Gegenstände 353 . Die Durchsetzung des non-cumul wurde vom Kassationshof seither in zahlreichen Entscheidungen bestätigt354 • c) Vertragsrecht in aus Kauf- und Werkverträgen zusammengesetzten Ketten Die action directe blieb trotz ihrer Erweiterung zu Lasten des Deliktsrechts zunächst auf rein kaufvertragliche Ketten oder mit einem in der Literatur verwendeten Ausdruck 355 auf homogene Ketten beschränkt. Den nächsten Schritt der Entwicklung bildete die Ausdehnung der vertraglichen Haftung auf aus Kauf- und Werkverträgen zusammengesetzte Vertragsketten.

351 Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 2, Nr. 754; Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1481; Ferid/Sonnenberger; Bd. 2, Frz. ZR, Rz. 2 G 660. Dies kann allerdings zu Wertungswidersprüchen im Vergleich zum Rückgriff Glied für Glied führen, soweit der erste Vertrag einer kurzen Verjährung (z. B. beim Kaufvertrag), der zweite einer längeren Verjährung (z. B. beim Werkvertrag) unterliegt. 352 Ausdrücklich Cass. civ. 2e, 30. 11. 1988, Bull. civ. 11, Nr. 240; Anrn. Jourdain, RTD civ. 1989,323. Haftung für garde noch zugelassen bei Cass. civ. 2e, 04. 11. 1987, Gaz. Pa!. 1988, I, pan. 15 rn. Anrn. Chabas; Cass. civ. 2e, 14.04. 1988, Gaz. Pa!. 1988, I, pan. 158. 353 Dazu ausführlich unten S. 102 ff. 354 Vgl. Cass. corn., 17.05. 1982, Bull. civ. IV, Nr. 182; D. 1983, info rap. 479 rn. Anrn. Larroumet; Cass. corn., 04. 11. 1982, Bull. civ. IV, Nr. 335; Cass. civ. Ire, 09. 03. 1983, Bull. civ. I, Nr. 92; Cass. civ. Ire, 04. 03. 1986, Bull. civ. I, Nr. 57; Cass. corn., 17.02. 1987, Bull. civ. IV, Nr. 44; Cass. corn., 24. 11. 1987, Bull. civ. IV, Nr. 250. 355 Vgl. Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. lI/I, Nr. 756; Terri / Simler / Lequette, Obligations, Nr. 479.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

aa) Werkvertrag gefolgt von einem Kaufvertrag In einer Kette bestehend aus einem Werk- gefolgt von einem Kaufvertrag wurde traditionell dem Endabnehmer ein deliktischer Anspruch gewährt356 . Lediglich im Bereich der Bauwerkshaftung konnten der Bauherr sowie jeder spätere Erwerber die dort vorgesehenen vertraglichen Garantien gegen die Unternehmer geltend machen357 . bb) Kalifvertrag gefolgt von einem Werkvertrag Im umgekehrten Falle, d. h. bei Vorliegen eines Kaufvertrages, gefolgt von einem Werkvertrag, wurde der Anspruch des Auftraggebers gegen den Verkäufer lange Zeit unbestritten als deliktisch angesehen. Dies galt etwa für den Anspruch des Bauherrn gegen den Lieferanten des beauftragten Bauunternehmers 358 . Nur für einen spezialgesetzlich geregelten Fall steht seit der Neuregelung durch das Gesetz vom 4. Januar 1978 ein vertraglicher Direktanspruch zur Verfügung, nämlich für den Anspruch des Bauherrn bzw. eines späteren Erwerbers des Gebäudes gegen Hersteller von Baufertigteilen nach Art. 1792-4 Cc. Nach dieser Norm haftet der "fabricant d'ouvrage, de partie d'ouvrage, ou d'element d'equipement con~u et produit pour satisfaire en etat des service ades exigences precises et deterrninees a l'avance". Aus der Formulierung folgt, daß nur der Hersteller von (meist industriell) vorgefertigten Bauteilen haftet, nicht aber jeder Materiallieferant oder jemand, der Bauteile im einzelnen anpaßt 359 . Vor diesem Hintergrund zögerte die erste Zivilkammer des Kassationshofs nicht, dem Bauherrn auch einen vertraglichen Direktanspruch gegen solche Materiallieferanten zuzuerkennen, die nicht unter die Spezialregelung des Art. 1792-4 Cc fallen 36o . Dieser action directe gegen den Verkäufer von Baumaterialliege die Sachmängelgewährleistung der Art. 1641 ff. Cc zugrunde; der Anspruch sei "notwendigerweise vertraglicher Natur". Entscheidender Gesichtspunkt für diese Gleichsetzung von Bauherr und Endabnehmer im Kaufrecht dürfte die Überlegung sein, die mit einer Sache verbundenen Garantien stünden allein im Interesse des jeweiligen Eigentümers, unabhängig davon, ob die Sache durch Kauf- oder Werkvertrag erworben wurde 361 • Cass. civ. Ire, 05.10.1983, BuH. civ. I, Nr. 219; Anm. Huet. RTD civ. 1984,504. Ständige Rspr. seit Cass. civ. Ire, 28. 11. 1967, D. 1968, jur. 163. Inzwischen durch Gesetz Nr. 78-12 vorn 04. 01. 1978 geregelt. 358 Cass. civ. 3e, 05. 12. 1972, D. 1973, jur. 401 m. Anm. Mazeaud; Cass. civ. Ire, 23.05.1978, BuH. civ. I, Nr. 201; Cass. civ. Ire, 27. 01. 1981, BuH. civ. I. Nr. 30. 359 Vgl. zu den Abgrenzungsfragen Boubli in: Rep. de droit civil, contrat d'entreprise, Nr. 418 f. 360 Cass. civ. Ire, 29. 05. 1984, Bull. civ. I, Nr. 175; Anm. Huet, RTD civ. 1985, 588; Anm. Remy, RTD civ. 1988,407. 361 Vgl. Remy, RTD civ. 1985,406 f. 356 357

B. Vertragliche Ansprüche

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In einer nur kurze Zeit später ergangenen Entscheidung hielt demgegenüber die dritte Zivilkammer des Kassationshofs an dem deliktischen Charakter des Anspruchs des Bauherrn gegen den Hersteller und Verkäufer der Baumaterialien fest 362 . Die Mangelhaftigkeit des gelieferten Materials könne gegenüber dem außerhalb des Kaufvertrags stehenden Bauherrn allenfalls eine deliktische faute darstellen. Der Konflikt wurde gelöst durch zwei Entscheidungen der Assemblee pleniere des Kassationshofs vom 7. Februar 1986, in denen diese sich der Auffassung des ersten Zivilsenats anschloß 363 • Die Assemblee pleniere entschied, der Bauherr verfüge wie der Endabnehmer über alle Rechte und Ansprüche, die mit der Sache, welche seinem Rechtsvorgänger gehörte, verbunden seien. Dem Bauherrn stehe deshalb gegen den Hersteller ein direkter vertraglicher Anspruch zu, der auf die mangelnde Vertragsgemäßheit der gelieferten Sache gestützt sei. Diese Begründung für den Rechtsübergang läßt eine Bezugnahme auf die sachenrechtliche Erklärung durch die Theorie des Zubehörs erkennen. Im Unterschied zu den bislang in der Rechtsprechung behandelten rein kaufvertraglichen Ketten lag der Entscheidung allerdings keine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung, sondern ein gesetzlicher Eigentumserwerb durch Einbau nach Art. 551 f. Cc zugrunde 364 . Unter diesem Gesichtspunkt kritisierte ein Teil der Literatur die Entscheidung mit dem Argument, eine Übertragung der mit der Sache verbundenen Rechte komme, da es sich um einen originären Erwerb handele, nicht in Betrache 65 . Zudem komme es bei Annahme des Rechtsübergangs zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von solchen Subunternehmern, die überwiegend lediglich vorgefertigtes Material verkaufen und daher vertraglich haften, und solchen, die Bauteile nach den jeweiligen Bedürfnissen des Bestellers anfertigen und als Werkunternehmer daher deliktisch haften 366 • Überwiegend wurde aber davon ausgegangen, auch der Einbau der Sache könne den Übergang der mit der Sache verbundenen Rechte nach sich ziehen, soweit nur überhaupt ein Eigentumserwerb stattfinde 367 . 362 Cass. civ. 3e, 19.06.1984, BuB. civ. III, Nr. 120; D. 1985,jur. 213 m. Anm. Benabent; Anm. Huet, RTD civ. 1985,590; Anm. Remy, RTD civ. 1988,408; JCP 1985, II, 20387 m. Anm. Malinvaud. 363 Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, BuB. civ., Nr. 2; JCP 1986, II, 20616 m. Anm. Malinvaud; D. 1986, jur. 293 m. Anm. Benabent; Anm. Mestre, RTD civ. 1986, 594; Anm. Remy, RTD civ. 1986,605. 364 Vgl. Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. II/l, Nr. 756; Karila, Gaz. Pal. 1992, I, doctr. 18,21; lourdain, D. 1992, chron. 149, 152. 365 Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. I, Nr. 756; lourdain, D. 1992, chron. 149, 152. 366 lourdain, D. 1992, chron. 149, 153 f.; vgl. Perinet-Marquet, JCP 1989, I, 3399, Nr. 3,

8.

367 Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. I, Nr. 1820; Karila, Gaz. Pal. 1992, I, doctr. 18,21; Malinvaud, Anm. zu Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, JCP 1986, II, 20616 Nr. 3 f.; Benabent, Anm. zu Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, D. 1986, jur. 293 f.; Larroumet, JCP 1988, I, 3357 Nr. 7 f.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Kritik erfuhren die Entscheidungen vom 7. Februar 1986 stattdessen hinsichtlich eines anderen Punktes, nämlich der Anwendung der Regeln der Nichterfüllung wegen Lieferung einer nicht vertragsgemäßen Sache. Während in der einen Entscheidung 368 die mangelnde Vertragsgemäßheit aus einem Fabrikationsfehler, also einer Qualitätsabweichung, hergeleitet wurde, stützte die zweite Entscheidung 369 die mangelnde Vertragsgemäßheit darauf, daß die Sache nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet sei, was aber exakt der Definition des Sachmangels nach Art. 1641 Cc entspricht37o. In beiden Fällen hätte nach allen gängigen Definitionen ein Sachmangel angenommen werden müssen 371 • Dieses Ausweichen auf die Regeln der Nichterfüllung läßt das Bestreben erkennen, die kurze Frist des Art. 1648 Cc in der Sachmängelhaftung auszuschalten. Die Neuqualifikation hat zur Folge, daß die zehnjährige Frist des ursprünglich zugestandenen deliktischen Anspruchs nach Art. 2270-1 Cc 372 durch die dreißigjährige Frist des vertraglichen Direktanspruchs nach Art. 2262 Cc bzw. im Falle eines Handelsgeschäfts durch eine zehnjährige Frist nach Art. 189 bis C. com. abgelöst wird, statt durch die kurze Frist des Art. 1648 Cc. Die kurze Frist des Art. 1648 Cc erschien den Richtern offenbar für den Bauherm besonders nachteilig, so daß ein Weg gesucht wurde, die Konsequenzen der vorherigen Rechtsprechung zu umgehen 373 . Während zunächst unklar blieb, ob es sich um ergebnisorientierte Einzelfallentscheidungen handelte oder ob die Rechtsprechung die Sachmängelhaftung generell in der Haftung wegen Nichterfüllung aufgehen lassen wollte 374, wird seit 1993 die Abgrenzung zwischen Sachmangel und mangelnder Vertragsgemäßheit wieder strenger gezogen 375 • Damit hat sich die Ausweitung der Haftung für nonconformite als nur vorübergehende Erscheinung erwiesen. Die dritte Zivilkammer des Kassationshofs paßte sich den Entscheidungen vom 7. Februar 1986 an; auch sie ging nun von der vertraglichen Haftung des Materiallieferanten gegenüber dem Bauherm aus 376 . Die Rechtsprechung schien sich damit 368

die.

Societe Produits Ceramiques . f . Syndicat des coproprietaires de la residence Norman-

369 Societe Commerciale de Materiaux pour la Protection et l'Isolation . f. Union des Assurances de Paris et autres. 370 Vgl. Lern, Haftung für fehlerhafte Produkte, S. 97 f.:"Wortspielerei". 371 Vgl. Benabent, Anm. zu Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, D. 1986,jur. 293, 294 f.; Malinvaud, Anm. zu Cass. ass. plen., 07. 02.1986, JCP 1986, H, 20616, Nr. 9-11. 372 Art. 2270-1 Cc in der Fassung des Gesetzes Nr. 85-677 vom 5. Juli 1985. 373 Vgl. MazeaudlChabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 756. Die kurze Frist bestimmt sich nach dem ersten Vertrag. Für den Bauherrn dürften aber Mängel häufig erst nach Ablauf dieser Frist erkennbar werden. 374 Vgl. Benabent, Anm. zu Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, D. 1986,293,296; Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 786 f. 375 Vgl. dazu oben S. 34 f. 376 Cass. civ. 3e, 15. 02. 1989, BuH. civ. III, Nr. 35; Cass. civ. 3e, 10.05. 1990, BuH. civ. III, Nr. 116.

B. Vertragliche Ansprüche

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auf die sachenrechtlichen Erklärung der Übertragung als Zubehör festgelegt zu haben. Eine direkte vertragliche Haftung zwischen nicht unmittelbar miteinander verbundenen Personen sollte immer dann gegeben sein, wenn die jeweilige Vertragskette den Eigentumserwerb an der übertragenen Sache nach sich zieht. d) Vertragsrecht innerhalb von groupes de contrats

aa) Subuntemehmerverträge Schon bald sollten sich die Auffassungen der ersten und dritten Zivilkammmer in einem neuen Konflikt gegenüberstehen und zwar hinsichtlich der Natur der Haftung in einer Kette aus zwei Werkverträgen, einem Haupt- und einem Subunternehmervertrag. In solchen Ketten wurde die Haftung des Subunternehmers gegenüber dem nicht unmittelbar mit ihm verbundenen Auftraggeber in ständiger Rechtsprechung als deliktisch angesehen 377 • Diese Rechtsprechung wurde zunächst auch nach den Entscheidungen der Assemblee pleniere vom 7. Februar 1986 aufrechterhalten 378 . Ein Abrücken von der deliktischen Lösung zeichnete sich erstmals in einer Entscheidung der Kammer für Handelssachen des Kassationshofs vom 17. Februar 1987 379 ab. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein französischer Auftraggeber betraute ein polnisches Unternehmen mit dem Bau eines Fischtrawlers. Wegen eines Teils der Arbeiten bediente sich der Hauptunternehmer eines weiteren polnischen Unternehmens als Subunternehmer. Nach Fertigstellung erlitt der Trawler einen Schaden, der auf einen Defekt des durch den Subunternehmer eingebauten Motors zurückzuführen war. Da die mit der polnischen Werft vereinbarte Garantiefrist bereits abgelaufen war, verklagte der Auftraggeber in Frankreich den Subunternehmer, gestützt auf Art. 1382 Cc, und unterlag in den Tatsacheninstanzen. Diese Ablehnung eines deliktischen Anspruchs bestätigte die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs, ohne sich zu der Möglichkeit eines vertraglichen Direktanspruchs zu äußern. Aus dieser Entscheidung könnte man im Urnkehrschluß entnehmen, daß etwaige Ansprüche des Auftraggebers gegen den Subunternehmer vertraglicher Natur seien 380 • Denkbar ist allerdings auch, daß die Kammer an der deliktischen Lösung festhalten wollte, jedoch die Anforderungen an eine deliktische faute in casu nicht 377 Cass. civ. Ire, 09. 03. 1964, BuH. civ. I, Nr. 138; Cass. corn., 18. 12. 1968, BuH. civ. IV, Nr. 366; Cass. civ. 3e, 05. 12. 1972, D. 1973, jur. 401 rn. Anrn. Mazeaud; Cass. corn., 17.02. 1981, BuH. civ. IV, Nr. 87. 378 Cass. civ. 3e, 21. 01. 1987, BuH. civ. III, Nr. 10; vgl. auch CA VersaiHes, 10. 12. 1986, D. 1987, jur. 462 rn. Anrn. Estoup. 379 Cass. corn., 17.02. 1987, BuH. civ. IV, Nr. 44; JCP 1987, H, 20892 rn. Anrn. Dubois; D. 1987, jur. 543 rn. Anrn. Jourdain. 380 Vgl. Dubois, Anrn. zu Cass. corn., 17.02.1987, JCP 1987, H, 20892; Jourdain, Anrn. zu Cass. corn., 17.02. 1987, D. 1987, jur. 543, 544 f.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

für erfüllt hielt381 • Eine Stellungnahme zu einem vertraglichen Anspruch war dem Gericht nach Ansicht von Jourdain aus prozessualen Gründen versperrt, da dies ein erstmaliges Befassen mit den Tatsachen, die einen vertraglichen Anspruch ausfüllen könnten, erfordert hätte 382 . Eindeutigere Stellungnahmen brachten erst Entscheidungen aus dem Jahre 1988. In seiner Entscheidung vom 8. März 1988 gewährte die erste Zivilkammer des Kassationshofs dem Auftraggeber gegen den Subunternehmer einen Schadensersatzanspruch, den sie als "notwendigerweise vertraglicher Natur" qua1ifizierte 383 • Ein Kunde hatte einem Fotogeschäft Diapositive zur Vergrößerung anvertraut. Das Fotogeschäft hatte seinerseits mit der Ausführung der Arbeiten ein Entwicklungslabor beauftragt, bei dem das eingesandte Material verloren ging. Der Kunde verklagte daraufhin das Entwicklungslabor unmittelbar auf Zahlung von Schadensersatz und erreichte vor dem Berufungsgericht dessen Verurteilung auf der Grundlage von Art. 1382 Ce. Wie bereits in den Vorinstanzen berief sich das Entwicklungslabor in der Revision darauf, es komme nur eine vertragliche Haftung in Betracht, so daß die Haftungsbeschränkungen zu beachten seien, die sowohl in dem Vertrag zwischen Kunde und Fotogeschäft als auch in dem zwischen Fotogeschäft und Labor vereinbart waren 384 • Die erste Zivilkammer folgte diesen Ausführungen und sprach sich für einen vertraglichen Direktanspruch und die Beachtung der Haftungsbeschränkung aus: "In einem Fall, in dem der Schuldner einer vertraglichen Verpflichtung eine andere Person mit der Erfüllung dieser Verpflichtung beauftragt hat, hat der Gläubiger gegen letztere nur einen Anspruch, der notwendigerweise vertraglicher Natur ist und den er innerhalb der Grenzen seiner Rechte und der Reichweite der Verbindlichkeit des substituierten Schuldners direkt verfolgen kann." Diese allgemeine Formulierung erfaßt sämtliche Unterverträge (sous-contrats), bei denen der unmittelbare Vertragspartner zur Erbringung der gesamten oder eines Teils der versprochenen Dienstleistung einen Vertrag mit einem Dritten schließt385 . 381 382

Jourdain, Anm. zu Cass. com., 17.02.1987, D. 1987,jur. 543, 544. Vgl. Jourdain, Anm. zu Cass. com., 17.02.1987, D. 1987,jur. S. 543,545 mit Hinweis

auf Art. 619 NCPC. 383 Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, Bull. civ. I, Nr. 69; JCP 1988, II, 21070 m. Anm. Jourdain; Anm. Remy, RTD civ. 1988,551; Anm. Mestre, RTD civ. 1988,741; Anm. Jourdain, RTD civ. 1988,761. 384 Solche Haftungsbeschränkungen sind im Rahmen eines Werkvertrags auch gegenüber einem Verbraucher zulässig; die Bestimmungen des Dekrets vom 24. März 1978 gelten nur in bezug auf Kaufverträge. Versuche der Rechtsprechung, diese Bestimmungen auf den Werkvertrag auszudehnen sind vereinzelt geblieben, vgl. Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 742 m.w.N. 385 Remy, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, RTD civ. 1988,551,552; Mestre, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, RTD civ. 1988, 741 f.; Jourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, RTD civ. 1988, 760, 762. Für den Fall eines Subuntemehmervertrages beim Bauwerkvertrag bereits: CA Chambery, 18.01. 1988, D. 1988,jur. 380 m. Anm. Dubois.

B. Vertragliche Ansprüche

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Neben dem Ausbau der vertraglichen Haftung brachte die Entscheidung als weitere Neuerung die doppelte Begrenzung der Rechte des Gläubigers durch die Bestimmungen des eigenen Vertrags wie diejenigen des fremden Untervertrags. Die Begrenzung durch den Untervertrag wurde in der Literatur als selbstverständliche Folge der Gewährung des vertraglichen Direktanspruchs angesehen; schließlich wird der Auftraggeber gerade in die Schutzwirkung dieses Vertrages einbezogen 386 • Für das Eingreifen der Grenzen auch des Hauptvertrags fehlt dagegen eine schlüssige Begründung. Einige nehmen an, dies ergebe sich aus dem Vorliegen einer Vertragsgruppe; da sich der Untervertrag nur im Rahmen des Hauptvertrags halten könne, sei auch diese Begrenzung zu beachten 387 . bb) Sonstige Vertragsgruppen In seiner Entscheidung vom 21. Juni 1988 388 festigte die erste Zivilkammer ihre Auffassung zur Reichweite der vertraglichen Haftung. Bei dem Versuch, ein Flugzeug auf einem der Pariser Flughäfen von der Passagierbrücke wegzubewegen, löste sich an dem von dem Flughafenbetreiber der Luftfahrtgesellschaft zur Verfügung gestellten Rangierfahrzeug die eingesetzte Rangierstange. Dadurch kam es zu einer Kollision des Rangierfahrzeugs mit dem Flugzeug, bei der das Flugzeug beschädigt wurde. Der Unfall war auf das Entweichen von Druckluft aus einem defekten Ventil zurückzuführen, das in das Kupplungssystem für die Rangierstange des Fahrzeugs eingebaut worden war. Die Luftfahrtgesellschaft klagte auf Zahlung von Schadensersatz gegen den Flughafenbetreiber, den Hersteller des schadhaften Ventils sowie das Unternehmen, das das Ventil eingebaut hatte. Das Berufungsgericht hielt die Klage der Luftfahrtgesellschaft gegen den Flughafenbetreiber wegen des in dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag enthaltenen Haftungsausschlusses für unbegründet. Verurteilt wurden aber Hersteller und Installateur des schadhaften Ventils auf der Grundlage von Art. 1382 Cc. Dieses Urteil hob die erste Zivilkammer des Kassationshofs auf mit der Begründung, gegenüber Hersteller wie Installateur komme nur eine vertragliche Haftung in Betracht: "In Vertragsgruppen werden die Schadensersatzklagen derjenigen, die nur deshalb einen Schaden erlitten haben, weil sie eine Beziehung zu dem ursprünglichen Vertrag hatten, notwendigerweise den Vorschriften über die vertragliche Haftung unterworfen." Der Kassationshof begründete dies mit der Vorhersehbarkeit der Haftung für den Verant386 Jourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, JCP 1988, II, 21070, sub 11.3.; ders., RTD civ. 1988,764,765. 387 Jourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 03. 1988, JCP 1988, II, 21070, sub 11.3.; ders., RTD civ. 1988, 764 f. Letztlich dürfte die Begründung in dem bonne-foi-Prinzip des Art. 1134 Abs. 3 Cc liegen: Der Geschädigte darf billigerweise von dem Drittschuldner nicht mehr verlangen, als er selbst von seinem Vertragspartner verlangen kann, vgl. Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 797. 388 Cass. civ. Ire, 21. 06. 1988, BuH. civ. I, Nr. 202; JCP 1988, 11, 21125 m. Anm. Jourdain; D. 1989, jur. 5 m. Anm. Larroumet; D. 1989, somm. 232 m. Anm. Aubert; Anm Jourdain, RTD civ. 1988,763; Anm. Mestre, RTD civ. 1989,74; Anm. Remy, RTD civ. 1989, 107.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

wortlichen. Wegen der vertraglichen Natur des Direktanspruchs hätte das Berufungsgericht auch die Auswirkungen des Haftungsausschlusses zwischen Luftfahrtgesellschaft und Flughafenbetreiber auf die Haftung von Hersteller und Installateur des Ventils beachten müssen. Diese Entscheidung der ersten Zivilkammer geht über diejenige vom 8. März 1988, die sich auf Unterverträge (sous-contrats) bezog, noch hinaus, indem sie nunmehr jede Vertrags gruppe ausreichen läßt, um zwischen nicht unmittelbar miteinander verbundenen Angehörigen der Gruppe eine vertragliche Haftung zu begründen. Damit waren Forderungen nach einer Ausweitung des Vertragsrechts aufgenommen, die seit 1975 in der Literatur erhoben worden waren. Dies bedeutete zugleich eine Abkehr von der Theorie des Zubehörs, die zur Begründung der Entscheidungen aus dem März und Juni 1988 mangels eigentumsverschaffender Ketten nicht mehr ausgereicht hätte. Gegen die Ausdehnung des Vertragsrechts durch die erste Zivilkammer wandte sich die dritte Zivilkammer des Kassationshofs. In ihrer Entscheidung vom 22. Juni 1988389 verwehrte sie dem Bauherrn den vertraglichen Direktanspruch gegen den Unterauftragnehmer (sous-traitant). Der Bauherr stehe außerhalb des Vertrags zwischen Haupt- und Subunternehmer und könne sich deshalb nicht auf dessen im entschiedenen Fall beweisrechtlich günstigeren - Bestimmungen berufen. Nach Auffassung der dritten Zivilkammer komme allein ein deliktischer Anspruch in Betracht, dessen Voraussetzungen aber im gegebenen Fall nicht erfüllt waren. Diese strenge Beachtung des Grundsatzes der Relativität der Vertragsbeziehungen bestätigte die dritte Zivilkammer in weiteren Entscheidungen39o . Da die erste Zivilkammer des Kassationshofs ihrerseits an der Ausweitung des Vertragsrechts festhielt 391 , bestand erneut Unsicherheit über die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht innerhalb von Vertragsgruppen. e) Rückgang der vertraglichen Haftung Der Konflikt zwischen erster und dritter Zivilkammer wurde gelöst durch eine Entscheidung der Assemblee pleniere des Kassationshofs vom 12. Juli 1991 392 . 389 Cass. civ. 3e, Bull. civ. III, Nr. 101; JCP 1988,11,21115 m. Anm. Jourdain; D. 1988, info rap. 200. 390 Cass. civ. 3e, 31. 10. 1989, Bull. civ. III, Nr. 199; Anm. Jourdain, RTD civ. 1990,287; Cass. civ. 3e, 13. 12. 1989, Bull. civ. III, Nr. 236; Anm. Jourdain, RTD civ. 1990,287; Anm. Kullmann, D. 1991,jur. 25; Cass. civ. 3e, 28. 03.1990, D. 1991,jur. 25 m. Anm. Kullmann. Vgl. auch Cons. d'Etat, 06. 03. 1987, D. 1987, somm. 432; Cons. d'Etat, 11. 07. 1998, D. 1989, somm. 223, wo jeder Anspruch des Bauherrn gegen den Subunternehmer verweigert wird. 391 Cass. civ. Ire, 31. 10. 1989, JCP 1990, II, 21568 m. Anm. Quenaudon. Ebenso unter den Instanzgerichten CA Chambery, 18.01. 1988, D. 1988, 380 m. Anm. Dubois; CA Paris, 15. 11. 1988, JCP 1989, 11, 21251 m. Anm. Larroumet; CA Agen, 07. 12. 1988, Gaz. Pa!. 1989,2,899 m. Anm. Conte.

B. Vertragliche Ansprüche

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Ein Bauherr beauftragte einen Unternehmer mit der Errichtung eines Wohnhauses. Der Unternehmer vergab seinerseits verschiedene Klempnerarbeiten an einen Subunternehmer. Mehr als zehn Jahre nach Abnahme erwiesen sich die erbrachten Klempnerarbeiten als mangelhaft. Der Bauherr verklagte daraufhin Haupt- wie Subunternehmer auf Schadensersatz. Mit dieser Klage unterlag der Bauherr vor dem Berufungsgericht. Das Berufungsgericht gewährte dem Bauherrn ausschließlich einen vertraglichen Direktanspruch gegen den Subunternehmer seines Auftragnehmers und unterwarf diesen Direktanspruch den Grenzen beider Vertragsverhältnisse, wie es die Entscheidung des Kassationshofs vom 8. März 1988 vorgesehen hatte 393 . Dadurch konnte sich der Subunternehmer wie der Hauptunternehmer auf die bereits abgelaufene zehnjährige Verjährungsfrist der "garantie decennale" nach Art. 2270 Cc, die für den Generalunternehmervertrag maßgeblich war, berufen. Hiergegen legte der Bauherr Revision ein mit dem Ziel, die Verurteilung des Subunternehmers, gestützt auf einen deliktischen Anspruch, zu erreichen, der noch nicht verjährt war. Während nämlich die Verjährungsfrist der "garantie decennale" bereits mit Abnahme des Bauwerks beginnt, läuft die ebenfalls zehnjährige Verjährungsfrist des deliktischen Anspruchs erst mit Kenntnis des Schadens. Der Kassationshof hob das Urteil der Berufungsinstanz wegen Verletzung von Art. 1165 Cc auf und verwies an ein anderes Berufungsgericht zurück. Zur Begründung führte er aus, daß Verträge nach Art. 1165 Cc allein zwischen den Vertragsparteien Rechte und Pflichten erzeugen. Mit dieser Entscheidung hat der Kassationshof klargestellt, daß die Theorie der Vertragsgruppen als Rechtsgrund für die Ausdehnung der vertraglichen Haftung zwischen Nichtvertragsparteien ausscheidee 94 . Die Lösung des Kassationshofs läßt sich nämlich nicht auf die entschiedene Fallgruppe, die sous-traitance im Baurecht, begrenzen, sondern sie gilt für sämtliche denkbaren Vertrags gruppen. Wären Besonderheiten des Baurechts ausschlaggebend gewesen, so wäre es nicht erforderlich gewesen, Art. 1165 Cc zu zitieren. Es hätte vielmehr ausgereicht, Art. 2270 Cc zu nennen, nach dem Architekten und Generalunternehmer, nicht aber Subunternehmer vertraglich haften 395 . Dieser Ausschluß der Subunternehmer aus der vertraglichen Konstrukteurshaftung galt unter dem zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Art. 2270 Cc in der Fassung des Gesetzes Nr. 67-3 vom 3. Ja392 Cass. ass. plen., 12.07.1991, BuH. civ., Nr. 5; D. 1991,jur. 549 m. Anm. Ghestin und somm. 321 m. Anm. Aubert; JCP 1991,11,21743 m. Anm. Viney; Contrats, conc., consom. 1991, comm. Nr. 200 m. Anm. Leveneur; Anm. Jourdain, RTD civ. 1991,750; Anm. Mestre, RTD civ. 1992,90; Anm. Zenati, RTD civ. 1992,593. 393 Vg!. oben S. 77 f. 394 Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,22; Larroumet, JCP 1991, I, 3531, Nr. 7; Ghestin, Anm. zu Cass. ass. plen., 12.07.1991, D. 1991,jur. 549, 551; Witz/Wolter, ZEuP 1993,592, 597. 395 Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,22 f.; Viney, JCP 1991, II, 21743, S. 357; Larroumet, JCP 1991, I, 3531 Nr. 6; Mourier, Conclusions, S. 105, 121 f.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

nuar 1967 und ist nach der Reform durch Gesetz Nr. 78-12 vom 4. Januar 1978 in den neuen Art. 1792 ff. und 2270 Cc beibehalten worden 396 . Hinzu kommt eine weitere Unstimmigkeit bei der sous-traitance: Der Subunternehmer kann nach dem Gesetz vom 31. Dezember 1975 direkt Zahlung von dem Bauherrn verlangen, soweit der Bauherr den Subunternehmer akzeptiert hat. Sofern man aber dem Bauherrn einen vertraglichen Direktanspruch gegen den Subunternehmer gewährt, hat dies zwangsläufig zur Folge, daß andererseits auch der Subunternehmer vertraglich Zahlung verlangen kann, ohne daß es auf die vom Gesetz geforderte Tatsache der Zulassung des Subunternehmers noch ankäme 397 . Ausschlaggebend waren vielmehr grundsätzliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Theorie der Vertragsgruppen mit Art. 1165 Cc. Nach der Theorie der Vertragsgruppen sollte allein das Bestehen einer solchen Gruppe vertragliche Beziehungen zwischen Parteien schaffen, die diese weder gewollt noch vorhergesehen haben 398 . Die von den Befürwortern der Theorie der Vertragsgruppen stets vorgebrachte Vorhersehbarkeit der Haftung wird allein vom Standpunkt des Schädigers gesehen 399 , was einer Grundtendenz des Haftungsrechts, dem Schutz des Geschädigten, zuwiderläuft4oo . Zudem versagt die Vorhersehbarkeit der Haftung auch bei noch so weiter Definition der Vertrags gruppe, sobald ein völlig außenstehender Dritter geschädigt wird401 • Nach der Konzeption der Theorie der Vertrags gruppen wird Art. 1165 Cc letztlich nur vordergründig eingehalten, nämlich indem der Begriff der Partei auf bestimmte Dritte ausgedehnt wird402 . Die Erlangung der Partei stellung erfordert im Einklang mit Art. 1134 Cc jedoch auch nach heutiger Vorstellung stets ein subjektives Moment. Objektive Kriterien wie die Zugehörigkeit zu einer Gruppe allein reichen nicht aus403 . Soweit man Dritten, ohne daß diese Partei würden, in eine vertragsähnliche Rechtsbeziehung stellen will, wäre jedenfalls eine Entwicklung präziser Kriterien erforderlich gewesen, um einzelne schutzwürdige Dritte gegenüber der Allgemeinheit abzugrenzen. Da der Rechtsprechung das Konzept der Vertrags gruppe in dieser Hinsicht zu allgemein erschien, hat sie es insgesamt verworfen. Als zusätzlicher Nachteil der Theorie der Vertragsgruppen läßt sich die doppelte Begrenzung der Rechte des Geschädigten anführen: Die vertragliche Haftung wird unpraktikabel, wenn die Verträge im Einzelfall unterschiedlichen Bedingungen unterliegen 404 • 396 Subunternehmer haften aber ausnahmsweise vertraglich, wenn sie Lieferanten von Fertigteilen im Sinne des Art. 1792-4 Cc sind. 397 Mourier; ConcIusions, S. 105, 123. 398 Vg!. Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,23. 399 Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,23. 400 Conte, Anm. zu CA Agen, 07.12. 1988, Gaz. Pa!. 1989,2,899,901. 401 Jamin, D. 1991, chron. 257, 262. 402 Conte, Anm. zu CA Agen, 07. 12. 1988, Gaz. Pa!. 1989,2,899,902. 403 Conte, Anm. zu CA Agen, 07. 12. 1988, Gaz. Pa!. 1989,2,899,902. 404 Ghestin, Anm. zu Cass. ass. plen., 12. 07. 1991, D. 1991, jur. 549, 554; ausführlich Jamin, D. 1991, chron. 257, 262.

B. Vertragliche Ansprüche

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Nicht in Frage gestellt wurden durch die Entscheidung vom 12. Juli 1991 allerdings die bisherigen Entscheidungen, die im Jahre 1979 und 1986 für Ketten von Kaufverträgen und für Ketten von Kauf- und Werkverträgen ergangen waren. Bei diesen Ketten wird, sofern man der Theorie des Zubehörs folgt, der Eigentumserwerb durch den späteren Abnehmer als ausreichende Begründung für eine Durchbrechung von Art. 1165 Ce angesehen 405 . Zwar bestehen gegen die Theorie des Zubehörs in dogmatischer Hinsicht durchaus Bedenken. Doch erscheinen die Lösungen, die nach klassischer Ansicht stets mit der Theorie des Zubehörs erklärt wurden, derart fest verankert, daß von einem gewohnheitsrechtlichen Institut ausgegangen werden kann. Den Bedenken trägt allerdings auch der Kassationshof Rechnung, indem er in einigen Entscheidungen zwar die im Jahre 1986 entwikkelte Lösung vertritt, ohne aber den Rechtsgrund des Zubehörs zu nennen406 • Spätere Entscheidungen nennen demgegenüber als Rechtsgrund der action directe wieder die Übertragung der mit der Sache verbundenen Rechte 407 oder knüpfen sie an den ersten Vertrag zwischen Hersteller und Zwischenhändler408 • Insgesamt dürfte die Begründung der Rechtsprechung einer Beschreibung der action directe als eines aufgrund Rechtsfortbildung geschaffenen Anspruchs des Endabnehmers, der in dem ersten Vertrag wurzelt, nicht entgegenstehen 409 . Die in den folgenden Jahren ergangene Rechtsprechung des Kassationshofs hat den Fortbestand der 1979 und 1986 entwickelten Lösungen bestätigt. 1) Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht in der jüngsten Rechtsprechung

Die seit 1991 ergangenen Entscheidungen unterscheiden zwischen Vertragsketten, die einen Eigentumserwerb des Endabnehmers herbeiführen und solchen, die nicht zum Eigentumserwerb führen. aa) Vertragsketten, die zum Eigentumserwerb führen Soweit durch die hintereinandergeschalteten Verträge dem Endabnehmer das Eigentum an einer Sache verschafft wird, kommt allein die vertragliche Haftung in Betracht. Dabei muß der Eigentumserwerb nicht notwendig ein rechtsgeschäftlicher sein41O , ein originärer Erwerb etwa durch Einbau reicht aus. 405 lArroumet, JCP 1991, I, 3531 Nr. 7; Jourdain, D. 1992, chron. 149, 154; Viney, JCP 1991, II, 21743, S. 355,357; Groutel, Resp. civ. et assur. 1991, chron. Nr. 23. 406 Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, BuH. civ. III, Nr. 251; Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, BuH. civ. III, Nr. 168; Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 44. 407 Cass. corn., 10. 12. 1991, Contrats, conc., consorn. 1992, Nr. 47 rn. Anrn. Leveneur; Cass. civ. 3e, 08. 02. 1995, BuH. civ. III, Nr. 39. 408 Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, Bu!\. civ. III, Nr. 251; Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 45. 409 Vg\. oben S. 67 f.

6 Beaumart

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

In diesem Sinne hat zunächst die erste Zivilkammer des Kassationshofs mehrfach entschieden. Vertragliche Direktansprüche stehen danach dem Bauherrn gegen den Lieferanten von Baumaterial ZU411 . Daß es sich dabei um eine heterogene Kette handelt, steht einem solchen Anspruch nicht entgegen 412 . Vertragliche Direktansprüche bestehen ebenso in rein kaufvertraglichen Ketten; im Wege der action directe kann der Endabnehmer vom ersten Verkäufer Wandlung verlangen 413 . Auch derjenige, der die Sache von einem Käufer geschenkt erhalten hat, kann als Eigentümer die verbundenen Rechte, d. h. die action directe ausüben414 . Anders als im internen Recht erschien der ersten Zivilkammer allerdings im Rahmen der internationalen Zuständigkeit die Einordnung des Anspruchs des Endabnehmers als vertraglich im Sinne des Art. 5 Ziff. I EuGVÜ nicht mehr als selbstverständlich, so daß ein entsprechender Vorlagebeschluß an den Europäischen Gerichtshof erging41 5 • Der Europäische Gerichtshof verneinte einen vertraglichen Anspruch im Sinne des Art. 5 Ziff. I EuGVÜ, da diese Vorschrift nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen keine frei getroffene Vereinbarung zwischen den Parteien bestehe 416 . Diese Entscheidung setzte der Kassationshof für die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ um417 , während die vertragliche Lösung im internen Recht, wie gezeigt, beibehalten wurde. Annahmen der Literatur, die für das EuGVÜ geltende Entscheidung müsse auch das interne Recht beeinflussen418 , wurden daher nicht bestätigt. Den vertragliche Charakter des Direktanspruchs des Bauherrn gegen den Materiallieferanten bestätigte auch die Kammer für Handelssachen 419 und, was im Hinblick auf deren früheren Widerstand gegen den Ausbau des Vertragsrechts bemerkenswerter ist, die dritte Zivilkammer des Kassationshofs 42o . 410 Vg!. Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,21; Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 2, Nr.1820. 411 Cass. civ. Ire, 28. 10. 1991, Contrats, conc., consom. 1992, comm. Nr. 25 m. Anm. Leveneur. 412 Cass. civ. Ire, 23. 06. 1993, Contrats, conc., consom. 1993, comm. Nr. 190 m. Anm. Leveneur. 413 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 45; JCP 1993, I, 3684 Nr. 5 m. Anm. Ghestino 414 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 44. 415 Cass. civ. Ire, 08. 01. 1991, Bull. civ. I, Nr. 7. Anders noch Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,612 m. krit. Anm. Gaudemet-TaUon, wo der Anspruch ohne weiteres als vertraglich im Sinne des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ angesehen wurde. 416 EuGH, 17. 06. 1992, Rs. 26/91, Handte/TMCS, Slg. 1992 I, 3967; JCP 1992, 11, 21927 m. Anm. Larroumet; Rev.crit.dr.int.pr. 1992,726 m. Anm. Gaudemet-TaUon. 417 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 34; Rev.crit.dr. int.pr. 1993,485 m. Anm. Gaudemet-TaUon. 418 Viney, JCP 1991,11,21743, S. 357; Leveneur, Contrats, conc., consom. 1993, chron. 5. 419 Cass. com., 10. 12. 1991, Contrats, conc., consom. 1992, Nr. 47 m. Anm. Leveneur. 420 Cass. civ. 3e, 30.10. 1991, Bull. civ. III, Nr. 251; Contrats, conc., consom. 1992, Nr. 25 m. Anm. Leveneur; Cass. civ. 3e, 14.11. 1991, Bull. civ. III, Nr. 271.

B. Vertragliche Ansprüche

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Dabei zieht die dritte Zivilkammer alle Konsequenzen aus der Einstufung als Vertragsanspruch: Da der Direktanspruch auf den ersten Vertrag zwischen Hersteller und Zwischenhändler bzw. Werkunternehmer gegründet sei, könnten Gerichtsstandsvereinbarungen421 und allgemein sämtliche Verteidigungsmittel aus diesem ersten Vertrag 422 dem Endabnehmer ohne weiteres entgegengehalten werden. Die Abgrenzung zwischen Vertrags- und Deliktsrecht erfordert bisweilen eine nähere Untersuchung der Rechtsposition des jeweiligen Anspruchstellers: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (syndicat de coproprietaires) erwirbt Eigentum und kann als Endabnehmer vertraglich gegen den Bauunternehmer vorgehen423 ; demgegenüber ist eine bloße Betreibergesellschaft, die sich lediglich mit dem Unterhalt des Gebäudes befaßt, nicht automatisch berechtigt, vertraglich vorzugehen424 . In einer anderen Entscheidung wurde auf die unterschiedliche Stellung zweier Unternehmen, die gemeinsam eine Arbeitsgemeinschaft zur Ausrüstung eines Kraftwerks bildeten, abgestellt. Eines dieser Unternehmen hatte über einen Zwischenhändler Wechselstromgeneratoren beim Hersteller bestellt. Nur dieses bestellende Unternehmen wurde als berechtigt angesehen, direkt vertraglich gegen den Hersteller vorzugehen; das andere Unternehmen wurde auf das Deliktsrecht verwiesen 425 . Im Leasingrecht kann der Leasingnehmer erst nach Ausübung seiner Kaufoption direkt vertraglich gegen den Verkäufer der Leasingsache vorgehen426 • Abweichend von den dargestellten Grundsätzen zögert die Rechtsprechung allerdings im Arzneimittelrecht mit der Zuerkennung eines vertraglichen Direktanspruchs, auch wenn es sich um rein kaufvertragliche Ketten handelt, die an sich zum Eigentumserwerb des Endabnehmers führen müßten 427 . Diese Zurückhaltung gegenüber dem Vertragsrecht beruht darauf, daß Art. R 5115-1 C. sante pub!. den Direktverkauf vom Arzneimittelhersteller an den Verbraucher verbietet.

