Hafliði Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás 3110262428, 9783110262421, 9783110262438

Das Werk stellt erstmals die umfangreichen Einflüsse des über Byzanz vermittelten römischen Rechts im ersten geschrieben

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Hafliði Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás
 3110262428,  9783110262421,  9783110262438

Table of contents :
Vorwort v
Einleitung 1
1. Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281 15
2. Handschriften und Ausgaben der Grágás 77
3. Hafliði Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118 129
4. Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts auf die grundsätzliche Gestalt der Grágás 177
5. Einzelne Bestimmungen, die auf einen Einfluss römischen Rechts, biblischer Vorstellungen oder langobardischen Rechts hindeuten 277
6. Ergebnis 375
Anhang: Liste der Legaldefinitionen in der Grágás 383
Abbildungen 415
Literatur 421
Stichwortliste 447

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Hans Henning Hoff Hafliji Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer

Band 78

De Gruyter

Hans Henning Hoff

Hafliji Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás

De Gruyter

IV

ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-026242-1 e-ISBN 978-3-11-026243-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ÜGedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degryuter.com

Vorwort Die Anregung zur näheren Untersuchung der in diesem Buch nachgegangenen Fragestellung erhielt ich bereits 1996, während ich das zweite Mal für ein Jahr in Reykjavík studierte. Ein Stipendium des DAAD, aufgestockt durch ein Gegenstipendium der isländischen Regierung, hatte dieses ermöglicht. Damals bin ich auf den Aufsatz „Grágás og Digesta Iustiniani“ des isländischen Historikers Herrn Prof. Dr. Sveinbjörn Rafnsson aufmerksam geworden, dessen großes Verdienst es ist, als erster auf einige Parallelen in der Grágás zum römischen Recht hingewiesen zu haben. In der Folgezeit hat es einige Jahre gedauert, bis ich nach Ablegen der juristischen Staatsprüfungen dieses Thema dann tatsächlich, betreut durch Herrn Prof. Dr. Hermann Nehlsen, München, in Angriff nehmen konnte. Ihm als meinem Doktorvater gilt mein aufrichtiger Dank für die Übernahme der Betreuung und das stete Interesse am Fortgang dieser Arbeit, die parallel zur praktischen Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei entstand. Zugleich danke ich Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Hermann, München, nicht nur für die Übernahme des Zweitgutachtens, sondern darüber hinaus für ausgesprochen interessante Gespräche und Korrespondenz zu diversen rechtsgeschichtlichen Fragestellungen, seine aufmunternden Worte in schwierigen Phasen der Arbeit sowie für die Übersendung von in Hamburg oder Reykjavík nicht vorhandener Literatur. Durch beide habe ich mich jederzeit vorbildlich betreut und nie mit einem anfangs schwer zu greifenden Thema allein gelassen gefühlt. Ich hätte diese Arbeit jedoch kaum in dieser Form schreiben können, wenn ich nicht bereits im Studium wichtige Impulse erhalten hätte, die mir das Ausloten einiger Bereiche dieser Untersuchung ungemein erleichtert haben. So habe ich bereits am Anfang meines Studiums in Erlangen in der Vorlesung über Deutsche Rechtsgeschichte von Herrn Prof. Dr. Harald Siems einen Eindruck davon erhalten, wie viel man durch exaktes Lesen der Quellen wirklich über ihre Entstehungszeit erfahren kann. Erste Eindrücke von römischem Recht vermittelte mir die Vorlesung „Römisches Privatrecht“ von Herrn Prof. Dr. Gerhard Ries, die sowohl die Parallelen zum geltenden Recht aufzeigte als auch die historische Bedeutung der einzelnen Institutionen des römischen Privatrechts verdeutlichte.

VI

Vorwort

Im philologischen Studium in Erlangen hat mir vor allem das Hauptseminar „Samtíjarsögur“ (Gegenwartssagas) bei Prof. Dr. Hubert Seelow die Augen dafür geöffnet, was für wichtige Quellen sich unter dieser mitunter etwas vernachlässigten Gattung der Altnordischen Literatur befinden und wie gerade einem diese Sagas den Zugang zur isländischen Geschichte des Mittelalters eröffnen können. Dieser und anderen Veranstaltungen zur Nordischen Philologie in Erlangen habe ich auf diesem Gebiet immens viel zu verdanken. Schließlich ist mir erst durch das Proseminar „Kaiser Iustinian und die Wiedervereinigung des römischen Reiches“ bei Frau Prof. Dr. Elisabeth Hermann-Otto wirklich klar geworden, in welchem Kontext das iustinianische Recht in Byzanz entstanden ist, so dass ich in der Folgezeit die Hinweise in den altnordischen Quellen auf „Mikligarjr“ (Byzanz) mit einem anderen Vorverständnis für die byzantinische Geschichte aufgenommen habe. Leider hat sich mir seitdem nie wieder die Gelegenheit geboten, eine ähnliche Veranstaltung zu besuchen, die mir die Geschichte von Byzanz näher gebracht hätte. Dies hätte die vorliegende Arbeit in diesem Bereich sicher sehr befördert. Von den vielen hervorragenden Lehrern während meines Studiums der isländischen Sprache in Reykjavík, möchte ich insbesondere Herrn Prof. Jón G. Frijjónsson und seiner Familie ganz herzlich danken. Auch Herrn Prof. Dr. h. c. Sigurjur Líndal danke ich für die Betreuung meiner BachelorArbeit an der Universität Islands. Selbstverständlich vermittelten mir die Veranstaltungen während der insgesamt zwei Studienjahre in Reykjavík erst das sprachliche Rüstzeug für diese Arbeit. Darüber hinaus habe ich jedoch den Rechtsanwälten Herren Gestur Jónsson, Ragnar H. Hall, Hörjur Felix Harjarson und Gunnar Jónsson der Kanzlei Mörkin lögmannsstofa hf. zu danken. Ohne ein Praktikum bei ihnen im Sommer 1997 sowie die bei ihnen abgeleistete Wahlstation im juristischen Vorbereitungsdienst im Herbst 2002 wäre es mir kaum gelungen, meine allgemeinen isländischen Sprachkenntnisse einigermaßen präsent zu halten und im Bereich der juristischen Fachsprache so zu vertiefen, dass ich schließlich nach Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Jahre 2005 die isländische Rechtsanwaltszulassungsprüfung ablegen konnte, und es mir so auch leichter gefallen ist, mich mit der Sprache der Grágás auseinanderzusetzen. Dies hat es mir auch erst ermöglicht, von 2009 bis 2011 in einer anderen isländischen Kanzlei, Logos slf., zu arbeiten und noch mehr praktische Erfahrungen als Rechtsanwalt in Island zu sammeln. Auch den dortigen Kollegen verdanke ich viel.

Vorwort

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Weil viele der für diese Arbeit konsultierten Bücher nur schwer zugänglich bzw. in den von mir benutzten Bibliotheken nicht vorhanden waren, kam ich nicht umhin, viele Bücher selbst zu kaufen. Hier war es für mich ein besonderer Glücksfall, dass ich aus der Bibliothek des Germanistischen Instituts der Universität des Saarlandes den Nachdruck der dreibändigen Grágás-Ausgabe von Vilhjálmur Finsen sowie viele weitere Bücher antiquarisch erwerben konnte. Ich habe jedoch im Laufe der Zeit auch viele Streifzüge durch die damals noch wesentlich zahlreicheren Antiquariate in Reykjavík unternommen und eine Reihe an Büchern von Fachantiquariaten über das Internet erworben. Ohne die verdienstvolle, aber kaum je beachtete, Arbeit diverser Antiquare, Bücher von einer Generation zur nächsten zu vermitteln, hätten kaum so viele interessante Bücher den Weg zu mir gefunden. Ohne sie hätte ich diese Arbeit nicht in dieser Form schreiben können. Danken möchte ich auch den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, allen voran Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Beck, für die Aufnahme dieses Buches in die Reihe. Die von ihm geleiteten Forschungen zur Grágás waren mir eine wertvolle Hilfe, wenn es darum ging, eine Vorschrift in der Konungsbók des Grágás mit einem bestimmten Begriff zu finden. Zu danken ist auch Herrn Prof. Dr. Dieter Strauch, der über seine Rolle als RGA-Fachberater für Rechtsgeschichte hinaus Interesse an dieser Arbeit bekundete und für ihre Drucklegung Vorschläge und Hinweise einbrachte. Ein ganz herzliches Dankeschön gebührt auch Frau Dr. Astrid van Nahl, die kompetent und der komplizierten isländischen Gesetzessprache kundig die in München im Sommer 2009 als Dissertation vorgelegte Arbeit an die Erfordernisse der Reihe angepasst hat. Auch danke ich Herrn Andreas Vollmer vom Verlag de Gruyter für die gute Zusammenarbeit bei den Korrekturbögen. Sodann möchte ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Jan Riebeling und Herrn Notar Dr. Marcus Reski für viele gemeinsame Mittagessen danken, in denen wir uns glücklicherweise nicht nur über juristische Themen unterhalten haben. Den Herren Johannes Liebrecht und Dr. Stephan Dusil, M. A., danke ich für Anregungen und Hinweise im Bereich der deutschen Rechtsgeschichte. Herrn Prof. Dr. jur. Ole Hansen, Kopenhagen, danke ich für die Übersendung diverser Literatur aus den dortigen Bibliotheken. Herrn Dipl.-Informatiker Heiko Briebrecher bin ich für seine stets aufopferungsvolle Hilfestellung bei Computerfragen dankbar. Schließlich danke ich meinen Eltern, Brigitte und Peter Hoff, für ihre Unterstützung während meines Studiums und der Promotionszeit. Ohne sie

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Vorwort

hätte ich das alles nie geschafft. Auch danke ich meinem Vater, dass er gänzlich unerschrocken gemeinsam mit mir nach dem Abitur auf eigenem Kiel nach Island gesegelt ist. Auch wenn ich seitdem stets bequem in gut drei Stunden mit dem Flugzeug nach Island geflogen bin, gibt es wohl keinen Flug, auf dem ich nicht daran denke, wie unendlich mühselig es sein kann, unter Segeln auf dem kalten und stürmischen Nordatlantik bis nach Island zu gelangen. Dies wird im Mittelalter nicht leichter gewesen sein. Auch danke ich meiner Schwester und ihrer Familie, dass ich mich bei ihnen den einen oder anderen Sonntag von dieser Arbeit erholen konnte. Meinen herzlichsten Dank verdient meine Ehefrau, Frau Richterin am Landgericht Petra Kremeyer, LL.M (Köln/Paris). Sie hat diese Arbeit vor der Abgabe als einzige einmal vollständig gelesen und mir wertvolle Verbesserungshinweise gegeben. Hamburg, August 2011

Hans Henning Hoff

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Die ersten Thingversammlungen und Gesetze . . . . . . . 1.2. Die Gesetze Úlfljóts und die Errichtung des Allthings um 930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1. Die Úlfjótsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2. Die Gründung des Allthings um 930 . . . . . . . . 1.3. Einführung eines Schalttages um 955 . . . . . . . . . . . . 1.4. Die Einteilung des Landes in Viertel und die Errichtung der Gemeindeverbände um 965 . . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Einzelne Gesetzesnovellen 975–999 . . . . . . . . . . . . . 1.6. Die Annahme des Christentums im Jahre 999 oder 1000 . . 1.7. Die Errichtung des Fünften Gerichts (fimmtardómr) ab 1004 1.8. Das Recht der Isländer in Norwegen, um 1022 . . . . . . . 1.9. Verbot von Zauberei und Verwünschungen um 1032 . . . . 1.10. Die ersten isländischen Bischöfe und das Wirken ausländischer Missionsbischöfe . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.1. Ísleifr Gizurarson (Bischofsweihe 1056) und Verbreitung kirchlicher Bildung . . . . . . . . . 1.10.2. Einfluss ausländischer Missionare und weitere Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.2.1. Erste christliche Einflüsse von den britischen Inseln . . . . . . . . . 1.10.2.2. Die Herkunft ausländischer Missionsbischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.2.3. Byzantinische Darstellung des Jüngsten Gerichts auf Island um 1100 . . . 1.10.2.4. Byzantinische Motive in der Sagaliteratur . 1.10.2.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 1.10.3. Bischofsweihe von Gizurr Ísleifsson 1082 . . . . . .

15 16 17 17 21 22 22 27 29 31 32 32 33 33 36 36 37 39 40 42 43

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Inhaltsverzeichnis

1.11. Novelle von Markús Skeggjason, 1084–1107 . . . . . . . . 1.12. Die Einführung des Zehntgesetzes im Jahre 1096 oder 1097 1.13. Errichtung des zweiten Bischofssitzes in Hólar im Jahre 1106 und erste Klostergründung . . . . . . . . . . . . . . 1.14. Niederschrift der Gesetze 1117/1118 – Haflijaskrá . . . . 1.14.1. Erste Aufzeichnung der weltlichen Gesetze und Annahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 1.14.2. Niederschrift in isländischer Sprache – Entwicklung der Schriftlichkeit . . . . . . . . . . . 1.15. Das Christenrecht der Bischöfe Porlákur und Ketill (zwischen 1122 und 1133) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.16. Zwei mögliche Novellen von Gujmundr Porgeirsson 1123–1134 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.17. Novellen gegen Ende des 12. Jahrhunderts . . . . . . . . . 1.18. Novellen von Bischof Magnús Gizurarson 1217–1237 . . . 1.19. Verhältnis von kirchlichem zu weltlichem Recht 1253 . . . 1.20. Vertrag von 1262–1264 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.21. Schrittweise Annahme der Járnsíja 1271–1273 . . . . . . . 1.22. Christenrecht von Bischof Árni 1275 . . . . . . . . . . . . 1.23. Annahme der Jónsbók 1281 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.24. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 44

2. Handschriften und Ausgaben der Grágás . . . . . . . . . . . . . 2.1. Überlieferte Handschriften der Grágás . . . . . . . . . . . 2.1.1. Einzelne Fragmente aus der Zeit von ca. 1150–1200 2.1.1.1. AM 315d fol. . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.2. AM 315c fol. . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Konungsbók, um 1250 . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1. Inhalt der Konungsbók . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2. Besonderheiten des Textes der Konungsbók . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.3. Datierung der Konungsbók . . . . . . . . . 2.1.3. Stajarhólsbók, 1271/1272 . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1. Inhalt der Stajarhólsbók (Grágástext) . . . . 2.1.3.2. Besonderheiten des Textes der Stajarhólsbók 2.1.3.3. Datierung der Stajarhólsbók . . . . . . . . . 2.1.3.4. Grund für die Entstehung der Stajarhólsbók . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.5. Ein Schreiber der Konungsbók und der Stajarhólsbók – Möglicher Auftraggeber der beiden Haupthandschriften . . .

77 77 77 77 78 79 80

45 47 47 52 55 60 61 63 64 65 66 69 70 75

81 83 86 88 90 92 95 96

XI

Inhaltsverzeichnis

2.1.3.6. Alter des Textes der Stajarhólsbók und Umfang der Haflijaskrá . . . . . . . . . 2.1.4. Weitere Handschriften und Fragmente . . . . . 2.1.4.1. Christenrechtsaufzeichnungen . . . . . 2.1.4.2. AM 279a 4to, Pingeyrabók . . . . . . . . 2.1.4.3. Fragment AM 315b fol. . . . . . . . . . 2.1.4.4. Weitere Handschriften . . . . . . . . . 2.1.5. Vergleich der beiden Haupthandschriften Konungsbók und Stajarhólsbók . . . . . . . . . . . 2.1.5.1. Übersicht über die Abschnittseinteilung der beiden Haupthandschriften . . . . 2.1.5.2. Unterschiedliche Zielsetzung der beiden Haupthandschriften . . . . 2.1.5.3. Beispiele für ursprünglicheren Text der Stajarhólsbók bzw. schlechteren Text der Konungsbók . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5.4. Ursachen für die Textabweichungen der beiden Hauphandschriften . . . . . 2.2. Grágás-Ausgaben und Übersetzungen . . . . . . . . . . 2.2.1. Ausgaben der Grágás . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Übersetzungen der Grágás und grágásspezifische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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101 108 108 109 109 110

. . 110 . . 110 . . 113 . . 114 . . 121 . . 122 . . 122 . . 124 . . 128

3. Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118 . . 3.1. Hafliji Mássons Einfluss bei der Überarbeitung der Gesetze 3.2. Hafliji Másson und seine Vorfahren . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Ævarr Ketilsson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Véfrøjr Ævarsson . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. Húnrøjr Véfrøjarson . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4. Már Húnrøjarson . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5. Hafliji Másson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.1. Über die Person Haflijis . . . . . . . . . 3.2.5.2. Haflijis beide Ehen und weitere Lebensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.3. Möglicher Aufenthalt Hafliji Mássons in Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.3.1. Die Warägergarde in Byzanz und die Herkunft der Waräger . . . . . . . . . 3.2.5.3.2. Nampites (N«), Kommandeur der Waräger . . . . . . . . . . . . . . . .

129 129 131 131 132 133 136 139 139 145 148 149 151

XII

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3.2.5.3.3. Ist Hafliji „Nabites, der Kommandeur der Waräger“? . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.3.4. Juristische Ausbildung in Byzanz 11. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.3.5. Wahrscheinlichkeit einer juristischen Ausbildung Haflijis . . . . . . . . . . . 3.2.5.3.6. Isländische Berichte aus dem 12. Jahrhundert über die justinianische Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5.4. Denkbarer Einfluss Haflijis bei der Gründung des zweiten Bischofsstuhls 1106 und bei der Gründung des ersten Klosters in Island . . . . . . . . . . . . 3.2.5.5. Aspekte zu Hafliji Másson und seiner Stellung in der isländischen Gesellschaft im frühen 12. Jahrhundert . . . . . . . 3.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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161

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165

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166

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168

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171 174

4. Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts auf die grundsätzliche Gestalt der Grágás . . . . . 4.1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Zum hier zu Grunde gelegten Einflussbegriff . . . 4.1.2. Begriff des „römischen Rechts“ . . . . . . . . . . . 4.1.3. Einflüsse christlichen Gedankengutes . . . . . . . . 4.2. Sprachliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Fachbegriffe mit dem Präfix lqg- . . . . . . . . . . . 4.2.1.1. Der Bestand an mit lqg- beginnenden Komposita . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.2. Mögliche Ursachen für Wortbildungen mit dem Präfix lqg- . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.3. Verwandte Phänomene . . . . . . . . . . . 4.2.2. Lehnübersetzungen in der Grágás . . . . . . . . . . 4.2.2.1. Kapitel- bzw. Normüberschriften mit of (‚über‘) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2. Einleitung von Normen mit Pat er mælt (‚Das ist bestimmt‘) . . . . . . . . . . . . 4.2.2.3. Bezeichnung eines Vertrages als réttr (‚eigentlicher Vertrag?‘) . . . . . . . . . . . 4.2.2.4. Verwendung der substantivierten Verbform nautn (‚Gebrauch‘) . . . . . . . . . . . . .

177 177 177 179 183 184 184 184 191 192 194 194 195 198 200

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4.2.2.5. Bezeichnung von Entscheiden als skera úr (‚entscheiden‘) . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.6. Verwendung des Wortes naujsyn im Sinne von ‚wichtiger Grund‘ . . . . . . . . . . . 4.2.2.7. Verwendung des Wortes von (‚Hoffnung‘) . 4.2.2.8. Bezeichnung von Übertragen als selja í hqnd 4.2.2.9. Formulierung mit af trúnaji (‚aus Vertrauen‘) . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.10. Verwendung des Wortes heimild im Sinne von ‚Gewährschaft‘ . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.11. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung . . . . . . . . . . . 4.3.1. Bekenntnis zur lex scripta, Regelung über Rangfolge von Gesetzestexten („Zitiergesetz“) sowie Bindungswirkung von Gesetzen im Einzelfall . . . . 4.3.2. Dispositives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3. pacta sunt servanda („Verträge sind einzuhalten“) und keine Bindungswirkung bei naujahandsql . . . . 4.3.4. Formfreiheit und Formbedürftigkeit von Verträgen . 4.4. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1. Legaldefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2. Voranstellung grundsätzlicher Normen . . . . . . . 4.4.2.1. Bestimmungen über Schenkungen . . . . . 4.4.2.2. Eigentumszuordnung von Bewuchs eines Grundstückes (superficies solo cedit) . . . . . . 4.4.2.3. Keine Leihe bei Nichtberechtigung des „Verleihers“ . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.4. Eigenverantwortlichkeit bei Verletzungen durch Tiere und Noxalhaftung . . . . . . . 4.4.2.5. Erbrechtsauschluss bei vorsätzlicher Tötung des Erblassers oder Anstiftung dazu . . . . 4.4.2.6. Unterhaltsgrundsätze . . . . . . . . . . . . 4.4.2.7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3. Verweistechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4. Gesetzliche Vermutungen und Fiktionen . . . . . . 4.4.4.1. Gesetzliche Vermutungen . . . . . . . . . 4.4.4.2. Gesetzliche Fiktionen . . . . . . . . . . . . 4.4.5. tvenn gjqlld und duplum (Litiskreszenz) . . . . . . . . 4.5. Prozessuale Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1. Wörtliche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2. Popularklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIV

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4.5.3. Außergerichtliche Bewertung durch Sachkundige . . 4.6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einzelne Bestimmungen, die auf einen Einfluss römischen Rechts, biblischer Vorstellungen oder langobardischen Rechts hindeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen . 5.1.1. Eherechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . 5.1.1.1. Scheidung, wenn Ehemann 3 Jahre lang seiner Frau nicht beiwohnt . . . . . . . . 5.1.1.2. Eigenes Vermögensrückforderungsrecht der Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2. Schuldrechtliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . 5.1.2.1. Negativzeugnis: Grundsätzliche Struktur des Kaufes nicht geregelt . . . . . . . . . 5.1.2.2. diligentia quam in suis – eigenübliche Sorgfalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.3. Unterscheidung Vermögensstamm und Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2.4. Seewurf und Treibgut . . . . . . . . . . . 5.1.3. Sachenrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.1. Eigentumsrechtliche Grundsätze . . . . . 5.1.3.1.1. Sonderrechtsfähigkeit des Bewuchses eines Grundstückes . . . . . . . . . . . . 5.1.3.1.2. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes und das tignum iunctum . . . . . . . . . . . 5.1.3.1.3. Ef á breytir um farveg und alveus relictus . . . 5.1.3.1.4. Eigentumsverteilung an einem gestrandeten Wal . . . . . . . . . . . . . 5.1.3.2. aj stefna sínum heimildarmanne til heimildar und Haftung des Veräußerers für Gewährschaft (auctoritas) . . . . . . . 5.1.3.2.1. Die isländischen Regelungen zur Gewährschaftsklage . . . . . . . . . . . . 5.1.3.2.2. Parallele Regelung in den Digesten . . . . 5.1.3.2.3. actio auctoritatis bei Grenzstreitigkeiten . . 5.1.3.2.4. Gewährschaftsklage in der Lex Salica . . . 5.1.4. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.1. Anrechung von Geschenken auf den Erbteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4.2. Erbenhaftung . . . . . . . . . . . . . . .

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277 277 277 278 283 285 285 286 289 292 296 297 297 300 305 310 311 311 320 329 330 330 330 333

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5.1.5. Strafrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . 5.1.5.1. Strafbarkeit des Versuchs . . . . . . . . . . 5.1.5.2. Strafbarkeit der Anstiftung zu einer Straftat 5.1.6. Nennung des Patriarchen in den Grijamál . . . . . . 5.2. Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1. Fjqrbaugsgarjr – dreijährige Landesverweisung . . . . 5.2.2. Vortragen der Gesetz im ein- bzw. dreijährigen Turnus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3. Schuldknechtschaft und Sklaverei . . . . . . . . . . 5.2.4. Teilung des unfreien Übeltäters und Exodus 21.35 . 5.2.5. Zweizeugengrundsatz und Deuteronomium 19.15 . 5.2.6. Nichtanwendung des Eides in geistlichen Streitigkeiten und Matth. V.33 . . . . . . . . . . . . 5.2.7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Einflüsse aus dem langobardischen Recht . . . . . . . . . . 5.3.1. Gebrauchsdiebstahl (furtum usus) an Pferden und weitere Normen betreffend Pferde . . . . . . . 5.3.2. Unterscheidungen nach maior/minor . . . . . . . . 5.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Bisherige Ansichten über die Entstehung der Grágásgesetze nicht haltbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Schlussfolgerungen für andere Gesetze . . . . . . . . . . . 6.3. Ergebnis für das Recht der Grágás und seine Entstehung .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Liste der Legaldefinitionen in der Grágás . . . . . . . . . . . . . 383 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Stichwortliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

XVI

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

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Einleitung In dem Vertrag, mit dem die Isländer im 13. Jahrhundert eine Steuerpflicht gegenüber dem norwegischen König anerkannten, ist auch eine Bestimmung über die Geltung der isländischen Gesetze enthalten. Sattmali hakonar konungs og islendinga. Paj var sam mæli bænda fyrir norjan land og sunan. 1. at peir jatuju æfinlega skatt herra N. konungi land og pegna med suordum Eidi .xx. alnir huer saa madur. sem pingfarar kaupi aa at gegna. petta fie skulu saman færa hreppstjorar og til skips faa j hendur konungs vmbods manni og vera paa vr aa byrgd um pat fie.

2. Hier i mot skal konungur lata oss naa fridi og jislendskum laugum. 3. Skulu .vj. skip ganga af Noregi til Jslands .ij. sumr enu næstu. en pajan j fra sem konungi og hinum beztum Bændum landzins pikir hentazt landino. 4. Erfdir skulu vpp gefast fyrir Jslendskum monnum j noregi. huorsu lengi sem pær hafa stajit pegar rettir koma arfar til. eda peirra lauglegir vmbodz menn.

Vertrag zwischen König Hákon und den Isländern Das war gemeinsame Ansicht der Bauern im Norden und Süden des Landes, 1. dass sie dem Herren König N. ewiglich Steuer des Landes und der Untertanen mit geschworenem Eid versprechen: 20 Ellen (Wollstoff ) jeder solche Mann, der Thingfahrtgeld zu entrichten hat. Dieses Geld sollen die Gemeindevorsteher aufund zum Schiff hinbringen und dem Vertreter des Königs übergeben und dann aus der Verantwortung für dieses Geld sein. 2. Hiergegen soll der König uns Frieden und isländische Gesetze gewähren. 3. Es sollen sechs Schiffe die nächsten zwei Sommer von Norwegen nach Island fahren und von da an, wie es dem König und den besten Bauern des Landes dem Land zu passen scheint. 4. Erbschaften in Norwegen sollen isländischen Leuten herausgegeben werden, gleich, wie lange sie schon angefallen sind, wenn die rechtmäßigen Erben oder ihre gesetzmäßigen Vertreter erscheinen.

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Einleitung

5. Landaurar skulo vpp gefazt. 6. Slikan rett skulu jslendskir menn hafa j noregi sem paa er peir hafa bestan haftt og pier hafit sialfir bodit j ydrum bref[u]m og at hallda fridi yfir oss so sem Gud gefr ydr framaztt afl til.

7. Jarlinn vilium vier og vorir arfar hafa medan hann helldur trunad vid ydr en frid vid oss. 8. skulu vier og vorir arfar hallda med ydur allan trunad medan pier og ydrier arfar hallda vid oss pessa Sattargjord. En lausar ef hun ryfst at beztu man[n]a yfir syn. Til pess legg eg haund aa helga Bok og pui skyt eg til Gujz at eg suer hakoni og Magnuse land og pegna og æfinlegan skatt med slikri […; ab hier ist der Text nicht mehr zu entziffern]1

5. Die Landungssteuer soll aufgegeben werden. 6. Isländische Leute sollen in Norwegen solches [Buß-]Recht haben wie zu der Zeit, als sie es am besten hatten und Ihr es selber angeboten habt in Euren Briefen, und Ihr sollt über uns Frieden halten, so wie Gott Euch zuvörderst Kraft dazu gebe. 7. Den Jarl wollen wir und unsere Erben haben, während er Euch die Treue und mit uns Frieden hält. 8. Wir und unsere Erben werden Euch völlige Treue halten, solange Ihr und Eure Erben diesen Vertrag mit uns einhaltet. Aber wir (sind) nicht gebunden, wenn er nach Ansicht der besten Leute gebrochen wird. Dazu lege ich die Hand auf das heilige Buch und ich rufe Gott an, dass ich Hakon und Magnus schwöre (, dass sich) das Land und die Untertanen (unterwerfen) und ewigliche Steuer mit solcher […]

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Dieser Vertrag wurde zunächst 1262 von einigen Leuten aus dem nördlichen und südlichen Landesviertel mit dem norwegischen König geschlossen.2 In den Jahren 1263 und 1264 schlossen sich ihm auch Angehörige der beiden verbliebenen Landesviertel an, so dass ab 1264 Bewohner aller Landesteile ihre Steuerpflicht gegenüber dem norwegischen König anerkannt hatten.

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Diplomatarium Islandicum I, S. 620 f., vgl. auch S. 622, 624. Die Übersetzungen sind vom Verfasser, sofern nicht anders angegeben. Zusätze in runden Klammern sind solche, die in der deutschen Übersetzung notwendig werden, weil es für die isländische Wendung keine direkte Entsprechung im Deutschen gibt. Solche in eckigen Klammern sind weitere Erläuterungen. Vgl. im einzelnen Einar Arnórsson, Alpingi árij 1262, in: Skírnir CIV (1930), S. 116–134, insbes. S. 128 ff.

Einleitung

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Während der isländischen Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber Dänemark im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Bedeutung der Bestimmung unter Punkt 2 wiederholt diskutiert, da sie zentral für die rechtliche Stellung der Isländer zum norwegischen König ist, in dessen Position später der dänische König eintrat. Die allgemeinere und auch in anderen Texten zu findende Formulierung der Wendung unter Punkt 2 skal konungur lata oss na jislenskum laugum („soll der König uns isländische Gesetze gewähren/erlangen lassen“) lautet aj ná lögum und bedeutet „nach dem Gesetz vorgehen können“, „sein gesetzmäßiges Recht erlangen“.3 Hiervon unterscheidet sich die Formulierung der Vertragsbestimmung, indem besonders betont wird, dass es sich um isländische Gesetze handeln musste, die der norwegische König den Isländern zu gewähren hatte. Mit der Betonung, dass die Gesetze isländische sein mussten, wollte man von isländischer Seite offenbar klarstellen, dass auf Isländer nur isländische Gesetze angewendet werden durften und keine norwegischen. Was unter isländischen Gesetzen zu verstehen ist und welche Erwartungen von der jeweiligen Seite mit der Formulierung unter Punkt 2 des Vertrages verbunden waren, lässt sich möglicherweise mit folgenden Überlegungen näher abgrenzen. Zum einen lässt sich die genannte Vertragsbestimmung in dem Vertrag von 1262–1264 so auslegen, dass die Isländer mit ihr deutlich machen wollten, dass sie zwar den norwegischen König insofern akzeptierten, als es um die Befriedung des von inneren Auseinandersetzungen zerrissenen Landes4 3

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Vgl. Egils saga Skalla-Grímssonar, ÍF II, Kap. 56, S. 152: Konungr mun oss láta ná lögum ok réttendum á máli pessu („Der König wird uns in dieser Sache unsere gesetzmäßigen Rechte erlangen lassen“) und ebenda, S. 158: Pat er öllum mönnum kunnigt, hver hafa orjit pinglok, at vér höfum eigi náj lögum („Es ist allen Leuten bekannt, wie das Ergebnis des Things ist, dass wir unser Recht nicht durchsetzen konnten)“; Eyrbyggja saga, in: ÍF IV, Kap. 44, S. 1(120): Eigi skal peim verja bæinn ok skal Steinpórr ná lögum („Ihnen soll das Herankommen an den Hof nicht verwehrt werden, und Steinpórr soll nach dem Gesetz vorgehen können)“; vgl. auch Johan Fritzner, Ordbog II2, S. 777: ná … 2) komme i Besiddelse af, faa, opnaa noget (e-u) („erlangen … 2. in Besitz von etwas kommen, bekommen, etwas erlangen“) mit Verweis auf die zweite der hier zitierten Stellen aus der Egils saga. Allgemein zur Egils saga Skalla-Grímssonar siehe: Richard Matthew Perkins, Egils saga Skalla-Grímssonar, in: RGA 6, S. 469 ff. (zur historischen Zuverlässigkeit dieser Saga: S. 474, § 6). Zeitgenössische Schilderung der bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen während des Sturlungaöld genannten Zeitalters in der Íslendinga saga des Sturla Pórjarson, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 229–534. Mit Geschichten vom Sturlungengeschlecht, Thule 24, liegt eine deutsche Übersetzung durch Walter Baetke leider nur in Auszügen vor. Das Zeitalter der Sturlungen, des bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts mächtigsten Geschlechts Islands, dessen prominentester Vertreter Snorri Sturlusson (1179–1241) war, wird anschaulich beschrieben von Einar Ólafur Sveinsson, Sturlungaöld, Reykjavík 1940 (Englisch: The

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ging, aber dass sie auch dafür nicht darauf verzichten wollten, ihre eigenen Gesetze beizubehalten und einzig auf ihre Initiative hin neue Gesetze zu verabschieden.5 War dies die Absicht der Isländer, so hätten sie damit dem norwegischen König keinerlei Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung auf Island einräumen wollen.6 Die Stellung Islands wäre auch rechtlich eine vollständig andere gewesen als die der verschiedenen Thingbezirke Norwegens nach Erlass der neuen Gesetzbücher ab 1267. Denn zu der Zeit, zu der die Isländer die Steuerpflicht des norwegischen Königs anerkannten, nahm die Machtfülle des norwegischen Königs auch im Heimatland Norwegen stetig zu. Dies führte dort dazu, dass Magnús Lagabœtir ab 1267 in den verschiedenen Thingbezirken Norwegens den jeweiligen Thingversammlungen neue, inhaltlich stark vereinheitlichte Gesetzbücher zur Annahme vorlegte.7 Diese Gesetzbücher wurden dann – offenbar aufgrund der herausragenden Machtstellung des Königs – von den Thingversammlungen angenommen. Durch die Zustimmung der jeweiligen Thingversammlungen wurden die in den neuen Gesetzbüchern enthaltenen Gesetze zu geltendem Recht des betreffenden Thingbezirks. Nach einer anderen Auslegung dieser Vertragsbestimmung war es dem norwegischen König nicht verwehrt, den Isländern Gesetzesvorschläge zu unterbreiten. Erforderlich war nach dieser Ansicht aber die Zustimmung der Isländer.8 Es verblüfft zunächst, dass diese Auslegung des Vertrages zumeist von isländischer Seite während der Unabhängigkeitsbestrebungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert vorgebracht wurde. Sie ist jedoch teilweise durch die politische Situation zu jener Zeit bedingt. Meist vermied man es, Forderungen zu stellen, die aus dänischer Sicht allzu radikal waren und die von einer völlig anderen Auslegung dieses Vertrages, als der von dänischer Seite vorgenommenen, ausgingen. Eher scheint es gegolten zu haben, schrittweise kleinere Verbesserungen in der Stellung zu Dänemark zu erlangen.9

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age of the Sturlungs, Ithaca/N.Y. 1953), sowie überblicksartig von Sverrir Tómasson, Sturlungen und Sturlunga saga in: RGA 30, S. 84–90 (S. 86 ff. zur Íslendinga saga und ihrem Autor Sturla Pórjarson). Vgl. P. A. Munch, Det norske folks historie IV.1, S. 629. Vgl. Gunnar Karlsson, Aj ná íslenskum lögum, in: Yfir Íslandsála, S. 53 ff. (bes. 60, 64 und 74, wo herausgearbeitet wird, dass im Gamli sáttmáli keine Regelungen über die Gesetzgebungskompetenz enthalten sind). Vgl. auch Gunnar Karlsson, Iceland’s 1100 Years, S. 84. Vgl. Dieter Strauch, Magnús Hákonarsons (Lagabœtir) Landrecht und Stadtrecht, in: RGA 19, S. 153. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarstaja Íslands, S. 69. Zur Beteiligung Konrad Maurers an der Diskussion der staatsrechtlichen Stellung Islands zu Dänemark vgl. Kurt Schier, Maurer, Konrad von, in: RGA 19, S. 453(456 f.).

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Nach einer noch zurückhaltenderen Deutung, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert sogar von isländischen Autoren vorgebracht wurde, hat man teilweise angenommen, dass die Formulierung skal konungur lata oss naa fridi og jislendskum laugum („soll der König uns Frieden und isländische Gesetze gewähren“) lediglich die Zusicherung des Königs enthält, er werde im Hinblick auf die Isländer in Übereinstimmung mit den Gesetzen verfahren und sie ihre gesetzlichen Rechte ausüben lassen.10 Daher kann die Vertragsbestimmung auch so verstanden werden, dass sie überhaupt keine Aussage über das Recht des norwegischen Königs zur Gesetzgebung auf Island enthält, sondern lediglich festlegt, dass der norwegische König in Bezug auf Island und die Isländer an die jeweils auf Island geltenden Gesetze gebunden ist und nur nach ihnen verfahren kann. Dann würde die Bestimmung in dem Vertrag überhaupt keine Regelung zum Gesetzgebungsverfahren auf Island enthalten.11 Dem Wortlaut des Vertrages kann nicht sicher entnommen werden, ob die Bestimmung in Punkt 2 des Vertrages überhaupt Bedeutung für das Initiativrecht zum Erlass neuer Gesetze auf Island hat. Auch wenn der Vertrag in jüngeren Zeiten teilweise eher restriktiv ausgelegt wurde, scheinen die Isländer in diesem Gamli sáttmáli 12 (‚alter Vertrag‘) genannten Vertrag versucht zu haben, sich trotz der Anerkennung einer Steuerpflicht gegenüber dem norwegischen König weitestgehend ihre Unabhängigkeit zu si10 11 12

Vgl. Ólafur Lárusson, Grágás og lögbækurnar (1923), S. 76. In diesem Sinne Gunnar Karlsson, Aj ná íslenskum lögum (vgl. Fn. 6). Da auch der Vertrag der Isländer mit der norwegischen Krone von 1302, der die Verpflichtungen aus dem Vertrag von 1262–64 auf eine neue Grundlage stellt, als Gamli sáttmáli bezeichnet wird, vgl. Björn Porsteinsson/Sigurjur Líndal, Lögfesting konungsvalds in: Saga Íslands III, S. 17(35), wurde vorgeschlagen, den Vertrag von 1262–64 nach Gizurr Porvaldsson Gizurarsáttmáli zu nennen. Dieser war vom norwegischen König im Jahre 1258 zum Jarl ernannt worden und führte ab 1262 maßgeblich die Annahme des Vertrages durch seine Landsleute herbei, vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 328. Eindeutig ist die Bezeichnung daher nur unter Beifügung der entsprechenden Jahreszahl. Vgl. zu den Zuordnungsschwierigkeiten der überlieferten Verträge auch Gujni Jónsson, Gamli sáttmáli, in: KLNM 5, Sp. 170 f. Eine völlig andere zeitliche Einordnung des überlieferten Vertragstextes von 1262 nimmt Patricia Pires Boulhosa, Icelanders and the Kings of Norway, S. 87 ff. (bes. S. 142 ff.) vor. Dabei stützt sie sich auf den Umstand, dass der genaue Wortlaut des Vertrages nur in jüngeren Abschriften erhalten ist und nach ihrer Auffassung im 15. Jahrhundert den aktuellen politischen Bedürfnissen der Isländer „angepasst“ worden sei. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie sehr stark auf die Textabweichungen der unterschiedlichen Quellen abhebt, welche auch ganz andere Ursachen haben können, und nicht viel dafür spricht, dass die Verträge im Wesentlichen nicht so erhalten sein sollten, wie sie ursprünglich abgeschlossen wurden.

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chern. Auf der Ebene der Gesetzgebung gelang dies jedoch nicht, da schon im Jahre 1271 den Isländern ein Gesetzbuch aus Norwegen zur Annahme durch das Allthing, wohl insbesondere durch die gesetzgebende Versammlung lqgrétta,13 präsentiert wurde. In diesem Zusammenhang ist auch der Annaleneintrag im Lögmanns-annáll für das Jahr 1271 zu erwähnen, denn dort heißt es, dass in jenem Jahr norwegische Gesetze in Island eingeführt wurden: komu norren logh a Island.14 Die Bezeichnung der wohl unter Mitwirkung des Isländers Sturla Pórjarson (1214–1284) entstandenen Járnsíja als norwegisches Gesetzbuch legt nahe, dass der Annalenschreiber die neuen Gesetze trotz der Annahme auf dem Allthing nicht als isländische ansah. Bei Zugrundelegung dieser Sichtweise wäre die Formulierung in Punkt 2 des Vertrages wohl so zu interpretieren, dass der König keinerlei Rechte in Bezug auf die isländische Gesetzgebung gehabt hätte. Dann würde auch bereits die Präsentation eines in Norwegen erstellten Gesetzbuches wie der Járnsíja und zehn Jahre später der Jónsbók auf dem Allthing in Island einen Verstoß gegen den Vertrag von 1262–1264 darstellen. Das neue Gesetzbuch, das seinen Namen Járnsíja (‚Eisenseite‘) wohl von seinem vermutlich eisenbeschlagenen Einband bezog, wurde nach starkem anfänglichem Widerstand von 1271 bis 1273 schrittweise angenommen.15 Bemerkenswerterweise wurde die überkommene Staatsverfassung, welche sich auf die Godentümer stützte, schon 1271 und damit noch vor der umfassenden Umgestaltung des materiellen Rechts in den beiden folgenden Jahren, als erstes abgeschafft.16

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Zur Funktion der lqgrétta siehe Jón Vijar Sigurjsson, Lögrétta, in: RGA 18, S. 548 f. Lögmanns-annáll, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 231(259). Vgl. auch die Bezeichnung der Járnsíja als norwegisches Gesetzbuch in der Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 18, S. 1(27): Á pessu sumri sendi virjulegr herra Magnús konungr til Íslands Porvarj Pórarinsson ok Eindrija bögull, hirjmann sinn, par mej Sturlu Pórjarson mej lögbók norræna, ok var pá eptir um sumarit játat pingfararbælki ok tveimr kapítulum ór erfjabælki; um festarkonu börn ok um arfleijing ok pegngildi um allt land, en eigi fleira. („In diesem Sommer sandte der erhrenwerte Herr König Magnús Porvarjr Pórarinsson und Eindriji bögull, seinen Gefolgsmann, und mit ihnen Sturla Pórjarson mit einem norwegischen Gesetzbuch nach Island, und es wurden später im Sommer das Thingfahrtrecht und zwei Kapitel aus dem Erbrechtsabschnitt, über Kinder von verheirateten Frauen und über die Adoption, und die Gefolgschaft [im Sinne von Steuerpflichtigkeit] im gesamten Land angenommen, aber nicht mehr.“) Ausgaben: Járnsíja, in: R. Keyser/P.A. Munch (Hrsg.), Norges Gamle Love I, S. 259–300; Hin forna lögbók Íslendinga sem nefnist Járnsida ejr Hákonarbók, Th. [Pórjur] Sveinbjörnsson (Hrsg.), Kopenhagen 1847; moderne Leseausgabe in: Járnsíja og Kristinréttur Árna Porlákssonar, Haraldur Bernharjsson/Magnús Lyngdal Magnússon/Már Jónsson (Hrsg.), Reykjavík 2005, S. 61–190. Zu den Godentümern vgl. jetzt umfassend Gunnar Karlsson, Gojamenning (2004).

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Beachtung verdient auch die Regelung unter Punkt 3. des Vertrages, nach der zukünftig eine gewisse Anzahl von Schiffen jährlich Island ansteuern sollte. Diese an herausgehobener Stelle im Vertrag geregelte Verpflichtung, Island in Verbindung mit der Umwelt zu setzen, deutet auf die missliche Lage hin, in der sich das Land und seine Bewohner im 13. Jahrhundert schon befanden.17 Da es in Island kein Holz gab, mit dem man Schiffe hätte bauen können, die groß genug gewesen wären, um damit einigermaßen sicher zu den britischen Inseln oder nach Skandinavien fahren zu können, waren die Isländer zu dieser Zeit für die Einfuhr von Waren sowie den übrigen Verkehr mit dem Ausland fast ausnahmslos auf den Besuch ausländischer Schiffe angewiesen.18 Während der Landnahmezeit hingegen und bis in das 10. und 11. Jahrhundert hinein waren die Isländer mit ihren Schiffen noch weit herumgekommen. Allein die Besiedelung Islands im 9. und zu Beginn des 10. Jahrhunderts überwiegend von Norwegen aus war nur aufgrund seetüchtiger Schiffe möglich gewesen. Im 13. Jahrhundert und den darauffolgenden Jahrhunderten sah die Situation dagegen vollkommen anders aus. Neben der Klimaverschlechterung machte sich auf Island der nur noch spärliche Schiffsverkehr mit anderen Ländern stark bemerkbar. Dies erklärt, warum schon kurz nach 1300 in einem Schreiben der Isländer an den norwegischen König auf die Armut der Isländer Bezug genommen und ausgeführt wird, dass das Land keine höheren Steuern verkrafte. In dem Schreiben wird auch dargelegt, die anfangs bei Einführung der Steuer vom König versprochenen Leistungen seien nicht erbracht worden, sondern es würden immer nur Güter aus dem Land abgezogen und eine Gegenleistung dafür sei nicht erfolgt.19 Damit scheinen die Isländer zumindest zu diesem 17

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Zu den denkbaren Ursachen für den Abschluss dieses Vertrages siehe die detaillierte Darstellung der verschiedenen vorgebrachten Erklärungsversuche bei Sigurjur Líndal, Utanríkisstefna Íslendinga á 13. öld og ajdragandi sáttmálans 1262–64, in: Úlfljótur XVII (1964), S. 5(6 ff.). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 119 f.; Jón Jóhannesson, Íslendinga saga II, S. 152 f., Einar Arnórsson, Alpingi árij 1262, S. 116(131 f.); auch die Domkirche in Skálholt wurde aus importiertem norwegischen Holz errichtet, vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, Kap. 9, S. 1(35). Unter dem Titel „Die Hungerweckerin“ liegt in: Thule 23, S. 189–213 eine deutsche Übersetzung durch Walter Baetke leider nur in Auszügen vor, vgl. Walter Baetke, Nachbemerkung, ebenda, S. 322 ff. Die hier angeführte Passage findet sich auf S. 208 f. Allgemein über die Hungrvaka siehe Klaus Rossenbeck, „Hungrvaka“, in: Kindlers Neues Literatur Lexikon Bd. 18 (1992), S. 775–776. Vgl. den Brief Almúgans sampykkt [Resolution der Allgemeinheit] von 1306 in: Diplomatarium Islandicum II, S. 333(335) (dort unzutreffenderweie auf 1302 datiert; vgl. Björn Porsteinsson/ Sigurjur Líndal, Lögfesting konungsvalds, in: Saga Íslands III, S. 17(86)): 4. Hier aa mot sakir fatæktar landzins ok navdsynia pess folks er landit byggia at naa peim heitum mote pui godzi er heitid war moti skattinum j fyrstu af konungsins halfu. pvi at

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Zeitpunkt ihre ursprüngliche Zustimmung zur Einführung einer Steuer auch im Zusammenhang mit einer verbesserten Verbindung zu anderen Ländern gesehen zu haben und nicht nur mit einer Befriedung des Landes. Die weiteren Regelungen des Vertrag von 1262–1264 stehen vermutlich weniger im Synallagma „Steuern gegen Frieden, aber nach eigenen Gesetzen“, sondern beziehen sich auf andere Punkte, deren Regelung wohl überwiegend auch in einem anderen Vertrag hätte erfolgen können, zum Beispiel die Regelung des Erbrechts der Isländer in Norwegen20 oder die Abschaffung der Landungssteuer (Punkte 4 und 5 des Vertrages). Einzig die Regelung unter Punkt 7 steht wiederum in engem Zusammenhang mit dem zentralen Regelungsgegenstand des Vertrages, weil damit neben der Steuerpflicht dem König zugestanden wurde, über Island einen Jarl einzusetzen. Der Abschluss des Vertrages von 1262–1264 und die Annahme eines Gesetzbuches aus Norwegen ab 1271 hatten wohl mehrere Ursachen. Eine äußere Ursache war vermutlich die sich stetig verschlechternde Lage der Isländer aufgrund der wenigen Besuche ausländischer Schiffe sowie die schlechtere Nutzbarkeit des Landes durch Klimaveränderung und Überweidung und der daraus folgenden Erosion fruchtbaren Bodens. Hauptursache dürfte aber gewesen sein, dass der bisherige sich auf den Godentümern gründende Staatsaufbau in eine derartige Schieflage geraten war, dass man sich eher mit einem in Norwegen sitzenden Herrscher arrangieren konnte, als dass einige wenige Isländer sich immer wieder zur Erreichung der Vormachtstellung im Lande befehdeten und dabei das gesamte Land in Mitleidenschaft zogen. Das „norwegische Gesetzbuch“ Járnsíja fand unter den Isländern geringen Zuspruch. Dies lässt sich nicht nur daran erkennen, dass ihre Annahme während dreier Allthingsversammlungen nicht vollständig erfolgte und erst

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fullkomlega pikiumst vier sia att litla hrid stendr vortt land vid fyrir fatæktar sakier ef so mikid godz dregzt af enn litid eda ekki kiemr j stadinn. […] 7. En allur sá bojskapur er oss by´ jur meira afdrátt ejur pyngsl en ájur er svarinn og sampykktur, pá sjáum vér mej öngu móti, aj undir megi standa sakir fátæktar landsins. („4. Hiergegen [als Gegenleistung für die Steuerzahlung], wegen der Armut des Landes und der Bedürfnisse der Leute, die das Land bewirtschaften, sollen die Versprechungen eingehalten werden für die Wohltaten, die anfangs von Seiten des Königs für die Steuer versprochen wurden, denn wir sind vollkommen überzeugt, dass unser Land die Armut nur noch kurze Zeit überstehen kann, wenn so viele Güter daraus abgezogen werden, aber wenig oder nichts an ihre Stelle kommt. […] 7. Jeder Befehl, der uns höhere Abzüge oder Belastungen vorschreibt, als zuvor mit Eid zugesagt wurden, da sehen wir keinesfalls, dass dem entsprochen werden kann aufgrund der Armut des Landes.“) Siehe unten S. 65 f.

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im Herbst 1273 abgeschlossen werden konnte, sondern vor allem daran, dass schon bald nach ihrer Annahme als Gesetzbuch für Island mit einer umfassenden Revision der Gesetze begonnen wurde.21 Für den kirchlichen Bereich wurde im Jahre 1275 das von Bischof Árni Porláksson initiierte neue Christenrecht angenommen, welches das zwischen 1122 und 1133 für Island erlassene „alte“ Christenrecht ablöste. Jenes war von der Änderung der weltlichen Gesetze durch die Annahme der Járnsíja zwar nicht groß betroffen, es entsprach aber längst nicht mehr den Vorstellungen der Kirche. Im Bistum Hólar im Norden des Landes erlangte das neue Christenrecht erst im Jahre 1354 zweifelsfreie Geltung.22 Nach langer und erbitterter Diskussion wurde dann im Jahre 1281 auf dem Allthing das nächste Gesetzbuch aus Norwegen angenommen. Es erhielt nach seinem isländischen Verfasser Jón Einarsson schnell den Namen Jónsbók.23 Mit Annahme der Jónsbók waren die Gesetze aus der Freistaatszeit24 dauerhaft außer Kraft getreten. Jedoch bedeutete auch diese Zäsur keinen vollkommenen Neuanfang. Vielmehr hat ein Großteil der Bestimmungen der Jónsbók (105 von 251 Kapiteln) seinen direkten Ursprung in den Gesetzen der Freistaatszeit, so dass die Gesetze der Grágás auch nach 1281 noch in weiten Teilen fortgalten.25 Einige wenige Bestimmungen aus der Freistaatszeit gelten in der Fassung der Jónsbók und des Christenrechts von 1275 sogar bis heute, da das Christenrecht von 1275 und die Jónsbók nie vollständig außer Kraft gesetzt wurden, sondern allein durch den Grundsatz lex posterior derogat legi priori erst im 19. und besonders im 20. Jahrhundert mehr und mehr an Bedeutung verloren haben.26 Die freistaatliche Gesetzgebung prägte damit nicht nur die Zeit vor 1262, sondern unter Wahrung einer außergewöhnlichen Kontinuität auch das Rechtsdenken in den darauf folgenden Jahrhunderten. Durch ihre juristisch klare Begriffsbildung legte sie den noch heute aktuellen Grundstein

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Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 115. Vgl. Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(68). Siehe im einzelnen unten im Kapitel „1.23. Annahme der Jónsbók 1281“, S. 70 ff. Im Isländischen wird der Begriff pjójveldisöld (‚Volksherrschaftszeitalter‘) gebraucht, wodurch der Gegensatz zu einer Königsherrschaft (konungsveldi ) betont wird. Im Folgenden soll aber der für den isländischen Staat vor 1262 im Deutschen überkommene Begriff „Freistaat“ (im Sinne von „frei von königlicher Herrschaft“) verwendet werden. Vgl. Björn Porsteinsson/Sigurjur Líndal, Lögfesting Konungsvalds, in: Saga Íslands III, S. 17(49); Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. 199(203). Vgl. die Auflistung der heute noch gültigen Bestimmungen von 1275 und 1281 in: Lagasafn 2003, S. XXVIII.

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für die juristische Fachsprache in Island, da viele Fachbegriffe heute noch dieselbe Bedeutung wie in der Freistaatszeit haben. Die isländischen Gesetze der Freistaatszeit weckten das wissenschaftliche Interesse lange, bevor das Kirchenrecht im 18. und das weltliche Recht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals in Druck erschienen und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurden.27 Bereits im Mittelalter und noch vor Niederschrift der Grágás war die isländische Staatsverfassung, die ohne König auskam, Adam von Bremen oder einem seiner Zeitgenossen eine Notiz wert, da in einigen sehr frühen Handschriften der Gesta Hammaburgensis die Bemerkung steht, Apud illos non est rex, nisi tantum lex.28 Insbesondere im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren die Gesetze des isländischen Freistaates Gegenstand umfänglicher wissenschaftlicher Behandlung.29 Ursache für dieses große Interesse war häufig eine Erwartung, wie sie beispielsweise in folgender Aussage (für die norwegischen Gesetze) aus dem Jahre 1874 deutlich wird: Obgleich diese Rechtsbücher insgesammt nicht vor dem 12. Jahrhundert und in einigen Recensionen theilweise sogar erst im 13. Jahrhundert entstanden sind, so hat sich in ihnen doch weit mehr und weit vollständiger das älteste Recht erhalten, als in den südgermanischen leges, welche doch der Entstehungszeit nach um mindestens ein halbes Jahrtausend älter sind. Das öffentliche Leben ging eben im Norden einen langsameren Schritt als im Süden. Königs- und Kirchenmacht erstarkten dort weit später als bei den Gothen, Langobarden, Franken, Angelsachsen. Bis in’s zwölfte Jahrhundert kam es in allen norwegischen Dingen vorwiegend auf die Meinung der freien Bauernschaft an. Ein Lehenswesen kam zwar auch hier auf. Aber das Staatsleben blieb im Wesentlichen davon unberührt. Bei der alten heidnischen Denkart beharrte des Volkes grosse Masse auch nach Einführung des Christenthumes noch bis in späte Zeiten, und die alte Sitte erlitt durch den neuen Glauben für Jahrhunderte hinaus keine Erschütterung ihrer Grundlagen. Ausländisches Wesen wurde erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts am Hofe des Königs beliebt. Nüchtern und zähe hielt das Volk in seiner Gesammtheit an der überkommenen Rechtsordnung fest.30

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Siehe als Beispiel für Deutschland Georg August Detharding, Abhandlung von den Islaendischen Gesetzen (1748). Magister Adam Bremensis, Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum, in: Werner Trillmich/ Rudolf Buchner (Hrsg.), Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches, Buch IV, Kap. 36, S. 137(486). Hier ist an erster Stelle das umfangreiche Werk von Konrad Maurer zu nennen. Karl von Amira, Das altnordische Vollstreckungsverfahren, S. XI. Vgl. noch im Jahre 1960 Karl von Amira/Karl August Eckhardt, Germanisches Recht I, 4. Aufl. (1960), S. 82: „Unter der Gunst dieser Umstände konnten ums Jahr 1000 die nordgermanischen Rechte von ihren ursprünglichen Zuständen mehr bewahren als die meisten (und uns bestbekannten) südgermanischen um 500.“ Damit liegt diese Ansicht noch auf derselben Stufe wie die folgende Aussage von Johann Carl Heinrich

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Auch wurde angenommen, erst durch die nordischen Quellen füge sich beispielsweise das „Strafrecht der Germanen“ zu einem einheitlichen System: Mit einer kaum vergleichbaren höheren Vollendung der Form vereinigen die nordischen Rechtsquellen nicht minder eine bei weitem grössere Alterthümlichkeit des Inhaltes. Blutrache, die Theilnahme der Familie am Wergeld, das Institut der Friedlosigkeit, und so vieles Andere, das dem höchsten germanischen Alterthum angehört und in unseren Volksrechten kaum mehr in den abgeschwächten Resten erkennbar ist, zeigt sich im Norden noch in anschaulicher Gestalt. Manche solcher germanischen Institute haben in dem Norden den ganzen Kreislauf ihrer Entwicklung durchmessen, während bei den Völkern, welche in den Strom der weltgestaltenden Ereignisse hineingerissen wurden, jener unterbrochen, von seiner Richtung abgelenkt, gehemmt wurde. Unabhängig von fremdem Einfluss sehen wir im Norden die Rechtsidee freier, doch in eigenthümlicher Weise sich entwickeln, und so namentlich die Begriffe von Recht und Unrecht bestimmter hervortreten, wie sich dieses in der Auseinandersetzung der Grundsätze vom bösen Willen, dem Versuche, der Theilnahme unten zeigen wird.31

Nach einer weiteren Ansicht der Zeit, die wohl ebenfalls keine Einzelmeinung war, ist der besondere Werth der nordgermanischen Rechte für die rechtsgeschichtliche Forschung auch darin zu suchen, dass bei ihnen die Nothwendigkeit einer Rücksichtnahme auf e t wa i g e B e e i n f l u s s u n g d u r ch r ö m i s ch e Re ch t s a u f f a s s u n g von vornherein entfällt.32

Dagegen weisen bereits sehr frühe Abhandlungen über das isländische Recht der Zeit vor 1271 auf den subtilen römischen Geist hin, der in der gesamten Grágás herrsche („[…] den subtile romerske Aand, der hersker

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Dreyer im Jahre 1790, vgl. Dreyer, Abhandlung von den in Deutschland wenig bekannten Isländischen Rechtsbüchern und dahin gehörigen Schriften, auch deren Gebrauch zur Aufklärung vieler Stücke des Deutschen Privatrechts, in: Siegmund Freyherr von Bibra (Hrsg.), Journal von und für Deutschland, 7. Jg. (1790), S. 127(128): „Er [der Deutsche Rechtsgelehrte] wird hieraus den Einfluß, die Verbindung und den Nutzen, welchen ihm die Kenntniß der Gesetze und der Sprachen aller seiner nordischen, ja sogar der Isländischen Brüder zur Erklärung und Aufheiterung der Rechte seines Deutschen Vaterlandes gewähren, so gleich bemerken; er wird die Stücke, welche die Zeit von den alten Denkmälern des Nordens zurückgelassen, sich zu Nutzen machen; er wird aus den Sitten der alten Völker, welche jenen Himmelsstrich bewohneten, die Deutschen Sitten erläutern, und die Nachbarn zur Hülfe rufen, daß sie an Deutschlands Ehre mit arbeiten helfen, und es wird bey ihm der Trieb rege werden, mit den nordischen Gesetzbüchern in nähere Bekanntschaft zu kommen.“ Wilhelm Eduard Wilda, Das Strafrecht der Germanen I, S. 9 f. Julius Ficker, Ueber nähere Verwandtschaft zwischen gothisch-spanischem und norwegisch-isländischem Recht, in: MIöG II. Ergänzungsband (1887), S. 455(461). Hervorhebung im Original.

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heelt igiennem […]“),33 obwohl auch dort ein Einfluss des römischen Rechts auf die Grágás ausgeschlossen wird: Uagted den Romerske Ret ingen Inflydelse har havt paa disse Lovbud, og den kanoniske forholdsviis en ringe, saa spores her overalt en Romersk Aand i de mange fine Bestemmelser, hvorved alle vanskelige Retstilfælde vorde afgjorte, ikke blot saadanne, som virkelig forekomme, men og de man tænkte sig som muelige.34 „Ungeachtet dessen, dass das römische Recht keinen Einfluss auf diese Rechtsvorschriften gehabt hat und das kanonische einen vergleichsweise geringen, spürt man hier überall einen römischen Geist in den vielen feinen Bestimmungen, mit denen alle schwierigen Rechtsfälle behandelt werden; nicht nur solche, die wirklich vorkommen, sondern auch solche, die man sich als möglich vorstellte.“

Nachdem vorstehend das formale Außerkrafttreten der freistaatlichen Gesetze zwischen 1262 und 1281 während der politischen Umbruchzeit zur Mitte des 13. Jahrhunderts skizziert wurde, soll nun die Entwicklung der isländischen Gesetze während der Freistaatszeit und die dabei bestimmenden Einflüsse dargestellt werden. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf den Einflüssen liegen, die von außerhalb Islands wirksam geworden sind. Dazu wird zunächst die Rechtsentwicklung von 930 bis 1281 überblicksartig skizziert (Kap. 1: Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281). Darauf wird die handschriftliche Überlieferung der Gesetze dargestellt und es wird ein kurzer Überblick über die Druckausgaben und Übersetzungen gegeben (Kap. 2: Handschriften und Ausgaben der Grágás). Anhand dieser beiden Abschnitte lassen sich wichtige Schlüsse darüber ziehen, zu welchen Zeitpunkten sich in den isländischen Gesetzen die bedeutsamsten Änderungen ergeben haben und von wann die in den Handschriften erhaltenen Gesetze vermutlich datieren. Auf dieser Grundlage lässt sich schlussfolgern, wer die wichtigsten Beiträge für die Entwicklung der isländischen Gesetze geliefert haben muss. Anhand von Lebensdaten und anderen biographischen Angaben in den Quellen kann wahrscheinlich gemacht werden, woher die isländischen Gesetze der Freistaatszeit wichtige Einflüsse von außerhalb Islands erhalten haben (Kap. 3: Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118). In den darauffolgenden beiden Teilen sollen dann mögliche Einflüsse in den Gesetzen untersucht werden. Dabei befasst sich Kap. 4 mit der grundsätzlichen Gestalt der Grágásgesetze und Kap. 5 mit einzelnen Bestimmungen. 33

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J.W.F. Schlegel, Om den gamle Islandske Lov- og Retsbog, kaldet „Graagaas“, dens Oprindelse, Navn, Kilder, indvortes Beskaffenhed og store Vigtighed i flere Henseender, i Anlaedning af dens første trykte Udgave, in: Nordisk Tidskrift for Oldkyndighed 1 (1832), S. 109(111). J.W.F. Schlegel, Om den gamle Islandske Lov- og Retsbog, S. 109(136).

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Ohne die isländischen Quellen des 13. Jahrhunderts wie den Eddaliedern gäbe es sehr wenige Zeugnisse über die religiösen Vorstellungen eines Volkes germanischer Sprache vor der Christianisierung. Daher wäre es nicht allzu fernliegend zu vermuten, dass auch in den nur gut ein Jahrhundert nach offzieller Annahme des Christentums niedergeschriebenen weltlichen Gesetzen noch alte religiöse Anschauungen enthalten sind. Hierfür gibt es in den Gesetzen aber keine Anzeichen. Vielmehr gibt es aufgrund isländischer Besonderheiten, wie der großen Anzahl weltlicher Machthaber im 11. und 12. Jahrhundert, die zum Priester geweiht waren, Anlass zu der Vermutung, dass christliche Vorstellungen in der isländischen Gesellschaft in besonderem Maße bekannt waren. Deshalb soll auch dargestellt werden, wenn eine gesetzliche Bestimmung des weltlichen Rechts von biblischen Vorstellungen beeinflusst erscheint. Die meisten Regelungen des Kirchenrechts, wie beispielsweise die Fasten- und Feiertagsregelungen, und ihre Stellung im europäischen Zusammenhang müssen dagegen leider weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Die Gesetze Islands aus der Freistaatszeit haben einen Umfang, der die allermeisten Gesetzeswerke des Mittelalters bei weitem überragt.35 Daher kann die Untersuchung sich nur auf Beispiele beschränken und auch nicht annähernd auf Vollständigkeit ausgelegt sein. Es geht somit nicht darum, jede einzelne Norm zu betrachten, sondern grundsätzliche Zusammenhänge festzustellen.

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Vgl. die Darstellung der Textumfänge der altnordischen Literatur bei Gunnar Karlsson, Gojamenning, S. 429 ff. (für die Gesetze S. 434 f.): Danach haben die Grágásgesetze einen Umfang von ca. 180 000 Wörtern. Die umfangreichsten anderen skandinavischen Gesetze des Mittelalters weisen dagegen nur einen Umfang von 50–60 000 Wörtern auf. Unter ihnen sind die älteren Gulathings- und Frostathingsgesetze und das Landrecht von König Magnús lagabætir. Die schwedischen und dänischen mittelalterlichen Gesetze umfassen jeweils nur zwischen 30 000 und 50 000 Wörter.

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1. Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281 Die Gesetze der Freistaatszeit sind im Wesentlichen in zwei großen Handschriften erhalten (siehe unten S. 77ff.) und erwecken dadurch den Eindruck, dass es sich um ein verhältnismäßig einheitliches Gesetzgebungswerk handeln würde.1 Tatsächlich jedoch sind die heute unter dem Sammelnamen Grágás 2 bezeichneten Gesetze das Ergebnis der legislativen Tätigkeit der lqgrétta, der gesetzgebenden Körperschaft auf dem Allthing, aus einem Zeitraum von weit über 300 Jahren. Im Folgenden soll daher ein kurzer Überblick über die isländische Gesetzgebung von der Staatsgründung bis zum Jahr 1281 gegeben werden. Auf weitere historische Entwicklungen wie beispielsweise die Missionsbesuche ausländischer Geistlicher wird nur eingegangen, soweit sie für die Gesetzgebung und die geistige Entwicklung im Lande von besonderer Bedeutung sind. Ausnahmsweise bereitet hier die Auswahl des späteren Datums die größeren Probleme. Denn in der isländischen Geschichtsschreibung werden meist die Ereignisse der Jahre 1262–1264 als tiefe Zäsur dargestellt und als

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Zur Grágás in den allgemeinen Nachschlagewerken siehe: Harald Erhard, Grágás, in: Lexikon des Mittelalters Bd. IV (1989), Sp. 1636–1637; Friedrich Merzbacher, Grágás, in: HRG 1 (1971), Sp. 1796–1797; Hans-Peter Naumann, Grágás, in: RGA 12, S. 569–573; Ólafur Lárusson, Grágás, in: KLNM 5, Sp. 410–412; Gerd Wolfgang Weber, Grágás, in: Kindlers Neues Literatur Lexikon, Bd. 18 (1992), S. 657–659. Die Herkunft des Namens beruht vermutlich auf einem Missverständnis des 16. Jahrhunderts. Man hielt wohl versehentlich das isländische Gesetzbuch für das gleichnamige norwegische Gesetzbuch für die Region Tröndelag aus der Mitte des 11. Jahrhunderts von König Magnús dem Guten, siehe Grágás (1992), S. XXIV f.; Konrad Maurer, Graagaas, in: Gruber/Ersch (Hrsg.), Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste I 77, S. 1; Ólafur Lárusson, Grágás, in: Lög og Saga, S. 119(123 f.). Anderen Meinungen zufolge hielt man die Gesetze der Freistaatszeit für das Gesetzbuch des norwegischen Königs Olafs des Heiligen aus dem frühen 11. Jahrhundert, vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 62 f., oder für ein Manuskript der Gesetze des Frostuping aus der Zeit um 1190, vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 112. Da der Name Grágás für die Gesetze der isländischen Freistaatszeit heute allgemein gebräuchlich ist, soll davon nicht abgewichen werden.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

„Untergang des Freistaates“ apostrophiert.3 Aus rein juristischer Sicht bietet es sich dagegen an, das Außerkrafttreten der weltlichen Gesetze der Freistaatszeit in den Jahren 1271 bis 1273 als Endpunkt der Rechtsentwicklung dieser Zeit zu sehen, wenngleich bereits die Einführung einer Steuerpflicht gegenüber dem norwegischen König die Beziehungen zu Norwegen vollständig veränderte. Da allerdings die neuen Gesetze von 1271 bis 1273, wie oben dargelegt, nur für den weltlichen Bereich galten und die Járnsíja letztlich nur für wenige Jahre in Kraft war, soll das Jahr 1281, in welchem die Jónsbók in Kraft trat, als Enddatum bemüht werden.

1.1. Die ersten Thingversammlungen und Gesetze Schon bald nach Beginn der Besiedelung Islands um das Jahr 874 wurden an einigen Stellen des Landes Thingversammlungen abgehalten und es wurde Recht gesprochen. So fanden lokale Thingversammlungen an den Orten der späteren Frühjahrsthingversammlungen des Kjalarnespings4 und Pórnesspings5 statt. Es ist möglich, dass es darüber hinaus schon vor der Gründung des Allthings noch weitere als diese beiden regelmäßig stattfindenden Thingversammlungen gab, da der erste isländische Geschichtsschreiber Ari fróji Porgilsson (1067/1068 bis 11486) in seiner zwischen 1122 und 11337 verfassten Íslendingabók für diesen Zeitraum einzig das Kjalarnesping erwähnt, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass er von der Existenz des Pórsnessping wußte.8 3

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Vgl. nur Vilhjálmur Finsen, Efterskrift, in: Grágás (dänische Übersetzung II), S. 217 („indtil Fristatens Undergang“) und Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. XXXV. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 3, S. 1(8); Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 7. Vgl. Eyrbyggja saga, ÍF IV, Kap. 4, S. 10. Vgl. Jakob Benediktsson, Formáli, I. Íslendingabók, in: ÍF I, S. V(VII). Vgl. Jakob Benediktsson, Formáli, I. Íslendingabók, S. V(XVII f.). In der einzigartigen Íslendingabók wird in unvergleichlich konzentrierter Form die Geschichte Islands von seiner Besiedelung bis zum Jahre 1120 wiedergegeben. Die erhaltene zweite Version in isländischer Sprache ist auf Anraten der Bischöfe Porlákur und Ketill, die von 1122 bis 1133 zeitgleich Bischöfe waren, gegenüber der nicht erhaltenen ersten Fassung in lateinischer Sprache um die Genealogien und Lebensberichte der norwegischen Könige gekürzt worden, vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, S. 1 (Prologus). Heute maßgebliche Ausgabe in: ÍF I, S. 1–28. Deutsche Übersetzung unter dem Titel Aris Islaenderbuch durch Walter Baetke in: Thule 23, S. 41–57. Die Íslendingabók kann als sehr verlässliche Quelle angesehen werden, weil Ari seine Gewährsleute generell und auch für einzelne Tatsachen angibt

Die Gesetze Úlfljóts und die Errichtung des Allthings um 930

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Welches Recht auf diesen ersten Thingversammlungen bei der Rechtsprechung zu Grunde gelegt wurde, lässt sich nur mutmaßen. Am ehesten dürften die Regeln angewandt worden sein, wie sie die Landnehmer noch aus ihrer vorigen Heimat kannten, nämlich schwerpunktmäßig einigen Landschaften Norwegens. Viele der norwegischstämmigen Landnehmer hatten sich zwischenzeitlich auf den Britischen Inseln und anderswo aufgehalten und einige Landnehmer stammten von den britschen Inseln selbst.9 Ob dadurch im ältesten auf Island zur Anwendung gekommenen Recht außernorwegische Einflüsse vorhanden waren oder ob nur das Recht der verschiedenen Thingbezirke Norwegens angewendet wurde, lässt sich wohl nicht mehr klären. Es lässt sich vermuten, dass die Rechtsvorschriften, die auf den ersten Thingversammlungen zu Grunde gelegt wurden, nicht völlig homogen waren, weil besonders erwähnt wird, dass nach der Schilderung Aris Úlfljótr als erster Gesetze nach Island gebracht habe, die dann einheitlich als Úlfljótsgesetze bezeichnet wurden.10 Für die davor liegende Zeit ist daher von einer Anwendung unterschiedlicher Rechtsvorschriften auszugehen, wie sie die Landnehmer noch aus ihren alten Heimatrechtskreisen kannten.

1.2. Die Gesetze Úlfljóts und die Errichtung des Allthings um 930 1.2.1. Die Úlfjótsgesetze Ari berichtet in der Íslendingabók, dass die ersten Gesetze, die im gesamten Land Geltung besaßen, aus Norwegen stammten.

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und auch offenlegt, wenn er etwas nicht genau in Erfahrung bringen konnte, vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF 1, Kap. 3, S. 1(8: En majr hafji sekur orjij of præls morj eja leysings („Jemand war schuldig geworden wegen Mordes an einem Sklaven oder Freigelassenen“); Kap. 6, S. 14: En pat vas, er hann tók byggva landit, fjórtán vetrum eja fimmtán fyrr en kristni kvæmi hér á Ísland („Und das war, als er das Land [Grönland] zu besiedeln begann, vierzehn oder fünfzehn Winter bevor das Christentum hier auf Island angenommen wurde.“); Kap. 7, S. 14: ok hafji vegit hér tvá menn eja prjá („und hatte hier zwei oder drei Leute erschlagen“). Siehe zur Zuverlässigkeit der Íslendingabók als Quelle auch: Jónas Kristjánsson, Eddas and Sagas, 2. Aufl. (1992), S. 120–124. Zum Einfluss des von den britischen Inseln stammenden Bevölkerungsanteils auf die isländische Kultur siehe: Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 37–38 und aus neuerer Zeit ausführlich: Helgi Gujmundsson, Um haf innan, insbesondere S. 200 ff. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 2, S. 1(6 f.).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

En pá es Ísland vas víja byggt orjit, pá hafji majr austrœnn fyrst lög út hingat ´y r Norvegi, sá es Ulfljótr hét; svá sagji Teitur oss; ok váru pá Úlfjótslog kolluj; – hann vas fajir Gunnars, es Djúpdœlir eru komnir frá í Eyjafirji; – en pau váru flest sett at pví sem pá váru Golapingslog eja ráj Porleifs ens spaka Horja-Kárasonar váru til, hvar vij skyldi auka eja af nema eja á annan veg setja.11

Und als Island weithin besiedelt worden war, da brachte zuerst ein norwegischer Mann Gesetze aus Norwegen hier heraus, welcher Úlfljótr hieß, so sagte uns Teitr, und sie wurden dann Úlfjótsgesetze genannt. Er war der Vater Gunnars, von dem die Leute aus Djúpidalur im Eyjafjörjr gekommen sind. Sie wurden überwiegend danach gesetzt, was damals Gesetz im Gulathingbezirk war oder es gab Ratschläge von Porleifur dem Weisen, dem Sohn von Hörja-Kárason, was man ergänzen oder abschaffen oder anders festsetzen sollte.

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Der zu dieser Zeit wohl etwa sechzigjährige Úlfjótr hielt sich drei Winter in Norwegen auf, um die ersten isländischen Gesetze vorzubereiten.12 Der gesetzeskundige Porleifur der Weise, der ihn dabei beriet, war ein Verwandter von Úlfljótr.13 Der Inhalt dieser Gesetze läßt sich allenfalls ansatzweise ermitteln.14 Inwieweit die Úlfljótsgesetze schon von Anfang an von den Gulathingsgesetzen der Zeit um 930 abwichen, lässt sich ebenfalls nicht mehr feststellen, vor allem nicht durch den Vergleich der erhaltenen Gulathingsgesetze mit den erhaltenen Gesetzen der isländischen Freistaatszeit. Denn zum einen wurden die isländischen Gesetze im Jahre 1118 umfassend verändert (siehe dazu nachfolgend S. 47 ff.) und zum anderen ist hier auf die Formulierung des Ari hinzuweisen, dass die ersten isländischen Gesetze nach dem Vorbild dessen erlassen wurden, was damals Gesetz im Gulathing war. Auch

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Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 2, S. 1(6 f.). Viele – wohl unbegründete – Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Erzählung Aris äußert Sigurjur Líndal, Sendiför Úlfljóts, in: Skírnir 143(1969), S. 5(7 ff.), der die Erzählung eher als eine Art Gründungsmythos ansehen will. Vgl. die Hauksbók der Landnámabók, in: ÍF I, S. 29(313). Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 11; Einar Arnórsson, Úlfljótur, in: Skírnir CIII (1929), S. 151(163 ff.). Vgl. zum Inhalt der Úlfljótsgesetze Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 17, der auf einige wenige Bestimmungen zum alten Glauben verweist, die in den verschiedenen Versionen der Landnámabók benannt werden.

Die Gesetze Úlfljóts und die Errichtung des Allthings um 930

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Snorri Sturluson schreibt, dass bereits König Hákon Ajalsteinsfóstri die Gulathingsgesetze geändert hat: Hákon konungr var allra manna glajastr ok málsnjallastr og lítillátastr. Hann var majr stórvitr og lagji mikinn hug á lagasetning. Hann setti Gulapingslög mej ráji Porleifs spaka, ok hann setti Frostpingslög mej ráji Sigurjar jarls ok annarra Prœnda, peira er vitrastir váru. En Heijsævislög hafji sett Hálfdan svarti, sem fyrr er ritat.15

König Hákon [Ajalsteinsfóstri, reg. 948–961] war von allen Leuten der Fröhlichste, Redegewandteste und Bescheidenste. Er war ein sehr verständiger Mann und legte großen Wert auf Gesetzgebung. Er erließ die Gulathingsgesetze nach dem Rat von Porleifur dem Weisen und er erließ die Gesetze des Frostothings nach dem Rat Jarl Sigurjurs und anderer Leute aus dem Tröndelag, derer, die am verständigsten waren. Aber die Gesetze des Eijsivaping hatte Hálfdan der Schwarze erlassen, wie zuvor geschrieben wurde.

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Vermutlich wurden die Gesetze des Gulathings auch im Laufe des 11. Jahrhunderts, in dessen Verlauf auch deren erste Niederschrift stattgefunden haben dürfte, noch mehrfach geändert.16 Hieraus folgt, dass zu Aris Zeit die Gulathingsgesetze vermutlich nicht mehr in der Form gegolten haben, in der sie als Vorlage für die ersten isländischen Gesetze von 930 gedient hatten.17 15

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Vgl. Snorri Sturluson, Hákonar saga gója, in: ÍF XXVI, Kap. 10, S. 150(163); vgl. auch Snorri Sturluson, Hálfdanar saga svarta, in: ÍF XXVI, Kap. 7, S. 84(91): Hálfdan konungr var viskumajur mikill ok sannenda ok jafnajar ok setti lög og gætti sjálfr ok pry´sti öllum til aj gæta, ok at eigi mætti ofsi steypa lögunum, gerji hann sjálfr saktal, ok skipaji hann bótum hverjum eptir sínum burj ok metorjum. („König Hálfdan war ein Mann der Weisheit, Wahrheit und des Ausgleichs, und er erließ Gesetze und hielt sie selbst ein und drängte andere, sie einzuhalten und dass man sie nicht mit Gewalt über den Haufen werfen dürfe; er stellte selbst eine Bußtabelle auf, und er setzte für Jeden Bußen je nach seiner Geburt und seinem Ruf fest.“) Vgl., auch zu den schwierigen Datierungsfragen, Trygve Knudsen, Gulatingsloven, in: KLNM 5, Sp. 559 ff. und Konrad Maurer, die Entstehungszeit der älteren Gulathingslög, in: Abhandlungen der k. bayer. Akademie der Wissenschaften I. Cl., XII. Band III. Abth. (1872), S. 99–170(insbesondere S. 138 ff., S. 169). Vgl. auch v. Amira/Eckhardt, Germanisches Recht I, 4. Aufl. (1960), S. 112 f. Andreas Heusler macht nicht hinreichend deutlich, dass die Gesetze auch auf der norwegischen Seite nicht als fest stehend angesehen werden können, wenn er (Einleitung in: Graugans, S. IX(XXIV)) schreibt, „Glich das isländische Landrecht von 930 (§ 2) seinem norwegischen Vorbild: sehr viel ist davon nicht übriggeblieben.“

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Auch die Fassung der Gulathingsgesetze, wie sie zu Aris Zeit existierte, dürfte uns nicht vollständig überliefert sein, wie aus dem Umstand deutlich wird, dass die Gesetze des Gulathing unter König Magnús Erlingsson nach der Mitte des zwölften Jahrhunderts erneut reformiert wurden.18 Die so entstandene Fassung dürfte im Codex Rantzovianus und den drei erhaltenen älteren Fragmenten überliefert sein, wobei zu beachten ist, dass in einigen Textpassagen verschiedene Versionen und damit wohl auch Altersstufen in derselben Handschrift nebeneinander tradiert sind.19 In Abgrenzung zu den von König Magnús Lagabætir 1267 für das Gebiet des Gulathing erlassenen Gesetzen20 werden die vorgenannten Gesetze als die älteren Gulathingsgesetze bezeichnet und zwar grundsätzlich ungeachtet dessen, welcher Entwicklungsstufe sie angehören. Immerhin ist festzuhalten, dass es zwischen der Grágás und den älteren Gulathingsgesetzen mehr Übereinstimmungen als mit anderen Gesetzen aus den nordischen Ländern gibt, auch wenn es absolut gesehen sehr wenige sind.21 Diese wenigen Übereinstimmungen sind vermutlich schon aufgrund der Fahrt Úlfljóts und nicht erst durch späteren Austausch bewirkt worden, da es für einen späteren Austausch keine Belege gibt.