421 Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, Bull. civ. 111, Nr. 251; Contrats, conc., consorn. 1992, comm. Nr. 25 rn. Anrn. Leveneur. 422 Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, Bull. civ. 111, Nr. 175. 423 Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, BuH. civ. III, Nr. 168; Cass. civ. 3e, 08. 02. 1995, Bull. civ. III, Nr. 39. 424 Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, Bull. civ. 111, Nr. 168; Anrn. Jourdain, RTD civ. 1993, 131. 425 Cass. corn., 04. 05. 1993, Bull. civ. IV, Nr. 173; Anrn. Jourdain, RTD civ. 1994, 363367. 426 Cass. corn., 04. 06. 1991, Bull. civ. IV, Nr. 206. Daß hingegen der private Leasingnehrner bei Mängeln der Leasingsache im Wege des Durchgriffs (action directe) ohne besondere Übertragung dieses Rechts auch den Kaufvertrag zwischen Hersteller und Leasinggeber auflösen kann (Cass. civ. Ire, 11. 02. 1986, Bull. civ. I, Nr. 27), ergibt sich nicht aus den hier behandelten haftungsrechtlichen Überlegungen, sondern aus dem Verbraucherschutzrecht, vgl. Ghestinl JaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 797. 427 Für Deliktsrecht: CA Versailles, 25. 06. 1992, Gaz. PaI. 1994, I, somm. 359; CA Paris, 04. 07. 1970, D. 1971, jur. 73; für Vertragsrecht: CA Rouen, 14. 02. 1979, D. 1979, info rap. 350 rn. Anrn. Larroumet; JCP 1980, 11, 19360 rn. Anrn. Boinot.

6*

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

bb) Vertragsketten ohne Eigentumserwerb Soweit eine Vertragskette keinen Eigentumserwerb nach sich zieht, kommen nur deliktische Ansprüche in Betracht. Solche deliktischen Ansprüche sind auch unter Berücksichtigung der Entscheidung der Assemblee pleniere vom 12. Juli 1991 nicht ausgeschlossen; ihnen steht Art. 1165 Cc nicht entgegen 428 . Dem hat sich die erste Zivilkammer des Kassationshofs angepaßt, indem sie nunmehr den Anspruch des Bauherrn gegen den Subunternehmer als deliktisch einstuft429 . Auch der Rückgriff eines Architekten gegen einen Subunternehmer, mit dem er selbst nicht unmittelbar abgeschlossen hat, kann nur Deliktsrecht unterliegen 43o . Die dritte Zivilkammer löst die Haftung zwischen den jeweils äußeren Beteiligten bei Einschaltung eines Untervertrages nach wie vor deliktisch 431 , setzt aber die Formel hinzu, es gäbe nur einen Anspruch wegen "faute prOUVee,,432. Danach dürfte der Auftraggeber sich nicht mehr darauf beschränken, die Nichterfüllung des Subunternehmervertrages anzuführen, wenn sich aus diesem eine obligation de resultat ergibt, sondern er müßte eine faute des Subunternehmers gerade ihm gegenüber nachweisen433 . Im Rahmen der sous-traitance können auch nach der Entscheidung vom 12. Juli 1991 noch Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten. Die Entscheidung verlangt eine genaue Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag. Ein Werkvertrag liegt stets vor, wenn der Besteller das Baumaterial beschafft, ansonsten, wenn der Wert der Arbeitsleistung den des Materials übersteigt434 oder eine Sonderanfertigung nach bestimmten Vorgaben erfolgt435 . Selbst wenn nach diesen Kriterien ein Werkvertrag vorliegt, so kann häufig dennoch ein Eigentumserwerb des Bestellers und Endabnehmers eintreten, etwa wenn der Subunternehmer auch selbst beschaffte Materialien einbaut436 . Sind gerade diese Materialien mangelhaft, müßte nach den Kriterien des Kassationshofs auch insoweit Vertragshaftung eingreifen 437. 428 lamin, D. 1991, chron. 257,258. Viney, JCP 1991,11, 21743, S. 357. Für den Ausschluß auch des Deliktsrechts aber Cons. d'Etat, 06. 03. 1987, D. 1987, somm. 432, 2. Entsch. m. Anm. Terneyre. 429 Cass. civ. Ire, 23. 06.1992, Bull. civ. I, Nr. 195; Contrats, conc., consom. 1992, comm. Nr. 200 m. Anm. Leveneur; Anm. lourdain, RTD civ. 1993, 131; Cass. civ. Ire; 07. 07. 1992, Bull. civ. I, Nr. 221; Anm. lourdain, RTD civ. 1993, 131. 430 Cass. civ. Ire, 16.02. 1994, Bull. civ. I, Nr. 71; Anm. lamin, JCP 1994, I, 3781, Nr. 11; Anm. Delebecque, D. 1994, somm. comm. Nr. 5. 431 Vgl. bereits Cass. civ. 3e, 13. 12. 1989 und 25. 03. 1987, D. 1991, jur. 25 m. Anm. Kullmann. 432 Cass. civ. 3e, 18. 11. 1992, Bull. civ. 111, Nr. 299; Anm. Viney, JCP 1993, I, 3664 Nr. 1. 433 Dazu unten S. 105 f. 434 Mazeaud/ de luglart, Bd. 111 / 2, Nr. 1336. 435 Cass. com., 20. 06.1989 und 04.07.1989, D. 1990,jur. 246 m. Anm. Virassamy. 436 Vgl. Karila, Gaz. Pa!. 1992, 1, doctr. 18,23. 437 lourdain, 1992, chron. 149, 152; Kullmann, Anm. zu Cass. civ. 3e, 13. 12. 1989 und 28.03.1990, D. 1991,jur. 25, 31 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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V. Inhalt der action directe in einzelnen Vertragsarten 1. Kaufrecht

Die action directe ist als Schöpfung der Rechtsprechung zunächst in rein kaufvertraglichen Ketten anerkannt. Nach ihrer Entstehungsgeschichte kann der Endabnehmer stets die Sach- und Rechtsmängelhaftung 438 geltend machen. Im Rahmen der Sachmängelhaftung hat die Rechtsprechung allerdings lange Zeit mit der Zuerkennung eines Wandlungsrechts gezögert. Die Wandlung wurde dem Endabnehmer, nachdem sie in einer Entscheidung aus dem Jahre 1963 ausdrücklich zugelassen worden war439 , im Jahre 1973 verweigert44o . Die Ablehnung der Wandlung wurde dabei auf den Grundsatz der Relativität der Verträge gestützt, eine Begründung, die im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung jeden vertraglichen Anspruch, also auch Schadensersatzansprüche, hätte ausschließen müssen. Erst in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1982 ließ der Kassationshof nunmehr auch die Wandlung des Endabnehmers ZU 44l . Zweifelhaft blieb aber zunächst noch die Frage, in welchen Vertragsverhältnissen bei mehrgliedrigen Vertragsketten rückabzuwickeln ist442 • Aufklärung hat hier eine Entscheidung des Kassationshofs vom 27. Januar 1993 gebracht443 : Danach übt der Endabnehmer, der gegenüber einem Vormann seines Vertragspartners die Wandlung erklärt, lediglich die Rechte dieses Vertragspartners aus, kann also nicht mehr verlangen, als dieser gezahlt hatte. Soweit der Endabnehmer seinem Vertragspartner einen höheren Preis gezahlt hatte, kann er die Differenz von dem Vormann unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangen444 . Diese Lösung überzeugt allerdings nur, wenn der Weiterverkaufspreis im Rahmen der Absatzkette steigt; im umgekehrten Fall erscheint die Lösung kaum sachgerecht445 . Über die Gewährleistungshaftung hinausgehend gewährt der Kassationshof die Nichterfüllungsregeln, nämlich wegen Lieferung einer nicht vertragsgemäßen Sache446 . Schließlich wird dem Endabnehmer gleichfalls ein Anspruch nach den ReCass. civ. 3e, 28. 03. 1990, Bull. civ. III, Nr. 93. Cass. civ. Ire, 04. 02. 1963, JCP 1963,11,13159 rn. Anrn. Savatier. 440 Cass. corn., 27. 02. 1973, JCP 1973,11, 17445 rn. Anrn. Savatier; D. 1974, jur. 138 rn. Anrn. Malinvaud; Anrn. Comu, RTD civ. 1973,582. 441 Cass. corn., 17.05. 1982, Bull. civ. IV, Nr. 182; D. 1983, info rap. 479 rn. Anrn. Larroumet. Widersprüchlich CA Paris, 15. 11. 1988, JCP 1989,11,21251 rn. Anrn. Larroumet, wo die Vertragsautbebung nach allg. Nichterfüllungsregeln verweigert, die Wandlung aber gewährt wird. 442 Vgl. Malinvaud, Anrn. zu Cass. corn., 27. 02. 1973, D. 1974, jur. 138, 139; Anrn. Durry, RTD civ. 1973, 582, 583 f. 443 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 45. 444 Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr.794. 445 horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 208. 446 Cass. civ. Ire, 09. 03. 83, Bull. civ. I, Nr. 92; JCP 1984,11, 20295 mit Anrn. Courbe; Anrn. Remy, RTD civ. 1983,753. 438

439

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

geln der Nichterfüllung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht des Verkäufers (obligation de renseignements) zugestanden 447 • Einen vorläufigen Abschluß nahm diese Entwicklung mit den beiden Entscheidungen der Assemblee pleniere des Kassationshofs vom 7. Februar 1986, nach denen dem Endabnehmer sämtliche Ansprüche zustehen, die mit der Sache, welche seinem Rechtsvorgänger gehörte, verbunden sind448 • Im Zusammenhang mit dieser Erweiterung der Rechte des Endabnehmers hat die Rechtsprechung zeitweise die non-conformite auf Kosten des Fehlerbegriffs ausgedehnt449 • Dieser Entwicklung lagen überwiegend nicht Überlegungen aus der Systematik des Kaufrechts zugrunde, sondern praktische Erwägungen hinsichtlich der durch den Endabnehmer zu beachtenden Frist; hätte der Endabnehmer die kurze Frist des Art. 1648 Cc zu beachten, die sich zudem nach dem ersten Vertrag bestimmt, wäre die Attraktivität der action directe beträchtlich gemindert. Seit die Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen non-conformite und Sachmangel wieder strenger trifft450, scheidet die Umqualifizierung eines Sachmangels in eine Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware aus. Soweit eine Sache jedoch Sicherheitsmängel aufweist, können dem Käufer Ansprüche wegen Verletzung einer obligation de securite zustehen; diese ziehen die allgemeine Nichterfüllungshaftung nach sich, für die nach Art. 2262 Cc die Verjährungsfrist von 30 Jahren bzw. im Falle eines Handelskaufs von 10 Jahren nach Art. 189 bis C. com. gilt451 . Die zur obligation de securite ergangenen Entscheidungen betreffen überwiegend das unmittelbare Verhältnis von Käufer und Verkäufer. Eine Entscheidung des Kassationshofs vom 27. Januar 1993 hat jedoch auch dem Endabnehmer einen vertraglichen Direktanspruch wegen Verletzung der obligation de securite gewährt452 : Der Teilnehmer an einer Jagd, der durch die Explosion einer Patrone im Lauf seines Gewehrs verletzt wurde, kann wegen dieses Sicherheitsmangels direkt vertraglich gegen den Jagdausrüster vorgehen; in die Vertragskette eingebunden ist er dadurch, daß er die Patrone von seinem Bruder geschenkt erhielt, der sie seinerseits bei dem Ausrüster erwarb. Mit der Schaffung dieser obligation de securite, die innerhalb der gesamten Absatzkette geschuldet wird, hat sich die Rechtsprechung sehr weitgehend den Vorgaben der Produkthaftungsrichtlinie angepaßt453 . Diese Haftung wegen Verletzung einer vertraglichen obligation de securite gegenüber jedem spä447 Cass. civ. Ire, 31. 01. 1973, JCP 1975, I, 2679, annexe. Dazu Anm. Thanh-Bourgeais und Revel, JCP 1975, I, 2679. Eine spätere Entscheidung hat diesen Haftungsgrund allerdings an die Sachmängelgewährleistung geknüpft, vgl. Cass. com., 03.01. 1977, Gaz. Pa!. 1977,2, 461. 448 Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, Bull. civ., Nr. 2; JCP 1986, II, 20616 m. Anm. Malinvaud; D. 1986,jur. 293 m. Anm. Benabent. 449 Vg!. oben S. 32 ff. 450 Vgl. oben S. 34 f. 451 Vg!. oben S. 39 ff. 452 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 44; Anm. Jourdain, RTD civ. 1993,592. 453 Jourdain, RTD civ. 1993,592,593 f.; vgl. bereits oben S. 43 f.

B. Vertragliche Ansprüche

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teren Abnehmer hat eine Entscheidung des Kassationshofs vom 15. Oktober 1996 bestätigt454 . Obwohl keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen vorlagen, wurde der durch den Bruch einer Motorradbrille Verletzte - weil in die Absatzkette eingebunden - als berechtigt angesehen, sich auf die vertragliche obligation de securite zu stützen.

2. Werkvertragsrecht Einzig im Werkvertragsrecht hat die action directe en responsabilite teilweise eine gesetzliche Regelung erfabren. Der Bauherr kann stets direkt vertraglich gegen den Materiallieferanten vorgehen: Hinsichtlich des Herstellers von bestimmten Baufertigteilen ergibt sich dies aus Art. 1792-4 Cc; nach der Rechtsprechung kann aber auch jeder sonstige Hersteller von Baumaterial direkt vertraglich in Anspruch genommen werden455 . Im zweiten Fall gelten dieselben Grundsätze wie bei der action directe in kaufvertraglichen Ketten 456 . Der Verkäufer eines zu errichtenden Gebäudes haftet nach Art. 1646-1 Cc gegenüber jedem späteren Erwerber. Auch die spezielle Bauwerkshaftung der Bauunternehmer und Architekten nach den Art. 1792 ff. Cc kann neben dem Bauherrn jeder Erwerber des Gebäudes geltend machen457 . Außerhalb dieser speziellen baurechtlichen Garantien zögerte die dritte Zivilkammer allerdings mit der Gewährung eines Direktanspruchs: Mit Blick auf Art. 1165 Cc verweigerte die dritte Kammer den späteren Erwerbern eines Gebäudes den vertraglichen Direktanspruch aufgrund der allgemeinen Regeln, d. h. außerhalb der speziellen Garantien der Art. 1792 ff. CC 458 . Diese Rechtsprechung, die dem Erwerber des Gebäudes gegen die vom Bauherrn beauftragten Unternehmer nur einen deliktischen Anspruch gab, war angesichts des Vorliegens einer eigentumsverschaffenden Vertragskette kaum zu erklären459 . Dennoch rückte die dritte Zivilkammer erst im Jahre 1992 von dieser Position ab und gewährte auch den vertraglichen Direktanspruch nach "droit commun,,460. 454 Cass. Civ. Ire, 15. 10. 1996, BuH. Civ. I, Nr. 354; Anm. Viney, JCP 1997,4025, Nr. 13; Anm. Jourdain, D. 1997, somm. 286, 288. 455 Seit Cass. ass. plen., 07. 02. 1986, BuH. civ., Nr. 2; erstmals bereits Cass. civ. Ire, 29.05.1984, BuH. civ. I, Nr. 175. 456 V gl. Ghestinl Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 796. 457 Vgl. Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 801. 458 Cass. civ. 3e, 07. 05. 1986, D. 1987, jur. 257 m. Anm. Benabent; Anm. Remy, RTD civ. 1987,361; Cass. civ. 3e, 31. 05.1989, BuH. civ. 111, Nr. 121; Cass. civ. 3e, 25.10.1989, Resp. civ. et assur. 1989, comm. Nr. 401; Anm. Jourdain, RTD civ. 1990,287. 459 Benabent, Anm. zu Cass. civ. 3e, 07. 05. 1987, D. 1987, jur. 257, 258. 460 Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, BuH. civ. 111, Nr. 168; Anm. Jourdain, RTD civ. 1993, 131.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

VI. Praktische Umsetzung der action directe Wahrend weitgehend geklärt ist, in welchen Vertragsverhältnissen eine action directe in Betracht kommt, enthält ihre Ausgestaltung im einzelnen noch gewisse Schwierigkeiten. Diese beruhen unter anderem darauf, daß sie in mancher Hinsicht ein eigenes Recht, in anderer lediglich ein abgeleitetes Recht darstellt 461 •

1. Entbehrlichkeit eines Vorgehens gegen den Zwischenschuldner Die Ausübung der action directe ist von einem Vorgehen gegen den unmittelbaren Schuldner unabhängig. Der Inhaber der action directe kann vielmehr nach seiner Wahl gegen seinen unmittelbaren Vertragspartner vorgehen, sich an ein beliebiges früheres Glied der Absatzkette halten oder auch mehrere oder alle Vonnänner in Anspruch nehmen, um deren gesamtschuldnerische Haftung (in solidum) zu erreichen 462 . Diese obligation in solidum hat die Rechtsprechung neben dem gesetzlich geregelten Typus der Gesamtschuld entwickelt, da die echte Gesamtschuld im französischen Recht eine gesetzliche Anordnung oder eine vertragliche Vereinbarung voraussetzt (Art. 1202 CC)463. Das Bestehen einer obligation in solidum setzt demgegenüber lediglich voraus, daß ein Schaden auf mehreren Ursachen beruht; soweit die jeweils Verantwortlichen aus verschiedene Rechtsgründen haften, ist dies unerheblich 464 • In ihren Auswirkungen kommt die obligation in solidum der echten gesamtschuldnerischen Haftung gleich: Jeder Schuldner haftet auf das Ganze und kann befreiend an den Gläubiger leisten 465 • Zudem hat die Rechtsprechung klargestellt, daß ein Verzicht, gegen den unmittelbaren Schuldner vorzugehen, nicht automatisch auch einen Verzicht auf die action directe gegen die Vonnänner beinhaltet466 . Im Rahmen einer außergerichtlichen Geltendmachung der action directe ist keine Leistungsaufforderung (mise en demeure) an den Zwischenschuldner erforderlich, da ja ausschließlich die Verantwortlichkeit des Vonnannes festgestellt werden s01l467 . Entsprechend muß der Zwischenschuldner bei der gerichtlichen Geltendmachung der action directe auch nicht in das Verfahren mit einbezogen werhorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 136. Vgl. horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 159. Als Beispiel für die gesamtschuldnerische Haftung: Cass. com., 10. 12. 1991, Contrats, conc., consom. 1992, comm. Nr. 47 m. Anm. Leveneur. 463 Terre!Simler/Lequette, Obligations, Nr. 1164 f. m.w.N. Diese engen Voraussetzungen der echten Gesamtschuld werden bei der Haftung mehrerer Glieder einer Absatzkette nicht erfüllt. 464 Jourdain in: J.-Cl. civil, Art. 1382-1386 Ce, Fase. 161, Nr. 21-23. 465 Jourdain in: J.-Cl. civil, Art. 1382-1386 Ce, Fase. 161, Nr. 21-23. 466 Cass. civ. 3e, 17. 12. 1986, D. 1987, info rap. 12. 467 Vgl. horche in: Rep. de droit ci vii, action directe, Nr. 170. 461

462

B. Vertragliche Anspruche

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den468 . Geht der Zwischenschuldner in Konkurs, hindert die unterlassene Forderungsanmeldung nicht das Vorgehen gegen dessen Vormann; so kann der Bauherr trotz versäumter Anmeldung seiner Forderung gegenüber dem in Konkurs gegangenen Bauunternehmer noch gegen den Materiallieferanten vorgehen469 . Die action directe ist damit im beschriebenen Umfang von der Vertragsbeziehung zum unmittelbaren Schuldner losgelöst und stellt insoweit ein eigenes Recht dar. Dies spiegelt sich auch in der Rechtsprechung wieder, die, seitdem sie die Erklärung der action directe durch den Begriff der Vertrags gruppen zugunsten der Übertragung der Rechte verworfen hat, die doppelte Begrenzung der Rechte des Endabnehmers durch beide geschlossenen Verträge nicht mehr erwähnt470 . Eine Bindung der action directe läßt sich demgegenüber an den ersten Vertrag zwischen unmittelbarem Schuldner und in Anspruch genommenem Drittschuldner feststellen. Den Bestimmungen dieses Vertrages unterwirft die Rechtsprechung den Gläubiger der action directe in bezug auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts sowie hinsichtlich der Verteidigungsmittel, die der Dritte geltend machen kann. In einem Punkt hat die Rechtsprechung die action directe allerdings vom ersten Vertrag gelöst: Die Kenntnis des Zwischenhändlers vom Mangel nimmt dem Endabnehmer nicht die Gewährleistungsrechte gegenüber dem Erstverkäufer47I.

2. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts Über die actions directes entscheiden die Zivilgerichte. Handelt es sich bei den beteiligten Parteien um Kaufleute, so sind die Handelsgerichte zuständig472 . a) Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit richtet sich bei Fehlen einer Zuständigkeitsvereinbarung gemäß Art. 42 NCPC nach dem Beklagtenwohnsitz. Daneben kann für den Gläubiger der action directe ein Gerichtsstand aus Art. 46 NCPC in Betracht kommen. In der Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 17. Juni 1992473 , die der action directe die Einordnung als vertraglichen Anspruch im Sinne des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ verweigert hat, ist die Frage aufgeworfen worden, ob Cass. civ. 3e, 07. 06. 1989, Bull. civ. III, Nr. 133. Cass. corn., 26.11. 1990, Bull. civ. IV, Nr. 298. 470 Vgl. Izorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 143. 471 Cass. corn., 24. 11. 1987, Bull. civ. IV, Nr. 250. 472 Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 829; Izorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 182-185. 473 EuGH, 17.06. 1992, Rs. 26/91, Handte/TMCS, Sig. 1992 1,3967. 468 469

90

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

diese Lösung auf die Bestimmung der internen Zuständigkeit zu übertragen sei474 . Durch eine solche Übertragung würde das interne und autonome Zuständigkeitsrecht an das staatsvertragliche angepaßt. Damit stünde neben dem Beklagtenwohnsitz der deliktische Gerichtsstand des Handlungs- und Erfolgsorts zur Verfügung. Hält man dagegen am Charakter der action directe als vertraglichem Anspruch auch in prozessualer Hinsicht fest, so steht neben dem Beklagtenwohnsitz der vertragliche Gerichtsstand der effektiven Lieferung zur Verfügung 47S . Das Bestreben, denselben Sachverhalt im Prozeß- und im materiellen Recht zumindest im internen Recht einheitlich zu beurteilen, dürfte hier zu einem Festhalten an der vertraglichen Lösung führen 476 . b) Übertragung von Zuständigkeitsvereinbarungen auf den Endabnehmer Haben die Parteien des ersten Vertrages eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit getroffen, was nach Art. 48 NCPC ihre Kaufmannseigenschaft sowie eine deutliche Gestaltung der Klausel voraussetzt, so fragt sich, ob diese Gerichtsstandsvereinbarung auch dem Endabnehmer, der die action directe ausübt, entgegengehalten werden kann. Für diese Übertragbarkeit der Gerichtsstandsvereinbarung hat sich die dritte Zivilkammer des Kassationshofs ausgesprochen477 . Da der Direktanspruch des Bauherrn gegen den Materiallieferanten auf dem Kaufvertrag zwischen Lieferanten und Bauunternehmer beruhe, müsse der Bauherr auch die in diesem Vertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung beachten. Diese Entscheidung steht allerdings im Widerspruch zur jüngeren Rechtsprechung der Kammer für Handelssachen des Kassationshofs in einem benachbarten Gebiet, nach der sich der Empfänger einer Ware eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen Versender und Transporteur nicht entgegenhalten lassen muß478 . Der vertragliche Direktanspruch des Empfängers sei zwar auf den Transportvertrag gestützt. Gleichwohl müsse sich der Empfanger mangels Kenntnisnahme und Zustimmung nicht an die im Transportvertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung halten 479 . 474 Dafür: de Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,709; dagegen: Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr. 830. 475 Art. 46 NCPC stellt nicht auf den rechtlichen Erfüllungsort, sondern auf den effektiven Lieferort ab. Daher besteht in der französischen Rechtsprechung eine Tendenz, den Lieferort ohne weiteres am Sitz des Endabnehmers festzumachen, vgl. Gaudemet-Tallon, Anm. zu Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,612 ff. 476 Vgl. Ghestinl JaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 830. 477 Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, Bull. civ. III, Nr. 251; Anm. Jamin, JCP 1992, I, 3570. 478 Vgl. Cass. com., 10.01. 1989, Bull. civ. IV, Nr. 20; Cass. com., 09.07. 1991, Bull. civ. IV, Nr. 256; Cass. com. 26. 05. 1992, Bull. civ. IV, Nr. 210; Anm. Viney, JCP 1992, I, 3625, S. 503; Anm. Jourdain, RTD civ. 1993, 133; Cass. com., 18. 10. 1994, Bull. civ. IV, Nr. 308. 479 Auf die Kenntnis des Inhabers der action directe will auch Aubert, Anm. zu Cass. civ. Ire, 21. 06. 1988, D. 1989, somm. 232 abstellen.

B. Vertragliche Ansprüche

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Dieser Widerspruch zwischen der Rechtsprechung der dritten Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen läßt sich nicht auf Besonderheiten der entschiedenen Fallgruppen zurückführen480 . Sowohl bei der action directe des Endabnehmers wie bei dem Anspruch des Empfängers einer Ware gegen den Versender handelt es sich um einen auf den ersten Vertrag gestützten Direktanspruch, lediglich die Begründung dieses Direktanspruchs ist unterschiedlich. Diese Bindung an den ersten Vertrag erkannte die bislang herrschende Meinung auch beim Vertrag zugunsten Dritter im Transportrecht an: Aus dem Charakter als abgeleitetes Recht folgt an sich, daß der Versender dem Empfänger die Einreden aus dem Verhältnis zum Transporteur entgegenhalten kann481. Stützt man die action directe auf den ersten Vertrag und gesteht dem Endabnehmer ein letztlich darauf beruhendes Recht zu, so erscheint es nur konsequent, mit der dritten Zivilkammer auch die Beachtung sämtlicher Bestimmungen dieses Vertrages zu fordern. Aus dieser Sicht dürfte es für die Übertragung der Gerichtsstandsvereinbarung ausreichen, daß der Rechtsvorgänger sie akzeptiert hatte482 . Soweit Viney dem entgegenhält, die Zustimmung des Dritten zur Klausel sei auch bei der action directe zu fordern, um die Benachteiligung des Dritten durch Ausschluß der deliktischen Haftung infolge des noncumul zu vermeiden 483 , zielt dieser Einwand in Richtung eines unzulässigen484 Vertrags zu Lasten Dritter. Beim Abschluß einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen Vormännern in einer Absatzkette handelt es sich jedoch nicht um einen solchen Vertrag zu Lasten Dritter: Zum einen sind die Gläubiger der action directe nicht echte Dritte, zum anderen erfolgt ihre Einbeziehung gar nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft richterlicher Rechtsfortbildung; zudem profitieren sie von spezifisch vertraglichen, an sich nur dem unmittelbaren Vertragspartner geschuldeten Pflichten485. Während die dritte Zivilkammer sämtliche Folgerungen aus der Begründung der action directe als auf dem ersten Vertrag beruhendes Recht zieht, entschied die erste Zivilkammer des Kassationshofs, daß eine zwischen den Vormännern vereinbarte Schiedsklausel mangels vertraglicher Übertragung nicht auf den Endabnehmer übergehe486 . Da die Rechtsprechung die action directe unabhängig von der dogmatischen Begründung weiterhin maßgeblich auf den ersten Vertrag stützt487 , hätte es näher geViney, JCP 1995, I, 3853, Nr. l. Vgl. StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1317, 1338-1342. Im Transportrecht bestehen allerdings weitgehende Verbote von Haftungsausschlüssen, vgl. Mazeaudl Chabas, Obligations, Bd. II/l, Nr. 637. 482 Ghestinl JaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 831; Jourdain, RTD civ. 1992, 131, 133. 483 Viney, JCP 1995,1, 3853, Nr. 2. 484 Vgl. StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 2, Nr. 1300 m.w.N. 485 Vgl. Dammann, Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung, S. 221. 486 Cass. civ. Ire, 06. 1l. 1990, Bull. civ. I, Nr. 230. 487 Vgl. Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 45. 480

481

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

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legen, von einer Übertragbarkeit auch der Schiedsklausel auszugehen488 . In der Literatur ist zur Begründung der Entscheidung die Besonderheit der Schiedsklausel angeführt worden, die als vom zugrundeliegenden Vertragsverhältnis losgelöst angesehen wird489 . Doch rechtfertigt dies kaum die unterschiedliche Behandlung gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung, die als auch prozessuale Vereinbarung ebenfalls vom materiellrechtlichen Anspruch losgelöst ist49o. Möglicherweise beruht die Entscheidung der ersten Zivilkammer auch auf ergebnisorientierten Erwägungen: Durch die Verweigerung der Übertragbarkeit konnte der Endabnehmer seine Ansprüche in einem Gerichtsstand geltend machen, während er bei Übertragbarkeit der Schiedsklausel seine Ansprüche vor mehreren, zum Teil im Ausland gelegenen, Schiedsgerichten hätte verfolgen müssen491 . Eine spätere Entscheidung der ersten Zivilkammer legt nahe, daß es sich bei der Verweigerung der Übertragung der Schiedsklausel um eine Einzelfallentscheidung handelte, an der nicht mehr festgehalten werden soll. Nunmehr kann der Hersteller dem Inhaber der action directe "sämtliche Verteidigungsmittel, die er gegenüber seinem eigenen Vertragspartner erheben konnte, entgegenhalten,,492. Dieselbe Formulierung hatte bereits zuvor die dritte Zivilkammer verwendet493 , so daß die Übertragung sämtlicher Klauseln des ersten Vertrages als gesichert erscheint. Für eine Differenzierung zwischen mehr oder weniger eng mit dem Direktanspruch verknüpften Klauseln494 bleibt damit kein Raum. Im Hinblick auf die Übertragung von Zuständigkeits vereinbarungen und sonstigen Klauseln stellt sich die action directe somit als aus dem ersten Vertrag abgeleitetes Recht dar. 3. Rechts/olgen der action directe

a) Umfang der Haftung Aus den bereits bei der Behandlung der Zuständigkeit zitierten Entscheidungen läßt sich die Tendenz ablesen, die action directe den Bestimmungen des ersten VerVgl. Delebecque, Rev. arb. 1991, 19,28. GhestinlJaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 832; Delebecque, Rev. arb. 1991, 19, 29 f. jeweils m.w.N. 490 Delebecque, Rev. arb. 1991, 19, 29 f.; Ghestinl Jaminl Billiau, Effets du contrat, Nr.832. 491 Vgl. GhestinlJaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 832. 492 Cass. civ. Ire, 07. 06. 1995, BuH. civ. I, Nr. 249, in casu ging es um die Übertragung einer Haftungsbeschränkungsklausel. 493 So für die Frage des Übergangs einer Haftungsbeschränkungsklausel Cass. civ. 3e, 26.05. 1992, BuH. civ. III, Nr. 175. Zu den Verteidigungsmitteln, die entgegengehalten werden können, zählt auch die Verjährung; vgl. Cass. civ. 3e, 09. 01. 1991, BuH. civ. III, Nr. 10; Cass. civ. 3e, 12.06. 1991, BuH. civ. III, Nr. 166. 494 V gl. horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 194. 488

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B. Vertragliche Ansprüche

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trages zu unterwerfen. Der Vertrag zwischen dem Inhaber der action directe und dessen unmittelbarem Vertragspartner bleibt dagegen ohne Auswirkung auf den Umfang der dem Endabnehmer zustehenden Rechte 495 . Die Entscheidung des Kassationshofs vom 26. November 1990496 , nach der die unterlassene Forderungsanmeldung im Konkurs des Zwischenschuldners die action directe nicht ausschließt, hat insoweit klargestellt, daß die noch 1988 geforderte doppelte Begrenzung der Rechte des Endabnehmers durch den Vertrag zwischen Erstverkäufer und Zwischenhändler sowie durch den eigenen Vertrag des Endabnehmers aufgegeben ist497 . Diese Anknüpfung an den ersten Vertrag zeigt sich auch bei der Behandlung der Wandlung innerhalb einer kaufvertraglichen Kette. Der Endabnehmer, der gegenüber dem Erstverkäufer die Wandlung erklärt, macht Ansprüche seines Rechtsvorgängers geltend und kann daher von dem Erstverkäufer gegen Rückgabe der Sache nur den Erstverkaufspreis zurückverlangen; die Differenz zu einem von ihm gezahlten höheren Einzelhandelspreis kann er allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes beanspruchen498. b) Übertragung von Haftungsbeschränkungen auf den Endabnehmer Da erste und dritte Zivilkammer des Kassationshofs bei der Bestimmung der Rechte des Endabnehmers maßgeblich auf den ersten Vertrag abstellen, können dem Endabnehmer auch etwaige Haftungsbeschränkungen des ersten Vertrages entgegengehalten werden499 . Diese Rechtsprechung zur action directe ist als Ausnahme von dem allgemeinen Prinzip anzusehen, nach der Haftungsbeschränkungen zweier Vertragspartner gegenüber Dritten keine Wirkung entfalten50o . Die Ausnahme ergibt sich daraus, daß bei der action directe der Dritte in die Wirkungen des ersten Vertrages eingebunden wird 501 . Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf den auch im französischen Recht verbotenen 502 Vertrag zu Lasten Dritter: Die Gläubiger der action directe sind keine echten Dritten; sie werden nicht rechtsgeschäftlich, sondern letztlich kraft richterlicher Rechtsfortbildung in die Vertragswirkungen einbezogen. Entscheidend ist schließlich, daß sie (auch) von spezifisch vertraglichen, an sich nur dem unmittelbaren Vertragspartner geschuldeten Pflichten profitiern503 . Wo aber mittels der action directe ihr IntegritätsIzorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 206. Cass. corn., 26. 11. 1990, Bull. civ. IV, Nr. 298. 497 Vgl. Jourdain, RTD civ. 1992, 131, 134. 498 Cass. civ. lre, 27. 01. 1993, Bull. civ. I, Nr. 45; vgl. dazu oben S. 85. 499 Cass. civ. Ire, 07. 06. 1995, Bull. civ. III, Nr. 249; Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, Bull. civ. III, Nr. 175. 500 Vgl. Delebecque in: J.-Cl. civiJ, Art. 1146-1155 Ce, Fase. 21, Nr. 59-62. 501 Vgl. Viney, Responsabilite: effets, Nr. 224; Jourdain, JCP 1988, II, 21070. 502 Vgl. Starck/Roland/Boyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1300 rn.w.N. 495

496

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

interesse geschützt wird, dürfte eine Beschränkung der dann betroffenen obligation de securite ohnehin unzulässig sein504 . Eine Drittwirkung von Haftungsbeschränkungen ist nach bislang herrschender Meinung auch gegenüber dem Begünstigten beim Vertrag zugunsten Dritter anerkannt. Allerdings kann der Drittgeschädigte anders als bei der action directe auf seinen vertraglichen Anspruch verzichten und unbeeinflußt von einer etwaigen Freizeichnung nach Deliktsrecht Ersatz verlangen505 . Abweichend entscheidet neuerdings die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs: Der Empfänger einer beschädigten Ware kann vertraglich gegen den Versender vorgehen. Der Vertrag zwischen Versender und Spediteur gewährt dem Empfänger als Vertrag zugunsten Dritter einen vertraglichen Anspruch; diesen kann der Empfänger erheben, ohne sich eine zwischen Versender und Spediteur vereinbarte Haftungsbeschränkung entgegenhalten lassen zu müssen, da er von dieser Klausel keine Kenntnis hatte und sie daher nicht akzeptieren konnte506 • Hier wird nicht nur Erkennbarkeit, sondern sogar die Zustimmung des Begünstigten zu der Freizeichnungsklausel verlangt, was aus der Konstruktion des Direktanspruchs durch einen Vertrag zugunsten Dritter nicht zu rechtfertigen ist: Beim Vertrag zugunsten Dritter können dem Begünstigten grundsätzlich alle Einwendungen aus dem Dekkungsverhältnis entgegengehalten werden. Auf die action directe ist diese Rechtsprechung allerdings bisher nicht übertragen worden, so daß es insoweit beim Grundsatz der Drittwirkung der Haftungsbeschränkung gegenüber dem Endabnehmer verbleibt. Fraglich ist lediglich, ob dieser Grundsatz Einschränkungen erfahren sollte. Die Weitergabe von Haftungsbeschränkungen die Absatzkette hinab kann nämlich zu Widersprochen mit Vorschriften des Konsumentenschutzes führen, wenn es sich bei dem Endabnehmer um einen privaten Verbraucher handelt: Nach Art. L. 132-1 C. consom. 507 i.V.m. Art. 2 des Dekrets Nr. 78-464 vom 24. März 1978 sind Klauseln unzulässig, die das Recht des Verbrauchers auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Vertragspflicht aufheben oder einschränken. Diese Regelung betrifft nach ihrem unmittelbaren Wortlaut lediglich zwischen gewerblichen Verkäufern und Verbrauchern geschlossene Verträge. Nicht abschließend geklärt ist dagegen, ob die Vorschrift darüber hinaus auch die Weitergabe einer zwischen zwei Vormännern geschlossenen Haftungsbeschränkung an den Verbraucher untersagt. Eine solche Haftungsbeschränkung können gewerbliche Händler bekanntlich wirksam vereinbaren, wenn sie in der gleichen Branche (de meme specialite) tätig sind. Zudem Vgl. Dammann, Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung, S. 221. Mazeaud, Anm. zu Cass. civ. Ire, 07. 06. 1995, D. 1996, jur. 396, 398. 505 Dies wird insbesondere beim Personen transport bedeutsam, bei dem Angehörige nach ihrer Wahl auf den vertraglichen Anspruch verzichten können, vgl. Starck/ Roland/ Boyer, Obligations, Bd. 2, Nr. 1317-1319. 506 Cass. com., 26. 05.1992, BuH. civ. IV, Nr. 211. 507 Früher Art. 35 des Gesetzes Nr. 78-23 vom 10.01. 1978. 503

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B. Vertragliche Ansprüche

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darf dieser Ausschluß nicht einen Haftungsbereich betreffen, der wie etwa die obligation de securite überhaupt einer Begrenzung versperrt ist. In der Literatur wird wegen des Verstoßes gegen die zwingenden Konsumentenschutzvorschriften zum Teil vertreten, eine Weitergabe der Haftungsbeschränkung die Kette hinab komme nicht in Betracht508 . Nach anderer Auffassung soll die Weitergabe der Haftungsbeschränkung eine notwendige Folge der Konstruktion der action directe als auf den ersten Kaufvertrag gestütztes Recht sein509 . Die Rechtsprechung hat in zwei jüngeren Entscheidungen eine Drittwirkung der Haftungsbeschränkung befürwortet51O • Wahrend in der Entscheidung aus dem Jahre 1992 auf den Verbraucherstatus nicht näher eingegangen wird, obwohl es sich nach dem Sachverhalt um einen solchen gehandelt haben dürfte, wird der Abnehmer in der Entscheidung aus dem Jahre 1995 als "non-specialiste en la matiere" bezeichnet. Wenn letzterer auch nicht unmittelbar unter den Verbraucherbegriff von Art. L 132-1 C. consom. und Art. 2 des Dekrets Nr. 78-464 vom 24. März 1978 fällt, so ist doch offensichtlich, daß nach ständiger Rechtsprechung eine Haftungsbeschränkung im unmittelbaren Verhältnis zu einem solchen Nicht-Spezialisten ohne weiteres unwirksam wäre. Der Kassationshof hat sich damit eindeutig für die Drittwirkung von Haftungsbeschränkungen entschieden. Gründe, warum er bei Eingreifen einer ausdrücklichen Konsumentenschutzvorschrift anders entscheiden sollte, sind nicht ersichtlich. Die von der Rechtsprechung vertretene Drittwirkung kann zur Umgehung zwingender Schutzvorschriften durch Einschaltung eines Vertrages führen. Dem Sinn der Schutzvorschriften hätte es eher entsprochen, wenn Haftungsbeschränkungen nur soweit wirksam sind, wenn sie Verkäufer und Endabnehmer wirksam hätten vereinbaren können. c) Anrechnung des Mitverschuldens eines Zwischenglieds Nicht abschließend geklärt ist, inwiefern sich ein Endabnehmer, der mittels der action directe gegen den Hersteller vorgeht, sich das Mitverschulden eines Zwischenglieds der Absatzkette anrechnen lassen muß 511 • Bei der Sachmängelgewährleistung kommt dieser Frage keinerlei Bedeutung zu, da insoweit eine rein objektive Haftung jedes gewerblichen Verkäufers besteht. Mitverschulden kann jedoch bei der Verletzung von Nebenpflichten eine Rolle spielen; Aufklärungspflichten treffen etwa nicht nur den Hersteller, sondern auch den Weiterverkäufer. Für den 508 Viney in: Melanges Holleaux, S. 399, 423 f.; Mazeaud, Anm. zu Cass. civ. Ire, 07.06.1995, D. 1996,jur. 396, 398; kritisch auch Ghestin, D. 1991,jur. 549, 554; Jamin, D. 1991, chron. 257, 261. 509 Izorche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 201. 510 Cass. civ. 3e, 26. 05.1992, Gaz. Pa!. 1992, 2,jur. 427; Anm. Viney, JCP 1992, I, 3625; Cass. civ. Ire, 07. 06. 1995, D. 1996, jur. 395 m. Anm. Mazeaud. Gegen Drittwirkung aber noch Cass. com.; RTD civ. 1986, 774, 775 f. Anm. Huet. 511 Sein eigenes Mitverschulden wirkt dagegen stets bereits nach allgemeinen Regeln anspruchsmindemd.

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

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Endabnehmer kann sich daraus jedoch in keinem Falle eine Anspruchsminderung ergeben: Ihm haften sämtliche Vormänner, die schuldhaft gehandelt haben, in solidum. Die Aufteilung der Verantwortlichkeiten ist eine Frage des Rückgriffs zwischen diesen512 .

C. Deliktische Ansprüche Der deliktischen Haftung kommt aufgrund des Verbots der Anspruchskonkurrenz von Vertrags- und Deliktsrecht sowie aufgrund der Erweiterung der Vertragshaftung durch die Figur der action directe nur eingeschränkte Bedeutung zu. Der deliktischen Haftung unterliegen aber Ansprüche außenstehender Dritter, der sogenannten penitus extranei.

I. Deliktische Haftung von Herstellern und Verkäufern 1. Verschuldenshaftung nach Art. 1382, 1383 Ce Die deliktische Produkthaftung hat sich im Ergebnis der vertraglichen Haftung weitgehend angenähert 513 . In Voraussetzungen und Rechtfolgen bestehen keine wesentlichen Unterschiede mehr zwischen der Haftung gegenüber einem Vertragspartner oder Mitglied der Absatzkette und gegenüber einem Dritten. Allerdings verjähren deliktische Ansprüche aufgrund des durch das Gesetz vom 5. Juli 1985 eingeführten Art. 2270-1 Cc nicht mehr innerhalb der dreißigjährigen Frist, sondern bereits nach zehn Jahren. Äußerlich weichen die Anspruchsvoraussetzungen des Deliktsrechts wesentlich von denen der vertraglichen Haftung ab: Nach Art. 1382, 1383 Cc muß jeder, der schuldhaft einen Schaden verursacht, diesen dem Geschädigten ersetzen. Der Geschädigte muß daher seinen Schaden, die faute des Schädigers sowie die Kausalität zwischen schuldhaftem Verhalten und Schadenseintritt beweisen514 . Schwierigkeiten kann insoweit nur der Nachweis der faute bringen; hier hat die Rechtsprechung jedoch wirksame Beweiserleichterungen geschaffen.

512

513 514

Dammann, Einbeziehung in die Schutzwirkung, S. 224. Viney in: Responsabilite des fabricants, S. 69, 75. V gl. Starck/ Roland/ Boyer, Obligations, Bd. 1, Nr. 322-324.

C. Deliktische Ansprüche

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a) Ableitung des deliktischen Verschuldens aus der Figur der opposabilite Zur Begründung eines deliktischen Anspruchs, insbesondere des Verschuldens, berufen sich Dritte häufig auf eine Vertrags verletzung eines der Vormänner innerhalb der Absatzkette gegenüber dessen Vertragspartner. Diese Möglichkeit versteht sich angesichts des Prinzips der Relativität der Vertragsbeziehungen nicht von selbst515 • Denn Art. 1165 Cc schließt schlechthin aus, daß die Bindungswirkung (force obligatoire) des Vertrages auf einen Dritten erstreckt wird. Von der schuldrechtlich bindenden Wirkung des Vertrages werden allerdings die tatsächlichen Auswirkungen des Vertrages, die sogenannte opposabilite, unterschieden. Diese tatsächliche Wirkung eines Vertrages kann jeder Dritte einer Vertragspartei ohne Verletzung des Art. 1165 Cc entgegenhalten 516 . Um diese opposabilite geht es, wenn ein Dritter zur Herleitung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs eine Vertragsverletzung des Schädigers darlegt517 . Kann der Dritte die Verletzung einer Verhaltenspflicht gerade ihm gegenüber nachweisen, so ergeben sich keinerlei Schwierigkeiten für den deliktischen Schadensersatzanspruch. Ist die Verletzung einer solchen "drittbezogenen" Pflicht nicht erkennbar, so fragt sich, ob allein aufgrund einer durch den Schädiger begangenen Vertrags verletzung von einem deliktischen Verschulden gegenüber dem Dritten ausgegangen werden kann. Würde die bloße Vertragsverletzung ausreichen, so wäre dem Dritten gerade in Fällen, in denen der Schädiger seinem Vertragspartner eine obligation de resultat schuldet, der Verschuldensnachweis beträchtlich erleichtert. aa) Auffassung der Rechtsprechung Ursprünglich verlangte die Rechtsprechung für den Nachweis des deliktischen Verschuldens auch die Verletzung spezifisch deliktischer Pflichten ("une faute delictue11e envisagee independament de tout point de vue contractuel")518. In verschiedenen Entscheidungen wird diese Formel jedoch verwendet, ohne daß im einzelnen dargelegt würde, worin das deliktische Verschulden unter Absehen von der verletzten vertraglichen Pflicht liegen S011519 . Andere Entscheidungen gehen auch 515 Ältere Entscheidungen lehnen Deliktsansprüche Dritter gestützt auf eine fremde Vertragsverletzung schlechthin ab; vg!. Civ., 18. 11. 1895, D. 1896, I, 16; Civ., 11. 03. 1940, Gaz. Pa!. 1940, 2, 15. Deliktsrecht wird erstmals zugelassen durch Req., 23. 02. 1897, S. 1898, 1,65 m. Anm. Esmein. 516 Ghestin/ Jamin/ Billiau, Effets du contrat, Nr. 367; Duclos, Opposabilite, Nr. 59; Marchessaux in: Les effets du contrat l'egard des tiers, Nr. I, Nr. 13 m.w.N. 517 Vg!. Malaurie/ Aynes, Obligations, Nr. 655; Marchessaux in: Les effets du contrat a I'egard des tiers, Nr. 29 f. 518 Vg!. Cass. civ. Ire, 07. 11. 1962, Bull. civ. I, Nr. 465; JCP 1963, II, 12987 m. Anm. Esmein; Cass. civ. 3e, 18.04. 1972, Bull. civ. III, Nr. 233; Cass. civ. Ire, 23. 05. 1978, Bull. civ. I, Nr. 201.

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7 Beaumart

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

tenninologisch nicht mehr auf das Erfordernis einer deliktischen faute ein, sondern lassen jede Vertragsverletzung genügen520 . Insgesamt tendiert die Rechtsprechung dazu, in jeder vertraglichen faute auch eine deliktische faute zu sehen, wobei dies in der deliktischen Produkthaftung besonders deutlich wird. Es gibt jedoch stets auch Entscheidungen, die strikt am Erfordernis einer besonderen deliktischen faute festhalten 521 • bb) Auffassungen der Literatur Bei großzügiger Anwendung ist die Figur der opposabilite nicht bedenkenfrei. Die systematische Gleichsetzung von vertraglicher und deliktischer faute birgt die Gefahr einer Auflösung der Differenzierung von Vertrags- und Deliktsrecht in sich522 . Zwar bleiben dem Dritten Primäransprüche versperrt, doch hinsichtlich der Sekundäransprüche wird der Dritte behandelt wie eine Vertragspartei523 . Darüberhinaus muß sich der Dritte nicht einmal an etwaige einschränkende Regelungen des Vertragsrechts, wie kürzere Verjährungsfristen, Haftungsbeschränkungen oder die Begrenzung des Ersatzes auf den vorhersehbaren Schaden halten und steht damit oft sogar günstiger als ein Vertragspartner524 . Die Figur der opposabilite ist letztlich eine Ausweitung der vertraglich nur dem eigenen Vertrags partner geschuldeten Haftung. Ihrer Entwicklung liegt die Überlegung zugrunde, daß bestimmte Dritte durch Erfüllungshandlungen in gleichem Maße Schäden erleiden können, wie wenn sie selbst Vertragsgläubiger wären. Für die Abgrenzung dieser zu schützenden Dritten sind bislang kaum praktikable Kriterien gefunden worden. Nur vereinzelt ist in der Literatur versucht worden, nach der Art der verletzten vertraglichen Pflicht zu differenzieren: Bei der Verletzung spezifisch vertraglicher Pflichten, die nur dem Vertragspartner geschuldet werden, komme kein deliktischer Anspruch des Dritten in Betracht, anders sei aber zu entscheiden bei der Verletzung von allgemeingültigen Pflichten wie etwa der obligation de securite 525 . Andere lehnen diese Differenzierung unter Berufung auf Art. 1382 Cc ab, nach dessen Wortlaut jede Art von Pflichtverletzung einen Deliktsanspruch auslösen könne526 . Auch die Rechtsprechung hat die vorgeschlagene 519 Vgl. Cass. civ. Ire, 16. 12. 1992, BuH. civ. I, Nr. 316, Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 214; Jourdain, RTD civ. 1993, 362-364. 520 Vgl. Cass. civ. 2e, 27. 06. 1978, D. 1978, info rap. 409; Cass. com., 26. 06. 1978, BuH. civ. IV, Nr. 177; Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 214 m.w.N. in Fn. 256.(S. 256). 521 Cass. civ. 3e, 18. 11. 1992, BuH. civ. III, Nr. 299; JCP 1993, IV, 240. 522 Vgl. Goutal, Effet relatif, Nr. 36; Duclos, Opposabilite, Nr. 58. 523 Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 215; vgl. Marchessaux in: Les effets du contrat l'egard des tiers, Nr. 30. 524 Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 215; Duclos, Opposabilite, Nr. 58. 525 Jourdain, RTD civ. 1993,362; Jourdain, RTD civ. 1992,567,568; Huet, Responsabi1ite contractuelle, Nr. 643 f; Durry, RTD civ. 1974,814. 526 Ghestin / Jamin / Billiau, Effets du contrat, Nr. 367; Seriaux, Obligations, Nr. 57.

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C. Deliktische Ansprüche

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Differenzierung bislang nicht allgemein aufgegriffen 527 . Nur im Bereich der deliktischen Produkthaftung hat sie eine deliktische obligation de securite zu Lasten der gewerblichen Verkäufer entwickelt, die bei Verletzung dieser allgemeingültigen Pflicht jeden Rückgriff auf faute überflüssig macht. b) Verschulden bei Fabrikations- und Konstruktionsfehlern In der Produkthaftung läßt die Rechtsprechung seit langem jede Vertragsverletzung auch für die deliktische Verantwortlichkeit gegenüber Dritten ausreichen. Hier wird bereits das Inverkehrbringen des mangelbehafteten Produkts als deliktische faute gegenüber einem geschädigten Dritten gewertet 528 . Diese Rechtsprechung ist von dem Bestreben gekennzeichnet, den Schutz der Abnehmer und der Dritten zu vereinheitlichen 529 . Die Installation einer mangelhaften Bremsanlage in einen Lastkraftwagen genügte beispielsweise zur Herleitung des deliktischen Verschuldens des Herstellers gegenüber dem geschädigten Dritten53o . Unterschiede ergaben sich aber bislang beim - auch gewerblichen - bloßen Weiterverkäufer. Bei diesem reicht ein Fehler der vertriebenen Sache für sich allein nicht aus, um ein deliktisches Verschulden des Händlers gegenüber dem Dritten anzunehmen 531 ; der Geschädigte muß also ein Verschulden nachweisen. Insoweit besteht ein Unterschied zur vertraglichen Haftung, wo Hersteller und Zwischenhändler gleich behandelt werden. c) Verschulden bei der Verletzung von Nebenpflichten Die deliktische Haftung kann sich auch aus der Verletzung von Nebenpflichten ergeben532 . Gehaftet wird zunächst wie im Vertragsrecht für unterlassene Aufklärung 533 • Dabei verlangt die Rechtsprechung von einem Hersteller ein größeres Maß an Aufklärung als von einem Zwischenhändler; letzterer ist nur insoweit verpflichtet, als ihm die Gefahren selbst bekannt sein müssen 534 • Gehaftet wird auch für nicht ordnungsgemäße Verpackung oder sonstige Vertriebsfehler535 • Diese 527 Cass. corn., 04. 05. 1993, BuH. civ. IV, Nr. 173 sieht beispielsweise auch die Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware als deliktisches Verschulden gegenüber Dritten an. 528 Erstmals wohl Cass. civ., 22.07.1931, D. H. 1931,506; ständige Rspr., vgl. Cass. civ. Ire, 18.07. 1972, BuH. civ. I, Nr. 189; Cass. corn., 26. 06. 1978, BuH. civ. IV, Nr. 177; Cass. corn., 20. 02. 1980, JCP 1981,11, 19635; vgl. Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 94. 529 V gl. Viney in: La responsabilite des fabricants, S. 69, 76 f. 530 Cass. civ. Ire, 18.07. 1972, BuH. civ. I, Nr. 189. 531 Cass. civ. 3e, 26. 04. 1983, BuH. civ. III, Nr. 90; Gaz. Pal. 1984, 1, 180 rn. Anrn. Plancqueel; Cass. civ. 3e, 14.05. 1985, BuH. civ. 111, Nr. 79. 532 Produkthaftungshandbuchl Rohs, Bd. 2, § 123 Rz. 36. 533 Viney in: Responsabilite des fabricants, S. 69, 79. 534 Cass. Civ. Ire, 31. 01. 1973, BuH. civ. I, Nr. 40. 535 Viney in: Responsabilite des fabricants, S. 69,81.

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Pflicht trifft sowohl den Hersteller als auch den Zwischenhändler536 . Wird die Haftung darauf gestützt, daß die Sache vor dem Vertrieb nicht ordnungsgemäß auf Fehler überprüft wurde, so wird dem Zwischenhändler meist eine weniger umfangreiche Prüfungspflicht auferlegt als dem Hersteller537 . d) Verzicht auf das Verschuldenserfordernis bei Verletzung der deliktischen obligation de securite Die strenge Haftung von Herstellern und Verkäufern auch gegenüber Dritten hat der Kassationshof durch eine Entscheidung vom 17. Januar 1995 noch ausgebaut538 . Danach wird bei Verletzung der obligation de securite der Verschuldensnachweis nicht nur erleichtert, sondern auch begrifflich nicht mehr verlangt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Mädchen verletzte sich im Hof ihrer Vorschule beim Spielen mit einem Plastikreifen am Auge. Der Reifen wurde in der Vorschule üblicherweise für Bewegungsübungen verwendet und war unter Einschaltung zweier Zwischenhändler vom Hersteller bezogen worden. Die Eltern verklagten im Namen der Tochter beide Zwischenhändler, den Hersteller sowie die Schule. In erster Instanz wurden lediglich der erste Zwischenhändler und die Schule zur Leistung von Schadensersatz verurteilt, die Klage gegen die übrigen Beklagten abgewiesen. Die zweite Instanz verneinte - da allein ein Fabrikationsfehler vorlag - eine Haftung der Schule, verurteilte den Hersteller, sämtliche zu Lasten des ersten Zwischenhändlers ergangenen Verurteilungen zu tragen und hielt die Klageabweisung hinsichtlich des zweiten Zwischenhändlers aufrecht. Hiergegen richteten sich verschiedene Rechtsmittel, die der Kassationshof wie folgt beantwortete: Die Verurteilung des ersten Zwischenhändlers sei auch ohne die ausdrückliche Feststellung einer deliktischen faute zu Recht erfolgt, da ..der gewerbliche Verkäufer verpflichtet sei, Produkte zu liefern, die frei seien von jedem Mangel oder Fabrikationsfehler, der eine Gefahr für Personen oder Sachen darstellen könne". Diese Pflicht bestehe gegenüber Dritten gleichermaßen wie gegenüber Abnehmern. Weiter sei auch die Verurteilung des Herstellers, den ersten Zwischenhändler von sämtlichen ihn treffenden Verurteilungen freizustellen, zu Recht erfolgt, da der Schaden ausschließlich aufgrund eines Fabrikationsfehlers eingetreten sei. Entgegen der Vorinstanz hafte allerdings auch die Schule, die vertraglich verpflichtet sei, für die Sicherheit der Schüler zu sorgen. Sie hafte nämlich nicht nur für ihr Verschulden, sondern auch für Auswirkungen der zur Erfüllung ihrer Verpflichtung eingesetzten Sachen (..le fait des choses,,)539. Viney in: Responsabilite des fabricants, S. 69, 81. Vgl. Cass. civ. Ire, 21. 03. 1962, Bull. civ. I, Nr. 155. 538 Cass. civ. Ire, 17. 01. 1995, D. 1995, jur. 350 m. Anm. Jourdain; Anm. Viney, JCP 1995, I, 3853, Nr. 9-14; Anm. Jourdain, RTD civ. 1995,631. 539 Wie diese ,,responsabilite contractuelle du fait des choses" dogmatisch einzuordnen ist und ob sie Bestand haben wird, ist unklar, vgl. Viney, JCP 1996, I, 3944 Nr. 6 ff. 536

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Mit dieser Entscheidung ist erstmals die anhand des Vertragsrechts entwickelte obligation de securite auf die deliktische Haftung übertragen worden. Die obligation de securite, deren Inhalt mit den gleichen Worten wie bislang im vertraglichen Bereich umschrieben wird54o, besteht gleichermaßen gegenüber Abnehmern und Dritten. Diese richterrechtliche Entwicklung einer außervertraglichen Haftung dürfte von dem Bestreben getragen sein, Schutzlücken des nationalen Rechts bereits vor Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie auszufüllen 541 . Die Angleichung der außervertraglichen an die vertragliche Haftung wirkt sich nach der Entscheidung vom 17. Januar 1995 im einzelnen wie folgt aus: Zunächst haftet wegen Verletzung der obligation de securite wie im vertraglichen Bereich jeder gewerbliche Verkäufer. Insofern geht die Rechtsprechung über die Anforderungen der Richtlinie, die primär den Hersteller und nur subsidiär auch Händler haften läßt, hinaus. Die Lösung stimmt aber mit der französischen Umsetzung der Richtlinie überein. Die Schaffung der außervertraglichen obligation de securite führt im Ergebnis insbesondere zu einer strengeren Behandlung des gewerblichen Weiterverkäufers 542 . Bei diesem war nach bisheriger Rechtslage das bloße Inverkehrbringen einer mangelbehafteten Sache für die Annahme eines deliktischen Verschuldens allein nicht ausreichend. Demgegenüber haftete der Hersteller, der eine mangelbehaftete Sache in Verkehr bringt, auch bislang schon ähnlich streng. Die obligation de securite schützt weiter nicht nur den Verbraucher, sondern auch den gewerblichen Abnehmer543 . Die Entscheidung vom 17. Januar 1995 hält ausdrücklich fest, daß dem Hersteller eine obligation de securite gegenüber dem ersten Zwischenhändler oblag. Hierin liegt eine Neuerung. Die bislang zur vertraglichen obligation de securite ergangenen Entscheidungen hatten nämlich stets den Schutz eines Verbrauchers zum Gegenstand. Diese Einbeziehung der gewerblich Handelnden in den Schutz ist für die Kanalisierung der Haftung auf den Hersteller bedeutsam. Wäre der gewerbliche Zwischenhändler nicht wie der private Verbraucher geschützt, wäre die Schadensverlagerung auf den Hersteller im Regreßwege beeinträchtigt. Die obligation de securite im Produkthaftungsrecht wird im vertraglichen wie deliktischen Bereich als obligation de resultat behandelt544 . Zu beweisen ist daher jeweils, daß der eingetretene Schaden auf einem Sicherheitsmangel des Produkts 540 Vgl. Cass. civ. Ire, 20. 03. 1989, D. 1989, jur. 581 m. Anm. Malaurie; Cass. civ. Ire, 22.01. 1991, BuH. civ. I, Nr. 30; Cass. civ. Ire, 11. 06. 1991, BuH. civ. I, Nr. 201; Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 44. 541 Viney. Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, JCP 1995, 3853 Nr. 12; Jourdain. Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995,jur. 352, 353. 542 Vgl. Jourdain. Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995 jur. 352, 353. 543 Jourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995,jur. 352, 353. 544 Zum Vertragsrecht vgl. ausführlich S. 40 ff. Im Deliktsrecht dürfte sich dies aus der Entscheidung Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995, jur. 350, ergeben.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

beruht545 . Auf Verschulden des Herstellers oder Verkäufers kommt es demgegenüber nicht an. Insgesamt sind damit die vertragliche und deliktische Haftung für Sicherheitsmängel weitestgehend angeglichen. Angedeutet ist gleichzeitig ein weiterer möglicher Entwicklungsschritt: Die obligation de securite läßt sich nur schwer als spezifisch vertragliche Pflicht einordnen, nach ihrer Schutzrichtung liegt ihr Schwergewicht eher auf dem außervertraglichen Bereich546 . Hier deutet sich eine außervertragliche Haftung sowohl gegenüber Vertragspartnem als auch gegenüber Dritten an547 , wie sie durch die Produkthaftungsrichtlinie vorgegeben ist. 2. Sachhalterhaftung nach Art. 1384 Abs. 1 Ce

a) Begründung einer Gefährdungshaftung für Sachen Die Rechtsprechung hat aus Art. 1384 Abs. 1 Cc eine allgemeine Gefährdungshaftung für Sachen entwickelt548 . Danach muß jeder, der die Herrschaft über eine Sache innehat, für den durch die Sache verursachten Schaden einstehen, es sei denn, der Schaden ist aufgrund einer cause etrangere eingetreten, worunter Zufall, höhere Gewalt und Eingreifen Dritter oder des Geschädigten verstanden werden549 . Nicht zur Entlastung führt dagegen mangelndes Verschulden des Herrschaftsinhabers 55o. Auch ein Sachmangel kann nicht entlasten, da sich eine cause etrangere lediglich aus "evenements exterieurs ala chose" ergeben kann551. Die Schädigung muß durch ein "fait" der Sache erfolgen552 . Das bedeutet, daß eine Einwirkung der Sache vorliegen muß. Um die Haftung nicht uferlos werden zu lassen, wird dabei eine "intervention active" der Sache verlangt 553 . Unerheblich

545 Nach Cass. civ. Ire, 22. 11. 1994, Bull. civ. I, Nr. 340 soll nicht zu untersuchen sein, ob der Sache ein Mangel innewohnt, soweit sie in sich bereits eine Gefahr darstelle. Tatsächlich lag aber im entschiedenen Fall in der Gefahr gerade ein Sicherheitsmangel, vgl. Anm. lourdain, D. 1995,jur. 351, 353 Fn. 11. 546 Lambert-Faivre, D. 1994, chron. 81 f.; Raymond, Contrats, conc., consom. 1991, S. I, 2. 547 lourdain, Anm. zu Cass. civ. Ire, 17.01. 1995, D. 1995 jur. 352, 353. 548 Zur Entwicklung: MazeaudlChabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 514; FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 2 0 301-307; Hübner, Haftung des Gardien, S. 3-11. 549 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. 2f 1, Nr. 571 f. 550 V gl. Cass. civ. 2e, 04. 06. 1984, Gaz. Pal. 1984, 2, jur. 634. 551 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 577. 552 Binac-SchmidtlLarroumet in: Rep. de droit civiI, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 306 f; MazeaudlChabas, Obligations, Bd. Hf 1, Nr. 528. 553 Binac-SchmidtlLarroumet in: Rep. de droit civil, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 336-347; MazeaudlChabas, Obligations, Bd. 2/1, Nr. 533; FeridlSonnenberger, Bd. 2, Frz. ZR, Rz. 20318; Denis in: I-Cl. civil, Art. 1382-1386 Ce, Fase. 150-4, Nr. 52.

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ist aber, ob es sich um eine gefährliche oder fehlerhafte Sache handelt oder nicht 554. b) Begriff der garde de la chose Die Haftung aufgrund Art. 1384 Abs. 1 Cc setzt voraus, daß der in Anspruch Genommene die garde de la chose innehatte. Die Sachherrschaft in diesem Sinne ist durch den Gebrauch der Sache und die Möglichkeit der Überwachung gekennzeichnet555 ; beim Eigentümer wird sie vermutet556 . Nach diesen Grundsätzen dürfte der Sachhalterhaftung in der Produkthaftung an sich nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen: Nach Veräußerung an den Abnehmer haben Hersteller wie Zwischenhändler nicht nur das Eigentum übertragen, sondern in der Regel auch jede Kontrollmöglichkeit abgegeben. Eine Haftung von Herstellern und unter Umständen auch Händlern kann sich aber dennoch ergeben, da die Rechtsprechung in bestimmten Fallgruppen eine Unterscheidung zwischen garde de structure und garde du comportement aufgestellt hat557 . Unter garde du comportement wird dabei die äußere Gebrauchsgefahr558 , unter garde de structure die innere Gefahr aus der Anlage der Sache verstanden 559 . Bei Sachen, die eine Eigendynamik enthalten, die sich gefährdend äußern kann, wird es dadurch möglich, die garde de structure dem Hersteller zuzurechnen, obwohl dieser Eigentum und Besitz übertragen hat56o . Eine präzise Definition der erforderlichen Eigendynamik und damit des Begriffs der garde de structure ist die Rechtsprechung schuldig geblieben. Die entschiedenen Fälle betrafen meist Schäden die durch Explosion oder Brand des jeweiligen Produkts auftraten 561 • Uneinheitlich beantwortet wurde zudem die Frage, ob in einer Absatzkette stets der Hersteller gardien de la structure 554 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. II/l, Nr. 514; FeridlSonnenberger; Frz. ZR, Bd. 2, Rz. 20311. 555 Benac-SchmidtILarroumet, Rep. de droit civil, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 215. 556 Benac-Schmidt I Larroumet in: Rep. de droit civil, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 201, 207. 557 Vgl. Benac-SchmidtlLarroumet, Rep. de droit civil, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 282; MalaurielAynes, Obligations, Nr. 203; StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 587 f; Hübner; Haftung des Gardien, S. 79-85. 558 Benac-Schmidt I Larroumet in: Rep. de droit civil, responsabilite du fait des choses inanimees, Nr. 271. 559 Benac-Schmidt I Larroumet in: Rep. de droit civil, responsabilite du fait des chosese inanimees, Nr. 273.

560 Starckl Rolandl Boyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 587; Malaurie I Aynes, Obligations, Nr. 203; Viney in: Responsabilite des fabricants, S. 69, 86. 561 Cass. civ. Ire, 12. 11. 1975, JCP 1976, H, 18479 (Explosion einer Getränkeflasche); CA Paris, 07. 07. 1989, JCP 1989, IV, S. 342 (Explosion einer Getränkeflasche); Cass. civ. 2e, 14. 11. 1979, D. 1980, jur. 325 (Brand eines Fernsehers); Cass. civ. 2e, 14. 12. 1981, Gaz. Pa!. 1982, I, pan. 150.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

ist, oder ob die Haftung auch Zwischenhändler treffen kann 562 . Jedenfalls dann, wenn die Zwischenhändler keinerlei Kontrollmöglichkeiten hatten, dürfte ausschließlich eine Haftung des Herstellers in Betracht kommen 563 . Nach Art. 1386-18 Abs. 3 Cc des Entwurfs zur Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie von 1993 sollte nach Inverkehrbringen des Produkts die Haftung wegen garde ausgeschlossen sein564 • Im Zuge der Beratungen wurde diese Vorschrift fallengelassen565 .

3. lIajtungsunyrang a) Allgemeines Im Deliktsrecht ist unabhängig vom Grad des jeweiligen Verschuldens der gesamte Schaden zu ersetzen566 . Eine Begrenzung auf vorhersehbare Schäden wie im Vertragsrecht nach Art. 1150 Cc fehlt. Zu ersetzen ist materieller wie immaterieller Schaden, sofern er die Kriterien sicher, direkt und nicht sittenwidrig erfüllt 567 • Zum materiellen Schaden werden die Personenschäden, alle Sachschäden am Produkt und an anderen Sachen sowie Vermögensschäden gerechnet 568 . Zum immateriellen Schaden bei Personenschäden gehört neben dem Schmerzensgeld insbesondere auch der domrnage moral bestimmter naher Angehöriger569 . b) Anrechnung von Mitverschulden Bei der deliktischen Verschuldenshaftung führt ein Mitverschulden des Geschädigten regelmäßig zur anteilsmäßigen Schadensteilung; dabei muß der Geschädigte sich auch Verschulden der Personen, für die er einstehen muß, anrechnen lassen57o . Bei der Sachhalterhaftung wird dagegen nur noch solches Verhalten des Geschädigten als entlastend angesehen, das sich für den gardien als höhere Gewalt darstellt571 • 562 Für Hersteller: Cass. civ. 2e, 05. 06.1971, D. 1971, somm. 191; für Händler: Cass. civ. Ire, 22. 06. 1971, JCP 1971,11, 16881. 563 Vgl. Produkthaftungshandbuch 1Rohs. Bd. 2, § 123 Rz. 40. 564 Vgl. FeridlSonnenberger; Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20329. 565 Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 566 Malaurie I Aynes. Obligations, Nr. 240. 567 Malaurie I Aynes. Obligations, Nr. 240 f. 568 StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 98 f. 569 StarcklRolandlBoyer; Obligations. Bd. 1, Nr. 123, 126. 570 Malauriel Aynes. Obligations. Nr. 128. 571 StarcklRolandlBoyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 687; Cass. civ. 2e, 21. 07. 1982, JCP 1982, n, 19861; D. 1982,jur. 449.

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11. Deliktische Haftung von Werkuntemehmern Im Rahmen von Werkverträgen können sich Dritte gegenüber Bauunternehmern ähnlich wie gegenüber Produzenten und Verkäufern beweglicher Sachen auf die deliktische Verschuldenshaftung berufen. In anderen Konstellationen unter Beteiligung von Werkverträgen ist die Rechtsprechung dagegen uneinheitlich. 1. Haftung von Bauunternehmern gegenüber Dritten Einen Nachweis des deliktischen Verschuldens gegenüber Dritten durch Darlegung einer Vertragsverletzung kennt die Rechtsprechung zu Lasten von Bauunternehmern 572 • Diese haften ähnlich wie Produzenten und Verkäufer beweglicher Sachen, soweit ihr Werk an einem Konstruktionsmangelleidet und Dritte dadurch zu Schaden kommen. Beispiele sind etwa die Verletzung von Passanten durch herabstürzende Teile des Bauwerks573 oder die Beeinträchtigung von Nachbarn oder Mietern aufgrund eines Baumange1s 574 . Späteren Erwerbern des Bauwerks steht dagegen kein deliktischer Anspruch zu; diese sind gemäß Art. 1792 ff. Cc auf die vertragliche action directe verwiesen.

2. Haftung in Subunternehmerverträgen Weniger eindeutig ist die systematische Gleichsetzung von vertraglichem und deliktischem Verschulden in Fällen, in denen der Auftraggeber einen deliktischen Anspruch aus einer Vertragsverletzung des Subunternehmers herleiten will 575 . Auch hier finden sich zahlreiche Entscheidungen, in denen vertragliches und deliktisches Verschulden des Subunternehmers gleichgesetzt werden 576 . Andererseits hat insbesondere die dritte Kammer des Kassationshofs in den letzten Jahren mehrere Urteile gefällt, die dem automatischen Gleichsetzen von vertraglicher und deliktischer faute entgegentreten. So kann sich der Hauptunternehmer gegenüber dem Subunternehmer zweiten Ranges nicht darauf berufen, dieser Vgl. Viney, Responsabilite: conditions, Nr. 211. Cass. civ. 3e, 05. 06. 1968, Bull. civ. III, Nr. 515. 574 Cass. civ. Ire, 09. 10. 1962, BuH. civ. I, Nr. 405; D. 1963, jur. 1 rn. Anrn. Liet-Veaux; Cass. civ. Ire, 24.10.1967, JCP 1968, H, 15360 rn. Anrn. Lindon; Cass. civ. 3e, 31. 01. 1978, D. 1978, info rap. 382; Cass. civ. 3e, 08. 04. 1987, D. 1987, info rap. 108. 575 Der Auftraggeber ist zwar Angehöriger einer Vertrags gruppe im weiteren Sinne, aber gleichwohl als Dritter zu behandeln. Vertragliche Ansprüche sind ihm versperrt, vgl. oben S. 79 - 81. 576 Cass. civ. Ire, 09. 03. 1964, BuH. civ. I, Nr. 138; Cass. civ. 3e, 05. 12. 1972, D. 1973, jur. 401 rn. Anrn. Mazeaud; Cass. corn., 27. 06. 1978, D. 1978, info rap. 409 rn. Anrn. Larroumet. 572

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

habe eine obligation de resultat gegenüber dem Subunternehmer ersten Ranges verletzt 577 . Gleiches gilt im Verhältnis des Bauherrn gegenüber dem Subunternehmer seines Auftragnehmers 578 . Nach Auffassung der dritten Kammer soll es vielmehr im Subunternehmervertrag nur noch eine deliktische Haftung für "faute prouvee" geben579 . Allerdings gibt es auch in jüngerer Zeit Entscheidungen der dritten Kammer, die die fremde Vertragsverletzung für das deliktische Verschulden ausreichen lassen wollen 58o . Letztlich finden sich Entscheidungen für beide Srömungen, ohne daß sie erkennen ließen, welche Maßstäbe jeweils für die Annahme der Relativität oder Allgemeingültigkeit des vertraglichen Verschuldens ausschlaggebend waren581 . Insgesamt überwiegt in den letzten Jahren - im Unterschied zu der Rechtsprechung bei Kaufverträgen582 - aber eher die Tendenz, nicht bereits jedes vertragliche Verschulden als Delikt gegenüber Dritten anzusehen.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz I. Umsetzung der EWG-Richtlinie Nr. 85/374 vom 25. Juli 1985 Die Richtlinie des Rates Nr. 85/374 vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte583 hat den Mitgliedstaaten aufgegeben, ihr Recht binnen drei Jahren 584 den Vorgaben der Richtlinie anzupassen. Diese Umsetzungsfrist hat Frankreich um viele Jahre überschritten585 . Erst mit Gesetz Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 wurde in Frankreich ein Produkthaftungsgesetz verabschiedet. Die Einsetzung einer Expertenkommission führte zunächst zu einem Vorentwurf vom 7. Juli 1987, der die Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie mit einer weitreichenderen Umstellung des Gewährleistungs- und Haftungsrechts verband 586 . Dieses Ziel einer umfassenden Reform des Haftungsrechts wurde inzwischen aufgegeben. Der im Mai 1990 vorgestellte Regierungsentwurf587 beschränkt sich Cass. civ. 3e, 13. 12. 1989, BuH. civ. III, Nr. 236; D. 1991,jur. 25 m. Anm. Kullmann. Cass. civ. 3e, 28. 03.1990, D. 1991,jur. 25 m. Anm. Kullmann. 579 Cass. civ. 3e, 18. 11. 1992, Bull. civ. III, Nr. 299; JCP 1993, IV, 240. 580 Cass. civ. 3e, 05. 02. 1992, BuH. civ. III, Nr. 42; Anm. Jourdain, RTD civ. 1992,567. 581 Ghestinl JaminlBilliau, Effets du contrat, Nr. 419. 582 Vgl. oben S. 97, 99 f. 583 ABI. EG 1985, L 210/29. 584 Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie. 585 EuGH, 13.01. 1993, Rs. 293/91, Kommission/Pranz. Republik, Slg. 1993 I, 1,5 (Verurteilung wg. "manquement d'Etat"). 586 Dazu ausführlich Lorenz in: PS Perid 11, S. 289 ff.; Ghestin in: PS Lorenz, S. 619 ff.; Ghestinl Desehe, Vente, Nr. 873 ff. 577

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dementsprechend auf die unmittelbar von der Richtlinie geforderten Änderungen des bisherigen Rechts. Nach Prüfung durch die Commission des lois constitutionnelles, de la legislation et de l' administration generale, einem der sechs ständigen Ausschüsse der Assemblee Nationale, wurde der Regierungsentwurf in jeweils zwei Lesungen von Assemblee Nationale und Senat beraten588 . Da beide Kammern jeweils voneinander abweichende Änderungsvorschläge einbrachten, wurde der Vermittlungsausschuß (Commission mixte paritaire)589 angerufen, der am 15. Dezember 1992 einen Vermittlungsvorschlag vorlegte 590 . Dieser konnte aber bis zum Ablauf der Legislaturperiode im März 1993 nicht mehr abschließend beraten werden. Der Beginn der neuen Legislaturperiode erforderte ein neues Gesetzgebungsverfahren; im Juli 1993 wurde daher erneut ein Gesetzentwurf591 eingebracht, der sich mit einigen Ausnahmen inhaltlich stark an den mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses erreichten Diskussionsstand anlehnt. Ziel des Entwurfs war ausdrücklich, das Verfahren zur Umsetzung der Richtlinie schnellstmöglich wieder aufzunehmen. Dieser Entwurf wurde am 13. März 1997 in erster Lesung durch die Assemblee Nationale592 , am 5. Februar 1998 ebenfalls in erster Lesung durch den Senat593 beraten. Am 25. März und 30. April 1998 hat die zweite Lesung durch die Assemblee Nationale stattgefunden, am 5. Mai 1998 die zweite Lesung durch den Senat594 . Bei diesen Beratungen konnte über die wesentlichen Streitpunkte des Verfahrens Übereinstimmung erzielt werden: Beide Kammern haben den Einwand des Entwicklungsrisikos als Entlastungsgrund zugelassen. Die Anspruchsgrundlagen des bisherigen Rechts sollen in freier Konkurrenz neben denen des Produkthaftungsgesetzes geltend gemacht werden können 595 .

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587 Projet de loi modifiant le code civil et relatif la responsabilite du fait du defaut de securite des produits du 23 mai 1990, Doc. Assemblee Nationale, 1989-1990, Nr. 1395. 588 Vgl. zum Fortgang der Beratungen Lem. FS Sandrock, S. 69 f. 589 Diesen Ausschuß sieht Art. 45 der Verfassung von 1958 vor. Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Guimezanes. Introduction, S. 77 f.; Terre. Introduction, S. 170. 590 Doc. Assemblee Nationale. 1992-1993, Nr. 3142 = Doc. Senat, 1992-1993, Nr. 124. 591 Proposition de loi relative la responsabilite du fait des produits defectueux du 13 juillet 1993, Doc. Assemblee Nationale, 1993-1994,Nr. 469. - Der Begriff "proposition de loi" zeigt im Gegensatz zum "projet" (Regierungsentwurf) an, daß es sich um einen aus dem Parlament eingebrachten Vorschlag handelt, hier von der Abgeordneten Catala, einem Mitglied des Vermittlungsausschusses. 592 Vgl. Doc. Senat, 1996-1997, Nr. 260. 593 Vgl. Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 688. 594 Vgl. Abdruck der Materialien in J.O. vom 21. 05. 1998, S. 7744, 7746; Doc. Senat, 1997-1998, Nr. 127. 595 Das Verfahren stand unter einem gewissen Druck der Europäischen Kommission, die wegen Versäumung der Umsetzungsfrist angedroht hatte, auf der Grundlage der ergangenen Verurteilung vom 13. 01. 1993, Rs. 293/91, Sig. 1993 I, I, 5 eine Geldstrafe gegenüber Frankreich verhängen zu lassen.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Aufgrund der verzögerten Umsetzung kann sich für die Übergangszeit die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie stellen. Da die Normen der Richtlinie inhaltlich himeichend bestimmt sind596, wird man davon ausgehen können, daß sich ein Geschädigter jedenfalls insoweit auf die Richtlinie berufen kann, als der Staat selbst Produzent ist - sei es auch in einer Organisationsform des Privatrechts 597 ; eine umnittelbare Anwendung von nicht umgesetzten Richtlinien unter Privaten ist demgegenüber nach der Rechtsprechung des EuGH nicht anerkannt598 . Im letzteren Fall können sich nach der Rechtsprechung des EuGH aber Schadensersatzansprüche gegen den französischen Staat ergeben599 . Die Richtlinie bezweckt gerade die Gewährung von Schadensersatzansprüchen, will also subjektive Rechte verleihen, die bereits in ihr selbst bestimmt sind; insoweit sind die Voraussetzungen des EuGH für eine Staatshaftung erfüllt60o • In der Regel wird es jedoch an einem Schaden des Produktgeschädigten fehlen, da bereits das bisherige französische Recht weitreichende Ersatzmöglichkeiten vorsieht6ol . Im folgenden wird das Produkthaftungsgesetz in der am 19. Mai 1998 verkündeten Fassung dargestellt; wo gewichtigere Abweichungen zu den Entwürfen von 1990 und 1993 bestehen, wird darauf hingewiesen. Bei den Beratungen des Entwurfs von 1993 haben beide Kammern verschiedene marginale Änderungen angebracht. Differenzen bestanden zuletzt im wesentlichen noch hinsichtlich dreier Vorschriften: Anders als der Senat, der sich für die Streichung dieses Absatzes ausgesprochen hat, wollte die Assemblee Nationale die Bestimmung in Art. 1386-5 Cc, nach der eine Sache nur ein einziges Mal in Verkehr gebracht kann, beibehalten. Weiter hatten sich beide Kammern darauf verständigt, die in Art. 1386-1 Abs. 2 Cc des Entwurfs von 1993 enthaltene Vorschrift betreffend den Ausschluß der Adressaten der speziellen Bauwerkshaftung vom Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes in einem Art. 1386-6 Abs. 3 Cc regeln. Anders als der Senat wollte die Assemblee Nationale aber die einfachen Subunternehmer nicht vom Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes ausschließen; der Ausschluß sollte insgesamt erst dann eingreifen, wenn die Anspruchsgrundlagen der speziellen Bauwerkshaftung tatsächlich einschlägig sind. Die dritte zuletzt noch bestehende Differenz betrifft eine von der Assemblee Nationale erst in zweiter Lesung beschlossene Neuregelung in einem Art. 1386-11-1 Cc Getzt Art. 1386-12 Cc): Bei Beibehaltung der Entlastung des Herstellers durch den Einwand des Entwicklungsrisikos im übrigen soll keine Entlastung möglich sein hinsichtlich von Produkten und Sub596 Zu dieser und den weiteren Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien vgl. Streinz, Europarecht, Rz. 394 ff. 597 Vgl. GhestinlDesche, Vente, Nr. 959; Karila, Gaz. Pal. 1991, I, doctr. 208, 209. 598 Vgl. Streinz, Europarecht, Rz. 399 m.w.N. 599 EuGH, 19. 11. 1991, Rs. 6/90 u. 9/90, Francovich, Bonifaci !Italienische Republik, Slg. 1991 1,5357,5415 f. 600 EuGH, 19. 11. 1991, Rs. 6/90 u. 9/90, Francovich, Bonifaci!Italienische Republik, Slg. 1991 1,5357,5415. 601 Vgl. FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 20380.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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stanzen des menschlichen Körpers. Der Senat hat sich in zweiter Lesung den jeweiligen Positionen der Assemblee Nationale angeschlossen. Das Produkthaftungsgesetz führt eine vertragsunabhängige Gefährdungshaftung für Schäden ein, die durch Produkte verursacht werden, die einen Sicherheitsmangel aufweisen und die nach Inkrafttreten des Gesetzes in Verkehr gebracht werden. Gehaftet wird danach für Personenschäden sowie für Schäden an anderen Sachen als dem Produkt selbst. Die Produkthaftung wird als Titel IV bis "De la responsabilite du fait des produits defectueux" in das dritte Buch des Code civil eingearbeitet und umfaßt die Art. 1386-1 bis 1386-18 Cc. Die systematische Stellung zwischen Delikts- und Vertragsrecht weist bereits auf den doppelten Charakter der Haftung hin. Die Vorschriften lassen folgenden Aufbau erkennen: Definition des Haftungstatbestands (Art. 1386-1 Cc); Beschränkung des Schadensersatzes auf das Integritätsinteresse (Art. 1386-2 Cc); Definition der haftungsauslösenden Produkte (Art. 1386-3 bis 1386-5 Cc); Kreis der haftenden Personen (Art. 1386-6 bis 1386-7 Cc); Beweislast, Einfluß von Regeln der Kunst, technischen Normen, behördlichen Genehmigungen (Art. 1386-9 bis 1386-10 Cc); Ausschluß und Minderung der Haftung (Art. 138611 bis 1386-14 Cc); Ausschluß vertraglicher Haftungsbeschränkungen (Art. 138615 Cc); Erlöschen und Verjährung (Art. 1386-16 bis 1386-17 Cc); Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen (Art. 1386-18 Cc). Nach der ursprünglichen Planung sollte der Gesetzentwurf zudem verschiedene Änderungen im Kaufrecht mit sich bringen wie etwa eine Neuregelung der Beweislast für das Vorhandensein des Sachmangels bei Lieferung (Art. 1641-1 Cc), die Einführung eines Nachbesserungsrechts (Art. 1644-1 Cc) sowie die Ersetzung des bref delai durch eine Jahresfrist zur Mängelanzeige (Art. 1648 CC)602. Diese Änderungen sind im Laufe der Beratungen verworfen worden 603 .