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Vermutlich in den politisch ruhigeren 10 Jahren nach dem Reichstreffen von 1164, vgl. Trygve Knudsen, Gulatingsloven, in: KLNM 5, Sp. 559(562). Die ältesten Handschriften der überlieferten Gesetze für das Gulathing sind die Fragmente AM 315e fol., AM 315f fol. und NRA 1B. Unter ihnen gilt AM 315f fol. als das älteste. Es wird auf ca. 1200 datiert, während die beiden anderen auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert werden, vgl. Magnus Rindal, Den eldre Gulatingslova, S. 13, 15, 21, und Magnus Rindal, Handskriftene og forholdet mellom dei, in: Hødnebø/Rindal (Hrsg.), Den eldre Gulatingsloven, S. 24, 26, 31. Die älteste vollständige Handschrift der Gulathingslög, der Codex Rantzovianus (DonVar 137 4°), stammt in etwa von 1250, vgl. Knut Helle, Gulatinget og Gulatingslova, S. 11. Siehe auch Konrad Maurer, Gulapíngslög, in: Gruber/Ersch (Hrsg.), Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste I 97, S. 2 ff. Vgl. Karl v. Amira/Karl August Eckhardt, Germanisches Recht I, 4. Aufl. (1960), S. 114. Zum Beispiel ist der in den älteren Gulathingsgesetzen überlieferte Beginn der Tryggjamál, Kap. 320, Norges Gamle Love I, S. 110, sehr ähnlich dem Text der Grágás, vgl. Grágás Ia, S. 205.26–206.03 und Grágás II, S. 405.21–24 und 406.16–20; Vgl. auch Trygve Knudsen, Gulatingsloven, in: KLNM 5, Sp. 559(564). Dagegen betont Ólafur Lárusson, Grágás, in: Lög og saga, S. 119(120 und 132), dass man kaum Parallelen zwischen den überlieferten norwegischen und den isländischen Gesetzen findet und daher zweifelhaft sein kann, ob in den überlieferten Gesetzen aus Island überhaupt noch norwegischer Einfluss vorhanden ist.

Die Gesetze Úlfljóts und die Errichtung des Allthings um 930

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1.2.2. Die Gründung des Allthings um 930 Zur Vorgeschichte der Gründung des Allthings schreibt Ari: […] Ulfljótr vas austur í Lóni. En svá es sagt, at Grímr geitskor væri fóstbrójir hans, sá es kannaji Ísland allt aj ráji hans, ájr alpingi væri átt. En hónum fekk hverr majr penning til á landi hér, en hann gaf fé pat síjan til hofa.

III. Kapítuli Alpingi vas sett at ráji Ulfljóts ok allra landsmanna par es nú es, […]22

… Úlfljótr war im Osten bei Lón. Es wird gesagt, dass Grímur geitskór sein Ziehbruder [bzw. Blutsbruder] gewesen sei, derjenige, der auf sein Geheiß ganz Island erforschte, bevor das Allthing [erstmals] abgehalten wurde. Ihm gab jeder hierzulande Münzgeld und er gab dieses Geld später an die Tempel. III. Kapitel Das Allthing wurde auf Rat von Úlfljótr und allen Leuten des Landes dort errichtet, wo es jetzt ist, […]

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Mit dem Erforschen Islands ist vermutlich keine topographische Erforschung des Landes gemeint, sondern Grímr geitskór machte wohl eher die Leute mit dem Plan der Gründung eines Things für ganz Island bekannt und sammelte hierfür Unterstützung.23 Das Allthing fand dann ab seiner Gründung – wahrscheinlich im Jahre 930 – jedes Jahr Ende Juni bis Anfang Juli zwei Wochen lang in Pingvellir am nördlichen Ufer des größten isländischen Sees, des Pingvallavatn, statt.24 Mit der Errichtung des Allthings wurde ein Gesetzessprecher (lqgsqgumajr) auf drei Jahre gewählt. Dieses Amt war während der gesamten Freistaatszeit das einzige Amt des Staates. Der Gesetzessprecher leitete das Allthing und sagte öffentlich die Gesetze auf. In der Grágás ist bestimmt, dass er jeden Sommer die Bestimmungen über das Allthing und das Gerichtsverfahren aufzusagen hatte und die übrigen Gesetze so, dass er sie nach drei Sommern vollständig vorgetragen hatte.25

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Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 2 f., S. 1(7 f.). Vgl. Einar Arnórsson, Úlfljótur, in: Skírnir CIII (1929), S. 151(166). Vgl. die gesetzlichen Bestimmungen über das Allthing in: Pingskapa páttr (Abschnitt der Gerichtsverfassung), Grágás Ia, S. 39–141, deutsch von Andreas Heusler in: Graugans, S. 35–131 „(II) Der Abschnitt von der Dingordnung“. Vgl. Grágás Ia, Kap. 116, S. 209.09–12; siehe auch Magnús Már Lárusson, Lögsögumajur, in: KLNM XI, Sp. 137.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

1.3. Einführung eines Schalttages um 955 Ari berichtet, dass nach isländischer Zeitrechnung das Jahr anfangs 364 Tage hatte und die Leute am Lauf der Sonne bemerkten, dass der Sommer immer eher im Frühling begann. Daraufhin beschloss man ein Gesetz, dass man jeden siebten Sommer um eine Woche verlängern sollte.26 Dies dürfte um das Jahr 955 herum geschehen sein.27 Um 1120, zu Aris Zeit, war man aber schon zu einem modifizierten Schaltjahressystem übergegangen.28

1.4. Die Einteilung des Landes in Viertel und die Errichtung der Gemeindeverbände um 965 Um das Jahr 965 herum fanden zwei bedeutsame Ergänzungen des Staatsaufbaus statt. Zum einen wurde das Land in Viertel aufgeteilt, zum anderen wurden Gemeindeverbände gegründet.29 Der Auslöser der Einteilung des Landes in Viertel ist der Überlieferung zufolge30 die Auseinandersetzung, die während der Gesetzessprecherzeit von Pórarinn Ragabrójir (950–969) zwischen Pórjur gellir und Tungu-Oddur 26 27 28

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Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 4, S. 1(9–11). Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 63. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 4, S. 1(11 Fn. 8); Dirk Huth, „Misseristal“, in: RGA 20, S. 73(74 ff.). Ausführlich siehe: Vilhjálmur Finsen, Oprindelige Ordning, insbesondere S. 31 ff. und S. 171 ff. und Konrad Maurer, Die Quellenzeugnisse über das erste Landrecht und über die Bezirksverfassung des isländischen Freistaates, in: Abhandlungen der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften, I. Cl. XII. Band (1869), I. Abth., S. 1–101. Für die älteste Zeit gibt es neben der Íslendingabók von Ari fróji Porgilsson und der Landnámabók meist nur die Isländersagas als Quellen. Die Zuverlässigkeit der Isländersagas als historische Quellen ist seit langem ein kontroverser Diskussionspunkt. Während die Vertreter der Freiprosalehre davon ausgingen, dass die Geschehnisse der Sagazeit von circa 930 bis 1030 bei der Niederschrift der Sagas im 13. und 14. Jahrhundert zuverlässig wiedergegeben wurden, betonten die Vertreter der Buchprosalehre die Fiktionalität der Sagas. Siehe hierzu Carol J. Clover, Icelandic Family Sagas (Íslendingasögur), in: Carol J. Clover/John Lindow (Hrsg.),Old NorseIcelandic Literature, S. 239(241 ff., 253 ff.); Jónas Kristjánsson, Eddas and Sagas, 2. Aufl., S. 203 ff.(bes. 204–206); Stefanie Würth, Isländersagas, in: RGA 15, S. 511 ff.(513: § 5 Historizität; 515: § 7 Forschungsgeschichte). An der Zuverlässigkeit der Berichte in den Sagas über die im Folgenden geschilderten Gesetzesänderungen bestehen insgesamt wenig Zweifel, da keine Anzeichen erkennbar sind, dass die Berichte Zusätze oder Veränderungen in späterer Zeit erfahren haben. Daher soll nur in Ausnahmefällen die Frage der Zuverlässigkeit einer Überlieferung behandelt werden.

Die Einteilung des Landes in Viertel und die Errichtung der Gemeindeverbände 23

stattfand. Hœnsa Pórir und seine Genossen hatten zuvor Porkell BlundKetilsson in seinem Hofgebäude verbrannt.31 Pórjr gellir nahm sich darauf der Verfolgung dieser Tat und Oddr der Verteidigung an. Ari schreibt, dass es damals Gesetz war, dass man Totschlagssachen auf dem Thing verfolgen musste, welches dem Tatort am nächsten war. Die Brandstifter wurden daher auf dem Thing gerichtlich verfolgt, welches auf Thingnes im Borgarfjörjur stattfand. Aber dort konnte Tungu-Oddur leicht seine Gefolgschaft für sich einsetzen, so dass es zu einem Kampf kam und das Thing nicht nach den gesetzlichen Vorschriften abgehalten werden konnte. Darauf wurde die Sache auf dem Allthing verhandelt und auch dort kam es zum Kampf, aber Oddur unterlag, so dass Hœnsna Pórir und andere Teilnehmer der Brandstiftung schuldig gesprochen und später erschlagen wurden. Bei der Verfolgung der Tat auf dem Allthing hielt Pórjr eine Rede am Gesetzesfelsen, in der er den Leuten vor Augen führte, wie hinderlich es war, auf ein unbekanntes Thing ziehen zu müssen, um eine Sache zu verfolgen. Der Überlieferung zufolge wurden auf diese Rede hin die Gesetze umfassend geändert: Pá vas landinu skipt í fjórjunga, svá at prjú urju ping í hverjum fjórjungi, ok skyldu pingunautar eiga hvar saksóknir saman, nema í Norjlendingafjórjungi váru fjogur, af pví at peir urju eigi á annat sáttir. Peir es fyr norjan váru Eyjafjörj, vildu eigi pangat soekja pingit, ok eigi í Skagafjörj peir es par váru fyr vestan. En pó skyldi jofn dómnefna og lögréttuskipun ´y r peirra fjórjungi sem ór einum hverjum öjrum.

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Dann wurde das Land in Viertel aufgeteilt, so dass drei Thinge in jedem Landesviertel waren, und die Thinggenossen sollten ihre Sachen auf einem gemeinsamen Thing verfolgen; nur im Nordlandleuteviertel waren vier, weil sie sich nicht auf etwas Anderes einigen konnnten. Diejenigen, die nördlich des Eyjafjörjur wohnten, wollten nicht dorthin auf das Thing fahren und diejenigen nicht in den Skagafjörjur, die westlich von dort wohnten. Aber dennoch sollten die Gerichtsbesetzung und die Bildung der gesetzgebenden Versammlung aus ihrem Viertel gleich sein wie aus einem jeden anderen.

Vgl. die Schilderung der Begebenheiten in der Hœnsa Póris saga, in: ÍF III, S. 1–47, dt. von Andreas Heusler, Die Geschichte vom Hühnerthorir, Thule 8, S. 25–58; vgl. auch Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 68 f. An der Zuverlässigkeit des Berichts in der Hœnsa Pórís saga können keine ernsthaften Zweifel bestehen, da die Begebenheit in der Íslendingabók gleichlautend dargestellt wird.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

En síjan váru sett fjórjungarping.32

Und darauf wurden die Viertelsthinge eingerichtet.

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Die bedeutendste Folge dieser Neuregelung war die Erweiterung der möglichen Gerichtsstände des Beklagten. Danach konnte eine Sache immer auf dem Allthing verfolgt werden, weil alle Isländer zu diesem Thingbezirk gehörten. Auf dem Viertelsthing konnte eine Sache nur dann verfolgt werden, wenn die Parteien aus demselben Landesviertel waren, und auf einem Frühjahrsthing nur in dem Fall, in dem beide Parteien diesem Thing angehörten. Somit bestand nun häufig Wahlfreiheit, auf welcher Thingebene eine Sache verfolgt werden sollte. Lediglich sehr geringe Vergehen waren stets auf dem Frühjahrsthing zu verfolgen.33 Die von Ari genannten Viertelsthinge wurden offenbar nur in unregelmäßigen Abständen abgehalten und scheinen schon lange vor dem Ende der Freistaatszeit durch die Viertelsgerichte auf dem Allthing abgelöst worden zu sein.34 In den Gesetzen werden sie nur an einer Stelle in der Stajarhólsbók erwähnt.35

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Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 5, S. 1(12). Vgl. Grágás Ia, Kap. 57, S. 99.02–05: Of sacir pær allar er sampingis menn eigo saman pa eigo peir cost at vina hvarz sem peir vilia at hafa sacir til alpingis eja til varpings nema par er utlegjir fara einar saman. en pær scolo fara til varpings. („Bezüglich der Angelegenheiten, die zwischen Leuten desselben Things bestehen, da haben sie die Möglichkeit, sie dort zu verhandeln, wo sie wollen, die Sachen zum Allthing zu bringen oder zum Frühjahrsthing, es sei denn, es geht allein um Bußgeldangelegenheiten, denn diese sollen zum Frühjahrsthing gelangen.“) Anmerkung zur Wiedergabe des Textes aus den Ausgaben Grágás Ia, Ib, II, und III: Die dort verwendete Kursivsetzung einzelner Buchstaben, die aufgelöste Abbreviaturen kenntlich macht, wird hier nicht wiedergegeben. In der Sagaliteratur wird ein Viertelsthing nur einmal für das Westfjordeviertel in der Eyrbyggja saga erwähnt, vgl. Eyrbyggja saga in: ÍF IV, Kap. 10, S. 1(18). Ólafur Lárusson, Nokkrar athugasemdir um fjórjungapingin, in: Lög og Saga, S. 100(106 f.), verweist auf eine Aufzählung der Kirchen in Island, die er auf den Beginn des 13. Jahrhunderts datiert, in welcher auch die Stätten der Viertelsthinge genannt werden. Auch in dieser Aufzählung wird berichtet, dass die Viertelsthinge schon nicht mehr abgehalten wurden. Vgl. Grágás II, 356.04–07: Sakar pær allar sem verja mej mönnom er rétt aj søkia a alpingi. Enda er rétt at søkia a herajs pingvm. hvart sem pat er a fiorjunga pingum pa er pav ero havfj. oc fiorjungs menn eiga par saman sócnir. („Alle Sachen, die zwischen Leuten vorfallen, können auf dem Allthing verfolgt werden. Daneben ist es zulässig, sie auf den Distriktsthingversammlungen zu verfolgen, gleich, ob das auf den Viertelsthingversammlungen ist, dann, wenn diese abgehalten werden, und wenn die Leute desselben Landesviertels dort ihren gemeinsamen Gerichtsstand haben.“)

Die Einteilung des Landes in Viertel und die Errichtung der Gemeindeverbände 25

Die erwähnte Einrichtung des vierten Frühjahrsthings im nördlichen Viertel wurde deswegen notwendig, weil die Leute aus der heutigen Norjurpingeyjarsy´sla nicht mehr an ihrem bisherigen Frühjahrsthing, das nunmehr im östlichen Landesviertel lag, teilnehmen konnten, da das Frühjahrsthing grundsätzlich im selben Landesviertel liegen musste wie der Hauptwohnsitz.36 Die Leute aus der heutigen Norjurpingeyjarsy´sla hätten daher das schwerer zu erreichende Vajlaping besuchen müssen, wenn sie kein eigenes Thing erhalten hätten. Und auch die Leute aus der Gegend des Húnavatn wollten nicht ein Thing im Skagafjörjur besuchen müssen.37 Diese lokalen Thingversammlungen fanden als Gerichtsversammlung jedes Frühjahr und meistens auch im Herbst statt. Im Herbst wurden dort aber anders als im Frühjahr keine Gerichtsangelegenheiten erledigt.38 Die Hinzunahme dieses weiteren Frühjahrsthings bedingte auch die Hinzunahme weiterer drei Godentümer, da jedes Frühjahrsthing von drei Goden abzuhalten war. Bis dahin hatte es 36 Goden gegeben, drei für jede der zwölf Frühjahrsthingversammlungen.39 Infolge der Einführung dieser drei neuen Godentümer wurden auch für die anderen Viertel bzw. Frühjahrsthingversammlungen weitere Leute in die gesetzgebende Versammlung, die lqgrétta, aufgenommen, um dem nördlichen Landesviertel kein Übergewicht zu verleihen, wie dem oben zitierten Satz Aris zu entnehmen ist.40 Im Laufe der Zeit entstanden hieraus neue Godentümer, so dass deren Gesamtzahl auf 48 stieg.41 Teilweise wird in der Grágás nach neuen und al36

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Vgl. Grágás Ia, Kap. 83, S. 140.25–141.06: Ef majr fer bvi sino or fiorjungi oc i anan. oc segia lög man pa abrott nema ihruta firji pótt hann fare par vm fiorj pveran. oc ma hann hafa pá ena sömo pingfesti. pviat eino er rett at hafa pingfesti i avjrom fiorjungi helldr en majr by´r. Ef Goja er pat lofaj peim at logbergi at taca pripiungs man vtan fiorjungs. („Wenn jemand seine Hofwirtschaft aus einem Viertel weg und in ein anderes hin verlegt, so bestimmt das Gesetz die Aufhebung seines [bisherigen] Gerichtsstandes, bis auf im Hrútafjörjur, auch wenn er dort quer über den Fjord zieht; dort darf er dieselbe Thingverbandszugehörigkeit haben, denn es ist (ansonsten) nur dann gestattet, die Thingverbandszugehörigkeit in einem anderen Viertel zu haben als dem, in dem man wohnt, wenn es diesem Goden am Gesetzesfelsen erlaubt wurde, einen Thingverbandszuhörigen von außerhalb des Viertels anzunnehmen.“) Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 44. Vgl. Jakob Benediktsson, Landnám og upphaf allsherjarríkis, in: Saga Íslands I, S. 153(184). Vgl. Else Ebel, Gode, Godentum, in: RGA 12, S. 260. Zur Vermehrung der Godentümer und der von den sonstigen historischen Daten abweichenden Überlieferung in der Brennu-Njáls saga siehe: Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn I, S. 21–31. Allgemein zu dieser Saga siehe Sverrir Tómasson, Njáls saga, in: RGA 21, S. 231 ff. Insofern ist die Erzählung im 97. Kapitel der Brennu-Njáls saga, wie Njáll für Höskuldur Práinsson ein Godenamt erlangt, vielleicht doch nicht so unglaubwürdig wie häufig

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ten Godentümern unterschieden.42 Damit hatten bis zum Ende der Freistaatszeit in der lqgrétta 48 Goden ihren Sitz, welche jeweils noch zwei nicht stimmberechtigte Berater aus dem Kreise ihrer Thingleute ernannten. Später saßen auch die beiden Bischöfe in der lqgrétta, so dass zusammen mit dem Gesetzessprecher 147 Leute die gesetzgebende Körperschaft bildeten. Vermutlich zur selben Zeit, zu der das Land in Viertel eingeteilt wurde, wurden die hreppar genannten Gemeindeverbände eingerichtet.43 Sie gibt es noch heute. Sie sind damit die ältesten Verwaltungseinheiten Islands. Damals waren sie allerdings Personalkörperschaften, die zwar ein zusammenhängendes Gebiet umfassten, aber keine reinen Gebietskörperschaften wie heute darstellten.44 Die Aufgaben eines hreppr lagen nach den Regelungen in der Grágás vor allem in der Zuweisung von Bedürftigen zur Unterhaltung und auch zur Pflege, meistens an ein Gemeindemitglied. Unter gewissen Voraussetzungen konnten Bedürftige auch bei Leuten außerhalb des eigenen Gemeindeverbandes untergebracht werden.45

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angemerkt wurde, vgl. Brennu Njáls saga, ÍF XII, S. 240–248. Siehe auch Konrad Maurer, Island von seiner Entdeckung bis zum Untergange des Freistaats (ca. 800–1264), S. 57–67. Es bestehen aber dennoch Zeifel an der Zuverlässigket der Überlieferung in der Brennu Njáls saga, weil ihr zufolge die neuen Godentümer noch nach dem Jahr 1000 entstanden sein müssten, also mehrere Jahrzehnte nach der Teilung des Landes in Viertel. Es wäre eher zu vermuten gewesen, dass die neuen Godentümer in kürzerem zeitlichem Abstand zur Teilung des Landes in Viertel entstanden sind. Vgl. Grágás Ia, Kap. 20, S. 38.05–06: en pav erv fvll goporj oc forn. er ping voro .iij. i fiorpvngi hverivm. en gopar .iij. i pingi hveriv pa voro ping öslitin. („Und diese sind vollgültige und alte Godentümer, als die Thinge drei in jedem Viertel waren, und drei Goden in jedem Thing, als die Thinge ungeteilt waren“); Grágás Ia, Kap. 117, S. 211.10–17: Peir menn .xii. eigo logrétto seto or norjlendinga fiorjungi er fara mej gojorj pav .xii. er par voro pa höfj er peir átto ping fjogor. en gojar iii. i hverio pingi. En i öllum. fiorpungum oprum. pa eigo menn peir ix. lögrétto seto or fiorjunge hueriom er fara mej gojorj full og forn pav er pa voro priú i varpingi hverio. er ping voro iii. ifiorjungi hveriom. peirra priggja. („Diese zwölf Leute aus dem Nordlandleuteviertel haben Sitz in der lqgrétta, die die zwölf Godentümer haben, die man dort aufgenommen hat, als sie vier Thinge hatten und drei Goden in jedem Thing. Aber in allen anderen Vierteln, da haben aus jedem Viertel die neun Leute Sitz in der lqgrétta, die die vollgültigen und alten Godentümer haben, als damals drei [Goden] in jedem Frühjahrsthing waren, als in jedem dieser drei Viertel die Thinge 3 waren.“) Die genaue Entstehungszeit ist ungewiss und wird für die Mitte des 10. bis zum Anfang des 11. Jahrhunderts angenommen, vgl. Jón Vijar Sigurjsson, Nachbarschaft, § 3 Historisches, Beispielfall Island, in: RGA 20, S. 482. Vgl. Jakob Benediktsson, Landnám og upphaf allsherjarríkis, in: Saga Íslands I, S. 153(185 f.). Die Armenfürsorge ist umfangreich im Abschnitt Ómagabálkur (‚Abschnitt der Bedürftigen‘) geregelt, vgl. Grágás II, Kap. 81–117, S. 103–151, Grágás Ib, Kap. 128–143,

Einzelne Gesetzesnovellen 975–999

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1.5. Einzelne Gesetzesnovellen 975–999 Die Annalen berichten, dass der Winter 974/975 sehr hart gewesen sei und daher viele Leute zum Stehlen losgezogen und deswegen des Waldgangs schuldig geworden seien. Da sei es auf Vorschlag von Eyjólfur Valgerjarson, dem Vater von Gujmundr dem Reichen in Möjruvellir, in die Gesetze aufgenommen worden, dass jeder Waldgangsmann sich aus dem Waldgang befreit, der drei schuldige Waldgangsleute erschlägt.46 Diese Bestimmungen haben sich in den überlieferten Gesetzen erhalten.47

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S. 3–28. Siehe im einzelnen Andreas Ludwig Jacob Michelsen, Altnordisches Armenrecht, in: Eranien zum Deutschen Recht, 2. Lieferung (1826), S. 117–183, und 3. Lieferung (1828), S. 68–99; Ólafur Lárusson, Félagsmálalöggjöf Íslendinga á 12. öld, in: Tímarit lögfræjinga, XI. árg. (1961), S. 105–111, und neuerdings Wolfgang Gerhold, Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island; siehe hierzu auch die Rezensionen von Dieter Strauch, in: ZRG(GA) 120 (2003), S. 585 ff., und von Hans Henning Hoff, in: Das Mittelalter 2005, S. 187 f. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 64. Vgl. Grágás II, Kap. 382, S. 399.16–400.09: Scógar menn allir eigo at vega ajra scogar menn til sykno ser ef peir vilia nema pvi at eins ef peir urjo sekir um piof sakir. eja víg sakir. eja pær sakir nokorar er eigi a at sættaz a fyrir lof fram. nema einka leyfis se til bejit. Ef scogar majr hefir vegit anan scogar man til sykno ser. pa scal hann ganga til huss par er honom pikcir [sic] ser ohætt vera oc segia til log fostum manne at hann hefir scogar man vegit oc syna ræ. Pa scal hann vera scogar majr o öll oc feriandi. oc eigi ut kvæmt. En ef majr vegr .ii. scogar menn pa er hann fiör bavgs majr. En ef hann vegr hin .iii.a pa er hann alsykn. oc sva poat hann vegi ein pan scogar man er in meire giolld ero á. oc scal hann po alsykn. Vega mega fleiri menn oc scogar manne til sykno en hann sialfr. oc scal pa hver peirra lysa fyrir v. bvom peim er næstir ero hreum. at peir vilia peim manne til sykno hafa vegit og nefna hann oc hafa pat fyrir scogar manz giolld. („Alle Waldgangsleute sollen andere Waldgangsleute erschlagen, um selber frei zu werden, wenn sie es wollen, es sei denn einzig, dass sie schuldig geworden sind wegen Diebstahls oder der anderen Sachen, bezüglich derer man sich nicht ohne vorherige Erlaubnis vergleichen darf, wenn nicht um eine Einzelerlaubnis gebeten wird. Wenn ein Waldgangsmann einen anderen Waldgangsmann zu seiner Freiwerdung erschlagen hat, dann soll er zu dem Haus gehen, wo es ihm für sich ungefährlich zu sein scheint, und es einem wohnsitzfesten Mann sagen, dass er einen Waldgangsmann erschlagen habe, und ihm die Leiche zeigen. Dann soll er ein Waldgangsmann sein, beköstigungsunfähig, aber fährbar, und er darf nicht herauskommen [nach Island, nachdem er ins Ausland übergesetzt wurde]. Wenn er zwei Waldgangsmänner erschlägt, ist er Fjörbaugsgarjsmann [in dreijähriger Landesverweisung befindlich]. Wenn er den dritten erschlägt, dann ist er ganz frei; und wenn er einzig nur einen solchen Waldgangsmann erschlägt, auf den das größere Geld steht, so ist er doch ganz frei. Es dürfen auch weitere Leute zur Freiwerdung eines Waldgangsmannes als er selber (einen Waldgangsmann) erschlagen und soll es dann jeder von ihnen vor den 5 Anwohnern bekannt machen, welche der Leiche am nächsten wohnen, dass sie demjenigen zur Freiheit erschlagen haben wollen, und sollen ihn benennen und dies an

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Im Jahr 994 wurde gesetzlich bestimmt, dass Frauen generell und Männer, die noch nicht 16 Winter alt waren, nicht mehr wie zuvor Klagepartei einer Totschlagssache sein konnten.48 Grund dieser Novelle war angeblich, dass nach der Tötung des Goden Arnkell Pórólfsson seine Erbinnen, die die Sache verfolgten – es gab keine männlichen Verwandten, welche den Totschlag zu verfolgen gehabt hätten –, mit so wenig Nachdruck die Verurteilung der Täter betrieben hatten, dass die einzige Personenstrafe fjqrbaugsgarjr (dreijährige Landesverweisung und teilweise Einziehung des Vermögens) für eine der beteiligten Personen war. Dies sah man als wenig ehrenvoll für einen so bedeutenden Häuptling wie Arnkell an.49 Auch in der Grágás sind diesbezügliche Bestimmungen überliefert.50 Im Jahre 999 wurde bestimmt, dass die Leute jeweils eine Woche eher zum Allthing kommen sollten. Das Allthing begann von da an jeweils

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Stelle des Waldgangsmannsgeldes erhalten.“); Grágás Ia, Kap. 110, S. 187.18–188.14 weicht hiervon inhaltlich in mehreren Punkten ab. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 64. Vgl. Eyrbyggja saga, ÍF IV, Kap. 38, S. 103 f. Zu dieser Saga und ihrer Zuverlässigkeit als historische Quelle, siehe Richard Matthew Perkins, Eyrbyggja saga, in: RGA 8, S. 49(56 f., § 6 E.s. as a source for history and antiquities, a. History), sowie monographisch: Klaus Böldl, Eigi einhamr, S. 37–58 (auch allgemein zu den Isländersagas). Vgl. Grágás II, Kap. 297, S. 335.01–02, Grágás Ia, Kap. 94, S. 167.17–19; (für männliche Jugendliche jünger als 16 Winter); Grágás II, Kap. 297, S. 335.23: Allz hvergi huerfr víg savk undir kono. („Niemals gelangt eine Totschlagsklage zu einer Frau.“). Hierzu hat die Konungsbók keine direkte Parallelstelle, auch wenn sich dieselbe Konsequenz aus den übrigen Regelungen ergibt. In eigenen Angelegenheiten waren Frauen aber klagebefugt, vgl. Grágás Ia, Kap. 94, S. 170.02–04: Eckia asialf oc mær tuitög eja ellre at raja fyrir söcum ef hlaupit er til peirra eja veit sör en mini hvart sem pær vilia selia eja sættaz á. taca eigi mina en lögrétt. („Eine Witwe oder eine zwanzigjährige oder ältere [unverheiratete] Frau darf selber über ihre Sachen bestimmen, wenn sie angegriffen oder ihr leichtere Wunden zugefügt werden; gleich, ob sie (die Sache jemand anderem zur Verfolgung“) abtreten oder sich darüber vergleichen will. Es darf aber nicht weniger als die gesetzliche Buße genommen werden.) Vgl. dagegen Grágás II, Kap. 336, S. 364.07–11: Eckior oc meyiar tvítögar oc ellri eigo sakar at selia ef lavpit er til peirra oc sva vm sárin mini ef pær taka fullrétti. eja bøtr oc sva at sættaz a. En ef pær taka eigi full rétti. eja hallda eigi til fullnajar. pa eiga lavgrajendr. peirra oc sva vm in meiri sár. („Witwen und zwanzigjährige oder ältere [unverheiratete] Frauen sollen die Klageberechtigung abtreten, wenn sie angegriffen werden, und auch bei den leichteren Wunden, wenn ihnen volle Buße oder Schadensersatz zusteht; ebenso die Berechtigung, sich zu vergleichen. Wenn ihnen aber keine volle Buße zusteht oder sie sich nicht um vollständige Durchsetzung bemühen, dann steht es ihren gesetzlichen Vertretern zu; ebenso bei den schwereren Wunden.“)

Die Annahme des Christentums im Jahre 999 oder 1000

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an einem Donnerstag in der 11. Woche des Sommers.51 Diese Novelle stand wahrscheinlich ursprünglich im Zusammenhang mit den Kalenderunregelmäßigkeiten, welche durch die zusätzliche Sommerwoche in jedem siebten Jahr immer noch nicht ausreichend korrigiert worden waren. Die Regelung hat sich in der Grágás erhalten und wurde damit auch nach der genauen Anpassung des Kalenders an den Gang der Sonne beibehalten.52

1.6. Die Annahme des Christentums im Jahre 999 oder 1000 Im Jahre 999 oder 1000 nahmen die Isländer das Christentum an.53 Dem ging eine große Debatte auf dem Allthing voraus, bei der eine dauerhafte Spaltung des Landes drohte. Die Anhänger des alten Glaubens und die Anhänger des Christentums „sagten sich gegenseitig aus den Gesetzen“ und kündigten sich damit die gegenseitige Gesetzesgefolgschaft auf.54 Das bedeutete, dass die beiden Gruppen nicht länger nach denselben Gesetzen leben wollten und damit die Einheit des Landes auf dem Spiel stand. Nachdem diese Gefahr eingehend erörtert worden war, einigte man sich darauf, dass der Gesetzessprecher, der zu diesem Zeitpunkt noch dem alten Glauben anhing, eine bindende Entscheidung für alle Isländer treffen sollte. Dieser Häuptling, Porgeir Ljósvetningagoji, unterbreitete nach reiflicher Überlegung den von ihm gewählten Kompromiss:

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Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 7, S. 1(15). Vgl. Grágás Ia, Kap. 23, S. 43.19–20: Gopar allir scolo koma til pings .v. dag vikv er .x. uikur erv af sumri apr sol. gangi af pinguelli. („Alle Goden sollen zum Thing kommen am 5. Tag [Donnerstag] der Woche, in der 10 Wochen vom Sommer herum sind, bevor die Sonne vom Thingplatz verschwindet.“) Aus der Fülle der Literatur zu diesem Thema seien hier nur beispielhaft genannt: Björn Magnússon Ólsen, Um kristnitökuna árij 1000 og tildrög hennar; Hjalti Hugason, Frumkristni og upphaf kirkju (Kapitel Kristnitakan á Alpingi, S. 81–121); Otto Gschwantler, Bekehrung und Bekehrungsgeschichte, IV. Der Norden, in: RGA 2, S. 193(§ 22 Island, S. 198ff.); Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 160ff.; Sigurjur Líndal, Upphaf kristni og kirkju, in: Saga Íslands I, S. 225(239ff.); Konrad Maurer, Die Bekehrung des Norwegischen Stammes zum Christentume I–II, insbes. Band I S. 411–443. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 7, S. 1(16).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

„En nú pykkir mér pat ráj“, kvaj hann, „at vér látim og eigi pá rája, es mest vilja í gegn gangask, ok mijlum svá mál á mijli peira, at hvárirtveggja hafi nakkvat síns máls, ok höfum allir ein lög og einn sij. Pat mon verja satt, es vér slítum sundur lögin, at vér monum slíta ok frijinn.“

En hann lauk svá máli sínu, at hvárirtveggju játtu pví, at allir skyldi ein lög hafa, pau sem hann réji upp at segja. Pá vas pat mælt í lögum, at allir menn skyldi kristnir vesa og skírn taka, peir er es ájr váru óskírjir á landi hér; en of barnaútburj skyldu standa en fornu lög og of hrossakjötsát. Skyldu menn blóta á laun, ef vildu, en varja fjörbaugsgarjur, ef váttum of kvæmi vij. En síjarr fám vetrum vas sú heijni af numin sem önnur.55

„Es erscheint mir ratsam zu sein,“ sprach er, „dass wir nicht diejenigen bestimmen lassen, die am stärksten gegeneinander angehen wollen, sondern wir die Angelegenheit zwischen ihnen so mitteln, dass jede Seite etwas von ihrem Standpunkt erhält und wir alle einheitliche Gesetze und einen einheitlichen Glauben haben. Das wird eintreten, wenn wir die Gesetze auseinander reißen, dass wir dann auch den Frieden zerreißen werden.“ Und er schloss seine Rede so, wobei beide Seiten zustimmten, dass alle nach einheitlichem Gesetz leben sollten, die er bestimmen würde aufzusagen. Dann wurde in den Gesetzen bestimmt, dass alle hier christlich sein und die Taufe empfangen sollten, die bisher hier zu Lande ungetauft waren, und bezüglich der Kindesaussetzung und des Essens von Pferdefleisch sollten die alten Gesetze gelten. Man sollte heimlich opfern, wenn man es wollte, aber es sollte dreijährige Landesverweisung darauf stehen, wenn es Zeugen dafür gäbe. Aber einige Winter später wurde dieses Heidentum abgeschafft wie anderes auch.

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Hierauf gab es zunächst einen Aufruhr, weil sich die Anhänger des alten Glaubens verraten glaubten, da sie darauf gehofft hatten, dass der Gesetzessprecher zugunsten des alten Glaubens entscheiden würde. Juristisch sind bei den Sonderrechten für den alten Glauben die Beweisanforderungen hervorzuheben. Es stellte zu Gunsten der Anhänger des

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Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, Kap. 7, S. 1(17).

Die Errichtung des Fünften Gerichts ( fimmtardómr) ab 1004

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alten Glaubens eine ganz erhebliche Beweiserschwernis dar, dass Zeugen beigebracht werden mussten, um jemanden wegen Opferns erfolgreich gerichtlich verfolgen zu können. Der ansonsten in allen Verfahren zugelassene Jurybeweis durch eine Anwohnerjury war hier nicht ausreichend.56 Ausgesprochen bemerkenswert an dieser Schilderung ist außerdem, dass man nicht einfach die faktische Ausbreitung des christlichen Glaubens akzeptiert hatte, sondern auf dem Allthing eine geordnete Willensbildung unter Einbeziehung aller Interessensgruppen in Gang setzte, deren Ergebnis dann für alle Leute des Landes in Form eines Gesetzes verbindlich festgelegt wurde. Ob es schon unter den Landnehmern der ersten Generation Anhänger des christlichen Glaubens gab,57 ist umstritten, aber nicht völlig ausgeschlossen. Möglicherweise sind diesbezügliche Quellenzeugnisse aus dem 13. Jahrhundert gelehrte Konstruktionen, da andere Quellen dieselben Leute als Heiden bezeichnen.58

1.7. Die Errichtung des Fünften Gerichts ( fimmtardómr) ab 1004 Dem Gesetzessprecher Skafti Póroddsson wird die Initiative zur Einführung des Fünften Gerichts zugeschrieben.59 Er wurde wohl 1004 Gesetzessprecher. Ebenso wird das Gesetz, dass niemand außer dem Totschläger selbst einen Totschlag bekannt machen sollte, seinem Vorschlag zugeschrieben. Es wird aber zugleich berichtet, dass zuvor in dieser Frage die gleiche Gesetzeslage wie in Norwegen geherrscht habe.60 Das Fünfte Gericht urteilte in erster Instanz nur in besonders schwerwiegenden Fällen wie Meineid, Falschaussage, der Bestechung von Richtern und der Begünstigung von zum Waldgang Verurteilten.61 Vor allem wurde es in Fällen tätig, in denen das Urteil des Viertelsgerichts angefochten wurde. Dabei wurde der Fall vor dem Fünften Gericht vollkommen neu verhandelt, so dass es sich nicht um eine Berufung gegen das ursprüngliche Urteil handelte.62 56 57 58

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Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 164. So Sigurjur Líndal, Upphaf kristni og kirkju, in: Saga Íslands I, S. 225(232 f.). Vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Island, § 1: Historisches, in: RGA 15, S. 524(526); Sveinbjörn Rafnsson, Landnámabók, in: RGA 17, S. 611(615). Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 8, S. 1(19). Wie Fn. zuvor. Vgl. im einzelnen Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 95 f. Vgl. zum Verfahren Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 96 ff.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

1.8. Das Recht der Isländer in Norwegen, um 1022 Um das Jahr 1022 herum schlossen die Isländer mit Olaf dem Heiligen (König von Norwegen 1014–1030) einen Vertrag über die Rechte der Isländer in Norwegen und die Rechte der Norweger und des norwegischen Königs in Island.63 Dieser Vertrag wurde in Island vermutlich von der gesetzgebenden Körperschaft, der lqgrétta, ratifiziert und hatte daher in Island wohl Gesetzeskraft.64 Er ist neben dem Vertrag von 1262–1264 wahrscheinlich der einzige, der während der Freistaatszeit von den Isländern mit einem ausländischen Staatsoberhaupt abgeschlossen wurde. Niedergeschrieben wurde der Vertrag vermutlich erst um 1083, als der isländische Bischof Gizurr Ísleifsson und acht weitere prominente Isländer, zwei aus jedem Landesviertel, in Norwegen waren und zur Bekräftigung des Vertrages ihren Eid darauf leisteten.65

1.9. Verbot von Zauberei und Verwünschungen um 1032 Nach der Grettis saga soll im Jahr nach dem Tode von Grettir Ásmundarson 1031 auf dem Allthing das Gesetz angenommen worden sein, dass alle Schadensstifter ( forneskjumenn, pl.) zu Waldgang verurteilt werden sollten.66 Diese in der Saga sehr allgemeine Formulierung kann sich auf den Tatbestand beziehen, der fordæjuskapr verbietet, also jemandem mit Zauberei oder durch Verwünschungen Schaden, Krankheit oder Tod zu bringen.67 Auf derartige Taten stand Waldgang, auf andere schadensstiftende Handlungen dreijährige Landesverweisung ( fjqrbaugsgarjr).

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Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 134–142. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 66. Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 142. Text des Vertrages siehe: Grágás Ib, Kap. 248, S. 195.09–197.14 und Grágás III, S. 463–466 (Skinnastajabók, A.M. 136 4°). Vgl. Grettis saga Ásmundarsonar, in: ÍF VII, Kap. 84, S. 1(268 f.). Vgl. Grágás II, Kap. 18, S. 27.18–21: Ef majr fer mej fordöju skap, pat varjar scog gang. Pat er fordöjo scapir ef majr gørir i orjum sinum eja fiolkyngi sótt eja bana mönnom eja fe. („Wenn jemand Verwünschungen anwendet, so steht darauf Waldgang. Das sind Verwünschungen, wenn jemand mit seinen Worten oder Magie anderen Leuten oder Vieh Krankheit oder Tod zufügt.“); vgl. Grágás Ia, Kap. 7, S. 23.02–04.

Die ersten isländischen Bischöfe und das Wirken ausländischer Missionsbischöfe 33

1.10. Die ersten isländischen Bischöfe und das Wirken ausländischer Missionsbischöfe Die Weihe des ersten Isländers zum Bischof und die Errichtung des ersten Bischofsstuhls hatten weit reichende Folgen für die weitere Entwicklung des geistigen Lebens in Island und sollen daher bereits an dieser Stelle dargestellt werden. Ebenso kam es im 11. Jahrhundert zu Missionsbesuchen ausländischer Geistlicher, die Erwähnung finden sollen. 1.10.1. Ísleifr Gizurarson (Bischofsweihe 1056) und Verbreitung kirchlicher Bildung Gizurr hvíti hatte seinen um 1006 geborenen Sohn Ísleifr in die Klosterschule in Herford (Westfalen; wohl eher als Erfurt) gegeben, wo er zum Priester geweiht wurde. Die dortige Äbtissin Godesia (im Amt um 1002 bis 1040) war die Tante von Herzog Ordúlf, welcher mit Úlfhildr, der Tochter Olafs des Heiligen von Norwegen, verheiratet war. Nach seiner Rückkehr nach Island übernahm Ísleifr von seinem Vater das Godentum und den Hof Skálholt, den späteren Bischofssitz.68 Als Ísleifr dann auf dem Allthing von der Allgemeinheit zum Bischof gewählt war, reiste er zu Kaiser Heinrich III., übergab ihm einen Eisbären aus Grönland als Geschenk und erhielt einen Geleitbrief. Darauf suchte er den Papst Leo IX.69 auf, vermutlich weil der norwegische König Haraldr harjráji Sigurjsson den bremischen Erzbischof nicht anerkannte. Der Papst sandte Ísleifr nach Bremen zu Erzbischof Adalbert, dem er gebot, Ísleifr zum Bischof zu weihen. Ísleifr Gizurarson wurde von Erzbischof Adalbert als erster Isländer am Pfingstsonntag, den 26. Mai, des Jahres 1056 in Bremen zum Bischof geweiht.70 Ob Ísleifr danach sein Godenamt noch ausgeübt hat, ist nicht überliefert.

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Vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(7), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189; Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 173; sowie einführend zur Geschichte Skálholts: Gujrún Ása Grímsdóttir, Skálholt, in: RGA 28, S. 573 ff. 1002–1054, Papst seit 02. 02. 1049; Leo IX. verstarb vermutlich schon, bevor Ísleifr geweiht wurde, so dass dann schon Viktor II. im Amt war; vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(7 Fn. 5). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 174; Adalbert (um 1000–16. März 1072) war seit 1053 der erste Erzbischof der nordischen Länder, vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(7 f. Fn. 6).

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Wohl auch im Jahre 1056 wurde gesetzlich festgelegt, dass man den 12. Tag während der Weihnachtszeit71 in den nächsten drei Jahren fasten sollte und im Jahr darauf wurde dieser Tag dauerhaft als Fastentag bestimmt, sofern er nicht auf einen Sonntag fiel.72 Schon früh wurden in Skálholt die Söhne einflussreicher Isländer in die Lehre genommen, auch wenn eine Schule für diese Zeit dort noch nicht bezeugt ist.73 In der im 13. Jahrhundert entstandenen Kristni saga steht über jene Zeit: Pá váru flestir virjingamenn lærjir ok vígjir ok lærjir til presta, pó at hqfjingjar væri […] („Damals waren die meisten Respektspersonen gelehrt und zu Priestern geweiht und ausgebildet, obwohl sie Häuptlinge waren […].“)74 Noch für das Jahr 1143 gibt eine Liste vierzig Priester an, die aus sehr prominenten Familien stammten.75 Die Liste ist sicher nicht abschließend, da sie genau 10 Geistliche für jedes Landesviertel nennt, so dass es sich vermutlich um eine Auswahl handelt. Damit ist auch davon auszugehen, dass schon sehr früh viele der weltlichen Machthaber, wie die Goden, lesen und schreiben konnten. Im Jahre 1190 beendete das Verbot, Inhaber eines Godentumes zum Priester zu weihen, diese Entwicklung, so dass danach viele Goden keine so intensive Ausbildung in geistlichen Dingen mehr erhalten haben dürften.76 Auch Sæmundr fróji Sigfússon (1056–1133) gehörte der Gruppe von Leuten an, die schon als Kind zur Ausbildung nach Skálholt gegeben wurden. Es kann als sicher gelten, dass er in Frankreich studiert hat, wie Ari fróji schreibt, welcher ihn persönlich kannte und dem er als Gewährsmann für seine Íslendingabók gedient hat.77 Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, 71

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Als Weihnachtszeit galt in Island im Mittelalter der Zeitraum vom 25. Dezember bis zum 6. Januar, vgl. Hjalti Hugason, Kristnir trúarhættir, in: Íslensk pjójmenning V, S. 75(208). Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 67. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 9, S. 1(20); Hungrvaka, in: ÍF XVI, Kap. 2, S. 1(9), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(191). Vgl. Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 16, S. 1(42). Unter dem Titel „Das Buch von der Einfuehrung des Christentums“ liegt in: Thule 23, Kap. 17, S. 159–185 eine deutsche Übersetzung durch Walter Baetke leider nur in Auszügen vor, vgl. Walter Baetke, Nachbemerkung, S. 322 ff. Die hier zitierte Passage ist dort nicht enthalten. Allgemein zur Kristni saga siehe: Klaus Böldl, Kristni saga, in: RGA 17, S. 380 f. Vgl. Diplomatarium Islandicum I, S. 180(185 f.). Vgl. Björn Porsteinsson, Íslensk mijaldasaga, 2. Aufl. (1980), S. 138. Siehe hierzu ausführlich: Garjar Gíslason, Hvar nam Sæmundur fróji?, in: Líndæla, S. 135–153 (inbes. 135–138, 147 ff.). Die Vermutung, er habe in Franken studiert, weil auch die beiden ersten Bischöfe in Deutschland studiert hätten, ist eher abwegig, weil Sæmundur dies gegenüber Ari sicher genau angegeben hätte und beide so gebildet waren, dass hier eine Verwechslung ausgeschlossen sein dürfte.

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dass er in Paris studiert hat, wie im Oddaverjaannáll steht,78 weil dort zu jener Zeit noch keine große Schule bestanden hat. Wahrscheinlicher ist, dass er in Anger in der Grafschaft Anjou79 oder in Bec in der Normandie studiert hat, wo es eine bedeutende Schule gab, welche Schüler von weither anzog.80 Sollte dies der Fall gewesen sein, würde sich eventuell Sæmundurs Kenntnis des kanonischen Rechts besser erklären lassen, die ihn zum gefragten Ratgeber bei Abfassung der Zehntgesetze von 1096 und des ersten Christenrechts von 1122–1133 werden ließ. In Bec hatte nämlich bis 1063 der spätere Erzbischof von Canterbury (ab 1070 bis 1089), Lanfranc von Bec, gelehrt, der aus Pavia stammte und Jurist war.81 Es steht zu vermuten, dass auch nach Lanfrancs Weggang die Unterweisung im kanonischen Recht nicht völlig eingestellt wurde. Die Gelehrtheit des Sæmundr, insbesondere in der Astronomie, muss seine isländischen Zeitgenossen sehr beeindruckt haben, da nicht nur einige Annalen, sondern sogar Ari in seiner ansonsten so knapp gehaltenen Íslendingabók die Heimkehr von Sæmundr erwähnt.82 Da Sæmundr erst nach seiner Rückkehr nach Island zum Priester geweiht wurde, liegt nahe, dass er seine Studien nicht auf Theologie beschränkt hatte, weil ansonsten eine frühere Weihe wahrscheinlich gewesen wäre. Sæmundr ließ sich vermutlich auf dem Hof Oddi im Süden das Landes nieder und übernahm auch das Godentum seiner Familie.83 Der erste Bischof des nördlichen Bischofsstuhls, Jón Qgmundarson (1052–1121), erhielt seine erste Ausbildung ebenfalls in Skálholt, ebenso wie der spätere Bischof von Vík (der Region des Oslofjords) in Norwegen, Kolr bzw. Kollr.84 Insgesamt ist bemerkenswert, dass in der Zeit von 1100 78

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Vgl. Oddaveria Annall, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 427(471). Vgl. Helgi Gujmundsson, Um haf innan, S. 332. Zum Forschungsstand vgl. Sverrir Tómasson, Sæmundur Sigfússon (inn fróji), in: RGA 26, S. 77 f. Vgl. Garjar Gíslason, Hvar nam Sæmundur fróji?, S. 135(151 f.). Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 9, S. 1(20 f.): Ápeim dögum kom Sæmundr Sigfússonr sunnan af Frakklandi hingat til Lands og lét síjan vígjask til prests. („Zu jener Zeit kam Sæmundur Sigfússon von Süden aus Frankreich hierher ins Land und ließ sich darauf zum Priester weihen.“). Die Annalen verzeichnen die Rückkehr nach Island für das Jahr 1076 (so Annales regii, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm [Hrsg.], S. 77[110]; Flateyjarannáll [vgl. S. 640]) bzw. für 1077 (so Oddaveria Annall, S. 427[471]) und auch für 1078 (so Lögmanns-annáll, S. 231[251]). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 180. Zum Hof Oddi und seiner Bedeutung für das isländische Geistesleben im 12. und 13. Jahrhundert siehe: Sverrir Tómasson, Oddi, in: RGA 22, S. 538 ff. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 9, S. 1(20); Hungrvaka, in: ÍF XVI, Kap. 2, S. 1(9) dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(191).

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bis 1150 drei Isländer in Norwegen Bischöfe wurden. Neben Kolr waren noch ein Ottarr íslendingr Bischof von Bergen und Ívarr skrauthanzki Kálfsson Bischof von Nijarós.85 Dessen Sohn Eiríkr Ivarsson war von 1171 bis 1188 Bischof von Stavanger und von 1188 bis 1205 Erzbischof in Nijarós. Somit waren zeitweise zwei der vier norwegischen Bischofsstühle mit Isländern besetzt. Anfangs hatte Bischof Ísleifr keine andere Stellung als die Missionsbischöfe, die Island schon seit dem späten 10. Jahrhundert wiederholt aufgesucht hatten. Nachdem Ísleifr schon zum Bischof geweiht war, hielt sich der Bischof Bjarnharjr hinn saxlenski (Bernhard aus dem Land der Sachsen) noch zehn Jahre in Island auf (bis 1067). Es ist nicht überliefert, wie das Verhältnis zwischen ihm und Ísleifr war.86 1.10.2.

Einfluss ausländischer Missionare und weitere Einflüsse

1.10.2.1. Erste christliche Einflüsse von den britischen Inseln Anfangs war in Island der Einfluss der angelsächsischen Kirche am stärksten, weil Norwegen vorwiegend durch englische Geistliche christianisiert wurde und sich dieser Umstand mittelbar auch in Island auswirkte, da die Reiserouten zum europäischen Festland häufig über Norwegen lagen. Daher entstammen viele Wörter der isländischen Kirchensprache dem Altenglischen,87 und auch die anfänglich in Island verwendeten Buchstaben (vorwiegend insulare Minuskel, das P als auf Pergament geschriebener Buchstabe und nicht als geritzte Rune) wurden von den britischen Inseln entlehnt.88 Für die Zeit vor der offiziellen Annahme des Christentums werden in den Quellen nur zwei Missionare erwähnt. Zuerst ein Priester Pangbrandr (Thangbrand), der möglicherweise aus Bremen stammte, aber in England geweiht wurde. Er wurde von Olaf Tryggvason in England aufgenommen und später von Norwegen aus zum Missionieren nach Island entsandt, um

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Vgl. Arne Odd Johnsen, Biskop Bjarnhard og kirkeforholdene i Norge under Harald Hardråde og Olav Kyrre, in: Per Juvkam (Hrsg.), Bjørgvin Bispestol, S. 11(21). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 171. Vgl. Stefán Karlsson, Tungan, in: Íslensk Pjójmenning VI, S. 1(26). Vgl. Bernhard Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, S. 125 f.(mit Fn. 72) und S. 168, Didrik Arup Seip, Palæografi B, Norge og Island, S. 36 ff.; jedoch ist der insulare Einfluss weniger stark ausgeprägt als in Norwegen, vgl. ebenda, S. 43 f.

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für von ihm unternommene Raubzüge zu büßen.89 Thangbrand missionierte auf Island einige Leute, schreckte aber auch vor Tätlichkeiten nicht zurück, denn er erschlug zwei oder drei Personen, die ihn mit Spottversen bedacht hatten, und musste darauf das Land verlassen.90 Weiterhin erwähnt Ari für die Zeit vor der Annahme des Christentums einen Bischof Frijrekr (Friedrich), der nach der Kristni saga aus „Saxland“ kam.91 Er wurde von dem Isländer Porvaldr Kojránsson begleitet, der die Predigten mündlich ins Isländische übersetzte.92 1.10.2.2. Die Herkunft ausländischer Missionsbischöfe Erstaunlicherweise kamen elf der zwölf in den Quellen erwähnten ausländischen Missionsbischöfe erst nach der gesetzlichen Annahme des Christentums nach Island. Pessi eru nöfn byskupa peira, es verit hafa á Íslandi útlendir at sögu Teits: Frijrekr kom í heijni hér, en pessir váru síjan: Bjarnharjur enn bókvísi fimm ár, Kolr fá ár. Hrójolfr nítján ár, Jóhan enn írski fá ár, Bjarnharjr nítján ár, Heinrekr tvau ár.

Enn kvómu hér ajrir fimm, peir es byskupar kvájusk vesa: Örnolfr ok Gojiskolkr ok prír ermskir: Petrus ok Abrahám ok Stephanus.93

Das sind die Namen der ausländischen Bischöfe, die hier nach Aussage von Teitur auf Island gewesen sind: Friedrich kam während der heidnischen Zeit hierher, und diese waren danach hier: Bernhard, der Buchgelehrte, fünf Jahre, Kolur wenige Jahre, Rudolf neunzehn Jahre, Johann, der Irische, wenige Jahre, Bernhard neunzehn Jahre, Heinrich zwei Jahre. Außerdem kamen hierher fünf weitere, die angaben, Bischöfe zu sein, Örnólfur [Arnulf] und Gójiskólkur [Gottschalk] und drei armenische (bzw. ermländische): Petrus, Abraham und Stephanus.

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Vgl. Hjalti Hugason, Frumkristni og upphaf kirkju, in: Hjalti Hugason (Hrsg.), Kristni á Íslandi I, S. 136 f. Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 7, S. 1(14). Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 7, S. 1(18); Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 1, S. 1(4). Vgl. Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 4, S. 1(12). Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 8, S. 1(18).

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Auf die letztgenannten drei Bischöfe könnten sich die nachfolgenden Angaben in der Hungrvaka beziehen, die in Island offenbar für ein wesentlich anderes Christentum geworben haben als die anderen Missionare: Um daga Ísleifs byskups kómu út byskupar af öjrum löndum, ok buju peir mart linara en Ísleifr byskup. Urju peir af pví vinsælir vij vánda menn, par til Ajalbertus erkibyskup sendi bréf sitt út til Íslands ok bannaji mönnum alla pjónustu af peim at piggja, ok kvaj pá suma vera bannsetta en alla í óleyfi sínu farit hafa.94

Während der Tage von Bischof Ísleifr kamen Bischöfe aus anderen Ländern heraus [nach Island] und sie verkündeten vieles nachgiebiger [weniger streng] als Bischof Ísleifr. Wurden sie deswegen bei bösen Leuten beliebt, bis Erzbischof Adalbert einen Brief heraus nach Island schickte und den Leuten verbot, jedweden Dienst von ihnen anzunehmen und dann sagte, einige von ihnen seien mit dem Bann belegt, aber alle seien ohne seine Erlaubnis [nach Island] gefahren.

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Anhand der mittgeteilten Daten kamen diese Bischöfe vermutlich erst nach der Bischofsweihe von Ísleifr im Jahre 1056 und vor dem Tode Erbischof Adalberts 1072 nach Island. Woher diese Bischöfe stammten, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Vermutlich handelt es sich um die Missionsbischöfe, die Ari fróji in der Íslendingabók als ermskir bzw. hermskir bezeichnet. Nachdem die Namen dieser drei ermskir Bischöfe im Gegensatz zu den beiden anderen (Örnólfr [Arnulf] und Gójiskólkr [Gottschalk]), die wohl Deutsche waren, keinen eindeutigen Hinweis auf ihre Herkunft geben, ist viel darüber spekuliert worden, woher sie stammten, da das Adjektiv ermskur verschiedene Deutungen zulässt. Einerseits können sie aus der Region Ermland in Polen stammen, aus der nach der endgültigen Teilung der griechisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche 1054 viele Geistliche weggehen mussten, weil dort die römisch-katholische Kirche die Vormacht errungen hatte.95 Einige von ihnen dürften auch Zuflucht beim norwegischen König Haraldr

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Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(8 f.); dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189 (191). So die Vermutungen von Magnús Már Lárusson, Um hina ermsku biskupa, in: Skírnir CXXXIII (1959), S. 81(93).

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harjráji gefunden haben, der bestrebt war, die Kirche in Norwegen möglichst unabhängig vom Erzbistum Bremen zu gestalten.96 Andererseits könnten die Bischöfe aus Armenien gekommen sein, von wo zu dieser Zeit Missionsversuche in andere Regionen unternommen wurden.97 Die Herkunftsbezeichnung „in ermski“ wird in der vor 1190 entstandenen Veraldar saga zur genaueren Bezeichnung des byzantinischen Kaisers Leo V. des Armeniers (reg. 813–820) verwendet.98 Dies deutet stark darauf hin, dass man unter dem Adjektiv ermskur im 12. Jahrhundert „armenisch“ verstand und nicht „ermländisch“. Auch könnte für die Deutung des Adjektivs als „armenisch“ sprechen, dass es gut möglich ist, dass dieses Bischöfe im Gefolge des Haraldr harjráji aus Byzanz oder aus Kiew mit nach Norwegen gekommen waren und von dort – vielleicht nach Haralds Tod 1066 in England – weiter nach Island fuhren. Möglicherweise steht eine Bestimmung im zwischen 1122 und 1133 erlassenen Christenrecht über die Tätigkeit von nicht in lateinischer Sprache ausgebildeten Bischöfen oder anderen Geistlichen auf Island im Zusammenhang mit den ermskir byskupar (vgl. unten S. 55 ff). 1.10.2.3. Byzantinische Darstellung des Jüngsten Gerichts auf Island um 1100 Auf die drei bei Ari genannten ermskir Bischöfe oder auf andere Geistliche der griechisch-orthodoxen Kirche geht möglicherweise auch die Darstellung des Jüngsten Gerichts zurück, die sich auf einigen Brettern findet, die im 19. Jahrhundert in einer Scheune in Bjarnastajahlíj im Norden Islands entdeckt wurden. Die Art der Darstellung soll zweifelsfrei erkennen lassen, dass sie dem byzantinischen Verständnis des Jüngsten Gerichts folgt, weil insbesondere der Sitz Gottes leer ist, was kennzeichnend für die byzantinische Darstellung des Jüngsten Gerichts ist, und einige weitere Besonderheiten in der Darstellung enthalten sind, die sich nicht aus der Bibel herleiten lassen, sondern durch die Predigten des Hl. Ephraim aus Syrien (gest. 373?) beeinflusst sind.99 Die Bretter werden meist auf die Zeit von vor 1100 da96

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Vgl. Sigfús Blöndal, The Last Exploits of Harald Sigurdsson in Greek Service, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 1(25 f.); Sigurjur Líndal, Upphaf kristni og kirkju, in: Saga Íslands I, S. 225(252 f.). Dieser Auffassung folgen beispielsweise Walter Baetke in seiner Übersetzung der Íslendingabók, Aris Islaenderbuch, in: Thule 23, S. 52, und Vilhjálmur Finsen, in: Grágás III, S. 576. Vgl. Veraldar saga, S. 69.18. Vgl. Selma Jónsdóttir, Byzönsk dómsdagsmynd í Flatatungu, S. 15, 27–45.

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tiert100 und stammen nach einer Vermutung aus Flatatunga, das ganz in der Nähe von Bjarnastajahlíj liegt und wo für die Freistaatszeit eine Art Versammlungshaus bezeugt ist.101 Nach einer anderen Auffassung könnten diese Bretter die Westfassade der Kirche des nördlichen, 1106 gegründeten Bischofssitzes Hólar im Hjaltadalur geschmückt haben.102 In Westeuropa sind anscheinend nur fünf weitere Darstellungen des jüngsten Gerichts nach byzantinischem Verständnis bekannt. Mit einem Mosaik in Torcello (nahe Venedig), einer Elfenbeinschnitzerei unmittelbar aus Venedig, einem Temperagemälde in Rom, einem Freskengemälde in der Kirche S. Angelo de Formis (bei Capua nördlich von Neapel) und Malereien in der Handschrift Hortus Deliciarium, die in Hohenburg im Elsass angefertigt wurde,103 finden sich diese Darstellungen ganz überwiegend in Gegenden, in denen byzantinischer Einfluss ohnehin nicht besonders fernliegend ist.104 Ein weiterer in Island erhaltener Gegenstand, der auf Verbindungen nach Byzanz hindeutet, ist eine kleine Elfenbeintafel, auf der die Mutter Gottes zu sehen ist. Das Täfelchen wurde im 11. Jahrhundert in Byzanz gefertigt und enthält eine isländische Runeninschrift aus dem 12. Jahrhundert.105 1.10.2.4. Byzantinische Motive in der Sagaliteratur In der Sagaforschung ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass einige Sagas Motive enthalten, die stark auf byzantinische bzw. klassische griechische Vorbilder hindeuten.106 So enthalten die Dínus saga drambláta,107 die 100 101

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Vgl. Sigurjur Líndal, Upphaf kristni og kirkju, in: Saga Íslands I, S. 225(253). Vgl. Selma Jónsdóttir, Byzönsk dómsdagsmynd í Flatatungu, S. 11, 13, 47 f.; sowie Pórjar saga hreju, in: ÍF XIV, Kap. 9, S. 161(207). Vgl. Hörjur Ágústsson, Dómsdagur og helgir menn á Holum, S. 82ff(bes. 110). Vgl. Selma Jónsdóttir, Byzönsk dómsdagsmynd í Flatatungu, S. 16. Daher vermutet Selma Jónsdóttir auch, dass die in Island gefundene byzantinische Darstellung des Jüngsten Gerichts Mönchen aus Süditalien zuzuschreiben ist, vgl. Selma Jónsdóttir, Byzönsk dómsdagsmynd í Flatatungu, S. 79 ff. Vgl. Magnús Már Lárusson, Um hina ermsku biskupa, in: Skírnir CXXXIII (1959), S. 81(88). Vgl. Theodore M. Andersson, Heroic Postures in Homer and the Sagas, in: Sjötíu ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni I, S. 1–9; Henrik Schück/Karl Warburg, Illustrerad svensk litteraturhistoria I3, S. 212–223; Henry G. Leach, Angevin Britain and Scandinavia, S. 165 f., 211, 262, 268 ff., 285–288; Kurt Schier, Sagaliteratur, S. 93, 106–109; Margaret Schlauch, Romance in Iceland, S. 63 ff., 69 ff. Dínus saga drambláta, Jónas Kristjánsson (Hrsg.).

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Barlaams saga ok Josaphats sowie eine ganze Reihe weiterer Werke byzantinische bzw. sogar orientalische Motive.108 Eine Szene im 12. Kapitel der Frijpjófs saga weist eine deutliche Parallele zu einer Schilderung auf, die am Anfang der Alexias von Anna Komnene steht.109 Vereinzelt wurde vertreten, direkte byzantinische Einflüsse können schon deswegen nicht vorliegen, weil diejenigen Skandinavier, die sich vor allem im 11. Jahrhundert am byzantinischen Hofe aufgehalten haben, nur rudimentär Griechisch gesprochen hätten und weder daran interessiert noch in der Lage gewesen wären, die byzantinische Literatur näher kennenzulernen.110 Die betreffenden literarischen Motive sollen nach dieser Ansicht ganz überwiegend über französische Texte vermittelt worden sein.111 Es kann bezweifelt werden, dass man es lapidar als Übertreibung abtun kann,112 wenn die um 1300 kompilierte Viktors saga ok Blávus explizit sagt, dass der norwegische König Hákon Magnússon (reg. 1299–1319) viele Sagas unmittelbar aus dem Griechischen hat übersetzen lassen.113 Es erscheint unrealistisch, wenn man die Rezeption byzantinischer literarischer Motive in Island ausschliesslich über Frankreich und erst für eine Zeit annehmen will, in der Island schon recht isoliert war. Im 11. und 12. Jahrhundert hingegen waren einige Isländer nachweislich in Byzanz und es könnten zumindest einige Einflüsse bis zur Niederschrift mündlich tradiert worden sein. Hierüber ließe sich auch erklären, warum typische Motive und Motivverbindungen östlicher Herkunft in isländischen Sagas zu finden sind, aber nur wenige sichere Übereinstimmungen im Ganzen.114 Die These, die Literatureinflüsse seien allesamt ab dem 13. Jahrhundert über Frankreich er108 109

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Vgl. nur Kurt Schier, Sagaliteratur, S. 93, 106 ff. Vgl. Margaret Schlauch, Romance in Iceland, S. 63 f. Es handelt sich um die Erzählung, in der Alexios I. sich zum Schlafen niederlegt und Nikephoros Bryennios das Schwert des Alexios sieht und überlegt, ob er ihn töten soll, sich aber nicht dazu entschließen kann, vgl. Anna Komnene, Alexias (Üb. und Hrsg. Diether Roderich Reinsch), Buch I, Kap. 6 §§ 8–9, S. 41 f. Die entsprechende Stelle in der Frijpjófs saga ins frœkna, Kap. 12, S. 47 f., handelt davon, wie König Hringr seinen Gefolgsmann Frijpjófur, welcher in die Frau des Königs verliebt ist, auf seine Treue prüfen will. Der König arrangiert es, dass sie zu zweit alleine im Wald sind und legt sich schlafen. Frijpjófur zieht zwar sein Schwert, aber kann sich nicht entschließen, den König zu töten. Vgl. Frederic Amory, Things Greek and the Riddarasögur, in: Speculum 59(1984), S. 509(511 f.). Vgl. Frederic Amory, Things Greek and the Riddarasögur, S. 509(514, 519, 522 f.). So aber Frederic Amory, Things Greek and the Riddarasögur, S. 509(515). Vgl. Viktors saga ok Blávus, Jónas Kristjánsson (Hrsg.), S. 1(3); Victors saga ok Blávus, Agnethe Loth (Hrsg.), in: Late Medieval Icelandic Romances I, S. 1(3). Vgl. Kurt Schier, Sagaliteratur, S. 108.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

folgt, ist deswegen nicht stimmig, weil es dann in Norwegen wesentlich mehr derartige übersetzte Texte geben müsste, da zu jener Zeit die Beziehungen Norwegens mit Frankreich relativ gut waren, die Beziehungen Islands mit Frankreich aber kaum besonders ausgeprägt. Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Handschriften mit den häufig Riddarasögur genannten Erzählungen jedoch in Island entstanden.115 Auf diesem schwierigen Spezialgebiet der Sagaforschung liegen bisher leider wenig gesicherte Erkenntnisse vor. 1.10.2.5. Zusammenfassung Die Berichte über vermutlich armenische Bischöfe in der Íslendingabók und der Kristni saga, die Bretter aus Flatatunga mit einer geschnitzten Darstellung des Jüngsten Gerichts nach byzantinischem Verständnis sind Zeugnis eines kulturellen Einflusses der griechisch-orthodoxen Kirche, der aufgrund der großen Entfernung zwischen dem byzantinischen Kulturkreis und Island erstaunlich ist.116 Auch die Tatsache, dass in der isländischen mittelalterlichen Literatur Motive und ganze Erzählstoffe aus diesem Kulturkreis aufgenommen wurden, unterstreicht, dass es Verbindungen gegeben hat, selbst wenn diese nur über wenige Personen bestanden haben sollten. Somit zeigen sich in Island im 11. Jahrhundert Einflüsse sowohl von den britischen Inseln und Kontinentaleuropa als auch aus dem Kulturkreis der griechisch-orthodoxen Kirche.

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Vgl. Kurt Schier, Sagaliteratur, S. 98. Auch zwischen Norwegen und Byzanz bestanden engere Verbindungen. Sie haben ihren Niederschlag unter anderem in der Gesetzgebung gefunden. Dies ergibt sich aus den älteren Gulathingsgesetzen, wo geregelt ist, dass man seinen Erben schon zu Lebzeiten zum Vermögensbevollmächtigten bestellen konnte, wenn man sich längere Zeit in Grikkland (Griechenland, zu jener Zeit ist damit das byzantinische Reich gemeint) aufhielt; vgl. Ældre Gulathings-Lov, in: Norges Gamle Love I, S. 26.30; siehe dazu auch Trygve Knudsen, Gulatingsloven, in: KLNM 5, Sp. 559(561). Siehe auch die Darstellung byzantinischer Münzfunde in Norwegen bei: Hans Holst, Bysantinska mynt, Norge, in: KLNM 2, Sp. 430–431, und bei: P. Berghaus, Byzantinische Münzen, in: RGA 4, S. 302(303), und die Beschreibung byzantinischen Stileinflusses in Norwegen bei: Martin Blindheim, Bysantinsk stilinflytelse, Norge, in: KLNM 2, Sp. 442–444.

Novelle von Markús Skeggjason, 1084–1107

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1.10.3. Bischofsweihe von Gizurr Ísleifsson 1082 Der um 1042 geborene Sohn von Bischof Ísleifr Gizurarson, Gizurr Ísleifsson, war schon einmal mit seiner Frau nach Rom gereist, bevor er nach dem Tod seines Vaters am 5. Juli 1080 ebenfalls zum Bischof gewählt und am 4. September 1082 von Erzbischof Hartwig in Magdeburg geweiht wurde. Um die Weihe zu erhalten, war Gizurr erneut nach Rom gereist und wurde von Papst Gregor VII. ihretwegen nach Magdeburg geschickt, weil Liemar, der Erzbischof von Bremen, im Investiturstreit Kaiser Heinrich IV. folgte und daher vom Papst exkommuniziert worden war.117 Gizurr initiierte eine Gesetzesnovelle, die den isländischen Bischofsstuhl fest mit Skálholt verband.118

1.11. Novelle von Markús Skeggjason, 1084–1107 Eine Novelle ist überliefert, die auf Markús Skeggjason zurückgeht, der von 1084 bis 1107 Gesetzessprecher war.119 In der Kristni saga wird Markus Skeggjason als der weiseste Rechtsgelehrte neben Skafti Poroddsson bezeichnet.120

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Vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(15), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(194); Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 176; Tilman Struve, Liemar, in: LexMA 5 (1991), Sp. 1975 f. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 10, S. 1(22 f.); Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 67 m.w.N. In der Hungrvaka wird neutraler formuliert, dass Gizurr sein Land und diverse Gegenstände dem Bischofsstuhl gab und sagte, dass dort immer ein Bischofsstuhl sein sollte, vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, Kap. 4, S. 1(16), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(195). Allerdings ist der Umfang der Novelle unklar, da ihr Beginn nicht kenntlich gemacht ist, sondern sie mit den Worten schließt […] Pat sagje Markús lavg („Markus sagte, dass dies Gesetz sei“). Vermutlich umfasst die Novelle nur die Bestimmung Grágás II, Kap. 182, S. 221.02–06: Par er sa majr fellr fra er fe er eindagat at. pa scal at lög heimili hans stefna erfingia hans vm pat fe. En ef hann legr lavg legor a. oc kemz hann eigi meir til at helldr en til instøjans. („Wenn jemand stirbt, dem gegenüber [zu leistendes] Gut [als Schuld] fälligkeitsbestimmt ist, dann soll man an seinem gesetzlichen Wohnsitz die Erben wegen dieses Gutes vorladen. Wenn er gesetzliche Miete dazuschlägt, so erhält er dennoch nicht mehr als das [ursprüngliche] Guthaben.“); vgl. Grágás Ib, Kap. 221, S. 147.14–18. Vgl. Kristni saga, in ÍF XV, Kap. 15, S. 1(40): Hann hefir vitrastur verij lögmanna á Íslandi annar en Skafti.“

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

1.12. Die Einführung des Zehntgesetzes im Jahre 1096 oder 1097 Das Zehntgesetz wurde entweder 1096 oder 1097 erlassen, wobei das Jahr 1096 wahrscheinlicher ist, da eine der dieses Gesetz überliefernden Pergamenthandschriften das Jahr 1096 als Einführungsjahr nennt.121 Die Einführung des gesetzlichen Zehnten erfolgte in Island deutlich früher als in allen anderen nordischen Ländern.122 Vom Zehntgesetz nimmt man an, dass es von Anfang an schriftlich niedergelegt wurde123, auch wenn sich diese Vermutung vor allem auf die Tatsache stützt, dass es ein Gesetz ist, welches auf Initiative der Kirche, vor allem der des Bischofs Gizurr Ísleifsson, erlassen wurde.124 Untermauert wird diese Vermutung allerdings auch durch die Tatsache, dass das Zehntgesetz in der Konungsbók ganz am Ende nach einigen kleineren Abschnitten steht, welche alle wie eigenständige Gesetze wirken125 und die älter als die Haflijaskrá von 1117/1118 sein können. In der Stajarhólsbók findet sich das Zehntgesetz am Anfang nach dem Christenrecht eingereiht, ist von diesem aber deutlich abgegrenzt.126 Im isländischen Zehntgesetz ist eine Bestimmung für den Fall enthalten, dass sich jemand längere Zeit í gqrjum, also in Russland (Garjaríki ), aufhält und in Island nur zu Besuch ist.127 Die Verbindungen nach Russland dürf121

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Grágás III, S. 134.02–04. So auch Jón Sigurjsson, in: Diplomatarium Islandicum I, S. 73. Häufig wird auf Unstimmigkeiten, die sich aus diesem Datum ergeben, hingewiesen. Wenn aber die Erhebung des Zehnten erstmalig im Jahre nach der Annahme des Gesetzes, also 1097, erfolgte, stimmt dies mit dem Zeugnis des Flateyjarannáll überein, nach dem im Jahre 1394 Eide über das Vermögen geleistet wurden, da diese Eide alle drei Jahre zu leisten waren, vgl. Flatøbogens Annaler, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 379(426). Vgl. Magnús Stefánsson, Tiend, Island, in: KLNM 18, Sp. 287; siehe zur besonderen Ausprägung des Zehnten in Form des größeren Zehnt, auch im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern: Konrad Maurer, Ueber den Hauptzehnt einiger nordgermanischer Recht, in: Abhandlungen der k. bayer. Akademie der W. I. Cl. XIII. Band II. Abth. [München 1874], S. 213–301(insbes. 214–226 für Island). Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(x). Vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(17), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(195). Vgl. Grágás Ib, Kap. 255–268, S. 205–218. Vgl. Grágás II, Kap. 36–55, S. 46.03–62.19. Vgl. Grágás II, Kap. 44, S. 54.17–20: En ef han kømr ut hingat. pa scal hann giallda tiund af pvi fe er hann hefir ut mej ser. en næsta vetr eptir er hann kømr ut um sumarit ajr. pott hann se igørjum erlendis. („Aber wenn er hier heraus kommt, dann soll er den Zehnten von dem Gut entrichten, das er mit sich herausbringt den darauf folgenden Winter, wenn er den vorangehenden Sommer heraus gekommen ist, auch wenn er [eigentlich] im

Errichtung des zweiten Bischofssitzes in Hólar im Jahre 1106

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ten daher zu jener Zeit nicht völlig unbedeutend gewesen sein, weil sie ansonsten vermutlich keinen Niederschlag in den Gesetzen gefunden hätten. Im Zehntgesetz ist auch die Finanzierung des in der Zuständigkeit der Gemeindeverbände hreppar (Sg. hreppr) liegenden Armenwesens geregelt. Für die Armenfürsorge wurde ein Viertel des Zehnten verwandt.128 Das Zehntgesetz war anders als im übrigen Skandinavien nicht als Einkommens- sondern als Vermögenssteuer konzipiert.129 Es trat erst 1914 vollständig außer Kraft und war somit in den Grundzügen über 800 Jahre lang unverändert geltendes Recht in Island.130

1.13. Errichtung des zweiten Bischofssitzes in Hólar im Jahre 1106 und erste Klostergründung Am 29. April 1106 wurde Jón Qgmundarson131 in Lund von Erzbischof Qzurr Sveinsson zum Bischof des neuen Bischofsstuhls für das nördliche Landesviertel geweiht. Dieser Bischofsstuhl zu Hólar im Hjaltadalur war unter anderem errichtet worden, um bei Vakanz eines Bischofsstuhls weiterhin einen Bischof im Lande zu haben, der die Vertretung übernehmen konnte.132 Für seine Errichtung scheint sich auch Hafliji Másson, die zen-

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Ausland in Russland wohnt.“); vgl. auch Grágás Ib, Kap. 259, S. 212.03–07 und Grágás III, S. 51.04–07 (Skálholtsbók, Kap. 33): […] pott hann se i görjum avstr. („auch wenn er im Osten in Russland wohnt“). Vgl. Grágás II, Kap. 37, S. 47.14–15: Rett er at purfa menn peir allir pigi tíund er eigi scolo giallda tiund. („Es ist gestattet, dass alle die Hilfebedürftigen Zehnt erhalten, die keinen Zehnten zahlen müssen.“), vgl. Grágás Ib, Kap. 255, S. 206.08–09; Grágás II, Kap. 41, S. 50.07–09: Fiorjung einn tiundar scal gefa purfa mönnum. inan reps mönnum peim er til omaga biargar purfo at hafa apeim missorom.oc scipta mej peim. gefa peim meira er meire er pörf. („Ein Viertel des Zehnten soll man den Hilfebedürftigen geben, denjenigen Leuten innerhalb der Gemeinde, die den Zehnten während dieser Halbjahre für die Rettung der Bedürftigen benötigen, und man soll ihn unter ihnen aufteilen und denen mehr geben, bei denen der Bedarf größer ist.“), vgl. Grágás Ib, S. 208. 04–07. Vgl. Magnús Stefánsson, Tiend, Island, in: KLNM 18, Sp. 287. Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 178, Páll Eggert Ólason, Preface, in: The Codex Regius of Grágás, S. 1(9). Jón Ögmundarson (1152–1121) wurde in Skálholt ausgebildet, siehe oben Text bei Fn. 119. Vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, Kap. 4, S. 1(17 f.), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(195 f.); Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 182 f. Der Errichtung des Bischofsstuhls war eine Zählung der Bauern, die Thingfahrtgeld zu entrichten hatten, vorangegangen. Dabei wurden für das östliche Viertel sieben, für das südliche Viertel zehn, für das westliche Viertel neun und für das nördliche Viertel zwölf (Groß-)Hundert Bauern gezählt, so dass Island zu diesem Zeitpunkt 4560 thing-

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trale Person der Gesetzgebungskommission 1117/1118, eingesetzt zu haben (siehe unten S. 168 ff.). Lund war 1104 zum Sitz des Erzbistums der nordischen Länder bestimmt worden und löste in dieser Funktion das Erzbistum in Bremen ab.133 An dem in einem kleinen Seitental gelegenen Bischofssitz Hólar richtete Bischof Jón Qgmundarson eine Domschule ein, in der in größerem Umfang als in Skálholt Unterricht erteilt wurde. In ihr waren schon gleich zu Anfang ausländische Lehrer aus Gotland und Frankreich tätig.134 Wie weit der kirchliche und damit auch der gelehrte Einfluss in Island ging, lässt sich auch an der Bezeichnung der Wochentage ersehen, die sich fast unverändert bis heute erhalten hat und die ebenfalls auf den Bischof Jón Qgmundarson zurückgeht.135 Danach hießen die Tage im Isländischen nicht mehr nach Tyr, Odin oder Thor, sondern der Dienstag (in den übrigen skandinavischen Sprachen auch heute noch ‚Tyrs Tag‘) hieß dritter Tag ( prijji dagr, heute prijjudagur), der Mittwoch, auf englisch und in den skandinavischen Sprachen heute noch nach Odin Wednesday bzw. Onsdag benannt, wie im deutschen Mittwoch (damals wie heute mijvikudag[u]r). Der Donnerstag heißt seitdem der fünfte Tag ( fimmti dagr, heute fimmtudagur), der Freitag Fastentag (damals wie heute föstudag[u]r), der Sonnabend Waschtag (damals wie heute laugardag[u]r) und der Sonntag in der Kirchensprache Tag des Herrn (dróttins dagr). Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde der Sonntag jedoch weiterhin nach der Sonne benannt (sunnudagr) und auch für den Montag setzte sich außerhalb der Kirchensprache die Bezeichnung

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fahrtgeldpflichtige Bauern aufwies, vgl. Hungrvaka, in: ÍF XVI, S. 1(18), dt. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189(196). Das Thingfahrtgeld war von denjenigen zu entrichten, die eine bestimmte Menge Vermögen besaßen und die ihren Goden nicht auf das Allthing begleiteten, vgl. Grágás II, S. 320.03–08, Grágás Ia, S. 159.13–17. Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 185. Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 190 f. Vgl. Jóns saga helga hin elzta, in: Biskupa sögur (1858) Band I, S. 237: Fyribauj hann styrkliga alla hindrvitti, pá er fornir menn höfju tekit af túnglkomum eja dægrum, ejr eigna daga vitrum mönnum heijnum, svá sem at kalla Ty´ rsdag, Ójinsdag ejr Pórsdag ok svá um alla vikudaga, en bauj aj hafa pat dagatal, sem heilagir fejr hafa sett í ritningum, at kalla annan dag viku og prijja dag, og svá út. [„Verbot er nachdrücklich allen Aberglauben, den Leute früher aus dem Kommen des Mondes oder der Tage bezogen haben oder Tage nach weisen heidnischen Leuten zu benennen wie, sie Tag des Ty´r, Tag des Odin oder Tag des Thor zu nennen und dies bezüglich aller Wochentage; und er gebot, eine solche Zählung der Tage vorzunehmen, wie sie die heiligen Väter in ihren Schriften eingeführt haben, sie [die Tage] den zweiten Tag der Woche, den dritten Tag zu nennen und so weiter.“]. Der hier zitierte Text ist in der neuen Ausgabe der Jóns saga ins helga in: ÍF XV.2, Kap. 8, S. 173(209 f.) lediglich als Variante in einer Fußnote nachgewiesen, vgl. S. 210 Fn. 2.