11. Voraussetzungen der Produkthaftung In Übereinstimmung mit der Richtlinie begründet das Produkthaftungsgesetz eine verschuldensunabhängige604 Haftung des Herstellers für fehlerbehaftete Produkte. Art. 1386-1 Cc stellt klar, daß diese Haftung unabhängig vom Vorliegen einer vertragliche Beziehung zwischen Geschädigtem und Produzenten eingreift; erfaßt werden sowohl Sachverhalte, die nach bisherigem Recht vertraglich, als auch solche, die deliktisch abgewickelt wurden605 . Art. 1386-1 Cc durchbricht damit für V gl. Text in Anhang I. Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997 - 1998, Nr. 755. 604 Vgl. Doc. Assemblee Nationale, 1989 - 1990, Nr. 1395, S. 3 (Begründung des Regierungsentwurfs). 602 603

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

den Bereich der Produkthaftung den Grundsatz des non-cumul. Diese Klarstellung war erforderlich, weil ansonsten vertragliche Beziehungen die Anwendbarkeit des Produkthaftungsgesetzes hätten ausschließen können606 . Von der Haftung erfaßt werden allerdings nach Art. 1386-2 Cc nur Schäden an Personen und anderen Sachen als dem fehlerbehafteten Produkt selbst. Für Schäden an dem Produkt selbst sowie für bloße Vermögensschäden bleibt es daher bei der bisherigen Haftung nach Art. 1641 ff. Cc.

1. Schädigung durch ein Produkt

Die Legaldefinition des Produktbegriffs in Art. 1386-3 Cc erfaßt alle beweglichen Sachen (biens meubles) einschließlich landwirtschaftlicher Erzeugnisse des Bodens, der Tierhaltung, der Jagd und der Fischerei607 • Wie eine bewegliche Sache wird auch die Elektrizität behandelt. Der Inhalt des Begriffs der beweglichen Sache ist nach innerstaatlichem Recht zu bestimmen; es gelten also die Art. 527 ff. Cc. Art. 527 Cc unterscheidet zwischen biens meubles aufgrund ihrer Natur und solchen kraft gesetzlicher Anordnung. Die Abgrenzung deckt sich mit der Einteilung in körperliche und unkörperliche Gegenstände 608 • Kraft Natur der Sache beweglich sind Gegenstände, die rein tatsächlich bewegt werden können 609 • Allein auf diese kann sich ihrem Sinn nach die Haftungsregelung der Art. 1386-1 ff. Cc erstrecken61O ; biens meubles incorporels, d. h. Forderungen und Rechte 611 , haben nämlich im Rahmen der Produkthaftung keine Bedeutung. Rechte oder intellektuelle Leistungen können im Sinne der Produkthaftung aber relevant werden, wenn sie in einem Träger, d. h. einem bien corporel, verkörpert sind612 •

a

605 Vg!. Huglo, JCP ed. E 1990, II, 15687, S. 70: ,,regime ... hybride en ce qu'i1 est la fois de nature contractuelle et delictuelle"; Caston, Gaz. Pa!. 1988, I, doctr. 17, 18: "action delicto-contractuelle" . 606 Vg!. Muthig, Haftung des Herstellers, S. 213. 607 Die Einbeziehung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entspricht der Option des Art. 15 Abs. 1 lit. a der Richtlinie. In erster Lesung hatte die Assemblee Nationale sich noch dafür ausgesprochen, Produkte des menschlichen Körpers vom Anwendungsbereich auszunehmen. Davon ist sie wieder abgerückt, vg!. Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755, S.23. 608 Terre!Simler; Biens, Nr. 27. 609 Terre! Simler; Biens, Nr. 28. Darunter fallen Sachen, die sich selbst bewegen können wie Tiere - und die bewegt werden können, vg!. Art. 528 Cc. 610 Vg!. Ferid/Sonnenberger; Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20383; Muthig, Haftung des Herstellers, S. 215. 611 Ein Aufzählung der biens meub1es incorporels enthält Art. 529 Cc, der allerdi.ngs nicht abschließend ist. Dazu Terre!Simler; Biens, Nr. 31. 612 Muthig, Haftung des Herstellers, S. 215 nennt als Beispiel die in einem Datenträger verkörperte Software.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

111

Der Einbau eines Produkts in eine unbewegliche Sache läßt die Produkteigenschaft nicht entfallen. Art. 1386-3 Cc könnte daher zu Überschneidungen mit der Bauunternehmerhaftung der Art. 1792 ff., 2270 Cc führen; denn gemäß Art. 17924 Cc haften danach auch die Hersteller bestimmter Baufertigteile. Ein solches Nebeneinander von Produkthaftung und Bauunternehmerhaftung sah Art. 1386-17 Abs. 2 Cc in der Fassung des Entwurfs vom 23. Mai 1990 vor. Der Entwurf vom 13. Juli 1993 hat demgegenüber die Adressaten der Bauunternehmerhaftung nach Kritik von Seiten der Literatur613 durch Art. 1386-1 Abs. 2 Cc aus der Produkthaftung herausgenommen. Bei den Beratungen haben sich die beiden Kammern darauf verständigt, diese Bestimmung in einen Art. 1386-6 Abs. 3 Cc zu überführen614 . Der Inhalt der Vorschrift im einzelnen war zunächst noch streitig. Entgegen den Vorstellungen der Assemblee Nationale wollte der Senat insbesondere jeden einfachen Subunternehmer, der nach dem Gesetz nicht ohne weiteres unter die Bauunternehmerhaftung f,mt, vom Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes ausnehmen. In zweiter Lesung hat sich der Senat der Formulierung der Assemblee Nationale angepaßt. Die Einbeziehung der in unbewegliche Sachen eingebauten Produkte in die Haftung schreibt Art. 2 S. 1 2. HS 2. Alt. der Richtlinie vor. Dazu wird in der Literatur zum Teil vertreten, eine Umsetzung dieser Vorschrift sei aufgrund der bestehenden umfassenden Bauunternehmerhaftung nach Art. 1792 ff. Cc entbehrlich 615 • Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden. Nach den Vorgaben der Richtlinie soll jeder Hersteller eines Produkts haften, auch wenn es in eine unbewegliche Sache eingebaut wird, und nicht lediglich solche, die als Hersteller von Baufertigteilen bereits nach Art. 1792-4 Cc haften. Die KlarsteIlung in Art. 1386-3 Cc war daher erforderlich. Dennoch bestehen aufgrund des durch Art. 1386-6 Abs. 3 Cc vorgesehenen Ausschlusses der Adressaten der Bauunternehmerhaftung aus dem Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes Bedenken an einer richtlinienkonformen Umsetzung. Die Bauunternehmerhaftung entspricht nämlich nicht vollständig der Haftung für fehlerhafte Produkte: Schäden an Ausstattungsgegenständen, die nicht untrennbar mit Fundament, Mauerwerk oder Decken verbunden sind und auch nicht die Eignung des Gebäudes zum vorgesehenen Zweck beeinträchtigen, fallen gemäß Art. 1792-3 Cc nur unter die zweijährige Garantie; demgegenüber muß ein Produktgeschädigter seine Ansprüche gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie lediglich innerhalb von drei Jahren geltend machen 616 . Insoweit führt die Vorschrift des Art. 1386-6 Abs. 3 Cc zu einer Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie.

613 614

615 616

Malinvaud, D. 1988, chron. 85,93 f.; Caston, Gaz. Pal. 1988, 1, doctr. 17, 19. Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. Caston, Gaz. Pal. 1988, 1, doctr. 17, 19. Vgl. Muthig, Haftung des Herstellers, S. 216.

112

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

2. Sicherheitsmangel des Produkts Nach Art. 1386-4 Cc ist ein Produkt in Übereinstimmung mit Art. 6 der Richtlinie fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man berechtigterweise von ihm erwarten kann 617 • Anders als nach bisherigem Recht reicht also nicht aus, daß ein Produkt einen Fehler hat, der die Sache zum üblichen oder im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch unbrauchbar macht. Das Produkthaftungsgesetz unterscheidet wie bereits die Richtlinie nicht ausdrücklich zwischen Fabrikations-, Konstruktions- und Instruktionsfehlem; der Sache nach sind aber alle Kategorien erfaßt618 . Welches Maß an Sicherheit jeweils erwartet werden kann, richtet sich nach der objektivierten Verkehrsauffassung; Art. 1386-4 Abs. 1 Cc betont insoweit, daß nur berechtigte Erwartungen relevant sind ("la securite laquelle on peut legitimement s'attendre"). Zusätzliche Anhaltspunkte enthält Abs. 2, der ausdrücklich - aber nicht abschließend - die Präsentation des Produkts, etwa in Werbung und Gebrauchsanweisung, seinen vernünftigerweise vorhersehbaren Einsatz und den Zeitpunkt des Inverkehrbringens aufzählt. Art. 1386-4 Abs. 3 Cc stellt ergänzend klar, daß allein aus der Einführung eines verbesserten Produkts nicht die Mangelhaftigkeit des früher in Verkehr gebrachten folgt.

a

Kein Bewertungsmaßstab ist dagegen gemäß Art. 1386-10 Cc die Einhaltung der Regeln der Kunst, technischer Normen oder einer verwaltungsrechtlichen Genehmigung. Diese Normen stellen lediglich einen Mindeststandard dar, bleiben aber oft hinter dem tatsächlichen Entwicklungsstand zurück und können daher den erzielbaren Sicherheitsstandard nicht widerspiegeln 619 . Diese nur beschränkte Bedeutung von technischen Normen für die Beurteilung der Produktsicherheit war im übrigen bereits unter dem bisherigen Recht anerkannt 62o • Der Senat hatte sich deshalb auch dafür ausgesprochen, die Vorschrift als selbstverständlich zu streichen 621 • Während also die Einhaltung einfacher Normen den Produzenten nicht entlasten kann, entfällt die Haftung ausnahmsweise bei der Beachtung hoheitlicher Normen zwingenden Charakters nach Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 5 CC 622 • Art. 1386-4 Abs. 2 Cc bestimmt als maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Sicherheitsanforderungen den des Inverkehrbringens. Nach Art. 1386-9 Cc ob617 Die gleiche Formulierung findet sich bereits in Art. I des Gesetzes Nr. 83-660, das sich mit der Prävention befaßt. 618 Vg!. Taschner/ Frietsch, Produkthaftung, Richt!. Art. 6 Rz. 9. Eine Differenzierung legen aber die Entlastungsgründe zugrunde, die nicht für alle Fehler gleichermaßen in Betracht kommen. 619 Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 20 383a; Muthig, Haftung des Herstellers, S. 232; vg!. Lorenz in: FS Ferid H, S. 289, 295. 620 Huet, Responsabilite du vendeur, Nr. 160. 621 Doc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 3121. 622 Dazu unten S. 122 f.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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liegt dem Geschädigten aber lediglich der Nachweis des Sicherheitsmangels, nicht dagegen, daß das Produkt bereits beim Inverkehrbringen mangelhaft war623 .

3. lnverkehrbringen

Die Produkthaftung knüpft als Unterfall der Gefährdungshaftung nicht an die bloße Herstellung eines Produkts, sondern an dessen Inverkehrbringen an 624 . Diese zentrale Bedeutung des Inverkehrbringens kommt in dem Gesetz mehrfach zum Ausdruck, so im Rahmen der Einschätzung der Produktsicherheit nach Art. 1386-4 Abs. 2 Cc, im Rahmen der Entlastung des Herstellers nach Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 Cc, bei der Haftung für unterlassene Produktbeobachtung nach Art. 1386-12 CC 625 sowie beim Erlöschen der Haftung nach Art. 1386-16 Cc. Der Gesetzgeber hielt es daher für sinnvoll, den Begriff des Inverkehrbringens (mise en circulation) zu definieren, obwohl die Richtlinie eine solche Definition nicht vorsieht626 . Art. 1386-5 Abs. 1 Cc versteht unter Inverkehrbringen (mise en circulation) jede freiwillige Besitzaufgabe. Entscheidend ist damit, daß der Hersteller die tatsächliche Verfügungsgewalt freiwillig verloren hat; dazu reicht aus, daß der Hersteller die Sache aus seiner Obhut gegeben hat627 . Auf eine Besitz_ 628 oder gar Eigentumsübertragung 629 auf einen Dritten kommt es dagegen nicht an. Umgekehrt liegt kein Inverkehrbringen vor, wenn es an einem freiwiligen Verlust der Verfügungsgewalt fehlt wie insbesondere im Fall des Diebstahls63o . Der Begriff des Inverkehrbringen sollte nach ursprünglicher Konzeption mit dem Begriff der garde in engem Zusammenhang stehen: Die Haftung des gardien setzt voraus, daß er noch Inhaber der Sachherrschaft ist631 ; demgegenüber sollte nach Art. 1386-18 Abs. 3 Cc des Entwurfs von 1993 die Produkthaftung erst nach Aufgabe der garde durch Inverkehrbringen eingreifen632 . Während der Beratungen

Vg!. Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 2 Cc (Art. 1386-10 Nr. 2 Cc Regierungsentwurf). Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20 383d. 625 Im Entwurf von 1993 war die Vorschrift noch als Art. 1386-14 Cc vorgesehen (Art. 1386-13 Cc Regierungsentwurf von 1990). 626 Eine Definition ist gleichwohl unproblematisch, soweit sie sich im Rahmen der EGeinheitlichen Auslegung des Begriffs hält. Vg!. Muthig, Haftung des Herstellers, S. 219. 627 Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20 383e. 628 Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20 383e. 629 Level, Gaz. Pa!. 1990,2, doctr. 492, 493. 630 Level, Gaz. Pa!. 1990, 2, doctr, 492, 493. 623

624

631 Dazu konnte allerdings in bestimmten Fallgruppen die sogenannte garde de la structure ausreichen. Vg!. zu diesem bisher wichtigsten Fall der Gefährdungshaftung oben, S. 132 ff. 632 Vg!. Lorenz in: FS Ferid 11, S. 289, 302; Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 2 383e; Muthig, Haftung des Herstellers, S. 220.

o

8 Beaumart

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

wurde die Bestimmung des Art. 1386-18 Abs. 3 Cc des Entwurfs von 1993 aufgegeben 633 • Der Entwurf aus dem Juli 1993 hat gegenüber dem Regierungsentwurf einen neuen Art. 1386-5 Abs. 2 Cc eingefügt, der festlegt, daß eine Sache nur einmal in Verkehr gebracht werden kann 634 . Damit ist zugleich bestimmt, daß das Inverkehrbringen stets und erst dann erfolgt ist, wenn das Produkt in die Sphäre des Verbrauchers gelangt ist. Nach teilweise vertretener Ansicht soll demgegenüber nach der Konzeption der Richtlinie für den Begriff des Inverkehrbringens die Weitergabe durch den jeweiligen Produzenten entscheidend sein; danach soll ein mehrfaches Inverkehrbringen denkbar sein635 . Diese Auffassung übersieht aber meines Erachtens, daß es sich bei der Produkthaftung um "Außenhaftung" gegenüber dem Verbraucher handelt; eventuell haftungsauslösende Vorgänge innerhalb einer Kette mehrerer Produzenten liegen vor dem Inverkehrbringen und werden von der vereinheitlichten Produkthaftung nicht erfaßt. Der Senat hatte sich während der Beratungen für die Streichung der Vorschrift ausgesprochen, hat sie aber dann der Assemblee Nationale folgend gebilligt636 .

4. Kausalität Gemäß Art. 1386-9 Cc hat der Geschädigte die Kausalität (lien de causalite) zwischen Produktfehler und Schaden zu beweisen. Hinsichtlich des Inhalts des Kausalitätsbegriffs verweist Art. 4 der Richtlinie auf das nationale Recht; es gelten daher die dazu entwickelten allgemeinen Grundsätze. Rechtsprechung und Literatur folgen meist der Adäquanztheorie 637 . In der Rechtsprechung werden zudem auch normative Gesichtspunkte herangezogen638 , so daß der Begriff lien de causalite auch Fragen des Zurechnungszusammmenhangs erfaßt. Insgesamt wird dem Zurechnungszusammenhang bei der Gefahrdungshaftung 639 größere Aufmerksamkeit gewidmet als bei der Verschuldenshaftung, die bereits durch das Erfordernis der faute eingeschränkt wird64o . Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. Die Norm geht auf den Vorschlag des Senats zurück, der die Aussage in einem Satz 2 des (damaligen) Art. 1386-5 Abs. 1 Cc festzuschreiben wollte. Bei der Diskussion des Regierungsentwurfs erhielt der Vorschlag des Senats keine Mehrheit. Erst der Entwurf aus dem Juli 1993 hat ihn in Art. 1386-5 Abs. 2 Cc aufgenommen. 635 MünchKomm/MertenslCahn, Erg.-Bd., § 1 ProdHaftG Rz. 21; TaschnerlFrietsch, Produkthaftung, Art. 7 Richtl. Rz. 7. 636 Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 637 MazeaudlChabas, Obligations, Bd. IIfl, Nr. 566; TerriiSimlerlLequette, Obligations, Nr. 819; Malauriel Aynes, Obligations, Nr. 93 f. jeweils m.w.N. 638 Vgl. TerriiSimlerlLequette, Obligations, Nr. 819. 639 Ob sich im Rahmen der Produkthaftung (,,responsabilite du fait des produits defectueux") dieselben Fragen hinsichtlich der Einwirkung der Sache ("fait de la chose") stellen 633

634

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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5. Adressaten der Haftung a) Hersteller Der Herstellerbegriff erfaßt nach Art. 1386-6 Abs. 1 Cc in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zunächst jeden Hersteller eines Endprodukts, Grundstoffs oder Teilprodukts. Über die Vorgaben der Richtlinie hinaus verlangt der Gesetzentwurf allerdings, daß der Hersteller im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit tätig wird, "agit 3. titre professionnel,,641. Die Abweichung beruht auf einer ungenauen Umsetzung des Art. 7 lit. c) der Richtlinie, die aber im Gesetzgebungsverfahren nicht beanstandet wurde: Nach Art. 7 lit. c) der Richtlinie kann sich der Hersteller entlasten, indem er nachweist, daß er die Sache weder für kommerzielle Zwecke hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat; der Hersteller muß demnach beide Voraussetzungen widerlegen 642 . Unter den Entlastungsgründen des Gesetzes ist aber lediglich die mangelnde kommerzielle Ausrichtung der Produktion geregelt, Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 3 Cc. Die Voraussetzung der Herstellung oder des Vertriebs im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gehört dagegen nach der Formulierung des Gesetzes zum Haftungstatbestand. Dessen Voraussetzungen, also auch das Handeln ,,3. titre professionnel", muß nach allgemeinen Grundsätzen der Geschädigte beweisen, auch wenn dies durch Art. 1386-9 Cc nicht ausdrücklich geregelt ist. Die Abweichung führt also im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr643 . Die Umsetzung ist daher insoweit nicht richtlinienkonforrn 644 • Der klare Wortlaut dürfte einer richtlinienkonformen Auslegung entgegenstehen. Zur Anwendung in der Praxis wird die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten sein. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß sich eine Tätigkeit ,,3. titre professionnel" in vielen Fällen leicht durch Indizien nachweisen lassen wird, etwa durch Hinweis auf eine Produktionsstätte, ein bestehendes Vertriebsnetz sowie Werbeaktivitäten645 . Dem tatsächlichen Hersteller gleichgestellt werden nach Art. 1386-6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Cc der Quasihersteller und der Importeur. Die Regelung entspricht bis auf eine terminologische Abweichung in Art. 1386-6 Abs. 2 Nr. 1 Cc den Vorgaben

wie bisher bei der Sachbalterhaftung, bleibt abzuwarten. Vg!. Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20383 f. 640 TerriiSimler/Lequette, Obligations, Nr. 819. 641 BeeinfluBt durch das bisherige Recht: Danach haftet jeder gewerbsmäßige Verkäufer aufgrund der Vermutung seiner Bösgläubigkeit für Sachmängel, vg!. oben S. 28 f. 642 Taschner/Frietsch, Produkthaftung, Art. 7 Richt!. Rz. 17-19. 643 Muthig, Haftung des Herstellers, S. 224 f. 644 Muthig, Haftung des Herstellers, S. 225. 645 Dementsprechend finden sich in der bisherigen Rechtsprechung keine Entscheidungen, in denen über diese Voraussetzung der Vermutung der Bösgläubigkeit gestritten wurde. 8*

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

der Richtlinie 646 . Art. 1386-6 Abs. 2 Cc enthält wie Abs. 1 die Beschränkung der Haftung auf eine Tätigkeit "a titre professionnel". Hingewiesen sei zudem darauf, daß der in Art. 1386-1 Abs. 2 Cc des Entwurfs von 1993 vorgesehene Ausschluß der Adressaten der Bauwerkshaftung während der Beratungen in die Vorschrift des Art. 1386-6 Abs. 3 Cc verschoben wurde. Die genaue Fonnulierung dieser Vorschrift war zunächst streitig, insbesondere die Frage, ob der Ausschluß vom Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes auch einfache Subunternehmer erfassen soll, die an sich nicht unter die spezielle Bauwerkshaftung fallen 647 • Der Senat hat sich dann der engeren Fonnulierung der Assemblee Nationale angeschlossen648 , die den Ausschluß auf die Adressaten der Bauwerkshaftung beschränkt. b) Lieferanten Nach Art. 1386-7 Abs. 1 Cc 649 haftet jeder gewerbsmäßige Verkäufer oder sonstige Lieferant wie ein Hersteller. Die Vorschrift geht über Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie hinaus, der nur eine subsidiäre Haftung des Lieferanten vorsieht, wenn der Hersteller nicht benannt wird. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Kassationshofs zur Haftung des gewerblichen Verkäufers im Rahmen der Art. 1641 ff. Cc. Die Abweichung dürfte durch das Bestreben motiviert sein, die Rechtsstellung des Geschädigten gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht zu verschlechtern 65o . Aus Sicht der Assemblee Nationale verstärkt die (zusätzliche) Zugriffsmöglichkeit auf den unmittelbaren Vertragspartner den Schutz des Geschädigten und entspricht daher dem Zweck der Richtlinie 651 . Wahrend der Beratungen hat der Senat eine geringfügige Präzisierung angebracht, die von der Assemblee Nationale akzeptiert wurde und die die Herausnahme des Leasinggebers aus dem Kreis der Haftenden betrifft652 . Trotz der Primärhaftung auch des Lieferanten entspricht die Umsetzung der Vorgabe der Richtlinie, die Haftung auf den Hersteller zu kanalisieren653 . Denn auf646 Art. 3 Abs. I 2. HS der Richtlinie stellt den Quasihersteller dem Hersteller nicht nur gleich, sondern bezeichnet ihn ausdrücklich als Hersteller. 647 Vgl. Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755, S. 15,24. 648 Doc. Senat, 1997-1998, Nr. 127. 649 Die Vorschrift war im Regierungsentwurf von 1990 noch als Art. 1386-19 Cc geregelt. Im Laufe der Beratungen wurde sie als Art. 1386-6-1 Cc zu den Vorschriften über den Herstellerbegriff vorgezogen. Diese Stellung hat das Gesetz unter neuer Zählweise beibehalten. Vgl. zu den Beratungen Lem in: FS Sandrock, S. 69, 73-75. 650 Lem in: FS Sandrock, S. 69, 74 f.; Muthig, Haftung des Herstellers, S. 226. 651 Vgl. Doc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 2952, S. 13, wo zusätzlich darauf hingewiesen wird, die Kommission, der der Entwurfstext zugeleitet worden sei, habe diesen Punkt nicht beanstandet. 652 Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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grund des Art. 1386-7 Abs. 2 Cc kann jeder Lieferant den Schaden an den Hersteller weitergeben. Der Rückgriff unterliegt denselben Bedingungen wie der Anspruch des Geschädigten. Eine Situation, in der der Lieferant den Schaden endgültig tragen müßte, kann daher nicht eintreten, sofern nur die Jahresfrist für den Rückgriff eingehalten wird654 . c) Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Die Herstellung eines Produkts durch mehrere Personen regelt das Gesetz· nur lückenhaft. Art. 1386-8 Cc bestimmt lediglich, daß beim Einbau eines Produkts in ein anderes der Hersteller des Gesamtprodukts ("celui qui a realise l'incorporation") und der Hersteller des eingefügten Teils gesamtschuldnerisch haften. Die Norm beschränkt sich auf die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung. Der Formulierung "realiser l'incorporation" kann nach Systematik und Zielsetzung des Gesetzes nicht entnommen werden, daß über die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung hinaus der Kreis der haftenden Personen auf "incorporateurs", die nicht bereits als Hersteller oder Lieferanten haften, erweitert werden soll: Beim Einbau in bewegliche Sachen wird der Einbauende in aller Regel selbst Hersteller sein; eine weitergehende Ausdehnung auf untergeordnete Mitarbeiter in Vertrieb oder Herstellung wäre dagegen sinnwidrig655 . Nach dem Regierungsentwurf konnte beim Einbau in unbewegliche Sachen auch der Werkunternehmer als "incorporateur" angesehen werden 656 , was sich aber bereits aus seiner Eigenschaft als "fournisseur professionnel,,657 ergab 658 . Dem Begriff "incorporateur" kommt damit insgesamt keine eigenständige Bedeutung zu. Außerhalb der solidarischen Haftung von Teile- und Endhersteller ist dagegen die Haftung mehrerer Personen entgegen der Vorgabe des Art. 5 der Richtlinie nicht geregelt. Infolge der Weite des Herstellerbegriffs (tatsächlicher Hersteller, Quasihersteller, Importeur) und der Einbeziehung der Lieferanten in die Haftung stehen einem Geschädigten aber meist mehrere Schuldner gegenüber, ohne daß die speziellen Voraussetzungen des Art. 1386-8 Cc vorliegen. Man könnte insoweit an eine analoge Anwendung des Art. 1386-8 Cc denken659 . Dem steht jedoch entgegen, daß Art. 1202 Cc eine echte Gesamtschuld (obligation solidaire) nur aufgrund gesetzlicher Anordnung oder vertraglicher Vereinbarung Zweifelnd Lem, Haftung für fehlerhafte Produkte, S. 117. Vg!. Art. 1386-7 Abs. 2 S. 2 Ce (Art. 1386-19 Abs. 3 Cc Regierungsentwurf). 655 Ausführlich Muthig, Haftung des Herstellers, S. 227 f. 656 Malinvaud, D. 1988, chron. 85, 89; Caston, Gaz. Pa!. 1988, 1, doctr. 17, 19. 657 Art. 1386-19 Abs. 1 Cc Regierungsentwurf; Art. 1386-6-1 Abs. 1 Cc in der Fassung des Vermittlungsausschusses. 658 Karila, Gaz. Pa!. 1991, 1, doctr. 208, 213. Art. 1386-1 Abs. 2 Cc hat insoweit den Vorrang der speziellen Bauwerkshaftung wiederhergestellt. 659 Ferid/Sonnenberger; Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 20 385a. 653

654

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

zuläßt. In Betracht kommt nur die von der Rechtsprechung entwickelte obligation in solidum66o . Da bereits nach bisherigem Recht sämtliche Glieder in der Absatzkette in solidum hafteten661 , liegt nahe, daß der Gesetzgeber aus diesem Grunde auf eine ausdrückliche Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung verzichtet hat662 . Es ist daher bei Haftung mehrerer der in Art. 1386-6 und 1386-7 Cc genannten Personen von einer obligation in solidum auszugehen 663 . Für den Ausgleich zwischen mehreren Haftpflichtigen ist vom bestehenden nationalen Recht auszugehen664 . Ist die Beitragsintensität ungeklärt, so wird man bei Zusammentreffen mehrerer aufgrund Gefährdungshaftung Haftender auf eine Haftung nach gleichen Anteilen erkennen müssen; überwiegt der Verursachungsbeitrag eines Beteiligten, wird dies in der Haftungsquote berücksichtigt665 . Trifft die Gefährdungshaftung mit Haftung für faute zusammen, gilt der Grundsatz, daß der aufgrund Verschuldenshaftung Verantwortliche keinen Rückgriff bei dem aufgrund Gefährdungshaftung Verantwortlichem nehmen kann666 . Im Zusammenhang mit dem Rückgriff zwischen mehreren Haftpflichtigen ist auf Art. 1386-7 Abs. 2 Cc hinzuweisen: Die Vorschrift stellt sicher, daß der Lieferant, der nach dem französischen Gesetz anders als nach der Richtlinie stets primär haftet, in jedem Falle Rückgriff beim Produzenten nehmen kann, so daß die von der Richtlinie angestrebte Haftungsverlagerung auf den Produzenten erreicht wird667 . Für den Rückgriff des Lieferanten besteht dabei eine einjährige Frist, die im Entwurf zunächst mit "est lui meme cite en justice" umschrieben wurde. Während der Beratungen ist die Formulierung durch "suivant la date de sa citation en justice" ersetzt worden668 . Beide Formulierungen lassen nicht sicher erkennen, ob für den Fristbeginn bereits die Sachverständigenbestellung im refere-Verfahren ausreicht oder ob eine Klage in der Hauptsache eingereicht sein muß. Die inhaltlich übereinstimmende Vorschrift des Expertenentwurfs vom 7. Juli 1987 (Art. 1387-6 Abs. 3 Cc) ließ die Frist erst mit Klage in der Hauptsache beginnen ("cite au fond"). Die Gesetzesberatungen lassen nicht erkennen, daß von dieser Regelung abgewichen werden sollte.

Vg!. oben S. 88. Vg!. Izorche in: Rep. de droit civi1, action directe, Nr. 159; Cass.com., 10. 12. 1991, Contrats, conc., consom. 1992, comm. Nr. 47 m. Anm Leveneur. 662 Caston, Gaz. Pa!. 1988, 1, doctr. 17,20. 663 Ähnlich Muthig, Haftung des Herstellers, S. 254, die aber eine richtlinienkonforme Auslegung heranzieht. Das bestehende Recht reicht m.E. aus. 664 Vg!. Art. 5 der Richtlinie. 665 Terre! Simler / Lequette, Obligations, Nr. 1161; Mazeaud/ Chabas, Obligations, Bd. 11 / 1, Nr. 1072 m.w.N. 666 Mazeaud/Chabas, Obligations, Bd. 11/ I, Nr. 1072. Dort auch zu Ausnahmen von diesem Grundsatz. 667 Vg!. oben S. 116 f. 668 Vg!. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 660 661

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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In. Entlastungsmöglichkeiten des Herstellers Art. 1386-11 Cc setzt sämtliche Entlastungstatbestände des Art. 7 der Richtlinie um. Im Regierungsentwurf von 1990 waren sie noch zum Teil in Art. 1386-10 Cc, zum Teil im Zusammenhang mit anderen Normen geregelt. Auch wenn dies nur selten relevant werden dürfte, ist anerkannt, daß außerhalb der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Entlastungsgründe ein aufgrund höherer Gewalt entstandener Produktfehler bereits nach nationalem Recht entlastet.

1. Fehlendes 1nverkehrbringen Nach Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 1 Cc ist die Haftung des Herstellers ausgeschlossen, wenn er nachweist, daß er das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat, es also ohne oder gegen seinen Willen in den Verkehr gelangte.

2. Später entstandener Mangel Nach Art. 1386-11 Abs. I Nr. 2 Cc haftet der Hersteller nicht, wenn er nachweist, daß "unter Berücksichtigung der Umstände davon auszugehen ist", daß der Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht vorhanden war. Die Gesetzentwürfe sprachen insoweit noch vom strengen Nachweis des Nichtvorhandenseins des Fehlers und stellten damit dem Wortlaut nach höhere Beweisanforderungen. Die jetzige Formulierung in Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 2 Cc hat die einschränkende Formel der Richtlinie aufgenommen. Nach Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 2 Cc reicht der Nachweis von Umständen aus, die die Fehlerfreiheit des Produkts zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens hinreichend nahelegen 669 • Besondere Bedeutung kommt dabei Art und Intensität der zwischenzeitlichen Verwendung, einem eventuellen Einwirken Dritter sowie der seit Inverkehrbringen vergangenen Zeit ZU 670 • Die getroffene Beweislastverteilung legt dem Hersteller mittelbar eine Dokumentationspflicht auf7 !; sie ist aber insofern interessengerecht, als dem Hersteller eine Entlastung in der Regel leichter fallen dürfte als dem Geschädigten der Nachweis des Vorhandenseins des Fehlers672 • Die Rechtsprechung gelangte nach bisherigem Recht zu verleichbaren Ergebnissen, indem sie dem Geschädigten den Nachweis des Vorhandenseins des Mangels im Sinne des Art. 1641 Cc mit Hilfe von tat-

669

670

67! 672

Vgl. Muthig, Haftung des Herstellers, S. 230. Taschner I Frietsch, Produkthaftung, § 1 ProdHaftG Rz. 71. Vgl. TaschnerlFrietsch, Produkthaftung, § 1 ProdHaftG Rz. 72. Ghestin, D. 1986, chron. 135, 139.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

sächlichen Vermutungen erleichterte 673 ; diese wiederum konnte gegebenenfalls der Hersteller nach allgemeinen Grundsätzen erschüttern674 .

3. Fehlende kommerzielle Ausrichtung Nach Art. 1386-11 Abs. I Nr. 3 Cc kann sich der Hersteller entlasten, indem er nachweist, daß er das Produkt weder für den Verkauf noch für eine andere Form des Vertriebs hergestellt hat. Aus den genannten Alternativen ergibt sich bereits, daß nur Vertriebs formen mit wirtschaftlicher Ausrichtung erfaßt sind, so daß der Fortfall der Formulierung des Regierungsentwurfs "en vue d'un but economique" keine sachliche Änderung bewirkt. Der Entlastungstatbestand des Art. 7 lit. c der Richtlinie erfordert neben dem Nachweis der fehlenden kommerziellen Ausrichtung den Nachweis, daß der Hersteller das Produkt nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat. Dieses Merkmal wird von der Richtlinie abweichend im Rahmen der Bestimmung des Herstellerbegriffs umgesetzt 675 .

4. Einwand des Entwicklungsrisikos Besonders diskutiert wurde während des Gesetzgebungsverfahrens der Einwand des Entwicklungsrisikos. Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 4 Cc sieht jetzt vor, daß sich der Hersteller entlasten kann, indem er nachweist, daß der Mangel zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse nicht erkennbar war. Von der Möglichkeit des Art. 15 Abs. llit. b der Richtlinie, dem Hersteller den Einwand des Entwicklungsrisikos abzuschneiden, ist damit kein Gebrauch gemacht worden. Die Vorschrift fand sich bereits als Art. 1386-10 Nr. 4 Cc im Regierungsentwurf von 1990. Bei dessen Beratung stieß die Entlastung für Entwicklungsrisiken aber auf Widerstand in Senat und Verrnittlungsausschuß676 ; erst der Gesetzentwurf von 1993 hat den Entlastungsgrund wieder aufgenommen. Bei den Beratungen des Regierungsentwurfs im Verrnittlungsausschuß 677 wurde gegen eine Entlastung für Entwicklungsrisiken insbesondere die Infizierung von Blutspendepatienten durch Aids-verseuchte Blutkonserven angeführt678 , für die Vgl. Collart Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 272 m.w.N. Vgl. Dupichot in: J.-Cl. civil, Art. 1349-1353 Ce, Fasc. I Nr. 8 f. 675 V gl. oben S. 115 f. 676 Vgl. Ooc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 3142, S. 10,5-7. 677 Ooc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 3142, S. 5 f. 678 Dabei spielte eine Rolle, daß die ersten Opfer der Transfusionen ausschließlich auf die zivilrechtliche Haftung angewiesen waren. Erst durch Art. 47 des Gesetzes Nr. 91-1406 vom 673

674

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Entlastung wurde auf mögliche Wettbewerbsnachteile französischer Hersteller679 sowie auf das Erfordernis einer höheren Versicherung hingewiesen. Für die Streichung des Entlastungsgrunds durch den Vermittlungsausschuß war daneben die Tatsache bedeutsam, daß das bisherige Recht diese Entlastung nicht kannte 68o • Diese Feststellung zum bisherigen Recht trifft zu; nur eine einzelne Entscheidung aus dem Arzneimittelrecht hat den Einwand ausdrücklich zugelassen 681 . Allerdings war der Begriff des Entwicklungsrisikos bislang kein Systembegriff des Produkthaftungsrechts. Der Ausschluß des Entwicklungsrisikos ergibt sich vielmehr aus Besonderheiten der jeweiligen Anspruchsgrundlagen 682 : Im Gewährleistungsrecht ist anerkannt, daß der gewerbliche Verkäufer auch für unerkennbare objektive Fehler haftet; dazu zählen auch solche objektiven Fehler, die nach dem damaligen Stand der Technik nicht erkennbar waren und sich erst später als schon damals vorhandene Fehler herausstellen 683 . Bei der Haftung aufgrund allgemeinen Nichterfüllungsrechts ist dieser Sonderstatus der Haftung für Sachen weniger ausgeprägt684 : Hinsichtlich der obligation de securite hat die Rechtsprechung bislang nicht Stellung dazu genommen, ob in diesem Bereich der Einwand des Entwicklungsrisikos entlastet. Gegen die Entlastungsmöglichkeit könnte aber die Parallele zur Haftung aus Sachmängelgewährleistung sprechen, aus der die obligation de securite in der Produkthaftung hervorgegangen ist685 . Weniger streng ist die Haftung bei der Verletzung von Informationspflichten, die lediglich als obligations de moyens ausgestaltet sind. Insoweit ist anerkannt, daß die Pflicht des gewerblichen Verkäufers, selbst Erkundigungen einzuholen, um den Käufer informieren zu können, nur soweit reicht, als ihm diese Informationen zugänglich sind686 ; eine solche Informationsmöglichkeit hat der Verkäufer aber hinsichtlich Entwicklungsrisiken gerade nicht. Bei der Haftung wegen Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware geht es in erster Linie um Übereinstimmung mit den vertraglichen Vereinbarungen; ein Vergleich mit späteren technischen Verbesserungen dürfte daher unstatthaft sein. Demnach haftet der Verkäufer bereits dann nicht, wenn die Ware nach den getrof31. 12. 1991 wurde ein Entschädigungsfonds eingerichtet, abgedruckt in JCP 1992, III, 65301. 679 Ein Beispiel für eine Konstellation, in der ein solcher Wettbewerbsnachteil zum Tragen kommt, findet sich bei Ferid/Sonnenberger; Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 2 0 384b. 680 Doc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 3142, S. 5. 681 Cass. civ. Ire, 08. 04. 1986, Bull. civ. I, Nr. 82. 682 Ausführlich Berg, JCP 1996, I, 3945, Nr. 35-43. 683 Huet in: J.-Cl. ci vii, Art. 1641-1649 Cc, Fasc. 320, Nr. 113; Viney in: Securite des consommateurs, S. 71, 75; Ghestin, Conformite et garanties, Nr. 265; Cass. com., 15. 11. 1971, D. 1972,jur. 211; Cass. civ. Ire, 12.04.1995, JCP 1995, 11, 22467 m. Anm. Jourdain. Letztere Entscheidung betrifft einen Fall verseuchten Blutes, wo das Entwicklungsrisiko besonderes deutlich wird. 684 Berg, JCP 1996, I, 3945, Nr. 36. 685 Nach Berg, JCP 1996, I, 3945, Nr. 36 soll sich die Unbeachtlichkeit des Einwands des Entwicklungsrisikos bereits aus dem Charakter als obligation de resultat ergeben. 686 Vgl. Ghestin, Formation du contrat, Nr. 647.

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

fenen Vereinbarungen dem damaligen Stand entspricht687 . Im Deliktsrecht ist hinsichtlich des Einwands des Entwicklungsrisikos zwischen der Sachhalterhaftung und der deliktischen Verschuldenshaftung zu unterscheiden: Bei der Sachhalterhaftung nach Art. 1384 Cc wird einhellig angenommen, daß nur eine cause etrangere entlasten kann. Dies setzt imprevisibilite, irresistibilite und exteriorite voraus 688 . Bei der Sachhalterhaftung müßte daher das entlastende Ereignis von außerhalb kommen, was aber bei Entwicklungsrisiken schon begrifflich ausgeschlossen ist689 . Im Rahmen der deliktischen Verschuldenshaftung läßt sich die Frage der Beachtlichkeit des Einwands des Entwicklungsrisikos nicht einheitlich beantworten: In diesem Bereich wird das Verschulden gegenüber dem Dritten systematisch aus einer Vertragsverletzung hergeleitet; insoweit dürfte daher nach der jeweils verletzten vertraglichen Pflicht zu differenzieren sein. Aus dieser Abweichung zwischen bisherigem und neuem Recht kann sich ein Anreiz für den Geschädigten ergeben, nach den herkömmlichen Anspruchsgrundlagen vorzugehen. Art. 1386-18 Abs. 1 Cc läßt eine solche Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zu, so daß der Einwand des Entwicklungsrisikos umgangen werden könnte. Der zunächst in Art. 1386-18 Abs. 3 Cc des Entwurfs von 1993 vorgesehene Ausschluß der Haftung aufgrund Sachhalterhaftung ist in den Beratungen fallengelassen worden69o . Inhaltlich umfaßt der Begriff connaissances scientifiques et techniques den Inbegriff der Sachkunde, die auf technischem und wissenschaftlichem Gebiet verfügbar ist691 . Daß die bloße Einhaltung aller Regeln der Kunst in diesem Zusammenhang nicht ausreicht, sagt bereits Art. 1386-10 Cc. Über die Aufnahme des Einwands des Entwicklungsrisikos konnte Einvernehmen erzielt werden. Auf Initiative der Assemblee Nationale, der sich der Senat angeschlossen hat, wurde allerdings in Art. 1386-12 Cc festgeschrieben, daß der Einwand des Entwicklungsrisikos unzulässig ist bei Produkten und Substanzen des menschlichen Körpers.