Niederschrift der Gesetze 1117/1118 – Haflijaskrá

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zweiter Tag (annarr dagr) nicht allgemein durch, sondern er wurde weiter nach dem Mond benannt (mánudagr).136 Ebenfalls während der Amtszeit des Bischofs Jón Qgmundarson und mit seiner Unterstützung wurde das erste Kloster in Island gegründet, in dem ab 1112 einige Mönche lebten,137 auch wenn das offizielle Gründungsdatum erst 1133 ist.138 Dieses Kloster auf den Pingeyrar befand sich nicht nur im Frühjahrsthingbezirk von Hafliji Másson, dem Húnavatnsping, sondern auch in unmittelbarer Nähe von dessen Anwesen. In diesem Kloster scheint die isländische Geschichtsschreibung ihren Anfang genommen zu haben.139 Auch für die Entstehung der Sagaliteratur spielt dieses Kloster eine herausragende Rolle, da hier sowohl einige Königssagas als auch möglicherweise einige Isländersagas entstanden sind.140

1.14. Niederschrift der Gesetze 1117/1118 – Haflijaskrá 1.14.1. Erste Aufzeichnung der weltlichen Gesetze und Annahmeverfahren Von der ersten sicher bezeugten Aufzeichnung der Gesetze berichtet Ari fróji Porgilsson: 141142 Et fyrsta sumar, es Bergpórr sagji log upp, var ny´ mæli pat gort, at log ór skyldi skrifa á bók at Haflija Mássonar of vetrinn eptir at sogu ok umbráji peira Bergpórs ok annarra spakra manna, peira es til pess váru teknir.

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Den ersten Sommer, als Bergpórr [Hrafnsson, gest. 1123141] die Gesetze aufsagte [1117142 bis 1122], wurde die Novelle beschlossen, dass unsere Gesetze den darauffolgenden Winter bei Hafliji Másson in einem Buch aufgeschrieben werden sollten nach Vorgaben und Rat-

Vgl. Árni Björnsson, Tímatal, in: Íslensk pjójmenning VII, S. 51(71 ff.). Vgl. Gottskalks Annaler, in: Islandske Annaler indtil 1587 (Hrsg. Gustav Storm), S. 297(320). Siehe unten am Ende von Kap. 1.15 m.w.N. Vgl. Bjarni Gujnason, Fyrsta sagan, S. 146; Edith Marold, Geschichtsschreibung, § 7 G. im Norden, in: RGA 11, S. 489(490). Vgl. nur Kurt Schier, Sagaliteratur, S. 17 f., 42 f. Vgl. Jón Sigurjsson, Lögsögumanna tal og lögmanna, in: Safn til Sögu Íslands II, S. 1(23). Vgl. die Annalen für das Jahr 1117 in: Islandske Annaler indtil 1587 (Hrsg. Gustav Storm), Annales regii, S. 77(112) „Bergpórr legifer“; Gottskalks Annaler, S. 297(320)

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Skyldu peir gørva ny´mæli pau oll í logum, es peim litisk pau betri en en fornu log. Skyldi pau segja upp et næsta sumar eptir í logréttu ok pau oll halda, es enn meiri hlutr manna mælti pá eigi í gegn.

En pat varj aj framfara, at pá vas skrifajr Vígslóji ok margt annat í logum ok sagt upp í logréttu af kennimonnum of sumarit eptir.

En pat líkaji ollum vel, ok mælti pví manngi í gegn.144

schlägen von ihm und Bergpórr und denjenigen anderen klugen Leuten, die dazu berufen wurden.143 Sollten sie alle diejenigen Novellen in den Gesetzen beschließen, die ihnen besser als die alten Gesetze erschienen. Sollten diese [die Novellen] den darauffolgenden Sommer in der gesetzgebenden Versammlung aufgesagt werden und sollten alle diejenigen beibehalten werden, denen die Mehrheit der Leute dann nicht widersprechen würde. Und dies geschah, dass dann der Vígslóji [‚Totschlagsfolge‘, Strafrechtskapitel] und vieles andere in den Gesetzen aufgeschrieben wurde und von Geistlichen im darauffolgenden Sommer [1118] in der gesetzgebenden Versammlung aufgesagt wurde. Und dies gefiel allen gut und daher widersprach keiner.

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„Bergpors lefigers[s]“; Flateyjarannáll, S. 379 ff. mit 511; im Oddveria Annall, S. 427(473) jedoch unzutreffend für das Jahr 1116 angegeben: „Bergur laugmajr“. Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 15, versteht den Passus […] at Haflija Mássonar […] at sogu ok umbráji peirra Bergpórs […] so, dass nur Bergpórr und andere kluge Leute die Vorgaben für die niederzuschreibenden Gesetze machten, nicht jedoch Hafliji. Diese Deutung ist jedoch nicht korrekt, da mit der Formulierung peirra Bergpórs auch Hafliji als Mitglied der Gesetzgebungskommission bezeichnet wird, vgl. Gísli Sigurjsson, Bók í staj lögsögumanns, in: Sagnaping Bd. 1, S. 207(215) sowie bereits J. F. W. Schlegel, Commentatio historica et critica de Codicis Grágás origine, nomine, fontibus, indole et fatis, in: Grágás (1829) I, S. XIV(XXIV f.§ 7 De legum civilum Islandicarum tum exstantium collectione et correctione sub auspiciis Haflidi Mauri aliorumque, novique Codicis, qvi Grágás hodie vocatur, promulgatione). In der Kristni saga fehlt zwar das hier entscheidende peirra, was der Auffassung von Lújvík Ingvarsson entsprechen würde. Dort ist hingegen ein in den Handschriften stehendes ok für die Ausgabe durch ein at ersetzt worden, vgl. Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 16, S. 1(42 mit Fn. 2). Die Formulierung, die in den Handschriften steht, läßt sich besser in dem Sinne des Textes der Íslending-

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An herausragender Stelle neben dem Gesetzesprecher wird hier Hafliji Másson genannt, der zu diesem Zeitpunkt einer der mächtigsten Männer in Island war.145 Nicht an einem Bischofsstuhl, wo die Kunst des Schreibens sicher bekannt gewesen ist, oder auf dem Hof des amtierenden Gesetzessprechers wurden die Gesetze aufgezeichnet, sondern auf Haflijis Anwesen Breijabólstajur am See Vesturhóp, das im Frühjahrsthingbezirk des Húnavatnsping im nördlichen Landesviertel lag. Der Hof Breijabólstajur und das ab 1112 bestehende Kloster Pingeyrar lagen in direkt aneinander grenzenden Gemeindeverbänden (hreppar), Breijabólstajur im Vestara Hópshreppur, der auch Pverárhreppur genannt wurde, und Pingeyrar in einem hreppur, der sowohl als Nejri-Vatnsdalshreppur, Pingeyrasveit als auch als Sveinsstajapingsókn, bzw. -hreppur bezeichnet wurde.146 Dieses Kloster lag nur 20 km von Haflijis Hof Breijabólstajur entfernt und befand sich damit für die weiträumigen isländischen Verhältnisse sehr nahe bei Haflijis Hof. An dem Verfahren fällt auf, dass schon der Beschluss, die Gesetze niederzuschreiben und dabei zu revidieren, in Gesetzesform getroffen wurde, weil Ari schreibt, dass der Entschluss in der Form eines „nymæli“, einer Novelle, gefasst wurde. Die Verwendung dieses Begriffes durch Ari, der vermutlich auf dem Thing selbst anwesend war, nur wenige Jahre nach dem Jahr 1117 nimmt jeden Zweifel daran, dass nymæli hier im rechtstechnischen Sinne gebraucht wurde.147 Somit wurde für die Niederschrift und Überarbeitung ein ausgesprochen ungewöhnliches Verfahren gewählt: Auf dem Allthing wurden nicht die einzelnen Gesetzgebungsvorschläge diskutiert und schließlich über diese abgestimmt, sondern es wurde eine Kommission beauftragt, die sich den ganzen darauffolgenden Winter bei Hafliji Másson beraten, die Gesetze niederschreiben und sie im Zuge der Niederschrift überarbeiten sollte. Dabei wurden schon im Vorwege alle von dieser Kommission gemachten Neuerungsvorschläge zum Gesetz erklärt, wenn ihnen nicht im nächsten Sommer die Mehrheit der Leute widersprechen würde. Damit hat man das ansonsten bei Gesetzgebungsvor-

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abók deuten, als die Version in der Druckausgabe nach der vorgenommenen Konjektur. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 10, S. 1(23 f.). Vgl. nur die Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 18, S. 1(44): Pá er Gizurr biskup andajisk váru pessir mestir höfjingjar á Íslandi: Hafliji Másson norjr […]. „Als Bischof Gizurr starb, waren diese die mächtigsten Häuptlinge in Island: Hafliji Másson im Norden […]“). Björn Lárusson, The Old Icelandic Land Registers, Lund 1967, S. 229. Zum Unterschied zwischen at rétta lqg und at gera ny´ mæli siehe eingehend Konrad Maurer, Die Rechtsrichtung des älteren isländischen Rechtes, in: Festgabe v. Planck, S. 117 ff.

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haben gängige Verfahren umgekehrt, weil sie denjenigen, denen eine neue Bestimmung mißfiel, auferlegte, eine gesonderte Abstimmung über diese Bestimmung herbeizuführen und in dieser dann eine Mehrheit zu erlangen zu müssen, um ein Inkrafttreten der neuen Vorschrift zu verhindern. Die neuen Vorschriften waren damit schon Gesetz, als sie im Sommer 1118 vorgetragen wurden, sie hätten nur durch einen Mehrheitsbeschluss wieder kassiert werden können.148 Damit hat die Kommission unter Haflijis Leitung einen sehr großen Vertrauensvorschuss von der gesetzgebenden Versammlung erhalten. Unter Mehrheit wird hier vermutlich die Mehrheit in der gesetzgebenden Körperschaft lqgrétta verstanden, da es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass die gesamte Thingwelt in die Abstimmung über die neuen Gesetze mit einbezogen war.149 Dies wird nahegelegt durch die zweimalige Nennung der gesetzgebenden Kammer, in der 1118 die Gesetze vorzulesen waren und die ausdrückliche Erwähnung, dass dies dann auch dort geschah. Damit war höchstwahrscheinlich – wie auch bei sonstigen Gesetzgebungsinitiativen – nur die gesetzgebende Körperschaft mit ihren insgesamt 147 Mitgliedern dazu berufen, sich über die Novellen zu äußern.150 Augenscheinlich machte die Kommission von ihrem Auftrag, die Gesetze bei einem von ihr festgestellten Bedarf zu novellieren, auch Gebrauch, weil ansonsten der letzte hier angeführte Satz der Íslendingabók sinnlos wäre. Denn nur bei dem Erlass von Novellen gab es ein Widerspruchsrecht, nicht aber bei gegenüber dem mündlichen Zustand unveränderten Gesetzen.

148

149

150

Vilhjálmur Finsen, Om de islandske Love i Fristatstiden, in: Aarbøger for Nordisk Nordisk Oldkyndighed og Historie (1873), S. 101(222) meint dagegen, die Kommission hätte die neuen Gesetze im Sommer 1118 lediglich vorgeschlagen und diese seien erst von der lqgrétta (positiv) angenommen worden, nachdem sie vorgetragen worden waren. Dass diese Darstellung unzutreffend ist, ergibt sich schon aus dem zitierten Text der Íslendingabók und auch aus der von Vilhjálmur Finsen, Om de islandske Love i Fristatstiden, S. 101(103), gegebenen Übersetzung. Nur die Goden hatten Stimmrecht in der lqgrétta, nicht jedoch die 96 Berater, von denen jeweils zwei von jedem Goden hinzugezogen wurden, vgl. Sigurjur Líndal, Die Entwicklung der Verfassung und des Strafrechtssystems im altisländischen Freistaat, in: Albin Eser/Jonatan Thormundsson (Hrsg.), Old ways and new needs in criminal legislation, S. 27(31). Grundsätzlich hatte die gesetzgebende Versammlung lqgrétta im Gegensatz zu den vier Viertelsgerichten und dem Fünften Gericht auf dem Allthing legislative Funktion. Zu einzelnen Durchbrechungen dieses Grundsatzes, bei denen die lqgrétta Entscheidungen der Judikative traf, siehe eingehend Gunnar Karlsson, Ajgreining löggjafarvalds og dómsvalds í íslenska pjójveldinu, in: Gripla XIII (2002), S. 7 ff. (mit englischer Zusammenfassung S. 32).

Niederschrift der Gesetze 1117/1118 – Haflijaskrá

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Bezüglich der Kommisssionarbeit ist noch auf den Umstand hinzuweisen, dass die häufig vorgebrachte Vermutung, die Gesetze seien 1118 in der gesetzgebenden Versammlung deswegen von Priestern vorgelesen worden, weil keiner der weltlichen Häuptlinge lesen gekonnt habe,151 nicht zutreffen kann, weil Hafliji, wie auch viele weitere Häuptlinge seiner Zeit, vermutlich zum Priester geweiht war und somit feststehen dürfte, dass Hafliji lesen und schreiben konnte.152 Es kann jedoch sein, dass es damals wenig Leute gab, die Isländisch mit lateinischen Buchstaben auf Pergament schreiben konnten, da die isländische Schriftsprache sich gerade erst entwickelte (siehe dazu das nächste Kapitel). Eher dürfte daher die herausragende soziale Stellung Haflijis und der anderen Kommissionmitglieder Ursache dafür gewesen sein, dass weder er noch ein anderes Mitglied der Gesetzgebungskommission die Gesetze im Jahre 1118 auf dem Allthing vorgelesen hat. Die damit betrauten Priester waren damals meist Angestellte der weltlichen Kircheneigentümer. Die Geistlichen, die vermutlich auch die erste Niederschrift der Gesetze auf Haflijis Hof Breijabólstajur besorgt haben, können sowohl von der auf dem Hof selbst vorhanden Eigenkirche als auch von dem ersten isländischen Kloster Pingeyrar (vgl. dazu oben S. 47) gestammt haben, welches nur 20 Kilometer entfernt in Sichtweite des Hofes Breijabólstajur lag. Spekulationen darüber, dass das von Hafliji und seiner Kommission erarbeitete Gesetzbuch, die Haflijaskrá, einen wesentlich geringeren Umfang hatte, als die erhaltenen Gesetze,153 sind wohl nicht angebracht. Schon der Bericht Aris, es sei der Strafrechtsabschnitt und vieles andere in den Gesetzen aufgeschrieben worden ( pá vas skrifajr Vígslóji ok margt annat í lqgum154) macht es sehr wahrscheinlich, dass die weiteren Gesetze einen wesentlich größeren Umfang gehabt haben müssen als der Strafrechtsabschnitt für sich genommen. Der Umfang des in den beiden Haupthandschriften erhaltenen Strafrechtsabschnittes ist vermutlich auch nicht wesentlich größer als 151

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153

154

So beispielsweise Ásdís Egilsdóttir, Klerkar og samfélag, in: Hjalti Hugason (Hrsg.), Kristni á Íslandi I, S. 359(363); Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 68; Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(X): „Zum Vorleser ist der Rechtsprecher am Ding nicht geworden; die Weltlichen blieben der schwarzen Kunst noch lange fern.“ Sigurjur Líndal, Lög og lagasetning í íslenska pjójveldinu, in: Skírnir 158 Jg. (1984); S. 121(131). Vgl. den Hinweis auf die große Zahl der mit geistlichen Weihen Ausgestatteten unter den weltlichen Häuptlingen, bereits oben S. 29. Vgl. beispielsweise Vilhjálmur Finsen, Efterskrift, in: Grágás (dänische Übersetzung II), S. 217(219) (=Grágás Ib, Nachdruck Odense 1974), S. 217(219)); Karl v. Amira/ Karl August Eckhard, Germanisches Recht I, 4. Aufl. (1960), S. 121. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 10, S. 1(24).

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derjenige in der Haflijaskrá. Der Vergleich der Haupthandschriften mit dem ältesten Fragment von ca. 1150 zeigt überdies, dass die dort erhaltenen Bestimmungen im Wesentlichen gleichlautend mit den Haupthandschriften sind (vgl. dazu unten S. 101 ff.). Damit ist davon auszugehen, dass die erste umfassende Niederschrift der Gesetze in etwa einen vergleichbaren Umfang hatte, wie der in den Haupthandschriften überlieferte Text, nur dass in jenen noch um die 100 als Novellen gekennzeichnete zumeist kürzere Vorschriften zusätzlich enthalten sind. Welchen Umfang die 1117/1118 vorgenommenen Novellierungen haben, wird sich kaum je abschließend sagen lassen. Im Teil 4 und 5 der Arbeit sollen aber einige der möglichen Neuerungen, die vermutlich auf ausländische Vorbilder zurückgehen, untersucht werden. Solche Novellierungen von 1117/1118, die aufgrund der praktischen Erfahrung mit den bisherigen isländischen Gesetzen erlassen wurden und keine ausländischen Vorbilder haben, werden sich demgegenüber nicht ermitteln lassen, weil es keine anderen Berichte von der Überarbeitung der Gesetze in jenem Winter gibt. 1.14.2. Niederschrift in isländischer Sprache – Entwicklung der Schriftlichkeit Die isländischen Gesetze wurden von Anfang an in der Volkssprache und nicht, wie in vielen anderen Ländern über die ersten Jahrhunderte ihrer Schriftlichkeit hindurch üblich, in lateinischer Sprache niedergeschrieben. Voraussetzung hierfür war die Anpassung des lateinischen Alphabets an einige besondere Laute im Isländischen. Diese Anpassung erfolgte nicht schrittweise und von größeren Versuchen geprägt, sondern umfassend und aufgrund wissenschaftlicher Betrachtung, wie die Existenz des sogenannten Ersten Grammatischen Traktats belegt.155 Der Traktat ist wohl schon in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden, auch wenn eine genauere Datierung unsicher ist.156 Im Ersten Grammatischen Traktat wird anhand linguistischer Methoden, die erst im 20. Jahrhundert allgemeine Verbreitung gefunden haben, eine Rechtschreibung des Isländischen vorgeschlagen, die zum Beispiel anhand der Minimalpaarmethode spezielle Schreibungen für besonders gefärbte Vokale vorschlagen. Der Verfasser des Traktats hat ihn geschrieben, 155 156

Vgl. Kurt Braunmüller, Grammatische Traktate, in: RGA 12, S. 573(575 ff.). Vgl. Hreinn Benediktsson, Introduction, in: The First Grammatical Treatise, S. 13(23–33).

Niederschrift der Gesetze 1117/1118 – Haflijaskrá

[…] til pess at hægra verji at rita ok lesa sem nv tijiz ok a pessu landi bæji lög og ættvísi eja pyjingar helgar eja sva pav hin spaklegu fræji er ari porgilsson hefir á bækur sett af skynsamlegu viti […]157

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[…] damit es einfacher werde zu schreiben und zu lesen, wie es jetzt auch hierzulande üblich ist, sowohl Gesetze als auch Genealogien oder Auslegungen der heiligen Schrift oder auch diejenigen denkwürdigen Lehren, die Ari Porgilsson mit besonderem Verstand in Büchern niedergelegt hat […]

157

Der Autor des Ersten Grammatischen Traktats betont, dass die Gesetze ein wichtiger Bestandteil der eigenen schriftlichen Kultur eines Volkes sind und geht dabei wie selbstverständlich davon aus, dass sie in der Volkssprache aufgezeichnet werden. I flestum londvm setia menn a bækr annat tveggia pann frojleik er par innan lanz hefir giorz eja pann annan er minnisamligasztur pikkir po at annars staja[r hafi] helldr giorz eja lög sín setia menn a bækr hverr pioj a sína tvngu.158

In den meisten Ländern schreiben die Leute entweder das Wissenswerte in Büchern auf, was sich dort im Lande ereignet hat, oder das, was am Erinnerungswertesten einscheint, auch wenn es andernorts geschehen ist, oder die Gesetze schreiben Leute in Büchern auf, jedes Volk in seiner Sprache.

158

Der Autor des Ersten Grammatischen Traktates nennt die Gesetze noch an einer weiteren Stelle als Beispiel für muttersprachliche Texte,159 die aufgeschrieben werden, und betont, dass es am stärksten in den Gesetzen auf eine eindeutige Schreibweise ankommt, die nicht auf Interpretation durch den Leser angewiesen ist.

157

158 159

The First Grammatical Treatise, Hreinn Benediktsson (Hrsg.), S. 205(208). Eine deutsche Übersetzung durch Gustav Neckel und Felix Niedner findet sich unter dem Titel „Der grammatische Traktat“ in: Thule 20, Die jüngere Edda, S. 334–348. The First Grammatical Treatise, Hreinn Benediktsson (Hrsg.), S. 205(206). Vgl. auch die erneute Aufzählung der damals vorhanden drei Gattungen altnordischer Texte am Ende des Traktates, The First Grammatical Treatise, Hreinn Benediktsson (Hrsg.), S. (205)246.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Enn po aj aller mætte nakkvaj rett or giora pa er po vís von at pæygi vilí aller til eins færa ef malí skiptir allra helldz i logvm enda tel ek pik pa æigi hafa vel svaraj er pv lætr æigi pvrfa i varv maalí persa nív raddar stafi […]160

Auch wenn alle etwas Zutreffendes daraus [aus einer Schreibweise] machen [im Sinne von Interpretieren] könnten, so besteht doch eine gewisse Aussicht, dass nicht alle es auf dasselbe beziehen wollen, wenn es die Aussage verändert, am ehesten in den Gesetzen, und deswegen meine ich, dass Du nicht gut geantwortet hast, wenn Du meinst, in unserer Sprache diese neun Vokale nicht zu benötigen […].

160

Auch in der Einleitung der kurz nach 1200 entstandenen Hungrvaka, welche die Geschichte der Christianisierung und der Errichtung der Bischofsstühle wiedergibt, werden Gesetze an erster Stelle als Beispiel für Texte in isländischer Sprache genannt. […] pat er a norrænu er ritat, lög eja sögur eja mannfræji.161

[…] das, was in nordischer Sprache geschrieben ist: Gesetze, Sagas oder Genealogien.

161

Diese Aufzählungen der ersten Schriften auf Isländisch im Ersten Grammatischen Traktat und in der Hungrvaka entsprechen recht genau dem Bild, das man sich von der Entstehungsreihenfolge der ältesten isländischen Literatur gemacht hat.162 Bei den genannten Gesetzen handelt es sich vermutlich um die Zehntgesetze, die Aufzeichnung des Winters 1117/18 und eventuell auch schon das Christenrecht. Unter den Genealogien sind vermutlich die ersten Versionen der Landnámabók, welche die Besiedelung Islands beschreibt, zu verstehen. Mit Auslegungen der Heiligen Schrift sind Texte gemeint, wie sie in einem ca. 1200 entstandenen Homilienbuch, das auf einen Text aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückgehen dürfte, erhalten sind und das ebenso wie die Gesetze der Grágás zu den

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162

The First Grammatical Treatise, Hreinn Benediktsson (Hrsg.), S. 205(214). Vgl. Hungrvaka, in: ÍF XV, S. 1(3); In der deutschen Übersetzung für die Sammlung Thule ist bedauerlicherweise diese Einleitung weggelassen worden, vgl. Die Hungerweckerin, in: Thule 23, S. 189 Fn. 1. Vgl. Hreinn Benediktsson, Introduction, in: The First Grammatical Treatise, S. 13(181 ff.).

Das Christenrecht der Bischöfe Porlákur und Ketill (zwischen 1122 und 1133) 55

ältesten isländischen Sprachzeugnissen überhaupt zählt.163 Von den erwähnten Schriften Ari Porgilssons ist nur die Íslendingabók sicher als sein Werk bekannt. Die Ausführungen im Ersten Grammatischen Traktat lassen erkennen, dass sich die isländische Schriftsprache in engem Zusammenhang mit der ersten Niederschrift der Gesetze entwickelt hat. An späterer Stelle wird auf Hafliji Másson und seinen Einfluss bei der Niederschrift der Gesetze zurückzukommen sein (vgl. unten S. 129).

1.15. Das Christenrecht der Bischöfe Porlákur und Ketill (zwischen 1122 und 1133) Das Christenrecht der Grágás lässt sich nicht genauer als auf die Jahre zwischen 1122 und 1133 datieren, da während dieser Jahre Porlákur Runólfsson und Ketill Porsteinsson zeitgleich Bischöfe waren. In der Íslendingabók des Ari froji Porgilsson finden sich keine Angaben zum Christenrecht mehr, so dass von einer Entstehung der Íslendingabók vor dem Christenrecht auszugehen ist. Das Christenrecht beginnt in nahezu allen überlieferten Fassungen164 mit dem Satz: Pat er upphaf laga var a. at allir menn scolo kristnir vera landi her. oc trua a ein GuP fopur oc son oc helgan anda.165

Das ist die Grundlage unserer Gesetze, dass alle Leute hier im Lande christlich sein und an einen Gott – Vater und Sohn und heiligen Geist – glauben sollen.

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Vgl. Sigurbjörn Einarsson, Til kynningar, in: Íslensk hómilíubók, Sigurbjörn Einarsson/Gujrún Kvaran (Hrsg.), S. VII. Abweichend ist jedoch die Fassung der Stajarhólsbók. Vgl. Grágás II, Kap. 1, S. 1.03: A Dögum fejra vara voro pav lög sett at […] („In den Tagen unserer Väter wurde das Gesetz erlassen, dass […]“) Grágás Ia, S. 1.03–05; vgl. Grágás III, S. 1 (Skálholtsbók), S. 55 (Stajarfellsbók), S. 97 (Belgsdalsbók), S. 147 (Arnarbælisbók), S. 193 (AM 158 B 4to), S. 292 (AM 181 4to). Eine ausführlichere Version bietet die Handschrift AM 50 8vo, Grágás III, S. 231: Pat er upphaf laga varra islendinga sem upp haf er allra godra hluta. at allir menn skolu uera krisner her aa landi oc […]. („Das ist die Grundlage der Gesetze von uns Isländern sowie die Grundlage aller guten Dinge, dass alle Leute hier im Lande christlich sein sollen und […].“).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Das Wort upphaf erscheint wie eine Lehnübersetzung aus dem Lateinischen, denn es entspricht wortwörtlich dem Wort principium und kann sowohl Grundlage als auch Beginn heißen. Über die Verfasser gibt die Schlussbestimmung des Christenrechts Auskunft: Sua setto peir porlakr byscop oc ketill byscop at raji Autzorar erki byscopc oc Sæmundar oc margra kenni manna an ar a cristina laga pátt sem nu var tínt oc up sagt.166

So setzten Bischof Porlákur und Bischof Ketill auf Ratschlag Erzbischofs Össurs und Sæmundurs [fróji Sigfússon] und vieler anderer Geistlicher den Abschnitt der christlichen Gesetze, der nun dargelegt und aufgesagt wurde.

166

Anhand weiterer Bestimmungen des Christenrechts wird deutlich, dass es in Island nicht ganz unerhebliche Einflüsse der griechisch-ortodoxen Kirche gegeben haben muss. So enthält das Gesetz eine Bestimmung, die es verbietet, Dienste von Geistlichen anzunehmen, die nicht in lateinischer Sprache ausgebildet sind. Dort werden insbesondere Geistliche aufgeführt, die ermskir oder girskir sind. Ef byscopar coma ut hingat til landz eja prestar. peir er eigi ero lærpir a latino tungo. hvartz peir ero ermskir eja girskir oc er mönnom rétt at lyja a tipir peirra ef peir vilia.

166

Wenn solche Bischöfe oder Priester hier heraus in das Land kommen, die nicht auf Latein ausgebildet sind, gleich ob sie armenische (bzw. ermländische) oder griechische (russische?) sind, so ist es den Leuten gestattet, ihre Messen anzuhören, wenn sie wollen.

Grágás II, S. 45.25–46.02, vgl. Grágás Ia, S. 36.23–26, vgl. Grágás III, S 41.25–42.01 (Skálholtsbók), S. 291.03–06 (AM 181 4to). Die Arnarbælisbók bezeichnet neben den beiden Bischöfen noch Sæmundur fróji und einen Markus lqgmajr ebenfalls als Autoren, während Sæmundur in den anderen Texten nur als Berater genannt wird. In der Arnarbælisbók werden aber schließlich auch „alle Landsleute“ als Ratgeber bei der Gesetzgebung genannt, vgl. Grágás III, S. 147.03–08. Möglicherweise handelt es sich bei Markus lqgmajr um Markus Skeggjason, der einige Jahrzehnte früher, nämlich von 1084 bis 1107, Gesetzessprecher war.

Das Christenrecht der Bischöfe Porlákur und Ketill (zwischen 1122 und 1133) 57

Eigi scal kavpa tipir af peim. oc enga pionustu scal af peim pig ia. Ef majur lætr pann byscop vígia kirkio epa byscopa born er eigi er a látíno lærjr. oc verjr hann sekr .iii. m örcom vm pat vij penna byscop er her er ajr. enda scal pese taka vígslo kavp.

Sva scal kirkio vígia oc byscopa born sem ecki se at gert. pot peir hafe ifir sungit er eigi ero a latíno tungo lærjir.167

Man darf ihnen keine Messen abkaufen und von ihnen keinen Dienst annehmen. Wenn jemand denjenigen Bischof eine Kirche weihen oder Kinder firmen lässt, der nicht auf Latein ausgebildet ist, so wird er deswegen schuldig um 3 Mark gegenüber dem Bischof, der schon früher hier ist, und dieser soll den Weihlohn erhalten. Man soll die Kirche so weihen und die Kinder so firmen, als ob es nicht geschehen wäre, auch wenn schon die darüber gesungen haben, die nicht in lateinischer Sprache ausgebildet sind.

167

Mit dieser Bestimmung wird griechisch-orthodoxen Geistlichen die Tätigkeit in Island erheblich erschwert. Daneben bestimmte das Gesetz generell, dass ausländische Geistliche ihre Bücher und Messgewänder dem Bischof vorzeigen mussten, bevor sie Gottesdienste abhalten durften.168 Das Adjektiv girskur oder gerskur lässt zwei Deutungen zu. Einerseits könnte es von der Landesbezeichnung Garjaríki (Land der Rus) abgeleitet sein. Von dort bestanden in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts bis zum Tode von Haraldr harjráji in England im Jahre 1066 sehr enge Beziehungen nach Norwegen, weil Jarisleif (Jaroslav) I. der Weise, dem auch die erste Aufzeichnung der russischen Gesetze zugeschrieben wird,169 mit Ingigerjr, der Tochter Olafs des Heiligen, verheiratet war und auch der spätere norwegische König Haraldr harjráji sich längere Zeit in Kænugarjr (Kiev) aufgehalten hatte und mit Ellisif (Elizabeth), einer Tochter Jarisleifs (Jaroslavs), verheiratet war.170 Anderseits könnte girskur auch griskur und damit „griechisch“ bezeichnen. Als griechisch wurden in Island alle Leute aus dem damaligen byzantinischen Reich bezeichnet. Auch für diese Deutung würde wiederum die Person von König Haraldr harjráji eine Schlüsselposition einnehmen, da Haraldr auch nach seiner Rückkehr aus Byzanz nach Norwegen dem byzantinischen Reich freundschaftlich verbunden 167 168 169 170

Grágás II, S. 26.20–27.08; vgl. Grágás Ia, S. 22.10–20, Grágás III, S. 24.04–13. Vgl. Grágas II, S. 26.06–19, Grágás Ia, S. 21.30–22.10, Grágás III, S. 23.17–24.04. Vgl. A. Poppe, Jaroslav, I der Weise, in: LexMA 5, Sp. 306. Vgl. Sigurjur Líndal, Upphaf kristni og kirkju, in: Saga Íslands I, S. 225(251 f.).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

war.171 Haraldr war über mehrere Jahre mit einem eigenen Gefolge von fünfhundert Leuten in byzantinischen Diensten als Söldner tätig. Über die dortigen Geschehnisse berichten die Kapitel drei bis fünfzehn der Haralds saga Sigurjarsonar.172 Daher kann es sein, dass die Begriffe ermskur und girskur „armenisch“ und „griechisch“ bedeuten und nicht „ermländisch“ und „russisch“. Dagegen würde zwar die weitere Entfernung von Island sprechen. Die Tatsache jedoch, dass schon gegen Ende des 10., das ganze 11. Jahrhundert über und bis ins 12. Jahrhundert Isländer in Byzanz vor allem in der Warägergarde des Kaisers tätig waren173, zeigt, dass trotz der großen Entfernung Verbindungen bestanden.174 Noch kurz vor 1204 (vor dem Jahr 1197) kehrte ein Isländer, Sigurjr Oddsson, der im Beinamen grikkr (‚der Griechische‘) genannt wurde, nach vielen Jahren im Reich von Mikligarjr (‚die große Stadt‘, wie Byzanz auf Isländisch genannt wird) nach Island zurück.175 Er brachte ein Schwert mit, das den Namen Brynjubítr (‚Brünnenbeißer‘) trug. Im Jahre 1217 gehörte das Schwert Porvarjr Qrnólfsson, der im Eyjafjörjur im Norden Islands auf dem Hof mit Namen Mikligarjur/Miklagarjur wohnte.176 Es scheint kein Zufall zu sein, dass er Eigentümer des Schwertes wurde, nachdem auch der Name seines Hofes auf eine Affinität zu Byzanz hindeutet.177

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Vgl. Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Hrsg. und Üb.), S. 135(141). Die Frage der Autorschaft des Katakalon Kekaumenos für die Mahnrede ist nicht völlig zu klären, vgl. Georg Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, 3. Aufl. (1963), S. 263 mit Fn. 2. Nach Hilda R. Ellis Davidsson, The Viking Road to Byzantium, die sich S. 228 ebenfalls auf die Mahnrede an den Kaiser bezieht, wurden aufgrund dieser freundschaftlichen Beziehungen sogar griechische Geistliche von Konstantinopel nach Norwegen geschickt. Die Autorin liefert für diese Aussage jedoch keinen Beleg. Vgl. Snorri Sturluson, Haralds saga Sigurjssonar, in: ÍF XXVIII, Kap. 3–15, S. 68(71–89). Vgl. Else Ebel, Die Waräger, S. 2 f. Vgl. die namentlichen Nachweise von Isländern, die in Byzanz gewesen sind, bei Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(610, 652, 655, 663, 673, 680, 685, 688, 757, 766 f., 773, 774, 776, 783, 789, 797, 809, 888). Vgl. Gujmunda saga dy´ ra, in: Sturlunga saga I, S. 194, 198 f. und Íslendinga saga, in: Sturlunga saga I, Kap. 32, S. 229(260 f.); siehe auch Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(809); Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 221 f. Vgl. Sturla Pórjarson, Íslendinga saga, in: Sturlunga saga I, Kap. 32, S. 229(260). Es gibt in Island noch zwei weitere Höfe, die den Namen Mikligarjur tragen und es scheint möglich zu sein, dass die Namensgebung sich tatsächlich auf Byzanz bezieht, vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 222 Fn. 1.

Das Christenrecht der Bischöfe Porlákur und Ketill (zwischen 1122 und 1133) 59

Auch wenn deutlich mehr dafür spricht, dass sich die beiden Herkunftsbezeichnungen ermskur und girskur auf Armenien und das byzantinische Reich beziehen, kann letztlich dahinstehen, welcher Deutungsmöglichkeit der Adjektive man den Vorzug gibt, weil es sich bei den genannten Geistlichen wohl in jedem Falle um Anhänger der griechisch-orthodoxen Lehre gehandelt hat, da alle in Frage kommenden Länder ihrem Einflussbereich unterlagen. Verwunderlich an den Bestimmungen über nicht in lateinischer Sprache ausgebildete Geistliche ist, dass sie in etwa 50–60 Jahre nach dem wohl letzten Auftreten der von Ari erwähnten ermskir Bischöfe in die von den Bischöfen Porlákur und Ketill erlassenen Gesetze mit aufgenommen wurden.178 Wenn die Verfasser des isländischen Christenrechts mit diesen Bestimmungen keine allzu abstrakte und in der Vergangenheit liegende Gefahr bannen wollten, müsste es noch einen aktuelleren Anlass für den Erlass dieser verhältnismäßig ausführlichen Regelungen gegeben haben. Entweder hätten sich dann auch in der Zeit nach 1122 noch Geistliche der griechisch-orthodoxen Kirche in Island aufgehalten oder deren Besuch lag nicht allzu lange zurück, so dass aus Sicht des Erzbischofs in Lund und der beiden isländischen Bischöfe akuter Regelungsbedarf für diesen Fall bestanden hätte. Das Jahr 1133 wird als das offizielle Gründungsjahr des ersten Klosters in Island angesehen. Es war, wie dargelegt, zwar schon 1112 errichtet worden, aber der erste Abt kam erst im Jahre 1133 dorthin, so dass dieses Jahr häufig als Gründungsdatum angesehen wird. Dieses Kloster gehörte, wie wahrscheinlich auch weitere Gründungen, dem Benedektinerorden an.179 Jedoch wurde schon 1168 in Pykkvabær das erste von fünf Augustinerklöstern in Island gegründet.180

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Vgl. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XVII). Vgl. Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(82 f.). Vgl. Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(84).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

1.16. Zwei mögliche Novellen von Gujmundr Porgeirsson 1123–1134 In der Konungsbók werden zwei kurze Bestimmungen Gujmundr Porgeirsson, der von 1123 bis 1134 Gesetzessprecher war,181 zugeschrieben.182 Sofern es sich überhaupt um Novellen handelt, ist trotzdem anzunehmen, dass sie von der gesetzgebenden Versammlung beschlossen wurden, und nicht einfach vom amtierenden Gesetzessprecher als neues Gesetz verkündet wurden. Aufgrund der isländischen Formulierung („Gujmundr sagte, dass es Gesetz sei …“) ist aber auch denkbar, dass Gujmundr diese Bestimmungen in einem konkreten Fall als geltendes Recht anführte, sie aber keine Novellen darstellten, sondern nur Recht waren, das nicht jedermann 181 182

Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 427. Vgl. Grágás Ia, Kap. 108, S. 184.19–23: Pat sagje gujmvndr lög, at vettvangs bva ix. scal quejia vm aliotz ráj pav er a véttvangi ero rajen oc par coma fram enn heimilis bua ix. vm aliotz ráj pav öll er eigi coma fram. oc scal quejia ix. heimilis bva til pess er rej aliotz raj. („Gujmundur sagte, dass es Gesetz sei, dass man 9 Tatortanwohner wegen einer solchen Anstiftung zur Beeinträchtigung [eines anderen] herbeirufen soll, zu der am Tatort angestiftet wird und die dort begangen wird, aber 9 Wohnortanwohner wegen aller solcher Anstiftungen zur Beeinträchtigung [eines anderen], die nicht begangen werden, und man soll 9 Wohnortanwohner desjenigen herbeirufen, der zur Beeinträchtigung anstiftete.“) und Grágás II, Kap. 345, S. 370.14–18: Of pær sakir allar sem nv voro tindar. pa scal quejia bva heiman pajan fra sem sa majr fekk scaja er fyrir varj. En ef honom verjr eigi mein aj oc hafji hinn po til pes sty´ rt. pa scal quejia heimilis bva ix. heiman pes er sóttr er. („Wegen all dieser Sachen, die nun aufgezählt wurden, da soll man die Anwohner von dort von zu Hause herbeirufen, wo derjenige den Schaden erlitt, dem es zustieß. Wenn ihm kein Nachteil entsteht, der andere dies aber bezweckt hatte, dann soll man 9 Wohnortanwohner dessen, der verfolgt wird, von zu Hause herbeirufen.“); Grágás Ib, Kap. 143, S. 23.14: Pat sagje gujmundr lög at fapir barn omaga oc brøjr epa systr pær er hann a arf eptir at taca. peir menn eigo at eta alla avra omagans sem hann siálfr. Ef firnare omagar ero a avrom hans pa scolo peir menn abrot huerfa af avrom ef fe er eigi meira e n fulgor til pess er hann er xvi. vetra gamall. („Gujmundur sagte, dass dies Gesetz sei: Der Vater und solche Brüder oder Schwestern eines bedürftigen Kindes, die er beerben soll: Diese Leute sollen alle die Öre des Bedürftigen verzehren, wie er selbst. Wenn weiter entfernte Bedürftige von seinen Öre leben, dann sollen diese Leute seinen Öre nicht länger zur Last fallen, wenn nicht mehr Vermögen vorhanden ist als Kostgeld (für die Zeit) bis er 16 Winter alt ist.“) und Grágás II, Kap. 111, S. 142.01–05: Mopir barn omaga oc fajir oc brøjr oc systr eigo at eta alla avra omaga ns sem han sialfr ef hann er arf töko majr peirra. Ef firnare omagar ero a avrom hans. pa scolo peir af [sic] hverfa af avrom hans ef eigi er meira en fulgor til pes er hann er xvi. vetra gamall. („Die Mutter eines bedürftigen Kindes und der Vater und die Brüder und Schwestern sollen alle die Öre des Bedürftigen wie er selber verzehren, wenn er ihr Erbschaftsberechtigter ist. Wenn entferntere Bedürftige von seinen Öre leben, dann sollen sie seinen Öre nicht länger zur Last fallen, wenn nicht mehr Vermögen vorhanden ist, als Kostgeld (für die Zeit), bis er 16 Winter alt ist.“)

Novellen gegen Ende des 12. Jahrhunderts

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geläufig war. Dem Ersteller des Konungsbóktextes können diese beiden Vorschriften in diesem Zusammenhang bekannt gewesen sein und er mag sie deshalb Gujmundr Porgeirsson zugeschrieben haben. Dafür, dass die Vorschriften keine Novellen sind, spricht weiterhin, dass sie in der Stajarhólsbók nicht als Novellen gekennzeichnet sind und die erste Vorschrift dort in anderer Formulierung enthalten ist. Dies würde dazu passen, dass Gujmundr in einem konkreten Fall den Inhalt einer schon bestehenden Rechtsnorm wiedergegeben hat und diese Formulierung dann ihren Weg in den Text der Konungsbók gefunden hat.

1.17. Novellen gegen Ende des 12. Jahrhunderts Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden einige gesetzliche Bestimmungen neu erlassen, die überwiegend Feiertage betrafen. Während der Amtszeit des Bischofs Porlákr Porhallsson des Heiligen (1178–1193) wurden die Ambrosiusmesse (7. Dezember), die Cecilienmesse (22. November) und die Agnesmesse (21. Januar) gesetzlich eingeführt und es wurde festgelegt, dass man die Nächte vor den Messen der Apostel und des Hl. Nikolaus fasten solle.183 Der Überlieferung nach wurden in der gemeinsamen Amtszeit der Bischöfe Porlákr des Heiligen und Brandr Sæmundarson (ebenfalls 1178–1193) Bestimmungen über das Einhalten von Feiertagen in die Gesetze aufgenommen, womit vermutlich die Pfingstfeiertage gemeint waren, aber es ist unklar, wieviel in den Kapiteln über das Abhalten von Feiertagen in der Grágás184 zu Zeiten dieser Bischöfe erlassen wurde und was älter ist, denn nur die Stajarfellsbók185 gibt an, dass eine dieser Bestimmungen zu Zeiten der genannten Bischöfe erlassen wurde.186 Im Jahre 1199 wurde auf dem Allthing die Messe des Hl. Porlákr (23. Dezember) eingeführt. Im Jahre 1200 wurde die Messe für den zwischenzeitlich heiliggesprochenen Hólarbischof Jón Qgmundarson als Feiertag (23. April) angenommen.187

183 184 185 186 187

Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 68. Grágás Ia, S. 28–29; Grágás II 26–38 u. a. Grágás III, S. 79.12–13. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 68. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 68.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

In den Jahren 1195 bis 1201 wurde das Gesetz über ein Stockmaß (zwei Ellen) erlassen.188 Ein fast 10 Meter langes zehnfaches Stockmaß, das zwanzig Ellen lang war, befand sich ursprünglich an der Mauer der Kirchenwand in Pingvellir.189 Diese Markierung ist nicht erhalten, da im 16. Jahrhundert die Kirche an anderer Stelle neu errichtet wurde.190 Aus der Zeit dieser Novellen stammt vermutlich auch die Bestimmung über gesetzliche Pfunde.191 Die weiteren, vor allem in der Stajarhólsbók als solche kenntlich gemachten Novellen, die möglicherweise zum Teil auch in diesem Zeitraum erlassen wurden, lassen sich weder einer Person noch einem Jahr zuordnen, so dass sie erst im Zusammenhang mit den überlieferten Handschriften behandelt werden sollen.192

188

189

190 191

192

Vgl. Vilhjálmur Finsen, Oprindelige Ordning, S. 159. Hierzu berichtet die Páls saga byskups, in: ÍF XVI, S. 295(312): X. Kapítuli. Ádögum Páls byskups pá er Gizurr Hallsson hafji lögsögu pá gekk svá af sér ranglæti manna um álnar, bæji útlendra ok íslenskra, at eigi pótti svá lengr vera mega. Gaf pá pat ráj til Páll byskup at menn skyldi hafa stikur pær er væri tveggja álna at lengj, ok mátu pat menn mikit ok kvájusk undir pat mál. Styrkju pá ajrir höfjingjar mej byskupi, Gizurr ok synir hans, Porvaldr ok Hallr og Magnús, pat mál; einnig bræjur byskups, Sæmundr, er pá var göfugastr majr á öllu Íslandi, ok Ormr, er var bæji lögspakur ok at flestu forvitri, ok allir höfjingjar, ok váru pá lög á lögj eptir sem ávallt hefir haldizk síjan.“ („10. Kapitel. Während der Tage von Bischof Páll, als Gizurr Hallsson das Gesetzessprecheramt hatte, da ging so viel Unrecht von Leuten bezüglich Ellen vor sich, sowohl von ausländischen als auch von isländischen, dass es nicht mehr länger hinnehmbar erschien. Da machte Bischof Páll den Vorschlag, dass man solche Stöcke nehmen sollte, die zwei Ellen lang wären, und dies begrüßten die Leute sehr und schlossen sich dieser Sache an. Unterstützten dann andere Leute mit dem Bischof diese Sache, Gizurr und seine Söhne, Porvaldr und Hallr und Magnús; auch die Brüder des Bischofs; Sæmundr, der damals der hervorragendste Mann auf ganz Island war, und Ormr, der sowohl klug in Gesetzesdingen als auch sehr gelehrt in den meisten Sachen war, und alle Häuptlinge. Und darüber wurde dann ein Gesetz erlassen, das später stets beibehalten wurde.“) Vgl. Grágás II, Kap. 261, S. 288.10–13: Pat er mælt at nu scolo menn mæla vaj mal oc lerept oc klæji öll mej stikum peim er iafn langar ero x. sem kvarji .xx. sa er mercjr er a kirkio veg a pingvelli. oc scal legia pumal finr fyrir kueria stiko. („Dies ist bestimmt, dass man jetzt Wollstoff und Leinwand und alle Kleidungsstücke mit solchen Stöcken messen soll, von denen 10 so lang sind wie das 20-iger [=zwanzig Ellen lange] Maß, das an der Kirchenwand von Pingvellir markiert ist, und man soll einen Daumen vor jeden Stock legen.“); vgl. Grágás Ib (AM 347 fol.), S. 250.06–08. Vgl. Björn Th. Björnsson, Pingvellir, S. 111–114. Vgl. Diplomatarium Islandicum I, S. 311; Grágás II, Kap. 262, S. 289.17–18: Pat er lavg pundare er .viii. fiorjungar ero i vétt. en xx. merkr scolo i fiorjungi vera. („Das ist ein gesetzliches Pfund, wenn 8 Viertel in einer vætt sind. Aber 20 Mark sollen in einem Viertel sein.“); Grágás Ib, Kap. 232, S. 169.11–12. Siehe unten S. 90 ff.

Novellen von Bischof Magnús Gizurarson 1217–1237

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1.18. Novellen von Bischof Magnús Gizurarson 1217–1237 Den Annalen zufolge wurden im Jahre 1217, ein Jahr, nachdem Magnús Gizurarson den Bischofsstuhl in Skálholt erstmals bekleidete, einige Novellen angenommen.193 Diese finden sich in der Konungsbók der Grágás auch als solche kenntlich gemacht. Acht Nächte, für die das Gesetz zuvor kein Fasten vorschrieb, wurden zur gesetzlichen Fastenzeit bestimmt: Die Weihnachtsnacht, die Osternacht, die Nacht vor Christi Himmelfahrt, die Nacht vor Pfingstsonntag und die vier Mittwochnächte während der Langfastenzeit. Weiterhin wurde bestimmt, dass eine Patenschaft genauso wie Blutsverwandtschaft ein Ehehindernis sei. Damit wurden die Beschlüsse des 4. Laterankonzils von 1215 sehr frühzeitig in Island umgesetzt. Vor 1217 musste man für einen bedürftigen Verwandten zehn Öre in Wollstoff geben, auch wenn die Verwandtschaft nur im fünften Glied bestand. Dies wurde abgschafft.194

193 194

Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 69. Vgl. Grágás Ia, Kap. 18, S. 36.28–37.12: Pat var nymeli gort pa er magnvs Gizorar son var byscvp orpin. at nv er logscyllt at fasta. nætr per .viij. er apr voro eigi log scylldar. ein er iola nott. onnvr pascha nott. iij. fyrir vppstigningar dag. iiij. fyrir huitz sunnv dag. og mipuikv nætr .iiij. vm langafostv. per er eigi voro apr logteknar. Pat var annat nymæli. at iafna ætt scal bygia. sifiar og frændsemi. at .v. mani hvartveggia. par sem hiúskapar rapum scal rapa. oc scal par er frendsemi er at .v. mani giallda ena meira tiund. en par er frendsemi er at .v. mani oc .vi. scal gialda .c. alna. En par er at .vi. mani er hvart tvegia. scal gialda .x. avra. pa ligr ecki fe gialld a papan fra. pott hivskapar rapvm se rapit. pat var fornt lavgmal par er .iij. bræjra er mej monvm at frendsemi. at par skylldi til ömegjar legia .x. avrra. en nv er pat af tekit. („Das wurde als Novelle erlassen als Magnus Gizurarson Bischof geworden war, dass es nun gesetzlich geboten ist zu fasten in den 8 Nächten, in denen es zuvor noch nicht gesetzlich geboten war. Eine ist die Weihnachtsnacht, die andere die Osternacht, die 3te vor dem Auferstehungstag, die 4te vor Pfingstsonntag und die 4 Mittwochnächte während der Langfastenzeit, welche zuvor noch nicht ins Gesetz [als Fastentage] aufgenommen worden waren. Das war die zweite Novelle, dass Bluts- und Patenschaftsverwandtschaft beim Heiraten gleichbedeutend ist, (und man) von beiden Seiten im 5ten Glied (die Ehe eingehen darf ), dort, wo eine Ehe eingegangen werden soll. Und dort, wo Verwandtschaft im 5ten Glied besteht, soll der größere Zehnt gezahlt werden, und dort, wo Verwandtschaft im 5ten und 6ten Glied besteht, sollen 100 Ellen gezahlt werden. Und dort, wo von beiden Seiten im 6ten Glied (Verwandtschaft besteht), sollen 10 Öre gezahlt werden. Ab dort [bei noch entfernterer Verwandtschaft] besteht keine Geldzahlungspflicht mehr, auch wenn die Ehe eingegangen wird. Das war ein altes Gesetz, dass, wo Verwandtschaft im 5ten Glied [wörtlich 3ter Brüder] besteht, dass dort bei Bedürftigkeit 10 Öre zu zahlen waren, aber das in nun abgeschafft.“) Dagegen geht die Bestimmung Grágás Ib, Kap. 143, S. 25.25–26.09, sogar noch von einer Unterhaltsverpflichtung bei Bedürftigkeit eines weiter als im dritten Glied entfernt Verwandten aus, sofern eigene Leistungsfähigkeit bestand.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Im Jahre 1237 wurde die zweite Porláksmesse eingeführt.195 Ob diese Novelle in gleichem Maße wie die anderen Novellen von Bischof Magnús Gizurarson, der im selben Jahr verstarb, initiiert war, ist nicht bekannt.

1.19. Verhältnis von kirchlichem zu weltlichem Recht 1253 Eine Bestimmung zum Vorrang des kirchlichen vor dem weltlichen Recht bei einer Kollision von Vorschriften wurde wohl 1253 Gesetz.196 Dieses Gesetz bildet den vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung, die mit den Kirchengründungen durch weltliche Herrscher im 11. Jahrhundert ihren Anfang nahm. War das Zehntgesetz 1096 vermutlich wohl auch deswegen ohne großen Widerstand eingeführt worden, weil neben dem Bischofsstuhl Skálholt die durchweg weltlichen Herrscher mit ihren Eigenkirchen von den Einnahmen profitierten, so konnte sich der Bischof von Skálholt, der Heilige Porlákr (1178–1193), schon im Jahre 1179 in den Stajarmál hin fyrri (erste Streitigkeiten über das Patronatsrecht) genannten Auseinandersetzungen offen für die Unabhängigkeit aller Kirchen von ihren weltlichen Herren einsetzen, indem er darauf bestand, dass die Gott geweihten Kirchen nicht von weltlichen Herrschern verwaltet werden dürften, sondern dies nach den Gesetzen der Kirche durch ihn zu erfolgen hätte.197 An dieser offenen Auseinandersetzung lässt sich ersehen, dass die Kirche schon weniger als 200 Jahre nach der offiziellen Christianisierung und nur gut 80 Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Zehnten, offenbar so weit erstarkt war, dass sie weltlichen Herrschern offen mit der Exkommunikation drohen konnte. Der Bischof von Hólar, Gujmundr Arason (1203–1237), geriet über seinen Anspruch, einen Priester, der 1205 vor einem weltlichen Gericht verurteilt werden sollte, seiner Jurisdiktion zu unterwerfen, in heftige Auseinandersetzungen mit einigen weltlichen Machthabern, in deren Folge er durch die von ihm exkommunizierten Häuptlinge von seinem Bischofsstuhl vertrieben wurde und dann von 1214 bis 1218

195

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Vgl. Annales regii in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 77(130); Skálholts-Annaler, ebenda, S. 157(188); Grágás II, Kap. 28, S. 40.12, Grágás Ia, Kap. 13, S. 31.18. Vgl. Árna biskups saga, in: Biskupa sögur I, S. 719 Fn. 1, Diplomatarium Islandicum II, S. 1. Vgl. Porláks saga B, in: ÍF XVI, Kap. 13, S. 141(157); siehe auch Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(98 ff.).

Vertrag von 1262–1264

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Zuflucht in Norwegen beim Erzbischof nahm, welcher dann erstmalig Isländer nach Norwegen zu Gericht vorlud.198 Die Unabhängigkeit der Kirche bei der Rechtsprechung wurde entgegen den weiter reichenden Forderungen der Kirche nur in wesentlich geringerem Ausmaß und Jahrzehnte später erreicht, denn obwohl es ein Priestergericht gab, das als Disziplinargericht für Geistliche zusammentreten konnte, scheint auch die Novelle von 1253 die Jurisdiktion der Kirche in anderen Fragen nicht ausgedehnt zu haben, so dass grundsätzlich die weltlichen Gerichte weiterhin auch für die Belange der Kirche und die ihrer Angehörigen zuständig waren. Nur änderte sich eventuell das in derartigen Verfahren anzuwendende Recht mit der Maßgabe, dass nunmehr Kirchenrecht anzuwenden war.199 Der Anstoß zu dieser Novelle kam vermutlich vom norwegischen Erzbischof in Nijarós (heute Trondheim), unter den seit der Gründung des Erzbistums 1152 oder 1153 neben den mittlerweile fünf norwegischen Bischofsstühlen und den Bischofsstühlen für Grönland, die Färöer, die Orkneys, die Hebriden mitsamt der Isle of Man auch die beiden isländischen Bischofsstühle gehörten.200 Die Machtfülle des Erzbischofs zeigt sich auch darin, dass die beiden isländischen Bischofsstühle seit 1238 trotz der Wahl eigener Kandidaten auf dem Allthing und gegen den Willen der Isländer mit Norwegern besetzt worden waren.201

1.20. Vertrag von 1262–1264 In den Jahren 1262 bis 1264 wurde der oben S. 1 f. wiedergegebene Vertrag abgeschlossen, der einerseits Vertrag des isländischen Volkes mit der norwegischen Krone ist, andererseits aber auch gesetzesgleiche Verpflichtungen wie die Steuerpflicht der Isländer gegenüber dem norwegischen König mit sich brachte. Vertreten wurden die Isländer dabei durch die gesetzgebende Versammlung lqgrétta, aus der einige Leute für jedes Landesviertel dann den Eid leisteten.202 Wie eingangs dargelegt, ist es nicht ganz eindeutig zu klären, welches Verständnis bezüglich der Gesetzgebungshoheit

198

199 200 201 202

Vgl. die gestraffte Schilderung der u. a. in der Íslendinga saga und der Gujmundar saga biskups sehr ausführlich überlieferten Ereignisse bei Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(123–134). Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 101 ff. Vgl. Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(93). Vgl. Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(139). Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 70.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

für Island in dem Vertrag zu Grunde gelegt wurde.203 Bis zum Jahre 1271 scheinen das Allthing und die anderen Thinge damit nach den Regeln des Pingskapa páttr abgehalten worden zu sein.204 Unter den Vertragsbestimmungen findet sich mit Punkt 4. (siehe oben S. 1) eine Regelung, nach der ein Erbschaftsanspruch eines Isländers in Norwegen fortan nicht mehr der Verjährung unterliegt.205

1.21. Schrittweise Annahme der Járnsíja 1271–1273 Wie bereits oben S. 6 erwähnt, wurde im Jahre 1271 den Isländern von König Magnús lagabœtir (1263–1280)206 das Gesetzbuch Járnsíja207 aus Norwegen durch Sturla Pórjarson, Eindriji böggull und Porvarjr Pórarinsson zur Annahme auf dem Allthing übersandt. Im Jahre 1271 wurden aus diesem Gesetzbuch lediglich die neue Gerichtsverfassung sowie zwei Kapitel aus dem Erbrecht, über (außereheliche) Kinder von verheirateten Frauen

203

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206

207

Noch 1541 berief sich der lqgmajr Ari Jónsson, Sohn des letzten katholischen Bischofs Jón Arason darauf, dass die Isländer den König nur unter der Prämisse akzeptiert hatten, weiterhin eigene Gesetze erlassen zu können, vgl. Björn Porsteinsson/Sigurjur Líndal, Lögfesting Konungsvalds, in: Saga Íslands III, S. 17(35 f.). Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. 199 f. Diese Bestimmung erweitert die Vorschrift, welche in der Stajarhólsbók der Grágás, Grágás II, Kap. 68, S. 88.14–16 überliefert ist, in personeller Hinsicht, weil dort noch die Beschränkung auf im dritten Glied Verwandte enthalten ist: Austr scal taca arf vára landa næstabrøjri eja nánare majr. enda er nu heimting til fiarens huegi lengi sem pat ligr. („Im Osten [in Norwegen] soll ein im dritten Glied oder näher Verwandter die Erbschaft von unseren Landsleuten an sich nehmen, denn es besteht jetzt ein Anspruch auf das Gut, gleich, wie lange es dort liegt.“) Die Parallelbestimmung in der Konungsbók geht noch sowohl von einer dreijährigen Verjährung für in Norwegen angefallene Erbschaften als auch von einem engeren Berechtigtenkreis aus, vgl. Grágás Ia, Kap. 125, S. 239.10–11: Ef vár lande andaz avstr pa scal feet taca næsta brøjre eja nanare en feet ligr ser iola nott ena prijio. („Wenn ein Landsmann von uns im Osten [in Norwegen] stirbt, dann soll ein im dritten Glied oder näher Verwandter das Gut an sich nehmen und [der Anspruch auf] das Gut verjährt mit der dritten Weihnachtsnacht.“) Magnús’ Beiname lagabœtir ‚Gesetzesverbesserer‘ wurde ihm offenbar schon von seinen Zeitgenossen gegeben, vgl. Oddveria Annall, in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 427(484): [1280] hann bætti wid laug og landz riett: og war af pui kalladur Magnus laga bætir. („Er verbesserte/vermehrte die Gesetze und das Landrecht und wurde deshalb Magnus Gesetzesverbesserer genannt.“) Einführend siehe Dieter Strauch, Járnsíja, in: RGA 16, S. 36 f. Der Name Járnsíja wird schon in den Annalen verwendet, vgl. Høyersannáll (für 1272), in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 55(68).

Schrittweise Annahme der Járnsíja 1271–1273

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und die Adoption angenommen. Daneben wurde dem König erneut die Gefolgschaft, die vor allem die Steuerpflicht beinhaltete, für das gesamte Land zugesichert.208 Nachdem im Jahr 1271 schon zwei Kapitel des Erbrechtsabschnitts angenommen worden waren, wurde im Jahre 1272 die Járnsíja bis auf die übrigen Teile des Erbrechtsabschnitts komplett Gesetz.209 Eine Ursache für die schleppende Annahme der Járnsíja war vermutlich der Unmut der Isländer, dass man ein ‚norwegisches‘ Gesetzbuch akzeptieren sollte. Obwohl die Járnsíja vom norwegischen König initiiert war, war unter ihren Verfassern vermutlich der Isländer Sturla Pórjarson. Sie war daher in Wahrheit kein rein norwegisches Gesetzbuch.210 Ein weiterer Grund für die schleppende Annahme kann darin bestanden haben, dass nach der Konzeption der Járnsíja ein sehr großer Teil der zahlreichen in ihr vorgesehenen Strafzahlungen an den König zu leisten waren und die bisherigen an viele Verwandte des Getöteten zu zahlenden Bußen nunmehr zu Gunsten einer einzig den Erben zu zahlenden Buße abgeschafft wurden.211 Damit wurde der Anreiz, jemanden gerichtlich zu verfolgen, stark vermindert. Die reicheren Bauern und Häuptlinge, die bisher an diesen Bußen gut verdient hatten, verloren dadurch eine vermutlich

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Vgl. Annales regii, in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 76(138); Oddveria Annall, ebenda, S. 427(483) sowie oben Fn. 14. Annales regii, in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 76(139), Oddveria Annall, ebenda, S. 427(483); Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 20, S. 1(29): Var ok á pessu pingi lögtekin öll bók sú er konungrinn hafji utan sent nema erfjarbálkr var eigi lögtekinn nema tveir kapítular er hit fyrra sumar var játat. („Auf diesem Thing wurde auch das gesamte [Gesetz-]Buch als Gesetz angenommen, dass der König von draußen gesandt hatte, bis darauf, dass der Erbrechtsabschnitt nicht als Gesetz angenommen wurde, bis auf zwei Kapitel, die im vorangegangenen Sommer angenommen worden waren.“) Vgl. Gujrún Ása Grímsdóttir, Um sárafar í Íslendinga sögu Sturlu Pórjarsonar, in: Jónas Kristjánsson/ Gujrún Ása Grímsdóttir (Hrsg.), Sturlustefna, S. 184(196 f., 201; mit englischer Zusammenfassung S. 202 f.). Vgl. Járnsíja, in: Norges Gamle Love I, Kap. 42, S. 259(273–274): En af fe veganda dæme .vij. menn skilriker loglega tilnefder slika gerj eptir lagaskilorje. sem pæir sia rættlegast fire guje oc malavexter ero til. ervingiom hins dauja æinom. En allar ajrar frændbætr oc saktal skal falla nijr sua at huargiz frændr ajrer taki ne giallde framarr en nu er skillt. („Von dem Gut des Totschlägers sollen 7 verständnisvolle und gesetzesmäßig dazu ernannte Leute eine solche Summe nach den Gesetzesvorgaben einzig dem Erben mit Urteil zusprechen, wie sie es als am richtigsten vor Gott ansehen und wie Anlass in der Sache dazu besteht. Aber alle anderen Verwandtenbußen und Zahlungen sollen abgeschafft sein, so dass keine anderen Verwandten mehr erhalten oder zahlen als jetzt bestimmt wird.“)

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

nicht ganz unbedeutende Einnahmequelle.212 In diesem Zusammenhang kann auch die nachfolgende Bestimmung Járnsíja verstanden werden: […] at log hins helga Olafs konongs stande eptir pui sem hann skipaje po at pess hafe eigi her til gætt verit fyri fegirndar saker at sa er mann drepur saklaust hafe fyregort fe og frije og se utlægr og ugilldr huar sæm hann verjr staddur bæji konungi og frændum.213

[…] dass die Gesetze von König Olaf dem Heiligen weiterhin gelten, wie er bestimmte, auch wenn es bislang aus Gründen der Geldgierigkeit nicht eingehalten wurde, dass derjenige, der, ohne dass dazu hinreichender Anlass gegeben wird, einen Mann erschlägt, sein Gut und seinen Frieden verwirkt hat und aus dem Gesetz und bußlos sei, sowohl gegenüber dem König als auch gegenüber den Verwandten (der Erschlagenen), wo auch immer er angetroffen wird.

213

Schließlich wurde im Herbst des Jahres 1273 zur Martinsmesse (11. November) der noch ausstehende Teil des Erbrechtsabschnitts der Járnsíja aufgrund der Fürsprache von Rafn Oddsson, des lqgmajr Sturla Pórjarson214 und wohl vor allem des Bischofs Árni Porláksson215 angenommen. Das Amt des Gesetzessprechers (lqgsqgumajr) war mit Abschaffung des alten Gerichtsverfassungsrechts 1271 aus der Welt und wurde mit anderer Funktion vom lqgmajr übernommen.216 Sturla Pórjarson (1214–1284), der Historiograph und Neffe Snorri Sturlusons, war bereits 1251 lediglich einen Sommer lang Gesetzessprecher gewesen217 und übte das Nachfolgeamt des lqgmajr von 1272 bis 1276 für ganz Island und von 1277, als das 212

213 214

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217

Vgl. Gujrún Ása Grímsdóttir, Um sárafar í Íslendinga sögu Sturlu Pórjarsonar, in: Jónas Kristjánsson/ Gujrún Ása Grímsdóttir (Hrsg.), Sturlustefna, S. 184(194 f.). Járnsíja, in: Norges Gamle Love I, Kap. 20, S. 259(266). Vgl. Annales regii, in: Gustav Storm (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1587, S. 76(139); Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 26, S. 1(43): Petta sumar kómu peir til Íslands Hrafn Oddsson Porvarjur Pórarinsson, ok mej flutningi herra byskups ok peira fyrrnefndra valdsmanna var petta haust játat norrænum erfjabælki at Marteinsmessu. („Diesen Sommer kamen Hrafn Oddsson Porvarjr Pórarinsson nach Island und aufgrund der Fürsprache des Herrn Bischofs und den vorgenannten Statthaltern wurde in diesem Herbst zur Martinsmesse der norwegische Erbrechtsabschnitt angenommen.“) Vgl. Ólafur Lárusson, Alpingi árij 1281, in: Lög og saga, S. 223(228 f.). Vgl. die eher unspezifische Erwähnung des lqgmajr in der Járnsíja, in: Norges Gamle Love I [dort bezeichnet als Hákonarbók], S. 259 ff. [Kap. 2, 3, 5, 6]; 293 [Kap. 112]). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 428.

Christenrecht von Bischof Árni 1275

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Amt auf zwei je für zwei Landesviertel zuständige Personen verteilt wurde, bis 1282 für das nördliche und westliche Landesviertel aus.218 Dem Namen nach bestand die gesetzgebende Körperschaft lqgrétta noch fort, sie war aber seitdem schwerpunktmäßig als Gericht konzipiert und hatte eine sehr eingeschränkte Funktion im Gesetzgebungsverfahren, die eher eine faktische als eine rechtliche verankerte war.219 Dennoch wurde der lqgrétta im Rahmen ihrer Rechtsprechungsbefugnis das Recht zur Rechtsfortbildung zuerkannt.220 Die Járnsíja war im Umfang wesentlich geringer als die Gesetze der Freistaatszeit. In der einzig erhaltenen Handschrift AM 334 fol. (Stajarhólsbók), in der auf den Blättern 1v bis 92r der zweite Haupttext der Grágás neben dem in der Konungsbók enthalten ist, befindet sich der Text der Járnsíja auf den Blättern 92v bis 108r. Die Druckausgabe in Norges Gamle Love umfassst nur 42 Seiten.221 Inhaltlich ist das Gesetzbuch in weiten Teilen an die norwegischen Reformgesetze des Magnús Lagabætir angelehnt, die in den Jahren 1267 bis 1269 erlassen wurden. In 24 der 141 Kapitel des Gesetzbuches sind jedoch auch Regeln der Grágás übernommen.222

1.22. Christenrecht von Bischof Árni 1275 Obwohl die Járnsíja seit ihrer vollständigen Annahme im Herbst 1273 Fragen des weltlichen Rechts in Island regelte, galt im kirchlichen Bereich weiterhin das alte Christenrecht der Bischöfe Porlákr und Ketill aus dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts. Da die Kirche nunmehr in vielen Belangen andere Positionen vertrat, begann der Bischof in Skálholt, Árni Porláksson (1269–1298), im Winter 1273 mit der Abfassung eines neuen Christenrechts.223 Dabei hat sich Bischof Árni inhaltlich stark am Christenrecht ori218

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Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, S. 1(30); Jón Sigurjsson, Lögsögumanna tal og lögmanna, in: Safn til sögu Íslands II, S. 1(39 ff.). Vgl. im einzelnen Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 290 f., 328 ff., sowie Einar Arnórsson, Réttarstaja Íslands, S. 265. Vgl. Járnsíja, in: Norges Gamle Love I, Kap. 3, S. 259(260): Nu pat er allt ær logbok skilr æigi pa scal pat af hverio male hava er logrættomenn verja a eitt satter oc pæim pikker rættast fire guje. („Bezüglich all dessen, was das Gesetzbuch nicht unterscheidet, da soll man in jeder Sache das annehmen, auf das sich die Mitglieder der lqgrétta einigen und das ihnen am richtigsten vor Gott erscheint.“) Vgl. Járnsíja, in: Norges Gamle Love I, S. 259–300. Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. 199(203) und ausführlich Ólafur Lárusson, Grágás og lögbækurnar (1923), S. 7–24. Vgl. Magnús Stefánsson, Frá gojakirkju til biskupskirkju, in: Saga Íslands III, S. 109(150).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

entiert, welches Erzbischof Jón raujr in Nijarós zu jener Zeit erließ. Dennoch finden sich in ihm auch Bestimmungen aus dem Christenrecht der Bischöfe Porlákr und Ketill.224 Im Sommer 1275 wurde das neue Recht dann auf dem Allthing zur Annahme präsentiert, jedoch wurden einige Bestimmungen nicht angenommen. Bezüglich dieser Bestimmungen wollte man den Entscheid von König Magnus lagabœtir und Erzbischof Jón abwarten. Da der Bischof von Hólar auf dem Allthing nicht anwesend war, wurde das neue Christenrecht ohne die beanstandeten Regelungen vermutlich nur für das Bistum Skálholt angenommen und auch dort nur als vorläufig angesehen.225 Im Bistum Hólar bestand erst ab 1354 aufgrund eines Königsbriefs Gewissheit, dass das neue Christenrecht galt.226 Das Christenrecht von Bischof Árni setzt die Vorstellungen der Kirche von Unabhängigkeit von weltlichen Machthabern um und folgt stärker als das alte Christenrecht den Vorgaben des kanonischen Rechts.227 Mit seiner neuen Kirchenpolitik, deren Folge auch das neue Christenrecht war, löste Bischof Árni die Stajarmál hin síjari (spätere Streitigkeiten über das Patronatsrecht) aus, in deren Rahmen umfangreiche Prozesse vor dem Erzbischof und dem König darüber geführt wurden, ob die von Privatleuten gestifteten und von ihnen und ihren Erben selbst im Einklang mit dem alten Christenrecht verwalteten Ländereien vollständig der Kirche zufallen sollten. Schon im Sommer 1273 wurden in einigen Musterprozessen die betreffenden Kirchen und das dazugehörige Land dem Bischof von Skálholt und seinen Nachfolgern zugesprochen.228

1.23. Annahme der Jónsbók 1281 Im Jahre 1281 wurde schließlich die Jónsbók,229 die im Sommer 1280 nach Island geschickt worden war, nach einer langen und kontroversen Diskus224

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Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. (206). Vgl. Magnús Stefánsson, Frá gojakirkju til biskupskirkju, in: Saga Íslands S. 109(150f.). Vgl. Magnús Stefánsson, Frá gojakirkju til biskupskirkju, in: Saga Íslands S. 109(252). Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. (206). Vgl. Magnús Stefánsson, Frá gojakirkju til biskupskirkju, in: Saga Íslands S. 109(123–144). Zur Jónsbók siehe Dieter Strauch, Jónsbók, in: RGA 16, S. 71–74.

199 III, III, 199 III,

Annahme der Jónsbók 1281

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sion angenommen.230 Einer der maßgeblichen Autoren dieses neuen Gesetzbuches für Island scheint der Isländer Jón Einarsson (gest. 1306) gewesen zu sein, nach dem das Gesetzbuch bald genannt wurde.231 Er war schon in den Jahren 1267 und 1269–1270 Gesetzessprecher (lqgsqgumajr) gewesen232 und wurde 1277 Gesetzesmann (lqgmajr) neben Sturla Pórjarson.233 Damit wird deutlich, dass auch unter Geltung der neuen Gesetze eine deutliche personelle Kontinuität im wichtigsten Amt der Rechtspflege bestand, weil, wie oben (S. 68 f.) bereits angeführt, auch Jón Einarssons Amtsvorgänger Sturla Pórjarson Gesetzessprecher war, bevor er lqgmajr wurde. Die Jónsbók orientiert sich viel enger als die Járnsíja an den Bestimmungen der Grágás, aus welcher 105 von 251 Kapiteln unmittelbar übernommen wurden. Daneben gibt es Vorschriften, die über die Grágás in die Járnsíja und von dort in die Jónsbók gelangt sind, sowie solche, die von der Grágás in die norwegischen Landschaftsgesetze der zweiten Gesetzgebungsinitiative von Magnús lagabætir von 1271 bis 1274 und von dort in die Jónsbók übernommen wurden. Mit Annahme der Jónsbók traten daher viele Bestimmungen des alten Rechts wieder in Kraft.234 Dennoch kritisierten die Bauern das Gesetzbuch stark. Vor allem wurden die strengen Strafrechtsbestimmungen gerügt. Dies kann wiederum auf dieselbe Konzeption der Strafbestimmungen wie in der Járnsíja zurückzuführen sein, nach der die Strafzahlungen überwiegend dem König zufielen und nicht mehr an die Verwandten des Verletzten zu leisten waren.235 Daneben hielt man die Bestimmungen, welche die Landwirtschaft betrafen, für unpraktikabel. Von Seiten der Kirche meinte Bischof Árni, dass das Gesetz gegen kirchliches Recht verstieß:

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Die Diskussion wird ausführlich in der Árna saga biskups, in: ÍF XVII, S. 86–98 geschildert; siehe auch Ólafur Lárusson, Alpingi árij 1281, in: Lög og Saga, S. 223–248, insbesondere 238 ff.; Jón Jóhannesson, Íslendinga saga II, S. 21 ff. Vgl. Björn Porsteinsson/Sigurjur Líndal, Lögfesting Konungsvalds, in: Saga Íslands III, S. 17(43); Jón Jóhannesson, Íslendinga saga II, S. 21; Ólafur Lárusson, Alpingi árij 1281, in: Lög og saga, S. 223(229). Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 428. Vgl. Jón Sigurjsson, Lögsögumanna tal og lögmanna, in: Safn til sögu Íslands II, S. 1(42). Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. 199(203 f.) und ausführlich Ólafur Lárusson., Grágás og lögbækurnar (1923), S. 25–75. Vgl. oben Fn. 244; Gujrún Ása Grímsdóttir, Um sárafar í Íslendinga sögu Sturlu Pórjarsonar, in: Jónas Kristjánsson/Gujrún Ása Grímsdóttir (Hrsg.), Sturlustefna, S. 184(194 f.).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Fannz mönnum svá sem margir hlutir væri í henni mjök frekir um óbótamál ok ajra hluti pá sem óhentir vóru landsbúinu. Byskupi pótti ok margir hlutir í henni móti Gujs lögum. Var pat pá rájs tekit er hon var skojut at lögtaka hana eigi alla. Rituju pá sérhverir pat sem eigi vildu sæma né játa. Vóru í einn staj byskup ok klerkar ok vinir byskups, í öjrum staj handgengnir menn, í prijja staj vóru bændr.236

Die Leute fanden, dass viele Dinge bezüglich der Missetaten in ihm [dem Gesetzbuch] sehr anmaßend waren und dass andere Dinge für die Landwirtschaft im Lande unpassend wären. Dem Bischof schienen viele Dinge gegen das Gesetz Gottes zu verstoßen. Als es [das Gesetzbuch] geprüft wurde, wurde der Entschluss gefasst, es nicht vollständig anzunehmen. Schrieben dann alle dasjenige auf, was sie weder akzeptieren noch annehmen wollten. Auf einer Seite standen der Bischof und die Priester sowie die Freunde des Bischofs, auf der zweiten Seite die Diener des Königs und auf der dritten Seite waren die Bauern.

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Als dann vom Bischof und von den Bauern – die Diener des Königs werden in der Saga mit ihren Anmerkungen nicht weiter erwähnt – alle Punkte, die ihnen im neuen Gesetzbuch unannehmbar erschienen, in der gesetzgebenden Versammlung verlesen wurden,237 geriet der Abgesandte des norwegischen Königs, Lojinn leppr, darüber sehr in Zorn, dass die Bauern sich so ‚breit‘ machten, dass sie meinten, sie könnten über die Gesetze im Lande bestimmen, über welche der König allein zu bestimmen hätte.238 An dieser Äußerung zeigt sich offen die unterschiedliche Auffassung über die Staatsorganisation in Island. Während die isländischen Großbauern, die ehemaligen Goden, seit Gründung des Staates wie selbstverständlich die Beratung und Verabschiedung der Gesetze in ihrer Hand hatten, hängt Lojinn schon der zu jener Zeit stärker ins Bewusstsein rückenden Lehre von princeps legi-

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Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 62, S. 1(86). Vgl. die Aufzählung der einzelnen angegriffenen Bestimmungen in der Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 62, S. 1(86–93). Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(93): Herra Lojinn varj vij petta mjök heitr at búkarlar gerju sik svá digra at peir hugju at skipa lögum í landi, peim sem konungr einn saman átti aj rája. („Herr Lojinn wurde dabei sehr zornig [wörtlich: heiß], dass die Bauern sich so breit machten, dass sie dächten, sie könnten über solche Gesetze im Land bestimmen, über welche der König alleine zu bestimmen hätte.“)

Annahme der Jónsbók 1281

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bus solutus an.239 In den norwegischen Landschaftsgesetzen von König Magnús Hákonarson lagabœtir findet sich diese Sichtweise auch in den Formulierungen En ef pa [scil. logmajr oc logrettu] skil a pa raje logmajr oc peir sem mej honum samjyckia nema kononge mej hinna skynsamaztu manna raje litizt annat logligra. („Aber wenn sie [scil. der Gesetzesmann sowie die gesetzgebende Versammlung] nicht einer Meinung sind, dann sollen der Gesetzesmann und die, die mit ihm einer Meinung sind, bestimmen, es sei denn, der König – mit dem Rat der verständigsten Leute – hält etwas anderes als für den Gesetzen gemäßer“) sowie hann [der König] er ifir login skipajr („er [der König] ist über das Gesetz gestellt“).240 Es ist jedoch festzuhalten, dass die Grundkonzeption der Jónsbók davon ausgeht, dass der König die Gesetze zu beachten und befolgen hat241 und er damit auf Island eine andere Stellung hatte als nach den norwegischen Landschaftsgesetzen. Darauf ließ Bischof Árni einen Brief von Erzbischof Jón verlesen, den dieser beim letzten Reichstreffen 1280 in Bergen hatte anfertigen lassen.242 In diesem Brief243 wurden die Vergleichsinhalte der Konkordate von 1273 in Bergen und 1277 in Tunsberg wiedergegeben. In diesen Vereinbarungen hatten sich der König und die Kirche über ihre Machtsphären geeinigt.244 Von Seiten der Allgemeinheit wurde sehr schlecht aufgenommen, dass nach dem neuen Gesetzbuch 40 Straftaten als so schwer eingestuft wurden, dass alleine ihre Begehung die (kirchliche) Verbannung auslöste, und auch

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Diese Formel wird in D. 1. 3. 31 Ulpian zugeschrieben (Ulpianus libro XIII ad legem Iuliam et Papiam). Ihre Wurzeln reichen jedoch noch weiter zurück, vgl. Dieter Wyduckel, Princeps legibus solutus est, in: HRG 3 (1984), Sp. 1956 ff. Den nyere Lands-Lov, I, 4; I, 11, in: Norges Gamle Love II, S. 1(16; 21); vgl. auch Friedrich Merzbacher, Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir von 1274 und seine Bedeutung für die norwegische Rechtsgeschichte, in: ZRG (GA) 99 (1982), S. 252(263). Vgl. Sigurjur Líndal, Lögfesting Jónsbókar 1281, in: Tímarit lögfræjinga 32. Jahrgang (1982), S. 182(191) unter Verweis auf Jónsbók (1904), Kap. 8, S. 26 [=Jónsbók (2004), Kristinn réttur og konungaerfjir, Kap. 7 (S. 94)]: En at konungr viti sik pví heldr skyldugan vij pegna sína lög at halda ok um at bœta, pá skal hann pessu játa sínu fólki mej fullri stajfesti eptir pat er hann er til konung tekinn: […] („Und damit der König sich dessen bewusst ist, dass er verpflichtet ist, gegenüber seinen Untertanen die Gesetze einzuhalten und zu verbessern, da soll er dieses seinem Volke verbindlich zusagen nachdem er zum König erhoben wurde: […]“). Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(94). Vgl. Diplomatarium Islandicum II, S. 100–107, 139–155, 174–188. Vgl. zum Konkordat von Tunsberg Gudmund Sandvik, Saettargjerda i Tunsberg og kongens jurisdiksjon, in: Anders Bratholm/Torkel Opsahl/Magnus Aarbakke (Hrsg.), Samfunn Rett Rettferdighet – Festskrift til Torsten Eckhoffs 70-årsdag, S. 563 ff.

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

nach den Äußerungen von Bischof Árni 35 Taten eine solche Folge nach sich ziehen sollten.245 Besonders heftiger Streit entbrannte daraufhin über die Frage des Vorranges der kirchlichen Gesetze vor den weltlichen und über den Zehnten, den Lojinn leppr als Beispiel für einen angeblichen Machtmissbrauch der Bischöfe ins Spiel brachte, um die Stimmung der Allgemeinheit für sich und das neue Gesetzbuch zu gewinnen. Lojinn nannte den isländischen Zehnten, der eine Vermögenssteuer war, den größten Wucher und gesetzeswidrig und ohne Gleichen in der ganzen Welt.246 Als Bischof Árni dann erwiderte, dass Papst Innozenz diesen Zehnten nicht als Wucher eingestuft hätte und niemandem durch ihn Seelenschaden entstehen würde247, war jedoch die Stimmung wohl schon gegen den Bischof gekippt, so dass Lojinn nachsetzen konnte: Pér tölujuj, herra byskup, at pér munduj fylgja bréfi Jóns erkibyskups ok sættarbréfi peira Magnúss konungs ok ny´ jum kristinrétt, ok at Gujs lög skyldi ganga yfir landslög, en pví mun hvárigu af mér játaj, ok hvergi kom ek par til lands né lagar at svá sé nokkors konungs réttindi undir fótum trojin sem hér, ok pó mest af byskupum.248

Ihr sagtet, Herr Bischof, dass Ihr dem Brief Erzbischof Jóns folgen würdet und dem Vergleiche von ihm und König Magnús und dem neuen Christenrecht und dass Gottes Gesetz dem Landesrecht vorgehen soll, und dieses beides wird von mir nicht anerkannt werden, aber nirgendwo bin ich in ein Land oder den Geltungsbereich eines Gesetzes gekommen, wo das Recht eines Königs so mit den Füßen getreten wurde wie hier und dabei am stärksten von den Bischöfen.

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Mit dieser Anspielung auf die mittlerweile stark angewachsene Macht der Bischöfe, hatte er einen wunden Punkt angesprochen, der dazu führte, dass das neue Gesetzbuch mit einigen Änderungen, bis auf von neun Leuten, die alle dem Bischof zuzuordnen sind, angenommen wurde.

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Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(94). Es wird vermutet, dass Bischof Árni sich auch auf die Schrift Summa de casibus conscientiae von Raymond de Pennaforte bezog, von der sich in Skálholt noch 1604 Auszüge auf einer Pergamenturkunde befanden, vgl. am angeführten Ort Fn. 1. Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(95 f.). Vgl. Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(96). Árna saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 63, S. 1(96).

Zusammenfassung

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Trotz des oben angedeuteten Bedeutungsverlustes der lqgrétta bei der Gesetzgebung (siehe oben S. 4 f. und S. 65 f.) ist festzuhalten, dass in der Praxis die lqgrétta, die nun nach der Jónsbók fast ausschließlich als Gericht angelegt war,249 auf dem Allthing allen Gesetzesneuerungen aus Norwegen und später aus Dänemark, welche meist réttarbætr (‚Rechtsergänzungen‘ bzw. ‚-verbesserungen‘) genannt wurden, zustimmen musste, damit diese für Island Gültigkeit erlangten. Daneben setzten sowohl die lqgrétta auf dem Allthing als auch einzelne Gerichte auf den Distriktsthingen, die weitgehend den bisherigen Frühjahrsthingen entsprachen, abstrakte Regeln, die praktisch Gesetzeskraft hatten. Diese galten entweder nur lokal oder wurden später auf dem Allthing bestätigt und erlangten somit Geltung für ganz Island. Solche Gerichtsurteile ergingen auf allgemeine Rechtsanfragen zur Klärung unklarer Passagen der Jónsbók, aber auch zur Entscheidung von in der Jónsbók nicht geregelten Fragen.250

1.24. Zusammenfassung Die isländischen Gesetze haben sich von der Gründung des isländischen Staates und dem Erlass der ersten an die damaligen Gulathingslög angelehnten Gesetze im Jahre 930 bis zur endgültigen Annahme eines in Norwegen vorbereiteten Gesetzbuches im Jahre 1281, der Jónsbók, in einer bemerkenswerten Weise fortentwickelt. Die Entwicklung erfolgte aber, nach allem was sich erkennen lässt, nicht völlig gleichmäßig. Während anfangs noch die Staatsverfassung mit der Einteilung des Landes in Viertel, der Vermehrung der Godentümer und der Errichtung des Fünften Gerichts fortentwickelt wurde, erfolgten nach 1118 bis zur Annahme der Gesetzbücher aus Norwegen überwiegend nur noch kleinere Ergänzungen einzelner Vorschriften. Größere Gesetzesänderungen sind nach 1118 vermutlich nicht erfolgt, da es dafür ansonsten Belege in den Quellen geben müsste. Die

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Nach der Jónsbók hatte die lqgrétta nur noch 38 Mitglieder: Drei aus jedem der zwölf Thingbezirke sowie die beiden lqgmenn. Je ein lqgmajr (‚Gesetzesmann‘) war für das südliche und östliche sowie für das nördliche und westliche Landesviertel entsandt, die nun jeweils einen Rechtsbezirk bildeten. In Gerichtsverfahren wurden 6, 12, oder 24 von einem oder beiden lqgmenn benannte Mitglieder der lqgrétta als Richter tätig. Vgl. im einzelnen Jónsbók, Ólafur Halldórsson (Hrsg.), Kap. 3, S. 8, bzw. Jónsbók, Már Jónsson (Hrsg.), Kap. 3, S. 83. Siehe auch Björn Porsteinsson/Sigurjur Líndal, Lögfesting konungsvalds, in: Saga Íslands III, S. 17(64f ). Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og saga, S. 199(208 ff.).

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Überblick über die Entwicklung der Gesetzgebung von 930 bis 1281

Überarbeitung der Gesetze im Zuge ihrer Niederschrift im Winter 1117/ 1118 verdient daher besondere Aufmerksamkeit. Anhand der Annaleneinträge für jenes Jahr lässt sich auch ersehen, dass die Gesetzgebungsarbeit von Hafliji, Bergpórr und den anderen Mitgliedern der Kommission nach Ansicht der Annalenschreiber im 12. und 13. Jahrhundert weit über das reine Niederschreiben der Gesetze hinausgegangen sein muss, da der typische Eintrag in den Annalen lqgfundr, ‚Gesetzestreffen‘, bzw. ‚Konferenz über Gesetze‘ lautet.251 Wäre die Arbeit der Kommission auf das Niederschreiben beschränkt gewesen, hätte der entsprechende Annaleneintrag eher ritun laga oder skráning laga (‚Niederschrift der Gesetze‘) gelautet. Trotz der Arbeit der Gesetzgebungskommission wurden offenbar aber auch viele Regelungen weitgehend unverändert schriftlich niedergelegt. Dies wird deutlich aufgrund der Tatsache, dass sich zu den Gesetzesänderungen von vor 1117, von denen wir Kenntnis haben, meistens entsprechende Bestimmungen in den Gesetzeshandschriften finden. Vor diesem Hintergrund ist kaum nachvollziehbar, dass auch in jüngerer Zeit wiederholt Zweifel daran geäußert wurden, dass die Gesetze der Grágás in der Freistaatszeit so gegolten haben, wie sie überliefert sind.252 Diese Zweifel wurden meist mit den Divergenzen zwischen den Isländersagas und den Gesetzen sowie mit dem großen Umfang der Gesetze begründet. Die Unterschiede zwischen den Isländersagas und den Gesetzen sind schon mehrfach Forschungsgegenstand gewesen. Die geschilderten Zweifel sind jedoch unbegründet, denn schon aus der oben dargestellen Entwicklung der Gesetzgebung ist ersichtlich, dass die Gesetze vor 1118, also zur Zeit der in den Isländersagas geschilderten Ereignisse, zum Teil einen anderen Inhalt hatten als in den überlieferten Gesetzeshandschriften.253 Zum anderen ist nicht ohne weiteres einleuchtend, warum die Textmenge der Gesetze dazu geführt haben soll, dass sie keine praktische Geltung gehabt hätten. 251

252

253

Vgl die Annalen für die Jahre 1117 und 1118 in: Islandske Annaler indtil 1587 (Hrsg. Gustav Storm), Annales regii, S. 77(112): Lögfvnndr; Gottskalks Annaler, S. 297(320): lavgfvndr; im Oddveria Annall, S. 427(473) jedoch unzutreffend für das Jahr 1116 angegeben: laugfundr. Vgl. beispielsweise Else Ebel, Gode, Godentum, in: RGA 12, S. 260(262); Wolfgang Gerhold, Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, S. 15, 19; Jón Vijar Sigurjsson, Chieftains and Power in the Icelandic Commonwealth, S. 18; William Ian Miller, Bloodtaking and Peacemaking, S. 228 mit N. 19 (S. 358 f.), 230 f. Vgl. aus neuerer Zeit Hans Henning Hoff, Das Verhältnis der Grágás zu den Isländersagas und den sogenannten Gegenwartssagas, in: Hans-Georg Hermann/Thomas Gutmann/Joachim Rückert Mathias Schmöckel/Harald Siems (Hrsg.), Von den Leges Barbarorum bis zum ius barabarum des Nationalsozialismus – Festschrift für Hermann Nehlsen zum 70. Geburtstag, S. 531–559 auch mit dem Nachweis älterer Literatur.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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2. Handschriften und Ausgaben der Grágás 2.1. Überlieferte Handschriften der Grágás Die Gesetze der Freistaatszeit, auf die innerhalb des Synallagmas Steuerzahlung gegen Befriedung des Landes im Gamli sáttmáli 1262–1264 so ausdrücklich hingewiesen wurde, sind im Wesentlichen in zwei umfangreichen Folio-Handschriften aus dem 13. Jahrhundert, der Konungsbók und der Stajarhólsbók, überliefert.1 Es sind immerhin zwei Fragmente von Gesetzeshandschriften erhalten, die deutlich älter als die beiden Haupthandschriften sind. In jüngeren Handschriften aus dem 14. und 15. Jahrhundert finden sich dagegen nur noch Auszüge aus den Gesetzen der Freistaatszeit. Am häufigsten findet sich darunter das alte Christenrecht von 1122 bis 1133. Zweck der nachfolgenden Darstellung ist es, zu ermitteln, welche Handschrift den besseren Text enthält und damit die größere Beachtung verdient bei der Frage, welche Bestimmungen sich schon in der Haflijaskrá von 1117/1118 befunden haben können und welche Fassung bei dem Vergleich der isländischen Gesetze mit außerisländischen Rechtsregeln vorrangig heranzuziehen ist, wenn die Normen der beiden Haupthandschriften voneinander abweichen. 2.1.1.

Einzelne Fragmente aus der Zeit von ca. 1150–1200

2.1.1.1. AM 315d fol. Das Fragment AM 315d fol. im Quart- oder einem kleinen Folioformat ist das älteste Fragment mit dem Text der isländischen Gesetze der Freistaatszeit.2 Es wird auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert.3 Da es aus 1

2 3

Eine umfassende Auflistung aller relevanten Fragmente und Handschriften gibt Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse oder det haandskriftlige Materiale, in: Grágás III, S. XXXVI-LVI. Facsimile siehe: Grágás III, nach S. 716, Tafel III. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(x).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

dieser Zeit sehr wenig Vergleichsmaterial gibt, ist eine genauere Datierung als auf die Zeit zwischen 1150 und 1200 nicht zu erreichen, auch wenn eine Entstehung um 1150 herum wahrscheinlicher ist.4 Das Fragment besteht aus einem Pergamentbogen zwischen dessen Text auf Seite 2 und dem auf Seite 3 eine Lücke ist, die bis zu 6 Seiten Text ausmachen kann.5 Das Fragment AM 315d fol. enthält Teile des Landabrigjis páttr.6 Da nur Text aus einem Abschnitt enthalten ist, ist nicht vollkommen sicher, ob das Fragment von einer Handschrift stammt, die umfassend das geltende Recht seiner Zeit enthalten hat oder nur Teile davon. Vilhjálmur Finsen geht aber davon aus, dass es sich um die Überreste eines vollständigen Codex handelt.7 Zum Vergleich des Textes dieses Fragments mit dem Text der Stajarhólsbók und dem der Konungsbók siehe unten S. 103 ff. und S. 311 ff. 2.1.1.2. AM 315c fol. Ein weiteres Fragment mit der Signatur AM 315c fol. wird auf den Beginn des 13. Jahrhunderts datiert.8 Das Fragment besteht aus einem größeren und sechs kleineren Stücken, die so schmal sind, dass sich auf ihnen jeweils nur drei bis vier Buchstaben befinden.9 Das größere Stück des Fragments enthält einen Teil des Rannsócna páttr, der praktisch wörtlich mit dem Text der Konungsbók übereinstimmt.10 Die sechs kleineren Stücke enthalten einen Teil des Ómaga bálkr.11 Weil das Fragment AM 315c fol. Textpassagen zweier verschiedener Abschnitte der Gesetze enthält, scheint es der Überrest einer ehedem vollständigen Grágás-Handschrift zu sein.

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6

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9 10 11

Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. XIV. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse over det haandskriftlige Materiale in: Grágás III, S. XXXVI f. Facsimile von S. 3 des Fragments siehe: Grágás III, nach S. 716, Tafel III. Vgl. den Abdruck des Fragmenttextes in: Grágás Ib, S. 219–226, sowie in: Grágás (1992), S. 481–485. Vgl. Vilhjálmur Finsen, in: Grágás Ib, S. 219. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(x). Facsimile siehe: Grágás III, nach S. 716, Tafel IV oben. Vgl. Grágás Ib, S. 231–232 mit Kap. 227, S. 163.21–165.08. Vgl. Grágás III, S. 490–501 mit Rekonstruktion des Texts anhand der bezüglich dieser Bestimmungen weitestgehend übereinstimmenden Haupthandschriften.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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2.1.2. Konungsbók, um 1250 Größere Beachtung der beiden Haupthandschriften hat stets die ältere der beiden Handschriften, die Konungsbók, erfahren. Die Eigentümer der Handschrift lassen sich bis etwa 1510 zurückverfolgen, als Porsteinn Finnbógason Eigentümer war.12 Der isländische Bischof Brynjólfr Sveinsson schenkte die Handschrift im Jahre 1656 dem dänischen König Frederik III., vermutlich, weil er sich davon versprach, dass sie dann im Druck erscheinen würde. Seitdem wird diese lange Zeit in der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen unter der Signatur AM Gl. kgl. saml. 1157 fol. verwahrte Handschrift Konungsbók genannt. Die Konungsbók wurde den Isländern im Jahre 1979 zurückgegeben und befindet sich seitdem im Arnamagnaeanischen Institut in Reykjavik13 (seit dem 1. Sept. 2006 firmierend als Stofnun Árna Magnússonar í íslenskum fræjum). Die Handschrift besteht nunmehr aus 93 zweispaltig beschriebenen Blättern im Format 35,5 × 24,3 cm.14 Die Spalten weisen 33 oder 35 Zeilen auf. Nach Blatt 37verso fehlt der Handschrift vermutlich ein Blatt.15 Die Handschrift wurde von zwei Händen geschrieben. Die Hand A hat Blatt 1–13 (Kristinna laga páttr und einen Teil des Pingskapa páttr) und die Hand B die Blätter 14–93 geschrieben.16 Die Handschrift dürfte im Wesentlichen eine Abschrift älterer Texte darstellen.

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16

Vgl. Páll Eggert Ólason, Preface, in: The Codex Regius of Grágás, S. 5(7). Vgl. für das Vorstehende Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xii). Ausführliche Beschreibung der Handschrift z.B. bei Hans Fix, Grágás Graphemische Untersuchungen zur Handschrift GKS 1157 fol., S. 4–8 und bei Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse over det haandskriftlige Materialet, in: Grágás III, S. XXXVI(XXXVII ff.); siehe auch Grágás (1992), S. xii. Páll Eggert Ólason, Preface, in: The Codex Regius of Grágás, S. 5(8) geht von zwei fehlenden Blättern aus, was im Vergleich mit dem Text der Stajarhólsbók als eher unwahrscheinlich erscheint. Vgl. Hreinn Benediktsson, Early Icelandic Script as Illustrated in Vernacular Texts from the Twelfth and Thirteenth Centuries, S. xxxi [im hinteren und separat paginierten Teil des Buches nach den Tafeln]. Nach Hans Fix, Graphemische Untersuchungen zur Handschrift GKS 1157 Fol., S. 4 stammt Blatt 1r-25v von Hand A und Blatt 26r-93v von Hand B. Hier wurde bei den Angaben „25v“ und „26r“ wohl Blatt mit Seite verwechselt, denn tatsächlich endet der von Hand A geschriebene Text auf Blatt 13v (=Seite 25) und Hand B beginnt auf Blatt 14r (=Seite 26). Die Blätter in der Handschrift wurden in späterer Zeit durchgängig mit arabischen Ziffern (also hier 25, 26) paginiert.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Im von Hand B geschriebenen Text findet sich sehr häufig marginal ein „¶“, mit dem einzelne Vorschriften innerhalb eines Kapitels voneinander abgegrenzt werden.17 2.1.2.1. Inhalt der Konungsbók Die Konungsbók enthält Vorschriften zu allen Bereichen des Rechts der Freistaatszeit und auch deutlich mehr einzelne Abschnitte als die Stajarhólsbók, so dass zu einigen Rechtsgebieten, vor allem denen des Gerichtsverfassungsrechts, einzig der Text der Konungsbók erhalten ist. Die Handschrift beginnt mit dem Abschnitt des Christenrechts, dem Kristinna laga páttr (Kap. 1–19 der Ausgabe von Vilhjálmur Finsen; Grágás Ia, S. 3–37; die folgenden Kapitel- und Seitenangaben beziehen sich auf Teil Ia dieser Ausgabe). Daran schließt sich der nur dort überlieferte Abschnitt über die Thingverfassung an (Pingskapa páttr, Kap. 20–85, S. 38–143). Danach folgen die Abschnitte Vígslóji (Strafrecht, Kap. 86–112, S. 144–192), Baugatal (Bußgeldbestimmungen, Kap. 113–115, S. 193–207) und der Abschnitt über das Amt des Gesetzessprechers, dessen Aufgaben vor allem in diesem gesonderten Abschnitt, dem Lqgsqgumanns páttr (Kap. 116, S. 208–210), geregelt werden. Seine Aufgaben werden jedoch auch in den schon erwähnten Abschnitten über die Thingverfassung (Pingskapa páttr) und dem auf den Lqgsqgumanns páttr folgenden Abschnitt über die gesetzgebende Versammlung (lqgréttu páttr, Kap. 117, S. 211–217) näher umrissen. Nach diesem prozessualen Schwerpunkt mit Gerichtsverfassungs-, Prozess- und Strafrecht folgt der Erbrechtsabschnitt Arfa páttr (Kap. 118–127, S. 218–250). Auf ihn folgt der Teil über die Versorgung der Bedürftigen Ómaga bálkr (Kap. 128–143, Grágás Ib, S. 3–28; die folgenden Kapitel- und Seitenangaben beziehen sich auf Teil Ib). Daran reiht sich der Abschnitt über die Verlöbnisse und das Eherecht Festa páttr (Kap. 144–171, S. 29–75), an dessen Ende eine ganze Reihe von Vorschriften aufgeführt sind, die nicht dem Verwandtschaftsrecht zuzuordnen sind. So enthält das Kapitel 164 Sanktionsbestimmungen beim furtum usus an Pferden und viele weitere Regelungen in Bezug auf Pferde. Das Kapitel 165 trägt die Überschrift „Über Gefahrtragungen“ Um ábyrgjir) und die Kapitel 166 bis 168 regeln die Rechtsverhältnisse betreffend Seeschiffe. Dann schreibt Kapitel 169 vor, dass alle zeugenlosen (Kauf )Verträge bindend sind und die Hinzuziehung von Zeugen nur bei vier besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften 17

Vgl. nur The Codex Regius of Grágás, Bl. 13r linke Spalte Zeilen 3, 9, 29 und öfter.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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erforderlich ist: Dem Erwerb von Land, dem Erwerb eines Godentums, dem eines Seeschiffes und bei der Verlobung. Die Schlusskapitel dieses Abschnitts, Nummer 170 und 171, enthalten Bestimmungen über das Fundrecht und das Verbot, Gold oder Silber zu vergraben. Der Abschnitt der Landeinforderung (Landbrigja páttr, Kap. 172–220, S. 76–139) geht dem Abschnitt über das Verleihen von Gut (Um fiárleigur, Kap. 221–226, S. 140–161) voraus. Der folgende Abschnitt Rannsókna páttr (Kap. 227–233, S. 162–170) regelt vor allem das Nachforschungsrecht des Eigentümers nach seinem Eigentum in Abgrenzung zu Vermögensdelikten wie Raub und Diebstahl. Der sich anschließende Abschnitt „Über die Aufgaben der Gemeinden“ (Um hreppaskil, Kap. 234–236, S. 171–180) wirkt in der Konungsbók durch seine separate Überlieferung außerhalb eines größeren Abschnittes wie ein eigenständiges Gesetz. Auf diesen Abschnitt, der unter anderem die praktische Umsetzung der Armenfürsorge regelt, folgen einige einzelne Kapitel, die inhaltlich sehr verschieden sind und ebenfalls wie einzeln erlassene Gesetze wirken (Kap. 237–254, S. 181–204). Unter ihnen befinden sich auch die Kapitel, die den Vertrag mit der norwegischen Krone enthalten, der ursprünglich um 1022 abgeschlossen und um 1083 erneuert wurde. Diese Kapitel enthalten Bestimmungen über das Recht des norwegischen Königs auf Island (Kap. 247), über das Recht der Isländer in Norwegen (Kap. 248; siehe oben S. 32) und über das Erbrecht von Norwegern auf Island (Kap. 249). Als letzten Abschnitt enthält die Konungsbók das Zehntgesetz Um tíundargjald (Kap. 255–268, S. 205–218). Da sowohl das Zehntgesetz als auch der Vertrag mit dem norwegischen König aus dem 11. Jahrhundert stammen, ist es möglich, dass es sich auch bei den Gemeinderechtsbestimmungen Um hreppaskil (Kap. 234–236) und den einzelnen Kapiteln danach um eigenständige Gesetze handelt, die im Zeitpunkt der Gesetzesrevision von 1117/1118 schon erlassen waren, die aber bei der Überarbeitung der Gesetze nicht besonders verändert und daher auch nicht in die größeren Abschnitte eingereiht wurden. 2.1.2.2. Besonderheiten des Textes der Konungsbók Der Text der Konungsbók kennzeichnet relativ wenige Normen als Novellen,18 auch wenn die meisten der in der Stajarhólsbók als Novellen gekennzeichneten Vorschriften in der Konungsbók ebenfalls enthalten sind. 18

Vgl. aber The Codex Regius of Grágás, Bl. 45v linke Spalte, Zeile 3; Bl. 47r rechte Spalte, Zeile 28.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Weiterhin finden sich in der Konungsbók eher häufig Vorschriften, die nicht vollständig aufgenommen sind, sondern bei denen nach dem ersten Halbsatz usque in finem bzw. ein usque steht, häufig gefolgt von den Schlusswörtern der betreffenden Bestimmung.19 An diesen Stellen kann der Text der Konungsbók meist über eine Parallelstelle in der Stajarhólsbók ergänzt werden. Ein denkbarer Grund, warum in der Konungsbók so viele Stellen nicht ausgeschrieben sind, kann sein, dass dem Benutzer des Werkes andere Bücher mit den vollständigen Vorschriften vorgelegen haben. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, dass der Gesetzessprecher das Gerichtsverfassungsrecht jeden Sommer und das übrige geltende Recht über den Zeitraum von drei Sommern verteilt auf dem Allthing vorzutragen hatte, mag der Grund für die nur stark abgekürzt aufgenommenen Stellen darin liegen, dass der Gesetzessprecher das gesamte geltende Recht praktisch auswendig kennen musste und ihm ein Manuskript wie die Konungsbók dabei geholfen haben kann, seinen wohl völlig frei gehaltenen Gesetzesvortrag vorzubereiten, er aber die Vorschriften ohnehin so gut kannte, dass er bei vielen Vorschriften nicht mehr als deren Anfangswörter als Gedächtnisstütze benötigte. Für diesen Zweck der Konungsbók spricht auch der in vierzehn Vorschriften auftretende Hinweis auf den Gesetzessprecher, der von sich in der ersten Person Singular spricht.20 In der umfangreicheren Stajarhólsbók dagegen finden sich nur zehn Bestimmungen, in denen der Gesetzessprecher von sich in der ersten Person spricht.21 Wie schon oben erwähnt, ist der vor allem von Hand B geschriebene Text in der Handschrift mit verschiedenen Marginalzeichen verhältnismäßig stark gegliedert, von denen das „¶“ das häufigste Zeichen ist.22 Diese Gliederung des Inhalts ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Konungsbók deutlich weniger in Kapitel gegliedert ist als die Stajarhólsbók.

19

20

21

22

Vgl. Die Auflistung der Novellen und der nicht vollständig ausgeschriebenden Bestimmungen bei Vilhjálmur Finsen, Tillæg VI. A., in: Grágás III, S. 474–480. Vgl. Grágás Ia, Kap. 8, S. 23.19 (=Grágás II, Kap. 19, S. 28.08); Kap. 9, S. 26.10 (=Grágás II, Kap. 24, S. 34.05–06); Kap. 13, S. 30.03 (=Grágás II, Kap. 28, S. 38.15); Kap. 14, S. 31.22 (=Grágás II, Kap. 29, S. 40.17); Kap. 34, S. 61.15; Kap. 47, S. 81.26, 82.02; Kap. 56, S. 97.20; Kap. 77, S. 125.10; Kap. 97, S. 172.14; Kap. 98, S. 174.05; Kap. 122, S. 233.15 (=Grágás II, Kap. 63, S. 80.11); Grágás Ib, Kap. 139, S. 21.12; Kap. 192, S. 101.04 (=Grágás II, Kap. 402, S. 438.09). Zusätzlich zu den eben schon zitierten Parallelbestimmungen sind dies: Grágás II, Kap. 105, S. 135.19–20; Kap. 113, S. 146.16; Kap. 389, S. 417.05–05; Kap. 442, S. 514.14. Vgl. das Verzeichnis aller Marginalzeichen bei Vilhjálmur Finsen, Tillæg VI. B., in: Grágás III, S. 481–489.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Somit wird vielfach durch Marginalzeichen kenntlich gemacht wird, dass eine neue Vorschrift beginnt, wenn in der Stajarhólsbók schon ein neues Kapitel beginnt. 2.1.2.3. Datierung der Konungsbók Die Konungsbók wird aufgrund des handschriftlichen Befundes meist auf ca. 1250 datiert.23 Eine genauere Datierung lässt sich allenfalls über den Inhalt der Handschrift erreichen.24 So wurde geäußert, die Konungsbók (und ebenso die Stajarhólsbók) könne erst nach 1326 geschrieben sein, weil die Messe für Magnús Eyjajarl, den Jarl auf den Orkneyinseln, erst in jenem Jahr gesetzlich eingeführt worden sei, aber in beiden Haupthandschriften schon als gesetzlicher Feiertag aufgeführt wird.25 Dieser Umstand war jedoch schon vorher zur Kenntnis genommen, aber als Datierungskriterium ausgeschieden worden, weil Magnús Eyjajarl schon um 1200 im Norden und Westen Islands als Heiliger verehrt wurde.26 Als sicher kann gelten, dass die Konungsbók nach 1216 geschrieben wurde, da das Kap. 18 im Christenrechtsabschnitt mit den Worten beginnt: Pat var nymeli gort pa er magnvs Gizorar son var byskvp orpin. at …27

Es wurde eine Novelle erlassen, als Magnús Gizurarson Bischof geworden war, dass …

27

Da Magnús Gizurarson im Jahre 1215 Bischof wurde, sind die an dieser Stelle in der Konungsbók aufgeführten Novellen nicht vor 1216 erlassen worden. Eine Bestimmung über das Bußgeld für einen Freigelassenen, die sich in beiden Haupthandschriften findet, ist ebenfalls zur Bestimmung eines terminus post quem herangezogen worden: 23

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27

Vgl. Vilhjálmur Finsen, Efterskrift, in: Grágás (dänische Übersetzung II), S. 217(220); Jón Sigurjsson, in: Diplomatarium Islandicum I, S. 75; siehe auch Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xiii). Die sprachlichen Besonderheiten der Grágás deuten ins 12. Jahrhundert, vgl. Einar Ólafur Sveinsson, Ritunartími Íslendingasagna, S. 120 ff. Vgl. die Nachweise bei Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xii f.). Vgl. Jón Sigurjsson, in: Diplomatarium Islandicum I, S. 75; Magnús Már Lárusson, Sct. Magnus Orcadensis Comes, in: Saga III (1962), S. 470–479. Vgl. Grágás Ia, Kap. 18, S. 36.28–29.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Hálfan rétt scal hann taca er hann kømr á iarls iörj. en pa allan oc fullan er hann kømr a konungs iörj. Penning28 scal hann gefa goja peim er hann leipir i lög.29

Halbe Buße soll er nehmen, wenn er auf den Grundbesitz des Jarls gelangt, und dann gesamte und volle Buße, wenn er auf den Grundbesitz des Königs gelangt. Einen Pfennig soll er dem Goden geben, der ihn in die Rechtsordnung einführt.

2829

Da in dieser Bestimmung auf Ländereien des Königs und solche eines Jarls Bezug genommen wird, aber zweifelsfrei feststeht, dass es sich um eine isländische Vorschrift handelt, weil im nächsten, inhaltlich mit dem vorigen zusammenhängenden, Satz ein Gode genannt wird, ist daraus geschlossen worden, dass die Bestimmung und damit die gesamte Handschrift, in der sie zu finden ist, erst nach 1258 entstanden sein kann, weil erst in jenem Jahr der erste Isländer, Gizurr Porvaldsson, den Titel eines Jarls verliehen bekommen hat.30 An diesem Erklärungsversuch ist nicht ganz stimmig, dass bezüglich des Grundbesitzes eines Jarls auf die erste Verleihung eines Jarlstitels an einen Isländer 1258 abgestellt wird, jedoch bezüglich des Grundbesitzes des Königs angenommen wird, dass die Vorschrift schon vor der schrittweisen Anerkennung einer Steuerpflicht gegenüber dem König und damit einer Form von Herrschaftsgewalt im Jahre 1262 erlassen worden sein soll. Es ist wahrscheinlicher, dass die Vorschrift einfach nach privatrechtlichem Eigentum differenziert und nicht rein formal nach direkter Herrschaftsbefugnis eines norwegischen Machthabers auf Island, die selbst nach 1273 nicht ohne weiteres gegeben war. Da aber schon während des von Unruhen gekennzeichneten Zeitalters, das meist Sturlungenzeitalter (Sturlungaöld ) genannt wird, Ländereien in Island im Eigentum des norwegischen Königs standen, ist es gut möglich, dass auch norwegische Jarle Ländereien auf Island hatten. Folglich kann die Norm auch schon vor 1258 erlassen worden sein.31

28

29 30

31

Ca. 2,7g. Entspricht im Gewicht der arabischen Silbermünze „dirhem“, vgl. Grágás (1992), S. 133 Fn.2. Grágás Ia, Kap. 112, S. 192.11–14 (=Grágás II, Kap. 161, S. 190.05–07). Vgl. Konrad Maurer, Über das Alter einiger isländischer Rechtsbücher, in: Germania XV (1870), S. 1(9). Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xv).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Eine andere Vorschrift macht sehr wahrscheinlich, dass die Konungsbók vor 1262 entstanden ist. In der Konungsbók findet sich eine Vorschrift über die Verjährung eines Erbschaftsanspruches eines Isländers in Norwegen: Ef vár landi andaz avstr pa scal feet taca næsta brøjre eja nanare en feet lig r ser iola nott ena prijio.32

Wenn ein Landsmann von uns im Osten [in Norwegen] stirbt, dann soll ein im dritten Glied oder näher Verwandter das Gut an sich nehmen, aber der Anspruch verjährt mit der dritten Weihnachtsnacht [seit dem Erbfall].

32

Diese Vorschrift ist durch Verabschiedung des Gamli sáttmáli 1262–1264 außer Kraft getreten, da es dort unter Punkt 4. heißt, dass Isländern Erbschaften in Norwegen herausgegeben werden sollen, gleich, wie lange sie schon angefallen sind, wenn die richtigen Erben oder ihre gesetzmäßigen Vertreter erscheinen (vgl. oben S. 1). Damit war ein Erbschaftsanspruch eines Isländers in Norwegen spätestens ab 1264 nicht mehr der Verjährung unterworfen. Daraus ist zu schließen, dass die Konungsbók vor diesem Jahr entstanden ist, wenn man nicht der Auffassung ist, dass sie eine nicht mehr in Kraft befindliche Norm kommentarlos als gültiges Recht verzeichnet. Dagegen ist in der Stajarhólsbók die Rechtslage nach 1264 berücksichtigt: Ef var landi andaz avstr. pa scal feit taca næsta brøjri eja nanare. nymæli: en feet lig r ser nu alldrigi.33

Wenn unser Landsmann im Osten [in Norwegen] stirbt, dann soll das Gut ein im dritten Glied oder näher Verwandter nehmen. Novelle: Aber jetzt verjährt (der Anspruch auf ) das Gut nie.

33

Somit ist schon aufgrund dieser Überlegungen für die Konungsbók ein Entstehungsdatum in der Zeit von etwa 1250 bis 1262 anzunehmen. Die dargestellten Datierungsversuche führen zu einer Altersbestimmung der Konungsbók, die sich gut mit dem handschriftlichen Befund vereinbaren lässt.34 32 33 34

Vgl. Grágás Ia, Kap. 125, S. 239.10–11. Grágás II, Kap. 72, S. 96.20–21. Vgl. auch die Einschätzung von Vilhjálmur Finsen, der die Konungsbók auf 1240–1250 und die Stajarhólsbók auf etwa 1260 datiert: Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(X). Einige weitere Argumente für eine Datierung auf vermutlich 1251, also auf den Beginn der angegebenen Zeitspanne werden in dem Ab-

86

Handschriften und Ausgaben der Grágás

2.1.3. Stajarhólsbók, 1271/1272 Die zweite Haupthandschrift der Grágás ist nach dem Hof Stajarhóll im heutigen Distrikt Dalasy´sla im Westen Islands benannt. Die Geschichte der Handschrift lässt sich nicht vollständig rekonstruieren. Möglicherweise befand sich die Handschrift im 14. Jahrhundert im Distrikt Húnavatnssy´sla.35 Die erste heute namentlich bekannte Eigentümerin der Handschrift ist Hólmfríjur Erlendsdóttir, die im 16. Jahrhundert auf dem Hof Stóri-Dalur südlich der Berge Eyjafjöll und im Distrikt Rangárvallasy´sla im Süden des Landes lebte.36 Von ihr gelangte die Handschrift über mehrere Stufen zu Páll Jónsson, der auf dem Hof Stajarhóll lebte. Er war zeitweise Eigentümer beider Haupthandschriften der Grágás.37 Ein späterer dort lebender Eigentümer der Handschrift war der sy´slumajr (in heutiger Terminologie etwa „Landrat“) Bjarni Pétursson (gestorben 1693). Dessen Sohn Pétur schenkte die Handschrift dem Priester Páll Ketilsson vom Hof Hvammur. Dieser überließ die Handschrift seinem Neffen, dem für den Erhalt der isländischen mittelalterlichen Literatur überaus bedeutsamen Handschriftensammler Árni Magnússon.38 Nachdem Árni Magnússon wußte, dass sich die Handschrift lange Zeit auf dem Hof Stajarhóll befunden hatte und der dort lebende Bjarni Pétursson der früheste ihm bekannte Eigentümer war, benannte er die Handschrift nach dem Hof Stajarhóll. Seit Árni Magnússon die Handschrift erhalten hatte, bewahrte dieser sie in Kopenhagen in seiner Handschriftenkollektion, welche später Arnamagnaeanische Sammlung genannt wurde, bis sie im Jahre 1987 dem Arnamagnaeanischen Institut (jetzt: Stofnun Árna Magnússonar í íslenskum fræjum) in Reykjavik übergeben wurde.39 Die Stajarhólsbók trägt in der im 17. und frü-

35

36

37 38

39

schnitt „Ein Schreiber der Konungsbók und der Stajarhólsbók – Möglicher Auftraggeber der beiden Haupthandschriften“ ab S. 96 dargelegt. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. IV. Zurückhaltender Ólafur Lárusson, der zu Recht darauf hinweist, dass das Verzeichnis auf Bl. 11v der Handschrift nur auf Liegenschaften in der Region verweist, dies jedoch keinen Beweis dafür liefert, dass sich die Handschrift in jener Zeit dort befand, vgl. Ólafur Lárusson, Preface, in: Stajarhólsbók, S. 7. Vgl. Jón Sigurjsson, in: Diplomatarium Islandicum I, S. 87 f.; Sigurjur Líndal, Af hverju var Stajarhólsbók Grágásar skrifuj?, in: Tímarit lögfræjinga 1998, S. 279(299 Fn. 70); Ólafur Lárusson, Grágás, in: Lög og Saga, S. 119(126); Ólafur Lárusson, Preface, in: Stajarhólsbók, S. 7. Vgl. Ólafur Lárusson, Grágás, in: Lög og Saga, S. 119(126 f.). Zu Árni Magnússon und seinem Leben siehe überblicksartig: Hans Kuhn, Árni Magnússon, in: RGA 1, S. 432 f. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. xi.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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hen 18. Jahrhundert zusammengetragenen Sammlung isländischer mittelalterlicher Handschriften die Signatur AM 334 fol. Die Stajarhólsbók besteht aus 108 Blättern aus Kalbspergament im Groß-Folioformat (ca. 23x33 cm, der Textspiegel nimmt in etwa 17x24 cm in Anspruch). Sie ist zweispaltig beschrieben mit 37 Zeilen auf jeder Seite. Die Handschrift trägt keinen Titel, aber die einzelnen Überschriften weisen häufig verzierte farbige Initiale sowie mitunter auch Abschnitts- und Kapitelüberschriften auf.40 Die Stajarhólsbók hat einen recht breiten Rand, aber muss dennoch einmal beschnitten worden sein, wie an einigen nicht mehr vollständig erhaltenden Marginalzeichen erkennbar wird.41 Wie viele von ihnen dabei weggefallen sind, lässt sich nur mutmaßen.42 Die Stajarhólsbók ist nicht nur eine von zwei erhaltenen Grágáshandschriften, sondern ab Blatt 92v enthält sie auch den einzigen überlieferten Text der Járnsíja. Der Grágástext wurde hauptsächlich von zwei Händen geschrieben und zwar von Hand A vom Beginn auf Blatt 1r bis Blatt 69v und weiter auf Blatt 87r (linke Spalte Zeile 30) bis zum Ende des Grágástextes auf Blatt 92r. Im von Hand A geschriebenen Text finden sich 14 kleine Abschnitte von wohl insgesamt acht anderen Händen. Sie machen insgesamt weniger als drei Seiten aus.43 Von Hand B wurde der größte Teil des Landabrigjis páttr beginnend auf Blatt 70r bis Blatt 87r linke Spalte Zeile 30 (S. 408–506.16 der Ausgabe von Vilhjálmur Finsen) geschrieben.44 Keine der im Grágástext vorkommenden Hände ist in dem Abschnitt mit dem Text der Járnsíja zu finden. Sie wurde hauptsächlich von einer Hand geschrieben und nur für eine kürzere Passage von einer anderen Hand abgelöst. 40 41

42 43

44

Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. III f. Siehe: Stajarhólsbók, Bl. 27v (vgl. Grágás II, S. 153 mit Fn. 2 und 3); Stajarhólsbók, Bl. 55r rechts vom Textblock Zeile 2 (vgl. Grágás II, S. 320 mit Fn. 3); Stajarhólsbók, Bl. 87v rechts vom Textblock bei Zeile 4 (vgl. Grágás II, S. 514 mit Fn. 1); Stajarhólsbók, Bl. 90r am rechten Rand oberhalb von Zeile 1 (vgl. Grágás II, S. 526 mit Fn. 1); Stajarhólsbók, Bl. 90v am linken Rand bei Zeile 10 (vgl. Grágás II, S. 527 mit Fn.7). Da die Handschrift hauptsächlich vom selben Schreiber angefertigt wurde wie die Konungsbók, und zwar vermutlich sogar für denselben Auftraggeber (siehe unten S. 97 ff.), könnte das ursprüngliche Format der Handschrift mit dem der Konungsbók (35,5 × 24,3 cm) identisch gewesen sein. Es wäre dann jeweils gut 1 cm (dies entspricht in etwa einem halben Zoll) vom Rand abgetrennt worden. Vgl. zum Vorstehenden: Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(III f.). Vgl. Hreinn Benediktsson, Early Icelandic Script as Illustrated in Vernacular Texts from the Twelfth and Thirteenth Centuries, S. xxxii [im hinteren und separat paginierten Teil des Buches nach den Tafeln]. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xi).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

2.1.3.1. Inhalt der Stajarhólsbók (Grágástext) Der Grágástext der Stajarhólsbók umfasst in der durch Vilhjálmur Finsen besorgten Druckausgabe45 538 Seiten und ist damit erheblich umfangreicher als der Text der Konungsbók. Die Konungsbók weist bei einem vergleichbaren Druckbild in der Ausgabe von Vilhjálmur Finsen46 nur 464 Seiten auf, trotz des Umstandes, dass viele Textstellen in der Druckausgabe der Konungsbók erst durch Ergänzungen aus der Stajarhólsbók komplettiert werden. Die Ergänzungen machen im Extremfall bis zu mehrere Seiten aus. Um so mehr verwundert es, dass die Stajarhólsbók nur sieben Abschnitte aufweist. Diese enthalten jedoch in der Zählung Finsens 460 Kapitel gegenüber den von ihm gezählten 268 Kapiteln der Konungsbók. Die Stajarhólsbók beginnt mit dem Abschnitt über das Christenrecht (Kristinna laga páttr, Grágás II, Kap. 1–55, S. 1–62; die folgenden Kapitel- und Seitenangaben beziehen sich auf diese Ausgabe), der im Wesentlichen dem Text der Konungsbók entspricht, aber etwas ausführlicher ist. Größter Unterschied zur Konungsbók ist, dass am Ende des Christenrechtsabschnitts (in Finsens Ausgabe Grágás II ab Seite 46 oben) das Zehntgesetz angefügt ist, wodurch sich überwiegend auch der größere Seitenumfang erklärt. Darauf folgt der Erbrechtsabschnitt Erfja páttr (Kap. 56–80, S. 63–102). Auf ihn folgt der Abschnitt von den Bedürftigen Ómaga bálkr (Kap. 81–117, S. 103–151). Der sich dann anschließende Abschnitt über Verlöbnisse und das Eherecht Festa páttr (Kap. 118–176, S. 152–209) weist eine auch an anderen Stellen der Handschrift auftretende Besonderheit der Stajarhólsbók auf, da er mit einem vorangestellten Inhaltsverzeichnis beginnt (S. 152–154), welches in römischen Zahlen die Kapitelzahlen angibt. Diese Kapitelnummern stehen marginal beim Anfang der betreffenden Kapitel. Von den vorangehenden Abschnitten weisen nur der Erfja páttr sowie der Ómaga bálkr eine vom Schreiber selbst vorgenommene und nicht ganz durchgehende Kapitelnummerierung in römischen Zahlen auf, jedoch kein vorangestelltes Inhaltsverzeichnis. Ein vorangestelltes Inhaltsverzeichnis findet sich ab hier vor allen folgenden Abschnitten der Handschrift. Der nächste Abschnitt trägt in der Stajarhólsbók keine Überschrift. Nach der Überschrift des entsprechenden Abschnittes in der Konungsbók wurde er von Vilhjálmur Finsen ebenfalls Um fjárleigur („Über verliehenes Gut“) genannt (Kap. 177–262, S. 210–290). Auch dieser Abschnitt beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis, in welchem die Kapitel wiederum mit lateini45 46

Grágás II. Grágás Ia-Ib.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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schen Ziffern nummeriert sind. In diesem Inhaltsverzeichnis (abgedruckt in der Ausgabe Finsens, Grágás II, S. 210–213) findet sich an vier Stellen ein kleines o-förmiges Marginalzeichen. Das erste Zeichen findet sich neben der Überschrift des ersten Kapitels des Gemeinderechts Of hreppa lqg („Von den Gemeindegesetzen“, Kap. 217, S. 24947), das zweite neben der Überschrift des ersten Kapitels des Rechts über Zusammenkünfte und Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (Kap. 225, S. 258) und das dritte neben der Überschrift des ersten Kapitels der Vorschriften über die Thingverbandszugehörigkeit und den gesetzlichen Wohnsitz. In diesem Zusammenhang sind auch die Umzugstage geregelt (Kap. 232, S. 264). Das vierte derartige Zeichen findet sich neben der Überschrift des ersten Kapitels der Bestimmungen über Vergleiche (Kap. 248, S. 279).48 Darauf folgen noch zwei Kapitel über Maße und Gewichte (Kap. 261–262, Grágás II, S. 288–290). Vilhjálmur Finsen sah sich nicht in der Lage, die Bedeutung dieser Zeichen anzugeben.49 Dabei ist es sehr naheliegend anzunehmen, dass diese Marginalzeichen auf ein ursprünglich eigenständiges Gesetz wie das Gemeinderecht bzw. einen Auszug aus einem im Übrigen nicht aus der betreffenden Vorlage in die Stajarhólsbók aufgenommenen Abschnitt hinweisen, welche bei der Kompilation der Stajarhólsbók an der betreffenden Stelle in einen anderen Abschnitt intregriert wurden, da die entsprechenden Regelungskomplexe in der Konungsbók meist an ganz anderer Stelle und voneinander getrennt aufgeführt sind. Beachtung verdient auch der Umstand, dass die Kapitel, die jeweils dem durch das Marginalzeichen hervorgehobenen Kapitel folgen, inhaltlich verwandt sind, so dass es sich hier um kleinere zusammengehörige Regelungskomplexe handelt, die nicht den Umfang eines der übrigen Abschnitte der Stajarhólsbók erreichen. Einzig die beiden letzten Kapitel des Abschnitts über gesetzliche Ellen und Pfunde gehören nicht mehr zu diesen kleineren Einheiten, wohl aber sind sie diesem Abschnitt, der eingangs einen starken schuldrechtlichen Schwerpunkt hat, inhaltlich generell zuzurechnen. Aufgrund dieser vier inhaltlich eigenständigen Unterkapitel ist es auch nachvollziehbar, dass in der Handschrift diesem Abschnitt keine Überschrift beigegeben ist. Der in der Stajarhólsbók auf den Abschnitt Um fjárleigur folgende Abschnitt ist der Strafrechtsabschnitt Vígslóji („Folgen des Totschlags“,

47

48 49

In der Kongungsbók Um hreppaskil („Über die Aufgaben der Gemeinden“), vgl. Grágás Ib, Kap. 234, S. 171 ff. Vgl. Grágás II, S. 211 f. Vgl. seine diesbezügliche Anmerkung in Grágás II, S. 211 Fn. 1.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Kap. 263–388, S. 291–407), welcher ebenfalls mit einem vorangestellen Inhaltsverzeichnis beginnt. Dieses listet 134 Kapitel auf. Den letzten deutlich als solchen kenntlich gemachten Abschnitt der Stajarhólsbók bildet der Abschnitt Landabrigjis páttr („Abschnitt der Landeinforderung“) (Kap. 389–460, S. 408–538). Auch hier ist ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt, dessen Kapitelüberschriften jedoch gegen Ende hin ab Kap. xlviii (Kap. 436 nach der alle Abschnitte der Handschrift umfassenden Zählung von Finsen; S. 506) nicht mit den tatsächlich folgenden Kapiteln übereinstimmen. Denn ab Kap. 436, wo übrigens auch die Hand A wieder einsetzt, folgen vier Kapitel über Allmenden und über das Jagdrecht im Zusammenhang mit einem seinen Lauf ändernden Fluss (S. 506–510). Das darauf folgende Kap. 440, Kap. lii nach der Zählung der Überschriften dieses Abschnittes in der Handschrift, ist in roten Buchstaben mit der Überschrift Reka páttr („Abschnitt vom Treibgut“) bezeichnet und weist ein sehr großes rotes Initial auf. Im Inhaltsverzeichnis des Abschnittes über die Landeinforderung wird dieser eigene Unterabschnitt lediglich unter dem Titel Of vagrek („Vom Antreiben [von Treibgut] in einer Bucht“) als das letzte Kapitel angekündigt. Tatsächlich umfasst dieser Unterabschnitt aber volle 20 Kapitel und behandelt überwiegend die Rechtsverhältnisse an Treibgut. Das letzte Kapitel 460 ist indes über Allmenden und damit nicht mehr dem Treibgutabschnitt zuzuordnen. Es gehört aber thematisch zum Abschnitt des Bodenrechts. 2.1.3.2. Besonderheiten des Textes der Stajarhólsbók Neben den Marginalzeichen50 zum Inhaltsverzeichnis des Abschnittes Um fjárleigur enthält die Stajarhólsbók an vielen Stellen weitere spezielle Zeichen zur Gliederung oder Erläuterung des Textes, die wichtige Informationen liefern. So ist im Grágástext der Stajarhólsbók wesentlich häufiger als in der Konungsbók verzeichnet, wenn es sich bei einer Bestimmung um eine Novelle handelt.51 Neben dem Wort ny´ mæli, ausgeschrieben52 oder in auf verschiedene Arten abgekürzt,53 findet sich in der Handschrift am weitaus häufigs50 51

52 53

Zu ihnen siehe den vorangegangen Abschnitt. Zum Beispiel ist in der Stajarhólsbók, Grágás II, Kap. 254, S. 284.20 eine Novelle kenntlich gemacht, die Konungsbók, Grágás Ib, Kap. 244, S. 189.15 verzeichnet bei derselben Vorschrift nicht, dass es sich um eine Novelle handelt. Vgl. z. B. Grágás II, S. 157.02. Vgl. nym.: Grágás II, S. 90.05+08 mit Fn. 3 und 5; ny : Grágás II, S. 256.23 mit Fn. 2; vgl. Grágás II, S. 11.01 mit Fn. 2.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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ten marginal die lateinische Abkürzung für novella, ein N mit einem kleinen auf der Seite liegenden o darüber.54 Bis auf die oben schon genannten Ausnahmen kann keine der 90 im Text kenntlich gemachten55 Novellen datiert werden. Daneben ist festzustellen, dass die Hand B in der Stajarhólsbók keine einzige Novelle kenntlich macht, auch wenn man davon ausgehen kann, dass sich auch in dem von ihr geschriebenen Teil des Landabrigjis páttr Vorschriften finden, die vom Schreiber der Hand A als Novellen kenntlich gemacht worden wären. Aus diesem Grunde lassen sich nicht einmal für die in der Stajarhólsbók überlieferten Vorschriften alle darin enthaltenen Novellen ermitteln, abgesehen davon, dass es kaum je möglich sein dürfte, zu ermitteln, welche Vorschriften in den Abschnitten über das Prozessrecht und die Gerichtsverfassung in der Konungsbók Novellen gegenüber der Haflijaskrá darstellen. Es ist möglich, dass zumindest einige Novellen erst beim Kompilieren der Stajarhólsbók in den Text eingefügt wurden, weil nach Angabe von Vilhjálmur Finsen beispielsweise in der Handschrift auf Blatt 88v Zeile 5–7 eine Rasur stattgefunden hat, bevor eine Novelle an dieser Stelle aufgenommen wurde.56 Eventuell wurden Novellen aus einem gesonderten Verzeichnis, welches nur Novellen enthalten hat, in den Text eingereiht. Überreste eines solchen Verzeichnisses stellt vermutlich das Fragment AM 315b fol. dar (siehe unten S. 109). Neben den genannten Abkürzungen, die zweifelsfrei eine Novelle bezeichnen, findet sich in der Handschrift sehr häufig ein Zeichen, das einem „¶“57 ähnelt und das ausnahmslos vor einem mit einem Initial beginnenden 54

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56 57

Vgl. nur Grágás II, S. 11.01 mit Fn. 2; Facsimile siehe Grágás III, nach S. 716, Tafel IV unten (Marginaltegn i Stajarhólsbók). Vgl. die genaue Auflistung aller Novellen der Stajarhólsbók bei Vilhjálmur Finsen, Om de islandske Love i Fristatstiden, in: Aarbøger for nordisk Oldkyndighed og Historie 1873, S. 101(225 ff. Fn. 2) und ergänzend Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(XX f., XXX f.). Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(XXXI) sowie S. 517 Fn. 1. Vgl. nur Grágás II, (Erfja páttr) Kap. 72, S. 96 mit Fn. 1 (=Stajarhólsbók, Bl. 17v rechte Spalte bei Zeile 3); Kap. 73, S. 97.19; Kap. 107, 137.20 (=Stajarhólsbók, Bl. 24 v rechte Spalte bei Zeile 17); (Ómaga bálkr) Kap. 110, S. 140.21 (=Stajarhólsbók, Bl. 25r rechte Spalte bei Zeile 23); sowie Grágás II, Kap. 112, S. 144.15+22, S. 145.07+16, S. 146.16; Kap. 114, S. 148.20; (Festa páttr) Kap. 125, S. 162.05; Kap. 141, S. 174.12; Kap. 143, S. 175.06; Kap. 153, S. 183.10; Kap. 156, S. 186.06+18; Kap. 171, S. 204.21; (Um fjárleigur) Kap. 182, S. 221.08+13+18, S. 223.17; Kap. 196, S. 234.10; Kap. 225, S. 259.20; Kap. 226, S. 260.15; Kap. 233, S. 266.02; Kap. 241, S. 272.16; Kap. 243, S. 275.02+22; (Vígslóji ) Kap. 275, S. 304.14. Facsimile des Zeichens siehe Grágás III, nach S. 716, Tafel IV unten (Marginaltegn i Stajarhólsbók).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Satz auftritt. Es ist vermutet worden, dass dieses Zeichen ebenfalls eine Novelle kennzeichnet.58 Dann würde es jedoch in der Handschrift zwei verschiedene und parallel auftretende Kennzeichen für eine Novelle geben. Berücksichtigt man den wahrscheinlichen Zweck der Stajarhólsbók, das bis 1271–1272 geltende materielle Recht Islands umfassend zu dokumentieren (siehe unten 2.1.3.4. Grund für die Entstehung der Stajarhólsbók), so lässt sich eher vermuten, dass das „¶“-Zeichen verwendet wurde, wenn eine Vorschrift aus einer anderen Vorlage übernommen wurde als für den vorangehenden Abschnitt. Auf diese Weise wäre der Text der Handschrift übersichtlicher strukturiert und Einschübe aus weiteren Handschriften und die Novellen wären vom Text der Hauptquelle gut zu unterscheiden gewesen. Für diese Vermutung spricht auch der Umstand, dass der in der Stajarhólsbók auf dieses Zeichen folgende Abschnitt in der Konungsbók nahezu durchgängig an anderer Stelle zu finden ist als an der Stelle, an welcher sich in der Konungsbók die entsprechende Parallelstelle für die vorangehende Bestimmung findet.59 An vier Stellen findet sich marginal in der Stajarhólsbók eine Abkürzung,60 die bisher nicht befriedigend erklärt werden konnte.61 Sie besteht aus den Buchstaben ndr, wobei sich über dem n und dem r ein waagerechter Strich befindet.62 Bei diesen Marginalzeichen ist auch nicht sicher zu erkennen, ob sie schon von Anfang an in der Handschrift vorhanden waren oder ob sie spätere Ergänzungen sind. 2.1.3.3. Datierung der Stajarhólsbók Stets bestand bereits aufgrund des handschriftlichen Befundes Einigkeit, dass die Stajarhólsbók jünger ist als die Konungsbók.63 Jedoch ist auch hier aufgrund äußerer Merkmale eine genauere Angabe des Alters der Handschrift,

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Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(XXII). Von dieser Regel finden sich nur an drei Stellen Ausnahmen (Grágás II, Kap. 196, S. 234.10; Kap. 233, S. 266.02; Kap. 243, S. 275.02+22), die nicht wesentlich sind, da die entsprechenden Textstellen der Konungsbók in der Formulierung teilweise stark abweichen. Vgl. Grágás II, Kap. 134, S. 169.06 (=Stajarhólsbók, Bl. 30r links vom Text bei Zeile 33), sowie Kap. 172, S. 206.05+07; Kap. 182, S. 221.13, S. 223.10. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse oder det haandskriftlige Materiale, in: Grágás III, S. XXXVI(XLI). Facsimile der ersten Stelle, siehe Grágás III, nach S. 716, Tafel IV unten. Vgl. bereits Jón Sigurjsson, in: Diplomatarium Islandicum I, S. 75 und 87.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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als dass sie aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert stammt, nicht möglich. Die Frage nach einer genaueren Datierung der Stajarhólsbók hängt daher eng mit ihrem Inhalt und dort inbesondere mit der Frage zusammen, warum die Vorschriften einiger Bereiche ausgeklammert sind, welche dagegen in der Konungsbók enthalten sind. Die mitunter geäußerten Spekulationen, die Handschrift habe möglicherweise nicht mehr ihren ursprünglichen Umfang,64 sind nicht zutreffend, da die Handschrift im Grágásteil offensichtlich vollständig ist.65 Erst vor wenigen Jahren wurde auf ein sehr wahrscheinliches Entstehungsdatum der Stajarhólsbók hingewiesen. Wie schon erwähnt, fehlt in der Stajarhólsbók der Bereich des Prozessrechts (Pingskapa páttr, Lögsögumanns páttr und Lögréttu páttr), soweit er in eigenen Abschnitten normiert war. Weiterhin fehlt die Aufzählung Baugatal, in der bestimmt ist, wie die Verwandten eines Totschlägers den Angehörigen eines Erschlagenen Buße zu leisten hatten.66 In der Stajarhólsbók findet sich aus diesem Bereich nur noch die Sammlung von Ermahnungs- und Bekräftigungssprüchen, Grija- und Tryggjamál, die aber nicht die Bußgeldberechtigung festlegt. Denn diese stand nach dem Abschnitt Mannhelgi der Járnsíja nun auch anteilig dem König zu. Des Weiteren fehlt in der Stajarhólsbók der Abschnitt Rannsóknar páttr, in dem sich kleinere Bestimmungen über Diebstahl und Raub und andere Delikte finden. Ebenso fehlen in der Stajarhólsbók einige der Kapitel, die separat am Ende der Konungsbók stehen. Zum Beispiel fehlt der Vertrag der Isländer mit Olaf dem Heiligen.67 Dieser wurde ab 1262 durch den Vertrag der Isländer mit König Hákon gegenstandslos. Dies legt nahe, dass die Stajarhólsbók nach 1262–1264 entstanden ist. Wie eng die Entstehung der Stajarhólsbók mit der veränderten Rechtslage nach 1264 zusammenhängt, offenbart ein Blick auf den Bericht in der Árna saga biskups über das erste Jahr, in welchem Teile der Járnsíja in Island Gesetzeskraft erlangten:

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Vgl. die Überlegungen bei Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I (XIVf ). Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(XVf ); Ólafur Lárusson, Preface, in: Stajarhólsbók, S. 7(12); nur im Bereich der Járnsíja nach Blatt 104 ist eine Fehlstelle von vermutlich zwei Blättern. Vgl. Gunnar Karlsson, Ritunartími Stajarhólsbókar, in: Gísli Sigurjsson (Hrsg.), Sólhvarfasumbl [Festschrift für Porleifur Hauksson], S. 40 ff. Siehe oben S. 32.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

[…] ok var pá eftir um sumarit játat pingfararbælki ok tveimur kapítulum ór erfjabælki; um festarkonu börn ok um arfleijing ok pegngildi um allt land, en eigi fleira.68

[…] und wurde dann im Sommer das Thingfahrtrecht [scil. das Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht] sowie zwei Kapitel aus dem Erbrecht über Kinder von verheirateten Frauen und über Adoption und über die Steuerpflicht im gesamten Land angenommen, aber nicht mehr.

68

Zu dieser Steuerpflicht gehörten auch die Bestimmungen, nach denen dem König ein Anteil an den Bußen zustand. Erst auf dem Allthing des Sommers 1272 wurde das gesamte Gesetzbuch bis auf den Erbrechtsabschnitt angenommen,69 mit Ausnahme der beiden Kapitel, welche schon im Sommer 1271 Geltung erlangt hatten. Nach dem Allthing des Jahres 1271 bis zum Allthing des Jahres 1272 galt somit bis auf die zwei schon erwähnten Bestimmungen des materiellen Rechts, die aus der Járnsíja bereits angenommen worden waren, noch das Recht der Freistaatszeit mit Ausnahme des alten Gerichtsverfassungs- und Prozessrechts und der Rechtsnormen fort, nach denen die Bußzahlungen verteilt wurden. Für die letztgenannten Rechtsgebiete galt ebenfalls schon das neue Recht der Járnsíja. Damit enthält die Stajarhólsbók genau das nach dem Schluss des Allthing 1271 noch geltende Recht, so dass anzunehmen ist, dass die Stajarhólsbók in dem Zeitraum zwischen dem Allthing des Jahres 1271 und dem des Jahres 1272 entstanden ist.70 Selbst wenn man dieser genauen Datierung nicht folgen mag, so dürfte auf jeden Fall feststehen, dass die Handschrift im Zuge der Revision der Gesetze geschrieben wurde, nachdem bald nach dem Vertragsschluss von 1262–1264 die hergebrachte Staats- und Gerichtsverfassung zur Disposition stand. Auch hier dürfte auf die Diskussion der Járnsíja und ihre geplante Revision in den Jahren nach 1271 abzustellen sein.71

68 69 70

71

Árna saga biskups, in: ÍF XVII, S. 1(27). Siehe oben S. 67. Vgl. Gunnar Karlsson, Ritunartími Stajarhólsbókar, in: Gísli Sigurjsson (Hrsg.), Sólhvarfasumbl [Festschrift für Porleifur Hauksson], S. 40(42). Vgl. Sigurjur Líndal, Af hverju var Stajarhólsbók Grágásar skrifuj? in: Tímarit lögfræjinga 1998, S. 279(297).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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2.1.3.4. Grund für die Entstehung der Stajarhólsbók Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Auftraggeber der Stajarhólsbók nach dem Allthing 1271 davon ausging, mit der Annahme des Prozessrechts und der zwei genannten Erbrechtsbestimmungen der Járnsíja würde die Änderung der Gesetze ihr Bewenden haben und er deshalb den Grágástext der Handschrift in dieser Form hat aufschreiben lassen, dann von der Entwicklung 1272 überrascht wurde, so dass es anstatt einiger Auszüge aus der Járnsíja ihres vollen Textes bedurfte, um die ab 1272 geltende Rechtslage wiederzugeben.72 Auch die Vermutung, dass der Grágátext in der Stajarhólsbók als Vergleichstext für einen Befürworter der Járnsíja geschrieben wurde, um in der Debatte über ihre Annahme den Text der bisherigen Gesetze vollständig zur Hand zu haben und auf sie verweisen zu können, sowie die Vermutung, dass er geschrieben wurde, um nach Annahme der Járnsíja ein Buch mit subsidiärem Recht zur Hand zu haben, trifft wohl nicht zu.73 Denn zum einen ist es schon unzutreffend, dass die Stajarhólsbók die gesamten Gesetze der Freistaatszeit enthält, weil dazu mehrere wichtige Abschnitte fehlen (vgl. oben im Abschnitt zuvor), und zum anderen ist kaum nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das bisherige Recht nach Annahme des neuen Gesetzbuches noch Anwendung finden sollte. Es ist zwar denkbar, dass das Recht der Freistaatszeit noch befolgt wurde, wenn im neuen Recht keine Regelung vorlag. Eine förmlich geregelte subsidiäre Geltung des alten Rechts ist jedoch nirgendwo belegt. Weiterhin ist diesen Spekulationen entgegengehalten worden, dass es unnötig gewesen sei, die Stajarhólsbók als Vergleichstext für ein Gesetzbuch zu haben, das überwiegend ausländisches Recht enthält.74 Am überzeugendsten ist die Theorie, dass die Handschrift geschrieben wurde, um bei der nach dem Allthing im Jahre 1271 noch für notwendig erachteten Überarbeitung der Járnsíja diejenigen Abschnitte des bisherigen isländischen Rechts, für deren Regelungsbereich das neue Recht auf dem Allthing des Jahres 1271 noch nicht akzeptiert worden war, möglichst gut zu dokumentieren. Dies betrifft nahezu das gesamte materielle Recht, nicht aber das Gerichtsverfassungsrecht und das Recht der alten Staatsverfassung. Genau diese materiell-rechtlichen Vorschriften enthält die Stajarhólsbók im Grágásteil. Wegen des Zwecks, das bisherige Recht umfassend aufzunehmen, um es der Járnsíja bei deren Überarbeitung gegenüberstellen zu 72

73 74

Vgl. in diese Richtung Konrad Maurer, Udsigt over de nordgermaniske Retskilders Historie, S. 81. So jedoch P.A. Munch, Det norske folks historie IV.1, S. 627 Fn. 2. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(IX).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

können, wurde wohl auch der Text der Járnsíja gleich in dieselbe Handschrift mit aufgenommen.75 2.1.3.5. Ein Schreiber der Konungsbók und der Stajarhólsbók – Möglicher Auftraggeber der beiden Haupthandschriften Obwohl die beiden Haupthandschriften der Grágás seit dem 19. Jahrhundert großes Interesse erfahren haben, ist erst im Jahre 1977 explizit dargelegt worden, dass aller Wahrscheinlichkeit nach derselbe Schreiber, der den größten Teil der Konungsbók geschrieben hat (Hand B in der Konungsbók), auch den größten Anteil am Schreiben der Stajarhólsbók hatte (dort als Hand A bezeichnet).76 Diese Person hat noch eine Reihe anderer Handschriften angefertigt.77 Die bekannteste weitere Handschrift dieses Schreibers war die Heimskringla-Handschrift, die 1728 dem großen Brand in Kopenhagen zum Opfer fiel und und von der nur ein Blatt erhalten ist. Es ist schon länger bekannt, dass diese Handschrift vom selben Schreiber stammt, der auch die Stajarhólsbók geschrieben hat.78 Daneben sind von diesem Schreiber noch geistliche Werke auf Latein erhalten.79 Es ist mit guten Gründen vermutet worden, dass der Schreiber dieser Handschriften der Priester der Kirche von Vellir im Svarfajardalur, Pórarinn kaggi Egilsson (gest. 128380), war.81 Die um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene Lárentíus saga bezeichnet Pórarinn kaggi Egilsson als hervorragenden und sehr produktiven Schreiber:

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Vgl. Sigurjur Líndal, Af hverju var Stajarhólsbók Grágásar skrifuj?, in: Tímarit lögfræjinga 1998, S. 279(298 f.). Stefán Karlsson, Kringum Kringlu, in: Landsbókasafn Íslands, Árbók 1976, S. 5(21). Ein Hinweis auf die Ähnlichkeit der Schrift in beiden Handschriften findet sich jedoch bereits bei: Jón Sigurjsson in: Diplomatarium Islandicum I, S. 75. Vgl. Stefán Karlsson, Kringum Kringlu, in: Landsbókasafn Íslands, Árbók 1976, S. 5(20 ff.). Vgl. Finnur Jónsson, De bevarede brudstykker af skindbøgerne Kringla og Jöfraskinna, S. IV. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xvii) m.w.N. Vgl. Annales Reseniani, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 1(29); Skálholts Annaler, ebenda, S. 157(196); Flateyarannáll, ebenda, S. 379(383). Vgl. Stefán Karlsson, Kringum Kringlu, in: Landbókasafn Íslands, Árbók 1976, S. 5(24).

Überlieferte Handschriften der Grágás

Síra Pórarinn kaggi var klerkur gójur og hinn mesti nytsemdarmajur til leturs og bókagjörja, sem enn mega aujsy´ nast margar bækur, sem hann hefir skrifaj Hólakirkju og svo Vallastaj.82

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Hochwürden Pórarinn kaggi war ein guter Priester und ein besonders Tüchtiger beim Schreiben und Bücherherstellen, wie heute noch die vielen Bücher leicht zeigen können, die er für die [Dom-] Kirche in Hólar und die Kirche in Vellir geschrieben hat.

82

An die Kirche von Vellir war seit dem 12. Jahrhundert eine kleine Schule angegliedert. Während der Unruhen, in deren Verlauf Bischof Gujmundr Arason zeitweise von seinem Bischofssitz vertrieben wurde,83 nahm im Jahre 1218 sogar die Schule des Bischofsstuhls Hólar dort Zuflucht. Später verfügte Bischof Lárentíus Kálfsson, der selber dort die Schule besucht hatte, dass der jeweilige Schulmeister in Hólar gleichzeitig die Pfarrstelle der Kirche in Vellir bekleiden sollte.84 Pórarinn Egilsson, der die Schule fortführte, war der Großneffe von Bischof Lárentíus Kálfsson. Im Inventar der Kirche von Vellir sind für das Jahr 1318, 35 Jahre nach Pórarins Tod, mit insgesamt 55 Büchern erstaunlich viele Bücher für eine eher kleine Kirche aufgeführt. Neben Büchern geistlichen Inhalts nennt das Inventar noch drei nicht mit Titel bezeichnete Bücher in nordischer Sprache sowie „zehn alte Verzeichnisse“ (x. skrár fornar), die ebenfalls nicht genauer bezeichnet werden.85 Der Begriff skrá im Isländischen kann eine Sagahandschrift,86 aber auch eine Gesetzessammlung bezeichen, vgl. den Begriff Haflijaskrá (‚Gesetzbuch des Hafliji‘). Noch in der jüngeren Forschung wurde mitunter vertreten, man wüßte nicht, von wem und für wen die beiden Haupthandschriften der Grágás geschrieben worden seien.87 Zum Teil wurde bereits vermutet, dass beide Handschriften für denselben Auftraggeber erstellt wurden, jedoch wurde angenommen, es habe sich um Gissur Porvaldsson gehandelt, den einzigen Isländer, der zu dieser Zeit sicher ein Jarl des norwegischen Königs war.88 82 83 84

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Einar Haflijason, Lárentíus saga biskups, in: ÍF XVII, Kap. 2, S. 213(217). Vgl. oben S. 50 f. Vgl. Hermann Pálsson, Um bókagerj síra Pórarins á Völlum, in: Skírnir 133 (1959), S. 18(19). Vgl. Diplomatarium Islandicum II, S. 455 (LXIII. Vallna kyrckia). Vgl. Hermann Pálsson, Um bókagerj síra Pórarins á Völlum, in: Skírnir 133 (1959), S. 18(20). Vgl. Ólafur Lárusson, Grágás, in: KLNM 5, Sp. 410. Vgl. Jón Steffensen, Grágás. Vanmetin og misskilin heimild, in: Híj íslenzka fornleifafélag (Hrsg.), Árbók hins íslenzka fornleifafélags 1985, S. 79(81).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Gissur Porvaldsson habe an einigen Vorschriften der Grágás ein besonderes Interesse gehabt und deswegen sei es wahrscheinlich, dass gerade er beide Handschriften in Aufrag gegeben habe. Dies allein macht es aber noch nicht besonders wahrscheinlich, dass er der Auftraggeber war, weil es viele Personen gab, die aufgrund ihrer persönlichen Situation an der einen oder anderen Vorschrift besonders interessiert waren. Sehr viel naheliegender erscheint es, dass ein Schreiber aus dem Umfeld von Sturla Pórjarson die Stajarhólsbók in dessen Auftrag geschrieben hat. Dieser war es, der im Jahre 1271 die Járnsíja mit nach Island brachte und sich für deren Annahme einsetzte (vgl. oben S. 66 ff.). Die Datierung der Stajarhólsbók auf den Winter 1271/1272 und der Umstand, dass nach dem Ausgang des Allthings 1271 ein umfassender Bedarf an Überarbeitung der noch geltenden alten Gesetze bestand, machen es sehr wahrscheinlich, dass Sturla Pórjarson davon ausging, für die weitere Gesetzgebung auf dem Allthing 1272 eine Sammlung aller noch zu überarbeitenden Gesetze der Freistaatszeit zu benötigen. Zwar werden in den Annalen noch weitere Männer genannt, welche die Járnsija mit nach Island brachten und sich für deren Annahme einsetzten, aber Sturla Pórjarson war von ihnen der Prominenteste. Er war vom König als lqgmajr zunächst für ganz Island eingesetzt, während seine Begleiter als valdsmenn (in etwa ‚Statthalter‘) des Königs bezeichnet werden.89 Wenn daher einer der Fürsprecher des neuen Gesetzbuches die Stajarhólsbók in Auftrag gegeben hat, wird dies Sturla Pórjarson gewesen sein. Pórarinn kaggi Egilsson gehörte dem Sturlungengeschlecht an und war somit auch mit Sturla Pórjarson verwandt. Snorri Sturluson war der Bruder seiner Großmutter und Pórarinn war auch mit Jarl Kolbeinn (gest. 1309), einem mächtigen Häuptling im Húnavatnsping, verwandt. Dessen Nachkommen waren zeitweise im Besitz der Stajarhólsbók. Da derselbe Schreiber mit einem Abstand von ungefähr 20 Jahren den größten Teil der beiden Grágáshandschriften geschrieben hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass Sturla auch der Auftraggeber der Konungsbók, der älteren der beiden Grágáshandschriften, war. Wenn dies der Fall sein sollte, kann die Entstehung der Konungsbók mit der Übernahme des Gesetzessprecheramtes durch Sturla Pórjarson im Jahre 1251 in Verbindung gebracht werden. Ob dann die Handschrift schon vor Sturlas Wahl erstellt wurde oder danach, kann nicht entschieden werden. Einerseits könnte von den maßgeblichen Goden im Vorhinein abgesprochen worden sein, Sturla zu wählen, so dass die Handschrift in Vorbereitung auf das Aufsagen der Ge-

89

Vgl. oben Teil 1, Fn. 214.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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setze kompiliert worden sein könnte. Anderseits kann die Handschrift auch erst nach seiner Wahl zusamengestellt worden sein. Es ist nicht sicher, ob die vorzeitige Entbindung Sturlas von seinem Amt schon im folgenden Sommer (1252) für ihn überraschend kam oder nicht. War sie nicht überraschend, ist davon auszugehen, dass die Konungsbók vor dem Allthing 1251 geschrieben wurde. Denn es ist unwahrscheinlich, dass eine so aufwändige Handschrift noch zu einem Zeitpunkt angefertigt wird, zu dem ihr Besteller schon davon ausgeht, das Amt des Gesetzessprechers nicht weiter auszuüben. Im anderen Falle kann sie sowohl davor als auch danach entstanden sein. Zu der Vermutung, derselbe Auftraggeber habe schon vor Bestellung der Stajarhólsbók eine andere Gesetzeshandschrift anfertigen lassen, passt der Umstand, dass der Schreiber der beiden großen Gesetzeshandschriften auch eine Heimskringla-Handschrift erstellt hat.90 Die Heimskringla ist eine sehr umfangreiche Kompilation von Sagas über die norwegischen Könige.91 Auch hier ist eine Verbindung zu Sturla Pórjarson sehr gut denkbar, da Sturla 1263 Island verlassen musste und nach Norwegen ging. Dort erwartete ihn eine sehr ungünstige Situation, da der norwegische König Magnús Hákonarson ihm zunächst nicht wohlgesonnen war. Es ist denkbar, dass Sturla König Magnús eine Heimskringla-Handschrift als Geschenk mitbrachte, da dieser als Liebhaber von Sagaerzählungen und Dichtung galt.92 Später erlangte Sturla beim norwegischen König große Beliebtheit, gerade aufgrund seiner Kunst, Geschichten zu erzählen und zu dichten. Weiterhin spricht für Sturla Pórjarson als Auftraggeber sowohl der Stajarhólsbók als auch der Konungsbók der Umstand, dass beide Handschriften im 16. Jahrhundert vermutlich zeitweise im Eigentum von Páll Jónsson waren, der auch Stajarhóls-Páll genannt wurde.93 Denn dieser lebte wohl die längste Zeit auf Stajarhóll, dem Hof, den Sturla Pórjarson über seine Heirat mit Helga Pórjardóttir Narfarsonar erhalten hatte und den er in einem Erbrechtsprozess 1241 endgültig zugesprochen be-

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Vgl. Stefán Karlsson, Kringum Kringlu, in: Landsbókasafn Íslands, Árbók 1976, S. 5(20 f.). Zu ihrer Bedeutung für die Gattung der Königssagas und die norwegische Geschichtsschreibung allgemein siehe D. Whaley, Heimskringla, in: RGA 14, S. 238– 247. Vgl. Gujrún Ása Grímsdóttir, Sturla Pórjarson, in: Sturlustefna, Gujrún Ása Grímsdóttir/ Jónas Kristjánsson (Hrsg.), S. 9(32); Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xvii). Vgl. Jón Sigurjsson, Diplomatarium Islandicum II, S. 76, 88.