5. Übereinstimmung mit zwingenden Vorschriften

Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 5 Cc läßt die Haftung des Herstellers in Übereinstimmung mit Art. 7 lit. d der Richtlinie entfallen, wenn der Mangel darauf beruht, daß das Produkt in Übereinstimmung mit verbindlichen hoheitlichen Normen herge687 Gegen den Einwand des Entwicklungsrisikos aber unter Berufung auf den Charakter als obligation de resultat Berg, JCP 1996, I, 3945, Nr. 40. 688 StarcklRolandlBoyer, Obligations, Bd. 1; Nr. 661-672; MazeaudlChabas, Obligations, Bd. 11/1, Nr. 576 f. 689 Jourdain, RTO civ. 1990,488,489; Berg, JCP 1996, I, 3945 Nr. 43. 690 Vg!. Synopse in Ooc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 691 TaschnerlFrietsch, Produkthaftung, Art. 7 Richt!. 7 Rz. 43.

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stellt wurde. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit Art. 1386-10 Cc zu lesen. Danach haftet der Hersteller auch dann, wenn er die Regeln der Kunst und die bestehenden Normen eingehalten hat oder eine behördliche Genehmigung besaß. Unter die normes imperatives des Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 5 Cc fallen daher in keinem Fall die technischen Normen, die von Normierungsinstituten oder berufsständischen Vereinigungen aufgestellt werden692 ; diese stellen nur Verhaltensempfehlungen und insoweit Mindeststandards dar. Auch den aufgrund Art. 11 des Decret Nr. 84-74 vom 26. Januar 1984693 von der Association fran~aise de normalisation anerkannten normes homologuees fehlt der hoheitliche Charakter; erst wenn sie gemäß Art. 12 durch den zuständigen Minister für verbindlich erklärt werden, sind sie als zwingende hoheitliche Normen anzusehen.

6. Entlastung des Herstellers von Einbauteilen Art. 1386-11 Abs. 2 Cc enthält einen speziellen Entlastungsgrund für den Hersteller von Einbauteilen. Dieser wird von der Haftung frei, wenn er nachweist, daß der Mangel auf der Konstruktion des Produkts, in das sein Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder auf Anweisungen des Herstellers beruht.

IV. Produktbeobachtungspflicht Nach dem Entwurf von 1993 sollte durch Art. 1386-14 Cc eine Produktbeobachtungspflicht aufgenommen werden. Diese Vorschrift wurde nun in Art. 1386-12 Cc aufgenommen. Art. 1386-12 Cc führt nach dem Vorbild des deutschen Rechts 694 , aber ohne Vorgabe durch die Richtlinie eine Produktbeobachtungs-, Warn- und Rückrufpflicht ein. Der Hersteller haftet gemäß Art. 1386-12 Cc, wenn er nicht nachweisen kann, daß er bei Auftreten eines Mangels innerhalb von zehn Jahren seit Inverkehrbringen geeignete Maßnahmen zur Schadensverhütung ergriffen hat, insbesondere eine Warn- und Rückrufaktion durchgeführt hat. Auf Betreiben der Assemblee Nationale wurde in dieser Vorschrift zusätzlich festgelegt, daß der Einwand des Entwicklungsrisikos ausgeschlossen ist bei Produkten und Substanzen des menschlichen Körpers. Die Einführung der Produktbeobachtungspflicht stellt eine Ergänzung des Gesetzes Nr. 83-660 vom 21. Juli 1983 dar. Danach konnten bislang lediglich die Behörden geeignete Maßnahmen treffen, um Schäden durch mangelhafte Produkte zu

Z.B. die Association fran~aise de normalisation (AFNOR). Text in D. 1984, leg. 189 f. 694 So der Bericht der Commission des 10is, Doc. Assemblee Nationale, 1991-1992, Nr. 2136, S. 30. 692

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

verhindern; nunmehr wird auch den Herstellern selbst eine entsprechende Pflicht auferlegt. Im einzelnen hat die Regelung des Art. 1386-12 Cc allerdings Anlaß zu Zweifeln gegeben 695 . Dabei ist davon auszugehen, daß ein Verständnis der Norm als zusätzlicher Entlastungsgrund von vornherein ausscheidet. Daß sich der Hersteller eines mangelbehafteten Produkts allein durch spätere Rückruf- und Wamaktivitäten entlasten könnte, erscheint sinnwidrig 696 . Zudem ist ein solcher Entlastungsgrund von der Richtlinie auch gar nicht vorgesehen697 . Zum Teil wird vertreten, die Produktbeobachtungs-, Wam- und Rückrufpflicht komme nur zum Tragen, wenn der Hersteller ohnehin wegen Auftretens eines Produktfehlers zu haften hätte698 . Nach dieser Auslegung käme allerdings der Haftung wegen Verletzung der Produktbeobachtungspflicht neben der allgemeinen Haftung für Inverkehrbringen mangelbehafteter Produkte keinerlei Bedeutung mehr ZU 699 . Denn für bei Inverkehrbringen bereits latent vorhandene, aber erst später auftretende Produktfehler haftet der Hersteller ohnehin bereits gemäß Art. 1386-1, 1386-4 Cc, ohne daß die Produktbeobachtungspflicht herangezogen werden müßte 700 . Für erst später entstandene Sicherheitsmängel soll die objektive Haftung des Herstellers dagegen nach Art. 1386-11 Abs. 1 Nr. 2 Cc nicht eingreifen. Einen sinnvollen Anwendungsbereich erhält Art. 1386-12 Cc dagegen, wenn man die Norm als zusätzliche Haftungsregel versteht, die den Hersteller verpflichtet, sein in Verkehr gebrachtes Produkt über zehn Jahre hinweg zu beobachten und einzuschreiten, wenn sich nachträglich Sicherheitsmängel ergeben 701. Bei diesem Verständnis begründet Art. 1386-12 Cc eine Haftung des Herstellers wegen Unterlassens erforderlicher Information, Rücknahme oder Rückrufs des Produkts oder anderer geeigneter Maßnahmen nach dessen Inverkehrbringen. Die Haftung ist dann als deliktische Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr zu verstehen 702 .

695 Vgl. Barret in: Rep. de droit civil, vente, Nr. 1697; ColiartlDutilleul Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 311. 696 Collart DutilleullDelebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 311. 697 Vgl. FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/1, Rz. 2 0 384d. 698 Lorenz in: FS Ferid 11, S. 287, 297 f.; ColiartlDutilleul Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 311. 699 So ausdrücklich Collart Dutilleull Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr.311. 700 Muthig, Haftung des Herstellers, S. 238. 701 FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 2 0 383c. 702 Vgl. FeridlSonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 20 383c.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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v. Haftungsumfang 1. Ersatifähiger Schaden Nach Art. 1386-2 Cc haftet der Hersteller aufgrund des Produkthaftungsgesetzes für alle Personen- und Sachschäden mit Ausnahme der an der fehlerhaften Sache selbst entstandenen. Mit der Vorschrift ist der Gesetzgeber in einzelnen Punkten von den Vorgaben des Art. 9 der Richtlinie abgewichen. a) Personenschäden Unter Personenschäden sind alle aus der Verletzung· oder Tötung eines Menschen entstehenden Schäden zu verstehen. Hinsichtlich der einzelnen Schadensposten hat die Richtlinie keine Vorgabe gemacht; Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie überläßt insbesondere die Frage des Ersatzes eines etwaigen immateriellen Schadens dem nationalen Recht. Da die Art. 1386-1 ff. Cc insoweit keine Regeln aufgestellt haben, gelten die allgemeinen Grundsätze des französischen Rechts 703 . Ein Schadensersatzanspruch umfaßt daher als materiellen Schaden insbesondere die Heilungskosten, eine Entschädigung für dauernde körperliche Beeinträchtigung und den Verdienstausfa1l 704 , daneben werden auch immaterielle Schäden ersetzt705 . Bei einem Todesfall erfaßt der Ersatzanspruch zudem eine Entschädigung der Angehörigen des Opfers für erlittenen seelischen Schmerz, den prejudice morae06 . b) Sachschäden Anders als Art. 9 Abs. 1 lit b, i und ii der Richtlinie beschränkt Art. 1386-2 Cc die Haftung nicht auf Schäden an privat genutzten Sachen, sondern bezieht auch solche an gewerblich genutzten Sachen mit ein. Diese Abweichung ergibt sich aus dem ursprünglich verfolgten Ziel, ein einheitliches Haftungssystem für sämtliche Produktschäden zu schaffen707 • Dies sollte nach der Fassung des Regierungsentwurfs durch den Ausschluß anderer Anspruchsgrundlagen erreicht werden 708, so daß eine Differenzierung zwischen Schäden an privat und gewerblich genutzten Sachen nicht möglich erschien 709 . Inzwischen ist durch Art. 1386-18 Cc der AusVgl. Lem in: FS Sandrock, S. 69, 80. Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. I, Nr. 98 f. 705 Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. I, Nr. 123-126. Dazu zählen Schmerzensgeld sowie Entschädigung für ideelle und ästhetische Schadensfolgen; bei einem Todesfall ist der "prejudice moral" der Angehörigen zu ersetzen, vgl. oben S. 31 f. 706 Starck/Roland/Boyer; Obligations, Bd. 1, Nr. 126. 707 Vgl. dazu die Begründung des Regierungsentwurfs, Doc. Assemblee Nationale, 19891990, Nr. 1395, S. 4. 708 Art. 1386-17 Cc Regierungsentwurf. 703

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Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

schluß anderer Anspruchsgrundlagen aufgegeben. Die Einbeziehung von Schäden an gewerblich genutzten Sachen ist aber beibehalten worden. Die Einbeziehung auch gewerblicher Sachschäden wird zum Teil als richtlinienwidrige Umsetzung angesehen 7·1O • Es liege eine Abweichung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie vor, die auch durch Art. 13 der Richtlinie nicht gedeckt sei. Nachdem die Ausschließlichkeit der Produkthaftung gegenüber den traditionellen Anspruchs grundlagen aufgegeben worden sei, könne der Entwurf nicht mehr für sich beanspruchen, nur den bisherigen Rechtszustand aufrechtzuerhalten. Denn Schäden an gewerblich genutzten Sachen könnten jetzt wieder ohne weiteres über die Sachmängelhaftung abgewickelt werden; für ihre Einbeziehung in die Art. 13861 ff. Ce sei kein Raum. Meines Erachtens treffen diese Einwände nicht zu. Art. 13 der Richtlinie stellt es den nationalen Gesetzgebern anheim, die Haftung auch auf Schäden an gewerblich genutzten Sachen zu erstrecken711, so daß eine richtlinienkonforme Umsetzung vorliegt. Eine Einschränkung des Ersatzes für Schäden an gewerblich genutzten Sachen sieht aber Art. 1386-15 Abs. 2 Ce vor. Danach können gewerbliche Hersteller und Händler die Haftung für solche Schäden ausschließen. c) Keine Selbstbeteiligung Eine Selbstbeteiligung nach der Vorgabe von Art. 9 Abs. 1 lit. b der Richtlinie hat der französische Gesetzgeber nicht umgesetzt, obwohl insoweit kein Wahlrecht zugestanden wurde. Unter Berücksichtigung von Art. 13 der Richtlinie ist dieses Vorgehen gleichwohl richtlinienkonform 712. Art. 13 der Richtlinie stellt es dem nationalen Gesetzgeber frei, das bestehende Haftungsrecht derart umzugestalten, daß stets der Weg über dieses Haftungssystem offensteht; eine Selbstbeteiligung braucht dann nicht vorgesehen zu werden. d) Keine Haftungshöchstgrenze Die in Art. 16 der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen, hat der französische Gesetzgeber als nicht der juristischen Tradition entsprechend713 abgelehnt. 709 Der Vorschlag des Senats, die Haftung auf auf private Sachschäden zu beschränken, konnte sich nicht durchsetzen, vgl. Doc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 3121, S. 2. 710 Lem in: FS Sandrock, S. 69, 81 f. 711 So auch die Stellungnahme des lustizministers im Gesetzgebungsverfahren, Doc. Assemblee Nationale, 1992-1993, Nr. 2952, S. 9. 712 Muthig, Haftung des Herstellers, S. 243. 713 Doc. Assemblee Nationale, 1989-1990, Nr. 1395, S. 6.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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2. Haftungsminderung infolge Mitverursachung durch den Geschädigten und Dritte Nach Art. 1386-13 Cc kann die Haftung gemindert werden oder sogar ganz entfallen, wenn die Schädigung sowohl durch den Sicherheitsmangel des Produkts als auch durch faute des Geschädigten oder einer Person, für die er verantwortlich ist, verursacht wurde. Die Regelung entspricht nahezu wörtlich Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie. Insbesondere erfordert die Haftungsminderung nunmehr ein Verschulden des Geschädigten bzw. seiner Erfüllungsgehilfen, während Art. 1386-11 Cc in der Fassung des Regierungsentwurfs von 1990 seinem Wortlaut nach die bloße Mitverursachung ausreichen ließ. Die Frage, ob eine schuldlose Mitverursachung ausreicht 714, mithin eine richtlinienkonforme Umsetzung vorliegt, stellt sich daher unter dem jetzigen Entwurf nicht mehr. Art. 1386-12 Abs. 2 Cc des Entwurfs von 1993 enthielt eine Definition des Verschuldens des Geschädigten. In den Beratungen wurde der Absatz durch beide Kammern gestrichen715 • Die Haftungsminderung greift auch dann ein, wenn der Schaden durch Mitverschulden einer Person, für die der Geschädigte haftet, mitverursacht worden ist. Unter welchen Voraussetzungen sich der Geschädigte das Verhalten eines solchen Dritten zurechnen lassen muß, bestimmt das nationale Recht 716 • Eine weitreichende Haftung für Dritte sowohl im vertraglichen wie im deliktischen Bereich stellt Art. 1384 Cc auf, wobei neuerdings über die Fallgruppen der Abs. 4-6 hinaus der Art. 1384 Abs. 1 Cc als Auffangnorm der Haftung für Dritte angesehen wird717 • Darüber hinaus bestimmt Art. 1386-14 Cc in Übereinstimmung mit Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie, daß sich die Mitverursachung des Schadens durch sonstige Dritte auf die Haftung des Herstellers nicht auswirkt. Der Geschädigte kann sich in solchen Fällen nach den Regeln über die Schadensverursachung durch mehrere Ursachen an jeden Haftenden halten; wer von diesen den Schaden letztlich tragen muß, ist eine Frage des internen Ausgleichs zwischen Hersteller und Drittem718 •

714 Dafür: Schmidt-Salzer/Hollmann, Bd. 1, Ein!. Rz. 86; dagegen: Taschner/Frietsch, Produkthaftung, Art. 8 Rieht!. Rz. 9. 715 Vg!. Synopse in Doe. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 716 Taschner/Frietsch, Produkthaftung, Art. 7 Rieht!. Rz. 11. 717 Starck/ Roland/ Boyer, Obligations, Bd. I, 982-985 unter Hinweis auf Cass. ass. plen., 29.03. 1991, JCP 1991, 11, 21673. 718 Ferid/Sonnenberger; Frz. ZR, Bd. 4/ I, Rz. 20 385a.

128

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

VI. Haftungsbeschränkungen Nach Art. 1386-15 Abs. 1 Cc sind in Übereinstimmung mit Art. 12 der Richtlinie Klauseln ausgeschlossen, durch die die Produkthaftung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden soll. Soweit es sich allerdings um Schäden an Sachen handelt, die nicht zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt sind, läßt Art. 1386-15 Abs. 2 Cc solche Klauseln zwischen professionellen Vertragspartnem zu. Der Entwurf aus dem Juli 1993 bestimmte ursprünglich, daß solche zwischen gewerblich Handelnden geschlossene Klauseln nur dann unwirksam seien, wenn sie der Hersteller durch Mißbrauch wirtschaftlicher Macht eingeführt habe und sie ihm einen unverhältnismäßigen Vorteil brächten 719 . Während der Beratungen entschloß man sich, die Regelung nicht mehr von der Ausnahme her zu umschreiben und Haftungsbeschränkungen zwischen "professionnels" schlicht generell für wirksam zu erklären 720. Freizeichnungen für Personenschäden sind dagegen bereits nach allgemeinen Grundsätzen unwirksam 72 I.

VII. Verjährung und Erlöschen 1. Verjährung

Die Ansprüche aufgrund der Art. 1386-1 ff. Cc verjähren gemäß Art. 1386-17 Ce und in Übereinstimmung mit Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie nach drei Jahren ab Kennen oder Kennenmüssen des Schadens, des Produktfehlers und des verantwortlichen Herstellers. Diese Verjährung gilt nur für die Produkthaftung; gegebenenfalls mit der Produkthaftung konkurrierende Ansprüche nach Vertrags- oder Deliktsrecht unterliegen den dafür geltenden Verjährungsfristen. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie hat die Regelung der Unterbrechung und Hemmung der Verjährung dem nationalen Recht überlassen; hier gelten also die Art. 2242 ff. Cc und Art. 2251 ff. Cc. Unterbrechung erfolgt nach Art. 2244 Cc insbesondere durch Klageerhebung, aber auch durch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zur Sachverständigenbestellung.

719 Die Formulierung ist Art. 35 des Gesetzes vom 10. 01. 1978 entlehnt, der an sich nur dem Verbraucherschutz dient. 720 Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755. 72I Collart Dutilleul / Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Nr. 306.

D. Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz

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2. Erlöschen

Die Ansprüche aufgrund Produkthaftung erlöschen in' Übereinstimmung mit Art. 11 der Richtlinie gemäß Art. 1386-16 Cc nach Ablauf von zehn Jahren nach Inverkehrbringen. Die Formulierung "la responsabilite ... est eteinte" läßt erkennen, daß es sich nicht um eine Befristung der Ansprüche des Geschädigten, sondern um eine Befristung des Haftungstatbestands handelt 722. Daraus folgt zugleich, daß die Haftung nicht entfällt, wenn vor Ablauf der Frist Klage erhoben wird. Ob auch die Bestellung eines Sachverständigen ausreicht, ist zweifelhaft723 ; der Wortlaut dürfte eher dagegen sprechen724. Selbstverständlich ist, daß die Befristung nur für die Produkthaftung, nicht aber für etwaige vertragliche oder deliktische Ansprüche gilt. Insoweit gelten die allgemeinen Verjährungsregeln nach Art. 2262 Cc und Art. 189 bis C. com. (30 bzw. 10 Jahre im Vertragsrecht) bzw. Art. 2270-1 Cc (10 Jahre im Deliktsrecht)725.

VIII. Verhältnis der Produkthaftung zu anderen Anspruchsgrundlagen Nach Art. l386-18 Abs. 1 Cc sind die traditionellen vertraglichen und außervertraglichen Anspruchsgrundlagen grundsätzlich neben den speziellen der Produkthaftung anwendbar. Dieses Nebeneinander besteht allerdings nur, soweit das Integritätsinteresse betroffen ist; hinsichtlich Schäden an der Sache selbst sowie reiner Vermögensschäden726 gelten allein die Art. 1641 ff. CC. In bezug auf die Konkurrenz zwischen traditionellen Anspruchsgrundlagen und speziellen der Produkthaftung besteht eine Abweichung gegenüber der Regelung des Regierungsentwurfs von 1990. Der Regierungsentwurf sah in Art. 1386-17 Cc für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Inverkehrbringen noch den Ausschluß sämtlicher Vorschriften vor, die den Ersatz von Schäden aufgrund von Sicherheitsmängeln zum Gegenstand hatten, insbesondere war die Sachmänge1gewährleistung während eines Zeitraums von zehn Jahren seit Inverkehrbringen ausgeschlossen; bestehen bleiben sollte aber die Haftung für faute 727. Die durch diese Bestimmung angestrebte Vereinheitlichung der Haftung für Sicherheits mängel ist durch den Entwurf von 1993 und die ihm insoweit folgende Gesetzesfassung aufgegeben worden. Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 20387. Vg!. Huglo, JCP ed. E, 1990,11, 15687, S. 72. 724 Vg!. Muthig, Haftung des Herstellers, S. 251 f. 725 Diese Fristen beginnen nicht mit dem Inverkehrbringen, sondern mit Auftreten des Mangels. 726 Vg!. Level, Gaz. Pa!. 1990,2, doctr. 492, 493. 727 Die Bestimmung gab Anlaß zu Zweifeln, ob auch die Haftung für non-conforrnite ausgeschlossen werden soll, die begrifflich Haftung für faute darstellt. Vg!. Ferid/Sonnenberger, Frz. ZR, Bd. 4/ 1, Rz. 20 382b; Muthig, Haftung des Herstellers, S. 258. 722

723

9 Beaumart

130

Erster Teil: Haftung in Absatzketten nach französischem Recht

Die Vorschrift, daß die Haftung des Herstellers für faute unberührt bleibt, findet sich jetzt in Art. 1386-18 Abs. 2 Cc. Da jedoch nach Abs. 1 ohnehin der Hersteller nach allen in Betracht kommenden vertraglichen wie außervertraglichen Anspruchsgrundlagen in Anspruch genommen werden kann, sagt diese Vorschrift in diesem Zusammenhang lediglich eine Selbstverständlichkeit aus. Nach dem Entwurf aus dem Juli 1993 sollte nach Inverkehrbringen der Sache die Sachhalterhaftung ausgeschlossen ausgeschlossen sein (Art. 1386-18 Abs. 3 Cc). Die Bestimmung ist im Laufe der Beratungen aufgegeben worden 728 , so daß die Sachhalterhaftung auch nach Inverkehrbringen konkurrierend zum Zuge kommenkann.

728

Vgl. Synopse in Doc. Assemblee Nationale, 1997-1998, Nr. 755.

Zweiter Teil

Internationale Zuständigkeit Die vertraglichen Direktansprüche des französischen Rechts lassen sich in das europäische Recht der internationalen Zuständigkeit nicht ganz reibungsfrei einordnen. Die Schwierigkeiten beruhen maßgeblich auf der Frage, ob für vertragliche Direktansprüche der Gerichtsstand für Vertragsklagen nach Art. 5 Ziff. I EuGVÜ oder der für Deliktsklagen nach Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ eröffnet ist. Die Untersuchung befaßt sich mit den Zuständigkeiten nach den Vorschriften des EuGVÜ I; diese sind im deutsch-französichen Rechtsverkehr allein maßgeblich. Für Frankreich wie Deutschland gilt dabei das EuGVÜ in der Fassung der dritten Überarbeitung vom 26. Mai 19892 . Der Text dieser jüngsten Bearbeitung stimmt weitgehend mit dem des Übereinkommens von Lugano 3 (LugÜ) überein; die Auslegung des EuGVÜ erlangt damit auch für das LugÜ Bedeutung4 .

A. Räumlicher Anwendungsbereich des EuGVÜ Die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ setzt grundsätzlich voraus, daß der Beklagte seinen Wohnsitz (Art. 52 EuGVÜ) bzw. bei juristischen I Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. 09. 1968, ABI. EG 1972, L 299/31. Erste Überarbeitung durch Beitrittsübereinkommen vom 09. 10. 1978, ABI. EG 1978, L 304/1. Zweite Überarbeitung durch Beitrittsübereinkommen vom 25. 10. 1982, ABI. EG 1982, L 388/1. Dritte Überarbeitung durch Beitrittsübereinkommen vom 26.05.1989, ABI. EG 1989, L 285/1. 2 ABI. EG 1989, L 285/1; vgl. dazu den offiziellen Bericht von de Almeida Cruz/ Desanfes Real/Jenard, AbI. EG 1990, C 189/35. In Frankreich in Kraft seit 01. 02. 1991, vgl. BGBI. 1994, II, 3707. In Deutschland in Kraft seit 01. 12. 1994, BGBI. 1994, II, 3707. 3 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988, ABI. EG 1988, L 319/9. 4 Eine rechtliche Bindung besteht nach Protokoll Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens, ABI. EG 1988, L 319/31, nur hinsichtlich der bis zum 16. September 1988 ergangenen Urteile des EuGH. Mangels Auslegungskompetenz des EuGH können spätere Urteile lediglich durch ihre Überzeugungskraft wirken. Dazu Kropholler; EuGVÜ, Einl. Rz.63-65.

9*

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

Personen den Sitz (Art. 53 EuGVÜ) in einem Vertrags staat hat5 sowie daß der Sachverhalt eine Auslandsbeziehung aufweist6 . Fehlt dagegen ein Wohnsitz in einem Vertrags staat, so bestimmt nach Art. 4 Abs. 1 EuGVÜ jeder Staat seine Zuständigkeit nach seinen eigenen Gesetzen. Hat der Beklagte einen Wohnsitz (Art. 52 EuGVÜ) im Gerichtsstaat, so ist nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ die Zuständigkeit dieses Staates gegeben. Entsprechendes gilt für juristische Personen, wenn sie ihren Sitz (Art. 53 EuGVÜ) im Gerichtsstaat haben. Befindet sich der Sitz des Beklagten in einem anderen Vertragsstaat als im Gerichtsstaat, so ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ nur begründet, wenn ein besonderer Gerichtsstand nach Art. 5-18 EuGVÜ vorliegt. Unter diesen besonderen Gerichtsständen sind bestimmte für die Geltendmachung von Regreß- und Direktansprüchen innerhalb von Vertragsketten näher zu betrachten.

B. Überblick über einzelne besondere Zuständigkeiten I. Gerichtsstandsvereinbarungen Den Parteien steht es nach Art. 17 EuGVÜ grundsätzlich frei, zur Regelung ihrer Streitigkeiten einvernehmlich einen Gerichtsstand festzulegen 7 . Dabei betrifft die Regelung des Art. 17 EuGVÜ sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeits. In seinem Anwendungsbereich geht Art. 17 EuGVÜ den Normen des autonomen Zuständigkeitsrechts vor9 . Nach dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ ist dieser Anwendungsbereich lediglich durch zwei Voraussetzungen bestimmt: den Wohnsitz mindestens einer Partei in einem Vertrags staat und die Vereinbarung einer Zuständigkeit in einem Vertragsstaat. Im einzelnen ist der Anwendungsbereich jedoch unklar. Umstritten ist insbesondere die Frage, ob Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ auch solche Auslandsfälle erfaßt, die keinen Zuständigkeitsbezug zu einem anderen Vertragsstaat haben lO • Da der Wortlaut insoweit keine Einschränkung vorsieht, 5 Ausnahmen stellen Art. 16 und 17 EuGVÜ dar: Art. 16 EuGVÜ greift ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ein. Art. 17 setzt nicht den Wohnsitz gerade des Beklagten in einem Vertragsstaat voraus, sondern läßt den einer Partei ausreichen. Vgl. Kropholler; EuGVÜ, vor Art. 2 Rz. 11. 6 H.M.; Jenard, Bericht, Kap. 3 I, ABI. EG 1979, C 59/1,8; Schack, IZVR, Rz. 239; Audit, DIP, Nr. 504; a.A. Geimer; NJW 1976,446; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. II I, S. 218 ff. 7 Gewisse Einschränkungen stellt Art. 15 EuGVÜ für Verbrauchersachen auf. S Vgl. Schack, IZVR, Rz. 463. 9 Vgl. Kropholler; EuGVÜ, vor Art. 2 Rz. 15-17. 10 Zum Streitstand: Kropholler; EuGVÜ, Art. 17 Rz. 4-6 (insbes. Fn. 7 und 10); Schack, IZVR, Rz. 464-466; Schlosser; EuGVÜ, Art. 17 Rz. 6; Samtleben, RabelsZ 1995,670, 684-702.

B. Einzelne besondere Zuständigkeiten

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vertritt ein Teil der Literatur einen entsprechend weiten Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ 11 • Eine andere Meinungsgruppe sieht das Ziel des Übereinkommens in der Erleichterung des Rechtsverkehrs allein zwischen den EG-Staaten und fordert dagegen einen Gemeinschaftsbezug als immanente Anwendungsvoraussetzung, die gegeben sei, wenn forum prorogatum und forum derogatum in verschiedenen Vertragsstaaten liegen 12. Der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ läßt ebensowenig erkennen, ob die Vorschrift auch für die Derogation ohne gleichzeitige Prorogation eines anderen Forums gelten soll. Die unter Umständen weitreichenden Folgen einer solchen isolierten Derogation legen nahe, auch diese den Formerfordernissen des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ zu unterwerfen 13. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist nur dann wirksam, wenn die Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ erfüllt sind. Über die Frage, ob überhaupt eine Vereinbarung zustande gekommen ist, entscheidet allerdings das vom Kollisionsrecht des Forums berufene nationale Recht 14 .

11. Gerichtsstand des Erfüllungsorts Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ stellt für vertragliche Anspruche eine internationale und örtliche 15 Zuständigkeit der Gerichte am Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung zur Verfügung. Im Rahmen dieser Zuständigkeit ist stets zu untersuchen, ob über "einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" gestritten wird. Der EuGH hat sich dabei für die autonome Qualifikation der geltendgemachten Ansprüche entschieden 16; vertragliche Direktanspruche des französischen Rechts sollen danach nicht mehr unter Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ fallen 17 . Die vertragliche Verpflichtung, deren Erfüllungsort zuständigkeits bestimmend ist, ist diejenige, auf deren Verletzung der Kläger seine Klage stützt 18 . Werden Se11 GeimerlSchütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/1, S. 227 ff.; Nagel, IZPR, Rz. 206; 0'MalleylLayton, European Civil Practice, S. 553 ff. 12 Droz, Competencejudiciaire, Nr. 186 ff.; BülowlBöckstiegellMüller, Art. 17 Anm. II 3; Schack, IZVR, Rz. 463 ff.; enger Samtleben, RabelsZ 1995,670,692 f.; ders., NJW 1974, 1594; Stein I Jonas I Bork, § 38 ZPO Rz. 22 - 24, nach denen die Vereinbarung der Zuständigkeit eines anderen Vertragsstaats erforderlich sein soll. 13 Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 15; Geimerl Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/1, S. 199; Bülow I Böckstiegel I Müller, Art. 17 Anm. II 2. 14 Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 17; Schack, IZVR, Rz. 472. 15 GeimerlSchütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/1, S. 535. 16 EuGH, 22. 03. 1983, Rs. 34/82, Peters/ZNAV, Slg. 1983,987, 1002 Rz. Nr. 9 - 13; EuGH, 08. 03. 1988, Rs. 9/87, Arcado/Haviland, Slg. 1988, 1539, 1554 f. 17 EuGH, 17.06. 1992, Rs. 123/91, Handte/TMCS, Sig. 1992 1,3697. Dazu ausführlich unten S. 190 ff. IS EuGH,06. 10. 1976, Rs. 14176, De Bloos/Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1508, Rz. 13 - 19.

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

kundäransprüche geltend gemacht, ist daher nicht der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch, sondern die verletzte Primärpflicht maßgeblich 19. Stützt der Kläger seine Klage auf mehrere Verpflichtungen desselben Vertrages, so entscheidet die Hauptpflicht2o . Ist die streitige Verpflichtung nach diesen Grundsätzen gefunden, gilt es, deren Erfüllungsort zu ermitteln. Diese Bestimmung trifft der EuGH nach der lex causae, also nach dem vom Kollisionsrecht des Forums berufenen nationalen Recht21 . Hauptargument ist die ausgeprägt dem materiellen Recht dienende Funktion des Gerichtsstands des Erfüllungsorts 22 • Ein Teil der Literatur spricht sich demgegenüber dafür aus, den Erfüllungsort autonom zu bestimmen23 . Nur dies könne Zuständigkeitsgerechtigkeit gewährleisten, da andernfalls die Zuständigkeitsbestimmung von Abweichungen in der kollisions- und materiellrechtlichen Bewertung abhänge 24 . Die Kritik konnte bislang keine Änderung der Rechtsprechung des EuGH bewirken: Die Bestimmung des Erfüllungsorts lege causae vertritt der EuGH auch im Falle der Anwendbarkeit von UN-Kaufrecht, obwohl dies wegen Art. 57 UN-Kaufrecht bei Geldschulden zu dem unerwünschten Klägergerichtsstand am Sitz des Verkäufers führt 25 . Erfüllungsortvereinbarungen unterliegen nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich nicht den Formvorschriften des Art. 17 EuGVÜ26 , können aber dennoch im Rahmen des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ den Gerichtsstand bestimmen. Wegen dieser weitreichenden Wirkung sind, zumindest fiktive Erfüllungsortvereinbarungen den Formvorschriften des Art. 17 EuGVÜ zu unterwerfen 27 •

19 Vgl. Schack, IZVR, Rz. 267 f. Dort auch zu der Frage, ob die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärpflicht nach der lex causae oder autonom vorzunehmen ist. 20 EuGH, 15.01. 1987, Rs. 266/85, Shenavai/Kreischer, Sig. 1987,239,256 Rz. 19; Kropholler, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 14. 21 EuGH, 06. 10. 1976, Rs. 12/76, Tessili/Dunlop, Sig. 1976, 1473, 1486; zustimmend die h.M. in der Literatur, vgl. nur Kropholler, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 16 f.; Schlosser, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 10. 22 Vgl. Schlosser in: FS Bruns, S. 45, 56 ff. 23 Bülow/BöckstiegellLinke, Art. 5 Anm. 3 b; Schack, IZVR, Rz. 269 ff.; Gaudemet-Talion, Convention de Bruxelles, Nr. 176. 24 Schack, IZVR, Rz. 271.

EuGH, 29. 06. 1994, Rs. 288/92, Custom Made Commerciall Stawa, Sig. 1994 1,2913. EuGH, 17.01. 1980, Rs. 56/79, Zeiger 1Salinitri, Sig. 1980,89,96 f. 27 EuGH, 20. 02. 1997, Rs. 106/95, Mainschiffahrts-Genossenschaft eG/Les Gravieres Rhenanes SARL, Sig. 1997 I, 911. Die Frage hatte der BGH, RIW 1995,412 dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Vgl. Schack, IZVR, Rz. 277. 25

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B. Einzelne besondere Zuständigkeiten

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III. Gerichtsstand des Tatorts Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ hält für Ansprüche aus unerlaubter Handlung eine Zuständigkeit an dem Ort, "an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", bereit. Nach der dem Kläger günstigen Auslegung durch den EuGH steht danach ein Gerichtsstand am Erfolgs- wie am Handlungsort zur Verfügung28 . Als Erfolgsort wird dabei der Ort des unmittelbaren Schadenseintritts angesehen, als Handlungsort der Ort, an dem der Schädiger wesentliche Teilhandlungen des Deliktstatbestands verwirklicht 29 . Der Begriff der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ wird autonom qualifiziert 3o • Nachdem der EuGH die action directe des Endabnehmers aus dem Begriff der vertraglichen Ansprüche im Sinne des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ ausgeschieden hat, kommt für Produktschadensfälle wohl nur noch der Gerichtsstand für Deliktsklagen in Betracht; diese deliktische Einordnung war bereits bislang in den Ländern, deren Herstellerhaftung deliktisch ausgestaltet ist, unumstritten. Im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung können unproblematisch auch Ansprüche aufgrund des nach den Vorgaben der EG-Richtlinie angeglichenen Produkthaftungsrechts geltend gemacht werden 3l ; diese außervertraglichen Ansprüche sind zumindest Anspüche aus einer Handlung, "die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist,,32. Bei der Abwicklung von Produktschadensrallen wird man den Herstellungsort33 und den Ort des erstmaligen Inverkehrbringens in die Europäische Union 34 als gleichwertige Handlungsorte ansehen können 35 ; an beiden Orten werden wesentliche Teilhandlungen des haftungsrechtlichen Tatbestands verwirklicht. Der Erwerbsort kann dagegen nur als möglicher Erfüllungsort vertraglicher Ansprüche des Käufers in Betracht kommen 36 . Als Erfolgsort wird auch in Produktschadensfällen der Ort des Schadenseintritts angesehen, wobei bloß mittelbare Schäden außer Betracht bleiben37 . 28 EuGH, 30.11. 1976, Rs. 21/76, BierIMines de Potasse d'Alsace, Slg. 1976,1735, 1746 f. 29 Vgl. Schlosser, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 19; Kropholler, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 55 f. 30 EuGH, 27. 09. 1988, Rs. 189/87, Kalfelisl Schröder u. a., Slg. 1988,5565,5585. 31 Vgl. Schlosser, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 16 ("alle Gefährdungshaftungsanspruche"). 32 Hohloch in: FS Keller, S. 433, 442. 33 Schack, IZVR, Rz. 301. 34 Hohloch in: FS Keller, S. 433, 442. 35 Rochaix, Int. Produkihaftung, S. 118. 36 Schack, IZVR, Rz. 301.; Rochaix, Int. Produkihaftung, S. 118; AG Neustadt 1Weinstrße, IPRspr. 1984, Nr. 133. 37 Vgl. Audit, DIP, Nr. 517; Hohloch in: FS Keller, S. 433, 442. Einschränkungen des Erfolgsorts durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit, wie sie hinsichtlich des anwendbaren Rechts gefordert werden (umfassend Wandt, Int. Produkihaftung, Rz. 344 ff. m.w.N.), haben das Zuständigkeitsrecht bisher nur am Rande beeinflußt.

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

IV. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft Art. 6 Ziff. 1 EuGVÜ ermöglicht dem Kläger, mehrere Personen vor dem Gericht zu verklagen, in dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat. Die Vorschrift enthält das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Sachzusammenhangs und betrifft daher in erster Linie Fälle gesamtschuldnerischer oder akzessorischer Haftung 38 . Sie erfaßt damit beispielsweise die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme mehrerer Verkäufer innerhalb einer Absatzkette. Das Erfordernis des Sachzusammenhangs soll Zuständigkeitserschleichung vermeiden; ansonsten könnte der Kläger durch Klage gegen einen beliebigen Dritten das zuständige Gericht für Ansprüche gegen seinen eigentlichen Schuldner bestimmen 39 • Den Sachzusammenhang bestimmt der EuGH autonom40 . Er liegt in Anlehnung an Art. 22 Abs. 3 EuGVÜ vor, wenn "zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, daß eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten". Sachzusammenhang in diesem Sinne besteht daher, wenn getrennte Entscheidung zwar nicht unmöglich ist, aber zu widersprechenden Ergebnissen führen könnte41 • Werden mehrere Beklagte außerhalb eines Gerichts verklagt, in dem nicht mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hat, so muß für jeden von ihnen geprüft werden, ob der in Betracht kommende besondere Gerichtsstand bei ihm gegeben ist42 . Die mit nur einem Beklagten geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung ersetzt nicht die in Art. 6 Ziff. 1 EuGVÜ geforderte WOhnsitzzuständigkeit43 . Ebensowenig genügt die gegenüber einem Beklagten durch rügelose Einlassung begründete Zuständigkeit44 . Nicht anwendbar ist Art. 6 Ziff. 1 EuGVÜ seinem Wortlaut nach auf Beklagte, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben. Für diesen Fall wird verbreitet eine analoge Anwendung gefordert45 . Vgl. Schack, IZVR, Rz. 359; Schlosser, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 4. Allgemeine Meinung, vgl. nur Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 6 f.; Audit, DIP, Nr. 525; Gaudemet-Tallon, Convention de Bruxelles, Nr. 224. 40 EuGH, 27. 09. 1988, Rs. 189/87, Kalfelisl Schröder u. a., Slg. 1988,5565,5583 f. 41 Gaudemet-Tallon, Convention de Bruxelles, Nr. 224; Cass. com., 31. 01. 1995, Bull. civ. IV, Nr. 28. 42 Kropho/ler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 8: Mehrere Schuldner können am gemeinsamen Erfüllungsort oder am gemeinsamen Tatort verklagt werden, mit der Begründung sie hafteten für dieselbe Verbindlichkeit als Gesamtschuldner. 43 Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 8; Droz, Competence judiciaire, Nr. 90; Bülow/Böckstiegel/ Linke, Art. 6 Anm. I 4. 44 Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 8. 45 Kropholler, EUGVÜ, Art. 6 Rz. 5; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. I11, S. 210; MünchKommZPO 1Gottwald, Bd. 3, Art. 6 EuGVÜ Rz. 3. 38

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B. Einzelne besondere Zuständigkeiten

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v. Gerichtsstand der Gewährleistungs- und Interventionsklage Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ schafft für Gewährleistungs- und Interventionsklagen eine Entscheidungszuständigkeit auch gegenüber dem Regreßbeklagten im Gerichtsstand des Hauptprozesses. Das Interesse des Regreßbeklagten, nur an seinem Wohnsitz verklagt zu werden, tritt zugunsten einer einheitlichen Beurteilung des Streitstoffs im Gerichtsstand des Hauptprozesses und zugunsten der Prozeßökonomie zurück46 . Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ übernimmt die im romanischen Rechtskreis bekannten Interventions- und Gewährleistungsklagen 47 • Die Zuständigkeit kann wegen Art. V S. I des EuGVÜ-Protokolls 48 nicht vor deutschen Gerichten in Anspruch genommen werden; hier gelten allein die Vorschriften über die Streitverkündung49 . Die Zuständigkeit ist aber gleichwohl von großer Bedeutung, da sie die Gerichtspflichtigkeit von in Deutschland ansässigen Personen vor den Gerichten anderer Vertragsstaaten beträchtlich erweitert50 . Zudem müssen die ausländischen Entscheidungen in Deutschland gemäß Art. V S. 2 des EuGVÜ-Protokolls anerkannt werden. Der Begriff der Gewährleistungs- bzw. Interventionsklage ist vertrags autonom vor dem Hintergrund der weitgehend übereinstimmenden romanischen Rechtsordnungen zu bestimmen51 . Die Gewährleistungsklage ist danach eine Klage, mit der der Erstbeklagte als Garantiekläger den aus eigenem Unterliegen im Hauptprozeß entstandenen Regreßanspruch gegen einen Dritten in demselben Verfahren zur Entscheidung stellen kann52 . Die Garantieklage nach Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ bezieht sich damit insbesondere auf den appel en garantie simple53 . Die Interventionsklage ist demgegenüber ein Oberbegriff und schließt den der Gewährleistungsklage mit ein. Der Wortlaut des Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ legt nahe, daß die Interventionsklage lediglich Fälle erfaßt, in denen ein Dritter unfreiwillig in den Prozeß einbezogen wurde54 • Da mit der Gewährleistungsklage bereits die Fälle der unfreiwilligen Ein46 Vg!. Kropholler; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 13; Geimer; WM 1979,350,360; kritisch zu dieser Interessenbewertung im internationalen Verkehr Mezger; AWD 1974,377,378. 47 Kropholler; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 13; Überblick über die einzelnen nationalen Rechtsinstitute bei Mansei, in: Europäischer Binnenmarkt, IPR und Rechtsangleichung, S. 161, 176184,231 f. 48 Protokoll vom 27. September 1968 i.d.F. vom 26. Mai 1989, AB!. EG 1989, L 28517; BGB!. 1994, H, 530. Einen entsprechenden Vorbehalt haben Spanien, Österreich und die Schweiz in Protokoll Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen gemacht, AB!. EG 1988, L 319/ 29; BGB!. 1994, H, 2693. 49 Entsprechendes gilt für die Spezialvorschrift des Art. 10 EuGVÜ (Klage gegen den Haftpflichtversicherer). 50 Vg!. Kropholler; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 15; Schack, IZVR, Rz. 365. 51 Kropholler; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 21. 52 Dazu gehört auch die klageweise Geltendmachung des Gesamtschuldnerausgleichs, vg!. Schlosser; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 6. 53 Siehe dazu oben S. 48 ff.