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kam.94 Es wäre nicht überraschend, wenn die Handschriften nach Sturla innerhalb derselben Nachkommenschaft auf demselben Wege weitervererbt worden wären wie die Liegenschaften ihres ehemaligen Eigentümers. Nach den dargelegten Anhaltspunkten ist es als recht wahrscheinlich anzusehen, dass der Geistliche Pórarinn kaggi Egilsson der hauptsächliche Schreiber der beiden Grágáshandschriften Konungsbók und Stajarhólsbók und auch der Heimskringla-Handschrift für den Auftraggeber Sturla Pórjarson war. Dies würde erklären, warum er sowohl geistliche Literatur als auch Gesetzeshandschriften und Sagas über norwegische Könige geschrieben hat.95 Erwähnenswert ist auch, dass die Lárentíus saga bískups, die so positiv über die Bücherproduktion des Síra Pórarinn Egilsson berichtet, von Einarr Haflijason verfasst wurde. Einarr Haflijason war Priester der Kirche von Breijabólstajur am See Vesturhóp, dem Hof, der ehemals Hafliji Másson gehört hatte. Einars Vater Hafliji Steinsson war über viele Jahre am Bischofssitz Hólar als rájsmajr (in etwa: ‚Verwalter‘) angestellt.96 Bei den guten Beziehungen zwischen der Domkirche in Hólar und der kleinen Kirche Vellir, wo Síra Pórarinn tätig war, ist es denkbar, dass Pórarinn Egilsson für das Anfertigen der Stajarhólsbók von Hafliji Steinsson eine weitere wichtige Vorlage geliehen bekommen hat. Nachdem die um 1250 geschriebene Konungsbók anordnet, dass alles Gesetz sein soll, was im Verzeichnis steht, das Hafliji anfertigen ließ (vgl. unten S. 129), ist davon auszugehen, dass die Haflijaskrá auch gegen Ende der Freistaatszeit noch existierte. Ein Exemplar dieses Texts könnte Hafliji Mássons Nachkommen somit noch 1271, 141 Jahre nach dessen Tod im Jahre 1130, zur Verfügung gestanden haben.

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Vgl. Sturla Pórjarson, Íslendinga saga, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), Kap. 148, S. 229(449 ff.); vgl. auch Sverrir Tómasson, Sturlungen und Sturlunga saga, in: RGA 30, S. 84(88). Dies ist übrigens der einzige Zivilprozess, der in der umfangreichen Íslendinga saga erwähnt wird. Vgl. Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason, Inngangur, in: Grágás (1992), S. ix(xvii). Hafliji Steinsson (1253–1319), Priester auf Breijabólstajur bei Vesturhóp wird die Autorenschaft der Grettis saga Ásmundarsonar zugeschrieben, welche vom Leben des Waldgangsmannes Grettir Ásmundarson handelt, vgl. Gujni Jónsson, Formáli, in: Grettis saga Ásmundarsonar, ÍF VII, S. LXXI–LXXV. Die Saga berichtet, dass der Totschlag Grettirs vermutlich im Jahr 1031 durch seinem Halbbruder Porsteinn drómundr Ásmundarson um 1033 in Byzanz gerächt wurde, da Porbjörn öngull Pórjarson, welcher Grettir erschlagen hatte, in die Warägergarde unter Michael Katalaktus eingetreten und von seinem Rächer bis dorthin verfolgt worden war, vgl. Grettis saga Ásmundarsonar, Kap. 86 ff., in: ÍF VII, S. 1(271 ff.).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Daneben kann für die Anfertigung der Stajarhólsbók ein Exemplar der freistaatlichen Gesetze des Bischofsstuhls Hólar herangezogen worden sein, da eine Gesetzesvorschrift darauf Bezug nimmt, dass die Bischöfe jeweils zumindest ein Exemplar der Gesetze besitzen (vgl. unten S. 205). Selbstverständlich beruhen diese Überlegungen auf vielen Annahmen, die sich vermutlich nie tatsächlich nachweisen oder endgültig verwerfen lassen. Festzuhalten ist aber, dass es viele Anzeichen dafür gibt, dass Pórarinn kaggi Egilsson der Schreiber und Sturla Pórjarson der Besteller zumindest der Stajarhólsbók, womöglich aber sogar beider Haupthandschriften der Grágás und eines nun fast vollständig verlorenen Exemplars der Heimskringla war. Dies würde gut mit vielen historischen Umständen zusammenpassen. 2.1.3.6. Alter des Textes der Stajarhólsbók und Umfang der Haflijaskrá Es schon andernsorts betont worden, dass es sehr schwierig ist, innerhalb der beiden Haupthandschriften verschiedene Textaltersstufen festzustellen.97 Wegen des Fehlens des Vertrages über das Recht der Isländer in Norwegen und des norwegischen Königs in Island und des Gerichtsverfassungs- und Prozessrechts, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Stajarhólsbók den Rechtsstand von 1271/1272 wiedergibt (siehe oben S. 94). Fraglich ist aber, ab wann die Vorschriften der Handschrift in der überlieferten Form existierten und welches Alter sie somit haben. Ein Beispiel dafür, dass der Text der Stajarhólsbók teilweise deutlich älter ist als die Handschrift, ist die oben in Fn. 70 zitierte Textstelle, die noch davon ausging, dass Viertelsthinge hin und wieder abgehalten werden, während schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts berichtet wird, dass Viertelsthinge nicht mehr abgehalten wurden.98 Von einiger Bedeutung für die Frage nach dem Alter der Normen in der Stajarhólsbók sind die 90 Vorschriften, die in der Handschrift als Novellen gekennzeichnet sind.99 Wenn geklärt werden könnte, gegenüber welchem Rechtsstand eine Vorschrift in der Stajarhólsbók als Novelle gekennzeichnet ist, könnte daran das wahrscheinliche Alter oder zumindest der terminus ante quem der übrigen Vorschriften bestimmt werden.

97 98 99

Vgl. nur Sveinbjörn Rafnsson, Island, § 1 Historisches, in: RGA 15, S. 524(525). Vgl. oben Teil 1, Fn. 34. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás II, S. I(XXX f.).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Es wurde jedoch schon oben erwähnt, dass es in beiden Haupthandschriften nur sehr wenige datierbare Novellen gibt. Die Vorschriften, die in der Konungsbók Gujmundr Porgeirsson zugeschrieben werden, sind in der Stajarhólsbók zwar in recht ähnlicher Form erhalten, aber dort nicht als Novellen gekennzeichnet. Möglicherweise handelt es sich bei ihnen daher nicht um Novellen (vgl. oben S. 61). Die Vorschrift über die veränderte Ellenberechnung sind in der Stajarhólsbók so aufgenommen, dass gesagt wird, was „jetzt“ gelte (vgl. oben S. 62). Dies ist ein ausreichender Hinweis auf eine Novellierung gegenüber einer früheren Rechtslage. Die von Bischof Magnús Gizurarson initiierten Novellen aus der Zeit nach 1216 (vgl. oben S. 63) sind in der Konungsbók (Grágás Ia, Kap. 18) als Novellen gekennzeichnet und in einem Kapitel aufgelistet. In der Stajarhólsbók sind dagegen die neu eingeführten Feiertage im Christenrechtsabschnitt ohne Kennzeichnung als Novelle aufgeführt (vgl. Grágás II, Kap. 27. 28. 30. 31), nur die Neuregelung bezüglich der verbotenen Verwandtschaftsgrade ist auch als Novelle kenntlich gemacht (vgl. Grágás II, Kap. 120).100 Eventuell waren die üblicherweise am Rande stehenden Zeichen für eine Novelle ursprünglich auch bei den Vorschriften in der Stajarhólsbók über die neu eingeführten Feiertage enthalten, sind hier aber durch Beschneiden des Randes entfallen. Damit sind einige, aber nicht alle, aufgrund anderer Berichte als Novellen auszumachende Vorschriften in der Stajarhólsbók auch als Novellen gekennzeichnet. Da insbesondere die schon vor 1200 veränderte Ellenberechnung als Novelle zu erkennen ist, ist davon auszugehen, dass auch Novellen des 12. Jahrhunderts grundsätzlich als solche gekennzeichnet sind. Eine Ausnahme bildet hier nur der von Hand B geschriebene Abschnitt Landabrigjis páttr, in dem an keiner Stelle angegeben ist, dass eine Novelle vorliegt. Für die Zeit nach 1118 ist nicht überliefert, dass es noch zu größeren Gesetzgebungsarbeiten gekommen wäre. Daher ist es am wahrscheinlichsten, dass die meisten der nach 1118 erlassenen Novellen auch als solche gekennzeichnet sind. Ein anderes einschneidendes Datum, nach dem eine neu erlassene Vorschrift als Novelle gekennzeichnet wird, ist nicht ersichtlich. Daraus folgt, dass die etwa 100 neuen Vorschriften vermutlich in den 153 Jahren nach der ersten vollständigen Niederschrift der Gesetze erlassen wurden. Trotz der auf den ersten Blick als eher hoch erscheinenden Anzahl von Novellen muss betont werden, dass diese häufig nur kleine Ergänzun-

100

Vgl. Vilhjálmur Finsen, IV. Fortegnelse, in: Grágás III, S. 572.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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gen bestehender Regelungen mit sich brachten und größere Änderungen der Gesetze nur in Ausnahmefällen erkennbar sind. Anhand des Fragments AM 315d fol. lässt sich eindrucksvoll belegen, dass der Text der schriftlich niedergelegten Gesetze der Freistaatszeit schon sehr früh seine in der Stajarhólsbók überlieferte Form erhalten hat. Der dort noch lesbare Text stimmt in den meisten Passagen nahezu vollständig mit dem entsprechenden Text der Stajarhólsbók überein.101 Schon die einleitenden Sätze des Landeinforderungsabschnittes zeigen dieses. Die Stajarhólsbók weist aber manchmal kleinere Einschübe auf, die eine Bestimmung des Fragments AM 315d fol. etwas näher erläutern oder einfach eine Formulierung aus dem vorangegangenen Satz wiedergeben.102 Dennoch stimmt die Wortfolge auch im Kleinen so deutlich überein, dass die bestehenden Abweichungen beim Abschreiben einer Vorlage entstanden sein können, die den Text von AM 315d fol. aufwies. Die Konungsbók wirkt dagegen nur wie eine sehr gute mündliche Nacherzählung, die mitunter wichtige Details unterschlägt:103

101

102

Vgl. die umfangreiche Textgegenüberstellung vom Fragment AM 315d fol. und den entsprechenden Abschnitten der Stajarhólsbók und der Konungsbók bei: Christopher Sanders, Grágás and orality: the oldest fragment, in: The Eigth International Saga Conference, The audience of the sagas, Preprints Band 2, S. 207(208–221). Vilhjálmur Finsen geht dagegen davon aus, dass der Text weder mit dem der Konungsbók noch dem der Stajarhólsbók übereinstimmt, vgl. Vilhjálmur Finsen, Tillæg I, in: Grágás Ib, S. 219. Vgl. sa ette pa landet es hann („dieser besaß dann das Land, den er“), AM 315d fol., in: Grágás Ib, S. 221.12, gegenüber sa majr ætte land pat a deyianda dege. er hann („dieser Mann besaß dieses Land an seinem Todestag, den er“), Grágás II, Kap. 389, S. 414.06–07, sowie Nu berr pat quipr at til voro leigo bol epa itök i avnor lond sua at porf yni („Wenn eine Jury aussagt, dass Pachtländereien oder ein Nießbrauch an anderen Grundstücken vorhanden waren, so dass der Bedarf gedeckt wäre“), AM 315d fol., in: Grágás Ib, S. 222.01–03, gegenüber Nu ber pat quijr at honom væri betra til fiar at selt være sva en oselt. pa scal hann quejia pa pes quipar anars. hvart leigu bol væri til aj selja eja í tok í anara mana lönd sva at porf vine. („Wenn die Jury aussagt, dass er vom Vermögen her besser stünde, wenn es so verkauft worden wäre, als wenn es nicht verkauft worden wäre, dann soll er die Jury dazu berufen, weiterhin darüber zu befinden, ob eine Landpacht oder ein Nießbrauch an anderer Leute Ländereien zu verkaufen gewesen wäre, so dass der Bedarf gedeckt wäre“), Grágás II, Kap. 389, S. 415.03–07.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

Stajarhólsbók Ef ungom man e tömiz land at erfj eja giof. oc sele fiarvarjveizlo majr hans a braut. oc a hann brigj til pess landz. Ef majr vex upp til landz brigjar. pa scal hann hefia up er hann er xvi. vetra gamall.104

AM 315d fol. Pat [es] melt ef vngom [manne] tømesk land . . . . . . . . . . . . giøf ok selr f [iarvarpveizlomapr ] ............................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ef majr [vex upp] til land [s brigpar ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . er hann er … v[e]t[ra] gamall.105

Konungsbók Pat er mælt par er majr vex upp til landz brigjar pa scal hann hefia upp er hann er xvi. vetra gamall.106

Abb. 2: Textbeispiel im sogenannten Landeinforderungsabschnitt in Stajarhólsbók, Konungsbók und ältestem Fragment 104105106

Hier zeigt sich, dass die Konungsbók die Tatbestandsvoraussetzung, nach der dem Minderjährigen das Land als Erbe oder Geschenk zugefallen sein muss, ebenso unterschlägt wie die Voraussetzung, dass sein Vermögensverwahrer es veräußert haben muss, damit bei Erreichen des Volljährigkeitsalters von 16 Jahren ein Rückforderungsanspruch bestehen kann. Inhaltlich sollen diese Bestimmungen unten ab S. 311 näher untersucht werden. Nur ganz ausnahmsweise stimmen dagegen Konungsbók und AM 315d fol. überein und die Stajarhólbók weicht inhaltlich von den beiden anderen Texten ab.107 103

104

105

106

107

Tabelle in Anlehnung an Christopher Sanders, Grágás and orality: the oldest fragment, S. 207(208). Dort sind die Fehlstellen des Fragments in ihrer mutmaßlichen Länge genauer wiedergegeben, was hier aus technischen Gründen nicht reproduziert werden kann und umso eher verziehen werden kann, als jede Gegenüberstellung dieser Art Unsicherheiten enthält, da es sehr schwierig abzuschätzen ist, wie viele Abbreviaturen und damit wie viele Wörter sich genau in den Fehlstellen befunden haben. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 410.17–411.01 („Wenn einem Minderjährigen Land als Erbe oder als Geschenk zufällt und sein Vermögensverwahrer es verkauft, dann hat er einen Herausgabeanspruch auf dieses Land. Wenn jemand heranwächst zur Landeinforderung, dann soll er mit ihr beginnen, wenn er 16 Winter alt ist.“) Vgl. Grágás Ib, Tillæg I, S. 219 („Das [ist] bestimmt, dass wenn einem Minder[jährigen] Land zufällt … Geschenk und der [Vermögensverwahrer] es verkauft . . . . . . . . Wenn jemand [heranwächst] zur Land[einforderung] …, wenn er … W[inter] alt ist.“) Vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 76.03–04 („Das ist bestimmt, wenn ein Minderjähriger zur Landeinforderung heranwächst, dann soll er (damit) beginnen, wenn er 16 Winter alt ist.“) Vgl. die Textgegenüberstellung bei Christopher Sanders, Grágás and orality: the oldest fragment, S. 207(215: Textstück 10, Zeilen 256 ff.).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Der Text des Fragments AM 315d fol. wirkt in hohem Grade wie von Anfang an schriftlich verfasst. Es ist anzunehmen, dass der dortige Text nicht groß von der Haflijaskrá abweicht, da er vermutlich nur 30 Jahre später geschrieben wurde und es sehr unwahrscheinlich ist, dass bereits so früh unterschiedliche Varianten dieses stark ausdifferenzierten Regelungskomplexes entstanden waren. Damit ist auch davon auszugehen, dass die Stajarhólsbók einen Text enthält, der deutlich näher an der Haflijaskrá ist als derjenige der Konungsbók. Die Gesetze wiesen damit ab 1150, spätestens aber ab 1170 oder 1180 (dem Entstehungszeitraum des Fragments 315d fol.), diejenige Gestalt auf, in der sie in der Stajarhólsbók überliefert sind, sofern und soweit es sich bei der jeweiligen Vorschrift nicht um eine der späteren Novellen handelt.108 Früher ist allgemein vermutet worden, die Haflijaskrá hätte nur eine unvollkommene Niederschrift eines kleinen Teils der Gesetze ausgemacht.109 Auch Konrad Maurer vermutete, dass die Niederschrift der Gesetze im Winter 1117/1118 nur „einzelne Aufzeichnungen über einzelne Rechtsmaterien“ betroffen habe und meinte weiter: Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, dass es sich im Wesentlichen nur um die Aufzeichnung der wichtigsten Stücke jener Rechtsvorträge gehandelt haben werde, deren regelmäßige Haltung zu den Obliegenheiten des Gesetzsprechers ge-

108

109

Vgl. Vilhjálmur Finsen, Oprindelige Ordning, S. 159–164, Vilhjálmur Finsen, Grágás III, Forerindring, S. III(XXXIV). Vgl. zum Beispiel Vilhjálmur Finsen, Efterskrift, in: Grágás (dänische Übersetzung II), S. 217(219): Ligesom nu Lovsigemanden i Tidsrummet för hin förste Nedskrivning af Lovene i 1117–1118 ( for Kristenrettens Vedkommende 1123–1133) maatte efter Hukommelsen samle og ordne Lovene for at kunne holde sit Lovfordrag, saaledes maatte han i den fölgende Tid indordne de efterhaanden givne nye Love paa de passende Steder, og medens Opgaven vat at foredrage Lovene saa ordret stemmende som muligt med den Affattelse, hvori de af Lovretten, den lovgivende Forsamling paa Altinget, vare vedtagne, maa der iövrigt med Hensyn til Samlingen af Stoffet, saavel efter 1118 som för den Tid antages at have tilkommet Lovsigemanden en vis Frihed, navnlig ogsaa ligeoverfor hin förste, i Löbet af kun een Vinter og maaske derfor ufuldkomment nedskrevne Haflideske Lovsammling. („Wie auch der Gesetzessprecher im Zeitraum vor der ersten Niederschrift der Gesetze 1117/1118 (in Bezug auf das Christenrecht 1122–1133) die Gesetze nach ihrem Hinzukommen sammeln und ordnen konnte, um seinen Gesetzesvortrag zu halten, so konnte er in der folgenden Zeit die später erlassenen Novellen an den passenden Stellen einordnen und während die Aufgabe war, die Gesetze so wortgetreu wie möglich in der Abfassung vorzutragen, wie sie von der lqgrétta, der gesetzgebenden Versammlung auf dem Allthing, angenommen worden waren, kann man im übrigen, mit Hinblick auf die Sammlung des Stoffes, sowohl nach 1118 wie auch vor jener Zeit, annehmen, dass dem Gesetzessprecher eine gewisse Freiheit zukam, namentlich auch gegenüber der ersten, im Laufe nur eines Winters und deswegen vielleicht unvollständig niedergeschriebenen Gesetzessammlung Haflijis.“)

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

hörte; eine Stelle in den uns erhaltenen Rechtsbüchern, welche von der „uppsaga“ als einer ihren Verfassern vorliegenden Rechtsaufzeichnung spricht, scheint gerade auf die Haflijaskrá bezogen werden zu müssen.110

Da in den Haupthandschriften im Vergleich zur gesamten Anzahl von Bestimmungen eher wenige Vorschriften als Novellen bezeichnet werden und der Vergleich der Stajarhólsbók mit dem Fragment AM 315d fol. in eine ganz andere Richtung weist, kann diese Ansicht kaum den Tatsachen entsprechen.111 Vielmehr ist davon auszugehen, dass schon die Haflijaskrá einen beachtlichen Umfang hatte, da bei der Kompilation der Stajarhólsbók wahrscheinlich nicht nur mehrere Gesetzbücher mit den Gesetzen der Freistaatszeit vorgelegen haben, sondern eventuell sogar die Haflijaskrá von 1117/1118 bzw. eine Abschrift von ihr. Andernfalls dürfte es noch mehr und vor allem wesentlich umfangreichere Vorschriften geben, die als Novellen bezeichnet werden. Der Gesetzessprecher musste nur die Normen über die Gerichtsverfassung und das Prozessrecht jeden Sommer vortragen, die übrigen Gesetze jeweils nur zu einem Drittel. Daher wird dieser Vortrag wohl Vollständigkeit angestrebt haben. Dem Gesetzessprecher wird entgegen der Meinung von Vilhjálmur Finsen kaum eine „gewisse Freiheit“ bei der Auswahl und Anordnung seines Stoffes für den Gesetzesvortrag zugekommen sein. Denn der Gesetzessprecher war grundsätzlich verpflichtet, die Gesetze in seinem Vortrag so ausführlich wie möglich aufzusagen.112 Dies dürfte den 110

111

112

Konrad Maurer, Island, S. 68. Das Wort uppsaga bezeichnet in der von Konrad Maurer angeführten Stelle Grágás Ia, Kap. 86, S. 150.07–09 ( pa er lyst fyrir ena prijio sol sem at quejr i vpsogo ef pat er rett scilit er par quejr at. {„Dann ist (es) vor der dritten Sonne angezeigt, wie im [Gesetzes-]Vortrag bestimmt ist, wenn recht verstanden wird, was dort bestimmt ist.“} = Grágás II, Kap. 283, S. 316.09–10) allerdings kein Rechtsbuch, sondern bedeutet auf Deutsch schlicht „Vortrag“. Zurückzuführen ist Konrad Maurers Missverständnis möglicherweise auf Baldvin Einarsson, Bemærkninger om den gamle islandske Lov Graagaasen, in: Juridisk Tidskrift XXII (1834), S. 1(56 Fn. 31 [Anmerkung von Pórjur Sveinbjörnsson] und 103f.), vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Grágás og Digesta, in: Sjötíu ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni II, S. 720(724 Fn. 13). Vgl. Ólafur Lárusson, Grágás, in: Lög og saga, S. 119(122); sowie Ólafur Lárusson, „Haflijaskrá“, in: KLNM 5I, Sp. 42 f. Vgl. Grágás Ia, Kap. 116, S. 209.17–22: Pat er oc at logsogo majr scal sva gerla pátto alla up segia at engi vite eina miclogi gør. En ef honom vinz eigi fropleicr til pess. pa scal hann eiga stefno vij .v. lögmenn en næsto døgr ajr eja fleíre pa er hann ma hellzt geta af ajr hann segi hvern patt upp. („Weiterhin ist bestimmt, dass der Gesetzessprecher alle Abschnitte so ausführlich aufsagen soll, dass niemand es wesentlich ausführlicher weiß. Wenn ihm dazu die Kenntnis nicht ausreicht, dann soll er die Tage vorher ein Treffen mit den 5 oder mehr Juristen abhalten, von denen am meisten [Nutzen] hat, bevor er jeden Abschnitt aufsagt.“) Zur Möglichkeit, den Vortrag abzukürzen, siehe den Text bei Fn. 149.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Raum für eine Auswahl aus der Gesamtmenge der geltenden Gesetze sehr stark eingeschränkt haben. Bei der Anordnung der Gesetze für den Vortrag sowie deren Verteilung über drei Sommer kann schon eher eine gewisse Freiheit vorgelegen haben. Allerdings ist hier zu beachten, dass einzig die Konungsbók als Handbuch für den Vortrag gedient zu haben scheint, während die Stajarhólsbók vermutlich nicht mehr zur Vorbereitung des Gesetzesvortrages gedacht war und somit als Kompilation diverser Vorlagen auch keine Rücksicht auf die Ordnung des Stoffes nehmen musste. Außerdem ist zu bedenken, dass auch die in der lqgrétta sitzenden Bischöfe mindestens eine Handschrift der Gesetze besaßen und somit leicht nachkontrollieren konnten, ob der Vortrag vollständig war, wie das Gesetz bestimmte. Damit dürfte feststehen, dass der Winter 1117/1118, in dem die Niederschrift der Gesetze stattfand, das Datum ist, an dem viele der Gesetze ihre überlieferte Form erhalten haben.113 Bestärkt wird die überragende Bedeutung der Gesetzesrevision durch die Annaleneinträge für 1117, in denen das „Gesetzestreffen“ auf Haflijis Anwesen erwähnt wird.114 Dies erklärt auch, warum es so schwierig ist, einzelne Altersstufen des Textes zu bestimmen, weil anzunehmen ist, dass die Gesetze ganz überwiegend in einem Stück von derselben Kommission in ihre erhaltene Form gebracht wurden. Abweichende Formulierungen der Gesetze sind demgegenüber vermutlich auf zwei Ursachen zurückzuführen. Die mündlicher wirkenden Formulierungen der Konungsbók scheinen auf eine parallele mündliche Überlieferung zurückzugehen, die gegenüber dem ältesten Fragment ausführlicheren Formulierungen in der Stajarhólsbók, die allesamt keine sachlichen Änderungen beinhalten, scheinen dagegen spätere Erläuterungen zu sein. Auch erklärt das gefundene Ergebnis die Tatsache, warum die Gesetze der Grágás als ausgesprochen komplizierte Texte gelten.115 Denn als die Gesetze im Winter 1117/1118 geschrieben wurden, war die isländische Schriftsprache noch nicht besonders weit entwickelt, was die vielen etwas

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Konrad Maurer war dagegen der Meinung, dass mit Schaffung der Haflijaskrá „nicht die Schöpfung neuen Rechts beabsichtigt war, wenn auch letztere keineswegs ausgeschlossen war“, vgl. Konrad Maurer, Island, S. 68. Vgl. oben Teil 1, Fn. 251. Vgl. nur Vilhjálmur Finsen, Forord, in: Grágás Ia, vor S. 1 „[…] ofte særdeles vanskelige Text“ („[…] oft besonders schwer verständliche Text“); Hans Fix, Grágás Konungsbók (GkS 1157 fol.) und Finsens Edition, in: Arkiv för Nordisk Filologi 93(1978) S. 82 mit Fn. 2 und Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXVII).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

unbeholfen klingenden, aber inhaltlich sehr ausdifferenzierten Formulierungen in der Stajarhólsbók gut erklären mag. 2.1.4.

Weitere Handschriften und Fragmente

2.1.4.1. Christenrechtsaufzeichnungen Aufgrund der erst ab 1354 im nördlichen Bistum herrschenden Gewissheit, dass das Christenrecht von 1275 jenes aus der Freistaatszeit abgelöst hatte, findet sich in den nach 1281 entstandenen Handschriften, die noch Recht aus der Freistaatszeit enthalten, vor allem das alte Christenrecht aus der Zeit von 1122 bis 1133. Dieses ist in einer Reihe von Pergamenthandschriften mehr oder minder ausführlich überliefert. Häufig enthalten die Handschriften daneben noch das Zehntgesetz.116 Besondere Erwähnung verdienen hier vier Papierhandschriften,117 bei denen sehr wahrscheinlich ist, dass der in ihnen überlieferte Christenrechtsabschnitt jeweils eine selbstständige Abschrift aus einer vollständigen Handschrift mit den Gesetzen der Freistaatszeit, der Leirárgarjarbók, darstellt, welche jedoch verloren gegangen ist.118 Die in diesen vier Handschriften erhaltenen Vorschriften, stimmen sehr weitgehend mit der Stajarhólsbók überein, aber aufgrund einer Auslassung in der Stajarhólsbók, die mit Hilfe dieser Papierhandschriften ausgefüllt werden kann, ist ersichtlich, dass sie von einer anderen Vorlage herrühren müssen.119 116

117

118 119

Vgl. Grágás III, S. 1–54 (AM 351 fol., Skálholtsbók, mit Zehntgesetz, geschrieben in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts); S. 55–92 (AM 346 fol., Stajarfellsbók, mit Zehntgesetz, geschrieben in der Mitte des 14. Jahrhunderts); S. 93–146 (AM 347 fol. Belgsdalsbók, mit Zehntgesetz und einigen Vorschriften des weltlichen Rechts, geschrieben um 1350); S. 147–192 (AM 135 4to, Arnarbælisbók, mit Zehntgesetz, geschrieben um 1350); S. 193–230 (AM 158 B 4to, mit Zehntgesetz, geschrieben um 1420); S. 231–274 (AM 50 8vo); S. 275–290 (AM 173 C 4to, geschrieben zwischen 1330 und 1370); S. 291–368 (AM 181 4to, mit Zehntgesetz, geschrieben in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts). Es handelt sich um A.M. 181 4to, in Jón Sigurjssons Handschriftensammlung um Nr. 5 4to, in der königlichen Bibliothek in Kopenhagen um Ny kongelig Samling 1915 4to und um die Handschrift in 12°, welche der Witwe Christian Magnusens, Ingibjörg Magnusen auf Skarj in Island, gehörte, vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. III(V), sowie Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse over det haandskriftlige Materiale, in: Grágás III, S. XLV–XLVII (Nrn. 21–24). Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. III(VI ff.). Vgl. Grágás III, S. 319.10–11 mit Grágás II, S. 20.14. Siehe dazu Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. III(V f.).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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2.1.4.2. AM 279a 4to, Pingeyrabók Die Pingeyrabók enthält unter anderem den Abschnitt über das Strandgutrecht, den Reka páttr, der vermutlich um 1280 in die Handschrift AM 279a 4to aufgenommen wurde.120 Die Handschrift besteht aus mehreren zu unterschiedlichen Zeiten niedergeschriebenen Teilen und es ist nicht sicher, ob diese auch ursprünglich als zusammengehörig angesehen wurden.121 Daneben enthält die über weite Passagen unleserliche Handschrift die Auflistung von Strandgutrechten des in der Nähe von Hafliji Mássons Hof Breijabólstajur gelegenen Klosters Pingeyrar in Bereich des Húnavatnsping122 sowie weitere Verzeichnisse und Texte, teilweise aus der Zeit um 1200.123 2.1.4.3. Fragment AM 315b fol. Das Fragment, das als AM 315b fol. bezeichnet wird, besteht aus einem Pergamentblatt im Quartoformat.124 Es wird von Vilhjálmur Finsen auf circa 1300 datiert.125 Es enthält Bestimmungen aus verschiedenen Abschnitten der Grágás und zwar solchen, die bis auf die erste Bestimmung nicht in der Konungsbók enthalten sind. Bei den Bestimmungen handelt es sich um Novellen.126 Damit legt das Fragment nahe, dass man möglicherweise parallel zu den bestehenden Gesetzesaufzeichnungen Novellensammlungen angefertigt hat, die entweder separat geführt oder die im Anhang bestehender Gesetzbücher aufgezeichnet wurden.

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122 123 124

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AM 279a 4to, Pingeyrabók, in: Grágás III, S. 377–407. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse over det haandskriftlige Materiale, in: Grágás III, S. XLII f. Vgl. Diplomatarium Islandicum I, S. 578 ff. Vgl. Diplomatarium Islandicum I, S. 304 ff. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Tillæg II A.M. 315 fol. Litr. B., in: Grágás Ib, S. 227–230. Dort auch Abdruck des Textes der freistaatlichen Bestimmungen. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse over det haandskriftlige Materiale in: Grágás III, S. XXXVI(XLII f.). Der Text dieses Abschnittes ist abgedruckt in Grágás III, S. 377–407. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Tillæg II A.M. 315 fol. Litr. B., in: Grágás Ib, S. 227.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

2.1.4.4. Weitere Handschriften Neben den genannten Fragmenten, welche älter als die beiden Haupthandschriften sind, und neben den Haupthandschriften selbst und den weiteren bisher genannten Handschriften und Fragmenten sind noch einige weitere Handschriften mit Auszügen aus der Grágás erhalten,127 von denen hier noch eine erwähnenswert ist: In der um 1600 entstandenen Papierhandschrift AM 125 A 4to sind Vorschriften enthalten,128 die teils am ehesten denen der Stajarhólsbók teils aber auch eher der Konungsbók gleichen, jedoch scheinen beide nicht die Quelle dieser Handschrift gewesen zu sein, sondern eine weitere Handschrift.129 2.1.5. Vergleich der beiden Haupthandschriften Konungsbók und Stajarhólsbók Die beiden Haupthandschriften sind aufgrund ihres Umfangs für die Kenntnis des Rechts der Freistaatszeit wesentlich wichtiger als die Fragmente und die späteren Handschriften, da jene nur in Ausnahmefällen Bestimmungen enthalten, die in keiner der beiden Haupthandschriften erhalten sind. Da sich die Konungsbók und die Stajarhólsbók trotz großer inhaltlicher Übereinstimmung vieler Vorschriften in bedeutsamen Punkten unterscheiden, sollen im Folgenden noch einmal die Unterschiede der beiden Handschriften dargelegt werden. 2.1.5.1. Übersicht über die Abschnittseinteilung der beiden Haupthandschriften Stellt man die Abschnittseinteilung der beiden Handschriften gegenüber, ergibt sich folgendes Bild:

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128 129

Verzeichnis aller bekannten Handschriften und Abschriften der Grágás bei Vilhjálmur Finsen, Fortegnelse oder det haandskriftlige Materiale, in: Grágás III, S. XXXVILVI. Text abgedruckt in: Grágás III, S. 411–442. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. III(XII ff.; XXXI).

Überlieferte Handschriften der Grágás Konungsbók 1. Kristinna laga páttr 2. Pingskapa páttr 3. Vígslóji 4. Baugatal 5. Lqgsqgumanns páttr 6. Lqgréttu páttr 7. Arfa páttr 8. Ómaga bálkr 9. Festa páttr 10. Landbrigja páttr 11. Um fjárleigur 12. Rannsóknar páttr 13. Um hreppaskil 14. [Einzelne Kapitel]

111

Stajarholsbók 1. Kristinna laga páttr (+ tíundarlög) 2. Erfja páttur

3. Ómaga bálkr 4. Festa páttr (+ um hreppaskil)

5. Um fjárleigur

6. Vígslóji 7. Landabrigjis páttr (+ Reka páttr)

15. Um tíundargjald Abb. 1: Konungsbók und Stajarhólsbók, Abschnitteeinteilung. Die Darstellung ist angelehnt an Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/Mörjur Árnason (Hrsg.), Inngangur. In: Grágás. Lagasafn íslenska pjójveldisins. Reykjavík 1992, S. ix. xix.

Die größten Unterschiede zwischen den beiden Handschriften sind darauf zurückzuführen, dass die Stajarhólsbók weniger Abschnitte enthält als die Konungsbók. Das Zehntgesetz, das in der Konungsbók ganz am Ende steht, ist in der Stajarhólsbók im Anschluss an das in beiden Handschriften am Beginn stehende Christenrecht überliefert. Als bedeutsamste Abweichung ist der Strafrechtsabschnitt Vígslóji, der in der Konungsbók eher am Anfang nach dem Gerichtsverfassungsrecht und vor den Abschnitten über den Gesetzessprecher und die gesetzgebende Versammlung steht, in der Stajarhólsbók weiter hinten zu finden. Ihm folgt in der Stajarhólsbók nur noch der Landabrigjis páttur mit dem Reka páttr. Letzterer ist in der Konungsbók nicht enthalten. Gegenüber der Reihenfolge in der Konungsbók haben die Abschnitte Landabrigjis páttr und Um fjárleigur in der Stajarhólsbók ihre Position getauscht, wobei dort noch der Strafrechtsabschnitt zwischen ihnen steht.

112

Handschriften und Ausgaben der Grágás

Während der Abschnitt Um hreppaskil („Über die Aufgaben der Gemeindeverbände“) am Ende der Konungsbók130 nach den großen Abschnitten zu einigen kleineren Abschnitten bzw. Kapiteln überleitet, ist dieser Regelungskomplex in der Stajarhólsbók im Abschnitt Um fjárleigur „Über Entleihungen von Gut“ enthalten, dort aber als eigenständiger Regelungsabschnitt auszumachen.131 Trotz der Unterschiede in der Anordnung der einzelnen Abschnitte lässt diese Zusammenstellung möglicherweise doch eine Ordnung erkennen, welche beiden Handschriften gemein ist. Beide Handschriften beginnen mit dem Christenrecht. In beiden Handschriften finden sich die drei Abschnitte Erfja páttr, Ómaga bálkr und Festa páttr unmittelbar nacheinander und in dieser Reihenfolge. Auch der Landabrigjispáttr steht in der Konungsbók eher am Ende. Danach folgt nur noch der in der Stajarhólsbók weiter nach vorne gerückte Abschnitt Um fjárleigur. Auf ihn folgen nur noch einige kleinere Abschnitte, die entweder nicht in der Stajarhólsbók enthalten sind (wie der Rannsóknar páttr) oder an die vorgenannten größeren Abschnitte angefügt wurden. So folgt das Zehntgesetz dem Christenrechtabschnitt und die Vorschriften des Gemeinderechts (Um hreppa skil ) und einige prozessrechtliche Normen über den gesetzlichen Wohnsitz und Vergleichsabschlüsse (in der Konungsbók im Pingskapa páttr enthalten) sind an die Schuldrechtsvorschriften Um fjárleigur anfügt. Obwohl es damit bei drei Abschnitten auffällige Ähnlichkeiten in ihrer Anordnung gibt, sind die Unterschiede doch so bedeutsam, dass es spekulativ wäre, allein aus den Gemeinsamkeiten beider Handschriften Rückschlüsse auf die Ordnung der Abschnitte in der Haflijaskrá ziehen zu wollen. In diesem Zusammenhang kann die schon erwähnte Papierhandschrift AM 125 A 4to, die auf etwa 1600 datiert wird, zum Vergleich herangezogen werden. In dieser Handschrift finden sich einige Kapitel aus einem verlorenen mittelalterlichen Manuskript.132 Die Auszüge werden in folgender Abschnittsreihenfolge aufgeführt: Pingskapa páttr, Arfa páttr, Ómaga bálkr, Festa páttr, Kaupa bálkr,133 Vígslóji, Búnajar bálkr,134 zwölf weitere Bestimmungen 130 131

132 133

134

Grágás Ib, Kap. 234 f., S. 171–180. Grágás II, Kap. 217–225, S. 249–260 (die Kap. 226 und 227, S. 260f, zählen wohl noch zu diesem Regelungsabschnitt, auch wenn sie nur ansatzweise eine Entsprechung in anderen Handschriften haben). Näheres zur Kapiteleinteilung siehe oben ab S. 88 ff. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Forerindring, in: Grágás III, S. III(IX–XIV). Kaupabálkur (Abschnitt über den Kauf ) ist eine andere, durch die Jónsbók beeinflusste, Bezeichnung des Abschnitts Um fjárleigur. Landwirtschaftsabschnitt. Andere Bezeichnung für Landabrigjis páttr.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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aus dem Strafrechtsabschnitt Vígslóji, Féráns páttr,135 Kristinn réttr und schließlich Nockrar greinir vr sijdasta balk gragasar sem heitir reka balkur og miog ber i flestum staudum saman vid vora log bok.136 (Einige Bestimmungen aus dem letzten Abschnitt der Grágás, der Treibgut-Abschnitt heißt und an den meisten Stellen mit unserem Gesetzbuch übereinstimmt.). Die Handschrift AM 125 A 4to weist trotz der abschnittsweise engen Verwandtschaft ihres Textes mit der Konungsbók dieselbe Kapitelreihenfolge auf wie die Stajarhólsbók, mit der alleinigen Ausnahme, dass sie die einzige Bestimmung des Christenrechts, die sie enthält, vor dem Reka páttr bringt, welcher in der Stajarhólsbók am Ende des Landabrigjis páttr steht.137 Die in der Stajarhólsbók nicht enthaltenen Abschnitte Pingskapa páttr und Féráns páttr stehen wie in der Konungsbók nach dem Christenrecht bzw. nach dem Strafrechtsabschnitt Vígslóji. Da auch diese dritte mittelalterliche Handschrift dieselbe Ordnung aufweist wie die Stajarhólsbók, liegt es nahe, dass die Haflijaskrá die Gesetze ebenfalls in dieser oder in einer ganz ähnlichen Abschnittsanordnung aufwies, jedoch mit dem Unterschied, dass sie das Christenrecht noch nicht enthielt. 2.1.5.2. Unterschiedliche Zielsetzung der beiden Haupthandschriften Aus dem Vorangehenden wird deutlich, dass die Konungsbók eine Handschrift für den praktischen Gebrauch war, die inhaltlich alle Bereiche des geltenden Rechts abdeckte, wenn man einmal vom Treibgutabschnitt absieht. Sie kann damit gut einem Gesetzessprecher als Arbeitsmittel gedient haben oder eventuell einem Bischof, auch wenn letzteres deswegen eher unwahrscheinlich sein dürfte, weil an den Bischofsstühlen vermutlich seit Erstellung der Haflijaskrá ein Gesetzesexemplar vorhanden war und dann der Text der Konungsbók nicht diese großen Abweichungen zum ältesten Fragment AM 315 d fol. aufweisen würde. Die Konungsbók wirkt in vielen Passagen wie eine sehr gute mündliche Nacherzählung des Textes der Stajarhólsbók. Trotz aller Unterschiede in den einzelnen Formulierungen gibt es sehr wenige bedeutsame inhaltliche Abweichungen zwischen beiden Texten. Auch die häufigen Abkürzungen, bei denen mit dem Inhalt einer Vorschrift nur begonnen wird und dann lediglich ein lateinisches usque in finem folgt, deuten darauf hin, dass die Konungs135 136 137

Abschnitt über den Raub von Gut. Andere Bezeichnung für Rannsóknarpáttr. Vgl. Grágás III, S. 441–440. Vgl. Grágás III, S. 440.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

bók ein Handbuch für einen Gesetzessprecher war, der das Buch als Gedächtnisstütze zur Hilfe ziehen konnte, der aber ohnehin die meisten Vorschriften im Kopf hatte. Dagegen bietet der Text der Stajarhólsbók fast durchgehend mehr Details, der Satzbau ist mit längeren Sätzen und vielen untergeordneten Nebensätzen wesentlich komplizierter. Mitunter ist der Satzbau der Stajarhólsbók so kompliziert, dass der Text stilistisch vollkommen untypisch für das damalige Isländisch wirkt.138 Eventuell rührt dies aber auch daher, dass die häufig als Maßstab herangezogene Sprache der Isländersagas eine Kunstprosa ist, die vermutlich relativ wenig über andere Bereiche der Sprache der damaligen Zeit aussagt. Der Text der Stajarhólsbók erscheint damit sehr buchmäßig und es ist kaum plausibel, dass der Text mit diesen komplizierten und verschachtelten Formulierungen vom Gesetzessprecher im mündlichen Rechtsvortrag vor der gesetzgebenden Versammlung und der gesamten Thingwelt nach dem ersten Vorlesen durch Geistliche im Jahre 1118 regelmäßig in dieser Form vorgetragen wurde. Da das Gesetz aber auch eine Abkürzung des Vortrages bzw. ein Absehen vom Gesetzesvortrag vorsah139, ist davon auszugehen, dass der vorzutragende Text schon von Anfang an eher kompliziert und recht umfangreich war. Durch diese unterschiedliche Zielsetzung der beiden Handschriften lassen sich auch die Wiederholungen einiger Vorschriften in der Stajarhólsbók sowie die gegenüber der Konungsbók teilweise altertümlichere Sprache erklären. 2.1.5.3. Beispiele für ursprünglicheren Text der Stajarhólsbók bzw. schlechteren Text der Konungsbók Der Vergleich des Fragments AM 315d fol. mit dem Text der Stajarhólsbók und dem der Konungsbók hat schon sehr deutlich gezeigt, dass die Stajarhólsbók in diesem Bereich den ursprünglicheren Text enthält. Dieser Befund bestätigt sich an sehr vielen Stellen. Ein weiteres Beispiel für den besseren Text der Stajarhólsbók stellt eine Textstelle dar, die die Unwiderruflichkeit von Geschenken festlegt. In der Konungsbók lautet die entsprechende Stelle:

138

139

Eingehende Analyse des als von anderen skandinavischen Gesetzen stark abweichend klassifizierten Stils der Grágás bei Hans-Peter Naumann, Sprachstil und Textkonstitution, S. 164–176. Vgl. Text bei Fn. 149.

Überlieferte Handschriften der Grágás

Engi majr a at ripta giof sina. Nu heitr hann lavnom fyrir giofna. pa ahin heimting til peirra avra iafn micilla sem buar raja at bera heiten.140

115

Niemand soll seine Schenkung widerrufen. Wenn jemand eine Gegenleistung für ein Geschenk verspricht, so hat der andere Anspruch auf genau so viele Öre, wie Anwohner bestimmen (, als Juryspruch) auszusagen, dass versprochen wurden.

140

In der Stajarhólsbók ist die entsprechende Bestimmung ausführlicher und hat einen präziseren Inhalt: Engi majr a at ripta giöf sina. Nu sér majr til lavna eja heitr hin fyrir giofna oc coma pav eigi framm. en peir hafjo pat i málum sinum haft at lavna scyllde. oc a hann tilkall til jafn micilla avra sem quaddir buar v. apingi raja at bera hvers vert var.141

Niemand soll seine Schenkung widerrufen. Wenn jemand gegen Lohn arbeitet oder der andere ihm etwas für das Geschenk verspricht und dieses [die Gegenleistung] nicht erbracht wird, sie aber in ihrer Vereinbarung abgesprochen hatten, dass es zu vergüten sei, so hat er einen Anspruch auf ebenso viele Öre, wie 5 herbeigerufene Anwohner bestimmen auszusagen, dass es wert gewesen sei.

141

Der Text der Stajarhólsbók weist hier eine zusätzliche Tatbestandsalternative auf, indem er die Anwendung der Norm auch auf Fälle erstreckt, in denen jemand sich gegen Lohnzahlung zu einer Arbeit verpflichtet hat. Daneben nennt der Text explizit die Voraussetzung, dass die versprochene Schenkung noch nicht erbracht wurde, während die Konungsbók dies stillschweigend voraussetzt. In prozessualer Hinsicht bestimmt einzig die Stajarhólsbók, dass die hier einzusetzende Jury aus fünf Anwohnern bestehen soll, welche auf dem Thing herbeigerufen werden können und nicht wie in anderen Fällen von zu Hause vorzuladen sind.

140 141

Grágás Ia, Kap. 127, S. 247.12–15. Grágás II, Kap. 66, S. 84.21–85.02.

116

Handschriften und Ausgaben der Grágás

Auch bei den Strafrechtsvorschriften sind die Bestimmungen der Stajarhólsbók wesentlich präziser: Pat metz sem majr s e vegin . ef hann er førjr i hólma eja isker eja i eyiar o bygjar. par er diúpt vatn er um huerfis eja se hann hengjr. eja kyrcjr igravf settr eja heptr afialli eja ifløjar mále. eja se stungin avgo or havfje honom eja havg nar af honom hendr eja fötr eja se hann gelldr. Ef menn seita mann i vt sker sa majr heitir scer nár. Ef majr er settr igrof; oc heitir sa graf nar. Ef majr er førjr afiall eja i hella; sa heitir fiall nár. Ef majr er hengjr oc heitir sá galg nar. Oc scal pesa menn alla giallda nijgiolldum poat peir hafe líf sitt sva sem peir se vegnir.142

Das wird bewertet, als ob jemand erschlagen worden wäre, wenn jemand auf eine kleine Insel oder eine Schäre verbracht wird oder auf unbewohnte Inseln, wo tiefes Wasser rundherum ist oder er aufgehängt oder gewürgt, (lebendig) begraben oder in den Bergen oder im Hochwasserüberflutungsgebiet festgesetzt wird oder ihm die Augen aus dem Kopf gestochen werden oder er kastriert wird. Wenn Leute jemanden auf einer vorgelagerten Schäre aussetzen, dann heißt dieser Mann Schärenleiche. Wenn jemand lebendig begraben wird, dann heißt er Grableiche. Wenn jemand aufgehängt wird, heißt er Galgenleiche. Sollen alle diese Leute so mit Totschlagsgeldern vergolten werden, als ob sie erschlagen worden wären, obwohl sie überlebten.

142143

In der Konungsbók ist die entsprechende Stelle sehr kurz: Peir menn ero en iiii. er náir ero kallapir pott lifi. Ef majr er hengjr eja kyrkpr eja settr i grof. epa i scer. eja heptr a fialle. eja ifløjar mále. Par heitir gálg nár. oc graf nár. oc sker nár oc fiall nár. Pa menn alla scal iafnt aptr giallda nijgiolldom sem peir se vegnir pott peir lifi.143

142 143

Grágás II, Kap. 360, S. 380.08–17. Grágás Ia, Kap. 113, S. 202.19–24.

Diese 4 Leute werden Leichen genannt, obwohl sie leben. Wenn jemand aufgehängt wird oder erwürgt oder begraben word oder auf einer Schäre ausgesetzt oder auf einem Berg festgesetzt, da heißt er Galgenleiche, Grableiche, Schärenleiche und Bergleiche. Diese Leute soll man alle mit Totschlagsgeldern vergelten, als ob sie erschlagen worden wären, obwohl sie leben.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Auch die Definition der schwereren Wunden ist in der Stajarhólsbók präziser: En pav ero hin meire sár. heil und oc hol und oc merg und. Pat er heil und er ravf er a havsi til heila. hvart sem hann er havg vin eja rifnajr eja brotin. En pa er holund. ef bloj ma falla a hol or sáre. En pa er merg und. ef bein er i sundr til mergiar. pat sem mergr er í. hvart sem pat er högvit eja brotit.144

Und dies sind die schwereren Wunden: Gehirnwunde, Lochwunde, Markwunde. Das ist eine Gehirnwunde, wenn ein Riss im Schädel ist bis zum Gehirn, gleich, ob auf den Schädel gehackt worden, oder er gerissen oder gebrochen ist. Und das ist eine Lochwunde, wenn Blut aus der Wunde in den Brustkasten oder Bauchraum gelangen kann. Und das ist eine Markwunde, wenn ein Knochen entzwei ist bis auf ’s Mark, in einem solchen, in dem Mark ist, gleich, ob er zerhackt oder gebrochen ist.

144

In der Konungsbók lautet die entsprechende Bestimmung: pat er heilund er ravf verjr ahavse hvarz var havs hög vin eja rifnajr. hol und er ef bloj ma falla ahol or sáre. Merg und er ef beín er isundur til mergiar. pat er mergr er ipot brotit se.145

Das ist eine Hirnwunde, wenn ein Riss im Schädel ist, gleich ob auf den Schädel gehackt wurde oder er gerissen ist. Eine Lochwunde liegt vor, wenn Blut aus der Wunde in den Brustkasten oder Bauchraum gelangen kann. Eine Markwunde liegt vor, wenn ein Knochen entzwei ist bis auf ’s Mark, in einem solchen, in dem Mark ist, auch wenn er gebrochen ist.

145

Damit sind in der Stajarhólsbók an zwei Stellen noch zusätzliche Begehensalternativen genannt, was bei einer so zentralen Legaldefinition einigermaßen erstaunlich ist. Aufgrund des größeren Alters des Textes der Stajarhólsbók, sieht alles danach aus, dass diese Begehensalternativen in der Konungsbók ausgelassen wurden. 144 145

Grágás II, Kap. 269, S. 299.01–06 [Hervorhebung Verf.]. Grágás Ia, Kap. 86, S. 145.18–22.

118

Handschriften und Ausgaben der Grágás

Auch andere Legaldefinitionen erscheinen in der Konungsbók nur wie eine ungefähre Nacherzählung des Textes der Stajarhólsbók. en pat ero rif hris ef menn rífa. en pat er hög scogr er menn högva.146

Und das ist ein Reissstrauch, wenn Leute (ihn) herausreißen, und das ist ein Fällwald, wenn Leute (ihn) fällen.

146

Wie diese Legaldefinition ursprünglich gedacht war, lässt sich in der Konungsbók nicht mehr erkennen. Die Fassung in der Stajarhólsbók zeigt, was der ursprüngliche Gedanke dieser Unterscheidung war. En pat er rif hrís er sciotara er at rifa upp. en sökia öxe. En pat er hög scogr er mön om er sciotara at hög va öxe. en rifa upp.147

Und das ist ein Reissstrauch, bei dem es schneller ist, ihn herauszureissen als die Axt zu holen. Und das ist ein Fällwald, bei dem es für die Leute schneller geht, ihn mit der Axt zu fällen als ihn herauszureißen.

147

Es kommt damit nicht darauf an, ob man einen Strauch oder kleinen Baum herausreißt oder ihn mit der Axt fällt, sondern darauf, was schneller geht: ihn mühselig herauszureißen, wo es schneller gegangen wäre, eine Axt zur Hand zu nehmen, oder ihn mit der Axt zu fällen, wo das einfache Herausreißen schneller vonstatten gegangen wäre. Auch andere, für das generelle Verständnis der Grágásgesetze wichtige Normen sind in der Konungsbók vermutlich in stark vereinfachter Weise wiedergegeben. So steht in der Konungsbók: Lavs erv øll nymæli ef eigi uerpa vpp sogj it .iij. hvert sumar.148

Außer Kraft sind alle Novellen, wenn sie nicht jeden 3ten Sommer aufgesagt werden.

148

Nach dieser Vorschrift muss bei jeder Novelle auch nach sehr langer Zeit Klarheit über ihre Novelleneigenschaft herrschen, weil sie nur so lange gilt, wie sie im Gesetzesvortrag alle drei Jahre erwähnt wird. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ausgeschlossen, dass man von einem Vortrag einer Novelle absieht. 146 147 148

Grágás Ib, Kap. 181, S. 91.01–02. Grágás II, Kap. 420, S. 469.02–04. Grágás Ia, Kap. 19, S. 37.24–25.

Überlieferte Handschriften der Grágás

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Nach dem Lqgréttu páttr der Konungsbók war den Mitgliedern der gesetzgebenden Versammlung jedoch freigestellt, auf einige Abschnitte des Vortrages zu verzichten: Hann scal oc up segia pingscöp hvert sumar. oc ajra pátto alla. sva at peir verje upp sagpir a iii. sumrom hueriom. ef meire lutr manna vill hly´ tt hafa. Fosto dag in fyra i pingi scal pingscöp avallt up segia ef menn hafa tom til at hlyja.149

Er [der Gesetzessprecher] soll auch die Thingverfassung jeden Sommer aufsagen und alle anderen Abschnitte so, dass sie alle 3 Sommer aufgesagt werden, wenn die Mehrzahl der Leute es hören will. Den ersten Freitag während des Things soll stets die Thingverfassung aufgesagt werden, wenn die Leute Muße zum Zuhören haben.

149

Bei wörtlicher Befolgung des Textes der Konungsbók war damit eine Novelle in jedem Fall vorzutragen. Dies hätte die Möglichkeit, den Vortrag um die Teile abzukürzen, welche allgemein hinlänglich bekannt waren, sehr stark eingeschränkt. Wesentlich näher liegt es daher, dass eine Bestimmung die Rechtslage bezüglich der Geltung von Novellen zutreffend wiedergibt, die in der Handschrift AM 58 8vo enthalten ist.150 In der Stajarhólsbók ist diese Bestimmung nicht enthalten, aber die Handschrift AM 58 8vo, in der die nachfolgende Bestimmung auf Bl. 117a überliefert ist, bringt ab Bl. 118b bis Bl. 131 eine Vielzahl an Auszügen aus den Grágásgesetzen, die mit der Stajarhólsbók übereinstimmen.151 Nymæli aull skulu 3 sumur til laugbergis laugd wera sijdan fyre laug halldast.152

Alle Novellen sollen 3 Sommer lang am Gesetzesfelsen vorgetragen und danach als Gesetz anerkannt werden.

152

Diese Bestimmung scheint wesentlich praktikabler zu sein als die betreffende Vorschrift in der Konungsbók und ist mit den Bestimmungen über den Gesetzesvortrag problemlos zu vereinbaren. In die Stajarhólsbók ist sie vermutlich deswegen nicht aufgenommen worden, weil nach Annahme des Pingfarar bálkr (Thingfahrtrechts) der Járnsíja grundsätzlich der König zum 149 150 151 152

Grágás Ia, Kap. 117, S. 216.25–217.03. Vgl. Einar Arnórsson, Réttarsaga Alpingis, S. 61 f. Vgl. Grágás III, S. 443 Fn. 2 a.E. Grágás III, S. 443.

120

Handschriften und Ausgaben der Grágás

Erlass neuer Gesetze – denen die gesetzgebende Versammlung gemäß dem Vertrag von 1262–1264 noch zustimmen musste (siehe oben in der Einleitung) – ermächtigt war, auch wenn die lqgrétta noch das Recht zur (partiellen) Rechtsfortbildung hatte.153 Die vorgenannten Beispiele dürften ausreichen, um zu zeigen, dass der Text der Konungsbók nicht besonders glücklich die Gesetze der Freistaatszeit wiedergibt. Dennoch muss hier betont werden, dass viele Bestimmungen in den beiden Haupthandschriften wörtlich übereinstimmen oder sich nur durch unwesentliche Formulierungsunterschiede oder eine andere Satzstellung unterscheiden. Somit ist auch der Text der Konungsbók ein wichtiges Zeugnis für die Gesetze der Freistaatszeit; unersetzbar ist er dort, wo allein er die betreffenden Bestimmungen überliefert, wie im Bereich des Gerichtsverfassungsrechts und des Prozessrechts. Wenn Sturla Pórjarson tatsächlich beide Haupthandschriften in Auftrag gegeben hat, erklärt die Textqualität der Konungsbók, warum er sich vermutlich im Winter 1271/1272 die Stajarhólsbók hat anfertigen lassen. Bei der Abfassung der Konungsbók scheinen deutlich weniger Vorlagen zur Verfügung gestanden zu haben als bei der Kompilation der Stajarhólsbók. Es ist anzunehmen, dass ein Gesetzeskundiger bei der Abfassung der Konungsbók bzw. ihrer Textvorlage viele Passagen aus dem Gedächtnis diktiert hat, da dadurch die vielen nichtausgeschriebenen Stellen ebenso leicht zu erklären sind wie der überaus mündliche Stil der Gesetzesfassungen in der Konungsbók. Ein weiterer Umstand, der die These stützt, dass die Stajarhólsbók näher am Text der Haflijaskrá steht als die Konungsbók, ist, dass diejenigen Bestimmungen der Járnsíja, die sich auf die Grágás zurückführen lassen, eher der Stajarhólsbók als der Konungsbók ähneln. Vermutlich wurde ein der Stajarhólsbók verwandter Text zur Gestaltung derjenigen Normen in der Járnsíja herangezogen, welche isländischen Ursprungs sind.154 Damit scheinen die zu 153

154

Vgl. Járnsíja, in: Norges Gamle Love I, Kap. 11, S. 259(263): Nu at konongr vite sek pui helldr skylldugan log at hallda vij pegna sina oc um at bæta pa scal hann penna æijstaf hava pa er hann er til konongs tekinn. („Damit der König sich verpflichtet fühlt, die Gesetze gegenüber seinen Untertanen einzuhalten und zu verbessern, da soll er diesen Eid leisten, wenn er zum König ernannt wird.“), sowie Kap. 3, S. 259(260): Nu pat allt ær logbok skilr æige pa skal pat af hverio male hafa er logrættomenn verja a eitt satter oc pæim pikker rættast fire guje. („Bezüglich all dessen, dass das Gesetz nicht unterscheidet, da soll in jeder Sache das angenommen werden, auf das sich die Mitglieder der gesetzgebenden Versammlung einigen und was ihnen am Richtigsten vor Gott erscheint.“) Vgl. Ólafur Lárusson, Preface Stajarhólsbók 1936, S. 1; Ólafur Lárusson, Grágás og lögbækurnar (1923), S. 23 f.; Ólafur Lárusson, Grágás og lögbækurnar, in: Tímarit lögfræjinga og hagfræjinga 1924, S. 1(11).

Überlieferte Handschriften der Grágás

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jener Zeit als im Zweifelsfall maßgeblich angesehenen Gesetze eher der Form der Stajarhólsbók zu entsprechen als derjenigen der Konungsbók. Dies wird bestätigt durch die mit der Stajarhólsbók wohl stärker übereinstimmenden weiteren Handschriften, die nur in Ausnahmefällen enger an die Konungsbók angelehnt sind (siehe oben S. 110 ff. und oben in diesem Abschnitt bezüglich der Novellengesetzgebung). 2.1.5.4. Ursachen für die Textabweichungen der beiden Hauphandschriften Eine wesentlich Ursache für die Textunterschiede zwischen den beiden Haupthandschriften wird sein, dass es vermutlich trotz der 1117/1118 erfolgten Niederschrift der Gesetze nicht sehr viele Rechtsaufzeichnungen gegeben hat. Zum einen war die Produktion so umfangreicher Handschriften aufwändig, da in Island, in dem bald die Schafzucht den bei weitem größten Landwirtschaftszweig ausmachte, das für großformatige Handschriften bevorzugte Pergament von Kälbern besonders teuer gewesen sein muss. Zur vermutlich geringen Zahl aller je gefertigten Rechtshandschriften mag auch beigetragen haben, dass sich ab 1181 nur noch zwei Geschlechter bei der Besetzung des Gesetzessprecheramtes abgewechselt haben: Das Geschlecht der Sturlungar und das der Haukdælir. Damit dürfte in anderen Familienverbänden der Bedarf an Gesetzeshandschriften geringer gewesen sein. In dieselbe Richtung weist die Konzentration die 48 Godentümer in den Händen einiger weniger Häuptlinge. Auch deutet die Tatsache, dass sich zwischen der Konungsbók und der Stajarhólsbók viele Textunterschiede im Kleinen finden, darauf hin, dass es nicht besonders viele Gesetzeshandschriften gegeben haben kann. Denn diese Textabweichungen sind häufig Formulierungsvarianten, die wohl nicht entstanden wären, wenn die beiden Haupthandschriften unmittelbar oder über Abschriften von derselben Urhandschrift abgeschrieben worden wären. Gerade der Text der Konungsbók erscheint häufig wie mündlich geformt und wirkt damit zumindest streckenweise wie ein diktierter Text, der bis zu seiner Niederschrift zu einem nicht unbedeutenden Teil im Gedächtnis bewahrt wurde. Der Text der Stajarhólsbók wirkt dagegen über weite Passagen so, als sei er von Anfang an schriftlich entstanden.

122

Handschriften und Ausgaben der Grágás

2.2. Grágás-Ausgaben und Übersetzungen 2.2.1. Ausgaben der Grágás Der erste Druck eines Teils der Grágás erschien 1776 mit der zweisprachigen isländisch-lateinischen Ausgabe des Christenrechts der Bischöfe Porlákr und Ketill.155 Diese Ausgabe folgt der Stajarhólsbók, führt aber auch weitergehende Vorschriften der Konungsbók und anderer Handschriften auf. Die nächste Ausgabe von Gesetzen der Grágás war die zweisprachige isländisch-lateinische Ausgabe von 1829, die den Text beider Handschriften vereint, jedoch mit Rücksicht auf das bereits 1776 herausgegebene Christenrecht diesen Abschnitt ausspart.156 Dieser Ausgabe folgte neben einer breiten rechtshistorischen Einleitung in lateinischer Sprache bereits ein umfangreiches Register mit Begriffserklärungen auf Lateinisch und teilweise sogar auf Griechisch.157 Ab 1850 erschien die Konungsbók in der Ausgabe Vilhjálmur Finsens für „Det nordiske Literatur-Samfund“. Die abgeschlossene Ausgabe trägt die Jahreszahl 1852. Diese Textedition in zwei Teilen158 ist – ebenso wie die weiteren Grágáseditionen von Vilhjálmur Finsen – heute noch maßgeblich.159 155

156

157 158

159

Jus ecclesiasticum vetus sive Thorlaco-Ketillanum constitutum An. Chr. MCLXXII. Kristinnrettur in gamli edr Porlaks oc Ketils Biscupa/ ex mss. Legati Magnæani cum versione latina, lectionum varietate notis, collatione cum jure canonico, juribus ecclesiasticis exoticis, indique vocum edit Grimus Johannis Thorkelin, Hafniae 1776. Hin forna lögbók Íslendinga sem nefnist Grágás. Codex iuris islandorum antiquissimus, qui nominatur Grágás. Ex duobus manuskriptis pergamenis (quae sola supersunt) bibliothecæ regiæ et legati arnæ-magnæani, nunc primum editus. cum interpretatione latina, lectionibus variis, indicibus vocum et rerum p.p. Præmissa commentatione historica et critica de hujus juris origine et indole p.p., ab J.F.G. Schlegel conscripta. Pars I+II, Havniæ 1829. Zitiert als: Grágás (1829) I–II. Vgl. Grágás (1829) II, S. 1–100 [nach S. 410, wo eine neue Paginierung einsetzt]. Grágás, Islændernes Lovbog i fristatens tid, udgivet efter det kongelige Bibliotheks Haandskrift og oversat af Vilhjálmur Finsen, for det nordiske Literatur-Samfund, Kjøbenhavn 1852. Nachdrucke: Reykjavík 1945; Odense 1974. Zitiert als: Grágás Ia und Ib [jeder Teil ist eigenständig paginiert]. Obwohl Vilhjálmur Finsen in älteren Veröffentlichungen die Konungsbókausgabe als I und II und die von ihm besorgte dänische Übersetzung mit III und IV bezeichnet hat, wird hier die allgemein üblich gewordene Bezeichnung verwendet, nach der die Konungsbókedition mit ihren beiden Teilen als Grágás Ia und Ib bezeichnet wird. Die Kritik von Hans Fix, Grágás Konungsbók (GKS 1157 fol.) und Finsens Edition, in: Arkiv för Nordisk Filologi 93(1978), S. 82–115, insbesondere S. 94 ff., mag vielleicht aus heutiger linguistischer Sicht berechtigt sein, ist jedoch für das juristische Verständnis des Texts von untergeordneter Bedeutung.

Grágás-Ausgaben und Übersetzungen

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Die Stajarhólsbók gab Vilhjálmur Finsen im Jahre 1879 heraus.160 Damit war es erstmals möglich, die beiden Haupthandschriften der Grágás in vollständigen Druckausgaben zu benutzen, nachdem die Ausgabe von 1829 jeweils nur Teile der beiden Handschriften wiedergibt. Die verschiedenen erhaltenen Christenrechtsabschnitte sowie weitere Grágásbestimmungen, die größtenteils aus Pergamenthandschriften stammen, sind in einer ebenfalls von Vilhjálmur Finsen im Jahre 1883 vorgelegten Ausgabe zu finden.161 Dieser Band enthält auch umfangreiche Register, Konkordanztabellen der beiden Handschriften sowie ein weit über hundertseitiges Glossar, das viele Rechtsbegriffe der Grágás in dänischer Sprache erläutert.162 In der Reihe Corpus Codicum Islandicorum Medii Aevi erschienen die beiden Haupthandschriften der Grágás als Facsimileausgaben in schwarzweiß.163 Im Jahre 1992 kam eine Leseausgabe der Grágás heraus, deren Text aus beiden Handschriften zusammengestellt wurde, indem die Abschnitte, die in der Stajarhólsbók enthalten sind, von dort aufgenommen wurden. Abweichende Bestimmungen sowie die dort zusätzlich enthaltenen Abschnitte entstammen ganz überwiegend der Konungsbók.164 Durch diese Vorgehensweise, die in ähnlicher Form schon für die Ausgabe von 1829 gewählt wurde, erhält man zwar einen recht umfangreichen Text. Die großen Unterschiede der beiden Haupthandschriften in der Textanordnung und der Textgestalt sind für den Leser aber nicht zu erkennen, so dass dieses Vorgehen nicht ganz unproblematisch ist.165

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Grágás, efter det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 334 fol., Stajarhólsbók, udgivet af Kommissionen for det Arnamagnæanske Legat. Kjøbenhavn 1879. Nachdruck: Odense 1974. Zitiert als: Grágás II. Grágás. Stykke, som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 fol. Skálholtsbók og en Række andere Haandskrifter tilligemed et Ordregister til Grágás, Oversigter over Haandskrifterne, og Facsimiler af de vigtigste Membraner, udgivet af Kommissionen for det Arnamagnæanske Legat, Kjøbenhavn 1883. Zitiert als: Grágás III. Nachdruck: Odense 1974. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Registre og Oversigter, in: Grágás III, S. 508–714. Vgl. Konungsbók und Stajarhólsbók. Grágás, Lagasafn íslenska pjójveldisins, Gunnar Karlsson/Kristján Sveinsson/ Mörjur Árnason (Hrsg.), Reykjavík 1992. Zitiert als: Grágás (1992). Vgl. Gujrún Ása Grímsdóttir, Rezension Grágás (1992), in: alvíssmál 4 (1994), S. 107(110).

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

2.2.2. Übersetzungen der Grágás und grágásspezifische Hilfsmittel Die ersten Druckausgaben von 1776 mit dem Text des Christenrechts und von 1829 mit dem weltlichen Recht aus beiden Handschriften enthielten jeweils auch eine Übersetzung ins Lateinische (siehe Abschnitt zuvor). Die nächste Übersetzung war die von Vilhjálmur Finsen gefertigte dänische Übersetzung der Konungsbók, die 1870 vollständig vorlag.166 Im Jahre 1937 erschien eine deutsche Übersetzung der Konungsbók durch Andreas Heusler.167 Bei dieser Übersetzung wurde angeblich eine Nachbildung des rechtssprachlichen Stils angestrebt,168 die auch vor Lehnübersetzungen nicht zurückschreckte.169 Indes ist die Übersetzung juristisch nicht immer zuverlässig.170 Teilweise ist die Übersetzung nicht direkt falsch, aber 166

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Grágás, Islændernes Lovbog i fristatens tid, udgivet efter det kongelige Bibliotheks Haandskrift og oversat af Vilhjálmur Finsen for det nordiske Literatur-Samfund, Kjøbenhavn 1870. Tredie Del, Oversættelse I. Fjerde Del, Oversættelse II, Efterskrift. zitiert als: Grágás (dänische Übersetzung I–II). Andreas Heusler, Graugans, Weimar 1937. Vgl. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXIX). Vgl. Hans-Peter Naumann, Andreas Heuslers Übersetzungen aus dem Altisländischen, in: Wilhelm Heizmann/Astrid van Nahl (Hrsg.), Runica-Germanica-Mediaevalia, RGA-E Bd. 37 (2003), S. 466(479). Zu den rechtshistorisch interessanten Arbeiten von Andreas Heusler siehe: Hans-Georg Hermann, Mit offenem Blick auch für das Recht – rechtshistorische Werkerträge bei Andreas Heusler, in: Jürg Glauser/ Julia Zernack (Hrsg.), Germanentum im Fin de Siècle, S. 249 ff. (speziell zur Übersetzung der Konungsbók, S. 272 ff.). So wird zum Beispiel die Stelle Grágás Ia, Kap. 78, S. 131.13–17 (vgl. Grágás II, Kap. 234, S. 268.02–06 mit etwas abweichender Formulierung): Ef majr veit eigi logheimile manz eja hvar honom er lög grij handsalat enda væri hann or ojrom fiorjungi abrott eja veit hann eigi festar hæla pótt samfiorjungs se oc er honom rett at stefna par er hann visse lögheimile hans sijarst. folgendermaßen übersetzt (Graugans, S. 120): „Weiß man das gültige Heim eines Mannes nicht oder wo ihm gültige Stelle zugesichert ist, oder wäre er aus dem Viertel fort, oder weiß man nicht die Taupflöcke seines Schiffes, und seien sie im selben Viertel: dann ist man berechtigt, ihn dort vorzuladen, wo man sein letztes gültiges Heim wußte.“ In dieser Übersetzung bleibt das öjrum unberücksichtigt, was diese Tatbestandsalternative in der Übersetzung unzutreffend werden lässt. Zutreffend wäre dagegen zu übersetzen: „Wenn jemand den gesetzlichen Wohnsitz eines anderen nicht kennt oder nicht weiß, wo ihm gesetzliche Unterkunft per Handschlag gewährt wurde, oder wenn er aus einem anderen Viertel (in noch ein anderes Viertel) wegzieht oder wenn jemand die Festmacherpoller nicht kennt [= den Ort, von dem aus das Schiff mit dem Beklagten losfuhr], auch wenn sie innerhalb desselben Viertels sind, dann ist es ihm gestattet, dort vorzuladen, wo er zuletzt seinen gesetzlichen Wohnsitz wußte.“ Diese Vorschrift enthält komprimiert vier verschiedene Tatbestandsalternativen, für die alle dieselbe Rechtsfolge angeordnet wird. Man darf den Beklagten an dessen letztem gesetzlichen Wohnsitz, den man kennt, zum Gericht vorladen, wenn man (1) den aktuellen gesetzlichen Wohnsitz eines selbständig Wirt-

Grágás-Ausgaben und Übersetzungen

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doch so ungenau, dass juristisch interessante Details verloren gehen.171 Dennoch ist die Übersetzung ein willkommenes Hilfsmittel, wenn es darum

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schaftenden nicht kennt oder (2) nicht weiß, wo er als Knecht angestellt ist und damit dort seinen gesetzlichen Wohnsitz unterhält. Weiterhin darf man den Beklagten (3) an seinem letzten gesetzlichen Wohnsitz vorladen, wenn er aus einem anderen Viertel fortgezogen ist. Damit ist es in dieser Alternative unbeachtlich, ob man möglicherweise weiß, wohin der Vorzuladende gezogen ist, wenn er aus einem anderen Viertel als dem Viertel des Vorladenden in noch ein weiteres Viertel gezogen ist. Hiermit wird der Vorladende davor geschützt, über mehrere Landesviertel hinweg dem Vorzuladenden folgen zu müssen. Diesen trifft die Obliegenheit, bei einem Umzug über eine Viertelsgrenze dafür Sorge zu tragen, dass er von einer Vorladung an seinem alten Wohnsitz erfährt. Die isländische Formulierung „aus einem anderen Viertel weg“ macht auch klar, dass ein Umzug aus einem anderen Viertel in das Viertel des Vorladenden selbst nicht gemeint ist. Dann würde seine Kenntnis vom neuen Wohnsitz die Pflicht begründen, an diesem vorzuladen. Die letzte Alternative der Vorschrift bezieht sich auf den Fall, dass (4) jemand seinen gesetzlichen Wohnsitz auf einem Schiff hat und nicht bekannt ist, wo dessen aktueller Liegeplatz ist, an dem gegebenenfalls vorzuladen wäre. Dann darf man ihn wiederum am letzten gesetzlichen Wohnsitz vorladen, den man kennt. – Am Ende des Kapitels 108 werden Anstifter und Täter vertauscht, wodurch diese Bestimmung in der Übersetzung einen anderen Inhalt bekommt als der isländische Text. Die Vorschrift ist bereits oben in Fn. 217 mit korrekter Übersetzung wiedergegeben. Andreas Heusler hat hier übersetzt: „Dies erklärte Gudmund als Gesetz: daß man neun Tatortnachbarn entbieten soll um Anschläge auf Leibesschaden, die am Tatort selbst beschlossen und dort zur Tat werden, aber neun Heimnachbarn um all die Anschläge auf Leibesschaden, die nicht zur Tat werden; und man soll entbieten die neun Nachbarn im Blick auf das Heim dessen, der den Anschlag auf Leibesschaden machte. [Hervorhebung: Verf.] Hier ist im letzten Halbsatz derjenige, der anstiftete ( pess er réj ), fälschlicherweise zu demjenigen gemacht worden, der die Tat beging. Wenn aber die Tat, zu der angestiftet wurde, auch begangen wurde, so gilt bei der Juryberufung das schon zu Beginn der Norm festgelegte Tatortprinzip, so dass diejenigen Jurymitglieder zu berufen sind, welche dem Tatort am nächsten wohnen. In der zweiten Alternative ist die Tat, zu der angestiftet wurde, gerade nicht begangen, so dass es niemanden gibt, der sie ausgeführt hat. Die Jury ist daher mit den Anwohnern dessen zu besetzen, der lediglich zur Tat angestiftet hat. Vgl. Grágás Ia, Kap. 78, S. 130.21–24: Smijar peir er hvs gera or avstrønom vije eja gera bruar vm ar pær eja votn er net næmir fiscar ganga í. eja gera bujir a alpingi. peir eiga cost at taca daga cavp vm engi verk. Dies wird von Andreas Heusler, Graugans, S. 119, übersetzt mit „Handwerker, die Häuser bauen aus norwegischem Holz oder Brücken über solche Flüsse oder Gewässer, worin man mit Netzen Fische fängt, – oder sie errichten Zelte auf dem Allthing: denen steht es frei, Taglohn zu nehmen während der Heuarbeit.“ [Hervorhebungen: Verf.] Im isländischen Original steht an der unterstrichenen Stelle: in denen Fische schwimmen, die in Netzen hängen bleiben. Damit wird die Gewässerkategorie abstrakt danach bestimmt, ob sich darin Fische befinden, die so groß sind, dass sie in Netzen gefangen werden können oder nicht. Ob man diese Fische auch tatsächlich mit Netzen fängt, ist dagegen bedeutungslos.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

geht, Bestimmungen der Konungsbók zu deuten, die aufgrund „schiefer“ syntaktischer Strukturen schwer verständlich sind. Um einen Eindruck der bemerkenswert schlichten und meist äußerst präzisen Sprache der Grágás zu erhalten, ist die Übersetzung allerdings ebensowenig geeignet, wie um ihren juristischen Gehalt genau zu erfassen. Dies ist dem von Andreas Heusler gewählten Übersetzerideal des „bäuerlichen Rechtsprechers“172 geschuldet, den es im mitteralterlichen Island wohl zu keiner Zeit gegeben hat, was sich bereits dadurch belegen lässt, dass ab 1123 von den achtzehn

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An anderer Stelle verschwinden die Unterschiede zwischen gesetzlich direkt angeordneter Rechtsfolge und gesetzlicher Fiktion. Die Stelle Grágás Ia, Kap. 81, S. 137.26–138.04 (vgl. Grágás II, Kap. 243, S. 274.05–13; dort als Novelle bezeichnet): Ef goji pigr grij mej pripiungs manne sinom oc verjr hann par ipingi mej ser. Ef goji pigr mej anars manz pripiungs manne. oc scal hann segia vm varit a varpingi i peim staj er menn mæla malom sinom. sva at meire hlutr heyre pingheyianda. at hann abú mej peim manne pott hann gegni eigi tillögom oc verjr hann par i pingi mej ser. Ef hann legr ecci [orj] í oc verjr hann par i pingi er hann hevir vist. wird in Graugans, S. 126, wie folgt übersetzt: „Nimmt ein Gode Wohnung bei einem Mann seines Drittels, dann gilt er dort als im eignen Ding stehend. Nimmt er sie bei dem Drittelsmann eines Andern (eines Mitgoden), dann soll er anzeigen im Frühjahr am Lenzding an der Stelle, wo die Leute ihre Sachen verhandeln, so daß die Mehrheit der Dingteilnehmer es höre: daß er Haushalt hat mit diesem Manne, wenn auch ohne die Auflagen zu tragen; dann gilt er dort als im eignen Ding stehend; äußert er sich nicht dazu, dann gilt er dort im Ding, wo er Wohnung hat.“ [Hervorhebungen: Verf.]. Diese Übersetzung klingt so, als läge bei den unterstrichenen Stellen im Originaltext eine Fiktion oder zumindest eine gesetzliche Auslegungsregel vor. Dagegen ordnet das Gesetz ganz schlicht die nachfolgende Rechtsfolge an, ohne eine Fiktion oder die Auslegung eines Zweifelsfalles in einer bestimmten Weise durch das Gesetz. Die Übersetzung müsste daher lauten: „Wenn ein Gode bei seinem Thingverbandsangehörigen Unterkunft nimmt, dann ist er dort bei sich selbst im Thingverband. Wenn ein Gode (Unterkunft) bei einem Thingverbandsangehörigen eines anderen (Goden) nimmt, so soll er im Frühjahr auf dem Frühjahrsthing an der Stelle, an der die Leute ihre Sachen vortragen, so dass es die Mehrheit der Thingbesucher hört, bekanntgeben, dass er eine Wirtschaft mit diesem Manne unterhalte, auch wenn er keine Beiträge dazu leistet, und dann ist er dort im Thingverband mit sich. Wenn er nichts bekanntgibt, so ist er dort im Thingverband, wo er in Anstellung ist.“ Diesen Normen liegt die Vorstellung zu Grunde, dass jeder Bauernhof eine selbstständige Wirtschaftseinheit bildet, für die ihr Vorsteher die rechtlichen Verpflichtungen wie Thingfahrt, Armenunterhaltung usw. zu erfüllen hatte. Da jeder selbständige Bauer einem Thingverband angehören musste, kann ein Gode in dem Fall, in dem er keine eigene Wirtschaft mehr unterhält, im Thingverband mit sich selber stehen, wenn sein Gastgeber oder derjenige, bei dem er sich als Knecht verdingt hat, bei ihm im Thingverband ist. Nahm ein Gode bei jemandem Unterkunft oder verdingte sich bei jemandem als Knecht, der einem anderen Frühjahrsthing angehörte, verlor er sein Godentum, es sei denn, er hat die Ausübung für diese Zeit einem anderen überlassen (vgl. den auf die zitierte Vorschrift folgenden Satz.) Vgl. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXVIII).

Grágás-Ausgaben und Übersetzungen

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Gesetzessprechern bis zum Jahr 1271 sechs zum Priester geweiht waren. Sie gehörten insofern einer ganz anderen Bildungsschicht an als mit dem Begriff des „bäuerlichen Rechtsprechers“ suggeriert wird.173 Auch die übrigen Gesetzessprecher ohne Priesterweihe, wie beispielsweise die herausragenden Sagaautoren und Dichter Snorri Sturluson und Sturla Pórjarson waren weit davon entfernt, „einfache“ Bauern zu sein. Ein erster Teil einer englischen Übersetzung der Konungsbók erschien im Jahre 1980.174 Im Jahre 2000 erschien vom selben Übersetzerkollektiv der zweite Band, der eine Reihe Korrekturen der Übersetzungen des ersten Bandes enthält sowie im Übersetzungsprogramm nunmehr auch auf den Text der Stajarhólsbók erweitert wurde. Da die über die Konungsbók hinausgehenden Vorschriften einfach aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen nacheinander weg aufgelistet wurden175, ist es dem Leser leider kaum möglich, sich anhand dieser Übersetzung ein Bild vom Inhalt der Stajarhólsbók zu machen. Zu den Hilfsmitteln bei der genaueren Textanalyse der Grágás ist ein 1993 erschienenes Werk zu zählen, in dem der gesamte Wortschatz der Konungsbók mit Seiten- und Zeilenangabe aufgelistet wird.176 Dadurch ist es in sehr ökonomischer Weise möglich, alle Normen aufzuspüren, die ein seltenes Wort enthalten. Es ist mitunter dem Verständnis einer Vorschrift sehr förderlich, wenn alle über weit mehr als 400 Druckseiten verstreuten Normen der Konungsbók, die ein bestimmtes Wort enthalten, schnell aufgefunden werden können. Für die Stajarhólsbók existiert ein solches Hilfsmittel leider nicht, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass die jüngere und inhaltlich wichtige Bereiche ausklammernde Handschrift bisher recht wenig beachtet wurde. Zu den allgemeinen, aber dennoch ungemein nützlichen Hilfsmitteln gerade auch für das Verständnis der Grágás ist das dreibändige Wörterbuch des norwegischen Geistlichen Dr. Johan Fritzner zu zählen, das 1886–1896 in zweiter und wesentlich erweiterter Auflage erschien. Sein Wert besteht vor allem in der breiten Erfassung des Wortschatzes der altwestnordischen Sprache auf einem hohen lexikographischen Niveau, wobei auch die geist-

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Vgl. nur Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 427 f. Andrew Dennis/Peter Foote/Richard Perkins (Üb.), Laws of early Iceland, Grágás I, The codex regius of Grágás with material from other manuscripts, Winnipeg 1980. Vgl. Andrew Dennis/Peter Foote/Richard Perkins (Üb.), Laws of early Iceland, Grágás II, The codex regius of Grágás with material from other manuscripts, Winnipeg 2000, S. 237–364. Heinrich Beck, Wortschatz der altisländischen Grágás (Konungsbók), Göttingen 1993.

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Handschriften und Ausgaben der Grágás

liche und juristische Literatur mit erfasst wird.177 In diesem Werk werden die mit einem Begriff verknüpften typischen Wendungen mit genauen Belegstellen (heute meist veralteter Ausgaben) wiedergegeben.

2.3. Zusammenfassung Die Überlieferung der Grágásgesetze ist als ausgesprochen glücklich zu bezeichnen, obwohl es nur zwei als vollständig anzusehende Handschriften gibt. Während einzig die Konungsbók die für den Aufbau des Freistaats maßgeblichen Bestimmungen überliefert und auch die Gerichtsverfassung und das Prozessrecht in weiten Teilen nur in dieser Handschrift tradiert sind, enthält die Stajarhólsbók mehr Vorschriften des materiellen Rechts und bietet in den meisten Fällen den besseren Text. An den als Novellen kenntlich gemachten Bestimmungen in der Stajarhólsbók lässt sich ablesen, dass nach dem großen Gesetzgebungsvorhaben der Jahre 1117 und 1118 nur verhältnismäßig wenig neue Bestimmungen erlassen wurden. Dementsprechend kommen auch die meisten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen über das Alter der in der Grágás enthaltenen Gesetze zu dem Ergebnis, dass die Grágáskompilation um 1180 herum abgeschlossen wurde.178 Somit hatten die allermeisten Vorschriften der Grágás schon ihre heutige Gestalt erhalten, als das Fragment AM 315d fol. entstand.179 Nach dem Ergebnis der obigen Untersuchung dürfte sogar davon auszugehen sein, dass die Gesetze der Grágás weitestgehend die bei ihrer Niederschrift im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Winter 1117/1118 erhaltene Form bewahrt haben und nur um spätere Novellen und einige erläuternde Zusätze ergänzt wurden. Hierbei dürfte – sofern überhaupt Unterschiede zwischen den Handschriften bestehen – die Textfassung der Stajarhólsbók in den meisten Fällen den vorzugswürdigen Text enthalten. Nachdem oben (S. 47 ff.) schon angedeutet wurde, dass Hafliji Másson nach den Quellen die zentrale Person des Gesetzgebungsverfahrens 1117/1118 war, ist nun auf seine Person zurückzukommen.

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Johan Fritzner, Ordbog over det gamle norske Sprog I–III, Kristiania 1886–1896 (zitiert als: Ordborg I2-III2). Ergänzungsband mit einzelnen Korrekturen von Finn Hødnebø, A-Ø, Rettelser og tillæg, Oslo-Bergen-Tromsø 1972. Vgl. beispielsweise Hans-Peter Naumann, Sprachstil und Textkonstitution, S. 32 f. Vgl. Hans-Peter Naumann, Sprachstil und Textkonstitution, S. 97.

Hafliji Mássons Einfluss bei der Überarbeitung der Gesetze

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3. Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118 3.1. Hafliji Mássons Einfluss bei der Überarbeitung der Gesetze Die Íslendingabók nennt Hafliji Másson als denjenigen, auf dessen Hof im Winter 1117/1118 die Gesetze niedergeschrieben und überarbeitet wurden. Auch die Annalen verzeichnen dieses Ereignis.1 Dies geschah nach den Vorgaben von Hafliji und einigen wenigen anderen, unter ihnen der amtierende Gesetzessprecher. Der überragende Einfluss von Hafliji Másson bei der Niederschrift der Gesetze zeigt sich in einer auch in anderem Zusammenhang (siehe unten S. 205 ff.) interessanten Gesetzesbestimmung: Pat scal alt hafa er finz a scrö peirre er haflije let gera nema pocat se sipan. en pat eítt af an ara lög manna fyrir sögn er eigi mælir pvi igegn.2

Es soll alles gelten, was sich in der Aufzeichnung findet, die Hafliji anfertigen ließ, wenn es später nicht abgeschafft wurde, und nur das von den Vorgaben anderer Juristen, was dem nicht widerspricht.

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Diese Vorschrift dokumentiert zum einen, dass der Einfluss von Hafliji auf die Neufassung der Gesetze überaus groß gewesen ist, weil sie nur ihn als Verfasser nennt, obwohl nach dem Bericht von Ari fróji in seiner Íslendingabók noch weitere Personen an der Überarbeitung der Gesetze be1 2

Vgl. oben Teil 1, Fn. 251. Grágás Ia, S. 213.21–24. Bemerkenswert ist, dass hier im Isländischen das Wort fyrirsögn (etwa: ‚Vorgabe‘) verwendet wird, während selbstverständlich das daraus entstandene und von der gesetzgebenden Körperschaft verabschiedete Gesetz gemeint ist. Damit liegt eine Ähnlichkeit zum Verhältnis der Begriffe oratio und senatus consultum im römischen Recht vor. Während der Princeps seine Vorlage (oratio) im Senat verlesen ließ, bildete erst die Zustimmung des Senates (senatus consultum) die eigentliche Rechtsquelle. Dennoch wird häufig die oratio unter Angabe ihres Antragsstellers angegeben und nicht der daraus entstandene Senatsbeschluss, vgl. Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, S. 387 mit Fn. 76 mit Literaturbeispielen.

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

teiligt waren. Zum anderen verleiht die Vorschrift diesem Gesetzbuch eine Vorrangstellung unter den Rechtsaufzeichnungen und damit auch Haflijis Rechtsansichten höhere Autorität als denen anderer Rechtsgelehrter. Jedoch waren auch die von Hafliji Másson maßgeblich verfassten Gesetze nicht unabänderlich, denn sie konnten von der lqgrétta, der gesetzgebenden Versammlung, aufgehoben oder abgeändert werden. Schon die zitierte Bestimmung berücksichtigt die Möglichkeit, dass möglicherweise ein von Hafliji initiiertes Gesetz zwischenzeitlich abgeschafft wurde. Dies konnte nach einer Bestimmung im Abschnitt von der gesetzgebenden Versammlung lqgrétta (lqgréttu páttr) erfolgt sein, nach der die gesetzgebende Versammlung Novellen erlassen konnte.3 Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Norm über die Geltung von Haflijis Gesetzbuch schon im Sommer 1118 Gesetzeskraft erlangte, da sie schon über spätere Änderungen reflektiert. Aus diesem Grunde liegt es nahe, dass sie erst später erlassen wurde. Daneben ist noch auf eine Bestimmung hingewiesen worden, die eine Ausnahme zu Haflijis Gunsten darstellen kann: Grundsätzlich musste sich jeder thingfahrtpflichtige Bauer innerhalb seines Landesviertels einen Goden suchen, dessen Thingverband er sich anschließen wollte. Von dieser Regelung gibt es eine Ausnahme, nach der ein Bauer von der östlichen im nördlichen Landesviertel liegenden Seite auf die westliche Seite des Hrútafjörjur, welche schon im westlichen Landesviertel lag,4 ziehen durfte, ohne dass er den Thingverband seines Goden im nördlichen Landesviertel verlassen mussten.5 Dies hat in der Praxis wohl ausschließlich Hafliji begünstigt, da sein Hof Breijabólstajur am See Vesturhóp sehr nahe an der Grenze des nördlichen Landesviertels zum westlichen Landesviertel lag und er somit auch dann keinen Gefolgsmann auf dem Thing verlor, wenn dieser über die Viertelsgrenze auf die Westseite des Hrútafjörjur zog.6 3

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Grágás Ia, Kap. 117, S. 212.26–27 Par scolo menn rétta lög sín og gera ny mæli ef vilia. („Dort [in der lqgrétta] sollen die Leute ihre Gesetze formulieren und Novellen erlassen, wenn sie wollen.“) Vgl. die Karte mit den Landesvierteln und Thingstätten bei Sveinbjörn Rafnsson, Island § 1 Historisches, in: RGA 15, S. 524(528). Grágás II, Kap. 246, S. 278.09–12: Ef majr fer bvi sino or fiorjungi oc iannan fiorjung. pa segia lög pingvist hans ibrott nema irúta firji pótt majr fare vm pueran fiorjinn. pa ma hann hafa ina savmo pingfesti. („Wenn jemand seine Wirtschaft aus einem Viertel in ein anderes Viertel verlegt, dann verlegt das Gesetz seine Thingzugehörigkeit fort, bis auf im Hrútafjörjur: Auch wenn man quer über den Fjord zieht, dort darf man (weiterhin) dieselbe Thingverbandszugehörigkeit haben.“); vgl. Grágás Ia, Kap. 83, S. 140.25–141.03. Vgl. Gunnar Karlsson, Af voldugum karli og viturri konu á 12. öld, in: Ægisif reist Bergljótu Soffíu Kristjánsdóttur fimmtugri 28. september 2000, S. 45–47; Gunnar Karlsson, Gojamenning, S. 252.

Hafliji Másson und seine Vorfahren

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Sollte diese Ausnahme von der ansonsten so strikten Beachtung der Viertelsgrenzen tatsächlich von Hafliji durchgesetzt worden sein, so würde dies eindrucksvoll seinen Einfluss bei der Überarbeitung der Gesetze unterstreichen.

3.2. Hafliji Másson und seine Vorfahren 3.2.1. Ævarr Ketilsson Hafliji Másson stammte aus einem von Ævarr Ketilsson begründeten Landnehmergeschlecht, das im Frühjahrsthingbezirk des Húnavatnsping im nördlichen Landesviertel ansässig war.7 Dieses Geschlecht besaß ein Godentum, welches nach Ævarr Æverlingagojorj genannt wurde.8 Damit hatte jeweils ein Familienmitglied eine mächtige Stellung inne, die nur von 48 Männern zur selben Zeit bekleidet werden konnte. Es könnte sein, dass dieses Godentum identisch mit dem nach Hafliji benannten Godentum Haflijanaut ist, welches in der Íslendinga saga erwähnt wird und welches im 13. Jahrhundert von Snorri Sturluson auf dessen Sohn Órækja übertragen wurde.9 Das von Ævarr im östlichen Bereich des Frühjahrsthingbezirkes des Húnavatnsping in Besitz genommene Gebiet war nicht besonders groß, da in dieser Gegend schon zuvor andere Land genommen hatten, als sich Ævarr spät während der Landnahmezeit, vielleicht gegen 91510 oder 920, in Island niederließ. Die Landnámabók, die die Besiedelung Islands beschreibt,11 berichtet 7

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Vgl. zum Geschlecht, das zunächst Æverlingar genannt wurde, Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141(1968), S. 90–107. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 318. Vgl. Sturla Pórjarson, Íslendinga saga, in: Sturlunga saga I, S. 229(359). Nachweis der einzelnen Ansichten bei Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), Sturlunga saga I, S. 556 f. (Texterläuterung 18.2 zur Íslendinga saga). Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 319; Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(776). Die ersten Versionen der Schilderung, wie Island besiedelt wurde, entstanden wohl schon im frühen 12. Jahrhundert, vgl. Jakob Benediktsson, Formáli II. Landnámabók, in: ÍF I, S. CVI ff. Sveinbjörn Rafnsson, Studier i Landnámabók, S. 87–92, geht davon aus, dass die Landnámabók vor der uns erhaltenen zweiten Version der Íslendingabók (vgl. oben Teil 1, Fn. 8) des Ari fróji Porgilsson entstanden ist. Die einzelnen Versionen der Landnámabók weichen so stark voneinander ab, dass Jón Jóhannesson, Gerjir landnámabókar, S. 8, schreibt, dass es sich eigentlich um drei eigenständige Schriften handele, die aber aufgrund ihres Inhalts alle Anrecht auf den Namen Land-

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

über Ævars Herkunft, dass er aus dem Gebiet von Sogne, dem Gebiet des Sognefjordes in Westnorwegen, stammte und dass seine Mutter Puríjr die Tochter von König Haraldr gullskegg (‚Goldbart‘) in Sogne war.12 Dieser Familie entstammte auch Haraldr hárfagri (‚der Haarschöne‘), der später die Königswürde übernahm und sich Norwegen unterwarf.13 Die Ausdehnung dieses Königtums wird in den isländischen Quellen als Grund für die Emigration vieler Norweger nach Island angegeben. Das Landnahmenbuch berichtet weiter, dass Ævarr auf víking, also als Wikinger auf Raubzügen, gewesen sei, bevor er sich in Island zunächst nur mit seinen drei außerehelich gezeugten Söhnen niederließ.14 Ævarr wurde teilweise hinn gamli (‚der Alte‘) genannt. Deswegen wurde mitunter vermutet, er sei nicht bei seiner Landnahme besonders alt gewesen, sondern er habe einfach ein sehr hohes Alter erreicht. Denkbar erscheint aber auch, dass er bei seiner Ankunft in Island schon im höheren Alter gewesen ist.15 Dies würde mit der Schilderung zusammenpassen, dass er zunächst als Wikinger Raubzüge unternommen hat. Seine Landnahme auf Island kann dann zu einer Zeit erfolgt sein, zu der er sich von den Raubzügen zurückgezogen hat. 3.2.2. Véfrøjr Ævarsson Der einzig erwähnte ehelich gezeugte Sohn des Ævarr Ketilsson, Véfrøjr, war der Überlieferung zufolge zum Zeitpunkt der Landnahme des Ævarr noch auf Wikingerraubzügen und kam erst später nach Island.16 In einigen Handschriften der Porgils saga ok Haflija wird Véfrøjr in Haflijis Stammbaum nicht aufgeführt.17 Da er aber sowohl in der Sturlubók als auch der Hauksbók der Landnáma erwähnt wird,18 ist davon auszugehen, dass es Vé-

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námabók hätten. Siehe auch die informative Darstellung der einzelnen Handschriften, ihrer Stellung untereinander sowie ihr Verhältnis zu den Sagas und anderen Quellen durch Sveinbjörn Rafnsson, Landnámabók, in: RGA 17, S. 611(614–617). Vgl. Landnámabók (sowohl Version der Sturlubók als auch Version der Hauksbók), in: ÍF I, S. 29(224 f.). Zu Haraldur hárfagri siehe nur Arnulf Krause, Haraldr hárfagri, in: RGA 13, S. 642 ff. Wie Fn. 12. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 318. Der Beiname des Ævarr wird in der Vatnsdœla saga, in: ÍF VIII, Kap. 47, S. 1(127) und der Hallfrejar saga, in: ÍF VIII, Kap. 2, S. 133(141) erwähnt. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 318. Vgl. Porgils saga ok Haflija (1952), S. 1; Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/ Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 12. Vgl. Landnámabók, in: ÍF I, S. 29(224 ff.).

Hafliji Másson und seine Vorfahren

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frøjr gegeben hat. Auch ist es wahrscheinlicher, dass Hafliji die vierte Generation nach der Landnahme des Ævarr repräsentiert als die dritte.19 3.2.3. Húnrøjr Véfrøjarson Véfrøjr hatte drei Söhne. Die beiden älteren wurden in Auseinandersetzungen erschlagen.20 Sein jüngster Sohn war Húnrøjr. Dieser lehnte es anfangs ab, einen ihm für den Totschlag seines Bruders Úlfhejinn angebotenen Vergleich, der auf eine Kompensationszahlung hinauslief, anzunehmen. Später verschlechterte sich seine Lage, und er konnte seine Ansprüche wegen seiner getöteten Brüder nicht mehr alleine durchsetzen. In der Folgezeit gab Húnrøjr sein ganzes Geld in Norwegen aus und war damit zeitweilig fast vermögenslos.21 In der längsten Version der Ólafs saga Tryggvasonar findet sich eine kleine Episode über Húnrøjr Véfrøjarson. Die Saga berichtet, dass Húnrøjr zwei Winter nach dem Tod des norwegischen Königs Ólafr Tryggvason dessen ehemaligen Hofbischof Jón Sigurjr in Sigtuna in Schweden aufgesucht und ihn um Rat gebeten habe, weil er die „östliche Route“ fahren wollte. Da Ólafr Tryggvason vermutlich im Jahre 1000 starb,22 dürfte das Treffen wohl 1002 oder 1003 stattgefunden haben: Ok at suo toludu gengr sagdr herra Sigurdr byskup vt af hollunne a uidan völl at loknu messu embætti ok adrir menn peir sem par voru hia standande. ok sem lydrinn uar brott genginn ok Sigurdr byskup uar genginn j sitt herbergi gek inn til hans æinn islenskr madr er Hunrödr het hann uar son Uefredar hins gamla.

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Nachdem er so gesprochen hatte, gingen der besagte Herr Bischof Sigurjr und die anderen Leute, die dort herumstanden, nach dem Abschluss des Messdienstes aus dem Schloss nach draußen. Nachdem die Leute davon gegangen waren und Bischof Sigurjr in sein Zimmer gegangen war, da ging zu ihm ein isländischer Mann hinein, der Húnrøjr hieß und der der Sohn von Véfrøjr dem Alten war.

Vgl. Ursula Brown, Introduction, in: Porgils saga ok Haflija (1952), S. ix(xxxix). Vgl. Landnámabók (sowohl Version der Sturlubók als auch Version der Hauksbók), in: ÍF I, S. (29)226 und Vatnsdœla saga, in: ÍF VIII, Kap. 47, S. 1(129). Vgl. Vatnsdæla saga, in: ÍF VIII, Kap. 47, S. 1(130). Vgl. C. Krag, Óláfr Tryggvason § 1 Historisches, in: RGA 22, S. 64.

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fyrnefndr Hunrödr pakkade herra byskupi er hann hafde predicat pa firir lydnum um daginn. en er herra byskup fann fullkominn goduilia pessa mannz ok at hann munde j minne hafa fest ok hiartaliga halldit pat er hann hafde talat tok hann vid Hunrod hardla sæmiliga ok fretti hueriu hann ætlade fram at fara. Hunrodr svarade. sigla mun ek j Austrueg ef suo ferr sem ek ætlar.

Bad hann pa byskupinn blidliga segia ser huort hann skyllde marka hagi sina a himintungla gang sua sem froder menn hofdu firir honum gert. Byskup suarar. son minn sæti far ekki med forneskju ne hindruitne helldr fel pu gude a hende allar pinar vonir ok po at per aflizst frægd edr fiarhlutr pakka pat gude puiat hann gaf per ok pui skalltu honum ombuna at hallda yfir allt fram hæilaga tru pa sem ek hefui kent per puiat hon er agætari allzkonar audæfum.

Pa spurde (Hunrödr) Sigurd byskup huersu mykla penninga hann ætti at hann mætti af honum taka nokkut lan ser til hæillar ok hamingiu. Herra byskup suarar. Æigi uæit ek at ek æige nokkura peninga nema æinn gullhring er mer gaf Olafr konungr Trygguason minn sæti herra ok agætr elskugi ok uæit pat gud at sa gullhringr er mer suo skædr sem hinn

Der vorgenannte Húnrøjr dankte dem Herrn Bischof, dass er dort vor den Leuten früher am Tage gepredigt hatte, und als der Bischof völlig den guten Willen dieses Mannes erkannt und gemerkt hatte, dass er sich das im Gedächtnis eingeprägt und mit dem Herzen das eingehalten hatte, was er gesagt hatte, nahm er Húnrøjr sehr gütig auf und fragte ihn, was er vorbringen wolle. Húnrøjr antwortete: „Segeln werde ich die östliche Route, wenn es so geschieht, wie ich will.“ Darauf bat er den Bischof freundlich, ihm zu sagen, ob er seine Geschicke nach dem Gang der Sterne ausrichten sollte, so wie kluge Leute es vor ihm getan hätten. Der Bischof antwortete: „Mein lieber Sohn, begehe keine Zauberei und nichts Abergläubisches, sondern befiehl alle Deine Wünsche Gott an und auch wenn Du Ruhm erlangst oder Vermögensgegenstände erwirbst, danke es Gott, denn er gab es Dir, und daher sollst Du ihm als Lohn vor allem anderen den heiligen Glauben beibehalten, den ich Dich gelehrt habe, denn er ist wertvoller als alle möglichen Reichtümer.“ Darauf fragte (Húnrøjr) Bischof Sigurjr, wieviel Geld er hätte, so dass er von ihm etwas Darlehen nehmen könnte zu seinem Wohl und Glück. Der Herr Bischof antwortet: „Ich wüßte nicht, dass ich irgendwelches Geld hätte, bis auf einen Goldring, den mir König Ólafr Tryggvason, mein lieber Herr und großer Lieb-

Hafliji Másson und seine Vorfahren

huassazsti höggormur ok giarna uillda ek afla gude hedan nokkurra mann salir med sogdum hring helldr en gera mer saluskada af hans uardveitzslu.

Ok nokkuru sidarr en peir herra byskup ok Hunrodr hofdu skilit pa fretti Hunrodr at fyrrnefndr gullhringr var skiftr j. iij. hlute ok gefinn til vtlausnar morgum herteknum kristnum monnum.23

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haber, gab, und Gott weiß, dass mir dieser Goldring so schädlich ist wie die spitz(zähnig)ste Giftschlange, und gerne würde ich Gott eher einige Seelen mit besagtem Ring gewinnen, als mir durch seine Aufbewahrung einen Schaden für meine Seele zu verursachen.“ Und etwas später, als der Herr Bischof und Húnrøjr sich getrennt hatten, erfuhr Húnrøjr, dass der vorgenannte Goldring in 3 Teile aufgeteilt worden und zur Auslösung von kriegsgefangenen christlichen Leuten verwendet worden war.

23

Unter „östlicher Route“ wurde zu jener Zeit der Weg nach Kænugarjr (Kiev) und weiter nach Mikligarjr (Byzanz) verstanden. Diese Geschichte wird teilweise deswegen als unglaubwürdig angesehen, weil Húnrøjr damals schon um die fünfzig Jahre alt gewesen sein könnte.24 Dies muss jedoch nicht der Fall gewesen sein, weil in dieser Erzählung der Vater Húnrøjurs, Véfrøjr, wie auch schon sein Großvater Ævarr mit dem Beinamen „der Alte“ belegt wurde. Dies kann einmal bedeuten, dass Véfrøjr erst im höheren Alter Vater des Húnrøjr wurde, was immerhin dadurch gestützt wird, dass Húnrøjr zwei ältere Brüder hatte. Daneben kann es aber auch einfach bedeuten, dass Véfrøjr, wie vermutlich schon sein Vater Ævarr, ein hohes Alter erreicht hat. Möglicherweise traf auch beides zu. Es ist gut möglich, dass Húnrøjr nach Byzanz gelangt ist, auch wenn von ihm lediglich überliefert ist, dass er geplant hatte, die „östliche Route“ 23

24

Ólafs saga Tryggvasonar, in: Flateyjarbok I, S. 37(514 f.). Bemerkenswerterweise ist die Flateyjarbók vermutlich ganz in der Nähe des Hofes Breijabólstajur von Haflijis Familie entstanden, nämlich entweder in dem Kloster Pingeyrar oder auf dem Hof Víjidalstunga, welcher nur wenig mehr als 10 Kilometer von Breijabólstajur entfernt liegt, vgl. Stefanie Würth, Flateyjarbók, in: RGA 9, S. 171(172). Es ist die Vermutung geäußert worden, dass die kurze Episode mit Húnrøjur deswegen in der Saga enthalten ist, weil er ein Vorfahre des Priesters Sigurjur Bergpórsson war, welcher 1139 in einer Schlacht gefallen ist und dem Autor nahe gestanden haben mag, vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Ólafs sögur Tryggvasonar, S. 150. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 322.

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zu gehen, um sein Glück zu machen. In dem in der Ólafs saga Tryggvasonar überlieferten Hallfrejar páttr wird nämlich berichtet, dass ein Thinggefolgsmann des Húnrøjr namens Gríss ein Schwert besaß, welches ihm der König von Byzanz geschenkt hatte: Ok a pinginu serr Hallfredr at Gris hafje suerd pat er Myklagardz konungr hafde gefit honum.25

Und auf dem Thing sah Hallfrejr, dass Gríss das Schwert hatte, welches der König von Byzanz ihm geschenkt hatte.

25

Nachdem ein Gefolgsmann von Húnrøjr vom byzantinischen Kaiser beschenkt worden war und er damit wohl in byzantinischen Diensten gestanden hatte, ist es nicht völlig unwahrscheinlich, dass auch Húnrøjr in Byzanz gewesen ist. 3.2.4. Már Húnrøjarson Ein Sohn des Húnrøjr hieß Már. Über ihn berichtet eine kurze Episode in der Handschrift Morkinskinna26 im Zusammenhang mit der Schilderung darüber, wie der spätere norwegische König Haraldr harjráji mit großem Gefolge und unter falschem Namen nach Byzanz kam.27 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Már anscheinend schon längere Zeit dort aufgehalten:

25 26

27

Vgl. Ólafs saga Tryggvasonar, in: Flateyjarbók I, S. 37(498). In der nicht vollständig erhaltenen Handschrift Morkinskinna (‚dunkles Pergament‘) befinden sich verschiedene Königssagas beginnend mit der Saga von Magnus dem Guten bis hin zu Ereignissen des Jahres 1177 sowie zahlreiche pættir (kürzere episodenhafte Schilderungen), vgl. Rudolf Simek/ Hermann Pálsson, Morkinskinna, in: Lexikon der altnordischen Literatur, S. 272; Kari Ellen Gade, Morkinskinna, in: RGA 20, S. 250 ff.; Übersetzung ins Englische durch Theodore M. Anderson/Kari Ellen Gade, Morkinskinna, The Earliest Icelandic Chronicle of the Norwegian Kings (1030–1157), Islandica LI. Zu Hinweisen auf das hohe Alter des Textes der Morkinskinna siehe Einar Ólafur Sveinsson, Ritunartími Íslendingasagna, S. 117; 119 f. Über seine Person siehe Arnulf Krause, Haraldr harjráji, in: RGA 13, S. 640 ff. Einer byzantinischen Quelle nach hatte Haraldur bei seiner Ankunft im Jahre 1034 oder 1035 ein Gefolge von fünfhundert Leuten, vgl. Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(140).

Hafliji Másson und seine Vorfahren

En mikill fjqlji var par ájur fyrir Norjmanna, er peir kalla Væringja. Par var sá majur íslenskur er Már hét og var Húnrøjarson, fajir Haflija Mássonar, ok var par ágætr sveitarhqfjingi. Honum var mikill grunr á um menn pessa ina útlendu, hvárt allt myndi eftir pví sem peir sögju. Og síjan hitti hann aj máli Halldór Snorrason, er pá var mej Haraldi, er kallajist Norjbrikt, ok vildi Már tala vij Harald, en Haraldr vildi ekki vij hann eiga, ok fékk Már ekki par af. Og síjan rézk hann ór Miklagarji og pótti einskis örvænt nema nqkkur stórræji kœmu upp af stundu.29

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Dort war schon eine große Anzahl Nordleute, die sie Waräger nennen. Dort war derjenige isländische Mann, der Már hieß und Sohn des Húnrøjr war, der Vater von Hafliji Másson. Er war dort ein vortrefflicher Führer einer Heereseinheit. Er hatte großen Zweifel bezüglich dieser ausländischen Leute, ob alles so sei, wie sie angaben. Darauf suchte er Halldórr Snorrason, der dort mit Haraldr war, welcher sich Norjbrigj 28 nannte, auf ein Gespräch auf und Már wollte mit Haraldr sprechen, aber Haraldr wollte nichts mit ihm zu tun haben und kam Már dort nicht weiter. Darauf gab er seine Stellung in Byzanz auf, und es hätte ihn nicht verwundert, wenn in diesem Moment irgendetwas ganz Außergewöhliches passiert wäre.

2829

Mit seiner Vermutung, dass Haraldr harjráji in Byzanz etwas ganz Außergewöhnliches unternehmen würde, lag Haflijis Vater Már letztlich nicht völlig falsch, denn nach großen militärischen Erfolgen von Haraldr in by28

29

Der ausgedachte Name Norjbrigj könnte die Thronfolgeansprüche Haralds in Norwegen deutlich machen, da er jemanden bezeichnet, der „den Norden bzw. Norwegen herausverlangt“. Denn das Wort Norjbrigj setzt sich zusammen aus norj- von norjur ‚Norden‘, und -brigj von brijga, das unter anderem ‚zurückverlangen‘, ‚herausverlangen‘ bedeutet, vgl. auch das Wort Landbrigjis páttr, „Abschnitt der Landeinforderung“, in: Grágás II, S. 408. Altnordisch hieß Norwegen Nor(v)egr vermutlich von norjvegr, ‚der nördliche Weg‘, das meint den Seeweg, der an der Westküste der skandinavischen Halbinsel nach Norden entlangführt, vgl. Knut Helle, Norwegen § 1 Historical, in: RGA 21, S. 409(410). Morkinskinna, ÍF XXIII, Kap 11, S. 88 f; vgl. Morkinskinna, Theodore M. Andersson/ Kari Ellen Gade (Üb.), S. 132; vgl. auch die Parallelüberlieferung in der Magnús saga hins gója ok Haralds harjrája, in: Flateyjarbók III, S. 249(290–291). Einige der in der Morkinskinna überlieferten Erzählungen sind als unwahr angezweifelt worden, jedoch besteht hinsichtlich dieser kurzen Episode kein begründeter Zweifel daran, dass sie sich in der geschilderten Form zugetragen hat, weil sie überliefert wird, ohne in irgendeinem näheren Zusammenhang mit der übrigen Handlung zu stehen.

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zantinischen Diensten kam es zum offenen Bruch mit dem Kaiser, und es kann tatsächlich sein, dass Haraldr Sigurjarson an der Blendung von Michael Kalaphates im April 1042 beteiligt war, wie von Snorri Sturluson in der Haralds saga Sigurjarsonar und in der Fagrskinna berichtet wird.30 Da die Begegnung von Már mit Haraldr und Halldórr in Byzanz im Jahre 1034 oder 1035 stattgefunden haben muss, ist Már wohl nicht vor 1036 nach Island zurückgekehrt. Es lässt sich nur darüber spekulieren, wie lange Már sich in Byzanz aufgehalten hat. Da er dort eine herausgehobene Stellung als Anführer einer Einheit innehatte, dürfte er eher fünf Jahre oder länger dort gewesen sein als nur einige wenige Jahre.31 Für einen eher längeren Aufenthalt des Már in Byzanz spricht auch die für einige Einheiten der Armee verbreitete Praxis, dass Söldner eine Art Eintrittsgebühr entrichten mussten, die dann durch höheren Sold über mehrere Jahre zurückgezahlt wurde, was zu einer längeren Bindung der Söldner an die Armee führte.32 Somit kann Már um 1025 oder 1030 aus Island weggegangen sein und dürfte demnach um 1000 bis 1010 geboren sein.33 Für ein Geburtsdatum um 1010 dürfte sprechen, dass sein Vater Húnrøjr dann von seinem Auslandsaufenthalt, der ihn von seinem bezeugten Aufenthalt in Schweden 1002 oder 1003 nach Byzanz geführt haben könnte, schon wieder zurück in Island gewesen sein könnte. Es wird vermutet, dass Már erst nach seiner Rückkehr nach Island geheiratet hat.34 Von ihm sind drei Kinder bezeugt: Védís, Bergpórr und Hafliji. Im gesamten Stammbaum fällt auf, dass die Generationsabstände sehr lang waren.35 Dies lässt sich jedoch durch die vermutlich über mehrere Jahre unternommenen Wikingerraubzüge von Ævarr und Véfrøjr und die mehrjährigen Auslandsaufenthalte von Húnrøjr und Már erklären. Wenn Húnrøjr von Sigtuna in Schweden gemäß seinem Plan noch weiter nach Osten nach Kiev und Byzanz gelangt ist, dürfte dies seinen Aufenthalt im Ausland um einige Jahre verlängert haben. Auch der Aufenthalt von Már in Byzanz dürfte sich aus den genannten Gründen über mehrere Jahre er30

31 32 33

34 35

Vgl. Snorri Sturluson, Haralds saga Sigurjarsonar, in: ÍF XXVIII, Kap. 14, S. 68(87); Fagrskinna-Nóregs konunga tal, in: ÍF XXIX, Kap. 51, S. 55(235 f.). Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 324. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 25 f. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 324; Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(776), nimmt 1010 als Geburtsjahr von Már Húnrøjarson an. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 325. Vgl. Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(776); Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141 (1967), S. 90(94).

Hafliji Másson und seine Vorfahren

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streckt haben. Es ist anzunehmen, dass eine Heirat und das Hervorbringen ehelichen Nachwuchses jeweils erst nach der Rückkehr nach Island erfolgten. Von Halldóra, einer Schwester des Már, ist überliefert, dass deren Tochter Vigdís mit Gunnarr hinn spaki (‚der Weise‘) Porgrímsson verheiratet war, welcher von 1063 bis 1065 und noch einmal im Jahre 1075 Gesetzessprecher war. Dessen Sohn Úlfhéjinn Gunnarsson war von 1108 bis 1116 Gesetzessprecher,36 also bis ein Jahr vor jenem Allthing, auf dem beschlossen wurde, die Gesetze aufzuzeichnen. Dessen Sohn wiederum, Hrafn Úlfhéjinsson, war Gesetzessprecher von 1133–1138. Vermutlich war ein weiterer Sohn von Úlfhéjinn Gunnarsson der Gesetzessprecher von 1146–1155: Gunnarr Úlfhéjinsson.37 Nach einer weiteren Vermutung war der Gesetzessprecher der Jahre 1117–1122, Bergpórr Hrafnsson, ein Enkel von Gunnarr hinn spaki Porgrímsson und Vigdís. Er wäre dann im 2. und im 4. Glied mit den Brüdern Hafliji und Bergpórr, den Söhnen von Már, verwandt und hätte den Namen des letzteren getragen.38 Diese Vermutung wird gestützt durch den Umstand, dass gleich im Jahr 1117, in dem Bergpórr Hrafnsson Gesetzessprecher wird, der Beschluss gefasst wurde, die Gesetze niederzuschreiben und zu überarbeiten. Bei der Fassung dieses Beschlusses dürfte der Gesetzessprecher eine herausragende Rolle gespielt haben und gerade beim Hinzuziehen eine Beratern für ein solches Vorhaben erscheint es plausibel, dass jemand aus der (weiteren) Verwandtschaft hinzugezogen wird, der fähig ist. Obwohl weder Hafliji noch jemand seiner unmittelbaren Nachkommen jemals Gesetzessprecher gewesen ist, bestand über Gunnar, den Mann von Haflijis Cousine, und dessen Nachkommen immerhin eine gewisse familiäre Nähe zum Amt des Gesetzessprechers. 3.2.5.

Hafliji Másson

3.2.5.1. Über die Person Haflijis Über Haflijis Leben vor dem Allthing des Jahres 1117 ist aus den isländischen Quellen wenig bekannt, obwohl es mit der Porgils saga ok Haflija sogar

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Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 427. Vgl. Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141 (1967), S. 90(100). Vgl. Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141 (1967), S. 90(100), m.w.N.

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

eine eigene Saga über ihn gibt, die im Rahmen der Sagas über die Sturlungen überliefert ist.39 Obwohl sein Vorfahre Ævarr hinn gamli Ketilsson im östlichen Bereich des Húnavatnspingbezirkes Land genommen hatte, lebte Hafliji auf einem weitaus größeren Hof im westlichen Bereich des Thingbezirkes. Der Hof Breijabólstajur, gelegen am See Vesturhóp, ist von seinen Ländereien her einer der reichsten der Region. Zu ihm gehörte auch eine Eigenkirche. Der Priester Illugi Ingimundarson, ein Schwiegersohn Haflijis, ertrank, als er in der Mitte des 12. Jahrhunderts für eine auf Breijarbólstajur neu zu errichtende Steinkirche Mörtel mit einem Schiff transportieren wollte.40 Zu jener Zeit auf Island eine Kirche aus Stein zu errichten, war sehr ungewöhnlich, nachdem sogar die Kirchen an den Bischofssitzen und auf dem Gelände des Allthings aus Holz waren. Im Jahre 1996 wurden bei Ausgrabungen die Fundamente dieser Kirche gefunden.41 Wann und warum Haflijis Familie den Hof Breijabólstajur erworben hat, ist nicht zu ermitteln.42 Möglich ist, dass der Hof mit Geld erworben wurde, das Húnrøjr oder Már in Byzanz verdient hat. Eventuell hat aber auch erst Hafliji den Hof erworben. Ein Hinweis darauf, dass größerer Reichtum schon mit Húnrøjr in die Familie kam, kann der Umstand sein, dass die Familienmitglieder alsbald mit Húnrøjlingar und nicht mehr mit Æverlingar bezeichnet wurden.43 Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass Húnrøjr bei seinem Auslandsaufenthalt bis nach nach Byzanz gelangt ist, weil ein plötzlich eintretender Reichtum in dem Geschlecht dadurch viel wahrscheinlicher wird. In der Porgils saga ok Haflija wird über Hafliji Másson gesagt, dass er bæji forvitri ok gójgjarn ok inn mesti höfjingi sei („sowohl sehr intelligent als auch sehr gütig und ein sehr bedeutender Häuptling“; der Superlativ im Isländischen ist hier ein Elativ).44 Er wurde zu den herausragenden Häuptlingen

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42 43 44

Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 12–50. Separate Edition durch Ursula Brown, Porgils saga ok Haflija, Oxford 1952. Diese Saga ist in der auszugsweisen Übersetzung der Sturlunga saga für die Sammlung Thule (Band 24, Geschichten vom Sturlungengeschlecht) nicht enthalten. Zu sprachlichen Besonderheiten der Saga, die auf ein hohes Alter hindeuten siehe: Einar Ólafur Sveinsson, Ritunartími Íslendingasagna, S. 115; 130. Vgl. Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 18, S. 1(47). Vgl. Hjalti Hugason, Frumkristni og upphaf kirkju, Kristni á Íslandi I, S. 181 (mit Bild S. 180). Vgl. Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141(1967), S. 90(96). Vgl. Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141(1967), S. 90(96). Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12.

Hafliji Másson und seine Vorfahren

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seiner Zeit gezählt (vgl. das Zitat oben Teil 1 bei Fn. 145). Ebenso wurde über ihn gesagt, dass er stets in allen Angelegenheiten nahezu allein bestimmte, gleich, mit welchen Leuten er sich auseinandersetzen musste, weil er sowohl ein großes Gefolge als auch eine einflussreiche Verwandtschaft hatte.45 Bei dem Versuch, das Schuldengericht über Porgils Oddasons Vermögen im Jahre 1120 abzuhalten, wurde Hafliji von einem (Groß-)Hundert Mann unter Waffen begleitet. Diese Leute werden als hervorragend ausgerüstet beschrieben.46 Für das Allthing des Jahres 1121 mobilisierte er die für Island unvergleichlich große Anzahl von zwölf (Groß-)Hundert Leuten als Gefolge, musste hier jedoch den Spott des Bischofs Porlákr ertragen, er hätte auch alte Frauen zu seiner Unterstützung herangezogen. 47 Die Porgils saga og Haflija berichtet im Wesentlichen von Auseinandersetzungen zwischen Hafliji Másson und Porgils Oddason (gest. 1151 als Mönch des Klosters Pingeyrar48), die in den Jahren 1117 bis 1121 stattfanden. Die Saga handelt davon, wie Hafliji mehrmals für einen streitsüchtigen Neffen vor Gericht auftritt und Bußen für dessen Taten aushandelt, um drohende Verurteilungen abzuwenden, die eine dreijährige Landesverweisung oder Waldgang bedeutet hätten. Die Saga berichtet eher distanziert über Hafliji Másson und hegt offenbar etwas mehr Symphatien für Porgils Oddason, was sich vor allem in den in der Saga überlieferten Strophen zeigt.49 Auch der Name der Saga nennt Porgils an erster Stelle und Hafliji erst danach. Die unterschwellige Symphatie für Porgils kann darin begründet liegen, dass Haflijis Kontrahent in der Saga, Porgils Oddason, dem Schreiber der Saga aufgrund dessen eigener familiärer Abstammung näher gestanden haben mag. Erwähnt werden soll zudem, dass Porgils Oddason den Hof Stajarhóll besaß, nach dem die zweite Haupthandschrift der Grá45

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48 49

Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(33): […] pví at hann réj náliga einn jafnan fyrir öllum málum, vij hverja sem at skipta var, pví at Hafliji var bæji fjölmennr ok frændgöfigr. Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(36): Hafliji hafji norjan hundraj manna ok einvala lij bæji aj búningi ok mannvirjingu. („Hafliji brachte aus dem Norden einhundert Männer mit, eine hervorragende Mannschaft, sowohl von der Ausrüstung als auch vom Ruf der Leute her.“) Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(39 f.): Pá mælti biskup: ‚[…] En hvárt er pat satt, sem komit er fyrir oss, at pessi missiri hafir pú pér lijs bejit í allar sveitir, höfjingja ok minni menn ok svá fátæka menn ok hverja karakerlingu?‘ ‚Pat er víst satt‘ segir Hafliji. („Da sprach der Bischof: „[…] Ist es auch wahr, was uns erreicht hat, dass Du die letzte Zeit Dir Mannschaft aus allen Gegenden erbeten hast, Häuptlinge und geringere Leute und auch arme Leute und jedwede bettlägerige alte Frau?“ „Das ist sicherlich wahr“, sagte Hafliji.“) Vgl. Bjarni Gujnason, Fyrsta sagan, S. 127. Vgl. Ursula Brown, Introduction, in: Porgils saga og Haflija (1952), S. ix(xxviii, xliv).

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

gás benannt ist und der ein Jahrhundert später nach einem Rechtstreit in das Eigentum von Sturla Pórjarson, dem Verfasser der Íslendinga saga, übergegangen war (vgl. oben S. 99 f.). Die Saga gipfelt darin, wie Hafliji auf dem Allthing des Jahres 1120 in einem Handgemenge vor Gericht von Porgils Oddason ein Finger abgehackt wird. Hafliji lässt daraufhin Porgils zum Waldgang verurteilen.50 Er kann aber das Schuldengericht über Porgils Vermögen nicht abhalten, da dieser sich mit Vier(groß)hundert Mann zu Hause aufhielt und Hafliji sich von besonnenen Männern aus der Region überzeugen lässt, es nicht zum Kampf kommen zu lassen. Im folgenden Jahr droht die Situation erneut zu eskalieren, als Porgils als verurteilter Waldgangsmann sich mit einem sieben (Groß)Hundert Mann starken Gefolge anschickt, auf das Allthing zu reiten, was Hafliji mit Unterstützung einer noch größeren Gefolgschaft von zwölf (Groß)Hundert Mann verhindern will.51 Dies unterstreicht, wie mächtig die beiden waren, da sie eine so große Gefolgschaft mobilisieren konnten, um ihre Position auf dem Thing zu unterstützen, auch wenn es sich hier um keine durchweg so herausragende Gefolgschaft gehandelt hat, wie bei Haflijis 120 Mann im Jahr zuvor. Auch hier vermitteln einflußreiche Männer. Hafliji wird als (Schieds)Richter in eigener Sache eingesetzt und setzt im Wege des Selbsturteils eine sehr hohe Buße fest, nachdem aber vorher vereinbart worden war, dass weder eine persönliche Strafe wie Acht oder dreijährige Landesverweisung ( fjqrbaugsgarjr), noch die Übertragung eines Godentums oder einer kompletten Hofstelle festgesetzt werden durfte. 52 Hafliji spricht sich den Wert von achtzig Großhundert (9 600) Öre, gerechnet in drei Ellen breitem Wollstoff,53 in Gegenständen zu, die als Ware gelten konnten: Nach Wahl der Schuldner Ländereien im nördlichen Landesviertel, Gold und Silber, östliche Handelsware, Schmiedeeisernes; alles gute Ware, nichts weniger wert als eine Kuh; Wallache und nur dann einen Hengst, wenn eine Stute dabei war, eine Stute nur, wenn ein Pferd [Fohlen] dabei war, kein Pferd älter als zwölf Winter und jünger als drei. Die Gegenstände wären ihm zu Hause anzuliefern und er selbst nähme es vor, den Wert der Waren festzusetzen. Den Priester Skafti Pórarinsson soll der Saga zufolge diese Summe zu der Äußerung veranlasst haben: Dy´ rr mundi Hafliji allr, ef svá skyldi hverr limr

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Zu den Örtlichkeiten auf dem Allthing siehe Gunnar Karlsson, Pingvellir, in: RGA 35, S. 117(121). Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(40). Zum Selbsturteil siehe Dieter Strauch, Selbsturteil, in: RGA 28, S. 136 ff. Für gewöhnlich wurde jedoch in Wollstoff gerechnet, der nur eine Elle breit war, so dass die Buße nach der üblichen Berechnung Güter im Wert von insgesamt 28 800 Ellen Wollstoff ausmachte.

Hafliji Másson und seine Vorfahren

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(„Der gesamte Hafliji wäre teuer, wenn jedes Glied so teuer wäre“).54 Für die Summe, die für Haflijis Finger gezahlt wurde, konnte man zu jener Zeit zwölf mittelgroße Bauernhöfe beziehungsweise 240 Kühe erwerben.55 In der Folgezeit und bis zum heutigen Tage blieb den Leuten dieser außergewöhnliche Vergleich im Gedächtnis. In der Literatur gibt es zwei prominente Stellen, die sich auf den Vergleich bzw. das zu Grunde liegende Verfahren beziehen. Hvamm-Sturla, der häufig als Stammvater der Sturlungen angesehen wird, soll sich bei der Festsetzung einer Vergleichssumme auf das Vorbild Haflijis bezogen haben.56 In einer Abhandlung über Rhetorik, Málskrújsfræji, werden zwei Zeilen eines Gedichtes über Hafliji rezitiert, die auf die Auseinandersetzung auf dem Allthing von 1120 anspielen. Die Wendung dy´ r mundi Hafliji allur ist im Isländischen eine heute noch verwendete Redensart geworden, die benutzt wird, wenn Kosten oder eine Geldforderung übermäßig erscheinen.57 Die Porgils saga ok Haflija endet mit dem Bericht, dass Porgils schon während seiner Rückreise vom Thing so viele Geschenke erhalten hatte, dass er die Schuld gegenüber Hafliji begleichen konnte. Porgils legte zur weiteren Besiegelung des Vergleiches noch fünf Hengste, einen goldenen Fingerring und einen bestickten Pelz darauf.58 Möglicherweise handelte es 54

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Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(50); vgl. auch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Überlieferung in der Kristni saga, in: ÍF XV.2, Kap. 18, S. 1(45 f.). Skafti Pórarinsson wird u. a. noch erwähnt in der Egils saga Skallagrímssonar, ÍF 2, Kap. 86, S. 299. Vgl. Björn Porsteinsson, Íslensk mijaldasaga, 2. Aufl. (1980), S. 97 und Gunnar Karlsson, Af voldugum karli og viturri konu á 12. öld, in: Ægisif reist Bergljótu Soffíu Kristjánsdóttur fimmtugri 28. september 2000, S. 45(46), der sogar 300 Kühe als Wert der von Hafliji festgesetzten Buße angibt. Vgl. Sturlu saga, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), Kap. 32, S. 63(111): Síjan kom par, at Sturla lauk upp gerjinni ok mælti: ‚Hvat munum vér breyta um at gera eftir hins vitrasta manns dæmum, Haflija Mássonar, er hann fékk vansa í sárafar. Nú geri ek pér á hönd fyrir frumhlaup Porbjargar, konu pinnar, til mín tvau hundruj hundraja. Pat skal vera vara ok búfé, gull ok brennt silfur eja ajrir ríflegir aurar.‘ („Später kam es dahin, dass Sturla den Vergleich bekannt gab und sprach: „Was sollen wir anders tun, als dem Beispiel des sehr klugen Mannes Hafliji Másson zu folgen, als er einen Schaden durch eine Verwundung erlitt? Ich verhänge gegen Dich für den Angriff von Porbjörg, Deiner Frau, auf mich zwei Hundert Hunderte. Das solle Ware sein und Nutzvieh, Gold und gebranntes Silber oder andere ansehnliche Öre.“) Die Summe wurde später von Jón Loftsson als Schiedsrichter auf einen Bruchteil reduziert, was immerhin ein Indiz sein kann, dass Hvamm-Sturla auch annähernd nicht so mächtig war wie Hafliji. Vgl. Íslensk orjabók I3 (2002), S. 517 („Hafliji“); Jón G. Frijjónsson, Mergur Málsins, S. 112 („dy´r myndi/(verjr) Hafliji allur“). Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(50).

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sich bei diesen Gegenständen um die reichhaltigen Geschenke, die er selber erhalten hatte. Außerdem betont die Saga, dass Porgils von Leuten aus allen Gegenden, „aus dem Norden und dem Süden, dem Osten und dem Westen“, nach Hause eingeladen wurde und er die Leute später besuchte und sie ihn alle mit großen Geschenken verabschiedeten. Nachdem die Vergleichssumme entrichtet war, sprach Hafliji: „Nú sé ek pat, at pú vill heilar sættir okkrar, ok skulum vit nú betr sjá deilunum hejan í frá.“ Ok pat efndu peir, pví at peir váru ok ávallt einum megin at málum, mejan peir lifju.59

„Jetzt sehe ich, dass Du einen vollständigen Vergleich zwischen uns willst, und sollen wir uns von nun an vor Streitigkeiten hüten.“ Und dies hielten sie ein, denn sie waren immer auf einer Seite bei Auseinandersetzungen, solange sie lebten.

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Die Auseinandersetzung zwischen Hafliji Másson und Porgils Oddason war vermutlich die erste wirkliche Zerreissprobe des isländischen Gerichtswesens, bei der sich zwei so mächtige Häuptlinge gegenüberstanden, dass man von den Vorgaben des Gesetzes abweichen und ein Waldgangsurteil in eine Geldstrafe umwandeln musste. Es dürfte kein Zufall sein, dass die Saga über dieses erste tiefe Zerwürfnis zweier Goden an den Anfang der Kompilation Sturlunga saga gesetzt wurde, in der noch viele weitere Verfahren geschildert werden, in denen die Machtverhältnisse so waren, dass die Gesetze nicht wie gewöhnlich angewendet werden konnten. Vor diesem Hintergrund verwundert die Aussage sehr, dass die Porgils saga ok Haflija „einen guten Einblick in das tägliche Miteinander der Kleinhäuptlinge zu Beginn des 12. Jahrhunderts in Island gibt“.60 Mit ihren Schilderungen der anfänglichen Streitereien und Verfahren gibt die Saga sicherlich einen guten Einblick in die Aufgaben eines Goden. Doch dass es sich bei Hafliji um einen „Kleinhäuptling“ gehandelt hat, wie die Aussage suggeriert, dürfte bei seiner Stellung in der Gesellschaft nicht zutreffend sein. Es ist teilweise vermutet worden, dasss Hafliji neben dem Godentum im Húnavatnsping, das man der Familie zurechnet, noch ein oder zwei weitere Godentümer besessen hätte.61 Dann wäre Hafliji einer der ersten ge59 60 61

Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(50). So Sverrir Tómasson, Porgils saga ok Haflija, in: RGA 35, S. 122. Vgl. die Darstellung dieser schwierig zu ergründenen Frage bei Gunnar Karlsson, Gojamenning, S. 250–254.

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wesen, der die Machtkonzentration einiger Weniger mit eingeleitet hätte, welche letztlich das Staatsgefüge zum Einsturz brachte. 3.2.5.2. Haflijis beide Ehen und weitere Lebensdaten Hafliji war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war Puríjr Pórjardóttir. Die Saga von Hafliji berichtet, dass er und Puríjr viele Kinder gehabt hätten, obwohl von ihnen nur zwei in Stammbäumen genannt werden und nur eines mit Namen bekannt ist.62 Puríjr Pórjardóttir stammte aus einem bedeutenden Geschlecht. Von ihrem Großvater väterlicherseits, Sturla Pjójreksson,63 leiten sich auch die Sturlungen her, die im 13. Jahrhundert das mächtigste Geschlecht in Island waren und nach denen ein ganzes Zeitalter der isländischen Geschichte benannt ist.64 Ihr Großvater mütterlicherseits war Snorri goji Porgrímsson, welcher in vielen Isländersagas erwähnt wird.65 Eine Tochter Snorris und gleichzeitig Tante von Puríjr Pórjardóttir, Púríjr Snorradóttir goja (gest. 110766), war eine der Gewährspersonen von Ari fróji Porgilsson für dessen Íslendingabók.67 Einer der vielen Söhne Snorris und damit ein Onkel von Puríjr Pórjardóttir, war Halldórr (Snorrason),68 welcher dem Gefolge des Haraldr harjráji in Byzanz angehörte. Mit Halldórr Snorrason hatte Haflijis Vater Már nach der Ankunft von Halldórr und Haraldr harjráji in Byzanz über die wahre Identität Haralds sprechen wollen (siehe oben S. 137).69 Pórdís Snorradóttir, eine Schwester von Puríjurs Mutter Hallbera Snorradóttir, war mit Bolli Bollason verheiratet,70 62 63

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Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12. Er findet ebenfalls in der Eyrbyggja saga Erwähnung, vgl. ÍF IV, S. 1(158, 166 ff., 181); vgl. auch Landnámabók in: ÍF I, S. 29(158 f., 182). Vgl. Literatur oben in der Einleitung bei Fn. 4. Über Snorri goji Porgrímsson, eine der Hauptpersonen der Eyrbyggja saga, siehe Ævi Snorra goja, in: ÍF IV, S. 185 f., sowie die Beschreibungen in der Brennu-Njáls saga, in: ÍF XII, Kap. 114, S. 287: Snorri var vitrastr majr kallajr á Íslandi, peira er eigi váru forspáir („Snorri wurde der intelligenteste Mann auf Island unter denen, die nicht hellsehen konnten, genannt“) und in der Eyrbyggja saga, in: ÍF IV, Kap. 15, S. 1(26 f.). Vgl. Gottskalks Annaler, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 297(320). Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 1, S. 1(4). Vgl. die genealogische Tabelle Nr. 17 in: Sturlunga saga II, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbógason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 340. Vgl. auch Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 215, der es als möglich erachtet, dass die gemeinsame Familientradition von Már und Halldórr als byzantinische Söldner zu dieser Verbindung zwischen Hafliji und Púríjur geführt hat. Vgl. die genealogische Tafel Nr. 17 in: Sturlunga saga II, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 340.

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der ebenfalls in Byzanz gewesen war und dort großen Reichtum erlangt hatte (vgl. Fn. 27). Somit stammt ein nicht unerheblicher Teil der namentlich bekannten isländischen Söldner in byzantinischen Diensten aus Haflijis (angeheirateter) Familie. Eines der jüngsten Kinder von Snorri goji war Hallbera Snorradóttir goja. Sie war die Mutter von Puríjr Pórjardóttir. Hallberas Geburtsjahr dürfte 1022 sein. Daraus lässt sich für Púríjr in etwa ein Geburtsjahr zwischen 1050 bis 1060 ableiten. Wenn Puríjr nicht wesentlich älter als Hafliji war, deutet dies für Hafliji gleichermaßen auf ein Geburtsdatum zwischen 1050 und 1060 hin.71 Gegen ein wesentlich späteres Geburtsdatum von Hafliji als 1050 oder 1060 spricht auch, dass er im Jahre 1121 schon an der Schwelle zum Alter stand, weil im Zusammenhang mit den Vergleichsvorschlägen in der Auseinandersetzung mit Porgils Oddason über ihn gesagt wird, dass er sehr viel Geld im Alter haben würde, wenn er bei Abschluss eines Vergleiches seine Würde aufrechterhalten wolle.72 In sehr hohem Alter kann Hafliji aber 1121 auch noch nicht gewesen sein, wie sich aus einem in der Porgils saga ok Haflija wiedergegebenen Gespräch zwischen Hafliji und dem späteren Bischof Ketill Porsteinsson schließen lässt, welches am 25. Juni 1121 auf dem Allthing stattfand: Pá pakkaji Hafliji honum vel ok mælti: „Pat mál hefir hér verit til at ræja á pinginu, er mikils er um vert, hvern vér Norjlendingar skulum til biskups kjósa í staj Jóns biskups, – en til míns kjörs hafa flestir vikit. En fyrir málum pessum hefir eigi svá skjótr dómr á fallit. En nú parf eigi lengr at líta á pá kosning, at ek verj eigi á annat sáttr sumarlangt en pú sér til biskups kosinn. Ok pat er mitt vit, at pá sé bezt hugat fyrir landsfólkinu at pví mannvali, sem nú er, ef pú verjr biskup.“

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Da dankte ihm Hafliji sehr und sprach: Diese Angelegenheit, die in vielerlei Hinsicht wichtig ist, ist hier auf dem Thing zu besprechen gewesen: Wen wir Nordländer an Stelle von Bischof Jón [Qgmundarson, gest. 23. April 1121] zum Bischof wählen sollen – und meine Wahl haben die meisten unterstützt. Aber wegen dieser Angelegenheit [der Auseinandersetzung mit Porgils Oddason] ist kein so schnelles Urteil darüber ergangen. Aber jetzt muss nicht länger auf diese Wahl ge-

Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 326; Bogi Th. Melstej, Ferjir, siglingar og samgöngur, in: Safn til sögu Íslands IV, S. 585(775), geht davon aus, dass Hafliji nicht später als 1055 geboren wurde. Vgl. Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(49): […] ok lét Haflija ærit fé hafa á gamals aldri, ef hann heldi virjing sinni.

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Ok fekk Haflija mikils vijrtal peira. Ok pajan í frá var hann meir snúinn til sátta en ájr ok miklu aujmjúkari.73

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schaut werden, denn ich werde den Sommer über nicht mit etwas anderem zufrieden sein, als dass Du zum Bischof gewählt wirst. Und das ist meine Ansicht, dass, bei der Auswahl an Leuten, die jetzt besteht, damit am besten für die Leute im Land gesorgt wird, wenn Du Bischof wirst. Und Hafliji gewann sehr [an Ansehen] durch ihr Gespräch. Und ab dann war er einem Vergleich mehr zugeneigt als vorher und wesentlich umgänglicher.

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Weil sich dem Gespräch entnehmen lässt, dass Hafliji als sehr aussichtsreicher Kandidat bei der Wahl des Bischofs für den nördlichen Bischofsstuhl gegolten hatte,74 kann er noch nicht so alt gewesen sein, dass er für dieses Amt überhaupt nicht mehr in Frage gekommen wäre.75 Im Jahre 1121 wird er daher vermutlich nicht wesentlich älter als 70 Jahre gewesen sein, aber wegen der Anspielung auf seinen Vermögensstand im offenbar bevorstehenden Alter auch nicht viel jünger als 60. Damit ist davon auszugehen, dass Hafliji zwischen 1050 und 1060 geboren wurde. Dieser Dialog gibt zudem eine sehr wichtige Information über Hafliji, da man aus ihm schließen kann, dass er vermutlich zum Priester geweiht war. Es ist nicht überliefert, wann Haflijis erste Frau starb. Seine Tochter Sigríjr aus seiner zweiten Ehe mit Rannveig Teitsdóttir war im Jahre 1118, als die Auseinandersetzung mit Porgils Oddason begann, jedoch schon verheiratet. Haflijis zweite Frau, Rannveig Teitsdóttir, war Enkelin des ersten Bischofs Ísleifr Gizurarson und damit gleichzeitig eine Nichte des zweiten Bischofs Gizurr Ísleifsson.76 Auch Rannveigs Vater Teitr Ísleifsson wird von Ari fróji Porgilsson in der Íslendingabók zweimal als Gewährsmann ange73 74

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Porgils saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, S. 12(48). Vgl. auch Jón P. Pór, Saga Biskupsstóls á Hólum í Hjaltadal, in: Gunnar Kristjánsson (Hrsg.), Saga Biskupsstólanna, S. 245(286f ). Die Tatsache, dass Hafliji als möglicher Bischof für das nördliche Landesviertel in Frage kam, ist, bisher in der Forschung noch nicht besonders beachtet worden, vgl. zum Beispiel die Darstellung dieses Dialogs bei Ursula Brown, Introduction, in: Porgils saga ok Haflija (1952), S. ix(xxx f.). Vgl. die genealogische Tabelle Nr. 7, in: Sturlunga saga II, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 332.

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führt.77 Ari bezeichnet Teitr als seinen „fóstri“, was hier eher in der Bedeutung „Lehrer“ zu verstehen sein dürfte als in der konkreteren Bedeutung „Ziehvater“. Zudem wird Teitr noch als Geschäftszeuge bzw. Eidhelfer für den in Kap. 1.8 genannten Vertrag genannt.78 Aus der zweiten Ehe Haflijis mit Rannveig Teitsdóttir sind drei Töchter bekannt, auch wenn viel dafür spricht, dass es noch weitere Kinder gab.79 Die Annalen berichten, dass Hafliji Másson im Jahre 1130 starb.80 3.2.5.3. Möglicher Aufenthalt Hafliji Mássons in Byzanz Nachdem Haflijis männliche Vorfahren die letzten vier Generationen vor ihm jeweils in jungen Jahren einige Jahre im Ausland verbracht haben, kann es gut sein, dass Hafliji als junger Mann ebenfalls einige Jahre außerhalb Islands gewesen ist, bevor er sich wieder in seiner Heimat niederließ und eine Familie gründete. Auch ist überliefert, dass Haflijis Bruder Bergpórr noch im Jahre 1117 ein Schiff besaß. Es dürfte somit zumindest in der Familie die Möglichkeit bestanden haben, ins Ausland zu reisen, ohne auf eine Überfahrt auf einem fremden Schiff angewiesen zu sein. Bei dem erwähnten Schiff hat es sich vermutlich um ein Seeschiff gehandelt, da es ansonsten wohl keine Erwähnung gefunden hätte als ein Schiff, das an einem bestimmten Ort aufgepallt war. Nachdem Haflijis Großvater Húnröjur möglicherweise und Haflijis Vater sicher einige Jahre in byzantinischen Diensten gestanden haben und zu Haflijis Lebzeiten die vor allem nach Westeuropa gerichteten ertragreichen Wikingerraubzüge der Generation von Haflijis Ur- und Ururgroßvater schon lange Geschichte waren, ist es am naheliegensten, dass Hafliji bei einem eventuellen Auslandsaufenthalt dem Beispiel seines Vaters folgend ebenfalls in Byzanz war. Am ehesten kommt dann in Frage, dass er dort in der Warägergarde gedient hat, die diejenige Einheit war, in der sein Vater vermutlich auch gedient hatte. 77

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Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 1, S. 1(4): […] at ætlun ok tölu […] Teits fóstra míns pess manns es ek kunna spakastan, sonar Ísleifar biskups, […] („[…] nach Daführhalten und Berechnung meines Lehrers Teitur […], des Mannes, den ich für am klügsten halte, des Sohnes von Bischof Ísleifr …]“; S. 1(21): Svá sagji Teitr oss („So sagte uns Teitur“); vgl. oben S. 16 f. Vgl. Grágás Ib, Kap. 248, S. 197. 09–10. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Gojorj og Gojorjsmenn III, S. 329. Annales regii, in: Islandske Annaler indtil 1578, Gustav Storm (Hrsg.), S. 77(113); ebenso die Annalen der Flateyjarbók, insoweit bei Gustav Storm nicht abgedruckt, vgl. ebenda, S. 550, 381.

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3.2.5.3.1. Die Warägergarde in Byzanz und die Herkunft der Waräger Mit der zeitweise sechstausend Mann umfassenden81 Warägergarde bildeten Söldner seit dem Jahr 98882 eine dem jeweiligen Kaiser loyal ergebene Spezialtruppe.83 Wie ergeben die Angehörigen der Warägergarde ihrem Kaiser jeweils waren, lässt sich auch aus einer Äußerung von Ioannes Dukas ersehen, die er anlässlich der geplanten Eroberung Byzanz’ durch den späteren Kaiser Alexios I. im Frühjahr 1081 machte. Ioannes Dukas riet Alexios, bei dem Plan, sich die Unterstützung der Wachmannschaften der Stadtmauern zu sichern, um die Stadt leichter einzunehmen, davon ab, bei den Warägern um Unterstützung dieses Vorhabens nachzufragen: Die anderen aber, die ihre Waffe auf der Schulter trügen, hätten ihre Treue den Kaisern gegenüber und den Schutz ihrer Körper als von den Vätern stammende Tradition und gleichsam als Unterpfand und Erbe jeweils vom Vater auf den Sohn übernommen, und sie hielten darum unerschütterlich an der Treue ihm gegenüber fest und würden es jedenfalls nicht einmal akzeptieren, von Verrat auch nur zu sprechen.84

Die Mitglieder der Warägergarde stammten vorwiegend aus Skandinavien, anfangs teilweise aber auch aus Russland und nach 1066 zunehmend auch aus England.85 In der byzantinischen Literatur wird für die Zeit um 1080 – wohl archaisierend – „Thule“ ( ) bzw. die „Insel Thule“ als Herkunft der Waräger angegeben.86 Teilweise ist vermutet worden, dass Thule mit England gleichzusetzen ist.87 Dies kann indes bezweifel werden. Schon Prokop und spätere byzantinische Schriftsteller bezeichneten mit der „Insel

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Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 181. Zu den Quellenberichten über vereinzelte Söldner in früheren Zeiten siehe Benedikt S. Benedikz, The evolution of the Varangian regiment in the Byzantine army, in: Byzantinische Zeitschrift 62 (1969), S. 20 ff.; Hilda R. Ellis Davidsson, The Viking Road to Byzantium, S. 230 ff. Vgl. Simon Franklin/Anthony Cutler, Varangians, in: The Oxford Dictionary of Byzantium III, S. 2152. Anna Komnene, Alexias (Üb./Hrsg. Diether Roderich Reinsch), Buch II, Kap. 9 § 4, S. 98. Diesen Aspekt betont A. A. Vasieliev, The opening stages of the anglo-saxon immigration to Byzantium in the eleventh century, in: Annales de l’Institut Kondakov IX (1937), S. 39(bes. 56 ff.). Vgl. Anna Komnene, Alexias, Buch II, Kap. 9 § 4, S. 95 und Buch II, Kap. 11 § 7, S. 101. Zu den sonstigen archaisierenden Ortsnamen und Volksbezeichnungen, vgl. Anna Komnene, Alexias, Vorrede, Kap. 3, § 2 mit Fn. 14, S. 21; Buch I, Kap. 1, § 1 mit Fn. 1, S. 25; Buch I, Kap. 1, § 2 mit Fn. 6 S. 26 und öfter. So Edward Augustus Freeman, Norman Conquest IV2, S. 626, vgl. auch Anhang UU, S. 845 f.; A.A. Vasieliev, The Anglo-Saxon immigration to Byzantium, in: Annales de l’Institut Kondakov IX (1937), S. 39(43, 55 f.).

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Thule“ Skandinavien,88 aber nicht England.89 Auch bei einer so gebildeten byzantinischen Schriftstellerin wie Anna Komnene dürfte mit Thule nicht England gemeint sein, weil schon Prokop schreibt, Thule sei über zehnmal so groß wie Britannien und liege viel weiter im Norden als dieses.90 Ob die mitunter auftretende Bezeichnung Thules als „Insel Thule“91 den Schluss zulässt, dass mit der Bezeichnung die Insel Island gemeint ist, lässt sich nicht entscheiden. Dafür würde sprechen, dass in der gelehrten Literatur des Mittelalters häufig Island „(ultima) Thule“ genannt wurde und Leute aus Island mit der Herkunftsbezeichnung „aus Thule“ bezeichnet wurden.92 In byzantinischen Schriften wird Thule aber vermutlich allgemein Skandinavien bezeichnen.93 Zumindest für die Zeit um 1080 dürften daher

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Vgl. Prokop, De bello gothico, (Hrsg. Jacobvs Havry/Gerhard Wirth), Buch II Kap. 15, (S. 215 Zeile 9 ff.), dt. bei Karl Dieterich, Byzantinische Quellen zur Länder- und Völkerkunde II, S. 122 ff. Auch Constantinus Porphyrogenitus, De administrando imperio (Hrsg. Gy. Moravcsik/Üb. R.J.H. Jenkins, 19672), Kap. 25, S. 102 bezeichnet England mit B . Vgl. Prokop, De bello gothico. Vgl. noch die Hinweise auf weitere Autoren, die zwischen Skandinavien und Britannien unterscheiden, bei Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 145(146). Vgl. Anna Komnene, Alexias, Buch II, Kap. 11 § 7, S. 101; Buch XII, Kap. 9, § 2, S. 427. Vgl. zum Beispiel Saxo Grammaticus, Gesta Danorum (Hrsg. J. Olrik/H. Ræder), Praefatio I.4, S. 5: Nec Tylensium industria silentio oblitteranda: […]; Buch VIII, Kap. II.2, S. 214: […], ultimæ Tyles incola, […]; Buch VIII, Kap. III.10, S. 216 A Tyle autem […]; Buch VIII, Kap. XIV.1, S. 239: […] a Tylibus faman.; Buch VIII, Kap. XVI.1, S. 247: […], a Berone et Refone Tylensibus petitus, […]; Buch XIV, Kap. XXXVI.2, S. 459: Habebat autem in clientela Absalon Arnoldum Tylensem, […]; vgl. auch Landnámabók, in: ÍF I, S. 29(31): Íaldarfarsbók peiri, er Beda prestr heilagr gerji, er getit eylands pess, er Thile heitir ok á bókum er sagt, at liggi sex dœgra sigling norjr frá Bretlandi; par sagji hann eigi koma dag á vetr ok eigi nótt á sumar, pá er dagr er sem lengstr. Til pess ætla vitrir menn pat haft, at Ísland sé Thile kallat, at pat er víja á landinu, er sól skínn um nætr, pá er dagr er sem lengstr, en pat er víja um daga er sól sér eigi, pá er nótt er sem lengst. („In dem Buch von der Berechnung der Zeiten, das der Priester Beda der Heilige anfertigte, wird eine Insel genannt, die Thule heißt und von der in Büchern gesagt wird, dass sie von Brittannien sechs (Halb-)Tage nach Norden liege; er sagte, dort käme im Winter kein Tag und im Sommer keine Nacht, wenn der Tag am längsten ist. Daher gehen weise Leute davon aus, dass Island Thule genannt werde, denn es ist weithin im Land, dass die Sonne nachts scheint, wenn der Tag am längsten ist, und es ist auch weithin so, dass die Sonne nicht zu sehen ist, wenn die Nacht am längsten ist.“) sowie Beda Venerabilis, De temporibus liber, in: J.-P. Migne (Hrsg.), PL 90, Sp. 277(283) und Beda Venerabilis, De temporum ratione, ebenda, Sp. 293(434). Vgl. nur Anna Komnene, Alexias, Anmerkung 102 zu Buch II, Kap. 9, § 4, S. 95. Siehe auch umfassend zur Geschichte des Begriffes Klaus von See, Ultima Thule/ Thule, in: RGA 31, S. 416–420.

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die aus England stammenden Sölder noch nicht die Mehrheit in der Warägergarde gestellt haben. In den mittelalterlichen skandinavischen Quellen findet sich bei dem dänischen Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus94 ein Bericht anlässlich des Besuchs des dänischen Königs Eiríkr góji (heutiges Dänisch: Erik ejegod) zwischen 1101 und 1103 in Byzanz des Inhalts, dass es auch Skandinavier gegeben habe, die die Leibgarde des Kaisers von Byzanz angeführt hätten: Inter ceteros enim, qui Constantinopolitane urbis stipendia merentur, Danice vocis homines primum milicie gradum obtinent, eorumque custodia rex salutem suam vallare consuevit.95

Die Skandinavier, die als Waräger in byzantinischen Diensten standen, wurden im hier interessierenden Zeitraum von einem Offizier im Range eines Akoluthos kommandiert;96 die nachgeordneten Offiziere werden als Primerikerioi bezeichnet.97 Trotz des Berichts von Saxo Grammaticus über skandinavische Anführer der Waräger dürften diese in den meisten Fällen selbst keine Waräger gewesen sein.98 3.2.5.3.2. Nampites (N«), Kommandeur der Waräger Die in besonderem Ansehen des Kaisers stehende kaiserliche Leibgarde wurde 1081 unter Alexios I. von einem Anführer kommandiert, der höchstwahrscheinlich selbst ein Waräger war.99 Vor diesem Kommandeur wurde diese Position wohl ausschließlich von Byzantinern bekleidet. Anna Komnene, die Tochter des Alexios I., nennt in ihrer um 1150 geschriebenen 94 95

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Über seine Person siehe K. Friis-Jensen, Saxo Grammaticus, in: RGA 26, S. 549 ff. Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, J. Olrik/H. Ræder (Hrsg.), Buch XII, Kap. VII.1, S. 338. Die entsprechende Wendung für „danice vocis homines“ („Menschen dänischer Sprache“) lautet auf altnordisch of danska tungu („von dänischer Zunge“ im Sinne von ‚Sprache‘) und wird in Island auch in den Gesetzen als Kriterium für die Zugehörigkeit zu einem skandinavischen Volk verwendet, vgl. Grágás Ia, Kap. 20, S. 38.17–20: Pan man scal eigi i dom nefna. er eigi hefir mal nvmit. i barn æskv. a danska tvngv. apr hann hefir verit .iij. vetr a íslandi. epa lengr. („Derjenige der nicht in früher Jugend in dänischer Sprache sprechen gelernt hat, soll nicht in ein Gericht berufen werden, bevor er 3 Winter oder länger auf Island gewesen ist.“) Vgl. Katakalon Kekaumenos, Strategikon, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 21(55 mit Fn. 40). Vgl. auch für spätere Zeiten Pseudo-Kodinos, Traité des offices, Jean Verpeaux (Hrsg.), S. 184. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 22, 185. Vgl. Ch. Lübke, Waräger § 2 Historisch, in: RGA 33, S. 256(258). Vgl. Dieter Roderich Reinsch, in: Anna Komnene, Alexias, Buch IV, Kap. 5 § 3 S. 153, Fn. 53; Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 145(147 ff.).

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Alexias, in der sie die Herrschaftszeit ihres Vaters schildert, diesen Anführer der Warägergarde „Nabites“ bzw. „Nampites“ (N«). Der Grund für die Vermutung, dass sich hinter Nabites / Nampites ein Skandinavier verbirgt, ist vor allem sein einer skandinavischen Sprache zugeordneter Name, auch wenn kein Personenname unmittelbar auffällt, der die skandinavische Entsprechung zu N« darstellen könnte. Gestützt wird diese Vermutung durch die oben zitierte Mitteilung von Saxo Grammaticus, dass es skandinavische Anführer der Warägergarde gegeben habe, und den Umstand, dass diese Information sich auf einen Besuch von König Erik dem Guten in Byzanz bezieht, der nur in etwa 15 Jahre nach dem Zeitpunkt stattfand, für den Nabites zuletzt in einer byzantinischen Quelle erwähnt wird. Nabites kämpfte für Alexios I. Komnenos in der Schlacht bei Dyrrachion an der Adria am 18. Oktober 1081 gegen Robert Guiscard, war jedoch so unerfahren, dass große Teile der Einheit verloren gingen: Die meisten der jüngeren Leute des Heeres aber rieten zur Schlacht, und mehr als alle anderen der purpurgeborene Konstantinos [Sohn des Kaisers Konstantinos Dukas und der Eudokia Makrembolitissa], Nikephoros Synadenos sowie Nampites, der Kommandeur der Varäger, und auch die Söhne des ehemaligen Basileus Romanos Diogenes, Leon und Nikephoros.100 [meine Kursivsetzung] […] Und da er [Alexios] seine Truppen geteilt hatte, hielt er die Barbaren, die gegen die Zelte Roberts ausrückten, in ihrem ungestümen Schwung nicht auf, diejenigen aber, die auf ihrer Schulter die Waffen mit doppelter Schneide trugen [=die Warägergarde, für die diese Art Äxte kennzeichnend war], behielt er bei sich mitsamt ihrem Anführer Nampites, ließ sie von den Pferden absitzen und trug ihnen auf, in geschlossener Linie in geringem Abstand vornweg zu marschieren; alle Angehörigen dieses Stammes tragen Schilde. Das übrige Heer ließ er Schlachtreihen formieren, und er selbst hatte die Mitte der Front inne, rechts und links bestimmte er als Kommandeur der Abteilungen den Kaisar Nikephoros Melissenos und den Groß-Domestikos mit Namen Pakurianos. Im Raum zwischen ihm und den zu Fuß marschierenden Barbaren befand sich eine starke Abteilung von Soldaten, die die Kunst des Bogenschießens beherrschten; diese wollte er zuerst gegen Robert ins Feld schicken und befahl deshalb dem Nampites, wenn diese gegen die Kelten Attacken reiten und auch wenn sie dann wieder zurückkehren wollten, sollten sie ihnen sofort Raum verschaffen, indem sie ihre Formation nach beiden Seiten hin öffneten, und danach sollten sie die Front wieder schließen und in fester Schildformation vorrücken.101 […] Während sich also beide mäßige Geplänkel lieferten, da stürmten, als auch Robert ihnen allmählich nachfolgte und sich der Abstand zwischen den Fronten schon etwas verkürzte, aus der Schlachtreihe des Amiketes Fußsoldaten und Berittene nach vorn und griffen am Flügel die Formation des Nampites an. Als diese sehr tapferen Widerstand leisteten, fluteten jene wieder zurück, da sie nicht alle Elitesoldaten waren, war100 101

Anna Komnene, Alexias, Buch IV, Kap. 5 § 3, S. 153. Anna Komnene, Alexias, Buch IV, Kap. 6, § 2, S. 155.