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

beziehung, die mit einem Urteil gegenüber dem Dritten enden, erfaßt sind, bleiben für die Interventionsklage die Fälle der unfreiwilligen Einbeziehung, die ohne Verurteilung des Dritten enden: Darunter fällt die demande en declaration de jugement commun, bei der lediglich die Rechtskraft des im Hauptprozeß ergangenen Urteils auf den Dritten erstreckt wird. Eine Schranke für die Zuständigkeit enthält das in Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ aufgenommene Mißbrauchsverbot; bei gesamtschuldnerischer Haftung mehrerer Verkäufer wird es allerdings kaum jemals eingreifen. Weitere Zulässigkeitsschranken kann das jeweilige nationale Verfahrensrecht enthalten. Sie sind nur zulässig, soweit der Wohnsitz des Beklagten im Gerichtsstaat nicht dazu gehört; denn insoweit kommt dem Übereinkommen Vorrang gegenüber dem nationalen Verfahrensrecht ZU 55 .

Auf welcher Norm des EuGVÜ die Zuständigkeit in der Hauptsache beruht, ist unerheblich; eine nicht auf das EuGVÜ gestützte Zuständigkeit dürfte jedoch nicht ausreichen 56 • Die durch Art. 6 Abs. 2 EuGVÜ zur Verfügung gestellte Zuständigkeit kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn Garantiekläger und Regreßbeklagter gemäß Art. 17 EuGVÜ die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts vereinbart haben 57 • In Fällen, in denen Garantiekläger und Regreßbeklagter ihren Sitz im selben Staat haben, kann allerdings eine Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung im Einzelfall ergeben, daß nur die örtliche Zuständigkeit geregelt werden sollte58 . Den grundsätzlichen Vorrang des Art. 17 EuGVÜ gegenüber Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ erkennt auch die französische Rechtsprechung an 59, obwohl im nationalen französischen Prozeßrecht Art. 333 NCPC davon abweichend dem Gerichtsstand der Gewährleistungsklage den Vorzug gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung gibt. Für die autonome Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bei Gewährleistungsklagen hat der Kassationshof sich ebenfalls für die im EuGVÜ geltende Lösung entschieden, obwohl sonst die internationale Zuständig54 GeimerlSchütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/ 1, S. 387 f.; Meier, Drittbeteiligung, S. 121; a.A. Mansei in: Europäischer Binnenmarkt, IPR und Rechtsangleichung, S. 161, 234 ff.: Unter die Norm fällt die intervention volontaire principal, nicht aber die intervention volontaire accessoire; ähnlich Schlosser, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 6. 55 EuGH, 15.05. 1990, Rs. 365/88, Kongreß Agentur Hagen/Zeehaghe, Sig. 1990, I, 1845. Schlosser, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 6; Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 28. 56 Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 25; Droz, Competence, Nr. 100; BülowlBöckstiegel/ Linke, Art. 6 Anm. 11 3 a; a.A. Cass. com., 14.05. 1992, JDI 1993, 151 m. zust. Anm. Huet; kritisch zu dieser Entscheidung Schack, IZVR, Rz. 365 in Fn. 2, der durch Öffnung für sonstige Zuständigkeiten ein Vordringen der exorbitanten Gerichtsstände befürchtet. 57 Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 29, Art. 17 Rz. 107; Schack, IZVR, Rz. 365. 58 Kropholler, EuGVÜ, Art. 6 Rz. 29. 59 Vgl. Cass. civ. Ire, 12. 07. 1982, Rev.crit.dr.int.pr. 1983, 658 m. Anm. Lagarde; CA Paris, 14. 12. 1988, D. 1989, info rap. 52; Cass. civ. Ire, 18. 10. 1989, JDI 1991, 155 m. Anm. Huet; D. 1989, info rap. 283; Cass. com., 12.05. 1992, JDI 1993, 151 m. Anm. Huet.

C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche

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keit aus einer analogen Anwendung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, wobei hier Art. 333 NCPC herzuziehen wäre, folgt 6o • Soweit der Gerichtsstand des Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ gemäß Art. 17 EuGVÜ wirksam abbedungen ist, können widersprechende Entscheidungen mit Hilfe von Art. 22 EuGVÜ vermieden werden 61 .

VI. Verbrauchersachen Eine abweichende Zuständigkeitsregelung enthalten die Art. 13-15 EuGVÜ für Verbrauchersachen. Im Zusammenhang mit der Produkthaftung kann eine Verbrauchersache insbesondere vorliegen, wenn ein Abzahlungskauf im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 1 EuGVÜ vereinbart wurde oder dem Vertragsschluß Werbung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EuGVÜ vorausgegangen ist. Sind die Voraussetzungen des Art. 13 EuGVÜ erfüllt, so kann der Verbraucher nach Art. 14 EuGVÜ an seinem Wohnsitz wie am Sitz seines Vertragspartners klagen; er selbst kann dagegen nur an seinem Wohnsitz verklagt werden. Diese Zuständigkeit ist abschließend; eine Ausnahme besteht allein für die Zuständigkeit der Niederlassung (Art. 5 Ziff. 5 EuGVÜ). Darüber hinaus stellt Art. 15 EuGVÜ für die Möglichkeit des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung mit dem privaten Verbraucher höhere Anforderungen als sonst Art. 17 EuGVÜ: Die Vereinbarung muß entweder nach Entstehen der Streitigkeit geschlossen werden oder dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen auch andere als nach Art. 14 EuGVÜ bestimmte Gerichte anzurufen oder aber sie muß die Zuständigkeit der Gerichte des Staates betreffen, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Verbraucher und Vertragspartner ihren gemeinsamen Wohnsitz oder Aufenthalt hatten, wobei diese Abrede nach dem Recht dieses Staates zulässig sein muß.

C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche Vor der Untersuchung der sachgerechten Einordnung sei in Erinnerung gerufen, daß vertragliche Direktansprüche nach verschiedenen Schwankungen der französischen Rechtsprechung nunmehr intern ausschließlich in eigentumsübertragenden Vertragsketten in Betracht kommen: Vertraglich sind demnach der Anspruch des Endabnehmers gegen Vormänner seines Verkäufers, der Anspruch des Bauherrn gegen den Materiallieferanten des Unternehmers sowie die Ansprüche späterer Er60 Cass. corn., 30. 03. 1993, Rev.crit.dr.int.pr. 1993, 680 rn. Anrn. Gaudemet-Tallon; JCP 1993, II, 22182 rn. Anrn. Gun 61 Kropholler; EuGVÜ, Art. 6 Rz. 29.

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

werber eines Gebäudes wegen der speziellen baurechtlichen Garantien (Art. 16461 Cc, Art. 1792 ff. Cc). Ansprüche innerhalb von Vertragsgruppen ohne Eigentumsübertragung werden dagegen bereits intern als deliktisch angesehen62 ; die Einordnung letzterer in Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ dürfte keine Schwierigkeiten bereiten.

I. Gegensatzpaar Vertrag und Delikt 1. Grundsatz der autonomen Auslegung Sowohl den Begriff des "Vertrages,,63 wie den der "unerlaubten Handlung,,64 legt der EuGH in ständiger Rechtsprechung autonom aus. Die Auslegung habe sich prinzipiell an der Zielsetzung einer einheitlichen Anwendung des Übereinkommens auszurichten; das angerufene nationale Gericht müsse über seine Zuständigkeit entscheiden können, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen. Die Begriffe "Vertrag" und "unerlaubte Handlung" dürfen somit weder nach der vereinheitlichungsfeindlichen lex fori noch nach der über das jeweilige Kollisionsrecht ermittelten lex causae ausgelegt werden 65 . Eine inhaltliche Abgrenzung von Vertrag und Delikt war der Rechtsprechung des EuGH allerdings lange Zeit nicht zu entnehmen. Aus der Entscheidung in Sachen Kalfelis / Schröder u. a. 66 ergibt sich lediglich, daß der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ alle Klagen erfaßt, "mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ anknüpfen". Dieser Definition ist jedoch weder zu entnehmen, welche Sachverhalte als Vertrag im Sinne des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ anzusehen sind, noch wie sie im einzelnen von Fallgestaltungen abzugrenzen sind, die unter Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ einzuordnen sind 67 • In der Literatur wurde die Abgrenzung zum Teil mit dem weiteren Argument kritisiert, die

Cass. ass. plen., 12.07. 1991, BuH. civ., Nr. 5; dazu oben S. 79 ff. EuGH, 22. 03. 1983, Rs. 34/82, Peters/ZNAV, Slg. 1983, 987, 1002; EuGH, 08.03. 1988, Rs. 9/87, Arcado/Haviland, Slg. 1988, 1539, 1554 Rz. 11; EuGH, 17.06. 1992, Rs. 26/91, Handte/TMCS, Slg. 1992 1,3967,3995. 64 EuGH, 27. 09. 1988, Rs. 189/87, Kalfelis/Schröder u. a., Slg. 1988,5565,5585 Rz. 18; EuGH, 26. 03. 1992, Rs. 261/90, Reichert I Dresdner Bank, Slg. 1992 1,2149,2175. 65 So auch die h.M. in der Literatur: Vgl. nur Kropholler; EuGVÜ, Art. 5 Rz. 5-9, 49. Für lex causae: Spellenberg, ZZP 1978, 41 ff.; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. 111, S. 560 ff.; Schlosser; RIW 1988, 989; ders., EuGVÜ, Art. 5 Rz. 3; Lohse, Vertrag und Delikt, S. 196,227 f. 66 EuGH, 27. 09.1988, Rs. 189/87, Kalfelis/Schröder u. a., Slg. 1988,5565,5585 Rz. 17. 67 Vgl. Gaudemet-Tallon, Convention de BruxeHes, Nr. 147; dies., Anm. zu EuGH, 27. 09. 1988, Rev.crit.dr.int.pr. 1989, 121; Schlosser; Anm. zu EuGH, 27. 09. 1988, RIW 1988,989. 62 63

C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche

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deliktische Haftung stelle den Grundtypus einer Haftung dar, während die Definition des EuGH diese nur subsidiär in Betracht ziehe 68 •

2. Anspruchskonkurrenz Die vom EuGH vertretene strenge Trennung von vertraglichen und deliktischen Anspruchsgrundlagen führt im Falle einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zu einer Zuständigkeitsspaltung: Läßt sich ein Anspruch sowohl auf vertragliche wie auf deliktische Anspruchsgrundlagen stützen, so gewährt der EuGH dem für die Deliktsklage zuständigen Gericht keine Kompetenz zur Entscheidung über vertragliche Ansprüche69 • Für diese Trennung führt der EuGH den Grundsatz der einschränkenden Auslegung der besonderen Zuständigkeiten an; zudem habe es der Kläger in der Hand, den Rechtsstreit durch Klage am allgemeinen Gerichtsstand umfassend klären zu lassen7o . Ob dagegen im umgekehrten Falle deliktische Ansprüche im Gerichtsstand für Vertragsklagen geltend gemacht werden können, ist bislang nicht entschieden. Die Frage läßt sich bejahen, wenn man auf die in der Kalfelis-Entscheidung geäußerte Tendenz blickt, Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ als gegenüber Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ dominierenden Gerichtsstand auszubauen 71 .

11. Abgrenzung von Vertrag und Delikt 1. Entscheidung in Sachen HandtelTMCS Erst mit seiner Entscheidung in Sachen Handte. I TMCS 72 füllte der EuGH den Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" mit Inhalt. Die Entscheidung befaßt sich mit der Qualifikation von Direktansprüchen innerhalb einer rein kaufvertraglichen Absatzkette. Die Aktiengesellschaft französischen Rechts Traitements mecano-chimiques des surfaces (TMCS) mit Sitz in Bonneville/Frankreich erwarb von dem schweizerischen Unternehmen Bula et Fils (Bula) mit Sitz im Kanton Waad zwei Metallpoliermaschinen. Sie ließ diese Maschinen mit einem von Handte Deutschland hergeSchlosser, IPRax 1984,65,67. EuGH, 27. 09. 1988, Rs. 189/87, Kalfelis/Schröder u. a., Slg. 1988,5565,5585 Rz. 19 f.; kritisch in der Literatur: Geimer, IPRax 1986,80, 81 f.; Mansei, IPRax 1989,85; Gottwald, IPRax 1989,272 ff. 70 Zustimmend Kropholler, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 53; Schack, IZVR, Rz. 347 ff. 71 Kropholler, EuGVÜ, Art. 5 Rz. 53; Schack, IZVR, Rz. 349 ("denkbarer Kompromiß"); Schlosser, EuGVÜ, vor Art. 5 Rz. 2; Geimer, IPRax 1986, 80, 82; einen Sachzusammenhang ablehnend: MünchKommZPO/Gottwald, Bd. 3, Art. 5 EuGVÜ Rz. 6; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. 111, S. 466, 559, 663; Schlosser, IPRax 1984,68. 72 EuGH, 17.06. 1992, Rs. 26/91, Handte/TMCS, Slg. 1992 1,3967. 68

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

stellten, jedoch VOn der Societe Handte France mit Sitz in Straßburg verkauften und eingebauten Absaugsystem ausrüsten. Später verklagte TMCS sowohl Handte Deutschland als auch Handte France und Bula vor dem Tribunal de grande instance in Bonneville auf Zahlung von Schadensersatz mit der Begründung, die gelieferten Waren entsprächen nicht den Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften und seien zum bestimmungsgemäßen Gebrauch untauglich. Das Tribunal de grande instance in Bonneville erklärte sich für die Klage gegen Bula für unzuständig. Dagegen bejahte es seine Zuständigkeit zur Entscheidung gegenüber Handte Deutschland und Handte France Unter Berufung auf Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ, indem es den Direktanspruch vertraglich qualifizierte. Da die Rechtsbehelfe von Handte France und Handte Deutschland vom Berufungsgericht jeweils zurückgewiesen wurden, erhob Handte Deutschland Kassationsbeschwerde. Der Kassationshof legte dem EuGH daraufhin die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ auf einen Rechtsstreit anwendbar ist, den der spätere Erwerber einer Sache gegen den Hersteller, der nicht der Verkäufer ist, wegen Mängeln der Sache oder ihrer Untauglichkeit zum bestimmungs gemäßen Gebrauch anstrengt73 • Anders als die französischen Instanzgerichte entschied der EuGH, daß die Zuständigkeit für Vertragsklagen aus Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ für die Geltendmachung dieser Direktansprüche eines späteren Erwerbers unmittelbar gegen den Hersteller nicht in Anspruch genommen werden kann 74. Die Einordnung unter den Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" erfordere nämlich, daß eine freiwillig einer anderen Person gegenüber eingegangene Verpflichtung vorliege 75.

2. Urteilsbegründung und deren Kritik

Der EuGH setzt mit seiner Entscheidung die bereits begonnene autOnome Auslegung des Vertragsbegriffs fort. Zu Beginn seiner Überlegungen nennt der EuGH das Ziel des Übereinkommens, Rechtssicherheit in Zuständigkeitsfragen zu gewährleisten. Dies erfordere, daß stets der Richter, der den Sachverhalt aufgrund seiner örtlichen Nähe am besten beurteilen könne, zur Entscheidung berufen werde76 . Dem diene die Systematik der Zuständigkeitsnormen, so daß Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ als besondere Zuständigkeit jedenfalls nicht erweiternd ausgelegt werden sollte77 . Als entscheidendes Argument für die Auslegung, nach der nur unmittelbare Vertragsbeziehungen in Betracht kommen, nennt der EuGH sodann ein weiteres Ziel des Übereinkommens, nämlich die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. 73 Cass. civ. lre, 08. 01. 1991, BuH. civ. I, Nr. 7. Ohne weiteres von einer vertraglichen Qualifikation auch im Rahmen des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ geht noch Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Anm. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,612-617 aus. 74 EuGH, 17.06. 1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Slg. 1992 1,3967,3994 Rz. 16. 75 EuGH, 17.06. 1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Slg. 1992 1,3967,3994 Rz. 15. 76 EuGH, 17.06. 1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Slg. 1992 1,3967,3993 f. Rz. 11 f. 77 EuGH, 17.06. 1992, Handte 1TMCS, Rs. 26/91, Slg. 1992 1,3967,3994 Rz. 13 f.

C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche

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Daraus folge, daß ein Beklagter vor einem für ihn nicht vorhersehbaren Gerichtsstand zu schützen sei7s . Bei Eingreifen von Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ in der entschiedenen Fallgestaltung läge aber ein solcher überraschender Gerichtsstand vor: Der Hersteller, der zum Endabnehmer in keiner direkten vertraglichen Beziehung stehe und weder dessen Wohnsitz noch dessen Identität kenne, brauche nicht damit zu rechnen, von diesem im Gerichtsstand des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ verklagt zu werden79 . Mit seiner Definition, nach der ein Vertrag dann vorliegt, wenn "eine aus freien Stücken getroffene Vereinbarung zwischen den Parteien besteht"SO, hat der EuGH ein leicht handhabbares Kriterium zur Ermittlung des richtigen Gerichtsstands gefunden. Vertragsansprüche im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ setzen danach voraus, daß zwischen den Parteien eine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht. Das Kriterium vermeidet schwierige kollisions- und materiellrechtliche Vorüberlegungen und führt in den denkbaren Fallgestaltungen zu einer einheitlichen Anspruchsqualifikation sl . Diese vertragsautonome Qualifikation hat im Ergebnis überwiegend Zustimmung erhalten s2 . Zahlreiche französische Kommentatoren sehen allerdings die gegebene Begründung als nicht durchweg überzeugend an. Bei ihnen überwiegt die Einschätzung, das gegenteilige Ergebnis hätte die europäische Zuständigkeitsordnung einschneidender gestört. Dies ergebe sich aus der Minderheitsposition des französischen, belgischen und luxemburgischen Rechts, welches Produktschadensfälle traditionell vertraglich löse S3 . Doch wird man den Blick des EuGH auf die abweichende Qualifikation in der Mehrzahl der Vertragsstaaten als legitime Hilfestellung für die vertragsautonome Begriffsbildung ansehen können s4 . Das Argument des EuGH, es solle möglichst das örtlich am besten qualifizierte Gericht berufen werden, ist für sich alleine wenig aussagekräftig. Im Hinblick auf die örtliche Nähe sehen zudem manche die Zuständigkeit am vertraglichen Erfüllungsort und - bei deliktischer Qualifikation - die am Handlungs- oder Erfolgsort bei abstrakter Betrachtung jedenfalls als gleichwertig an 85 . Diese Gleichwertigkeit EuGH, 17.06.1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Slg. 1992 1,3967,3995 Rz. 18. EuGH, 17.06.1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Sig. 1992 1,3967,3995 Rz. 20. 80 EuGH, 17.06.1992, Handte/TMCS, Rs. 26/91, Sig. 1992 I, 3967, 3995 Rz. 15. 81 Peifer, Anm. zu EuGH, 17. 06. 1992, lZ 1995, 91, 92; Roehaix, Int. Produkthaftung, S. 125 f. Der zum Teil erhobene Vorwurf, die Definition sei zu eng, da beispielsweise Ansprüche aus abgetretenem Recht nicht erfaßt seien, trifft m.E. nicht zu. Auch solchen Ansprüchen liegt eine freiwillig eingegangene Verpflichtung zugrunde. 82 Deli, Riv.dir.int.priv.proc. 1993, 305, 313; Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.pr. 1992, 730,733; Ledere, 101 1995,267,278 f.; Peifer, lZ 1995,91; Roehaix, Int. Produkthaftung, S. 125 f.; de Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,721; Bisehojf, JDI 1993,469,472; gegen autonome Qualifikation: Larroumet, lCP 1992,11,21927 Nr. 6 83 Vgl. insbes. de Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992, 712, 720 f.; Ledere, 101 1995, 267,279. 84 Kullmann, D. 1993, somm. comm. 214; Peifer, lZ 1995,91,92. 78

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

wird allerdings nur rein theoretisch begründet und läßt zudem die erheblichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Erfüllungsorts außer Betracht 86 . Diese Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Erfüllungsorts werden im Rahmen des entscheidenden Arguments des EuGH gegen die vertragliche Qualifikation, nämlich der mangelnden Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands für den Beklagten besonders deutlich 87 . Der Beklagte, der einem vertraglichen Anspruch ausgesetzt ist, kann nur solche Gerichtsstände vorhersehen, die er auch mit einem Vertragspartner in Verbindung bringen kann. Wo der Erfüllungsort für die Pflichten des Herstellers festzulegen ist, ob eher am Sitz des Ersterwerbers 88 oder eher am Sitz des Letzterwerbers 89 , ist allerdings beim gegenwärtigen Stand des französischen Rechts nicht abschließend geklärt. Ersteres entspräche dem Charakter des Direktanspruchs als aus dem ersten Vertrag abgeleitetes Recht. Da vor allem in der neueren Lehre der Direktanspruch vermehrt als eigenes Recht des Endabnehmers angesehen wird9o, dürfte dies demgegenüber zur Annahme eines Erfüllungsorts am Wohnsitz des Endabnehmers führen. Auch die Rechtsprechung tendiert eher dazu, den Erfüllungsort ohne weiteres am Wohnsitz des Endabnehmers festzumachen 91 . Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich bei internationalen Verträgen daraus, daß die vertraglichen Pflichten der Parteien innerhalb der Kette von Vertrag zu Vertrag verschieden sein können und nicht stets mit den Pflichten zwischen Ersterwerber und Hersteller übereinstimmen müssen92 • Bei vertraglicher Qualifikation müßte im Einzelfall geprüft werden, welche vertraglichen Pflichten der Hersteller einem Endabnehmer konkret schuldet, was mit großen Unsicherheiten belastet wäre 93 . Soweit danach ein Erfüllungsort am Wohnsitz des Endabnehmers anzunehmen ist94 , wird für den Hersteller jeder Zusammenhang mit seinem Vertragspartner unterbrochen; Gerichtsstände am Sitz des Endabnehmers kann er nicht vorherDe Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,718 f. Vgl. Ledere, JDI 1995,267,282. 87 Aufgrund der autonomen Begriffsbildung spricht gegen das Argument der Vorhersehbarkeit nicht bereits die Tatsache, daß im französischen Recht gerade diese Vorhersehbarkeit der Haftung durch eine vertragliche Lösung gefördert werden soll. Vgl. dazu de VareillesSommieres, RTD euro 1992,712,719; Boutard-Labarde, JCP 1993, I, 3666 Nr. 3; Kullmann, D. 1993, somm. comm. 214; Ledere, JDI 1995,267,279. 88 Vgl. Ledere, JDI 1995,267,280 f.; Larroumet, JCP 1992, II, 21927 Nr. 5. 89 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,718; Peifer, JZ 1995,91,92. 90 Vgl. Jamin, Action directe, Nr. 253 f.; Ghestin, D. 1991, 549, 555; Ghestin/Desehi, Vente, Nr. 1028-1030. 91 Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Anm. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,612. 92 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,718 f. 93 Roehaix, Int. Produkthaftung, S. 126; Bisehoff, JDI 1993,469,473. 94 Wer anders als der EuGH einen Erfüllungsort am Wohnsitz des Ersterwerbers annehmen will, muß feststellen, daß dieser für den Streit zwischen Hersteller und Endabnehmer wenig sachnah ist. Vgl. Ledere, JDI 1995,267,282. 85

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C. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche

145

sehen95 . Er hat es vielmehr mit einer Person zu tun, mit der ihn nur das Produkt, nicht aber eine freiwillig eingegangene unmittelbare Beziehung verbindet96 . Zudem kann sich der Hersteller vor der Inanspruchnahme durch den Endabnehmer kaum schützen97 : Der Übergang der Gewährleistungsansprüche vollzieht sich nach französischem Recht automatisch 98 . Seine Haftung gegenüber dem Endabnehmer kann der Hersteller nur in engen Grenzen ausgeschließen 99 . Gegen das Argument der mangelnden Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands am Erfüllungsort wird zum Teil vorgebracht, auch bei deliktischer QualifIkation sei für den jeweiligen Täter der Gerichtsstand des Begehungsorts letztlich nicht vorhersehbar lOO • Diesem Einwand ist entgegenzusetzen, daß im Deliktsrecht anders als im Vertragsrecht Gesichtspunkte des Beklagtenschutzes zurücktreten 1Ol. Entscheidend wird damit die Frage nach der richtigen Zuordnung.

3. Deliktische Qualifikation der action directe Entgegen dem Antrag des Generalanwalts, der die entschiedene Fallgestaltung von Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ erfaßt sah 102 , hat sich der EuGH darauf beschränkt, die vertragliche Qualifikation abzulehnen. Aus der früheren Entscheidung des EuGH in Sachen Kalfelis / Schröder u. a. zur Auslegung des Begriffs der unerlaubten Handlung ergibt sich aber, daß dieser Begriff alle Klagen erfaßt, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ anknüpfen 103 . Diese Altemativität von Vertrag und Delikt dürfte damit unmittelbar zur deliktischen QualifIkation füh95 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,720; Leclere, JDI 1995,267,281; Peifer, JZ 1995,91,92. 96 Vgl. Peifer, J21995, 91, 92; Rochaix, Int. Produkthaftung, S. 126. 97 Peifer, JZ 1995,91,92. 98 Vgl. Ghestin/Jamin/Billiau, Effets du contrat, Nr. 747. 99 Zwar dürfen Haftungsbeschränkungen grundsätzlich dem Endabnehmer entgegenhalten werden, vgl. oben S. 93 - 95. Doch setzt dies voraus, daß der Hersteller sie seinerseits wirksam mit dem Zwischenhändler vereinbart hat; dazu muß es sich um "professionnels de la meme specialite" handeln, woran die Rechtsprechung hohe Anforderungen stellt, vgl. oben S.30f. 100 So Kullmann, D. 1993, somm. comm. 214. 101 Zu überlegen ist aber, ob der Begehungsort im Sinne des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ nicht Einschränkungen erfahren sollte, um den Hersteller vor "zufälligen" Begehungsorten zu schützen, vgl die Nachweise bei Wandt, Int. Produkthaftung, Rz. 31 f. Kriterien für eine sinnvolle Einschränkung kann die parallele Diskussion hisichtlich des anwendbaren Rechts bieten, vgl. Wandt, Int. Produkthaftung, Rz. 344 ff. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann dieser Frage allerdings nicht weiter nachgegangen werden. 102 Generalanwalt Jaeobs, Schlußantrag zu EuGH V. 17.06. 1992, Sig. 1992 1,3967,3989 Nr. 39. Auch die deutsche Regierung und die Kommission hatten empfohlen, zu Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ Stellung zu nehmen, vgl. Sitzungsbericht Nr. 2 und 3, Sig. 1992 I, 3967, 3971 ff. 103 EuGH, 27. 09. 1988, Rs. 98/85, Kaifelis/Schröder U. a., Sig. 1988,5565,5585 Rz. 15 f.

10 Beaumart

146

Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

ren 104 . Ein Teil des französischen Schrifttums hat demgegenüber aus der Beschränkung des EuGH in Sachen Handte/TMCS entnommen, es gebe eine dritte Gruppe von Ansprüchen, die weder unter Art. 5 Ziff. 1 noch unter Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ fielen; dazu gehörten die vertraglichen Direktansprüche, die im Gerichtsstand des Art. 2 EuGVÜ geltend zu machen seien 105 • Diese Auffassung läßt sich mit der zitierten Rechtsprechung des EuGH zur Alternativität von Vertrags- und Deliktsklagen nicht in Einklang bringen. Aus dem Zusammenhang der Entscheidungen in Sachen Kalfelis und Handte ergibt sich vielmehr eine Abgrenzung der Gerichtsstände für Vertrags- und Deliktsklagen nach dem jeweiligen Ptlichtenkreis: Die deliktische Pflicht, Schädigungen anderer zu unterlassen, besteht allgemein gegenüber einem unbestimmten Personenkreis; der Tater muß daher damit rechnen, auch an einem nicht vorhersehbaren, vom Begehungsort abh~ngigen Gerichtsstand verklagt zu werden. Die vertragliche Pflicht, andere nicht zu schädigen, besteht dagegen nur relativ gegenüber dem Vertragpartner; hier muß der Schädiger lediglich mit einem solchen Gerichtsstand rechnen, der sich aus der eingegangenen Vertragsbeziehung ergibt. Da Produktschadensfälle unvorhergesehen bei unbestimmten Endabnehmern eintreten können, kommt nur eine Einordnung in die erstgenannte Gruppe in Betracht. Aufgrund des gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Pflichtenkreises erscheint es sachgerecht, den Geschädigten durch Anwendung des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ zu bevorzugen 106; die Betonung des Beklagtenschutzes durch Anwendung von Art. 2 EuGVÜ ist dagegen abzulehnen. Diese Abgrenzung gilt unabhängig von der Art des geltendgemachten Schadens allgemein für Direktansprüche. Bei Ansprüchen, die auf Ersatz von Personenschaden oder Sachschaden an anderen Sachen als der verkauften Sache gerichtet sind, ergibt sich die deliktische Qualifikation zwanglos. Doch erscheint es weder einleuchtend noch praktikabel, bestimmte Arten von Direktklagen als vertraglich einzustufen und daher anderen Zuständigkeitsnormen zuzuordnen, nur weil der geltend gemachte Schaden rein wirtschaftlicher Natur ist 107 . Auf eine solche Differenzierung hat sich der EuGH zu Recht nicht eingelassen, obwohl in der entschiedenen Fallgestaltung offenbar nur wirtschaftlicher Schaden durch Unbrauchbarkeit der Maschinen eingetreten war. In seiner abschließenden Entscheidung in Sachen Handte / TMCS hat der französische Kassationshof die Frage der Qualifikation ebenfalls nicht positiv beantwor104 So im Ergebnis Deli, Riv.dir.int.priv.proc. 1993,305,313; Peifer, JZ 1995, 91, 92; Roehaix, Int. Produktbaftung, S. 125; de Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712, 72l. 105 Ledere, JDI 1995, 267, 283-285; Gaudemet-Tallon, Convention de Bruxelles, Nr. 186; dies., Rev.crit.dr.int.pr. 1992,730,737 f.; dies., Rev.crit.dr.int.pr. 1993,486,489. 106 Der Frage, inwieweit dieser Begehungsort seinerseits auf vorhersehbare Tatorte (nur Erfolgsort: Z. B. Marktort, Absatzort, gewöhn!. Aufentbalt des Geschädigten etc., vg!. den Überblick bei Wandt, Int. Produktbaftung, Rz. 344 ff.) eingeschränkt werden sollte, kann hier nicht weiter vertieft werden. 107 Generalanwalt Jaeobs, Schlußanträge zu EuGH V. 17. 06. 1992, Slg. 1992 I, 3967, 3987 Rz. 33.

c. Qualifikation vertraglicher Direktansprüche

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tet, sondern lediglich die Fonnel des EuGH wiederholt 108. Erst in einer späteren Entscheidung hat der Kassationshof sich ausdrücklich für die deliktische Qualifikation entschieden lO9 • Eine Einordnung der Direktansprüche in eine dritte Kategorie von Ansprüchen, die weder vertraglich noch deliktisch wären, kommt damit auch für die Rechtsprechung nicht in Betracht.

111. Folgerungen für zusammenhängende Fragen In der Literatur wird zum Teil versucht, die für das europäische Zuständigkeitsrecht gefundene Abgrenzung von Vertrag und Delikt auf weitere Bereiche zu übertragen; die Ausstrahlung des EuGVÜ auf das Lugano-Übereinkommen versteht sich dabei aufgrund der Parallelität der Übereinkommen von selbst J1o • Darüber hinaus wird erwogen, ob die Abgrenzung nicht auch Auswirkungen auf Art. 46 NCPC haben sollte: Nach dieser Vorschrift bestimmt sich einerseits die örtliche Zuständigkeit für vertragliche bzw. deliktische Klagen, andererseits über eine spiegelbildliche Anwendung Jl1 auch die autonom bestimmte internationale Zuständigkeit. Für eine Annäherung spreche insoweit ein Gleichklang mit dem europäischen Zuständigkeitsrecht l12 . Über den Bereich der Zuständigkeit hinaus könnte die Entscheidung des EuGH in Sachen Handte/TMCS zudem Auswirkungen auf die internationaI-privatrechtliche Qualifikation von vertraglichen Direktansprüchen haben ll3 . Unmittelbar nach Erlaß der Entscheidung des EuGH wurde zum Teil vermutet, die abweichende autonome Qualifiktion durch den EuGH könne auch zu einer Veränderung des internen Haftungsrechts, d. h. zu einem Abrücken von der vertraglichen Lösung führen Jl4 ; die Rechtsprechung hat jedoch im Kernbereich an der vertraglichen Lösung festgehalten 115.

108 Cass. civ. Ire, 27. 01. 1993, BuH. civ. I, Nr. 34; Rev.crit.dr.int.pr. 1993, 485 rn. Anrn. Gaudemet-Talion. 109 Cass. corn., 18. 10. 1994, BuH. civ. IV, Nr. 292. 110 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,722. III Vgl. Audit, DIP, Nr. 321, 337. ll2 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,712,723 f. 113 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1991,712,724-726; vgl. unten S. 220 f. 114 Viney, JCP 1993, I, 3664 Nr. 3. m Siehe dazu oben S. 81 ff.

10*

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Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

D. Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen gegenüber einem nicht am Abschluß beteiligten Endabnehmer Im internen französischen Recht darf als gesichert angesehen werden, daß Vertragsklauseln, die zwei Vormänner in der Kette wirksam vereinbaren, auch den Endabnehmer binden1!6. Unter diese Klauseln, die gegenüber dem Endabnehmer wirken, fallen insbesondere auch Gerichtsstandsvereinbarungen 1\7. Die Frage, ob Gerichtsstandsvereinbarungen auch im Rahmen der internationalen Zuständigkeit Drittwirkung entfalten, ist demgegenüber noch nicht abschließend geklärt.

I. Erfordernis einer Vereinbarung zwischen den Parteien Stützt man sich auf den Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ, der eine Vereinbarung gerade zwischen den Parteien des Rechtsstreits verlangt, so erscheint die Weitergabe einer Gerichtsstandsvereinbarung in der Kette ausgeschlossen. Der Endabnehmer, der außerhalb des ersten Kaufvertrages steht, ist nämlich regelmäßig nicht an der von seinen Vormännern geschlossenen Vereinbarung beteiligt ll8 .

11. Erstreckung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf Dritte Trotz des Wortlauts des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ sind auf bestimmten Gebieten Gerichtsstandsvereinbarungen mit Wirkung für und gegen Dritte üblich und von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, auch wenn der Dritte an der entsprechenden Vereinbarung nicht beteiligt war. Die einzige in Art. 17 EuGVÜ genannte Wirkungserstreckung auf Dritte erfaßt lediglich das Aufstellen von Trust-Bedingungen nach Art. 17 Abs. 2 EuGVÜ; allgemeine Grundsätze zur Drittwirkung fehlen. Eine der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen betrifft das Versicherungsrecht und beruht auf Art. 12 Nr. 2 EuGVÜ: Sofern der Vertrag zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, den letzterer für sich und für einen am Vertrag nicht beteiligten begünstigten Dritten abschließt, eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, die auch für Prozesse zwischen dem Dritten und dem Versicherer gelten soll, kann der Dritte die vereinbarte Zuständigkeit auch dann in Anspruch nehmen, wenn eine wirksame Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer 116 Cass. civ. 3e, 26. 05. 1992, BuH. civ. III, Nr. 175; Cass. civ. Ire, 07. 06. 1995, Bull. civ. I, Nr. 249. 117 Vgl. Cass. civ. 3e, 30. 10. 1991, Bull. civ. III, Nr. 251. 118 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,709,720.

D. Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen

149

vorliegt 119 • Dieser Fallgruppe liegt der Gedanke zugrunde, daß der begünstigte Dritte einen zusätzlichen Gerichtsstand erhält 12o. Es liegt daher eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten Dritter vor; anders als eine Vereinbarung zu Lasten Dritter treffen sie keine Bedenken 121. Kann sich, wie im Fall einer Absatzkette, die Gerichtsstandsvereinbarung auch zu Lasten des Dritten auswirken, so kann sie diesem nur dann entgegengehalten werden, wenn dieser Dritte Rechtsnachfolger einer der an der Vereinbarung beteiligten Parteien ist l22 . Eine solche Drittwirkung einer Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber einem Rechtsnachfolger hat der Europäische Gerichtshof für die in einem Konnossement enthaltene Klausel angenommen. Danach wirkt eine Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber dem dritten Empfänger, wenn die Vereinbarung zwischen Befrachter und Verfrachter wirksam zustande gekommen ist und der Empfänger durch Erwerb des Konnossements in die Rechte und Pflichten des Befrachters eingetreten ist 123 . Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, daß derjenige, der Rechte und Pflichten aus einem Vertrag herleitet, in sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag eintritt l24 . Die Frage, ob jemand Rechtsnachfolger einer Partei ist, soll sich nach der Entscheidung des EuGH nach dem "anwendbaren nationalen Recht" richten 125. Offen ist aber, welches das "anwendbare nationale Recht" sein soll. In Betracht kommen die lex fori wie die lex causae 126; der Gerichtshof wollte sich insoweit offenbar nicht festlegen. Die dargestellte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs haben mehrere jüngere Entscheidungen des französischen Kassationshofs nicht beachtet. In sämtlichen Entscheidungen ging es um Seetransporte, wobei in den ausgehändigten Konnossementen jeweils Gerichtsstandsvereinbarungen enthalten waren. Der Kassationshof entschied jeweils, daß die Gerichtsstandsvereinbarung dem Empfänger nicht entgegengehalten werden könne, da dieser nicht zugestimmt habe; auf Fragen der Rechtsnachfolge wurde dagegen nicht eingegangen 127 . Die Entscheidungen 119 EuGH, 14. 07. 1983, Rs. 201/83, Gerling/ Amministrazione deI tesoro dello Stato, Sig. 1983,2503,2517. 120 Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 56; Geimer, NJW 1985,533. 121 Geimer, NJW 1985, 533, 534. 122 Vgl. Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 55; Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/ I, S. 927 f.; Geimer, NJW 1985,533,534. 123 EuGH, 19.06.1984, Rs. 71183, Russ/Nova, Slg. 1984,2417 zur ursprünglichen Fassung von Art. 17 EuGVÜ. Seit der Neuregelung 1978 wird verbreitet die Wirkung der in einem Konnossement enthaltenen Gerichtsstandsklausel gegenüber dem Empfänger bereits kraft Handelsbrauchs befürwortet, vgl. Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 54 m.w.N. 124 Vgl. Kropholler, EuGVÜ, Art. 17 Rz. 57. 125 EuGH, 19.06. 1984, Rs. 711/83, Russ/Nova, Slg. 1984,2417. 126 Für lex causae: Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung, Bd. 1/1, S. 927 f.; GaudemetTalion, Rev.crit.dr.int.pr. 1995,612,613 ff.

150

Zweiter Teil: Internationale Zuständigkeit

überraschten um so mehr, als das französische Recht zuvor davon ausging, daß die in dem Konnossement enthaltene Klausel dem Empfänger entgegengehalten werden kann 128 .

III. Erstreckung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf den Endabnehmer als Rechtsnachfolger? Vor diesem Hintergrund läßt sich untersuchen, ob der Endabnehmer innerhalb einer Absatzkette als Rechtsnachfolger angesehen werden kann, für und gegen den eine von den Vormännern vereinbarte Gerichtsstandsklausel wirkt. Diese Frage hatte der Kassationshof in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 1994 zu behandeln 129 . Eine bretonische Werft bestellte bei einem französischen Zwischenhändler Schiffspropeller. Der Zwischenhändler bezog die Propeller von dem italienischen Hersteller mit Sitz in Mailand. Zwischenhändler und Hersteller hatten wirksam einen Gerichtsstand in Mailand vereinbart. Nachdem sich die Propeller als mangelhaft erwiesen, verklagte die Werft Zwischenhändler wie Hersteller am für ihren Sitz zuständigen Gericht. Der italienische Hersteller rügte unter Hinweis auf die Gerichtsstandsvereinbarung die fehlende internationale Zuständigkeit des französischen Gerichts. Damit hatte der Hersteller vor dem Berufungsgericht Erfolg, das aufgrund des vertraglichen Charakters des Direktanspruchs eine Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber dem Endabnehmer annahm. Der Kassationshof hob das Urteil des Berufungsgerichts insoweit auf, da der Anspruch des Endabnehmers nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juni 1992 nur noch als deliktischer im Sinne von Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ angesehen werden könne. Damit nimmt der Kassationshof zugleich implizit an, daß eine Erstreckung der Gerichtsstandsvereinbarung auf den Endabnehmer für ihn nicht in Betracht kommt. Zwar hat das Ergebnis der Entscheidung in der Literatur überwiegend Zustimmung erfahren 130, doch ist die Begründung nicht leicht mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 1984 zu vereinbaren. Denn der Kassationshof hat die Frage, ob eine Übertragung der Klausel durch Rechtsnachfolge in Betracht kommt, wie in den bereits zitierten transportrechtlichen Entscheidun127 Cass. corn., 26. 05. 1992, Rev.crit.dr.int.pr. 1992, 703; Cass. corn., 10. 01. 1995 und Cass. corn., 04. 04. 1994, Rev.crit.dr.int.pr. 1995,610 jeweils rn. krit. Anrn. Gaudemet-Tallon. 128 Vgl. zuletzt Cass. corn., 10.03. 1987, BuH. civ. IV, Nr. 70; Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int. pr. 1995,612,614 rn.w.N. 129 Cass. corn., 18. 10. 1994, BuH. civ. IV, Nr. 292; Rev.crit.dr.int.pr. 1995, 721 rn. Anrn. Sinay-Cytermann; Anrn. Huet, JOI 1995,143. 130 Huet, JOI 1995, 143, 146; Sinay-Cytermann, Rev.crit.dr.int.pr. 1995, 725, 729; de Vareilles-Sommiires, RTD euro 1992,712,720; a.A. Ledere, JDI 1995,267,291 f.; unentschieden: Gaudemet-Tallon, Convention de BruxeHes, Nr. 140.

D. Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen

151

gen 131 gar nicht gestellt. Zum Teil wird daher darauf hingewiesen, um der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gerecht zu werden, hätte der Kassationshof fragen müssen, ob die in dem ersten Kaufvertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung nach dem auf den ersten Vertrag anwendbaren Recht auf den Endabnehmer übergeht; dies gelte unabhängig davon, daß der Anspruch des Endabnehmers als deliktisch im Sinne des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ anzusehen sei 132. Andere halten die Übertragung der Klausel als Folge der deliktischen Einordnung des Anspruchs des Endabnehmers für ausgeschlossen. Aus der Ablehnung des Gerichtsstands des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ für den Direktanspruch des Endabnehmers 133 lasse sich entnehmen, daß der Europäische ,Gerichtshof den Anspruch vollständig von dem ersten Vertrag habe loslösen woHen 134 . Da der Endabnehmer nach europäischem Zuständigkeitsrecht einen deliktischen Anspruch geltend macht, greift der Gedanke eines Eintritts des Endabnehmers in die vertraglichen Rechte des Zwischenhändlers nicht: Es fehlt bereits eine "Vereinbarung", die durch Rechtsnachfolge ersetzt werden könnte. Rechtsnachfolge ist danach grundsätzlich nur noch bei Vorliegen eines vertraglichen Anspruchs möglich 135. Der Kassationshof hat sich in seiner Entscheidung mit diesen Fragen nicht beschäftigt; selbst in den transportrechtlichen Fällen, bei denen die Frage der Rechtsnachfolge noch näher liegt, ist er darüber hinweggegangen. In der Literatur wird daher teilweise bedauert, daß der Europäische Gerichtshof keine Gelegenheit hatte, zu entscheiden, inwieweit sein Urteil vom 17. Juni 1992 dasjenige vom 19. Juni 1984 einschränkt 136 . Meines Erachtens genügt die Feststellung, daß der Endabnehmer im Gerichtsstand des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ einen eigenen deliktischen Anspruch geltend macht; die Entwicklung eines autonomen Rechtsnachfolgebegriffs ist für diese Fallgruppe jedenfalls nicht erforderlich.

131 Cass. corn., 26. 05. 1992, Rev.crit.dr.int.pr. 1992, 703; Cass. corn., 10. 01. 1995 und Cass. corn., 04. 04. 1995, Rev.crit.dr.int.pr. 1995,610. 132 Ledere, Jm 1995,269,291 f. 133 EuGH, 17.06.1992, Rs. 26/91, Handte 1TMCS, Slg. 1992 1,3967,3994 Rz. 15 f. 134 Huet, Jm 1995, 143, 146. 135 Soweit aber ein deliktischer Anspruch abgetreten wird, der mit einer wirksam (nachträglich) vereinbarten Gerichtsstandsklausel belastet ist, würde auch diese den Zessionar binden. 136 Gaudemet-Tallon, Convention de Bruxelles, Nr. 140; Huet, Jm 1995, 143, 146.

Dritter Teil

Anwendbares Recht A. Überblick über deutsches internationales Privatrecht Das deutsche Sachrecht stellt - neben den spezialgesetzlichen Nonnen des Produkthaftungsgesetzes - für eine Haftung in Absatzketten vorwiegend deliktische Ansprüche zur Verfügung. Infolge dieser unterschiedlichen Behandlung der Produkthaftung im deutschen und französischen Sachrecht ergeben sich Qualifikationsfragen.

I. Qualifikationsfragen Bei der Anknüpfung von Direktansprüchen eines Endabnehmers gegen ein höheres Glied der Absatzkette ist zu entscheiden, ob solche Ansprüche der Kollisionsnonn des Deliktsrechts oder der des Vertragsrechts zuzuordnen sind. Da solche Ansprüche im deutschen Sachrecht ausschließlich deliktischen Charakter haben, lenkt dies auch für die internationalprivatrechtliche Qualifikation den Blick zunächst auf das Deliktsrecht. Eine rigide Qualifikation lege fori dürfte daher dazu führen, die action directe aus deutscher Sicht als deliktischen Anspruch anzusehen. Andererseits hat sich die heutige Rechtsprechung und Lehre von einer strengen Qualifikation lege fori entfernt und berücksichtigt Elemente der internationalprivatrechtlichen bzw. funktionalen Theorie\. Einigkeit besteht insoweit, als die Begriffe des deutschen materiellen Rechts nicht über die Qualifikation entscheiden dürfen. Danach verbietet sich eine schematische Lösung insbesondere bei dem eigenen Recht fremden Rechtsinstituten. In solchen Fällen ist vielmehr anband des fremden Rechts die Eigenheit und Funktion des jeweiligen Rechtsinstituts zu ermitteln; auf dieser Grundlage kann das Institut aus deutscher Sicht in die Systembegriffe des deutschen Kollisionsrechts eingeordnet werden 2 . Für die deliktische Qualifikation der action directe könnte ein Vergleich zur Behandlung der action directe des Unfallopfers gegen den Haftpflichtversicherer des 1 Vg!. MünchKornrnl Sonnenberger, Bd. 7, Ein!. Rz. 356; Soergell Kegel, 12. Aufl., Bd. 10, Vor Art. 3 EGBGB Rz. 117, 120 f. rn.w.N. 2 Vg!. Soergell Kegel, 12. Aufl., Bd. 10, Vor Art. 3 EGBGB Rz. 120 f.; MünchKornrnl Sonnenberger, Bd. 7, Ein!. Rz. 360 ff., 367; v. Bar, IPR, Bd. I, Rz. 601 ff.

A. Deutsches internationales Privatrecht

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Schädigers im internationalen Verkehrsunfallrecht herangezogen werden; diese unterliegt nach allgemeiner Ansicht dem Tatortrecht 3 . Doch bestehen zwischen der action directe im Haftpflichtversicherungsrecht und in der Produkthaftung durchaus Unterschiede 4 . Vielmehr ist die Qualifikation der action directe in der Produkthaftung als deliktisch keineswegs zwingend, wenn man Entstehung und Funktion der action directe im französischen Sachrecht betrachtet. Dort wird die action directe als kaufrechtlicher Anspruch begründet; der Anspruch folgt mit der Weiterveräußerung der Sache und läßt sich gleichsam als abgetretener Anspruch betrachten. Diese Funktion spricht dafür, die action directe auch aus deutscher Sicht als vertraglichen Anspruch anzusehen 5 . Folgt man dieser vertraglichen Qualifikation, so ist weiter zu untersuchen, ob neben einem etwaigen vertraglichen Direktanspruch konkurrierende deliktische Ansprüche in Betracht kommen. Für die Anknüpfung vertraglicher Ansprüche gelten die Art. 27 ff. EGBGB. Das danach ermittelte Vertrags statut entscheidet auch über Ansprüche vertragsfremder Dritter6 . Nach diesem Grundsatz kommt eine action directe immer dann in Betracht, wenn französisches Recht Vertragsstatut ist7 ; entscheidend wird damit das Statut des ersten Kaufvertrages 8 . Nach anderer Ansicht soll der erste Kaufvertrag auch einem fremden Recht, also auch deutschem Recht unterliegen können; entscheidend sei, daß die späteren Verträge französischem Recht unterliegen, da dann die dort vorgesehene stillschweigende Zession eintrete9 . Vorzugswürdig dürfte hier das Abstellen auf den ersten Vertrag sein, da die Parallele zur Abtretung naheliegt und nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB das Recht der Forderung auch über die Voraussetzungen der Abtretung entscheidet. Soweit außervertragliche Ansprüche in Frage stehen, gilt die Tatortregel, die nach dem von der herrschenden Meinung vertretenen Günstigkeitsprinzip eine alternative Anknüpfung an den Handlungs- und Erfolgsort beinhaltet lO • Innerhalb dieser Meinungsgruppe ist allerdings umstritten, ob und inwieweit die Zahl der Handlungsorte zu beschränken ist und ob dem Schädiger auch unvorhersehbare Tatorte, wie etwa ein sich seinem Einfluß entziehender Erfolgsort, zurechenbar 3 Zu dieser Fallgruppe Soergel/ Lüderitz, 12. Aufl., Bd. 10, Art. 38 EGBGB Rz. 102 m.w.N. Kollisionsrechtlich soll der Schutz des Verletzten verstärkt und die Rechtsverfolgung erleichtert werden. 4 Während die action directe im Haftpflichtversicherungsrecht in die Kategorie der "actions directes en paiement" eingeordnet wird, zählt die action directe der Produkthaftung zu den "actions directes en responsabilite". Vgl. horche in: Rep. de droit civil, action directe, Nr. 19-21. 5 Eujen/ Müller-Freienfels, AWD 1972,503 f. 6 MünchKomm/ Martiny, Bd. 7, Vor Art. 12 EGBGB Rz. 115. 7 Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 778. B Eujen/Müller-Freienfels, AWD 1972,503,505. 9 Peifer, JZ 1995,91,93. 10 BGH, NJW 1981, 1606; Eujen/Müller-Freienfels, AWD 1972, 503, 506 f.; MünchKomm/ Kreuzer, Bd. 7, Art. 38 EGBGB Rz. 203 m.w.N.

154

Dritter Teil: Anwendbares Recht

sindlI. Insgesamt wird dabei hisichtlich des Erfolgsorts mit wechselnder Formulierung der Markt-, Erwerbs- bzw. Absatzort bevorzugt l2 . Andere lehnen das Günstigkeitsprinzip ab und knüpfen allein an den Erfolgsort an; als Erfolgsort wird dabei teils der Marktort l 3, teils der Ort der Rechtsgutsverletzung l4 angesehen. Vereinzelt wird auch der gewöhnliche Aufenthalt des Geschädigten als Anknüpfungspunkt gewählt l5 ; einige differenzieren zudem zwischen Abnehmern und Drittgeschädigten 16. Nach der herrschenden Meinung, die das Günstigkeitsprinzip anwendet, kommt man zur Anwendung französischen Rechts, wenn der Herstellungsort, der meist mit dem Ort des erstmaligen Inverkehrbringens identisch ist, oder der Ort an dem sich die schädlichen Auswirkungen des Produktmange1s zeigen in Frankreich liegen. Während die vertragsrechtliche Verweisung gemäß Art. 35 EGBGB stets eine Sachnormverweisung darstellt, ist bei der deliktsrechtlichen Verweisung umstritten, ob eine Rückverweisung in Betracht kommt 17 . Bei Distanzdelikten ergibt sich die Besonderheit, daß die Beachtung der Rückverweisung möglicherweise die durch das Günstigkeitsprinzip gewährte Opferbegünstigung aufhebt 18 . Da in der Produkthaftung die Günstigkeitsrege1 schon generell insoweit Bedenken ausgesetzt ist, als für eine zu weitgehende Bevorzugung des Geschädigten letztlich kein sachlicher Grund vorliegt, kann meines Erachtens nicht festgestellt werden, daß die Berücksichtigung der Rückverweisung dem Sinn der Verweisung widerspräche (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Bejaht man demzufolge die Möglichkeit einer Rückverweisung, so ist auf das unten darzustellende französische internationale Privatrecht einzugehen 19.

Vgl. zum Streitstand ausführlich Wandt, Int. Produkthaftung, Rz. 336 ff. Vgl. MünchKomml Kreuzer, Bd. 7, Art. 38 EGBGB Rz. 201. 13 BTÖcker, Regelbildung, S. 88 ff., 156 ff. 14 SoergeI/ Lüderitz, 11. Aufl., Bd. 8, Art. 12 EGBGB a.F. Rz. 21 (Absatzort, wenn dort auch der Erfolg eintritt); Taschner / Frietsch, Produkthaftung, Einf. Rz. 184. 15 Drobnig, Produktehaftung, S. 337; Winkelmann, Produkthaftung, S. 240 ff. 16 Nachweise bei Wandt, Int. Produkthaftung, Rz. 365 ff. 17 Umfangreiche Nachweise zum Streitstand bei MünchKommlMartiny, Bd. 7, Art. 38 EGBGB Rz. 25 Fn. 77. Art. 42 Abs. 2 des RefE zur Reform des IPR des außerveruaglichen Schuldrechts will aber den Renvoi ausschließen; Text bei MünchKomml Martiny, Bd. 7, Vor Art. 38 EGBGB Rz. 6. 18 Das trifft dann zu, wenn das fremde IPR die Zahl der Tatorte reduziert. Differenzierend daher MünchKomm I Martiny, Bd. 7, Art. 38 EGBGB Rz. 26 ff. 19 Da die Verweisung sich nicht lediglich auf die entsprechende Systemkategorie des ausländischen Kollisionsrechts beschränkt, gilt dies auch bei abweichender Qualifikation des ausländischen Rechts. Vgl. v. Bar, IPR, Bd. 1, Rz. 589; SoergeI/ Kegel, 12. Aufl., Bd. 10, Art. 4 EGBGB Rz. 31 f. m.w.N. 11

12

B. Französisches internationales Privatrecht

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11. Behandlung des non-cumul Aufgrund der unterschiedlichen Verweisungsnormen für Vertrags- und Deliktsrecht kann es dazu kommen, daß Vertrags- und Deliktsstatut auseinanderfallen. Denkbar ist, daß französisches Recht Vertragsstatut, deutsches Recht Deliktsstatut wird. Sofern der vertragliche Anspruch französischen Rechts an einer Voraussetzung scheitert, fragt sich, ob ohne weiteres deutsches De1iktsrecht angewendet werden darf oder ob und gegebenenfalls wie das Verbot der Anspruchskonkurrenz des französischen Rechts zu beachten ist. Rechtsprechung zur Lösung der Konkurrenzfrage fehlt 2o • Überzeugend erscheint wohl nur die Lösung, die die non cumulRegel des französischen Rechts nicht als Teil des Vertrags statuts, sondern als Einschränkung des Deliktsstatuts ansieht21 . Denn eine Verdrängung des Deliktsstatuts kann jedenfalls nicht ohne das Deliktsstatut angeordnet werden. Aus deutscher Sicht kann daher ein französisches Vertragsstatut ein deutsches Deliktsstatut nicht verdrängen.

B. Französisches internationales Privatrecht I. Qualifikation von vertraglichen Direktansprüchen Für die internationalprivatrechtliehe Qualifikation der action directe ist zu entscheiden, ob der Anspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller als vertraglich oder deliktisch anzusehen ist: Vertragliche Ansprüche unterliegen grundsätzlich dem Vertragskollisionsrecht der Haager Kaufrechtskonvention 22 bzw. des Europäischen Schuldvertragsrechts 23 , deliktische dem Kollisionsrecht der Haager Produkthaftungskonvention 24 • Soweit neben diesen staatsvertraglichen Regelungen im Vgl. MünchKomm/ Kreuzer, Bd. 7, Art. 38 EGBGB Rz. 296. So Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 780. 22 Haager Übereinkommen über das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht vom 15. 06. 1955; in Frankreich in Kraft seit dem 01. 09. 1964; Decret Nr. 64-839 vom 06.08. 1964, J.O. 13.08. 1964. Das Haager Abkommen über das auf internationale Warenkäufe anwendbare Recht vom 22. 12. 1986, das eine Überarbeitung der Rechtsmaterie darstellt, ist noch nicht in Kraft getreten; englischer und französischer Text in: RabelsZ 51 (1987), 196-213. 23 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.06. 1980; ABI. EG 1980, L 266/ 1; BGBI. 1986; H, 809. Das Übereinkommen ist in Kraft seit dem 01. 04. 1991, vgl. Bek. v. 12.07. 1991, BGBI. H, 872 sowie Decret Nr. 91-242 v. 28. 02. 1991, J.O. 03. 03. 1991. Das Europäische Schuldvertragsrecht läßt gemäß seinem Art. 21 bestehende Staatsverträge unangetastet; die Kaufrechtskonvention geht in ihrem Anwendungsbereich daher vor. 24 Haager Übereinkommen vom 02. 10. 1973 über das auf die Produkthaftpflicht anzuwendende Recht; in Frankreich in Kraft seit dem 01. 10. 1977; Decret Nr. 77-1210 vom 20

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Dritter Teil: Anwendbares Recht

Einzelfall das allgemeine internationale Deliktsrecht zum Zuge kommen kann, führt die gewohnheitsrechtliehe Kollisionsnorm zur lex loci delicti; die in Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Ansicht gibt dabei der Anknüpfung an den Erfolgsort den Vorzug 25 • Möglicherweise macht das Haager Produkthaftungsübereinkommen in seinem Anwendungsbereich die Beantwortung der Qualifikationsfrage überflüssig; denn es vermeidet die Begriffe vertragliche und außervertragliche Haftung 26 . Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens bestimmt lediglich, daß sich die Haftung dann nicht nach der Konvention richtet, "wenn die in Anspruch genommene Person das Eigentum oder den Besitz an dem Produkt der geschädigten Person übertragen hat". Daraus ergibt sich zunächst, daß Ansprüche im unmittelbaren Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer nicht der Konvention unterliegen. Die Ansichten darüber, ob aus der Vorschrift auch ein Ausschluß der action directe folgt, sind geteilt. Einerseits wird eine enge Auslegung der Vorschrift vertreten, nach der nur vertragliche Ansprüche im unmittelbaren Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer ausgeschlossen sind27 • Dafür läßt sich der Wortlaut der Vorschrift anführen; denn der Ausdruck Ausschluß der vertraglichen Haftung wurde gerade vermieden. Andere, insbesondere die Rechtsprechung, geben dem Produkthaftungsübereinkommen einen engeren Anwendungsbereich, indem sie auch vertragliche Direktansprüche ausschließen 28 . Hierfür wird angeführt, daß die gesamte vertragliche Haftung, auch die gegenüber Dritten, ausgeschlossen werden sollte. Der vertragliche Direktanspruch beruhe letztlich auf dem vertraglichen Anspruch des ersten Käufers gegen den Hersteller und müsse daher wie dieser vom Anwendungsbereich ausgenommen werden 29 •

10. 10. 1977, J.O. 03. 11. 1977; französischer und englischer Text in: Rabels Z 37 (1973), 594-605. 25 Cass. civ. Ire, 08. 02. 1983, BuH. civ. I, Nr. 51; JDI 1984, 123 - in dem zugrundeliegenden FaH lag aHerdings auch der Handlungsort in Frankreich; Battifoll Lagarde, DIP, Bd. I, Nr. 561; Mayer; DIP, Nr. 678; zweifelnd an einer aHgemeinen Festlegung auf den Erfolgsort: Audit, DIP, Nr. 777. 26 Vgl. Stoll in: FS Kegel, S. 113, 133 f. 27 Ugier in: J.-Cl. Droit international, Fase. 553-3, Nr. 126; Lagarde in: Les clauses limitatives ou exoneratoires de responsabilite en Europe, S. 19, 27; Fallon, Accidents de la consommation, S. 445, 470; Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 779 f.; Sonnenberger; Frz. HWR, Rz. VIII 62; Kullmannl Pfister; Produzentenhaftung, Nr. 4700, S. 31; Wandt, Int. Produkthaftung, Rz. 1193; Muir-Watt, Anm. zu Cass. civ. Ire, 15. 01. 1991, Rev.crit.dr.int.pr. 1993,47, 53; Lequette, Anm. zu Cass. civ. Ire, 08. 01. 1991, Rev.crit.dr.int.pr. 1991,412, 413. 28 Ledere, JDI 1995, 267, 315 f.; Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, BuH. civ. I, Nr. 348; D. 1996, somm. comm. 171 m. Anm. Audit; Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, BuH. civ. I, Nr. 297; JCP 1992, II, 21824 m. Anm. Ammar; CA Paris, 14.06. 1989, D. 1989, info rap. 201; Rev.crit.dr.int. pr. 1990, 785. 29 Ledere, JDI 1995,267,316.

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Die besseren Argumente dürften für die Einbeziehung der action directe sprechen. Dabei ist der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 der Konvention nur ein erster, aber gewichtiger Anhaltspunkt. Durch die gewählte Formulierung sollten gerade Qualifikationsprobleme hinsichtlich der international verschieden gelösten Herstellerhaftung vermieden werden 3o • Zudem erhält die Konvention bei Anwendung der engen Auslegung nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich; die Produkthaftung betrifft aber weit überwiegend nicht die Verletzung außenstehender Dritter, sondern von Gliedern in der Absatzkette. Für das geltende Recht ist gleichwohl vom Ausschluß der action directe aus dem Anwendungsbereich der Produkthaftungskonvention auszugehen; dies ergibt sich aus der in der Rechtsprechung vertretenen strikten Qualifikation anhand der lex fori 3 !. Aber selbst wer die action directe nicht grundsätzlich als durch Art. 1 Abs. 2 ausgeschlossen ansieht, ist der Beantwortung der Qualifiktionsfrage nicht enthoben für Ansprüche auf Ersatz des Schadens an der Sache selbst sowie von Vermögensschäden, die nicht im Zusammenhang mit anderen Schäden stehen; solche Schäden fallen nach Art. 2 lit b) nämlich nicht in den Anwendungsbereich der Produkthaftungskonvention.

1. Einfluß des non-cumul Die Qualifikation von Ansprüchen als vertraglich oder deliktisch wird entscheidend vom Verbot der Anspruchskonkurrenz beeinflußt, das sich aus dem materiellen Recht ergibt. Der Grundsatz des non-cumul wird von der Rechtsprechung ohne weiteres in das internationale Privatrecht übertragen. Die vertragliche Qualifikation schließt danach jegliche Anwendung der deliktischen Kollisionsnorm aus; ob konkurrierende Deliktsansprüche möglich sind, soll sich allein nach dem aufgrund der vertraglichen Kollisionsnorm gefundenen materiellen Recht richten 32 . Diese Vorgehensweise vermeidet zwar Normenmangel und Normenhäufung, wird aber im Zusammenspiel mit der in der Rechtsprechung praktizierten strengen Qualifikation lege fori Auslandssachverhalten nicht stets gerecht. Ein Teil der Literatur wendet sich daher gegen die Übertragung des Grundsatzes des non-cumul in das internationale Privatrecht: Es sei stets vertraglich und deliktisch anzuknüpfen und die Entscheidung über eine mögliche Anspruchskonkurrenz den berufenen Rechten zu überlassen 33 • Im folgenden seien zunächst die Konsequenzen der von der Rechtsprechung praktizierten Qualifikation untersucht. Batiffol, Rev.crit.dr.int.pr. 1973,243,254 f.; Loussouam, JDI 1974,32,38. Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, Bull. civ. I, Nr. 348; D. 1996, somm. comm. 171 Anm. Audit; Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, Bull. civ. I, Nr. 297; JCP 1992,11,21824 m. Anm. Ammar; CA Paris, 14.06.1989, D. 1989, info rap. 201; Rev.crit.dr.int.pr. 1990,785. 32 Cass. civ. Ire, 18. 10. 1989, Rev.crit.dr. int.pr. 1990,712 m. Anm. Foyer; JDI 1990,415 m. Anm. Kahn; zustimmend Lagarde, Rev.crit.dr.int.pr. 1991, 287, 293; zweifelnd Mayer; DIP, Nr. 712. 30

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Dritter Teil: Anwendbares Recht

2. Vorherrschaft der Qualifikation lege fori in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung folgt uneingeschränkt der internen Einordnung der Direktansprüche und qualifiziert den Anspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller auch internationalprivatrechtlich als vertraglichen Anspruch. Diese Qualifikation lege fori 34 ergibt sich aus Entscheidungen des Kassationshofs sowie der Cour d'Appel de paris 35 : In allen drei Fällen ging es um den Anspruch eines französischen Endabnehmers gegen einen italienischen Hersteller. In den beiden Entscheidungen des Kassationshofs machte der Endabnehmer die Fehlerhaftigkeit einer Abfüllanlage für Marmorgranulat36 bzw. die mangelnde Vertragsgemäßheit von Verpackungsmateriae7 geltend, in der Entscheidung der Cour d' Appel leitete er Ansprüche aus der Schadhaftigkeit eines Motorradhelms her38 . Die Gerichte qualifizierten sämtliche Ansprüche als vertragliche Ansprüche und zogen jeweils die vertragliche Kollisionsrege1 heran. Ausgegangen wurde stets von der Haager Kaufrechtskonvention; mangels Rechtswahl war insoweit auf Art. 3 Abs. 1 der Konvention einzugehen, wonach das Recht am Aufenthaltsort bzw. an der Niederlassung des Verkäufers anzuwenden ist. Die Gerichte stellten - ohne dies ausdrücklich zu erwähnen - sämtlich auf den ersten Verkäufer ab. Dies läßt sich daraus entnehmen, daß die Zwischenhändler in allen drei Fällen ihren Sitz in Frankreich hatten. Die action directe wird damit dem für den ersten Kaufvertrag maßgeblichen Recht unterstellt. Auf die Frage einer etwaigen Anwendung der Haager Produkthaftungskonvention wird dagegen in keiner der zitierten Entscheidungen eingegangen. Die Rechtsprechung geht offenbar davon aus, diese sei aufgrund ihres Art. 1 Abs. 2 auf den Anspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller nicht anwendbar.

3. Probleme infolge Qualifikationsdifferenzen Die vertragliche Qualifikation führt über die entsprechende Kollisionsnorm zu dem Recht, das den ersten Vertrag beherrscht. Dies ist mangels Rechtswahl meist das Verkäuferrecht. Damit kann die action directe - je nach Sitz des Verkäufers 33 Ugier in: J.-Cl. Droit international, Fase. 553-2, Nr. 18; Bourel, Les conflits de lois en matiere d'obligations extracontractuelles, S. 150. 34 Zum Grundsatz der Qualifikation lege fori im französischen internationalen Privatrecht allgemein: Batijfol/Lagarde, DIP, Bd. 1, Nr. 292 f.; Audit, DIP, Nr. 200 f.; Loussouam/Bourel, DIP, Nr. 186. 35 Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, Bull. civ. I, Nr. 348; D. 1996, somm. comm. 171 Anm. Audit; Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, Bull. civ. I, Nr. 297; JCP 1992,11,21824 m. Anm. Ammar; CA Paris, 14.06.1989, D. 1989, info rap. 201; Rev.crit.dr.int.pr. 1990,785. 36 Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, Bull. civ. I, Nr. 348; D. 1996, somm. comm. 171 Anm. Audit. 37 Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, Bull. civ. I, Nr. 297; JCP 1992, 11, 21824 m. Anm. Ammar. 38 CA Paris, 14.06. 1989, D. 1989, inf. rap. 201.

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einem Recht unterliegen, das selbst streng dem Grundsatz der Relativität der Verträge folgt und dem Endabnehmer keinen Direktanspruch gegen den Erstverkäufer gewährt. Dies gilt etwa für das in den drei zitierten Entscheidungen angewandte italienische Recht; dort kommt Vertragsrecht nur zwischen unmittelbaren Vertragspartnern zur Anwendung 39 . Während die Rechtsprechung die Gewährung eines Direktanspruchs nach fremden Vertragsrecht als Konsequenz der erfolgten Qualifikation lege fori hinnimmt, selbst wenn die jeweilige Rechtsordnung die Haftung in Absatzketten deliktisch ausgestaltet, hält ein Teil der Literatur diese Lösung für unbefriedigend4o . Die Qualifikation lege fori führe im Fall der Vertragsketten zu dem Ergebnis, daß ausländisches Recht, welches keinen Direktanspruch kennt, so angewandt werde, wie es die Gerichte des jeweiligen Staates niemals tun würden 41 • Da die action directe maßgeblich auf dem ersten Vertrag beruhe, könne ein Direktanspruch zwischen Endabnehmer und Hersteller nicht angenommen werden, wenn das Recht, das den Vertrag zwischen Hersteller und Zwischenhändler beherrscht, einen solchen nicht kennt42 • Letzteres Argument beruht auf dem Grundsatz, daß das jeweilige Vertragsstatut bestimmt, inwieweit Rechtsnachfolger oder Dritte aus einem Vertrag Rechte herleiten können43 • Die von der Rechtsprechung vorgenommene vertragliche Qualifikation ist damit nicht ohne Einwände. Die Anwendung ausländischen Vertragsrechts, obwohl die ausländische Rechtsordnung der deliktischen Lösung folgt, läßt sich auch nicht durch weitere kollisionsrechtliche Mechanismen korrigieren: a) Keine Anwendung des fremden Deliktsrechts im Wege der qualification en sous-ordre Auf der Grundlage der Qualifiktion lege fori muß eine Anwendung des fremden Deliktsrechts ausscheiden. Insbesondere kommt nicht in Betracht, das fremde Deliktsrecht im Wege einer sogenannten Unterqualifikation (qualification en sous-ordre, qualification secondaire) anzuwenden 44 . Als solche qualifictions en sous-ordre werden ausschließlich Klassifizierungen eines bereits gefundenen fremden Rechts angesehen (z. B. die Einteilung von Sachen in Mobilien und Immobilien); die qualification en sous-ordre beeinflußt damit niemals das anwendbare Recht und stellt 39 Produkthaftungshandbuch/ Poseh/ Padovini, Bd. 2, § 125 Rz. 16 f.; Cian/Trabueehi, Art. 1492 Anrn. V, Art. 2043 Anrn. XIV; Cass. civ., 28. 07. 1986, Nr. 4833, Rep. Foro it. 1986, Stichw. "vendita", Nr. 78. 40 Gaudemet-Tallon, Anrn. zu Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Rev.crit.dr.int.pr. 1987, 612, 616; Ledere, JDI 1995,267,303 f. 41 Ledere, JDI 1995, 267, 303 f. 42 Ledere, JDI 1995, 267, 303. 43 Loussouam/Bourel, DIP, Nr. 381. 44 Ledere, JDI 1995,167,304 f.

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Dritter Teil: Anwendbares Recht

im strengen Sinne keine internationalprivatrechtliche Qualifikation dar45 . Der Bereich der qualification en sous-ordre wäre jedenfalls verlassen, wenn man nach vertraglicher Qualifikation des Direktanspruchs innerhalb eines fremden Rechts, das die Haftung selbst deliktisch ausgestaltet, auf das Deliktsrecht ausweichen würde. Ein solches Vorgehen wäre mit dem Grundsatz der Qualifikation lege fori nicht mehr vereinbar. Zudem könnte das Recht eines Staates berufen werden, in dem sich keinerlei Teilakt des Delikts verwirklicht46 . b) Ausschluß des Renvoi infolge abweichender Qualifikation Wird das Vertragsrecht einer Rechtsordnung berufen, die in Absatzketten selbst der deliktischen Lösung folgt, so könnte man einen Qualifikationsrenvoi erwägen: Sofern sich das Delikt nicht in dem betreffenden Staat verwirklicht, wäre eine Rückverweisung in Betracht zu ziehen 47 . Solchen Überlegungen steht jedoch von vornherein der Ausschluß des Renvoi im internationalen Vertragsrecht entgegen 48 . c) Kein Eingreifen der action directe als Bestandteil der lois de police Unabhängig von der Haftungsregelung eines fremden Rechts, das selbst der deliktischen Lösung folgt, könnte eine action directe aus französischer Sicht immer dann gewährt werden, wenn sie zu den international zwingenden Normen, den lois de police gehörte. Diese Bewertung kann nur das französische Recht selbst vornehmen; die Frage ist allerdings bisher nicht näher untersucht worden. Für die Bewertung der action directe als Bestandteil der lois de police ist angeführt worden, die Pflichten des gewerblichen Käufers seien inzwischen durch den Begriff "ordre public de protection,,49 charakterisiert; dazu gehörten insbesondere auch die Pflichten gegenüber dem Endabnehmer5o . Dennoch wird man die action directe nicht als unerläßliches Instrument zum Schutz der Endabnehmer ansehen können. Auch wo sie versagt wird, ist der Endabnehmer nicht schutzlos. Der Regreß Glied für Glied ist stets möglich; sofern Vertragsrecht ausgschlossen ist, kommen deliktische Ansprüche zum Tragen51 . Zudem erscheint die action directe zwar im Kaufrecht fest etabliert, ist aber aufgrund der schwankenden Entwicklung der Loussouam/Bourel, DIP, Nr. 193; BatiffoliLagarde, DIP, Bd. 1, Nr. 298. Ledere, JDI 1995,267,305. 47 Vgl. Ledere, JDI 1995, 267, 306. 48 Ledere, JDI 1995,267,306; Heuze, Rev.crit.dr.int.pr. 1996,243,265. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Haager Kaufrechtskonvention sowie Art. 15 Europäisches Schuldvertragsübereinkommen. 49 Vgl. Viney, Responsabilite: effets, Nr. 200. 50 Sonnenberger in: FS Steindorff, S. 777, 781 in Fn. 13. 51 Vgl. Ledere, JDI 1995,267,307 f. 45

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B. Französisches internationales Privatrecht

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Rechtsprechung in den letzten Jahren in benachbarten Gebieten zum Teil umstritten. Eine andere Beurteilung kann sich lediglich hinsichtlich der Ansprüche der Bauherrn oder Erwerber von Gebäuden wegen Baumängeln ergeben, die die Standfestigkeit beeinträchtigen, soweit sich die Gebäude in Frankreich befinden52 . Diese Auffassung findet eine Stütze in Art. 1792-5 Cc: Die Norm erklärt jede Beschränkung der Bauwerkshaftung, die jeder Erwerber gemäß Art. 1792 Cc im Wege der action directe geltend machen kann, für unwirksam. Selbst wenn man für die spezielle Bauwerkshaftung dieser Auffassung folgt, so führt dies nicht dazu, die action directe schlechthin als international zwingendes Recht anzusehen; es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß sich die action directe stets gegenüber einem ausländischem Vertragsstatut durchsetzt, auch wenn dieses keine action directe kennt. 4. Abweichende Lösung der Qualifikations/rage in der Literatur Infolge der Kritik an der strengen Qualifikation lege fori durch die Rechtsprechung sind in der Literatur teilweise abweichende Vorschläge zur Qualifikation der Direktansprüche als vertraglich oder deliktisch gemacht worden 53 . a) Autonome Qualifikation der Auslegung des EuGVÜ folgend Eine Auffassung spricht sich dafür aus, die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht im internationalen Privatrecht der autonomen Auslegung des EuGVÜ hinsichtlich Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 3 EuGVÜ nachzubilden 54 . Diese Ansicht stützt sich maßgeblich darauf, daß mit dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen gemeinschaftsrechtliche Normen für das internationale Vertragsrecht bestehen55 • Zwar falle das Übereinkommen derzeit nicht in die Auslegungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs, doch könne sich dies nach Inkrafttreten der entsprechenden Auslegungsprotokolle 56 ändern. Angesichts der im EuGVÜ vorherrschenden prozessualen Zwecke sei zwar nicht sicher, daß sich der Europäische Gerichshof Vgl. Ledere, 101 1995,267, J08. Nur vereinzelt ist der sachenrechtlichen Erklärung der action directe durch die Theorie des accessoire folgend die lex rei sitae erwogen worden; hier wird aber zugleich erkannt, daß diese Anknüpfung wegen möglicher Lageänderung nicht sachgerecht ist. Vgl. Muir Watt, Anm. zu Cass. civ. 15.01. 1991, Rev.crit.dr.int.pr. 1993,46,53; Ledere, 101 1995,267,311. 54 De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992, 709, 725; Lagarde, Rev.crit.dr.int.pr. 1991, 287,293. 55 Die Haager Kaufrechtskonvention wird außer Betracht gelassen, da sie nach ihrem Art. 5 lit. e) Ansprüche Dritter nicht regeln wolle. Vgl. De Vareilles-Sommieres, RTD civ. 1992,709,724 Fn. 51. 56 Vgl. die beiden Protokolle vom 19. 12. 1988, ABI. EG 1989, L 48/1. 52 53

II Beaumart

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Dritter Teil: Anwendbares Recht

für die übereinstimmende Auslegung entscheide, aber dies erscheine immerhin möglich 57 . In der Sache sei die übereinstimmende Auslegung jedenfalls vorzuziehen; sie führe dazu, in Europa Vertrags- und Deliktsrecht einheitlich abzugrenzen 58 . Zwar habe die deliktische Qualifikation in Absatzketten den Nachteil, daß sie nach der Regel der lex loci delicti zu so vielen Rechten führen könne, wie geschädigte Abnehmer vorhanden seien; dies ließe sich jedoch durch Einführung einer speziellen deliktischen Kollisionsnorm beheben59 . b) Kumulative Anwendung der an einer Vertragskette beteiligten Rechte Nach anderer Ansicht soll ein vertraglicher Anspruch nur in Betracht kommen, wenn sämtliche an der Kette beteiligten Rechte den vertraglichen Direktanspruch zulassen; kennt nur eines der auf die einzelnen Verträge anwendbaren Rechte keinen Direktanspruch, sei die deliktische Kollisionsregel anzuwenden 6o . Für die Anknüpfung eines Direktanspruchs werden zwei Fragen herausgearbeitet, nämlich nach dem Bestehen einer Vertragskette und nach dem auf den Direktanspruch anwendbaren Recht; beide sollen eigenen Kollisionsnormen unterliegen 61 . Bei der ersten Frage handelt es sich aber, anders als es die verwendete Terminologie nahelegt, nicht um eine Anknüpfungsfrage, sondern um einen Qualifikationsvorgang. Denn in der Sache wird eine Qualifiktion lege causae vertreten und zwar unter Berücksichtigung aller beteiligten Rechte. Das Erfordernis einer Befragung aller beteiligten Rechte soll sich aus dem Charakter der Vertragskette ergeben. Zunächst sei stets der erste durch den Hersteller geschlossene Vertrag zu betrachten; das Recht, dem dieser unterliege, bestimme, ob der Vertrag Wirkungen gegenüber Dritten entfalten könne 62 . Aber auch die weiteren Verträge im Verlauf der Kette seien bedeutsam. Dafür soll eine Parallele zur action directe en paiement sprechen, die die Zahlung gegenüber dem Anspruchsinhaber sicherstellen wolle; bei dieser sei stets die "creance protegee", d. h. der vom Inhaber der action directe geschlossene Vertrag ausschlaggebend 63 • Aber auch bei der action directe en responsabilite könne ein späterer Vertrag, nämlich der zwischen Endabnehmer und Zwischenhändler Bedeutung erlangen; in bestimmten Konstellationen könne nämlich die Haftung des Herstellers gegenüber dem Endabnehmer über die gegenüber dem Zwischenhändler hinausgehen 64 • Letztlich entscheidend für die 57

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De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,709,725. De Vareilles-Sommieres, RTD civ. 1992,709,725. De Vareilles-Sommieres, RTD civ. 1992,709,725. Ledere, JDI 1995,267,311. Ledere, JDI 1995,267,301. Ledere, JDI 1995,267,310. Ledere, JDI 1995,267,310.

B. Französisches internationales Privatrecht

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Maßgeblichkeit sämtlicher Verträge der Kette wird aber das Erfordernis einer Übertragung der Rechte die Kette hinab angesehen: Das Recht, das den einzelnen Vertrag beherrscht, sei daraufuin zu befragen, ob die Übertragung der Sache auch zur Übertragung der vertraglichen Rechte auf den Erwerber führe 65 . c) Qualifikation nach der lex causae des ersten Vertrages Eine verwandte Ansicht will statt sämtlicher Rechte der Kette nur den ersten Vertrag über das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs befragen. Die Ausführungen betreffen zwar in erster Linie die Haftung des Subunternehmers gegenüber dem Bauherrn. Sie sind aber hinreichend allgemein gehalten, um auch für den Fall einer rein kaufvertraglichen Kette zu gelten. Die interne Abgrenzung zwischen Vertrags- und Deliktsrecht wird hinsichtlich der internationalprivatrechtlichen die Qualifikation für irrelevant gehalten; allein das Recht, dem der erste Vertrag unterliege, könne entscheiden, ob und gegenüber wem das Verhalten des Schädigers eine vertragliche oder gegebenenfalls deliktische Haftung nach sich ziehe 66 . Danach komme es entscheidend darauf an, ob die Verletzung gerade einer vertraglichen Pflicht vorliege; auch darüber bestimme das Recht des ersten Vertrages 67 . Kenne das ausländische Vertrags statut einen vertraglichen Direktanspruch, so sei dieser anzuwenden. Ansonsten sei auf das ausländische Deliktsrecht auszuweichen68 . 5. Zusammenfassung

Ob die für das EuGVÜ gefundene Qualifikation vertraglicher Direktansprüche auf die internationalprivatrechtliche Einfluß gewinnt, bleibt abzuwarten; zwingend ist dies nicht. Gegen die Qualifikation lege causae bestehen die grundsätzlichen Bedenken eines Zirkelschlusses, die dieser Theorie anhaften; wer sogar alle beteiligten Rechte befragt, engt den Anwendungsbereich der action directe derart ein, daß auch gleich deliktisch qualifiziert werden könnte. Für das geltende Recht wird es daher bei der vertraglichen Qualifikation lege fori bleiben. Allerdings erscheint die Übertragung des non-cumul in das internationale Privatrecht, wie es die Rechtsprechung praktiziert, nicht sachgerecht. Besser erschiene es, sowohl vertraglich als auch deliktisch zu qualifizieren und die Konkurrenzfrage den berufenen Rechten zu überlassen 69 ; notfalls könnte durch Anpassung geholfen werden. 64 Ledere, IDI 1995,267,309 mit Hinweis auf die Entscheidung des Kasstionshofs, Cass. corn., 24. 11. 1987, BuH. civ. IV, Nr. 250, nach der die Kenntnis des Zwischenhändlers vom Mangel den Anspruch des Endabnehmers nicht ausschließt. 65 Ledere, IDI 1995,267,310 f. 66 Heuze, Rev.crit.dr.int.pr. 1996,243,261 f. 67 Heuze, Rev.crit.dr.int.pr. 1996,243,263 f. 68 Heuze, Rev.crit.dr.int.pr. 1996,243,264 f.

11*

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Dritter Teil: Anwendbares Recht

11. Anknüpfung der action directe anband der Kollisionsregeln des internationalen Vertragsrechts Bei vertraglicher Qualifikation des Direktanspruchs richtet sich die Anknüpfung nach den Regeln des internationalen Vertragsrechts. Wie gezeigt gilt diese vertragliche Qualifikation nach einhelliger Rechtsprechung und einem Teil der Literatur für vertragliche Direktansprüche schlechthin70, nach einem anderen Teil der Literatur zumindest für solche, die auf Ersatz von Schäden am Produkt selbst und daraus folgenden Vermögensschäden, welche nicht im Zusammenhang mit anderen Schäden stehen, gerichtet sind7 !. Zu klären ist, auf welchen Vertrag der Absatzkette abzustellen ist. Ein Teil der Literatur will eine Parallele zur action directe en paiement ziehen: In beiden Fällen sei zwischen dem Bestehen eines Direktanspruchs und dem Umfang der Schuld zu differenzieren; ersteres unterliege dem vom Anspruchsteller geschlossenen Vertrag, der "creance protegee", letzteres dem Vertrag den der Anspruchsgegner mit dem Zwischenglied geschlossen hat72 . Zwischen action directe en paiement und action directe en responsabilite bestehen aber Unterschiede. Überwiegend wird daher die action directe en responsabilite dem Recht, das den ersten Vertrag beherrscht, unterworfen 73. Diese Ansicht stützt sich darauf, daß allein dieser erste Vertrag entscheiden könne, wem gegenüber der Vertrag Wirkungen hat. Die Anknüpfung an den ersten Vertrag wird in Literatur und Rechtsprechung zu Recht bevorzugt. Denn bei der action directe en responsabilite geht es nicht wie bei der action directe en paiement um die Durchsetzung einer eigenen Forderung gegenüber einem Dritten, sondern um die Erweiterung der Vertragswirkungen auf Dritte.