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fen sie sich ins Meer, das ihnen bis zum Hals reichte, näherten sich den Schiffen der romäischen und der venezianischen Flotte und baten dort um Rettung, wurden jedoch von diesen nicht an Bord genommen.“102 […] Als sich aber die Axtträger und auch ihr Anführer Nampites, die wegen ihrer Unerfahrenheit und übermäßigen Kampfeslust zu schnell marschiert waren, ein beträchtliches Stück von den romäischen Linien entfernt hatten, da sie mit dem gleichen Temperament wie die Kelten darauf brannten zu kämpfen (denn genauso wie diese sind auch sie sehr heißblütig im Kampf und stehen den Kelten in dieser Beziehung um nichts nach), und als Robert sah, daß sie schon müde waren und keuchten, und er sich dessen ganz sicher war aufgrund ihrer schnellen Bewegung, der Entfernung und dem Gewicht ihrer Waffen, da gab er einer Abteilung seiner Infanterie den Befehl, sie zu attackieren. Sie aber, die vorher schon müde waren, erwiesen sich als schwächer als die Kelten. Und so fiel dort nun die gesamte Barbarenabteilung; diejenigen von ihnen, die entkommen konnten, flüchteten sich zum Heiligtum des Erzengels Michael, und die einen von ihnen drängten hinein, soweit das Heiligtum ihnen drinnen Platz bot, die übrigen kletterten auf das Heiligtum hinauf und standen nun da, um dort, wie sie glaubten, Sicherheit zu finden. Die Lateiner aber gingen mit Feuer gegen sie vor und verbrannten alle mitsamt dem Heiligtum.103

Nach dieser Schilderung hat Nabites/Nampites die herausragende Position des Kommandeurs der Warägergarde bekleidet, obwohl er laut Annas Schilderung noch zu den jüngeren Leuten des Heeres zählte. Teilweise ist erörtert worden, ob es sich bei der genannten Warägergarde um eine Einheit aus der Provinz oder um die kaiserliche Leibgarde aus der Hauptstadt gehandelt habe.104 Letzteres dürfte der Fall gewesen sein, weil Alexios I. selbst an der Schlacht teilnahm und die Warägergarde direkt vor den Bogenschützen postierte, die ihrerseits unmittelbar vor ihm aufgestellt waren.105 Mit dem Verlust der Einheit des Nabites realisiert sich die Gefahr, auf die vermutlich der byzantinische General Kekaumenos in einer Mahnrede an den Kaiser hingewiesen hat: Auf die Nachteile einer Verleihung hoher militärischer Ämter an noch nicht in der eigenen Armee erprobte Ausländer. Kekaumenos weist darauf hin, dass weder Romanus III. [Argyropulos, reg. 1028–1034] noch Basileus II. [Porphyrogennetos, reg. 976–1025] jemals einen „Franken oder Varäger“ in ein höheres Amt als das eines Spartharius berufen hätte.106 Er illustriert seine Ratschläge in diesem Punkt mit 102 103 104 105

106

Anna Komnene, Alexias, Buch IV Kap. 6 § 4, S. 156. Anna Komnene, Alexias, Buch IV Kap. 6 § 6, S. 156 f. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 185. Vgl. Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Medievalia II (1939), S. 145(151). Vgl. Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(139).

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drei Beispielen, von denen das letzte ausführlich die militärische Laufbahn des „Araltes“, des späteren norwegischen Königs Haraldr harjráji Sigurjsson (siehe oben S. 137 f.) behandelt. Selbst jener sei erst für besonders große Verdienste in diversen Schlachten zum Spatharokandidaten ernannt worden.107 Gerade dieses Beispiel eines skandinavischen Söldners, der erst große militärische Erfolge erringt, bevor er auf einen mittleren Posten befördert wird, und der später die Königsherrschaft über Norwegen erlangt, kann als Kontrast zur Ernennung des in militärischen Dingen wohl noch unerfahrenen Nabites zum Anführer der Warägergarde gedacht gewesen sein. Auch dies würde die These stützen, dass Nabites ebenfalls Skandinavier war. Möglicherweise war genau die geschilderte Schlacht der Anlass für die Mahnung des Kekaumenos.108 Dann wäre die Mahnrede an die Adresse des Alexios I. gerichtet gewesen.109 Teils wird die Mahnrede etwas früher datiert, so dass ein anderer Kaiser ihr Adressat gewesen sein müsste.110 Auch in diesem Falle kann die Ernennung des Nabites zum Kommandeur der Waräger den Anlass für die Mahnung gegeben haben, da es gut sein kann, dass Nabites schon vor der Herrschaft des Alexios diese Position bekleidete.111 Ingesamt ist festzuhalten, dass die Warnung genau in eine Zeit fällt, in der mit Nabites vermutlich erstmals ein Waräger das Kommando über die Warägergarde erhalten hat, auch wenn die Mahnrede nicht genauer datiert werden kann. Nabites scheint bei der Schlacht bei Dyrrachion nicht nur mit dem Leben davongekommen zu sein, da Anna Komnene ihn noch einmal anläßlich einer weiteren Schlacht einige Jahre später erwähnt, sondern er scheint darüber hinaus auch nicht die Gunst des Kaisers verloren zu haben, denn er wird in einer Schlacht im Feldzug gegen die Peçenegen im Herbst 1087 immer noch als Kommandeur der Warägergarde bezeichnet. In dieser Schlacht führt Nabites jedoch nicht die Warägergarde, der er eigentlich vorsteht, in den Kampf, sondern er wird als einer der sechs Männer genannt, die ausschließlich den Kaiser Alexios I. beschützen sollen:

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108 109 110

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Vgl. Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(141). Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 184. In diesem Sinne: Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 122. Vgl. dazu die Nachweise bei A. A. Vasieliev, The opening stages of the anglo-saxon immigration to Byzantium in the eleventh century, in: Annales de l’Institut Kondakov IX (1937), S. 39(65 mit Fn. 127), sowie Hilda R. Ellis Davidsson, The Viking Road to Byzantium, S. 183. Vgl. Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Medievalia II (1939), S. 145(156).

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Sechs Männer an der Zahl suchte er sich aus und vertraute ihnen den Schutz seiner Person an, indem er ihnen auftrug, nur auf ihn zu schauen und sich um gar nichts anderes zu kümmern, nämlich die beiden Söhne des Romanos Diogenes, Nikolaos Mavrokatakalon, der über lange Zeit hin reiche Erfahrungen in Schlachten gesammelt hatte, Ioannakes, den Kommandeur der Varägerabteilung Nampites und einen Mann namens Gules, einen Diener, den er vom Vater ererbt hatte.112

Jedoch auch diese Schlacht geht verloren und der Kaiser muss erneut vor den Feinden fliehen.113 Dem Rang nach wird Nabites als Kommandeur der Warägergarde ein Akoluth gewesen sein.114 Damit nahm er eine Position ein, die in der Armee mitunter von sehr bedeutenden Offizieren bekleidet wurde.115 Bei PseudoKodinos, dessen anonym verfasstes Werk in die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert wird,116 ist jedoch der Akoluth (lat. proximus, weil er dem Kaiser am nächsten war) nur mehr an fünfzigster Rangstelle im Staat aufgeführt.117 Dieses spätzbyzantinische Zeugnis dokumentiert einen erheblichen Bedeutungsverlust gegenüber seiner früheren Stellung.118 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nabites die wohl höchste Ehre zuteil wurde, die ein warägrischer Söldner in Byzanz erlangen konnte: Er ist von Herbst 1081 bis Herbst 1087 als Anführer der Warägergarde nachzuweisen und in wichtigen Kämpfen persönlich für das Leben des Kaisers verantwortlich. Obwohl er im Herbst 1081 fast seine gesamte Einheit verliert, entgeht er dem Schicksal anderer erfolgloser Offiziere, die teilweise öffentlich geschmäht wurden.119 Nabites muss daher eine herausragende Persönlichkeit gewesen sein, da er trotz eines schwerwiegenden militärischen Misserfolgs bei Alexios I. nicht in Ungnade fiel. Möglicher Grund für diese hohe Stellung eines jüngeren und militärisch eher unerfahrenen Soldaten könnte – neben guten soldatischen Fähigkeiten, die wohl zumindest in den Jahren nach 1081 noch zu entsprechenden Fertigkeiten geworden sein müssen – gewesen sein, dass Nabites überdurchschnittlich gebildet war und deshalb vom Kaiser geschätzt wurde. Kaum eine andere Eigenschaft eines allem Anschein nach „barbarischen“ 112 113 114

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Anna Komnene, Alexias, Buch VII, Kap. 3 § 6, S. 242 f. Vgl. Anna Komnene, Alexias, Buch VII, Kap. 3 §§ 8–12, S. 243–246. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 184 f.; Basile Skoulatos, Les personnages byzantins de l’Alexiade, S. 216 (Stichwort „Nampitès“ mit Fn. 2). Vgl. Alexander P. Kazhdan, Akoluthos, in: The Oxford Dictionary of Byzantium Bd. 1, S. 47. Vgl. Alexander P. Kazhdan, Kodinos, Pseudo-, in: The Oxford Dictionary of Byzantium Bd. 2, S. 1135. Vgl. Pseudo-Codinus, Traité des offices, Jean Verpeaux (Hrsg.), S. 184. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 185. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 24.

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Soldaten dürfte dazu geeignet gewesen sein, trotz verlorener Schlachten dessen gute Reputation, die zur Einsetzung als Anführer der Warägergarde geführt hatte, aufrechtzuerhalten. Hafliji, der in Island an der Überarbeitung der Gesetze maßgeblich beteiligt war und beinahe zum Bischof gewählt wurde, verfügte möglicherweise über eine derartige Bildung. 3.2.5.3.3. Ist Hafliji „Nabites, der Kommandeur der Waräger“? Wer dieser Nampites bzw. Nabites war, hat die Forschung schon lange beschäftigt.120 So wurde aufgrund seines Namens vermutet, er sei Norweger oder Isländer und trüge den Spitznamen Nábitr.121 Dieser Name ist als Beiname einer Person zwar nicht belegt, aber er ist als altnordisches Wort immerhin denkbar. Es würde so viel wie „Leichenbeißer“ bedeuten, denn ná bedeutet Leiche, Kadaver und bitr steht in Beziehung zum Verb bíta ‚beißen‘. Warum sich allerdings jemand vom byzantinischen Kaiser und von aller Welt mit einem solchen Spitznamen anreden lassen sollte, ist nicht dargelegt worden. Es ist vielmehr nachgerade unwahrscheinlich, dass sein Name Nábitr gelautet hat, da es in Byzanz und besonders im unmittelbaren Umfeld des Nabites eine größere Anzahl Skandinavier gab, welche die eigenartige Bedeutung dieses Namens verstanden hätten.122 Haraldr harjráji, der als 15-Jähriger seine Thronhoffnungen in Norwegen noch nicht realisieren konnte, hatte jedenfalls einen triftigen Grund, sich nicht gleich unter seinem wahren Namen in Byzanz bekannt zu machen, sondern sich anfangs einen ausgedachten Namen zuzulegen. Haraldr 120

121 122

Vgl. z. B. Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Medievalia II (1939), S. 145–167; Edward Augustus Freeman, Norman Conquest IV2, S. 626 Fn. 4: „Nabitès was the commander of the Warangians […]. I wish I could say more about either him or his name.“; Charles Oman, A history of the art of war in the middle ages I2 (378–1278), S. 167 Fn. 1: „Anna Comnena calls the leader of the Varangians Nampites. This does not seem to be a true Teutonic name. A military correspondent suggests to me that it may possibly represent a nickname – ,Niemecz‘ or ,Nemety‘= the German – bestowed on the English chief by Slavonic fellow-soldiers in the Imperial host.“; Basile Skoulatos, Les personnages byzantins de l’Alexiade, S. 216 f.(141. Nampitès). Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 123. Zwar wurden vielen Skandinaviern im 9. und 10. Jahrhundert sehr direkt auf eine Tätigkeit oder Eigenschaft seines Trägers verweisende Beinamen verliehen, wie sich insbesondere aus der Landnáma ergibt, aber für das Ende des 11. Jahrhunderts wäre es sehr ungewöhnlich, wenn ein so spezieller Beiname den tatsächlichen Namen vollständig verdrängt haben sollte.

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harjráji wird jedoch auch in den byzantinischen Quellen mit seinem tatsächlichen Namen bezeichnet und hat seinen wahren Namen damit letztlich nicht geheim gehalten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es sich auch bei dem Namen Nabites (N«) um einen tatsächlichen Personennamen handelt, der im Griechischen jener Zeit schwer auszusprechen und daher etwas abgewandelt war. Hierbei könnte es sich um den Namen Hafliji handeln. Der griechische Buchstabe N (Ny) am Anfang des Wortes kann, weil die Lautkombination von Ha- für griechischsprachige Personen möglicherweise schwer auszusprechen war, hinzugefügt worden sein, hätte dann aber nicht zu einem vollständigen Wegfall des ersten Lautes geführt, sondern zu einer Substitution des H durch ein N. Der erste Vokal, das a, ist in beiden Namen gleich. Der Lautwert von b in ausländischen Wörtern wird im Griechischen üblicherweise als  geschrieben.123 Daneben existiert das Phänomen, dass ein f, welches im Isländischen in etwa den Lautwert wie ein v im Deutschen hat, im Griechischen häufig durch einen Verschlusslaut wie b ausgedrückt wurde, vgl. Waräger und B , Bestes und Vestes sowie Ólafr und Hiulabos.124 Daher erscheint es plausibel, dass ein f von einer griechischsprachigen Person, welche im Regelfall ohnehin den Laut eines v durch den eines b ersetzt hat, möglicherweise auch durch die Lautkombination  wiedergegeben wurde. Das l in Hafliji ist im Isländischen, in dem grundsätzlich die erste Silbe, also das Haf-, betont wird, nicht besonders stark betont, so dass es auch ersatzlos weggefallen sein kann. Auch der zweite der beiden Stammvokale dieses in beiden Sprachen zweigliedrigen Personennamens, das i, ist unverändert geblieben. Das isländische j, das den Lautwert eines stimmhaften englischen th hat, kann leicht durch ein t wiedergegeben worden sein. Das -i, auf das Hafliji endet, ist eine bloße Nominativendung, da der der schwachen Deklination angehörige Name in den casus obliqui auf -a endet. Das im Griechischen an den Namen angehängte s hat nichts mit dem Ursprungsnamen zu tun, sondern wurde häufig an ausländische Eigennamen angehängt und muss daher nicht die Nominativendung eines Perso123

124

Vgl. Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 145(147 f.). Vgl. Sigfús Blöndal, The Last Exploits of Harald Sigurjsson in Greek Service, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 1(9); Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(139 mit Anm. 8 auf S. 163; 140 mit Anm. 12 auf S. 163).

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nennamens darstellen, wie sich an der Bezeichnung Araltes für Haraldr ersehen lässt. Auch Haralds Bruder Ólafr wird etwas verfremdet Hiulabos genannt.125 Somit erscheint es sehr gut möglich, dass sich hinter dem Namen Nabites (N«) Hafliji Másson verbirgt. Sollte Nabites tatsächlich der Isländer Hafliji Másson gewesen sein, so war er im Jahre 1081 etwa zwanzig bis dreißig Jahre alt, wobei ein höheres Alter innerhalb dieser Spanne wahrscheinlicher ist. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich hinter Nabites der Isländer Hafliji Másson verbergen kann, stellt möglicherweise die oben bei Fn. 84 zitierte Aussage Ioannes Dukas anlässlich der geplanten Eroberung Byzanz’ durch Alexios I. im Frühjahr 1081 dar. Die Aussage legt nahe, dass es entweder eine größere Anzahl von Fällen einer über Generationen hinweg familiären Konstante unter den Mitgliedern der Warägergarde gegeben hat oder aber zumindest unter prominenten Mitgliedern der Garde und diese dann von ihm als stellvertretend für die gesamte Garde angesehen wurden. In der skandinavischen Literatur gibt es kaum Belege, dass über mehrere Generationen hinweg Mitglieder aus jeweils derselben Familie als Söldner in byzantinische Dienste getreten sind. Auch wenn es insgesamt wenig Quellenbelege gibt, die genauere Aussagen über die Häufigkeit solcher Familientraditionen zulassen, dürfte dies tendenziell nicht besonders oft vorgekommen sein, da sich die Bedingungen für Söldner in Byzanz eine ganze Generation später jeweils stark verändert hatten.126 Mehrere Isländersagas berichten noch von dem großen Reichtum, den man im 10. und 11. Jahrhundert in Byzanz erlangen konnte, 127 125

126

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Vgl. Sigfús Blöndal, Nabites the Varangian, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 145(148); Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(140 mit Anm. 12 auf S. 163). So war insbesondere zu Anfang des 11. Jahrhunderts der Sold der Waräger sehr großzügig bemessen, später jedoch war er aufgrund einer leeren Staatskasse wohl wesentlich geringer, vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S 25–29; Georg Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, 3. Aufl. (1963), S. 305 f.; bereits Katakalon Kekaumenos behauptet in seiner Mahnrede an den Kaiser (ca. 1080), es gäbe massenhaft ausländische Söldner, die bereit wären, allein für Kleidung und Verpflegung dem Kaiser treu zu dienen, vgl. Katakalon Kekaumenos, Mahnrede an den Kaiser, in: Vademecum des Byzantinischen Aristokraten, Hans-Georg Beck (Üb. und Hrsg.), S. 135(138). Vgl. allen voran die Schilderung im 77. Kapitel der Laxœla Saga, wie Bolli Bollason, ein angeheirateter Onkel von Haflijis erster Frau Puríjr, nach seinem Dienst in der Warägergarde, den er wohl 1029 angetreten hatte, aus Konstantinopel zurückkommt (in: ÍF V, S. 1(224 f.)): Pá er fjórir vetr váru lijnir frá drukknun Porkels Eyjólfssonar, pá kom

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während kurz vor 1200 Sigurjr grikkr Oddsson, aus byzantinischen Diensten ohne Geld nach Island heimkehrte und nur ein wertvolles skip í Eyjafjörj; pat átti Bolli Bollason; váru par á flestir norrœnir hásetar. Bolli hafji mikit fé út ok marga dy´ rgripi, er höfjingjar höfju gefit honum. Bolli var svá mikill skartmajr, er hann kom út úr för pessi, at hann vildi engi klæji bera nema skarlatsklæji ok pellsklæji, ok öll vápn hafji hann gullbúin. Hann var kallajr Bolli inn prúji. Hann ly´sti pví fyrir skipverjum sínum, at hann ætlaji vestr til heraja sinna, ok fekk skip sitt ok varnaj í hendr skipverjum sínum. Bolli ríjr frá skipi vij tólfta mann; peir váru allir í skarlatsklæjum fylgjarmenn Bolla ok riju í gyldum söjlum; allir váru peir listulegir menn, en pó bar Bolli af. Hann var í pellsklæjum, er Garjskonungr hafji gefit honum; hann hafji ´y zta skarlatskápu rauja; hann var gyrjr Fótbít, ok váru at honum hjölt gullbúin ok mejalkaflinn gulli vafijr; hann hafji gyldan hjálm á höfji ok raujan skjöld á hlij, ok á dreginn riddari mej gulli; hann hafji glajel í hendi, sem títt er í útlöndum, ok hvar sem peir tóku gistingar, pá gáju konur engis annars en horfa á Bolla ok skart hans ok peira félaga. („Als vier Winter seit dem Ertrinken von Porkell Eyjólfsson vergangen waren, kam ein Schiff in den Eyjafjörjur; dieses gehörte Bolli Bollason; darauf waren überwiegend norwegische Besatzungsmitglieder. Bolli brachte viel Geld und viele Kostbarkeiten mit heraus, welche Häuptlinge ihm geschenkt hatten. Bolli war ein so großer Schmuckliebhaber als er von dieser Fahrt kam, dass er keine anderen Kleider tragen wollte als Scharlach- und Seiden( ? )gewänder und alle seine Waffen goldverziert waren. Er wurde Bolli der Prächtige genannt. Er erklärte seiner Mannschaft, dass er nach Westen in seine Distrikte ziehen wollte, und übergab sein Schiff und seine Waren seiner Mannschaft. Bolli ritt mit elf Begleitern vom Schiff; alle Leute des Gefolges von Bolli hatten Scharlachgewänder und vergoldete Sättel; sie waren alle sehr ansehnlich, aber Bolli hob sich dennoch ab. Er trug ein Seiden( ? )gewand, welches der König von Byzanz ihm geschenkt hatte; ganz außen trug er einen roten Scharlachmantel; er war mit dem Schwert Fótbítur [‚Fußbeißer‘] gegürtet, an dem der Knauf goldverziert und das Mittelstück mit Gold umwoben war; er trug einen goldenen Helm auf dem Kopf und einen roten Schild an der Seite, auf den mit Gold ein Ritter gemalt war; er hatte eine Lanze in der Hand, wie es im Ausland üblich ist, und überall wo sie Unterkunft nahmen, da kümmerten sich die Frauen um nichts anderes, sondern schauten auf Bolli und den Schmuck von ihm und seinen Begleitern.“) Entgegen Sverrir Jakobsson, Vij og veröldin, S. 179, muss die Schilderung von Bolli nicht als „zweifelsfrei geschönt“ (eflaust fegruj) anzusehen sein. – Siehe zu weiteren Heimkehrern aus Byzanz auch die Schilderung in der Hrafnkels saga freysgoja, ÍF XI, Kap. 3 und 8, S. 95(100 und 125 f.), wie Eyvindr Bjarnason nach einigen Jahren in Diensten des byzantinischen Kaisers mit 16 Packpferden seine Waren nach Hause transportieren will, als er von Hrafnkell erschlagen wird. Auch wenn die Isländersagas nicht in allen Details als zuverlässige Geschichtsquellen angesehen werden können, sondern in vielerlei Hinsicht auch mit romanhaften Ausschmückungen des Sagaschreibers gerechnet werden muss, ist vermutlich doch ein wahrer Kern in den Schilderungen über die Heimkehrer aus Byzanz, weil diese „Randbemerkungen“ für den eigentlichen Fortgang der Saga wenig Relevanz haben. Weitere Hinweise auf Isländer, die in der Warägergarde in Byzanz gedient haben, finden sich unter anderem in der Brennu-Njáls saga, Kap. 81 (ÍF XII, S. 197); in der Heijarvíga saga, Kap. 11 (ÍF III, S. 213(242)); in der Hallfrejar saga, Kap. 4 (ÍF VIII, S. 133(144)) sowie in der Grettis saga, Kap. 85 (ÍF VII, S. 271: Ípenna tíma fór mart Norjmanna út í Miklagarj og gengu par á mála. („Zu jener Zeit fuhren viele Skandinavier nach Byzanz und verdingten sich

160

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Schwert mitbrachte.128 Ein Beispiel, dass es solche Fälle, in denen Vater und Sohn in byzantinischen Diensten gestanden haben, gleichwohl gegeben hat, sind Húnrøjr Véfrøjarson und Már Húnrøjarson und eventuell sein Sohn Hafliji Másson. Wenn Hafliji bereits im Frühjahr 1081, als Alexios I. in Byzanz einzog, Anführer der Waräger gewesen sein sollte, würde die zitierte Aussage des Ioannes Dukas einen besonders prominenten Fall betreffen, da Hafliji dann möglicherweise schon in dritter Generation als byzantinischer Söldner gedient und schon sein Vater als Anführer einer Einheit keinen einfachen Mannschaftsdienstgrad inne gehabt hätte. Als Kommandeur der gesamten Garde hätte Hafliji nicht nur maßgeblich ihr Ansehen mitbestimmt, sondern seine Haltung zur geplanten Usurpation des Alexios wäre für deren Gelingen von großer Wichtigkeit gewesen. In dieselbe Richtung lässt sich die oben bei Fn. 95 zitierte Aussage von Saxo Grammaticus deuten, dass es skandinavische Anführer der Warägergarde gegeben habe. Es ist zwar möglich, dass N« jemand anderes als Hafliji war. Doch es wäre ungewöhnlich, wenn ein so hochstehender Offizier des byzantinischen Kaisers, der – wonach alles aussieht – aus Skandinavien kommt, nicht auch in seinem Heimatland eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft gespielt und somit in den skandinavischen Quellen Erwähnung gefunden hätte. Die Existenz der Kirialax saga, einer wohl erst im 14. Jahrhundert verfassten Saga, die eine Reihe abenteuerlicher Erzählungen aufweist,129 kann eher als allgemeines Anzeichen dafür gewertet werden, dass auf Island der Name Kirialax (für kyrios alexios ‚Herr Alexios‘) als Bezeichnung des byzantinischen Kaisers Alexios I., der als Sohn eines Provinzkönigs später zur Herrschaft über das byzantinische Reich gelangt, bekannt war. In dieser Saga ist es kaum möglich, einzelne ihrer Schilderungen mit historisch belegten Taten des Alexios I. in Verbindung zu bringen.130 Daher ist über

128

129 130

dort als Söldner.“) Bei den Königssagas ist vor allem der Isländer Halldórr Snorrason zu nennen, der gemeinsam mit seinem Landsmann Úlfr Óspaksson, Haraldr harjráji nach Byzanz begleitete, vgl. nur Haralds saga Sigurjarsonar, in: ÍF XXVIII, Kap. 9, S. 68(79f.), Kap. 35 f., S. 68(119 f.). Auch in Snorri Sturlusons Magnússona saga wird von dem in Byzanz lockenden Reichtum berichtet, vgl. ÍF XXVIII, Kap. 1, S. 238: Var pat sagt, at í Miklagarji fengu Norjmenn fullsælu fjár, peir er á mála vildu ganga. („Es wurde gesagt, dass in Byzanz die Skandinavier große Mengen Reichtümer erhalten würden, die sich [in der Warägergarde] verdingen würden.“) Vgl. Gujmunda saga dy´ ra, in: Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), Sturlunga saga I, Kap. 18, 32, S. 160(198, 260 f.) sowie oben S. 58. Kirialax saga, Kristian Kålund (Hrsg.), København 1917. Vgl. Sverrir Jakobsson, Vij og veröldin, S. 62.

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diese Saga eine besondere Beziehung eines Isländers wie Hafliji Másson zu Alexios I. nicht nachweisbar. Insgesamt lassen sich aber verschiedene Hinweise in den Quellen finden, dass der Kaiser von Byzanz auf Island als bedeutender angesehen wurde als andere Herrscher.131 Aufgrund der Ähnlichkeit der Namen N« und Hafliji und der weiteren Anzeichen (Nabites hohes Ansehen bei Kaiser Alexios I., die byzantinische Söldnertradition in Haflijis Familie) scheint es gut möglich zu sein, dass sich hinter dem Anführer der Waräger N« Hafliji Másson verbirgt. Für die Annahme eines eher martialischen Spitznamens, der obendrein nicht in den Quellen belegt ist, spricht dagegen kaum etwas. Hier ist, um weitere Klarheit zu bekommen, jedoch eine eingehendere linguistische Untersuchung nötig als sie an dieser Stelle geleistet werden kann. Andere Anknüpfungspunkte für einen kulturellen Austausch bei der isländischen Gesetzgebung von 1117/1118 könnten theoretisch auch die normannischen Eroberungen der zuvor byzantinisch beherrschten Teile Italiens sein. Denn die Normannen haben in diesen Gebieten die instituta, mores, leges, disciplinasque denique Graecas in Ehren gehalten.132 Da aber die bestimmende Person bei der Revision der isländischen Gesetze Hafliji Másson war, über dessen Familie und über den möglicherweise selbst eine enge Beziehung zwischen Byzanz und Island bestand, ist eine personelle Verbindung nach Italien der für die isländische Gesetzesrevision im Winter 1117/1118 maßgeblichen Personen sehr unwahrscheinlich. 3.2.5.3.4. Juristische Ausbildung in Byzanz im 11. Jahrhundert Nachdem oben schon angedeutet wurde, dass Hafliji in Island ein außerordentlich bedeutender Jurist war, sollen kurz die Rahmenbedingungen der juristischen Ausbildung im Byzanz des 11. Jahrhunderts skizziert werden, die Hafliji in Byzanz vorgefunden haben kann. Der Aufschwung des Geisteslebens im byzantinischen Reich begann schon vor der Mitte des 11. Jahrhunderts, als nach dem Tode Basileus II. der hauptstädtische Beamtenadel die Herrschaft übernahm.133 Der Nach131 132

133

Vgl. Sverrir Jakobsson, Vij og veröldin, S. 123 m.w.N. So Hans Erich Troje, Graeca leguntur, S. 269 unter Verwendung eines Zitates von Leunclavius. Vgl. Georg Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, 3. Aufl. (1963), S. 270 f., Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(448).

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folger von Basileus II. war Romanos III. [Argygos, reg. 1028–1034], welcher zuvor als Richter im Hippodrom tätig war und der eine größere Reform der Justizverwaltung in Byzanz einleitete.134 Insbesondere Konstantin IX. Monomachos (reg. 1042–1055) galt als Förderer der Wissenschaften. Laut einer Novelle von 1045 gründete Konstantin Monomachos die Rechtsschule in Byzanz (neu).135 Deren Leitung oblag Johannes Xiphilinos,136 der dadurch als bedeutender Gelehrter geehrt wurde. Ob mit der Gründung eine wirkliche Hochschul(neu)gründung erfolgte oder nur die kaiserliche Anerkennung eines ohnehin erfolgenden privaten Rechtsunterrichts ausgedrückt wurde,137 ist hier unerheblich. Daneben wurde im selben Jahr, in dem die Rechtsschule „gegründet“ wurde, die Rechtsausbildung neu organisiert und es wurde festgesetzt, dass niemand ohne die Erlaubnis des Nomophylax, dessen Position neu geschaffen wurde, zur Anwaltschaft oder zum Notariat zugelassen wurde.138 Der juristische Unterricht scheint sowohl in der Erörterung didaktisch besonders geeigneter Fälle, die in Fallsammlungen aufbereitet waren, als auch in der Behandlung der Gesetzestexte bestanden zu haben. Wichtige Hilfsmittel zum Auffinden der jeweiligen Gesetzesstellen waren hierbei systematisch geordnete Handbücher, die auch die wichtigsten juristischen Begriffe nach Art eines Lexikons definierten.139 Da der Nomophylax sowohl die griechische als auch die lateinische Sprache beherrschen musste und er laut der „Gründungsurkunde“ der Rechtsschule auf Bücher der kaiserlichen Bibliothek Zugriff erhielt, scheint 134

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Vgl. Nikos Oikonomides, The „Peira“ of Eustathios Romaios – an Abortive Attempt to Innovate in Byzantine Law, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores VII, S. 169(174). Vgl. die Wiedergabe des Stiftungsurkundeninhalts bei Peter Wirth, R.K.O.R. II2 (1025–1204), Nr. 863 (anno 1045); siehe auch Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 23. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, S. 341(451) und die bei Peter Wirth, R.K.O.R. II2, unter „Chron.“ angegebenen Autoren wollen den Erlass überwiegend ins Jahr 1043 datieren, zwei weitere dort angeführte Meinungen in das Jahr 1047. Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 25. Später war Johannes Xiphilinos von 1064 bis 1075 Patriarch. Zu Johannes Xiphilinos siehe Alexander Kazhdan, John VIII Xiphilinos, in: The Oxford Dictionary of Byzantium, Bd. 2, S. 1054. Gegen die Annahme einer Hochschulgründung spricht sich Günter Weiß, Oströmische Beamte im Spiegel der Schriften des Michael Psellos, S. 65–76 aus. Auch im 9. und 10. Jahrhundert scheint höhere Bildung Privatsache gewesen zu sein, vgl. Paul Speck, Die Kaiserliche Universität von Konstantinopel, S. 89 ff. Vgl. Peter Wirth, Regesten des Kaiserurkunden des oströmischen Reiches, Nr. 863 (1045); vgl. auch Louis Bréhier, Les Institutions de L’Empire byzantin, S. 230. Vgl. Günter Weiß, Oströmische Beamte im Spiegel der Schriften des Michael Psellos, S. 28 ff. (insbesondere 34 ff.).

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es so, als ob im Unterricht auch die lateinischen Fassungen der Gesetze behandelt worden wären und nicht nur die entsprechenden Teile der Basiliken.140 Es sieht somit danach aus, dass zu jener Zeit die Basiliken und die Scholien auch dazu gedient hätten, sich mit den ursprünglichen Rechtsquellen, dem Codex, den Digesten und den Novellen Justinians, wieder genauer beschäftigen zu können,141 obwohl vermutlich selbst zu jener Zeit des Wiederentdeckens und Studierens der alten Quellen und der letzten „wissenschaftlichen Behandlung“ des Rechts die Basiliken den Hauptgegenstand des Unterrichts bildeten.142 Trotz der unterschiedlichen Phasen in der Rechtsentwicklung hat die Jurisprudenz in Byzanz nie einen derartigen Niedergang wie im westlichen Teil des römischen Reiches erfahren; sie hatte daher das höchst entwickelte Recht des Mittelalters zum Gegenstand.143 In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts scheint das Rechtsstudium einen solchen Aufschwung genommen zu haben, dass ein Maß von juristischen Kenntnissen sogar zur Allgemeinbildung gehörte.144 Einer Quelle zufolge wollten zur Zeit der Herrschaft des hauptstädtischen Beamtenadels alle Soldaten Rechtsanwälte und Juristen werden.145 Der Richter Michael Attaleiates ist erzürnt darüber, dass sich breitere Volksschichten und sogar Soldaten in der Zeit des Kaisers Konstantin X. Dukas (reg. 1059–1067) mit den Feinheiten juristischer Auslegung befassen.146 Der vormalige Themenrichter Michael Psellos, der bei der „Universitätsgründung“ im Jahre 1043 mit dem Unterricht der Philosophie betraut wurde, war auch als Rechtslehrer tätig.147 Michael Psellos wurde von Kaiser Konstantin X. zum Lehrer für dessen Sohn, den späteren Kaiser Michael VII., bestellt und schrieb für diesen eine „Synopsis legum“. Einer 140 141

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Vgl. Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, S. 718. Vgl. Wanda Wolska-Conus, L’École de droit et l’enseignement du droit à Byzance au xie siècle: Xiphilin et Psellos, in: Traveaux et Mémoires 7 (1979), S. 1(30). Vgl. Wanda Wolska-Conus, L’École de droit et l’enseignement du droit à Byzance au xie siècle: Xiphilin et Psellos, S. 1(40, 102 f.); Bereits im 6. Jahrhundert stellten mangelnde lateinische Sprachkenntnisse große Hindernisse für griechischsprachige Studenten dar, vgl. H. J. Scheltema, L’Enseignement de droit des antécesseurs, S. 11 f. Vgl. Dieter Nörr, Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, S. 209. Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 26. Vgl. Johannes Scylitzes, Historia, in: Immanuel Becker (Hrsg.), Corpus scriptorum historiae byzantinae [Bd. 4] – Georgius Cedrenus II, S. 639(652.08–15) (mit lateinischer Übersetzung). Vgl. Michael Attaleiates, Historia, in: Immanuel Becker (Hrsg.), Corpus scriptorum historiae byzantinae [Bd. 36], S. 76.06–12 (mit lateinischer Übersetzung). Vgl. Günter Weiß, Oströmische Beamte im Spiegel der Schriften des Michael Psellos, S. 23.

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Analyse nach hat Michael Psellos 31 Schriften für sie verwendet.148 Eine andere Analyse der als von ihm stammend erkannten Lehrschriften kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass Michael Psellos sich in seinem Rechtsunterricht zwar hauptsächlich und wenig verständnisreich auf die Institutionen bzw. auf deren griechischsprachige Aufbereitung durch Theophilos stützte, aber trotz der Anführung altrömischer Institutionen so gut wie keine juristischen Quellen darin verarbeitete.149 Auch wenn danach die von Michael Psellos benutzten Schriften alles andere als zahlreich waren, so zeigen die vielen Schriften, die Michael Psellos hätte benutzen können, dass im 11. Jahrhundert in Byzanz (noch) eine beeindruckende Menge an juristischer Literatur für ein vertieftes Studium zugänglich war. Nach den Worten von Anna Komnene waren die Herrscher Michael VII. Dukas und dessen Brüder (reg. 1071–1078) aus der Schicht des Beamtenadels „außerordentlich an Wissenschaft und Bildung interessiert“.150 Für Michael VII. Dukas verfasste auch Michael Attaleiates ein juristisches Handbuch (  ), in das er die wichtigsten Vorschriften aus den Basiliken aufnahm.151 In diesem Werk aus dem Jahre 1073/74 nimmt, wie auch schon in der Ekloge, das Strafrecht den größten Raum ein.152 An der Rechtsschule unterrichtete zu jener Zeit bis ca. 1082 ein Lehrer namens Johannes Italos, der, obwohl aus Sizilien stammend, einige Zeit im Gebiet der Langobarden gelebt hatte.153 Auch wenn Johannes Italos von Anna Komnene abwertend beurteilt wird, wird er von dem Kanonisten Demetrios Chomatianos als großer Rechtslehrer dargestellt.154 Möglicherweise hat er in seinem Rechtsunterricht seinen Schülern auch langobardisches Recht nahegebracht (siehe dazu unten S. 359 f.). Im 11. Jahrhundert entstanden in Byzanz auch eigenständige juristische Abhandlungen über einzelne Fragen, von denen einige wie die Meditatio de nudis pactis, der Tractatus de peculiis und der Tractatus des creditiis erhalten sind.155 148

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Vgl. Günter Weiß, Die juristische Bibliothek des Michael Psellos, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 26 (1977), S. 79(82, 86). Vgl. Marie Theres Fögen, Zum Rechtsunterricht des Michael Psellos, in: Jahrbuch der österreichischen Byzantinistik 32/2 (1982), S. 291(300). Anna Komnene, Alexias, Buch V, Kap. 8 und 9 (S. 187). Vgl. Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, S. 712. Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, S. 341(465) Vgl. Anna Komnene, Alexias, Buch V, Kap. 8 § 4, (S. 185–193). Zu Johannes Italos Alexander Kazhdan, John Italos, in: The Oxford Dictionary of Byzantium, Bd. II, S. 1059 f. Hinweis bei Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 34 Fn. 7 m.w.N. Zu Demetrios Chomatenos siehe: R. J. Macrides, Chomatenos, Demetrios, in: The Oxford Dictionary of Byzantium, Bd. 1, S. 426. Vgl. nur Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, S. 710–714.

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3.2.5.3.5 Wahrscheinlichkeit einer juristischen Ausbildung Haflijis Nach den in den byzantinischen Quellen zu findenden Hinweisen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass ein warägrischer Söldner unter diesen Umständen ebenfalls einen Ausbildungsgang durchlief, der vor allem juristische Inhalte zum Gegenstand hatte. Denn auch innerhalb der Armee gab es Bedarf an juristischen Kenntnissen, da die Armee eigene Richter hatte. Die Themenkommandeure waren zunächst oberste Richter in Strafsachen und übernahmen im Laufe der Zeit weitere richterliche Aufgaben in den ihnen zugewiesenen Themata.156 In Disziplinarangelegenheiten gab es neben den gewöhnlichen Armeerichtern157 vermutlich auch solche speziell für die Warägergarde und zwar aus deren eigenen Reihen.158 Ein weiterer Umstand könnte dafür sprechen, dass Hafliji in Byzanz Recht studiert hat. Haflijis Vater Már Húnrøjarson war genau zu jener Zeit in Byzanz (bis 1034 oder 1035) als Söldner tätig (siehe oben S. 136 ff.), als der vormalige Richter im Hippodrom Romanos III. Argyros Kaiser war (1028–1034). Dieser beförderte seinen ehemaligen Richterkollegen Eustathios Romaios zum Drungarios der Vigla. Der Drungarios der Vigla war ursprünglich der Kommandeur der Elitetruppen, die den Kaiser beschützten und das Hippodrom bewachten. Noch unter Romanos III. wurde er Vorsitzender des kaiserlichen Gerichts.159 Damit war der Drungarios, der die Vigla kommandierte, höchstwahrscheinlich der Vorgesetzte von Már Húnrøjarson, da anzunehmen ist, dass dieser als in Byzanz stationierter ágætr sveitarhöfjingi (vortrefflicher Führer einer Heereseinheit) in dieser Einheit gedient hat. Somit kann schon Már seinem Sohn Hafliji geraten haben, sich zu überlegen, ob nicht eine juristische Ausbildung in Byzanz vor Beginn einer militärischen Laufbahn dort ratsam sei, nachdem er mit eigenen Augen gesehen hatte, dass einem mit einer juristischen Ausbildung die höchsten Ämter im byzantinischen Staate offen standen. Haflijis großer Einfluss bei der isländischen Gesetzgebung lässt es somit durchaus wahrscheinlich sein, dass er eine juristische Ausbildung erhalten hat, sollte er tatsächlich in Byzanz gewesen sein. Dies lässt sich sogar mit einer späteren Tätigkeit als Anführer der Warägergarde vereinbaren.

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Vgl. Louis Bréhier, Les Institutions de L’Empire byzantin, S. 228 f. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 24. Vgl. Sigfús Blöndal, The Varangians of Byzantium, S. 182. Vgl. Nikos Oikonomides, The „Peira“ of Eustathios Romaios – an Abortive Attempt to Innovate in Byzantine Law, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores VII, S. 169(174).

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3.2.5.3.6. Isländische Berichte aus dem 12. Jahrhundert über die justinianische Gesetzgebung Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum noch, dass in Island das Gesetzgebungswerk Justinians schon im 12. Jahrhundert bekannt war. In der Veraldar saga (Geschichte der Welt), die die Entstehung der Welt darstellt, wird davon wie folgt berichtet: Jvstinianvs let gera lavgboc micla. i peirri boc samdi hann saman in fornv lavg ok inu nyio cristin lavg sva at allir menn mætti ein lavg hallda i hans riki. Sv bok heitir Codex Ivstiniani ok standa en pav lavg vida i Svdrriki sem bydr i peirri bok. let hann fy[l]gia oll ny log pav hann setti og heitir sv boc Novella.160

Justinian ließ ein großes Gesetzbuch anfertigen. In diesem Buch fügte er die alten Gesetze und die neuen christlichen Gesetze zusammen, so dass alle Leute in seinem Reich einheitliche Gesetze einzuhalten hatten. Jenes Buch heißt Codex Justiniani und diese Gesetze, die in diesem Buch verordnet werden, gelten noch weithin im südlichen Reich. Er fügte auch alle diejenigen neuen Gesetze an, die er erließ, und dieses Buch heißt Novellen.

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Einige Seiten weiter in der Veraldar saga wird Friedrich II. als regierender Kaiser bezeichnet, so dass der Text vor 1190, Friedrichs Todesjahr, bzw. bevor dessen Tod in Island bekannt wurde, entstanden sein muss. Als terminus post quem ist damit auch das Jahr 1152, der Beginn seiner Regierungszeit, wahrscheinlich,161 obwohl aufgrund der besonders altertümlichen Sprache vermutet wurde, dass große Teile des Textes auf noch frühere Zeiten zurückgehen. Auch der Oddverjaannáll berichtet vom justinianischen Gesetzgebungswerk: Ano 527 Justinianus keisari hinn mykli Rikti 38 aar: hann liet giora logmalz bok pa er heitir Codex Justinianj: og adra nouvellem […]162

Jahr 527: Kaiser Justinian der Große herrschte 38 Jahre. Er ließ dasjenige Gesetzbuch fertigen, das Codex Justiniani heißt, und andere Novellen.

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Veraldar saga, S. 65. Vgl. Jakob Benediktsson, Inledning, in: Veraldar saga, S. V(LIII). Vgl. Oddverjaannáll, in: Eiríkur Pormójsson/Gujrún Ása Grímsdóttir (Hrsg.), Oddaannálar og Oddverjaannáll, S. 47(84).

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Diese beiden Quellen legen Zeugnis ab, dass man in Island das Gesetzgebungswerk Justinians vermutlich nicht nur dem Namen nach, sondern möglicherweise sogar sehr viel genauer kannte. Denn insbesondere die Veraldar saga ist eine ansonsten sehr knapp gehaltene Quelle, die bezüglich der Errungenschaften Justinians ausnahmsweise aber ungewöhnlich ausführlich berichtet, da neben seiner Gesetzgebungstätigkeit auch noch der von ihm initiierte Bau der Hagia Sophia erwähnt wird. An diesen isländischen Zeugnissen aus dem 12. Jahrhundert über das römische Recht sind mehrere Punkte ausgesprochen bemerkenswert. Der Codex Iustiniani enthält tatsächlich Kaiserkonstitutionen seit Hadrian (reg. 117–138), also noch aus vorchristlicher Zeit, bis zum Jahre 534, so dass der Bericht auch in diesem Punkt zutreffend ist. Zum anderen wird zumindest der Codex Iustiniani noch explizit als weithin geltendes Recht bezeichnet. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Information nicht um die bloße Übernahme aus einem möglicherweise veralteten schriftlichen Geschichtswerk handelt, sondern um eine relativ aktuelle Information aus eigener Anschauung oder vom Hörensagen. Gerade die Erwähnung der in einem Buch gesammelten justinianischen Novellen ist ungewöhnlich, da sie den Glossatoren in Italien vermutlich nicht vollständig bekannt waren.163 Dieser Umstand und die Bezeichnung des Codex als noch weithin geltendes Recht legen nahe, dass die Kunde von Justinians Gesetzgebung direkt aus Byzanz oder sonst aus dem Geltungsbereich des justinianischen Rechts nach Island gelangt ist. Die Tatsache, dass neben dem Codex die beiden anderen Teile des justinianischen Gesetzbuches, die Institutionen und die Digesten, nicht genannt werden, kann mehrere Ursachen haben. Möglicherweise wurden sie nicht so stark als auf Justinian zurück gehendes Recht angesehen und deshalb nicht als sein Werk genannt. Außerdem wurden die Digesten zu jener Zeit zunehmend in der griechischen Bearbeitung verwandt, wie sie seit der Wende zum 10. Jahrhundert mit den Basiliken in der Sammlung der noch für relevant gehaltenen justinianischen Gesetze in 60 Büchern vorlag. Die Nichterwähnung der justinianischen Institutionen spiegelt den Umstand wieder, dass diese bei der Zusammenstellung der Basiliken wenig Beachtung erfahren haben.164 Außerdem war die Institutionenparaphrase des 163

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Vgl. Carl Wilhelm Ernst Heimbach, Griechisch-römisches Recht im Mittelalter, in: Gruber/ Ersch (Hrsg.), Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste I 86, S. 191; Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(479). Vgl. Andreas Schminck, Basilika, in: The Oxford Dictionary of Byzantium, Bd. 1, S. 265.

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Theopilos einigermaßen verbreitet, so dass sie in Byzanz den ursprünglichen justinianischen Text wohl alsbald ganz verdrängt hat.165 Möglicherweise wurden die Institutionen nicht so sehr als glanzvolle und erwähnenswerte Leistung Justinians angesehen, da das Werk zum Teil auf früheren Einführungslehrbüchern wie den Institutionen des Gaius fußt und als Einführung in das Recht eventuell auch weniger als bedeutsame juristische Leistung wahrgenommen wurde. 3.2.5.4. Denkbarer Einfluss Haflijis bei der Gründung des zweiten Bischofsstuhls 1106 und bei der Gründung des ersten Klosters in Island Hafliji Másson scheint auch bei der Errichtung des zweiten Bischofsstuhls in Island im Jahre 1106 eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Es fällt auf, dass zwei der mächtigsten Männer im nördlichen Landesviertel mit dem damaligen Bischof in Skálholt, Gizurr Ísleifsson aus dem Geschlecht der Haukdælir, verwandt waren. Wie oben dargestellt, war Hafliji über seine zweite Frau Rannveig, der Tochter von Teitr Ísleifsson, mit den ersten beiden Skálholtsbischöfen verwandt. Teitr war der Sohn des Bischofs Ísleifr Gizurarson (1056–1080) und der Bruder von Bischof Gizurr Ísleifsson (1082–1118).166 Ketill Porsteinsson, der, wie dargelegt, 1121 auf Haflijis Vorschlag zum Bischof gewählt wurde, war mit Gróa, der Tochter von Bischof Gizurr verheiratet.167 Aufgrund der engen verwandtschaftlichen Beziehungen Haflijis und Ketils zu den Bischöfen in Skálholt dürfte es leichter gewesen sein, die Unterstützung der Mächtigen des südlichen Landesteils für die Errichtung eines weiteren Bischofssitzes zu erlangen. Gegen den Widerstand des Bischofs in Skálholt wäre in Island die Errichtung eines zweiten Bischofsstuhls vermutlich kaum möglich gewesen. Es ist auch deswegen anzunehmen, dass Hafliji sich für die Errichtung des zweiten Bischofsstuhls eingesetzt hat, weil er den Priester Illugi Bjarnason bei sich aufnahm, auf dessen Hof der nördliche Bischofsstuhl schließlich errichtet wurde. Nachdem sich keiner der mächtigeren Landeigentümer bereit gefunden hatte, Land für den neuen Bischofsstuhl zu stiften, hatte sich letztlich Illugi angeboten, seinen

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Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, S. 341(419 ff.). Vgl. ob Fn. 76. Vgl. Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 182.

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kleinen, in einem Seitental gelegenen Hof der Kirche zu übertragen.168 Möglicherweise hat Hafliji Illugi den Hof – eventuell gemeinsam mit weiteren Häuptlingen aus dem nördlichen Landesviertel – gegen ein großzügiges Entgelt abgekauft.169 Auf ungewöhnlich großzügige finanzielle Unterstützung bei der Errichtung des zweiten isländischen Bischofsstuhls in Hólar deuten auch zwei Bemerkungen in der Jóns saga ins helga, der Heiligensaga des ersten Bischofs von Hólar Jón Qgmundarson, hin. So berichtet die Saga vom hohen Werklohn des Kirchbaumeisters für den Bau der Kirche genauso wie vom hohen Gehalt des Schulmeisters der angegliederten Schule: Inn helgi Jón sparji eigi til pessar kirkjugerjar, paj er pá væri meiri Gujs dyrj en ájur og petta hús væri sem fagurlegast gjört og búij. Hann valdi pann mann til kirkjugerjarinnar er pá pótti einhver hagastur vera. Sá hét Póroddr Gamlason, og var 168

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Der heilige Jón sparte nicht bei dem Bau dieser Kirche, so dass dann die Pracht Gottes größer als vorher sei und dass dieses Haus besonders schön gemacht und ausgestattet sei. Er wählte denjenigen Mann zum

Vgl. Jóns saga ins helga, in: ÍF XV, S. 173(195 f.): Nú váru opt síjan stefnur at áttar um petta mál, ok rézk pat af at stóll Norjlendingabiskups mundi vera settr norjr í Hjaltadal á bœ peim er at Hólum heitir. Par bjó virjuligr prestr, sá er Hílaríus hét ok Illugi öjru nafni ok var Bjarnarson. Hann einn varj til pess búinn af virjulegum mönnum í Norjlendingafjórjungi at rísa upp af sinni föjurleifj fyrir Gujs sakir ok naujsynja heilagrar kirkju, pví at ájr höfju verit langar pœfur höfjingja í milli hverr upp skyldi rísa af sinni föjurleifj ok stajfestu, ok varj engi til búinn nema sjá einn. („Darauf wurden nun oft Treffen in dieser Sache abgehalten und es wurde beschlossen, dass der Stuhl des Bischofs der Nordländer im Norden im Hjaltadalur auf dem Hof errichtet werden sollte, der ‚zu Hólar‘ heißt. Dort wohnte der ehrenwerte Priester, der Hilarius hieß und mit anderem Namen Illugi und Sohn des Bjarni war. Er war als einziger von den ehrenwerten Leuten im Nordlandleuteviertel dazu bereit, für Gott und die Bedürfnisse der Heiligen Kirche von seiner Vatererde zu lassen, denn zuvor gab es große Verwicklungen zwischen den Häuptlingen, wer von seiner Vatererde und Wohnstätte lassen sollte und war dazu niemand bereit, bis auf diesen einen.“) Lárentíus saga biskups, in: ÍF XVII, S. 213(218 f.hier Version A [AM 406a I 4to]; Version B ist im wesentlichen gleichlautend): […] sem segir í sögu Jóns Hólabyskups at einn varj til at gefa upp sína eignarjörj, landij at Hólum í Hjaltadal, at hinn heilagi Jón byskup skyldi par byskupsstól setja sem síjan hefir haldiz. Fór sá sami Ilarius síjan í Vesturhóp til Breijabólstajar, ok hvílir hans líkami par en öndin mej Guji í eilífum fagnaji. („[…] wie in der Saga des Bischofs von Hólar, Jón, berichtet wird, dass er der einzige war, der sein zu Eigentum gehaltenes Land aufgab, dem Land zu Hólar im Hjaltadalur, damit Bischof Jón der Heilige dort einen Bischofsstuhl errichten konnte, welcher seitdem dort beibehalten wurde. Ging eben dieser Ilarius darauf nach Vesturhóp zum Breijabólstajur und ruht sein Körper dort, aber seine Seele bei Gott in ewiger Freude.“) Vgl. auch Jón Jóhannesson, Íslendinga saga I, S. 184; Magnús Stefánsson, Kirkjuvald eflist, in: Saga Íslands II, S. 55(64); siehe auch oben Teil 1 Text bei Fn. 134. Vgl. Jón P. Pór, Saga biskupsstóls á Hólum í Hjaltadal, in: Gunnar Kristjánsson, Saga biskupsstólanna, S. 245(257).

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bæji aj inn helgi Jón sparji eigi aj reija honum kaupij mikij og gott, enda leysti hann og sína sy´ slu vel og gójmannlega.170

Bau der Kirche, der damals mit am Befähigsten erschien. Dieser Mann hieß Póroddr Gamlason, und der heilige Jón sparte nicht, ihm einen großen als auch guten Lohn zu zahlen, und auch er [Póroddur] erledigte seine Aufgabe gut und in gutmütiger Weise.

Pá er Jón hafji skamma stund byskup verit, pá lét hann setja skóla heima par at stajnum vestr frá kirkjudurum ok lét smíja vel ok vandliga, ok enn sér merki húsanna. En til pess aj sty´ ra skólanum ok kenna peim mönnum er par settisk í pá valji hann einn inn bezta klerk og inn snjallasta af Gautlandi. Hann hét Gísli ok var Finnasson. Hann reiddi honum mikij kaup til hvárstveggja, at kenna prestlingum ok at veita slíkt upphald heilagri kristni mej sjálfum byskupi sem hann mátti sér vij koma í kenningum sínum ok formælum.171

Als Jón kurze Zeit Bischof gewesen war, ließ er eine Schule dort am Ort errichten, westlich des Kircheneinganges und ließ sie gut und sorgfältig zimmern, und man sieht heute noch die Reste der Häuser. Um die Schule zu leiten und die Leute zu unterrichten, die dorthin kamen, wählte er einen der besten und klügsten Geistlichen von Gotland. Er hieß Gísli und war der Sohn von Finn [Finne?]. Er zahlte ihm viel Lohn für beides: Die Priesterschüler zu unterrichten und – so wie er sich dabei einbringen konnte – gemeinsam mit dem Bischof selbst mit seinen Auslegungen [geistlicher Texte] und Predigten den heiligen christlichen Glauben hochzuhalten.

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Als weiterer Lehrer wurde ein Mann namens Ríkini für den Unterricht in Gesang bzw. Komposition verpflichtet.172 170 171 172

Jóns saga ins helga, in: ÍF XV.2, Kap. 8, S. 173(203). Jóns saga ins helga, in: ÍF XV.2, Kap. 8, S. 173(203 f.). Vgl. Jóns saga ins helga, in: ÍF XV.2, Kap. 8, S. 173(217): Heilagr Jón byskup tók marga menn til læringar ok fekk til gója meistara at kenna peim, Gísla Finnason, er fyrr gátum vér, at kenna grammaticam, en einn franzeis, Ríkina prest, kapulán sinn og ástvin, at kenna söng eja versagerj, pví aj hann var ok inn mesti lærdómsmajr. („Bischof Jón der Heilige nahm viele Leute in die Lehre und beschaffte gute Meister, um sie zu unterrichten, Gísli Finnason, den wir zuvor erwähnt haben, um Grammatica zu unterrichten und einen Franzosen [Hinweis auf Elsaß-Lothringen, Belgien oder das Rheinland?; vgl. ebenda, Fn. 1], Priester Ríkini, seinen Kaplan und guten Freund, um Gesang oder Kompo-

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Oben (S. 47) wurde erwähnt, dass das erste isländische Kloster Pingeyrar vermutlich schon im Jahre 1112 errichtet wurde. Dieses Kloster liegt nur 20 km von Haflijis Hof Breijabólstajur entfernt und befand sich von Anfang an aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Gemeindeverband (hreppr), der direkt an den Gemeinedeverband angrenzt, in dem Haflijis Hof lag. Auf wessen Veranlassung dieses Kloster gegründet wurde, bleibt im Dunkeln. Denkbar wäre, dass Hafliji auch die Klostergründung unterstützt hat173 und damit dem Vorbild der byzantinischen Kaiser gefolgt ist, die den Klöstern umfangreiche Vorrechte verliehen. Nachdem Ari in der Íslendingabók berichtet, dass die neu niedergeschriebenen Gesetze im Sommer 1118 auf dem Allthing von Geistlichen vorgetragen wurden, kann es gut sein, dass diese Geistlichen aus jenem Kloster stammten, in dem auch die isländische Geschichtsschreibung allem Anschein nach ihren Anfang genommen hat.174 3.2.5.5. Aspekte zu Hafliji Másson und seiner Stellung in der isländischen Gesellschaft im frühen 12. Jahrhundert Über Haflijis Stellung in der isländischen Gesellschaft zu Beginn des 12. Jahrhunderts lässt sich zusammenfassend sagen, dass er einer der mächstigsten Goden seiner Zeit war, der dank seiner beiden Heiraten eng mit den mächtigsten Amtsträgern Islands verbunden war. Neben seinem großen Einfluss bei der Niederschrift der weltlichen Gesetze 1117/1118 wurde Hafliji, der wohl selbst zum Priester geweiht war, im Jahre 1121 auch als möglicher neuer Bischof im nördlichen Landesviertel angesehen, dessen Wahl vermutlich aufgrund von Prozesstätigkeiten für einen streitsüchtigen Familienangehörigen und der daraus resultierenden Konfrontation mit Porgils Oddason nicht zustande kam. Immerhin setzte er noch einen eigenen Kandidaten bei der anstehenden Bischofswahl durch. Bemerkenswert ist Haflijis Stellung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ländereien trotz des Hofes der Familie, Breijabólstajur, nicht so bedeutend wie diejenigen der anderen einflussreichen Geschlechter waren, welche häufig über eine Vielzahl an Höfen verfügten, aus denen

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sition zu unterrichten, denn auch er war ein herausragender Gelehrter.“ Vgl. auch ebenda, Fn. 2 mit einer ausführlicheren Variante aus einer anderen Handschrift und Erläuterung der verschiedenen Deutungsmöglichkeiten von versagerj.) Vgl. Páll Kolka, Um Æverlinga, in: Skírnir 141 (1967), S. 90(105f ). Vgl. Edith Marold, Geschichtsschreibung § 7 G. im Norden, in: RGA 11, S. 489(490, 493).

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

sich ein Großteil ihrer Machtposition ableitete. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, das Haflijis Nachkommen im weiteren Verlauf des 12. Jahrhunderts in der isländischen Gesellschaft keine bedeutende Rolle mehr spielten.175 Dies wird daran deutlich, dass seine Nachkommen meist nur in Bezug auf ihn erwähnt werden, aber kaum noch selbst als Handelnde in Erscheinung treten. Möglicherweise lässt sich mit der Person Haflijis auch die Festung Borgarvirki in Verbindung bringen. Diese Festungsanlage ist wohl die einzige ihrer Art in Island. Sie liegt auf einer felsigen Anhöhe, in deren Mitte Basaltsäulen 10 bis 15 Meter hoch herausragen.176 Diese Basaltsäulen umgeben an drei Seiten eine Senke von etwa 40 Metern Durchmesser. An der vierten, östlichen, Seite befinden sich keine Basaltsäulen, sondern dort ist von Menschenhand eine Steinmauer aufgeschichtet, die das Plateau in der Mitte abschirmt. In der Mitte der Anlage befinden sich die Reste zweier Steinhäuser sowie eines Brunnens. Die Entstehungszeit dieser Festung ist bisher nicht genau ermittelt worden. Die Isländersagas, die in der Region spielen, erwähnen sie nicht. Die Gegenwartssagas berichten von zwei Belagerungen des Borgarvirki im 13. Jahrhundert. Damit ist das Borgarvirki anscheinend nach der Sagazeit, die Mitte des 11. Jahrhunderts zu Ende ging, aber vor dem 13. Jahrhundert entstanden und könnte daher gut zu Lebzeiten Haflijis errichtet bzw. ausgebaut worden sein. Da das Borgarvirki nur wenige Kilometer von Haflijis Hof entfernt liegt, kann es sein, dass Hafliji oder einer seiner Vorfahren diese natürliche Erhebung zur Festung ausbauen ließ, um von dort aus den Hof Breijabólstajur schützen und die umliegende Gegend kontrollieren zu können. Die Tatsache, dass Hafliji bei der Bischofswahl 1121 als aussichtsreicher Kandidat gegolten hat, weist eine Parallele zu den Lebenwegen zweier Dekane der juristischen Fakultät in Byzanz auf. Der Rechtslehrer Konstantin Leichoudes, der zunächst auch noch Minister war, wurde 1059 auf den Patriarchenstuhl berufen.177 Ihm folgte 1064 Joannes Xiphilinos im Amte nach, das dieser bis 1075 bekleidete.178 Somit kann Hafliji ihrem Vorbild 175

176 177 178

Vgl. aber die Erwähnung in der Íslendinga saga, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/ Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), S. 229(262), dass um den Hof Breijabólstajur am See Vesturhóp herum noch im Jahre 1216 in jedem Hause Húnrøjlingar, also Nachkommen des Húnrøjur, gewohnt hätten. Die Erzählung sagt jedoch ausdrücklich „damals“, so dass schon zur Entstehungszeit der Saga in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der Zustand ein ganz anderer gewesen sein muss. Siehe auch die Abb. 3–5 am Ende dieses Buches. Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 26. Vgl. Hans-Georg Beck, Vademecum des byzantinischen Aristokraten, S. 162 Anm. 102.

Hafliji Másson und seine Vorfahren

173

nachgestrebt sein, als er das Bischofsamt im nördlichen Landesviertel in Island im Jahre 1121 für sich in Erwägung zog. Es bleibt Spekulation, ob sich der Einfluss, den die griechisch-orthodoxe Kirche in Island anscheinend hatte und der sich in der byzantinischen Darstellung des Jüngsten Gerichts und in den späteren Gesetzesvorschriften über die „ermskir“ und „girskir“ Bischöfe und andere nicht auf Latein ausgebildete Geistliche, manifestiert, einzig über die Verbindungen von Már Húnrøjarson oder Hafliji Másson erklären lässt. Ein immerhin denkbarer Anlass dafür, dass diese Vorschriften in das zwischen 1122 und 1133 erlassene Christenrecht aufgenommen wurden, könnte darin bestanden haben, dass der Bischofskandidat des Jahres 1121 Hafliji ebenfalls ein nicht in der lateinischen Sprache ausgebildeter Priester war.179 Damit hätte auch in dem Zeitpunkt, in dem das Christenrecht 1122 oder in den Jahren darauf erlassen wurde, ein aktueller Anlass bestanden, in das Christenrecht diesbezügliche Regelungen aufzunehmen. Es erscheint dagegen schwer vorstellbar, dass diese ungewöhnlichen Vorschriften nurmehr eine Reaktion auf Missionsbesuche griechisch-orthodoxer Geistlicher sein sollen, die sich vermutlich zuletzt fast ein halbes Jahrhundert zuvor ereignet haben. Diese These wird gestützt durch den Vergleich mit den Christenrechten der anderen nordischen Länder, in denen sich keine Parallelvorschriften finden, obwohl anzunehmen ist, dass Geistliche der griechisch-orthodoxen Kirche auch im übrigen Skandinavien Missionsreisen unternommen haben. Das Fehlen von vergleichbaren Regelungen in den anderen nordischen Ländern kann jedoch auch daraus resultieren, dass die dortigen erhaltenen Gesetze meist jünger sind als das isländische Christenrecht und zu ihrer Entstehungszeit möglicherweise keine griechisch-orthodoxen Geistlichen mehr in Skandinavien tätig waren. Andererseits sind bis in das 13. Jahrhundert hinein und damit bis zur Entstehungszeit anderer skandinavischer Gesetze Skandinavier in Byzanz gewesen, so dass auch in diesem Zeitraum noch ein Austausch auch auf der Ebene der Geistlichkeit stattgefunden haben kann. Nur am Rande soll noch erwähnt werden, dass nicht nur die erste umfangreichere Schriftlichkeit isländischer Texte ihren Anfang auf dem Hof Hafliji Mássons nahm, sondern – vermutlich nach einem ersten und kurzlebigen Beginn am Bischofsstuhl von Hólar – auch der Buchdruck auf Island.

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So nimmt Sigfús Blöndal, The Last Exploits of Harald Sigurdsson in Greek Service, in: Classica et Mediaevalia II (1939), S. 1(13) an, dass die meisten Waräger um 1040 herum griechisch-orthodoxen Glaubens waren. Dies könnte auch später zu Haflijis Zeit noch der Fall gewesen sein.

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Hafliji Másson und die Niederschrift der Gesetze 1117/1118

Jón Arason, dem 1550 mit seinen beiden Söhnen hingerichteten letzten katholischen Bischof Islands, wird nachgesagt, dass auf seine Veranlassung um 1530 die erste Druckpresse nach Island geschafft wurde. Vermutlich wurde die Druckpresse die allerersten Jahre in Hólar betrieben, bevor Jón Arason ihren Eigentümer, den schwedischen Geistlichen Jón Mattheusson, im Jahre 1535 zum Priester auf dem Hof Breijabólstajur am Vesturhópsvatn bestellte, welcher sich dort bis zu seinem Tode im Jahre 1567 dem Buchdruck widmete. Dessen Sohn Jón erbte die Druckpresse und nahm sie 1571 mit an den Bischofssitz Hólar, als er den damaligen Priester von Breijabólstajur, Gujbrandr Porláksson, anlässlich dessen Ernennung zum Bischof nach Hólar begleitete.180 Gujbrandr ließ während seiner Amtszeit (1571 bis 1627) um die neunzig Buchtitel drucken, unter anderem die erste vollständige Bibelübersetzung in isländischer Sprache.

3.3. Zusammenfassung Bei der näheren Betrachtung von Hafliji Másson und seiner Familie wurde festgestellt, dass im 11. Jahrhundert Beziehungen nach Byzanz bestanden. Es erscheint gut möglich, dass es sich bei dem von Anna Komnene in der Alexias erwähnten N« um Hafliji Másson handelt. Dann hätte Hafliji zumindest von 1081 bis 1086 für mehrere Jahre an der Spitze der Warägergarde gestanden und dadurch direkten Zugang zum byzantinischen Kaiser Alexios I. gehabt. In diesem Falle wäre auch denkbar, dass Hafliji, wie andere byzantinische Offiziere seiner Zeit auch, ein Studium des römischen Rechts, wie es im ausgehenden 11. Jahrhundert in Byzanz gelehrt wurde, absolviert hätte. In jedem Falle scheint Hafliji eine theologische Ausbildung gehabt zu haben, da es ansonsten schwer vorstellbar wäre, dass er als Bischof für das nördliche Bistum in Island, Hólar, vorgeschlagen worden wäre, während Dutzende anderer Häuptlinge seiner Zeit sicher die Priesterweihe abgelegt hatten und somit formal besser für das Amt qualifiziert gewesen wären. Weiterhin ist bemerkenswert, dass Hafliji die Gründung des zweiten isländischen Bischofsstuhls in Hólar unterstützt hat und dass das erste isländische Kloster, in dem die isländische Geschichtsschreibung anscheinend ihren Anfang nahm, innerhalb des Zeitraums, während

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Für das Vorstehende, vgl. Pór Magnússon/Gujmundur L. Hafsteinsson/Gunnar Bollason, Breijabólstajarkirkja, in: Kirkjur Íslands, Bd. 7, S. 135(137 f.); Ragnheijur Traustadóttir/Gujny´ Zoëga, Saga Hóla letruj í moldina, in: Gunnar Kristjánsson (Hrsg.), Saga biskupsstólanna, S. 699(714).

Zusammenfassung

175

dessen Hafliji wieder in Island gewesen sein dürfte, in unmittelbarer Nähe zu seinem Hof errichtet wurde. In den folgenden beiden Teilen sollen mögliche Einflüsse des römischen Rechts auf die isländischen Gesetze der Freistaatszeit untersucht und ebenso sollen einige Parallelen zu in der Bibel enthaltenen Rechtsvorschriften näher beleuchtet werden.

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Vorbemerkung

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4. Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts auf die grundsätzliche Gestalt der Grágás 4.1. Vorbemerkung 4.1.1. Zum hier zu Grunde gelegten Einflussbegriff In der rechtsgeschichtlichen Forschung ist viel darüber diskutiert worden, wann man von einem Einfluss einer Rechtsnorm auf eine andere sprechen kann.1 Meist wird dies unter dem Stichwort Rezeption diskutiert. Die typischerweise sich dahinter verbergenden Fragestellungen sind vielgestaltig und sollen hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden.2 Auf den ersten Blick stellen sich einige Fragen hier nicht, die bei der Frage nach der Rezeption römischen Rechts üblicherweise zu stellen sind. Eine dieser Fragen zielt darauf ab, welches römische Recht rezipiert wurde, das des Corpus Iuris Civilis oder das Recht in der Form, wie es in den Abhandlungen und im Unterricht der Doctores in den italienischen und französischen Universitäten gelehrt wurde. Denn anders als in einem Übersichtsartikel behauptet, „daß es eine unvermittelte Rezeption justinianischer ‚Normen‘ nie gegeben hat“,3 besteht hier die Möglichkeit, dass noch von Justinian erlassenes geltendes Recht Einfluss auf die Gestalt der isländischen Gesetze der Freistaatszeit ausgeübt hat. Aber auch das in Byzanz im 11. Jahrhundert immer noch geltende römische Recht erfuhr im Laufe der Zeit Änderungen. So wurden die juristischen Texte schon früh in die griechische Sprache übertragen und in verschiedenen Handbüchern zusammengefasst. Vor allem aber waren die byzantinische Gesellschaft und mit ihr auch die Staats- und Gerichtsverfassung im 11. Jahrhundert nicht mehr identisch mit derjenigen des 6. Jahrhun1

2 3

Siehe hierzu nur die Übersichten von Hans Kiefner, Rezeption (privatrechtlich), in: HRG 4, Sp. 970–984 und Dieter Giesen, Rezeption fremder Rechte, in: HRG 4, Sp. 995–1004. Siehe nur Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 63 ff. Hans Kiefner, Rezeption (privatrechtlich), in: HRG 4, Sp. 970(973).

178 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts derts.4 Hinzu kommt, dass eine wortgleiche Rechtsnorm zu verschiedenen Zeiten durch eine veränderte Auslegung eine andere als die ursprüngliche Bedeutung aufweisen kann.5 Für den Bereich der deutschen Privatrechtsgeschichte ist vorgeschlagen worden, unter Rezeption nicht die Aufnahme eines stofflichen Fremdkörpers, sondern einen Entwicklungsprozess zu verstehen: nämlich den einer Verwissenschaftlichung des deutschen Rechtswesens und seiner fachlichen Träger.6 Daran anknüpfend werden für die sogenannte Rezeption römischen Rechts in Deutschland folgende Entwicklungslinien genannt, welche sich über einen Zeitraum von 300 Jahren hinzogen: Bearbeitung deutscher Rechtsquellen durch deutsche Juristen, die in Italien ausgebildet wurden; zunehmendes planmäßiges Studium des justinianischen römischen Rechts, zunächst an italienischen und französischen, dann auch an deutschen Rechtsfakultäten; Einzug der gelehrten, fürstlichen und städtischen Juristen in Ämter und Gerichte sowie schließlich die Revision oder Neuaufzeichnung zahlreicher Stadt- und Territorialrechte und die Verschmelzung der deutschrechtlichen Traditionen mit der europäischen Rechtswissenschaft zu einer deutschen Gemeinrechtswissenschaft.7 Damit wird auch deutlich, dass in diesem Zusammenhang unter Rezeption nicht lediglich verstanden wird, dass ein fremdes Recht in einem anderen Land Geltung erlangt. Vielmehr bedeutet Rezeption von Recht zum einen, dass das Recht eines Landes vor dem Hintergrund anderer Regelungstechnik und Rechtskategorien und auch anderer Regelungsinhalte neu gefasst wird. Zum anderen kann Rezeption auch darin bestehen, dass das bestehende Recht eines Landes durch die mit der Rechtsanwendung betrauten Personen auf andere Art interpretiert und angewendet wird. Somit ist Rezeption von Recht die auf viele Arten denkbare Beeinflussung eines anderen Rechts. 4

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Vgl. beispielsweise Nikos Oikonomedes, The „Peira“ of Eustathios Romanos: an Abortive Attempt to Innovate in Byzantine Law, in: Fontes Minores VII, S. 168(190f.). Vgl. speziell für das Recht in Byzanz H. J. Scheltema, Byzantine Law, in: J. M. Hussey (Hrsg.), The Cambrigde Medieval History IV.2, S. 55. Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 66. Vgl. Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 12. Wenn Hafliji Másson tatsächlich in Byzanz Jura studiert hat, ist bemerkenswert, dass er damit während der Lebenszeit eines Menschen alle Phasen durchlaufen hätte, die auch für die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland prägend geworden sind, die sich jedoch in Deutschland über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten erstreckt haben: Juristisches Studium des dort geltenden Rechts in Byzanz sowie solcher fremden Rechte, die dort gelehrt wurden, Übernahme eines oder mehrerer öffentlicher Ämter in seinem Heimatland in Form der Godenwürde und Prozeßtätigkeit für seine Thingverbandsangehörigen, sowie schließlich Revision und Aufzeichnung der isländischen Gesetze im Winter 1117/1118.

Vorbemerkung

179

Von Einfluss soll in dieser Arbeit im Sinne der obigen Begriffsverwendung zum einen dann gesprochen werden, wenn derjenige, der eine Norm vorschlug, die nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Island geltendes Recht wurde, bei seinem Vorschlag eine Regel vor Augen hatte, von der er wußte, dass sie entweder außerhalb Islands Geltung hatte oder dass sie dort bei einem beispielhaft gebildeten Fall als der Entscheidung zu Grunde zu legende Regel diskutiert wurde, und sich der Vorschlagende bei seinem Vorschlag von dieser woanders aufgenommenen Regel leiten ließ. Da der letzte Umstand niemals nachzuweisen sein dürfte, wird ein Einfluss nie sicher festzustellen sein, sondern nur unter Würdigung weiterer Umstände als mehr oder weniger wahrscheinlich angesehen werden können. Daneben ist aber auch in dem Falle ein Einfluss anzunehmen bzw. nahe liegend, in dem nicht eine anderswo geltende oder diskutierte Regel aufgenommen wurde, sondern ein Begriff oder eine Methode, mit der ein Lebenssachverhalt in einem gesetzlichen Tatbestand umschrieben wird. In den folgenden beiden Teilen soll näher untersucht werden, ob Einflüsse des römischen Rechts auf die isländischen Gesetze und die in ihnen verwandten juristischen Methoden feststellbar sind. 4.1.2. Begriff des „römischen Rechts“ Da es, wie im vorangegangenen Teil dargestellt, sehr gut möglich ist, dass die maßgebliche Person des Gesetzgebungsverfahrens von 1117/1118, Hafliji Másson, in Byzanz juristische Kenntnisse erworben hat, stellt sich die Frage, was für ein Recht dort um 1075–1080, also zu der Zeit, zu der Hafliji dort studiert haben kann, gelehrt wurde. Das zu jener Zeit in Byzanz geltende Recht wird in der Forschung vielfach als byzantinisches Recht bezeichnet8, weil dies dem Umstand der Weiterentwicklung des Rechts seit Justinian Rechnung trägt. Durch die Novellen der auf Justinian folgenden Kaiser wurden die Gesetze nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori in Teilbereichen fortgebildet.9 Das nach Justinians Zeit in Byzanz geltende Recht wurde in der Forschung lange Zeit als „griechisch-römisches Recht“ bezeichnet.10 Dies sollte die 8

9 10

Vgl. beispielsweise Leopold Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, S. 680 mit Fn. 5. Vgl. H. J. Scheltema, Byzantine Law, S. 55(60 f.). Vgl. nur den Buchtitel „Geschichte des griechisch-römischen Rechts“ von Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, 3. Aufl. (1892; Nd. 1955).

180 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts von den Byzantinern aufgrund ihrer Sprache so empfundene Zugehörigkeit zum griechischen Kulturkreis genauso deutlich machen wie die Tatsache, dass es sich inhaltlich weitestgehend um römisches Recht handelte. Denn trotz aller Veränderungen, die das byzantinische Recht im Laufe der Zeit erfahren hat, wird überwiegend seine große Kontinuität betont. Somit ist das Recht in Byzanz, wie es um 1075–1080 herum galt, zwar römisch, aber weiterentwickelt und verändert über einen Zeitraum von über 500 Jahren seit der Gesetzgebung Justinians.11 Es wurde bereits dargestellt, dass in Byzanz im 11. Jahrhundert erneut eine vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung mit den justinianischen Gesetzen stattfand. Dies beeinflusste auch das juristische Studium. Die darin behandelten Quellen machen in weiten Teilen das aus, was heute als römisches Recht bezeichnet wird. An dieser Stelle ist noch einmal an die beiden Berichte aus Island über das justinianische Gesetzgebungswerk zu erinnern (vgl. oben S. 166 f.). In diesen aus dem 12. Jahrhundert datierenden Berichten wurden der Codex Justiniani und Justinians Novellengesetzgebung für das südliche (byzantinische) Reich noch als weithin geltendes Recht bezeichnet. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass im 11. Jahrhundert in Byzanz den Leuten noch bewusst war, dass die justinianische Gesetzgebung immer noch die Grundlage der damaligen Gesetze bildete. Neben dem justinianischen Recht werden die Studenten auch das nach Justinian erlassene und noch geltende Recht erlernt haben, wie es sich durch spätere Novellengesetzgebung und in den griechischsprachigen Bearbeitungen darstellte.12 Den Schwerpunkt der juristischen Ausbildung in Byzanz dürfte im 11. Jahrhundert aber immer noch das justinianische Recht gebildet haben, da bis weit ins 12. Jahrhundert hinein in der hauptstädtischen Jurisprudenz eher auf die ursprünglichen justinianischen Quellen verwiesen wurde als auf die Basiliken.13 Aus diesem Grunde soll dasjenige Recht, das in Byzanz um 1075 bis 1080 gelehrt wurde, hier als „römisches Recht“ bezeichnet werden. Obwohl dies eine unzulässige Vergröberung darstellen könnte, wenn nur rein byzantinische Sachverhalte zu betrachten wären, so scheint diese Bezeichnung in diesem Fall dennoch zulässig zu sein, weil damit der Blick auf das Wesentliche erhalten bleibt: Dass in By-

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Vgl. H. J. Scheltema, Byzantine Law, S. 55(62 ff.). Dass das von Iustinian im Corpus iuris kodifizierte Recht römisches Recht darstellt und nicht ‚hellenistisches‘ oder ‚byzantinisches‘ betont Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 10 (§ 192 II.2.c). Vgl. Wanda Wolska-Conus, L’École de droit et l’enseignement du droit à Byzane au xie siècle: Xiphilin et Psellos, in: Traveaux et Mémoires 7 (1979), S. 1(30). Vgl. H. J. Scheltema, Byzantine Law, S. 55(65). Siehe auch ebenda S. 67 mit Fn. 1.

Vorbemerkung

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zanz im 11. Jahrhundert noch in weiten Teilen das von Justinian gesetzte Recht galt und in der Ausbildung gelehrt wurde, auch wenn es für die Praxis durch spätere Novellen und Bearbeitungen weiterentwickelt war. Wichtiger als die damals in Byzanz geltenden inhaltlichen Regelungen dürften für einen dort studierenden Isländer ohnehin die juristische Methode sowie die juristischen Kategorien gewesen sein, mit deren Hilfe Rechtsfälle gelöst wurden. Es wäre selbstverständlich wünschenswert, alle im Byzanz in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zugänglichen Rechtstexte zum Vergleich heranzuziehen. Dies sind jedoch in großem Umfange Quellen in griechischer Sprache, da das römische Recht in Byzanz schon seit dem 6. Jahrhundert zunehmend auch in griechischer Sprache tradiert wurde,14 bis mit der Promulgation der griechischsprachigen Basiliken wohl unter Leon VI. (reg. 886–912) die justinianischen Gesetze den Byzantinern auch offziell in ihrer eigenen Sprache zur Verfügung standen. Daneben galten die Gesetze Justinians in der lateinischen Version fort.15 Hierdurch entstehen beim Vergleich mit dem Recht der Grágás Unwägbarkeiten, da der Verfasser der in den byzantinischen Quellen verwendeten griechischen Sprache nicht mächtig ist und daher auf Übersetzungen angewiesen ist. Es liegen zwar die Handbücher des römischen Rechts wie die Ekloga privata aucta,16 der Procheiros nomos17 und das sogenannte Bauerngesetz (Nomos Georgikos)18 in englischer Übersetzung und die Basiliken – soweit erhalten – in lateinischer Übersetzung vor.19 Viele weitere Quellen sind dagegen allein in griechischer

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Zu den Rechtsquellen in Byzanz nach Justinian bis zur Regierungszeit Alexios I. Komnenos vgl. Carl Wilhelm Ernst Heimbach, Griechisch-römisches Recht im Mittelalter, in: Gruber/Ersch (Hrsg.), Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste I 86, S. 191(213–435); Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 3–34. Aus neuerer Zeit ausführlich Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(429 ff.). Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, S. 341(447, 457); H. J. Scheltema, Byzantine Law, S. 55(66). Übersetzung durch Edwin Hanson Freshfield, A revised manual of Roman Law founded upon the Ecloga of Leo III and Constantine V of Isauria, Ecloga Privata Aucta, Cambridge 1927. Übersetzung ins Englische durch Edwin Hanson Freshfield, A Manual of eastern roman law, the Procheiros Nomos, Cambridge 1928. Edition und englische Übersetzung durch Walter Ashburner, The farmer’s law, in: The Journal of Hellenistic Studies XXX (1910) [mit Edition], S. 85–108 und XXXII (1912), S. 68–95 [mit Übersetzung]. Durch G. E. Heimbach/C. E. W. Heimbach (Hrsg.), 6 Bände, Leipzig 1833–1870; ein Supplementband, E. C. Ferrini/J. Mercati (Hrsg.) Leipzig 1897.