69 Vgl. Bourel, Les conflits de lois en matiere d'obligations extracontractuelles, S. 149 f.; Lorenz, RabelsZ 37 (1973), 317, 335 Fn. 335. 70 Vgl. oben S. 156 f., 158 f. 71 Die Haager Produkthaftungskonvention kann - auch wenn sie mit einem Teil der Literatur als grundsätzlich die action directe erfassend angesehen wird (Art. 1 Abs. 2) - nicht herangezogen werden, da diese nach ihrem Art. 2 lit. b) Schäden an der Sache selbst und reine Vermögensschäden nur dann erfaßt, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Schäden auftreten. 72 Dies gilt für die action directe bei der sous-traitance, vgl. Delebeeque in: Les principales c1auses des contrats conc1us entre professionnels, S. 177, 187 ff.; Santa-Croee in: J.-Cl. Droit international, Fase. 552-8, Nr. 47; implizit Cass. civ. Ire, 15.01. 1991, Rev.crit.dr.int.pr. 1993, 46 m. Anm. Muir Watt, 47, 52. Eine entsprechende Lösung wird für den Direktanspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherer des Schädigers vertreten; dort entscheidet das Deliktsstatut über das Bestehen des Direktanspruchs, vgl. Loussouaml Bourel, DIP, Nr.409. 73 Ledere, JDI 1995,267,313-315; Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,613,616 f.; Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, Bull. civ. I, Nr. 348; D. 1996, somm. comm. 171 m. Anm. Audit; Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, Bull. civ. I, Nr. 297; JCP 1992, II, 21824 m. Anm. Ammar; CA Paris, 14.06. 1989, D. 1989, info rap. 201; Rev.crit.dr.int.pr. 1990,785.

B. Französisches internationales Privatrecht

165

Während hinsichtlich der Anknüpfung an das Recht des ersten Vertrages weitgehend Einigkeit besteht, kann die maßgebliche Kollisionsnorm zweifelhaft sein. In Betracht kommen sowohl die Normen der Haager Kaufrechtskonvention wie die des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens. Allerdings berührt das Europäische Schuldvertragsübereinkommen nach seinem Art. 21 nicht die Anwendung anderer Konventionen, denen ein Vertragsstaat angehört. Danach könnte man auf einen Vorrang der Haager Kaufrechtskonvention schließen. Dieser Vorrang käme jedoch nur zum Tragen, wenn die Kaufrechtskonvention selbst angewendet werden will. Aus Art. 5 Ziff. 4 der Haager Kaufrechtskonvention, nach dem das Übere~n­ kommen nicht für die Wirkungen des Vertrages gegenüber anderen Personen als den Parteien gilt, ist zum Teil geschlossen worden, die Haager Kaufrechtskonvention könne zur Bestimmung des auf die action directe anwendbaren Rechts nicht herangezogen werden74 • Doch ist dieses Argument aus Art. 5 Ziff. 4 der Kaufrechtskonvention keineswegs zwingend. Möglicherweise bezweckt die Formulierung lediglich, Ansprüche von Gläubigem des Verkäufers und Käufers aus dem Anwendungsbereich auszuschließen 75 . Für die letztere Ansicht mag sprechen, daß man zum Zeitpunkt der Fassung der Konvention die spätere Entwicklung der action directe im Kaufrecht noch nicht voraussehen konnte76 • Der wohl überwiegende Teil der Literatur77 und die Rechtsprechung 78 wenden demgemäß zur Bestimmung des anwendbaren Rechts die Haager Kaufrechtskonvention an. Die Haager Kaufrechtskonvention räumt in Art. 2 zunächst einer eventuellen Rechtswahl den Vorrang ein79 . Mangels Rechtswahl ist auf die objektive Anknüpfung einzugehen. Art. 3 Abs. 1 S. 1 des Haager Kaufrechtsübereinkommens erklärt das Recht am Aufenthaltsort des Verkäufers zum Zeitpunkt der Bestellung für anwendbar. Wird die Bestellung von einer Geschäftsniederlassung des Verkäufers aufgenommen, so beruft Art. 3 Abs. 1 S. 2 des Haager Kaufrechtsübereinkommens das Recht des Landes, in dem sich diese Niederlassung befindet.

De Vareilles-Sommieres, RTD euro 1992,709,724 in Fn. 51. Ledere, JDI 1995,267,314. 76 Vgl. Ledere, JDI 1995,267,314. 77 Loussouam in: Responsabilite des fabricants, S. 227, 238 f.; Ledere, JDI 1995, 267, 314; Wolfer, PHI 1992,30,38; Gaudemet-Tallon, Anrn. zu Cass. civ. Ire, 28. 10. 1986, Rev.crit.dr.int.pr. 1987,613,616. 78 Cass. civ. Ire, 10. 10. 1995, BuH. civ. I, Nr. 348; D. 1996, sornrn. cornrn. 171 rn. Anrn. Audit; Cass. civ. Ire, 18. 12. 1990, BuB. civ. I, Nr. 297; JCP 1992, H, 21824 rn. Anrn. Ammar; CA Paris, 14.06. 1989, info rap. 201; Rev.crit.dr.int.pr. 1990,785. 79 Soweit das Europäische Schuldvertragsrecht die Rechtswahlmöglichkeit durch die Pflicht zur Beachtung zwingender Vorschriften (Art. 3 Abs. 3, Art. 5) stärker einschränkt, kann davon ausgegangen werden, daß es das Haager Kaufrechtsübereinkommen als ältere Regelung ergänzt, vgl. Loussouaml Bourel, DIP, Nr. 378-8. 74

75

166

Dritter Teil: Anwendbares Recht

III. Anknüpfung von Ansprüchen anhand der Kollisionsregeln der Produkthaftungskonvention Aufgrund der vor allem in der Rechtsprechung vertretenen strikten vertraglichen Qualifiktion der action directe verbleibt der Produkthaftungskonvention in der Praxis nur ein reduzierter Anwendungsbereich 8o . Zu nennen sind vor allem Ansprüche außenstehender Dritter. Auch die Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz dürften der Konvention unterliegen 81 . Das Haager Produkthaftungsübereinkommen beruht auf einer verschachtelten Kombination verschiedener Anknüpfungsmomente. Art. 4 des Übereinkommens beruft in erster Linie das Tatortrecht, wobei dieses als das Recht am Ort der Rechtsgutsverletzung verstanden wird; dies gilt jedoch nur, sofern entweder der Aufenthaltsort des Geschädigten oder die Hauptniederlassung des in Anspruch Genommenen oder der Erwerbsort im gleichen Staat liegen. Die Anknüpfung an das Tatortrecht wird nach Art. 5 verdrängt durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verletzten, wenn das Aufenthaltsrecht mit dem an der Niederlassung des Schädigers oder am Erwerbsort geltenden Recht übereinstimmt. Läßt sich nach diesen Anknüfungsregeln kein Statut finden, so gibt Art. 6 des Übereinkommens dem Geschädigten die Wahl zwischen dem Recht am Ort der Hauptniederlassung des in Anspruch Genommenen und dem Recht am Ort der Rechtsgutsverletzung. Eine Einschränkung der Anknüpfungsmöglichkeiten enthält schließlich Art. 7 des Übereinkommens: Sofern der in Anspruch Genommene nachweist, daß er vernünftigerweise nicht damit rechnen mußte, daß das Produkt im Unfallstaat in Verkehr gebracht wurde, so scheiden die Anknüpfung an das Recht am Ort der Rechtsgutsverletzung und am gewöhnlichen Aufenthalt des Geschädigten aus; anzuwenden ist das Recht am Sitz des in Anspruch Genommenen.

80 Soweit man mit einem Teil der Literatur die action directe als von der Konvention erfaßt ansieht (Art. lAbs. 2), ist die Konvention jedenfalls hinsichtlich solcher Schäden, die durch das Produkt verursacht wurden, einschlägig. VgI. oben S. 156 f. 81 Ob die Rechtsprechung nach Einführung des Produkthaftungsgesetzes im Interesse einer einheitlichen Anknüpfung die Qualifikation der action directe überdenken wird, ist offen.

Vierter Teil

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die französische Produkthaftung ist von der Rechtsprechung maßgeblich anhand der Sachmänge1gewährleistung entwickelt worden. Voraussetzung für die Schaffung eines effektiven Rechtsschutzes war die strenge Behandlung des. gewerblichen Verkäufers, dessen Kenntnis vom Mangel unwiderleglich vermutet wird; damit haftet jeder gewerbliche Verkäufer ohne Verschulden für Mangel- und Mangelfolgeschäden. Die für den Geschädigten ungünstige kurze Verjährungsfrist des Art. 1648 Cc ist von der Rechtsprechung mit verschiedenen Mechanismen außer Kraft gesetzt worden. Zunächst wurde durch Einschränkung des Fehlerbegriffs zugunsten der Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware die Abwicklung in das allgemeine Recht der Nichterfüllung mit der langen Verjährung verlagert; diese Tendenz ist inzwischen wieder zurückgedrängt. Neuerdings kann das Vorliegen eines Sicherheitsmangels die Verletzung einer unabhängigen Nebenpflicht, der obligation de securite, darstellen; insoweit gilt Art. 1648 Cc nicht, ersetzt wird danach aber nur das Integritätsinteresse. 2. Wichtigste Nebenpflicht ist neben der Aufklärungspflicht die erwähnte obligation de securite. Sie trifft nach der Rechtsprechung gewerbliche Verkäufer und Hersteller und schützt in der Regel den Verbraucher. Haftungsausschlüsse sind in diesem Bereich unwirksam. Es handelt sich um eine obligation de resultat, so daß der Geschädigte lediglich einen Sicherheitsmangel, seinen Schaden sowie Kausalität zu beweisen hat. Gegebenenfalls kann sich der Hersteller bzw. gewerbliche Verkäufer durch Nachweis einer cause etrangere entlasten. Durch Ausbildung der obligation de securite hat die Rechtsprechung bereits vor Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie deren Anforderungen flexibel vorweggenommen. Für die obligation de securite gilt die allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist. Geschützt wird allerdings nur das Integritätsinteresse. Ob das Integritätsinteresse nach wie vor wahlweise auch über die Sachmängelgewährleistung abgewickelt werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. 3. Innerhalb einer Absatzkette kann der Schaden stets durch eine selbständige Regreßklage auf die höhere Verteilungsebene verlagert werden. Effektiver ist die Streitverkündung in Form des appel en garantie. Der appel en garantie vermeidet nicht nur die Gefahr einer unterschiedlichen Bewertung in Haupt- und Regreßprozeß, sondern stellt einen echten Mehrparteienprozeß dar, der auch im Verhältnis zum Regreßbeklagten mit einem Urteil eindet. Der Regreßkläger kann sich aber

168

Vierter Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

a

auch auf die intervention forcee fin de dec1aration de jugement commun beschränken, was lediglich zu einer Rechtskrafterstreckung führt. Materiellrechtlich bleibt die Rückgriffsmöglichkeit dem Zwischenhändler trotz automatischer Übertragung der Rechte auf den Endabnehmer erhalten, wenn er an der Ausübung des Rückgriffs ein interet direct et certain hat. Bei der Sachmängelhaftung gelten Besonderheiten hinsichtlich der Verborgenheit des Sachmangels: Die unwiderlegliche Vermutung von der Kenntnis des Mangels trifft den Zwischenhändler nur in seiner Eigenschaft als Verkäufer; beim Rückgriff wird er wie jeder Käufer behandelt, so daß nur Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis schadet. Die kurze Frist der Sachmängelhaftung beginnt beim Rückgriff erst, wenn der Zwischenhändler selbst verklagt ist. 4. Vertragliche Rechte kann der Endabnehmer mittels der action directe gegen Vormänner in der Absatzkette geltend machen. Sie wird von der Rechtsprechung in rein kaufvertraglichen Ketten sowie bei Vorliegen eines Kaufvertrags gefolgt von einem Werkvertrag gewährt. Eine gesetzlich begründete action directe besteht nach Art. 1646-1 Cc und 1792 ff. Cc; die dort geregelten besonderen Garantien kann jeder Erwerber des Gebäudes geltend machen. Die dogmatische Begründung der action directe ist nach wie vor umstritten. Die sämtlich auf einer Übertragung der Rechte basierenden klassischen Begründungsversuche können nicht überzeugen. Naheliegender erscheint die Annahme einer im Wege der Rechtsfortbildung geschaffenen Erweiterung der Haftung des ersten Verkäufers; die action directe stellt danach ein zugleich mit der Begründung des ersten Vertrages entstehendes Recht aller in die Absatzkette eingebundenen Personen dar. Die Gewährung einer action directe knüpft die Rechtsprechung an das Vorliegen einer eigentumsverschaffenden Vertragskette. Die vorübergehend als Begründung für die Gewährung einer action directe verwendete Theorie der Vertragsketten darf als verworfen gelten; innerhalb der Theorie der Vertragsgruppen waren keine präzisen Kriterien zur Bestimmung vertraglichen Drittschutzes aufgestellt worden. Bei der Durchsetzung der action directe kommt den Bestimmungen des ersten Vertrages besondere Bedeutung zu: Dort wirksam vereinbarte Klauseln, etwa Haftungsbeschränkungen oder Gerichtsstandsvereinbarungen, muß sich der Endabnehmer entgegenhalten lassen. 5. Personen außerhalb der Absatzkette sind auf deliktische Ansprüche angewiesen. Die Rechtsprechung bemüht sich um eine Angleichung der deliktischen an die vertragliche Haftung. Schon seit langem wird das Inverkehrbringen einer fehlerhaften Sache auch jedem Dritten gegenüber als Verschulden gewertet. Neuerdings stellt die Rechtsprechung auch Dritten gegenüber eine verschuldensunabhängige obligation de securite auf. Diese unterliegt denselben Bedingungen wie im Vertragsrecht. Sie hat sich daher insgesamt von spezifisch vertraglichen Pflichten weit entfernt. Nur für Sachen, die über eine gefährliche Eigendynamik verfügen, kommt die Sachhalterhaftung nach Art. 1384 Abs. 1 Cc in Betracht. 6. Die baldige Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie hatte sich der jüngste Gesetzentwurf vom 13. Juli 1993 (Doc. Assemblee Nationale, 1993-1994, Nr. 469)

Vierter Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

169

zum Ziel gesetzt. Gleichwohl ist die Umsetzung erst durch Gesetz Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 erfolgt. Die neuen Vorschriften schaffen in Anlehnung an die Richtlinie eine verschuldensunabhängige Haftung und werden als Art. 1386-1 bis 1386-18 Cc in den Code civil eingefügt. Gehaftet wird für Personenschäden und Schäden an anderen Sachen als dem Produkt selbst. Im Unterschied zum Regierungsentwurf von 1990 stehen die traditionellen Anspruchsgrundlagen wahlweise zur Verfügung. In wenigen Punkten wird von der Richtlinie abgewichen: Nach Art. 1386-7 Cc haftet jeder gewerbliche Verkäufer nicht nur subsidiär, sondern primär. Ohne Vorgabe durch die Richtlinie wurde durch Einführung einer Produktbeobachtungspflicht ein weiterer Haftungsgrund geschaffen; danach muß das Produkt auch daraufhin beobachtet werden, ob nachträglich Sicherheitsmängel auftreten. Schließlich besteht die Haftung nicht nur gegenüber dem Verbraucher, sondern auch gegenüber gewerblichen Abnehmern; diesen gegenüber kann aber nach Art. 1386-15 Abs. 2 Cc die Haftung für Sachschäden ausgeschlossen werden. 7. Im Rahmen der internationalen Zuständigkeit ist der Gerichtsstand der Gewährleistungs- und Interventionsklage nach Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ von besonderem Interesse. In diesem Gerichtsstand kann ohne weiteres der Regreß durch appel en garantie ausgeübt werden. Da der Gerichtsstand nach zutreffender Ansicht nur die unfreiwillige Einbeziehung eines Dritten erfaßt, kann ebenfalls die demande en dec1aration de jugement commun ausgeübt werden, nicht aber ein freiwilliger Beitritt des Dritten erfolgen. Nach Art. V S. 1 des EuGVÜ-Protokolls kann die Zuständigkeit des Art. 6 Ziff. 2 EuGVÜ nicht in Deutschland in Anspruch genommen werden; gleichwohl erweitert die Norm die Gerichtspflichtigkeit in Deutschland Ansässiger. Diese können sich aber durch Abschluß einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ schützen, die Art. 6 EuGVÜ grundsätzlich vorgeht. Die action directe kann nicht im Gerichtsstand des Art. 5 Ziff. 1 EuGVÜ, sondern allein im Gerichtsstand des Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ erhoben werden, unabhängig davon, ob Ersatz von Schaden an der Sache selbst oder an anderen Rechtsgütern geltend gemacht wird. Die Einordnung in Art. 5 Ziff. 3 EuGVÜ schließt zugleich die Bindung des Endabnehmers an eine etwaige zwischen Hersteller und Erstkäufer vereinbarte Gerichtsstandsvereinbarung aus. 8. Die französische Rechtsprechung qualifiziert die action directe auch international-privatrechtlich als vertraglichen Anspruch. In das internationale Privatrecht übertragen wird dabei auch der Grundsatz des non-cumul. Dadurch wird allein die vertragliche Kollisionsregel in den Blick genommen; angewandt wird die Haager Kaufrechtskonvention von 1955, die durch das Europäische Schuldvertragsübereinkommen nicht angetastet wird. Der Vorrang der vertraglichen Kollisionsregel wird entgegen einer starken Literaturansicht auch dort durchgesetzt, wo mit der Haager Produkthaftungskonvention von .1977 eine spezielle Kollisionsnorm zur Verfügung stünde, also für Personenschäden und Schäden an anderen Sachen; die einschränkende Auslegung der Produkthaftungskonvention beruht dabei auf einer weiten Auslegung der Ausschlußnorm des Art. 1 Abs. 2 der Konvention. In der

170

Vierter Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse

Sache wird der vertraglich Direktanspruch an das Recht angeknüpft, dem der erste Vertrag der Kette unterliegt. Einen größeren Anwendungsbereich wird die Produkthaftungskonvention in Frankreich wohl erst unter der Geltung des Produkthaftungsgesetzes erhalten.

Anhang I Durch die Gesetzentzwürfe zur Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie vorgesehene Änderungen des Kaufrechts (inzwischen aufgegeben): Die Entwürfe vom 23. 05. 1990 (Doc. Assemblee Nationale, 1989 - 1990, Nr. 1395) und vom 13.07. 1993 (Doc. Assemblee Nationale, 1993 - 1994, Nr. 469) weichen insoweit nicht voneinander ab. Art. 1641 - 1 - L'acheteur doit prouver que le defaut existait au moment de la fourniture de la chose. Lorsqu' il est stipule une garantie conventionnelle, le defaut qui se revele dans le delai de cette garantie est presume, sauf preuve contraire, avoir existe au moment de la fourniture. La presomption n' a pas lieu dans les ventes entre personnes agissant nel.

a titre profession-

Art. 1644 - 1 - Lorsque la vente a ete faite par un vendeur professionnel, l' acheteur ne peut exiger le remboursement du prix, ni le remplacement du produit, s'il s'est mis, sans motif legitime, dans l' impossibilite de restituer ce dernier. Le premier alinea de l' article 1648 du code civil est remplace par deux alineas ainsi rediges: Le droit de se prevaloir d'un vice est prescrit si l' acheteur n' a pas fait connaitre ce vice au vendeur dans un delai d'un an partir du moment Oll ill'a constate ou aurait du le constater.

a

Toutefois, cette duree peut etre modifiee entre vendeurs professionnels par les usages ou la convention des parties. Art. 1649 - La garantie n'a pas lieu dans les ventes imposees par une decision de justice.

Anhang II Auszug aus dem Entwurf vom 23. 05. 1990 (Doc. Assemblee Nationale 19891990, Nr. 1395):

Auszug aus der Fassung des Vermittlungsausschusses vom 15. 12. 1992 (Doc. Assemblee Nationale, 19921993, Nr. 3142):

Auszug aus dem Entwurf vom 13. 07. 1993 (Doc. Assemblee Nationale, 19931994, Nr. 469):

Titre IV bis De la responsabilite du fait du defaut de securite des produits

Titre IV bis De la responsabilite du fait du defaut de securite des produits

Titre IV bis De la responsabilite du fait des produits defectueux

Art. 1386-1 - Le producteur est responsable du domrnage cause par un defaut de son produit, qu'il soit ou non lie par un contrat avec la victime.

Art. 1386-1 - Le producteur est responsable du domrnage cause par un defaut de son produit, qu' il soit ou non lie par un contrat avec la victime.

Art. 1386-1 - Le producteur est responsable du domrnage cause par un defaut de son produit, qu' il soit ou non lie par un contrat avec la victime.

Ne sont pas consideres comme producteurs, au sens du present titre, les professionnels exposes au regime de responsabililte organise par les articles 1792 a 17926 et 1646-1 du code civil. Art. 1386-2 - Les dispositions du present titre s'appliquent a la reparation du domrnage qui resulte d'une atteinte a la personne ou a un bien autre que le produit defectueux lui-meme.

Art. 1386-2 - Les dispositions du present titre s'appliquent a la reparation du domrnage qui resulte d'une atteinte a la personne ou a un bien autre que le produit lui-meme.

Art. 1386-2 - Les dispositions du present titre s'appliquent a la reparation du domrnage qui resulte d'une atteinte a la personne ou a un bien autre que le produit defectueux lui-meme.

Art. 1386-3 - Est un produit tout bien meuble, meme s'il est incorpore dans un immeuble, y compris les produits du sol, de l' elevage, de la chasse et de la peche. L' electricite est consideree comme un produit.

Art. 1386-3 - Est un produit tout bien meuble, meme s'il est incorpore dans un immeuble, y compris les produits du sol, de l' elevage, de la chasse et de la peche. L' electricite est consideree comme un produit.

Art. 1386-3 - Est un produit tout bien meuble, meme s'il est incorpore dans un immeuble, y compris les produits du sol, de I' elevage, de la chasse et de la peche. L' electricite est consideree comme un produit.

Anhang IJ

173

Art. 1386-4 - Un produit est dMectueux au sens du present titre lorsqu'il n'offre pas la securite a laquelle on peut legitimement s' attendre.

Art. 1386-4 - Un produit est defectueux au sens du present titre lorsqu'il n'offre pas la securite a laquelle on peut legitimement s' attendre.

Art. 1386-4 - Un produit est dMectueux aus sens du present titre lorsqu' il n' offre pas la securite a laquelle on peut legitimement s' attendre.

Dans l' appreciation de la securite laquelle on peut legitimement s' attendre, il doit etre tenu compte de toutes les circonstances et notamment de la presentation du produit, de I'usage qui peut en etre raisonnablement attendu et du moment de sa mise en circulation.

Dans l' appreciation de la securite laquelle on peut legitimement s' attendre, il doit etre tenu compte de toutes les circonstances et notamment de la presentation du produit, de I' usage qui peut en etre raisonnablement attendu et du moment de sa mise en circulation.

Dans l' appreciation de la securite laquelle on peut legitimement s' attendre, il doit etre tenu compte de toutes les circonstances et notamment de la presentation du produit, de l'usage qui peut en etre raisonnablement attendu et du moment de sa mise en circulation.

Un produit ne peut etre considere comme defectueux par le seul fait qu'un autre, plus perfectionne, a ete mis posterieurement en circulation.

Un produit ne peut etre considere comme defectueux par le seul fait qu'un autre, plus perfectionne, a ete mis en posterieusement en circulation.

Un produit ne peut etre considere comme defectueux par le seul fait qu'un autre, plus perfectionne, a ete mis posterieurement en circulation.

Art. 1386-5 - Un produit est

Art. 1386-5 - Un produit est mis en circulation lorsque le producteur s' en est dessaisi volontairement.

Art. 1386-5 - Un produit est mis en circulation lorsque le producteur s' en est dessaisi volontairement.

a

mis en circulation lorsque le producteur s' en est dessaisi volontairement.

a

a

Un produit ne fait I' objet que d'une seule mise en circulation. Art 1386-6 - Est producteur, lorsqu' il agit titre professionnel, le fabricant dun produit fini, le producteur d'une matiere premiere, le fabricant d'une partie composante.

a

a

Art. 1386-6 - Est producteur, lorsqu' il agit atitre professionnel, le fabricant dun produit fini, le producteur d'une matiere premiere, le fabricant d'une partie composante.

a

Art. 1386-6 - Est producteur, lorsqu' il agit titre professionnel, le fabricant dun produit fini, le producteur d'une matiere premiere, le fabricant d'une partie composante.

a

Est assimilee un producteur pour I' application du present titre toute personne agissant titre professionnel:

un producEst assimilee teur pour I' application du present titre toute personne titre professionagissant nel:

Est assimilee a un producteur pour I' application du present titre toute personne agi~sant titre professionnel:

1) qui se presente comme producteur en apposant sur le produit son nom, sa marque ou un autre signe distinctif;

I) qui se presente comme producteur en apposant sur le produit son nom, sa marque ou un autre signe distinctif;

I) qui se presente comme producteur en apposant sur le produit son nom, sa marque ou un autre signe distinctif;

a

a

a

174 2) qui importe un produit dans la Communaute eeonomique europeenne en vue d'une vente, d'une loeation, avee ou sans promesse de vente, ou de toute autre fonne de distribution.

Art. 1386-7 - En eas de dommage eause par un produit ineorpore dans un autre, sont solidairement responsables le produeteur de la partie eomposante et eelui qui a realise I' ineorporation.

Anhang II 2) qui importe un produit dans la Communaute eeonomique europeenne en vue d'une vente, d'une loeation, avee ou sans promesse de vente, ou toute autre fonne de distribution.

2) qUi Importe un produit dans la Communaute eeonomique europeenne en vue d'une vente, d'une loeation, avee ou sans promesse de vente, ou de toute autre fonne de distribution.

Art. 1386-6-1 - Le vendeur, le loueur ou tout autre founisseur professionnel est responsable du defaut de seeurite du produit dans les memes eonditions que le produeteur.

Art. 1386-7 - Le vendeur, le loueur ou tout autre foumisseur professionnel est responsable du defaut de seeurite du produit dans les memes eonditions que le produeteur.

Sous reserve de l' applieation de l' article 1386-17, le reeours du foumisseur eontre le produeteur obeit aux memes regles que la demande emanant de la victime direete du defaut. Toutefois, il doit agir dans l' annee suivant le moment ou il est luimeme cite en justiee.

Le reeours du foumisseur eontre le produeteur obeit aux memes regles que la demande emanant de la victime direete du defaut. Toutefois, il doit agir dans l' annee suivant le moment ou il est lui-meme cite en justice.

Art. 1386-7 - En eas de dommage eause par un produit ineorpore dans un autre sont solidairement responsables le produeteur de la partie eomposante et eelui qui a realise I' ineorporation.

Art. 1386-8 - En eas de dommage eause par le defaut d'un produit ineorpore dans un autre, le produeteur de la partie eomposante et eelui qui a realise l' ineorporation sont solidairement responsables.

Art. 1386-8 - Le demandeur doit prouver le dommage, le defaut et le lien de eausalite entre le defaut et le dommage.

Art. 1386-9 - Le demandeur doit prouver le dommage, le dMaut et le lien de eausalite entre le defaut et le dommage.

Toutefois, le produeteur de la partie eomposante n'est pas responsable s'il etablit que le defaut est imputable a la eoneeption du produit dans lequel eette partie a ete ineorporee ou aux instruetions donnees par le produeteur de ee produit. Art. 1386-8 - Le demandeur doit prouver le dommage, le defaut et le lien de la eausalite entre le defaut et le dommage.

Anhang II

Art. 1386-9 - Le producteur peut etre responsable du defaut alors meme que le produit a ete fabrique dans le respect des regles de I' art ou de normes existantes ou qu'il a fait l'objet d'une autorisation administrative. Toutefois, le producteur n' est pas responsable lorsque le defaut est du la conformite du produit avec des regles imperatives emanant des pouvoirs publies. Art. 1386-10 - Le producteur est responsable a moins qu'il ne prouve:

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Art. 1386-9 - Le producteur peut etre responsable du defaut alors meme que le produit a ete fabrique dans le respect des regles de I' art ou de normes existantes ou qu'il a fait I' objet d' une autorisation administrative.

Art. 1386-10 - Le producteur peut etre responsable du defaut alors meme que le produit a ete fabrique dans le respect des regles de I' art ou de normes existantes ou qu'il a fait l'objet d'une autorisation administrative.

Art. 1386-10 - Le producteur est responsable plein droit a moins qu'il ne prouve: I) qu'il n'avait pas mis le produit en circulation; 2) que le defilUt ayant cause le dommage n'existait pas au moment Oll il amis le produit en circulation; 3) que le produit n'a pas ete la vente ou destine toute autre forme de distribution; 4) (supprime); 5) ou que le defaut est du la conformite du produit avec des regles d6rdre legislatif ou reglernentaire.

Art. 1386-11 - Le producteur est responsable plein droit moins qu' il ne prouve: I) qu'il n'avait pas mis le produit en circulation; 2) que le defaut ayant cause le dommage n' existait pas au moment Oll il amis le produit en circulation; 3) que le produit n'a pas ete la vente ou destine toute autre forme de distribution; 4) que I' etat des connaissances scientifiques et techniques, au moment Oll il a mis le produit en circulation, n'a pas permis de dece1er I' existence du defaut; 5) ou que le defaut est du la conformite du produit avec des regles d'ordre legislatif ou reglementaire. Le producteur de la partie composante n'est pas non plus responsable s' il etablit que le defaut est imputable la conception du produit dans lequel cette partie a ete incorporee ou aux instructions donnees par le producteur de ce produit.

a

I) qu'il n'avait pas mis le produit en circulation; 2) que le defaut n' existait pas au moment Oll il a mis le produit en circulation; 3) que le produit n'a pas ete fabrique pour la vente ou pour toute autre forme de distribution en vue d'un but economique; 4) ou que I' etat des connaissances scientifiques et techniques, au moment Oll il a mis le produit en circulation, n'a pas permis de deceler I' existence du defaut.

a

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a

a

a

a

a

Le producteur de la partie composante n'est pas non plus responsable s' il etablit que Je defaut est imputable la conception du produit dans lequel cette partie a ete incorporee ou aux instructions donnees par le producteur de ce produit.

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a

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Anhang II

Art. 1386-11 - La responsabilite du producteur est reduite ou supprime 10rsque le domrnage est cause conjointement par un defaut du produit et par son utilisation dans des conditions anormales que le producteur n' etait pas tenu de prevoir.

Art. 1386-11 - La responsabilite du producteur est reduite ou supprime lorsque le domrnage est cause conjointement par un dUaut du produit et par son utilisation dans des conditions anormales que le producteur n' etait pas tenu de prevoir.

Art. 1386-12 - La responsabilite du producteur peut etre reduite ou supprime, compte tenu de toutes le circonstances, lorsque le domrnage est cause conjointement par un dUaut du produit et par la faute de la victime ou d'une personne dont la victime est responsable.

Constitue une faute de la victime I'utilisation du produit dans des conditions anormales qui n'etaient pas raisonnablement previsibles par le producteur. Art. 1386-12 - La responsabilite du producteur envers la victime n' est pas reduite lorsque le domrnage est cause conjointement par un dUaut du produit et par I' intervention d'un tiers.

Art. 1386-12 - La responsabilite du producteur envers la victime n'est pas reduite lorsque le domrnage est cause conjointement par un dUaut du produit et par I'intervention d'un tiers.

Art. 1386-13 - La responsabilite du producteur envers la victime n'est pas reduite par le fait d'un tiers ayant concouru a la realisation du domrnage.

Art. 1386-13 - La responsabilite du producteur est engagee dans les conditions du present titre s' il n' etablit pas, en presence d'un dUaut ou d'un danger qui s'est revele dans le deI ai de dix ans apres la mise en circulation du produit, qu' il a pris les dispositions propres prevenir les consequences dommagables, notamment par I' information du public, le rappel pour revision ou le retrait du produit.

Art. 1386-13 - La responsabilite du producteur est engagee dans les conditions du present titre s'il n'etablit pas, en presence d'un dUaut ou d'un danger qui s'est revele dans le delai de dix ans apres la· mise en circulation du produit, qu' il a pris les dispositions propres a prevenir les consequences dommagables, notamment par I' information du public, le rappel pour revision ou le retrait du produit.

Art. 1386-14 - La responsabilite du producteur est engagee dans les conditions du present titre si, en presence d' un dUaut qui s' est revele dans le delai de dix ans apres la mise en circulation du produit, il n' a pas pris les en dispositions propres prevenir les consequences dommagables, notamment par I' information du public, le rappel pour revision ou le retrait du produit.

Art. 1386-14 - Les clauses qui visent ecarter ou limiter la responsabilite du fait des produits dUectueux sont interdites et reputees non ecrites.

Art. 1386-14 - Les clauses qui visent a ecarter ou a limiter la responsabilite du fait des produits dUectueux sont interdites et reputees non ecrites.

Art. 1386-15 - Les clauses qui visent ecarter ou limiter la responsabilite du fait des produits dUectueux sont interdites et reputees non ecrites.

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Anhang II Toutefois, pour les dommages causes aux biens qui ne sont pas utilisees par la victime principalement pour son usage ou sa consommation privee, les ciauses stipulees entre les personnes agissant titre professionnel sont valables, moins qu'elles n' apparaissent imposees I'un des contractants par un abus de la puissance economique de l' autre et conferent ce dernier un avantage excessif.

Toutefois, pour les dommages causes aux biens qui ne sont pas utilisees par la victime principalement pour son usage ou sa consommation privee, les ciauses stipulees entre les personnes agissant titre professionnel sont valables, moins qu'elles n'apparaissent imposees l'un des contractants par abus de la puissance economique de l' autre et conferent ce dernier un avantage excessif.

Toutefois, pour les dommages causes aux biens qui ne sont pas utilisees par la victime principalement pour son usage ou sa consommation privee, les ciauses stipulees entre les personnes agistitre professionnel sant sont vaiables, moins qu'elles n' apparaissent imposees I'un des contractants par un abus de la puissance economique de I' autre et conferent ce dernier un avantage excessif.

Art. 1386-15 - Sauffaute du producteur, la responsabilite de celui-ci est eteinte dix ans apres la mise en circulation du produit meme qui a cause le dommage moins que, durant cette periode, la victime n'ait engage une action enjustice.

Art. 1386-15 - Sauffaute du producteur, la responsabilite de celui-ci est eteinte dix ans apres la mise en circulation du produit meme qui a cause le dommage moins que, durant cette periode, la victime n'ait engage une action enjustice.

Art. 1386-16 - Sauffaute du producteur, la responsabilite de celui-ci est eteinte dix ans apres la mise en circulation du produit meme qui a cause le dommage moins que, durant cette periode, la victime n'ait engage une action enjustice.

Art. 1386-16 - L'action en reparation se prescrit dans un delai de trois ans compter de la date laquelle le demandeur a eu ou aurait du avoir connaissance du dommage, du defaut et de l'identite du producteur.

Art. 1386-16 - L'action en reparation fondee sur les dispositions du present titre se prescrit dans un delai de trois ans compter de la date laquelle le demandeur a eu ou aurait du avoir connaissance du dommage, du defaut et de l' identite du producteur.

Art. 1386-17 - L' action en reparation fondee sur les dispositions du present titre se prescrit dans un delai de trois ans compter de la date laquelle le demandeur a eu ou aurait du avoir connaissance du dommage, du defaut et de l' identite du producteur.

Art. 1386-17 - Pendant le delai de dix ans qui suit la mise en circulation du produit, les dispositions du present titre exciuent l' application de toutes autres dispositions du present code ayant pour effet de garantir la victime contre un defaut de securite, notamment celles des articles 1641 1649.

Art. 1386-17 - Pendant le delai de dix ans qui suit la mise en circulation du produit, les pispositions du present titre exciuent l' application de toutes autres dispositions du present code ayant pour effet de garantir la victime contre un defaut de securite, notamment celles des articles 1641 1649.

Art. 1386-18 - Les dispositions du present titre ne portent pas atteinte aux droit dont la victime d'un dommage peut se prevaloir au titre du droit de la responsabi lite contractuelle ou extracontractuelle ou au titre d'un regime special de responsabilite.

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12 Beaumart

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Anhang II

178 Cependant, elles n'exc1uent pas l' application des articles 1792a 1799 et 2270.

Cependant, elles n'exc1uent pas l' application des articles 1792 a 1799 et 2270.

Le producteur reste responsable des consequences de sa faute et de ce11e des personnes dont il repond.

Le producteur reste responsable des consequences de sa faute et de celle des personnes dont i1 repond.

Art. 1386-18 - Apres la mise en eirculation du produit defectueux, la responsabilite du producteur ne peut plus etre recherchee la raison de la garde du produit.

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Art. 1386-19 - Le vendeur, le loueur ou tout autre fournisseur professionnel est responsable du defaut de securite du produit dans les memes conditions que le producteur. Son recours contre le producteur obeit aux memes regles que la demande emanant de la victime direct du defaut. Toutefois, i1 doit agir dans I'annee suivant le moment ou il est lui-meme eite en justice.

Le producteur reste responsable des consequences de sa faute et de celle des personnes dont i1 repond. Cependent, apres la mise en eirculation du produit defectueux, la reponsabilite du producteur ne peut plus etre recherche raison de la garde du produit.

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Anhang 111 Text der Art. 1386-1 bis 1386-18 Cc nach dem Gesetz Nr. 98-389 vom 19. Mai 1998 (J.O. vom 21. 05. 1998, S. 7744): Art. 1386-1 - Le producteur est responsable du domrnage cause par un defaut de son produit, qu'il soit ou non lie par un contrat avec la victime.

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Art. 1386-2 - Les dispositions du present titre s'appliquent la reparation du domrnage qui resulte d'une atteinte la personne ou un bien autre que le produit defectueux lui-meme.

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Art. 1386-3 - Est un produit tout bien meuble, meme s'il est incorpore dans un immeuble,

y compris les produits du sol, de I' elevage, de la chasse et de la peche. L' electricite est consi-

deree comme un produit.

Art. 1386-4 - Un produit est defectueux au sens du present titre lorsqu'il n'offre pas la securite a laquelle on peut legitimement s' attendre.

Dans I' appreciation de la securite a laquelle on peut legitimement s' attendre, il doit etre tenu compte de toutes les circonstances et notamment de la presentation du produit, de I'usage qui peut en etre raisonnablement attendu et du moment de sa mise en circulation. Un produit ne peut etre considere comme defectueux par le seul fait qu'un autre, plus perfectionne, a ete rnis posterieurement en circulation. Art. 1386-5 - Un produit est mis en circulation lorsque le producteur s'en est dessaisi volontairement. Un produit ne fait I'objet que d'une seule mise en circulation.

Art. 1386-6 - Est producteur, lorsqu' il agit a titre professionnel, le fabricant d' un produit fini, le producteur d'une matiere premiere, le fabricant d'une partie composante.

Est assimilee a un producteur pour I' application du present titre toute personne agissant titre professionnel:

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1) Qui se presente comme producteur en apposant sur le produit son nom, sa marque ou un autre signe distinctif; 2) Qui importe un produit dans la Communaute europeenne en vue d'une vente, d'une location, avec ou sans promesse de vente, ou de toute autre forme de distribution. Ne sont pas considerees comme producteurs, au sens du present titre, les personnes dont la responsabilite peut etre recherchee sur le fondement des articles 1792 1792-6 et 1646-1.

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Art. 1386-7 - Le vendeur, le loueur, l'exception du credit-bailleur ou du loueur assimilable au credit-bailleur, ou tout autre foumisseur professionnel est responsable du defaut de securite du produit dans les memes condilions que le producteur. Le recours du foumisseur contre le producteur obeit aux memes regles que la demande emanant de la victime directe du defaut. Toutefois, il doit agir dans I'annee suivant la date de sa citation en justice. 12*

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AnhangIII

Art. 1386-8 - En cas de dornmage cause par le defaut d'un produit incorpore dans un autre, le producteur de la partie composante et celui qui a realise I' incorporation sont solidairement responsables. Art. 1386-9 - Le demandeur doit prouver le dommage, le defaut et le lien de causalite entre le defaut et le dommage. Art. 1386-10 - Le producteur peut etre responsable du defaut alors meme que le produit a ete fabrique dans le respect des regles de I' art ou de normes existantes ou qu' il a fait I' objet d'une autorisation administrative.

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Art. 1386-11 - Le producteur est responsable de plein droit moins qu'il ne prouve:

1) Qu' il n' avait pas mis le produit en circulation; 2) Que, compte tenu des circonstances, il y a lieu d'estimer que le defaut ayant cause le dommage n'existait pas au moment ou le produit a ete mis en circulation par lui ou que ce defaut est ne posterieurement; 3) Que le produit n'a pas ete destine a la vente ou atoute autre forme de distribution; 4) Que I' etat des connaissances scientifiques et techniques, au moment ou il amis le produit en circulation, n' a pas permis de deceler I' existence du defaut; 5) Ou que le defaut est du a la conformite du produit avec des regles imperatives dordre legislatif ou reglementaire. Le producteur de la partie composante n'est pas non plus responsable s'il etablit que le defaut est imputable a la conception du produit dans lequel cette partie a ete incorporee ou aux instructions donnees par le producteur de ce produit. Art. 1386-12 - Le producteur ne peut invoquer la cause d'exoneration prevue au 4° de l'article 1386-11 lorsque le dommage a ete cause par un element du corps humain ou par les produits issus de celui-ci.

Le producteur ne peut invoquer les causes d'exoneration prevues aus 4° et 5° de l'article 1386-11 si, en presence d'un defaut qui s'est revele dans un delai de dix ans apres la mise en circulation du produit, il n' a pas pris les dispositions propres a en prevenir les consequences dommageables. Art. 1386-13 - La responsabilite du producteur peut etre reduite ou supprime, compte tenu de toutes les circonstances, lorsque le dommage est cause conjointement par un defaut du produit et par la faute de la victime ou d'une personne dont la victime est responsable. Art. 1386-14 - La responsabilite du producteur envers la victime n'est pas reduite par le fait d'un tiers ayant concouru a la realisation du dommage. Art. 1386-15 - Les clauses qui visent a ecarter ou a limiter la responsabilite du fait des produits defectueux sont interdites et reputees non ecrites.

Toutefois, pour les dornmages causes aux biens qui ne sont pas utilises par la victime principalement pour son usage ou sa consommation privee, les clauses stipulees entre professionnels sont valables. Art. 1386-16 - Sauffaute du producteur la responsabilite de celui-ci, fondee sur les disposition du present titre, est eteinte dix ans apres la mise en circulation du produit meme qui a cause le dornmage moins que, durant cette periode, la victime n'ait engage une action en justice.

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Anhang III

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Art. 1386-17 - L' action en reparation fondee sur les dispositions du present titre se prescrit dans un delai de trois ans compter de la date laquelle le demandeur a eu ou aurait du avoir connaissance du dommage, du defaut et de l'identite du producteur.

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Art. 1386-18 - Les dispositions du present titre ne portent pas atteinte aux droits dont la victime d'un dommage peut se prevaloir au titre du droit de la responsabilite contractuelle ou extracontractuelle ou au titre d'un regime special de responsabilite. Le producteur reste responsable des consequences de sa faute et de celle des personnes dont il repond.

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