182 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Sprache ediert. Eine Ausnahme bildet eine moderne textkrititsche Edition der Ekloga, die auch eine deutsche Übersetzung beinhaltet.20 Für die Frage, ob eine Regel des römischen Rechts inhaltlich eine Norm in der Grágás beeinflusst haben kann, kommt somit eine verhältnismäßig große Menge an Texten in Betracht, in denen diese Regel tradiert sein kann: Das justinianische Gesetzgebungswerk bestehend aus Institutionen, Digesten,21 Codex22 und Novellen,23 die Novellen späterer Kaiser, die byzantinischen Handbücher des römischen Rechts und die Basiliken24 mitsamt ihren Scholien.25 Die byzantinische juristische Literatur, vor allem die aus dem 11. Jahrhundert, wie beispielsweise die meditatio de nudis

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Ecloga, Das Gesetzbuch Leons III. und Konstantinos’ III, Ludwig Burgmann (Hrsg. und Üb.); eine ältere englische Übersetzung findet sich bei Edwin Hanson Freshfield, A manual of Roman Law, The Ecloga, Cambridge 1926. Nachfolgend werden Vorschriften der Institutionen als Inst. und solche der Digesten als D. bezeichnet und nach der Ausgabe von Theodor Mommsen/Paul Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis I8 (1963), zitiert [Nachdruck in 13. Aufl., Hildesheim 2000]. Die Übersetzungen der Institutionen sind der Ausgabe von Okko Behrends/ Rolf Knütel/Berthold Kupisch/Hans Hermann Seiler, Corpus Iuris Civilis, Die Institutionen, Heidelberg 1993, entnommen. Die Übersetzung der Digesten Buch 1 bis 27 entstammen ebenfalls der Übersetzung von Okko Behrends/Rolf Knütel/ Berthold Kupisch/Hans Hermann Seiler (Digesten 1–10: Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung II, Heidelberg 1995; Digesten 11–20, Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung III, Heidelberg 1999; Digesten 21–27: Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung IV, Heidelberg 2005). Die Übersetzung der Digesten Buch 28 bis 50 ist der von Carl Eduard Otto/Bruno Schilling/Carl Friedrich Ferdinand Sintenis herausgegebenen Übersetzung entnommen (Das Corpus Juris Civilis, Band 3, Pandekten Buch 28–38, Leipzig 1831; Band 4, Pandekten Buch 39–50, Leipzig 1832). Vorschriften des Codex Iustinianus werden als C. bezeichnet und nach der Ausgabe von Paul Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis II11 (1954) [Nachdruck Hildesheim 1997] zitiert. Die Übersetzungen des Codex Iustinianus ist der von Carl Eduard Otto/Bruno Schilling/Carl Friedrich Ferdinand Sintenis herausgegebenen Übersetzung entnommen (Das Corpus Juris Civilis, Band 5, Codex Buch 1–6, Leipzig 1832; Band 6, Codex Buch 7–12, Leipzig 1832). Die Novellen Iustinians (Novellae) werden zitiert nach der Ausgabe von Wilhelm Kroll/Rudolf Schöll (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis III6 (1954) [Nachdruck Hildesheim 2005]. Die Übersetzung der Novellen ist ebenfalls der von Carl Eduard Otto/Bruno Schilling/Carl Friedrich Ferdinand Sintenis herausgegebenen Übersetzung entnommen (Das Corpus Juris Civilis, Band 7, Novellen, Edikte, Konstitutionen, Lehnrechtsbücher, Leipzig 1833). Heute maßgebliche Ausgabe durch H. J. Scheltema/N. van der Waal (Hrsg.), Basilicorum libri LX, series A, vol. I–VIII, Groningen 1955–1988. Heute maßgebliche Ausgabe durch H. J. Scheltema/D. Holwerda/N. van der Waal, Basilicorum libri LX, series B, vol. I–IX, Groningen 1953–1985.

Vorbemerkung

183

pactis 26 oder der tractatus des peculiis, müsste in diesem Zusammenhang ebenfalls berücksichtigt werden. Aufgrund des sehr großen Umfangs der Grágás und der fast schon unübersehbaren Vielzahl der Quellen und Abhandlungen des römischen Rechts in griechischer und lateinischer Sprache, die in Byzanz in der Zeit von 1070 bis 1080 noch bekannt waren, kann im folgenden nur paradigmatisch eine sehr kleine Auswahl aus den Gesetzen der Grágás getroffen werden, für die mögliche oder wahrscheinliche Entsprechungen im römischen Recht, wie es in Byzanz überliefert wurde, benannt werden können. Es ist davon auszugehen, dass das bis 1117 geltende isländische Recht mit der Niederschrift und Überarbeitung durch die Gesetzgebungskommission unter der Leitung Hafliji Mássons und des amtierenden Gesesetzessprechers Bergpórr Hrafnsson nicht vollständig aus der Welt war. Vielmehr dürfte, falls eine Rezeption römischen Rechts in Island statt gefunden hat, das bisher geltende Recht bei seiner Niederschrift Ergänzungen und Veränderungen vor allem in der Regelungstechnik, aber auch in der inhaltlichen Gestaltung einzelner Regelungen erfahren haben, die durch die Kenntnis des römischen Rechts bedingt waren. 4.1.3. Einflüsse christlichen Gedankengutes Aufgrund der Besonderheit, dass im 11. und 12. Jahrhundert eine große Anzahl isländischer Goden zum Priester geweiht war (vgl. oben S. 33 f.), und der Tatsache, dass Hafliji im Jahre 1121 als möglicher Bischofskandidat im Gespräch war (vgl. oben S. 145 ff.), ist damit rechnen, dass sich in den Gesetzen der Grágás auch Einflüsse aus der Bibel finden. Auch in Byzanz spielten vor allem alttestamentarische Rechtsregeln offenbar keine völlig untergeordnete Rolle, da sie in einer Nomos Mosaïkos genannten Zusammenstellung von 70 bzw. 71 Normen des mosaischen Rechts in 50 Kapiteln in vielen Handschriften auch des weltlichen Rechts tradiert wurden.27 Generell ist festzustellen, dass in etwa zwei Drittel der erhaltenen byzantinischen Rechtshandschriften kanonisches Recht betreffen.28 Diese 26

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Edition und Übersetzung ins Französische durch Henry Monnier in: La meditatio de nudis pactis, in: Etudes de droit byzantin, S. 5–246 [Abschnitt III. mit eigener Paginierung]. Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(130). Vgl. Dieter Simon, Vorwort, in: Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Andreas Schminck/ Dieter Simon, Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts I, S. VII(X).

184 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Tatsachen unterstreichen die Wichtigkeit des christlichen Glaubens und der griechisch-orthodoxen Kirche als Institution auch für den Bereich des byzantinischen Rechts. Somit ist davon auszugehen, dass das alttestamentarische Recht in Byzanz auch als rechtlich bedeutsamer Normenkomplex wahrgenommen wurde. Eine mit biblischen Texten gut vertraute Godenschicht dürfte bei der Überarbeitung der isländischen Gesetze im Winter 1117/1118 auch solche Neuregelungen nicht abgelehnt haben, die in Anlehnung an die Heilige Schrift gestaltet sind.

4.2.

Sprachliche Besonderheiten

4.2.1.

Fachbegriffe mit dem Präfix lqg-

4.2.1.1. Der Bestand an mit lqg- beginnenden Komposita In der Grágás fallen besonders die zahlreichen Begriffe auf, die sich von der Bedeutung der Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch unterscheiden, beziehungsweise gegenüber diesem präzisiert werden. Diese Erscheinung gibt es zwar auch in anderen Rechten (siehe dazu unten „4.2.1.3. Verwandte Phänomene“), aber in der Grágás treten sie in einer solchen Zahl auf, dass dies besondere Beachtung verdient. Diese juristischen Fachbegriffe werden überwiegend gebildet, indem einem Wort das Präfix lqg- (‚Gesetzes-‘, ‚gesetzlich‘) vorangestellt wird. Mitunter werden diese Begriffe noch zusätzlich legaldefiniert. Regelmäßig ergibt sich aber bereits aus dem jeweiligen Verwendungszusammenhang, inwiefern sich ein Fachbegriff wie beispielsweise lqgheimili (‚gesetzlicher Wohnsitz‘) vom gewöhnlichen Begriff, in diesem Fall heimili (‚Wohnsitz‘), unterscheidet. Nach der Grágás kann man mehrere Wohnsitze unterhalten, aber nur einer davon kann der „gesetzliche Wohnsitz“ sein, an dem zum Beispiel der Zehnte zu entrichten ist29 und an dem alle Vorladungen vorge29

Vgl. Grágás II, Kap. 39, S. 48.10–12: Par scal majr giallda vár tíund. sem scipt er havst tiund hans. En ef pat er huergi pa scal giallda. sem hann er vist fastr Marteinsmesso. („Dort soll jemand den Frühjahrszehnten bezahlen, wo sein Herbstzehnt aufgeteilt worden ist. Aber wenn das nirgendwo ist, dann soll dort gezahlt werden, wo er zur Martinsmesse wohnsitzansässig ist.“) (= Grágás Ib, Kap. 260, S. 215.05–07); vgl. auch AM 315b fol. in: Grágás Ib, S. 227(228.23–24); Grágás II, Kap. 54, S. 62.10–15; Grágás II, Kap. 45, S. 55.13–14: No Par scal majr tiund giallda ipeim repp sem hann a lögheimili pav misseri hvargi sem fe er. (Novelle: „Dort in dem Gemeindeverband soll man den Zehnten bezahlen, wo man während jener Halbjahre seinen gesetzlichen Wohnsitz hat, gleich wo das Gut ist.“)

Sprachliche Besonderheiten

185

nommen werden können.30 Insgesamt finden sich fast siebzig Begriffe in der Grágás, die durch das Präfix lqg- gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch eine engere und spezifisch juristische Bedeutung erhalten. Im Folgenden werden alle Wörter der beiden Haupthandschriften aufgelistet, die das Präfix lqg- aufweisen und damit einem Wort eine spezifisch juristische Bedeutung verleihen. Nicht aufgenommen sind Komposita mit lqg-, die, wie z. B. lqgbók (‚Gesetzbuch‘) und lqgmajr (‚Jurist‘, ‚Rechtskundiger‘), keinen speziellen Fachbegriff bilden. Zu diesen Wörtern werden jeweils eine oder mehrere Fundstellen angegeben, ohne dass in jedem Falle alle Fundstellen verzeichnet sind. Das Fundstellenverzeichnis ist daher nur beispielhaft und soll Stellen aufzeigen, bei denen eine typische Verwendung des Begriffes vorliegt. Hierbei beziehen sich Ia und Ib auf die Ausgabe der Konungsbók von Vilhjálmur Finsen (Grágás Ia, Ib) und II auf Finsens Ausgabe der Stajarhólsbók (Grágás II). Die Zahlen danach bezeichnen jeweils Seite und Zeile. Da die Schreibweise vieler Wörter in der Handschrift uneinheitlich ist, sind die Begriffe entsprechend ihrer alphabetischen Ordnung bei Berücksichtigung moderner isländischer Schreibweise aufgeführt, ohne dass jedoch die Schreibweise in allen Punkten dem modernen Isländisch angepasst wurde (so z. B. wurde die Nominativendung -r männlicher Hauptwörter beibehalten, während heutzutage -ur geschrieben wird).31 lqg ( pl ): vera félagi at lqgum II 338.20 lqgbaugr Ia 193.03

lqgbeijing Ia 49.20, 103.22, 213.29, Ib 190.25, II 279.16, 282.04, 286.13 lqgboj Ia 234.15, Ib 100.12, II 8.20 (fastna e-m l.), 81.14 30

von Gesetzes wegen (Mit-) gesellschafter sein gesetzlicher Ring (aus Edelmetall, der in vier verschiedenen Gewichtsabstufungen als Buße an die Verwandten zu zahlen war) gesetzliche (formgebundene) Bitte, deren Ablehnung rechtswidrig sein kann gesetzliches Verlangen (ein gesetzliches Verlangen vorbringen)

Vgl. Grágás II, Kap. 238, S. 269.18–22: Nv tekr majr ser vist til tvegia missera oc er ipvi griji ii. vikor fyrir alpingi. oc ii. eptir ping. oc ii. um pingit. Oc sva pott hann fare a brott or vistini oc er par lavg heimili hans oc pingvist sem hann var pær vi. vicor. enda er rett par at stefna honom. („Wenn jemand sich Anstellung auf zwei Halbjahre nimmt und in dieser Unterkunft 2 Wochen vor dem Allthing und 2 nach dem Thing und 2 während des Things ist: Obwohl er aus der Anstellung fort geht, so ist dort sein gesetzlicher Wohnsitz und seine Thingzugehörigkeit, wo er diese 6 Wochen war, und es ist gestattet, ihn dort vorzuladen.“) = Grágás Ia, Kap. 80, S. 132.24–133.02.

186 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts lqgdómr Ia 39.18, 75.10, 78.22 lqgeij(r) Ia 46.20, 72.04–05, 85.14, 120.17, 192.07, Ib 08.03, 88.08, 206.28, II 49.03 lqgeindagi Ia 118.24–119.01, II 61.20, 62.07, 219.09=Ib145.27 lqgeyrir (Pl. lqgaurar) II 61.13, 214.12, 265.22 lqgfardagar II 48.21–22 lqgfasta II 37.21, 43.26 lqgfastr Ia 1.12, II 206.21, 456.0131 lqgfóstr Ia 161.02 lqgfóstri Ia 160.24 lqgfrétt Ia 52.21 lqgfqstnun II 162.15 lqggarjr Ib 90.05, II 461.03, 467.12 lqggarjsqnn Ib 91.18 lqggrij II 267.07+09, 268.21 lqgheilagr, lqgheilagt II 257.03, 489.13 31

gesetzliches Gericht (in Ia 75.19 Gerichtsurteil) gesetzlicher Eid gesetzlicher Fälligkeitstag und -ort gesetzliche Öre gesetzliche Umzugstage gesetzliches Fasten gesetzlich wohnsitzansässig; festen, gesetzlichen Wohnsitzes gesetzliche Pflegekindschaft gesetzliches Pflegekind gesetzliche Frage (auf deren Nichtoder Falschbeantwortung Buße steht) gesetzliche Verlobung gesetzliche Einfriedung Periode, innerhalb derer gesetzliche Einfriedungen errichtet werden dürfen gesetzliche Unterkunft gesetzlich frei (gesetzlicher Feiertag)

Heinrich Beck, Wortschatz der altisländischen Grágás (Konungsbók), S. 172 verzeichnet noch den Begriff logfélag (gesetzliche Gesellschaft). Dies ist jedoch ein Mißverständnis des isländischen Textes, da lqg das Subjekt des Satzes darstellt. Der Satz lautet (Grágás Ib, Kap. 154, S. 46.15–17): Ef anat peirra afe en anat se fe lavst. oc se pat peirra vij pan mun meire vm syslo man vm hag peirra oc legia pa lavg felag peirra. (vgl. Grágás II, Kap. 143, S. 175.17–19), wo schon aus der dort abweichenden Formulierung klar wird, wie der Satz in der Konungsbók gemeint ist. Auch Andreas Heusler übersetzt hier recht frei und spricht von „gesetzlicher Teilhaberschaft“, vgl. Andreas Heusler, Graugans, S. 276: „Hat der eine Teil Mittel und der andre ist mittellos, aber in gleichem Maß arbeitstüchtiger in ihrem Betrieb, dann entsteht gesetzliche Teilhaberschaft zwischen ihnen.“ Wörtlich ist dagegen zu übersetzen: „Wenn einer von ihnen [den Ehegatten] Vermögen hat und der andere ist vermögenslos, und wenn dieser im Vergleich zu dem anderen wesentlich stärker der Fürsorgende für ihr (gemeinsames) Wohl ist, dann ordnet das Gesetz eine Gesellschaft zwischen ihnen an.“ Auch wenn damit der Begriff „gesetzliche Gesellschaft“ in der Grágás nicht vorkommt, kann man jedoch von Gesetzes wegen Gesellschafter in einer Gesellschaft sein, vgl. auch vera félagi at lqgum (>lqg).

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3233343536

lqgheimili II 49.27, 206.21, 221.03, 257.23, 267.22, 332.28 lqghelgar tíjir II 216.04 lqghlíj II 30.20, 452.22+23 lqghreppr II 178.22, 249.02 lqgkaup II 25.01, 266.01 lqgkennendur II 235.01+04

lqgkvqj II 198.13, 456.05 lqgleij Ia 20.19=II 24.06 lqgleija II 143.18 lqgleiga II 94.03, 213.10, 216.19, 221.14+16–17 lqgly´ rittr Ib 15.16 lqgly´ sing II 56.13, 199.02 lqgmark II 030.19, 230.09, 508.14, 511.03 1lqgmál 33 2lqgmál

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Ia 213.25+2834, Ia 214.1035 Ia 37.1136

gesetzlicher Wohnsitz gesetzliche Feierzeit (im Isländischen Plural) gesetzliches Gatter gesetzlicher Gemeindeverband gesetzlicher Lohn gesetzliche Zuordner (die das Vieh beim herbstlichen Viehzusammentrieb ihrem Eigentümer zuteilten) gesetzliche Herbeirufung gesetzliches Herbstthing in die Rechtsgemeinschaft (wieder) aufnehmen gesetzliche Miete/Pacht, gesetzliche Zinsen gesetzliche Untersagung (vgl. Interdictum)32 gesetzliche Bekanntmachung gesetzliches Kennzeichen, gesetzliche anerkannte Markierung von Vieh oder Treibgut, Rechtsfrage Gesetz, Rechtsregel

Das überaus schwierige Wort ly´ rittr, dessen Etymologie weitgehend ungeklärt sein dürfte, drückt das Recht aus, in bestimmten Situationen von Eigentumsbeeinträchtigungen einen Anspruch schon vor dem Erlass einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über das betreffende Rechtsverhältnis zu schützen. Gleichzeitig konnte durch eine unbefugte Verwendung dieses Rechtsbehelfs eine Schadensersatzpflicht begründet werden. Am ehesten dürfte daher die Übersetzung „Untersagungsverfügung“ die Bedeutung des Wortes treffen. Zu den verschiedenen Bedeutungen von lqgmál in der Grágás siehe Vilhjálmur Finsen, Om de islandske Love i Fristatstiden, in: Aarbøber for Nordisk Oldkyndighed og Historie 1873, S. 101(161ff.). Siehe auch Johan Fritzner, Ordbog I2, S. 604f.(lögmál ). Nu præta menn um lögmál […] at greija lögmál petta sva sem hejan af scal vera. („Jetzt streiten sich Leute über eine Rechtsfrage […] diese Rechtsfrage so zu entscheiden, wie es von nun an sein soll.“) Sipan scolo peir menn […] tína lögmal pat er pa scilr á. („Darauf sollen diejenigen [, …,] die Rechtsfrage darlegen, über die sie uneins sind.“) pat var fornt laugmal, […], en nv er pat af tekij („Das war ein altes Gesetz, […], aber das ist jetzt abgeschafft.“)

188 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 3738 3lqgmál

I a 17.25=II 21.01, Ia 124.12, II 497.19, 514.14 lqgmáli II 432.15+16 lqgmálaland I b 104.14 lqgmálsstajr 37 II 221.10

lqgmetandi II 218.01, 255.10 lqgmæt frumhlaup II 296.01–02 lqgpundari Ib 169.11, II 289.17 lqgrájandi II 55.10, 62.15, 156.14, 200.06, 275.26, 276.03 lqgrengdréttr 38 Ia 39.16, 48.22 (lqgrengd rétt kemr til )

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gesetzmäßiger Vertrag gesetzmäßiges Vorkaufsrecht mit gesetzmäßigem Vorkaufsrecht belastetes Land Anlass zu gerichtlicher Verfolgung, Grund gerichtlicher Verfolgung gesetzlicher Bemesser gesetzeswidriger Angriff (der einen Deliktstatbestand erfüllt) gesetzliche Waage gesetzlicher Vertreter (einer Person oder Sache) gesetzliches Herauswahlrecht (ein gesetzliches Herauswahlrecht entsteht)

In diesem Sinne deutet Johann Fritzer, Ordbog II2, S. 605 (lögmálsstajr ) den in der Grágás nur hier vorkommenden Begriff überzeugend mit „Grund eller Anledning til Søgsmaal, Sagsøgning“ („Grund oder Anlass zur Klage, gerichtliche Verfolgung“). Dagegen wird in Grágás (1992) S. 161 Fn. 3, der Begriff lögmálsstajr mit álögr, bótagreijslur vegna vanefnda („Zulage, Ersatzzahlung wegen Nichterfüllung“) erklärt. Woraus sich diese Bedeutung ergeben soll, ist nicht nachvollziehbar. Sowohl Johann Fritzer, Ordbog II2, S. 607 f. (lögrengd ) als auch Heinrich Beck, Wortschatz der altisländischen Grágás (Konungsbók), S. 173 (lqgrengj) verstehen dieses Wort als Substantiv. Nach Johann Fritzner bezeichnet dieses Wort eine „Handling, hvorved man forskyder en af de opnævnde Dommere, = lögrujning“ („Handlung, mit der man einen der benannten Richter verstößt = gesetzliches Herausstoßen“). Dann ist jedoch das in beiden Textstellen direkt nachfolgende Wort réttr überflüssig und passt nicht in den grammmatikalischen Zusammenhang. Wenn lögrengd/lqgrengj tatsächlich schon für sich genommen das Herauswählen eines Richters bezeichnet, müsste das Recht darauf als *rétt til lqgrengjar bezeichnet werden. Es scheint daher eher ein dreigliedriges Kompositum vorzuliegen, das aus dem Präfix lqg- und dem Verb rengja (hier im Sinne von: ‚verwerfen‘/‚rauswerfen‘) und réttr gebildet ist. Die hier zu Grunde gelegte Bedeutung von rengja stimmt überein mit der Verwendung in Grágás Ia, Kap. 25, S. 46.18–22: Ef mapr vill dom rypia. oc scal hann nefna ser vatta. Nefni ec i pat vætti. at ec vin eij at krossi log eij oc segi pat gupi. at ec mvn sva rengia man or domi. sem ec hygg sanazt oc rettast oc hellzt at logvm. („Wenn jemand aus einem Gericht herauswählen will, dann soll er sich Zeugen benennen: Nenne ich zu dem Zeugnis, dass ich einen Eid auf das Kreuz leiste, einen gesetzlichen Eid, und es Gott sage, dass ich einen Mann aus dem Gericht so herauswählen werde, wie ich es für am gerechtesten und richtigsten und am ehesten für in Übereinstimmung mit dem Gesetz halte.“) und Kap. 25, S. 48.27–30: pa scal ganga til bupar gopans oc segia honvm pat at hann hefir rengpan pripiungs man hans or domi. oc quepa a domin. oc nefna hin a nafn. oc nefna fopur hans epa mopvr. („Dann soll er zur Bude des Goden gehen und ihm sagen, dass er einen Thingverbandsangehörigen von ihm aus dem Gericht gewählt hat und soll das Gericht be-

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lqgrétt II 230.18 lqgrétta II 101.21, 157.15, 236.05, 483.05 lqgréttufé II 165.04, 205.21 lqgréttumajr II 182.14, 249.04 lqgrétt Ib 155.27 lqgsamkoma II 147.18 lqgskilnajr II 204.10 lqgsekt II 184.19 lqgsegiendr 39 II 312.18+19 lqgsjáandi II 214.23, 218.15=289.11, 305.20, 312.18+19 lqgsilfr hitt forna II 32.03–04 lqgskil (n. Pl.) Ia 45.01, II 48.16, 147.23, 228.04, 254.03+09, 274.23, 275.01, 457.11, 491.23, 494.19 lqgskipti II 235.11+12 lqgskilnajr II 196.21, 204.08, 205.05 lqgskuldarmajr II 336.21 lqgskuldarkona II 177.18 lqgskyldr II 138.02+05–06 lqgstakkgarjr II 467.12+14, 468.06 lqgstefna II 62.06, 202.07, 214.10, 438.19, 455.24, 468.11 lqgtekinn II 42. 02 lqgtíund II 46.05 lqgvej II 432.15, 433.03+05+11 lqgvextir II 82.01, 223.16

39

gesetzlicher Pferch gesetzgebende Versammlung Geldzahlung an die gesetzgebende Versammlung Mitglied der gesetzgebenden Versammlung gesetzlich angeordnetes Schafezusammentreiben in einem Pferch gesetzliche Zusammenkunft gesetzliche Scheidung gesetzliche Buße gesetzliche Auskunftsgeber gesetzliche Beschauer altes gesetzliches Silber gesetzliche Pflicht, gesetzlich geregelte Aufgabe, gesetzliche Verpflichtung gesetzliche Teilung gesetzliche Scheidung Gesetzesschuldknecht Frau in gesetzlicher Schuldknechtschaft gesetzlich verpflichtet gesetzliche Garbeneinfriedung gesetzliche Vorladung gesetzlich angenommen gesetzlicher Zehnt gesetzmäßiges Pfandrecht gesetzliche Zinsen

zeichnen und (er) soll ihn beim Namen nennen und soll seinen Vater oder seine Mutter nennen.“) Dieses Kunstwort im Isländischen lässt sich am ehesten über die Funktion der damit Bezeichneten erklären, siehe im einzelnen unten im Kap. „4.5.3. Außergerichtliche Bewertung durch Sachkundige“ ab S. 271.

190 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 40

lqgvilla Ia 42.06+21+29, II 308.03 lqgvillr II 161.19, 162.04 lqgvqrn Ia 77.02, 81.04+21, II 119.02–03, 132.02–03, 235.16, 414.07

Rechtsbehinderung, Behinderung des gesetzmäßigen Verfahrensablaufes rechtsunkundig40 gesetzlich zugelassene Verteidigung (gesetzlich wirksame Verteidigung im Prozess)

Die Fachtermini berühren zahlreiche Gebiete, zu denen sich in der Grágás mitunter sehr umfangreiche Regelungen finden. Die Begriffe des Gerichtsverfahrens betreffen zentrale Bereiche des Verfahrensrechts. Mit einer gesetzlichen Frage (lqgfrétt) wird zum Beispiel eine Auskunft eingeholt, wo jemandes gesetzlicher Wohnsitz (lqgheimili ) ist, welchen man nur an den gesetzlichen Umzugstagen (lqgfardagar) wechseln darf. Wird die Frage nicht oder unzutreffend beantwortet, so liegt Rechtsbehinderung (lqgvilla) vor. Am gesetzlichen Wohnsitz ist der Kläger mit einer gesetzlichen Vorladung (lqgstefna) vorzuladen, etwa weil er am gesetzlichen Fälligkeitstag (lqgeindagi ) nicht mit gesetzlichem Silber (lqgsilfr) oder mit gesetzlicher Öre (lqgeyrir) gezahlt hat. Über die Korrektheit der Zahlungsmittel entscheiden gesetzliche Beurteiler (lqgsjáendr), ebenso wie gesetzliche Bemesser (lqgmetendr) den Wert der als Zahlungsmittel zugelassenen Ware festsetzen. Dies ist nicht Sache des Gerichts. Muss eine Jury hinzugezogen wurden, geschieht dies in den geregelten Bahnen einer gesetzlichen Herbeirufung (lqgkvqj). Ebenso ergeben sich die gesetzlichen Mitwirkungspflichten (lqgskil ), die einen im gerichtlichen Verfahren treffen können, aus den gesetzlichen Regelungen.41 Mit einer gesetzlichen Bitte (lqgbeijing) kann man zur Formulierung eines Vergleiches auffordern. Wird dem nicht entsprochen, muss eine gesetzlich zugelassene Verteidigung (lqgvqrn) vorgebracht werden, um einer Buße zu entgehen. Auch für die Bestimmungen der Landwirtschaft sind besondere Fachbegriffe für nötig befunden worden. Aufgrund einer gesetzlichen Marke (lqgmark) kann Vieh dem jeweiligen Eigentümer zugeordnet werden. Besondere Marken bestehen, um Treibholz zu markieren oder auch die Harpunen, mit denen Wale erlegt werden. Gelangt der harpunierte Wal an Land, so kann aufgrund der Eigentümermarke an der Harpune dem Har40

41

Andreas Heusler übersetzt sowohl das Substantiv lqgvilla, f. als auch das Adjvektiv lqgvillr substantiviert mit „Rechtsirrung“, vgl. Graugans, S. 39, 264. Dies dürfte zumindest im letzteren Falle unzutreffend sein, da das Wort hier eine ganz andere Bedeutung hat, vgl. auch Johann Fritzer, Ordbog II2, S. 614 (s.vv. lögvilla, lögvillur). Der Begriff lqgskil hat teilweise auch leicht abweichende Bedeutungen.

Sprachliche Besonderheiten

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punier sein Anteil zugesprochen werden. Um die Weidegebiete voneinander abzugrenzen, war eine gesetzliche Einfriedung (lqggarjr) zu errichten. Hiervon sind in ganz Island vielfach noch heute Überreste zu finden. Nur innerhalb einer bestimmten Periode im Jahr ist man verpflichtet, diese arbeitsintensiven Einfriedungen aufzuschichten (lqggarjsqnn). Damit bestehende Wege dabei nicht zerschnitten oder übermäßig eingeengt werden, ist die Größe der gesetzlichen Gatter (lqghlij) vorgeschrieben. Auch zur Abschirmung der Heugarben vor fremdem Vieh mit einer gesetzlichen Garbeneinfriedung (lqgstakkgarjr) kann man verpflichtet sein. Weidet dennoch fremdes Vieh auf jemandes Land, so kann er dies dem Vieheigentümer mit einer gesetzlichen Untersagungsverfügung (lqgly´ rittr) untersagen. Eine Schuld ist nach der Grágás mit den gesetzlichen Zinsen (lqgvextir) zurückzuzahlen, während auch die Miethöhe eine gesetzliche Höhe nicht überschreiten darf (lqgleiga). Es handelt sich nur dann um ein gesetzliches Pfandrecht (lqgvej), wenn das vorgeschriebene Verpfändungsverfahren eingehalten wird. Vergleichbares gilt für ein Vorkaufsrecht an einem Grundstück (lqgmáli ). Minderjährige haben ebenso einen gesetzlichen Vertreter (lqgrájandi ) wie für das Vermögen Minderjähriger sowie für Sachen oder fremdes Vermögen ein fjárvarjveizlumajr (Vermögensverwalter) eingesetzt werden kann, wenn der Berechtigte nicht zur Stelle ist, etwa weil er sich im Ausland befindet. Das Begriffspaar lqgrájamajr/fjárvarjveizlumajr findet übrigens eine Entsprechung in dem die tutelische Gewalt ausübenden tutor (griechisch epitrophon) sowie dem curator bonorum. An diese Begriffssystematik knüpft auch die Sprache des Christenrechts an, wenn die gesetzlichen Feiertage (lqghelgir dagar), das gesetzliche Fasten (lqgfasta) oder der gesetzliche Zehnte (lqgtíund ) näher geregelt werden. 4.2.1.2. Mögliche Ursachen für Wortbildungen mit dem Präfix lqgFür dieses Phänomen der vielen, häufig zentrale Bereiche des Rechts berührenden Wörter mit einer besonderen, vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Bedeutung in den Gesetzen kann es verschiedene Ursachen geben. In jedem Falle scheint die Verwendung so vieler Wörter mit einem durch die jeweiligen Tatbestände exakt bestimmten Bedeutungsumfang darauf hinzudeuten, dass die Grágás in weiten Teilen bewußt gesetztes Recht enthält und nicht nur Gewohnheitsrecht darstellt. Wäre lediglich Gewohnheitsrecht kodifiziert worden, wäre es schwer vorstellbar, dass der juristische Wortschatz in diesem Maße bewußt ausgestaltet wäre. Dieses Phänomen kann aber auch ein Anzeichen dafür sein, dass die Gesetzgeber ein „fremdes“ Regelungskonzept vor Augen hatten, welches sich mit dem vorhande-

192 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts nen isländischen Begriffsapparat nicht darstellen ließ, weil die jeweiligen Begriffe einen etwas anderen oder einen weiter reichenden Bedeutungsinhalt hatten, als ihnen im juristisch relevanten Bereich zukommen sollte. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Anzahl an Wörtern mit einem besonderen Bedeutungsinhalt, welcher vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht bzw. ihn durch eingehende gesetzliche Regelungen näher konkretisiert, sehr hoch ist. Während die landwirtschaftlichen Begriffe im Rahmen einer Setzung einheitlicher Standards das Präfix lqg- erhalten haben können, um eine abweichende Auslegung der Gesetze von vorneherein auszuschließen, scheinen gerade die Begriffe des Verfahrensrechts eher darauf hinzudeuten, dass die Gesetzgebungskommission von 1117/1118 bei der Schaffung einiger Begriffe, wie zum Beispiel zur Bezeichnung der gesetzlichen Bewerter und Beurteiler, ein Regelungskonzept einer anderen Rechtsordnung vor Augen hatte, welches sich nicht einfach mit entsprechenden isländischen Begriffen beschreiben ließ. Aus diesem Grunde kann Veranlassung bestanden haben, derart viele Fachbegriffe neu einzuführen. Um diese Fachbegriffe mit dem vorhandenen Vokabular darstellen zu können, kann es erforderlich gewesen sein, die entsprechenden Wörter der Umgangssprache mit dem Präfix lqg- zu versehen. Die Frage, ob es sich bei der Methode, Begriffe durch das lqg-Präfix mit einer anderen und juristisch klar definierten Bedeutung zu versehen, um die bewußte Setzung autochtonen Rechts oder um Rezeption auswärtigen Rechts handelt, kann allenfalls durch einen Vergleich mit ähnlichen Phänomenen außerhalb Islands geklärt werden. 4.2.1.3. Verwandte Phänomene Die vielen mit lqg- beginnenden Begriffe mit speziell juristischem Inhalt weisen darin eine Parallele zum römischen Recht in Byzanz auf, dass in Byzanz Wortlisten angefertigt wurden, in denen Rechtsbegriffe aufgeführt und erläutert werden. Diese in der rechtsgeschichtlichen Forschung häufig glossae nomicae genannten Zusammenstellungen, die in den Handschriften selbst meist als  « oder , also als Lexika, bezeichnet werden, sind in über einhundert Handschriften erhalten und stellen damit einen wichtigen Teil der byzantinischen Rechtsliteratur dar.42 In ihnen werden wichtige Rechtsbegriffe zusammengestellt und erläutert. Die Motivation zur Erstellung der byzantinischen Rechtslexika dürfte darin bestanden haben, in By42

Vgl. Ludwig Burgmann, Byzantinische Rechtslexika, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores II, S. 87(87, 92).

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zanz durch Auflistung und Erläuterung römisch-rechtlicher Fachbegriffe einen Vorrat an möglicherweise neuen Begriffen im Griechischen zu schaffen. Ob sich dabei ein lateinischer Begriff mit einem einzigen Wort oder erst durch eine wortreichere Umschreibung darstellen ließ, ist dabei unerheblich. Maßgeblich bei den byzantinischen Rechtslexika ist die bewußte Verwendung von Fachbegriffen, deren Bedeutungsumfang vermutlich in einigen Fällen von dem Bedeutungsumfang des zur Erläuterung oder Übersetzung verwendeten ähnlichen griechischen Wortes abwich. Ein verwandtes Phänomen, wenngleich mit etwas anderer Ausprägung, stellen die Malbergischen Glossen zur Lex Salica dar. Denn in einigen Handschriften dieses auf Latein verfassten Gesetzes finden sich zahlreiche Glossen, in denen entgegen der Bezeichnung als Glossen keine Übersetzungen oder Erläuterungen, sondern volkssprachliche Ausdrücke enthalten sind, die „durchaus auch mehr und anderes als der lat. Kontext“ enthalten können.43 Bei den Malbergischen Glossen ist es wohl wahrscheinlich, dass sie ihren Ursprung zumindest teilweise dem Umstand verdanken, dass die jeweiligen Begriffe im Lateinischen und im Fränkischen einen anderen Bedeutungsinhalt haben. Für den Praktiker kann es notwendig gewesen sein, von mehreren in Frage kommenden fränkischen Entsprechungen für einen lateinischen Begriff den in einer Bestimmung gemeinten fränkischen Begriff am Rande verzeichnet zu finden. Bereits vor diesem Hintergrund ist die Existenz der Malbergischen Glossen in einigen Lex Salica-Handschriften verständlich. Nach den Ergebnissen der Forschung haben die Malbergischen Glossen in der Lex Salica außerdem eine spezielle Gerichtssprache zum Gegenstand, die nicht mit der fränkischen Alltagssprache übereinstimmen soll.44 Dies kann zum einen ein Hinweis darauf sein, dass es sich zwar um bewußt gesetztes, aber autochton entstandenes Recht handelt. Auch hier könnte es aber der Fall sein, dass die Schöpfer dieser Fachsprache nicht nur ein besonderes sprachliches, sondern ein speziell juristisches Regelungskonzept vor Augen hatten, welches es von der lateinischen in die fränkische Sprache zu übertragen galt. Bei der sehr häufigen Verwendung des Präfixes lqg- in den Gesetzen der Grágás liegt der Fall dagegen etwas anders als bei der Lex Salica, weil die Grágás anders als die Lex Salica in der Volkssprache geschrieben ist und es daher eher erstaunt, dass die mit einer Vorsilbe versehenen Begriffe sich von der Alltagssprache abheben. 43 44

Vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, Malbergische Glossen, in: HRG 3, Sp. 211(212). In diesem Sinne Ruth Schmidt-Wiegand, Malbergische Glossen, in: HRG 3, Sp. 211(212).

194 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Dem kann hier nicht vertieft nachgegangen werden. Auf zwei weitere Parallelen zum salfränkischen Recht soll aber weiter unten im Zusammenhang mit der Strafbarkeit des Versuchs einer Straftat (vgl. unten S. 341 f.) sowie dem ebenfalls in der Lex Salica in Titel 47 enthaltenen Gewährenzug (vgl. unten S. 330) hingewiesen werden. 4.2.2. Lehnübersetzungen in der Grágás Daneben findet sich eine ganze Reihe von Wörtern und Wendungen in der Grágás, die zwar dem isländischen Wortschatz angehören, deren Verwendung im Isländischen aber auf eine so ungewöhnliche Art erfolgt, dass sie als Lehnübersetzung aus einer anderen Sprache erscheinen. 4.2.2.1. Kapitel- bzw. Normüberschriften mit of (‚über‘) Als erstes fällt an den Inhaltsverzeichnissen, die in der Stajarhólsbók beispielsweise den Abschnitten Festa páttr und Um fiarleigor vorangestellt sind, die stereotype und für das Isländische eher ungewöhnlichen Verwendung der Präposition of 45 auf, mit der die jeweilige Kapitelüberschrift eingeleitet wird. Während die den jeweiligen Kapiteln direkt vorangestellten Überschriften im Abschnitt Erfja páttr und Ómaga bálkr je nach Inhalt der Überschrift mit um (‚über‘), of (‚von‘, ‚über‘), ef (‚wenn‘) beginnen oder einfach nur ein entsprechendes Stichwort bringen,46 beginnt in den Abschnitten Festa páttr und Um fjárleigur jede Kapitelüberschrift des Inhaltsverzeichnisses mit of und zwar häufig mit of pat ef („davon, wenn“ bzw. „darüber, wenn“). Dieser Sprachgebrauch findet sich in den vorangegangenen Abschnitten deutlich seltener.47 Im älteren Sprachgebrauch wird häufig of dort verwendet, wo im 13. Jahrhundert vielfach schon um steht. Erstaunlich ist daher, dass das Inhaltsverzeichnis des Strafrechtsabschnittes Vígslóji die einzelnen Kapitelüberschriften ausnahmslos mit um einleitet,48 ist doch dieser Abschnitt der einzige, von dem zweifelsfrei feststeht, dass er schon in der Haflijaskrá enthalten war. Gerade hier wäre eher ein of zu erwarten gewesen. Auch das In45

46 47 48

Vgl. Grágás II, die Inhaltsverzeichnisse der Abschnitte Festa páttr, vor Kap. 118, S. 152–154; Um fjárleigur, vor Kap. 177, S. 210–213. Vgl. Grágás II, S. 64 ff., 103 ff. Vgl. aber Grágás II, S. 94 f., 102, 124, 140. Vgl. Grágás II, vor Kap. 263, S. 291–295.

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haltsverzeichnis des Abschnitts Landabrigjis páttr verwendet ganz überwiegend of.49 Auffallend ist, dass in den direkten Kapitelüberschriften, welche einige Kapitel des Abschnittes Um fjárleigur trotz des vorangestellten Inhaltsverzeichnisses zusätzlich aufweisen, das of stets durch ein um- ersetzt wird (vgl. Inhaltsverzeichnis: Of skuldadóm, Of pat at sœkja at skuldómi, Of pat at vejmæla fe, Of einkunnir á fénaji, Of misfanga50 usw. gegenüber den direkten Kapitelüberschriften: Hér er um skuldum, At sœkja at skuldadómi, Um einkunnir, Um misfanga um mark51 usw.). Unabhängig von der Frage, ob die Inhaltsverzeichnisse, die vor den genannten Abschnitten der Stajarhólsbók stehen, erstmalig im 12. Jahrhundert bei der Abfassung der Haflijaskrá oder erst im 13. Jahrhundert bei Kompilation der Stajarhólsbók zusammengestellt wurden, scheint die Verwendung der Präposition of durch den lateinischen Sprachgebrauch, Gesetzesvorschriften in Inhaltsverzeichnissen mit de … zu bezeichnen, beeinflusst zu sein.52 Denn es erscheint merkwürdig, dass die direkten Kapitelüberschriften im Abschnitt Um fjárleigur, die häufig schon Elemente das nachfolgenden Textes aufnehmen, in wesentlich typischerem Isländisch formuliert sind als die Überschriften in dem Inhaltsverzeichnis, welches dem Abschnitt vorangestellt ist. 4.2.2.2. Einleitung von Normen mit Pat er mælt (‚Das ist bestimmt‘) Die häufig auftretende Wendung Pat er mælt 53 (‚Das ist bestimmt‘) bzw. Pat er mælt í lqgum várum 54 („Das ist in unseren Gesetzen bestimmt“), mit der 49 50 51 52

53

54

Vgl. Grágás II, vor Kap. 389, S. 408–410. Vgl. Grágás II, S. 210. Vgl. Grágás II, S. 225–229. Vgl. nur die Überschriften zu Beginn der Digesten in: Theodor Mommsen/Paul Krüger (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis I8 (1963), S. 1 ff. (de iustitia et iure; de iure naturali et gentium et civili; de iure personarum usw.). Grágás II, Kap.1, S. 2.19; Kap. 19, S. 28.12–13; Kap. 35, S. 45.18–19; Kap. 133, S. 167.23; Kap. 170, S. 203.05; Kap. 176, S. 209.10 [Pat er oc mælt: „Das ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 214, S. 247.06; Kap. 228, S. 261.23; Kap. 261, S. 288.10; Kap. 266, S. 297.13; Kap. 284, S. 316.12; Kap. 323, S. 353.24; Kap. 329, S. 357.02; Kap. 355, S. 377.24–378.01 [Pat er oc mælt: „Das ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 365, S. 382.20; Kap. 380, S. 397.11; Kap. 432, S. 496.04; Kap. 435, S. 504.02, S. 505.18+22, S. 506.02+10 [Pat er oc mælt: „Das ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 443, S. 515.19 [Pat er oc mælt: „Das ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 455, S. 528.15; Kap. 460, S. 537.09. Grágás II, Kap. 36, S. 46.04; Kap. 166, S. 195.07; Kap. 187, S. 229.07; Kap. 217, S. 249.02.

196 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts eine Norm eingeleitet wird, kann eine Übernahme des spätantiken Kommentarstils sein. Charakteristisch ist dort, dass der Inhalt einer Konstitution mit haec lex iubet wiedergegeben wird. Diese Formulierung wurde auch von den Basilikenjuristen für ihre Scholien zum Codex verwendet. Die Juristen in Byzanz variierten jedoch vor allem die Verben bei der Übersetzung dieser Formulierung.55 In Island wird bei dieser formelhaften Einleitung einer Bestimmung durchgängig nur ein Verb verwendet. Dieses Verb mæla bedeutet hier ‚bestimmen‘, während seine Grundbedeutung auch ‚sprechen‘ ist. Dass mæla hier im Sinne von „bestimmen“ verwendet wird, ergibt sich auch aus der isländischen Bezeichnung für Novelle ny´ mæli, was wörtlich ‚neue Bestimmung‘ heißt. Es ist unwahrscheinlich, dass das hier verwendete Partizip von mæla besonders mit dem Vortrag des Gesetzessprechers zusammenhängt, da dessen Vortrag lqgsaga genannt wird und eine von ihm eingeführte Bestimmung meist mit pat sagji [N.N.] lqg („[N.N.] sagte, dass dies Gesetz sei“) bezeichnet wird.56 Variationen dieser Formulierung erfolgen im Isländischen vor allem durch einleitende Partikel wie bei Sva er mælt 57 („So ist bestimmt“), Pat er ok58

55

56

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58

Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(424). Vgl. Grágás Ia, Kap. 73, S. 122.11, S. 123.03, Kap. 108, S. 184.19; Grágás Ib, Kap. 143, S. 23.14; Grágás II, Kap. 182, S. 221.05–06=Grágás Ib, Kap. 221, S. 147.17–18. Grágás II, Kap. 7, S. 8.15 [Sva er oc mælt ef: „So ist weiterhin bestimmt, wenn“]; Kap. 15, S. 23.11; Kap. 21, S. 31.17 [Sva er oc mælt um: „Ebenso ist es bestimmt hinsichtlich“]; Kap. 22, S. 32.07; Kap. 54, S. 62.10 [Sva er mælt ilogum: „So ist in den Gesetzen bestimmt“]; Kap. 81, S. 103.03; Kap. 86, S. 111.18; Kap. 88, S. 117.07; Kap. 176, S. 208.11; Kap. 190, S. 231.02; Kap. 199, S. 236.04; Kap. 202, S. 237.08; Kap. 229, S. 262.18; Kap. 276, S. 304.23; Kap. 278, S. 309.04–05 [Sua er enn mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 293, S. 331.20 [Sva er mælt i lögom: „So ist bestimmt in den Gesetzen“]; Kap. 297, S. 335.14 [Sva er par mælt: „So ist dort bestimmt“], Kap. 318, S. 350.15–16 [oc svo er um öll laga afbrigji mælt: „und so ist es hinsichtlich aller Gesetzesverstöße bestimmt“]; Kap. 337, S. 364.18, [Sva er oc mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 342, S. 367.16 [Sva er oc mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 345, S. 369.20; Kap. 346, S. 371.10 [Sva er mælt i lavgom: „So ist in den Gesetzen bestimmt“]; Kap. 368, S. 385.12 [Sva er en mælt i lögom várom: „So ist weiterhin in unseren Gesetzen bestimmt“]; Kap. 379, S. 395.11; Kap. 435, S. 505.06 [Sva er en: „Weiterhin gilt“]; S. 505.28 [Pa er svo mælt: „Dann ist so bestimmt“]; Kap. 442, S. 515.11 [Sua er oc mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 444, S. 516.19 [Sua er oc mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 449, S. 522.19 [Sva er oc mælt: „So ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 459, S. 534.02 [Sva er mælt ilögum: „So ist in den Gesetzen bestimmt“]. Grágás II, Kap. 20, S. 31.02; Kap. 57, S. 64.32, S. 65.15; Kap. 65, S. 82.27; Kap. 66, S. 84.12; Kap. 166, S. 198.02; Kap. 392, S. 424.17, S. 425.07; Kap. 402, S. 438.09; Kap. 426, S. 479.08;

Sprachliche Besonderheiten

197

(etwa: „Weiterhin gilt“; denkbar ist auch, dass bei der letzten Formulierung das mælt ausgelassen wurde. Dann wäre zu übersetzen: „Das ist weiterhin bestimmt“), Pat er en mælt 59 („Das ist weiterhin bestimmt“), Slíkt er mælt 60 („Gleiches ist bestimmt“). Mitunter ist das mælt (‚bestimmt‘) wohl auch ausgelassen: Pat er um …61 („Das ist [bestimmt] bezüglich)“, wenn man nicht „Das gilt bezüglich“ übersetzt, was auch denkbar wäre. Ein Anzeichen, dass die Wendung Pat er mælt und ihre Variationen eine Übersetzung aus einer anderen Sprache darstellen, kann vor allem die in vielen Fällen etwas holprig erscheinende grammatikalische Verbindung mit dem folgenden Teil der jeweiligen Vorschrift sein. Denn häufig folgen die mit dieser Formel eingeleiteten Vorschriften geradezu so, als stünde nach der Einleitung ein Doppelpunkt und es würde ein völlig eigenständiger Satz beginnen. Ein Unterschied zur Verwendung dieser Formulierungen im Lateinischen und im Griechischen besteht darin, dass sich die Formulierung haec lex iubet (bzw. ihr griechisches Pendant) in jenen Sprachen in das Gesetz erläuternden Kommentaren findet und nicht im Gesetz selbst. Häufig wurde aber nicht streng zwischen Gesetzestext und Erläuterung unterschieden, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass viele ursprüngliche Erläuterungen später als Teil des zu erläuternden Gesetzes angesehen wurden. Dies spricht somit nicht unbedingt gegen eine Übernahme dieser Formulierung aus Basilikenscholien oder sonstigen Erläuterungen in die Grágás. Ein denkbarer Unterschied zwischen den Formulierungen Pat er mælt í lqgum várum und haec lex iubet kann darin bestehen, dass lex in der Einzahl steht und lqg als Mehrzahlwort verstanden werden kann. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass lqg ein pluralia tantum (lqg ist ein Neutrum Plural) ist; häufig scheint die Mehrzahlbedeutung vorzuliegen. Ob es in der Einzahl oder Mehrzahl verwendet wird, lässt sich jedoch in vielen Einzelfällen nicht eindeutig entscheiden.62

59

60

61 62

Grágás II, Kap. 162, S. 191.03 [Pat er mælt enn: „Das ist weiterhin bestimmt“]; Kap. 267, S. 298.05 [Pat er en: „Weiterhin gilt“]; Kap. 401, S. 436.18 [Pat er en: „Das gilt weiterhin“]; Kap. 447, S. 519.23. Grágás II, Kap. 121, S. 158.04; Kap. 166, S. 197.12 [er slíct mælt: „ist solches bestimmt“]; Kap. 347, S. 373.12 [Slikt er oc mællt hit sama: „Genau das Gleiche ist bestimmt“]; Grágás II, Kap. 161, S. 189.15. Anders ist es möglicherweise, wenn ein unbestimmter Artikel verwendet wird, wie in dem Bericht über die Annahme des Christentums (vgl. oben S. 30): höfum allir e i n lög, was jedoch auch mit „wir haben alle einheitliche Gesetze“ zu übersetzen sein kann.

198 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 4.2.2.3. Bezeichnung eines Vertrages als eigentlicher („réttr“) Vertrag Auch andere Wörter und Wendungen sehen nach Lehnübersetzungen aus, welche dem lateinischen bzw. dem an ihn angelehnten griechischen Sprachgebrauch entsprungen sein können. Da wenige Vertragstypen in der Grágás näher geregelt sind, ist es erstaunlich, dass häufiger von einem „eigentlichen“ Vertrag gesprochen wird, so beispielsweise bezüglich eines Miet bzw. Pachtvertrages. Ef majr leigir bu fe at manna at leigo mala réttum.63

Wenn einer von jemandem Nutzvieh mit eigentlichem Miet- (oder Pacht)vertrag mietet, …

63

Dasselbe Bild ergibt sich beim Fütterungsvertrag: Nv felr majr fe inne at avjrom oc á sa maldagi at halldaz mej peim sem peir verja a sattir. Nu felr hann fe ine at fulgo mala réttum. […]64

Ef majr felr hros in e at manne at fulgo mála réttum. […]65

Wenn jemand Vieh bei einem anderen einstellt, dann soll dieser Vertrag zwischen ihnen so eingehalten werden, wie sie sich einigen. Wenn jemand sein Vieh gemäß eigentlichem Fütterungsvertrag einstellt, […] Wenn jemand sein Pferd bei einem anderen mit eigentlichem Fütterungsvertrag einstellt, […]

6465

Aber auch im Hinblick auf einen Pachtvertrag findet sich diese Formulierung: Ef majr leigir land at leigo male retto.66

Wenn jemand Land pachtet mit eigentlichem Pachtvertrag.

66

Weiterhin findet sich diese Formulierung beim Kaufvertrag über das Recht an Treibgut:

63 64 65 66

Grágás II, Kap. 201, S. 236.21=Grágás Ib, Kap. 224, S. 152.05–06. Grágás II, Kap. 206, S. 240.03–04=Grágás Ib, Kap. 225, S. 154.14–16. Grágás II, Kap. 207, S. 240.15. Grágás II, Kap.434, S. 497.19=Grágás Ib, Kap. 219, S. 135.11.

Sprachliche Besonderheiten

Par er majr kavpr reka af landi an ars manz oc scilia peir eigi pat mal gør en hann kavpe af landino rekan at rétto lög mále. pa scal sva fara sem nu mvn ec tína.67

199

Wenn jemand das Treibgutrecht vom Land eines anderen kauft und sie diese Sache nicht näher regeln, als dass er vom Land das Treibgutrecht kaufe mit eigentlichem Vertrag, dann soll so verfahren werden, wie ich nun aufzählen werde: […]

67

Auch im Christenrecht wird von einem eigentlichen Vertrag gesprochen, aufgrund dessen ein Junge zum Priester ausgebildet wird: Pat er manne oc rétt at lata læra prestling til kirkio sinar. hann scal gera mál daga vij sueininn sialfan ef hann er svi. vetra. En ef hann er yngri. pa scal hann gera vij lögrájanda hans. Sa máldagi a at halldaz allr er peir gera mej ser. Nu gera peir eigi maldaga annan en majr tekr prestling til kirkio at lög male rétto. […]68

Es ist einem gestattet, einen Priesterschüler in seiner Kirche anlernen zu lassen. Er soll einen Vertrag mit dem Jungen selbst machen, wenn er 16 Winter alt ist. Wenn er jünger ist, dann soll er (ihn) mit seinem gesetzlichen Vertreter abschließen. Dieser Vertrag soll vollständig eingehalten werden, wie sie (ihn) zwischen sich vereinbaren. Wenn sie keinen weitergehenden Vertrag schließen, als dass einer einen Priesterschüler zur Kirche mit eigentlichem Vertrag annimmt, […]

68

Die meisten Stellen geben einen Hinweis auf den Hintergrund, vor dem das Adjektiv réttr in diesem Zusammenhang verwendet wird. Wenn der Vertrag nicht mit anderen Bedingungen abgeschlossen wird, dann sollen die im Gesetz festgelegten dispositiven Grundregeln gelten und nur dann handelt es sich um den jeweiligen Vertrag „im eigentlichen Sinne“. Dies wird mit réttur kenntlich gemacht. Dieser Sprachgebrauch erinnert stark an die Verwendung des Adverbs proprie im römischen Recht, mit dem gleichermaßen bezeichnet wird, wenn ein Vertrag ein „eigentlicher“ ist, der dem gesetzlichen Regelbild entspricht.69 67 68 69

Grágás II, Kap. 442, S. 514.12–14. Grágás II, Kap. 14, S. 20.23–21.01; vgl. Grágás Ia, Kap. 4, S. 17.19–25. Vgl. nur D. 13, 6, 1, 1 (Ulpianus libro vicensimo octavo ad edictum): proprie commodata res dicitur; D. 13, 7, 9, 2 (Ulpianus libro vicensimo octavo ad edictum): Proprie pignus dicimus, quod […]; D. 29, 3, 2, 1 (Ulpianus libro quinquagesimo ad edictum): Testamentum autem

200 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 4.2.2.4. Verwendung der substantivierten Verbform nautn (‚Gebrauch‘) Auch die Substantive nautn (‚Gebrauch‘) sowie hrossnautn70 (‚Gebrauch eines Pferdes‘) und grasnautn71 (‚Gebrauch von Gras‘, beispielsweise durch Abweiden oder Mähen) deuten darauf hin, dass es sich um Übersetzungen des lateinischen usus handelt, da es im Isländischen deutlich näher gelegen hätte, das Verb nicht in einer substantivierten Form zu verwenden, sondern die verbotene Handlung einfach durch das Verb auszudrücken. 4.2.2.5. Bezeichnung von Entscheiden als skera úr (‚entscheiden‘) Die Formulierung skera úr 72 (‚etwas entscheiden‘; wörtlich: ‚etwas auseinanderschneiden‘) sieht nach einer Lehnübersetzung von decidere aus. Im heutigen Isländisch wird das hiermit verwandte Substantiv úrskurjr (‚Entscheidung‘) ebenso wie das Verb úrskurja (‚entscheiden‘) vor allem für Entscheidungen rechtlicher Fragen durch staatliche Stellen verwandt.73 Daneben gibt es weiterhin die Wendung skera úr um eitthvat („über etwas ent-

70

71 72

73

proprie illud dicitur, quod […]; D. 38, 16, 1 pr. (Ulpianus libro duodecimo ad Sabinum): Intestati propie appellantur, qui […]; D. 38, 16, 8 pr. (Iulianus libro quinquagensimo nono digestorum): Nam quod in consuetudine nepotes cognati appellantur etiam eorum, post quorum mortem concepti sunt, non proprie, sed per abusionem vel potius φ « [id est: relative] accidit.“; D. 39, 5, 1 pr. (Iulianus libro septo decimo digestorum): […], haec proprie donatio appellatur.; D. 50, 16, 83 (Iavolenus libro quinto ex Plautio): Proprie ‚bona‘ dici non possunt, quae plus incommodi quam commodi habent. Vgl. Grágás II, Kap. 207, S. 240.17–20: Ef menn neyta hros pes. oc a sa at søkia um navtnina er hros a. Enda verjr sa iafnt sekr um navtnina sem ajrir menn. nema hann scylldi at öllo abyrgiaz. pa á hann at neyta sem sina hrossa oc spilla eigi. oc á sa at søkia vm hrossnavtnina sem abyrgiz. („Wenn Leute dieses Pferd in Gebrauch nehmen, hat derjenige wegen des Gebrauchs zu verfolgen, dem es gehört. Außerdem wird dieser [, der es verwahrt,] ebenso schuldig wegen des Gebrauchs wie andere Leute, es sei denn, er sollte vollständig die Gefahr tragen, dann soll er es gebrauchen wie seine eigenen Pferde, es aber nicht verderben, und es soll derjenige wegen des Pferdegebrauches verfolgen dürfen, der die Gefahr trägt.“) Vgl. Grágás II, Kap. 392, S. 425.01, Kap. 434, S. 499.07. Vgl. Grágás Ia, Kap. 117, S. 213.24–26: Nu præta menn vm lögmal. oc má pa ryjia logrétto til. ef eigi scera scár ór. („Jetzt streiten sich Leute über eine Rechtsfrage, dann darf man aus der gesetzgebenden Versammlung herauswählen, wenn die Aufzeichnungen es nicht entscheiden.“); Grágás Ib, Kap. 150, S. 42.10–11: En ef byscop scer ecki ór vm scilnaj peirra. pa scolo [frændr?] heimta fe hennar sem hann haf lofat scilnat. („Wenn der Bischof nicht über ihre Scheidung entscheidet, dann sollen (ihre Verwandten) ihr Gut herausverlangen, als ob er die Scheidung erlaubt hätte.“) Vgl. Íslensk orjabók3 II (2002), S. 1668 (úrskurja, úrskurjur) mit Verwendungsbeispielen.

Sprachliche Besonderheiten

201

scheiden“) in derselben Bedeutung wie in der Grágás.74 Weil beide Wörter sich von dem jeweiligen Verb für „schneiden“ herleiten, sieht die Wendung skera úr nach einer exakten Übersetzung von decidere aus. 4.2.2.6. Verwendung des Wortes naujsyn im Sinne von ‚wichtiger Grund‘ Auch das an mehreren Stellen vorkommende Substantiv naujsyn (‚Notwendigkeit‘) hat im lateinischen Wort necessitas eine enge Entsprechung.75 Im juristischen Sprachgebrauch im Deutschen kann naujsyn regelmäßig mit „wichtigem Grund“ übersetzt werden. En pat er lögvörn gerpar manne ef hann ma eigi koma fyrir navj synium.76

Aber es dient dem Schiedsrichter als gesetzlich zugelassene Verteidigung, wenn er aus wichtigem Grunde nicht kommen kann.

76

Die Situation, dass jemand zu einem Verfahrenstermin nicht erscheinen kann, stellt wohl den häufigsten Fall der Verwendung des Begriffs naujsyn dar.77 74 75

76 77

Vgl. Íslensk orjabók3 II (2002), S. 1319 (skera+úr). Vgl. die Wendungen ex necessitate in: D. 6, 1, 15, 1; D. 16, 3, 1, 2; D. 20, 5, 9 pr.; D. 23, 1, 17; D. 23, 3, 33; D. 23, 2, 50 und propter necessitatem in: D. 14, 1, 1 pr.; D. 34, 4, 18; D. 50, 17, 162. Grágás II, Kap. 248, S. 279.18–20. Vgl. Grágás II, Kap. 218, S. 251.11–13: En pa dvelia peir crossförina ef peir föra eigi pegar af hendi er peir vito at cross com ef eigi bægia navjsyniar peirra. („Und dann verzögern sie den Kreuztransport, wenn sie es nicht sofort weiterreichen, wenn sie wissen, dass ein Kreuz kam, sofern nicht ihre notwendigen Verrichtungen davon abhalten.“), vgl. Grágás Ib Kap. 234, S. 173.09–11); Kap. 307, S. 345.01–04: Ef majr tecr soc af manne oc verja pav mein á at söc verjr eigi sótt fyrir navjsyniom. pa a apili siálfr at taca til sakar sinar oc søkia et næsta sumar eptir. („Wenn jemand die Sache eines anderen übernimmt und das Übel eintritt, dass die Sache aus wichtigem Grund nicht verfolgt wird, dann soll die Partei sich selbst seiner Sache annehmen und den nächsten Sommer darauf klagen.“); Kap. 441, S. 513.20–23: Ef majr flytr vij sin a anars manz fiöro oc scal sa vijr eigi par lengr ligia en .iii. nætr ef pat er reka fiara. nema hann se vejr fastr eja verje hann sivkr eja sar eja nokor navjsyn bere til pess. („Wenn jemand sein Holz zum Ufer eines anderen transportiert, dann soll dieses Holz dort nicht länger liegen als 3 Nächte, wenn das ein Treibholzufer ist, es sei denn, er werde durch das Wetter verhindert oder er werde krank oder verwundet oder irgendein wichtiger Grund gebe dazu Anlass.“); Grágás Ia, Kap. 23, S. 43.19–22: Gopar allir scolo koma til pings .v. dag vikv er .x. uikur erv af sumri apr sol. gangi af pingvelli. en ef peir koma eigi sva. pa erv peir utlagir. oc af gojorpi sinv nema navpsyniar beri til. ef peir koma eigi. („Alle Goden sollen zum Thing kommen am Don-

202 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Gleichermaßen gibt es mit dem Adjektiv naujsynjalauss bzw. dem Adverb naujsynjalaust eine Negativformulierung, die von der Wendung sine necessitate herrühren kann.78

78

nerstag der Woche, wenn 10 Wochen vom Sommer herum sind, bevor die Sonne vom Thingplatz verschwindet. Wenn sie nicht so erscheinen, dann sind sie bußfällig und aus ihrem Godentum, es sei denn, es liege ein wichtiger Grund vor, wenn sie nicht kommen.“); Kap. 34, S. 60.27–61.01: Sa majr abiarg quijar at beija honom er vill heimilis bva .v. pess manz er sottr er hvart hann hafe at navjsyniom peim heima setit er til ero mæltar i logom eja hafi hann eigi. („Derjenige, der will, soll ihm eine Verteidigungsjury berufen aus 5 Anwohnern dessen, der verfolgt wird, ob er aus solchen wichtigen Gründen zu Hause geblieben sei, die die Gesetze bestimmen oder ob er es nicht sei.“), S. 61.13–15: Ef hann fær eigi pan biarg quij at hann siti fyrir peim navj syniom heima er til ero mæltar. at pa varjar honom slíct sem ájan talda æc. („Wenn er nicht den Verteidigungsjuryspruch erlangt, dass er aus den wichtigen Gründen zu Hause geblieben ist, die [in den Gesetzen] bestimmt sind, so steht für ihn darauf solches, wie ich zuvor aufgezählt habe.“); Kap. 50, S. 87.12: […] oc mátto comaz fyrir navjsyniom. („[…] und hätten kommen können, weil kein wichtiger Grund vorlag.“) sowie Zeilen 20–23: En heimilis bua sina .v. at scilia um pat hvart hann mætti comaz til ferans domsins epa eigi fyrir navjsyniom. („Und seine 5 Wohnortanwohner [sollen] darüber entscheiden, ob er zum Vollstreckungsgericht hätte kommen können oder ob er aus wichtigem Grund nicht hätte kommen können.“)= Kap. 62, S. 116.15–16, vgl. Kap. 54, S. 93.17–18. Vgl. Grágás Ia, Kap. 1, S. 5.16–17: […] epa syniar […] at navjsynia lavso […] („[…] oder es ohne wichtigen Grund verweigert […]“); Kap. 4, S. 16.19–20: […] oc syngr hann par messo loghelga daga alla. navj synia lavst. („[…] und singt er dort die Messe an allen gesetzlichen Feiertagen, wenn kein wichtiger Grund ihn daran hindert.“)=Grágás II, Kap. 14, S. 18.15–16; Grágás Ia, Kap. 116, S. 210.06–09: Pat er oc at lögsögo majr er ut lagr iii. morcom ef hann kømr eigi til alpingis fosto dag in fyra ajr menn gangi til lögbergs at navjsyniar lavso. enda eigo menn pa at taca anan logsogo man ef vilia. („Weiterhin ist bestimmt, dass der Gesetzessprecher bußfällig um 3 Mark ist, wenn er ohne wichtigen Grund nicht den ersten Freitag auf dem Allthing erscheint, bevor die Leute zum Gesetzesfelsen gehen und die Leute können dann einen anderen Gesetzessprecher nehmen, wenn sie wollen.“), Kap. 117, S. 217.03–05: Pat varjar alt .iii. marca utlegj logsogo manne ef hann leysir eigi af hende pav scil öll er hann er scyldr til at navjsynia lavso. oc a sa majr pa utlegj halfa er søkir en hálfa domendr. („Auf alles steht für den Gesetzessprecher 3-Marksbuße, wenn er ohne wichtigen Grund nicht alle Aufgaben erfüllt, zu denen er verpflichtet ist, und demjenigen steht die Buße zur Hälfte zu, der verfolgt, und zur Hälfte den Richtern.“); Grágás Ib Kap. 193, S. 103.24–104.03: Sa er scyldr at vera heima sumars dag enn fyrsta ef honom er sva heimstefnt. til boj mála kørs sem nv er talet. ef hann er pa eigi heima navjsynia lavst. enda hafe hann eigi pan man til kørs fyrir sic er handsol se eigande vij. pa er landit mala lavst. („Dieser ist verpflichtet, am ersten Sommertag zu Hause zu sein, wenn er so zu sich nach Hause zur Entscheidung über das Angebot vorgeladen wurde, wie nun aufgezählt ist. Wenn er dann ohne wichtigen Grund nicht zu Hause ist, und er dort auch nicht für sich jemanden zur Entscheidung hat, mit dem man einen Handschlagsvertrag schließen kann, dann ist das Grundstück frei vom Vorkaufsrecht.“)

Sprachliche Besonderheiten

203

4.2.2.7. Verwendung des Wortes von (‚Hoffnung‘) Auch die Begriffe fjárvon79 (‚Hoffnung auf Geld‘) und arfvon80 (‚Erbschaftshoffnung‘) sehen sehr nach einer Übersetzung der entsprechenden Formulierungen mit spes … aus, vor allem, weil substantivierte Verben in einem vergleichbaren Sinnzusammenhang in der Grágás nur an sehr wenigen Stellen vorkommen und es daher überrascht, dass für diesen Umstand gleich ein eigenes Hauptwort gebildet wird und eine Umschreibung mit einem Verb nicht als ausreichend angesehen wurde. Gerade arfvon (‚Erbschaftshoffnung‘) sieht stark nach einer Übersetzung von spes successionis aus.81 4.2.2.8. Bezeichnung von Übertragen als selja í hqnd Die Übertragung eines Rechts bzw. einer Angelegenheit auf einen anderen wird meist mit selja í hqnd bzw. handselja (‚in die Hand geben‘) bezeichnet.82 Dieses Verb entspricht dem Lateinischen mandare, mit dem ebenfalls die Übertragung einer Sache auf einen anderen bezeichnet wird.83 Auch handselja bezeichnet überwiegend das Abtreten einer Berechtigung.84 79 80

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Grágás II, Kap. 185, S. 225.22. Vgl. Grágás Ia, Kap. 123, S. 236.03+04+12, Kap. 125, S. 240.14; Grágás II, Kap. 65, S. 82.28, S. 83.02+10; Kap. 69, S. 90.05; Kap. 79, S. 101.22; AM 125a in: Grágás III, S. 411(Arfa páttr, Kap. 10, S. 414.12). Vgl. D. 25, 4, 13 und 14 (Ulpianus libro vicesimo quarto ad edictum): […] cum sit in spe constitutus successionis, […]; Denuntiari autem oportet his, quos proxima spes successionis contingit, ut […]. Siehe die Hinweise auf die verschiedenen möglichen Übertragungen bei Vilhjálmur Finsen, Registre og Oversigter: in: Grágás III, S. 508(621). Stichwörter: handsal, handsala, handsalsmajr/ handsalamajr, handsalsslit). Vgl. beispielsweise D. 3, 3, 70; D. 10, 2, 2, 5; D. 13, 7, 13 pr.; D. 13, 7, 24, 2; D. 15, 1, 51; D. 15, 1, 53; D. 17, 2, 23 pr.; D. 26, 7, 25; D. 36, 1, 38, 1; D. 46, 1, 41, 1; D. 46, 3, 76; D. 47, 2, 14 pr.; D. 50, 1, 17, 7; D. 50, 4, 6 pr. Vgl. Grágás II, Kap. 132, S. 167.12: […] pott hann seli avjrom manne ihönd festarnar […] („[…] auch wenn er einem anderen das Verlobungsrecht überträgt […]“)=Grágás Ib, Kap. 148, S. 38.23–24; Grágás II, Kap. 242, S. 273.06–09: Rétt er at majr segi sic iping hvart sem hann vill a alpingi eja a varpingi. oc spyria goja eptir ef hann vili vij honom taca. Rétt er at selia avjrom manne i havnd at mæla pvi mále. („Es ist gestattet, dass man sich einem Thingverband anschließe, wo man will, auf dem Allthing oder auf dem Frühjahrsthing und man soll den Goden danach fragen, ob er einen annehmen will. Es ist gestattet, es jemand anderem zu übertragen, diese Sache zu sagen.“), vgl. Grágás Ia, Kap. 81, S. 136.25–137.02); Grágás II, Kap. 302, S. 341.22–24: Sua oc pær sakir allar oc varnir er sa hevir til búnar poat handselldar se a pvi pingi ef hann fer pa mej. („Ebenso alle Sachen und Verteidigungen, die dieser vorbereitet hat, auch wenn sie auf diesem Thing abgetreten werden, wenn er sie vertritt.“)=Grágás Ia, Kap. 99, S. 175.03–04;

204 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 4.2.2.9. Formulierung mit af trúnaji (‚aus Vertrauen‘) Die Formulierung selja fé af trúnaji at láni eja til hirzlu85 (wörtlich: „[jemandem] Gut/ Vieh aus Vertrauen zur Leihe oder Aufbewahrung übergeben“) sieht nach einer Lehnübersetzung einer Formulierung aus, welche das Wort fides enthält, und könnte damit ‚fiduziarische Verwahrung‘ bedeuten. Das Substantiv trúnajr ist im isländischen Sprachgebrauch an dieser Stelle verhältnismäßig ungewöhnlich; es stimmt mit dem Lateinischen fides inhaltlich überein. Die Vorschrift, welche diese Formulierung enthält, soll unten S. 253 ff. näher erläutert werden. 4.2.2.10. Verwendung des Wortes heimild im Sinne von ‚Gewährschaft‘ Auch die etwas ungewöhnliche Verwendung des isländischen Wortes heimild in genau derselben Konstellation, in der im Lateinischen auctoritas steht,86 soll erst unten ab S. 311 näher dargestellt werden. Der in diesem Zusammenhang gebrauchte deutsche Begriff „Gewährschaft“87 stellt gegenüber der eleganten isländischen Übersetzung eine heutzutage etwas unbeholfen wirkende Paraphrase dar.

85 86 87

Grágás II, Kap. 389, S. 411.14–16: Rétt er oc at majr. seli öjrom mane ihond at brigja land sem ajra soc. enda er pa scyllt at lata bera handselldar vætte at lögberge ajr lögsögu majr sege mönnom til. […] („Zulässig ist es auch, dass jemand es wie eine andere Klageberechtigung einem anderen abtritt, das Land einzufordern; dann aber ist dieser verpflichtet, ein Abtretungszeugnis am Gesetzesfelsen ablegen zu lassen, bevor der Gesetzessprecher den Leuten vorträgt, […]“); Grágás II, Kap. 453, S. 526.18–22: Pat er rett ef scot majr fer eigi til alpingis at hann seli avjrom manne i hond at heimta scot fe sin a pingi af öllum peim mönnom er pat sumar eiga scot fe til pings at hafa. oc sva sakar ef eigi gelldz feet. poat eigi nefni peir menn til pes at hafa eina vátt nefno. („Es ist gestattet, wenn ein Harpunier nicht zum Allthing fährt, dass er es einem anderen abtrete, sein Harpunengeld auf dem Thing von all den Leuten zu verlangen, die diesen Sommer Harpunengeld zum Thing mitbringen müssen und ebenso die Klageberechtigungen, wenn das Geld nicht gezahlt wird, auch wenn sie keine Leute dafür benennen, eine Zeugenbenennung vorzunehmen.“); Grágás II, Kap. 454, S. 528.01–04: En ef scot majr selr fleirum mönnum ena somo heimting sva at honom var eigi aptr selld a milli oc er pat pa sem osellt se at pvi. at sa majr ma huergi at logum heimta er sijar tok af skot manne heimtona. („Wenn aber ein Harpunier dasselbe Einfordern mehreren Leuten in der Form überträgt, dass er ihm nicht unterdessen zurückübertragen wird, so ist das, als ob es insoweit nicht übertragen worden wäre, als dass es derjenige nirgendwo gemäß dem Gesetz beanspruchen darf, der später vom Harpunier die Forderung übernahm.“) Grágás II, Kap. 182, S. 220.01–02=Grágás Ib, Kap. 221, S. 146.17–18. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 412.16–17. Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 129 (§ 32 III.2.) und öfter.

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

205

4.2.2.11. Zwischenergebnis Eine ganze Reihe von Wörter und Wendungen in der Grágás scheinen Lehnübersetzungen zu sein. Ob es sich dabei um Lehnübersetzungen aus dem Lateinischen oder aus dem Griechischen handelt, kann anhand der untersuchten Beispiele nicht genau bestimmt werden, da die einschlägigen Fachbegriffe im Griechischen meist sehr wortgenaue Lehnübersetzungen aus dem Lateinischen sind.

4.3. Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung Zur juristischen Methodik zählt auch die Frage, wie die verschiedenen Lebenssachverhalte von Normen erfasst werden und welchen Anspruch die gesetzliche Ordnung an ihre eigene Geltung stellt. Im Folgenden soll daher kurz dargestellt werden, welches Konzept der Grágás in diesen Fragen zu Grunde gelegt wird. 4.3.1. Bekenntnis zur lex scripta, Regelung über die Rangfolge von Gesetzestexten („Zitiergesetz“) sowie die Bindungswirkung von Gesetzen im Einzelfall Die Vorschriften über die Rangfolge der Gesetze zählen zu den bekanntesten Normen der Grágás. Meist wird das damit eng verbundene Bekenntnis zur lex scripta besonders herausgestellt. Pat er oc at pat scolo lög vera alanje her sem áscrám standa. En ef scrár scilr á oc scal pat hafa er stendr a scröm peim er byscopar eigo. Nu scilr en peirra scrár á. pa scal sv hafa sitt mal er lengra segir peim orjom er male scipta mej monnom. En ef pær segia iafn langt. oc po sitt hvar. pa scal su hafa sit mal er iscalahollti er.

Das gilt weiterhin, dass Gesetz hier im Lande sein soll, was in Aufzeichnungen steht. Wenn sich die Aufzeichnungen unterscheiden, soll das gelten, was in den Aufzeichnungen steht, die die Bischöfe haben. Wenn sich deren Aufzeichnungen unterscheiden, dann soll diejenige gelten, die mehr Wörter darüber enthält, was zwischen den Leuten entscheidend ist. Wenn sie beide gleich lang sind, aber dennoch jede auf eigene Art, dann soll diejenige gelten, die in Skálholt ist.

206 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Pat scal alt hafa er fin z a scrö peirre er haflije let gera nema pocat se sipan. en pat eítt af an ara lög manna fyrir sögn er eigi mæli pvi igegn. oc hafa alt er hitzug leifir eja gløg ra er.

Nu præta menn vm lögmal. oc má pa ryjia logrétto til. ef eigi scera scrár ór.88

Es soll alles gelten, was sich in dem Verzeichnis findet, das Hafliji anfertigen liess, es sei denn, es wurde später abgeschafft, und nur das von den Vorgaben anderer Juristen, was dem nicht widerspricht, und man soll alles akzeptieren, was dort offengelassen wird oder was verständlicher ist. Wenn Leute sich über Rechtsfragen streiten, dann darf man aus der gesetzgebenden Versammlung herauswählen [damit die um möglicherweise befangene Mitglieder reduzierte Versammlung die Rechtsfrage entscheiden konnte], wenn die Aufzeichnungen sie nicht entscheiden.

88

Ein weiteres Bekenntnis zur lex scripta findet sich noch an anderer Stelle in der Grágás.89 Schon früh ist die Ähnlichkeit mit dem von Valentinian III. erlassenen Zitiergesetz aus dem Jahre 426, das uns in der Formulierung des Codex Theodosianus von 438 erhalten ist,90 erkannt worden. Dennoch hat beispielsweise Vilhjálmur Finsen behauptet, dass die isländische Regelung nicht in Kenntnis des römischen Zitiergesetzes erlassen worden sein könne: Vel gaves der en beslægtet Bestemmelse i Romerretten, men der hidførtes den ved en lang Tids eiendommelige Udvikling af Institutioner, hvortil de islandske Forhold havde saa lidet Tilsvarende som muligt, og det er givet, at Romerretten ikke har havt nogensomhelst Indflytelse paa den islandske Ret og altsaa heller ikke i den her omtalte Henseende har kunnet tjene til Forbillede for denne.91

88 89

90 91

Grágás Ia, Kap. 117, S. 213.15–26. Vgl. Grágás II, Kap. 78, S. 101.13–15: Pat er oc af tekit er ritat var i fornum logbócum at vm legorj lavngetina quena sculdi fiör bavgs garj varja. pat scal par scog gang varja sem anars stajar. („Das ist auch abgeschafft, was in alten Gesetzbüchern geschrieben war, dass auf Beischlaf mit heimlich [=außerehelich] gezeugten Frauen dreijährige Landesverweisung stehen sollte, darauf soll Waldgang stehen, wie ansonsten auch.“) Vgl. Fritz Schulz, Geschichte der römischen Rechtwissenschaft, S. 357 ff. Vgl. Vilhjálmur Finsen, Om den islandske Love i Fristatstiden, in: Aabøger for nordisk Oldkyndighed og Historie 1873, S. 101(128).

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

207

„Wohl gab es eine verwandte Bestimmung im römischen Recht, aber diese wurde dort auf die über eine lange Zeit erfolgte eigentümliche Entwicklung der Institutionen zurückgeführt, währendhingegen die isländische Situation sehr wenig Entsprechendes aufweist; und es steht fest, dass das römische Recht keinen irgendwie gearteten Einfluss auf das isländische Recht gehabt hat und daher auch nicht in der hier behandelten Hinsicht als Vorbild dafür gedient haben kann.“

Die in der Abhandlung von Vilhjálmur Finsen immerhin festgehaltene Erkenntnis, dass die isländische Vorschrift über die Rangfolge divergierender Gesetzestexte dem Zitiergesetz von Theodosius II. und Valentinians III. ähnelt, hätten Anlass dazu geben müssen, die beiden Normen näher zu vergleichen und dann auch die Entstehungsgeschichte der isländischen Gesetze genauer zu untersuchen.92 Denn spätestens ein Vergleich mit einer Bestimmung aus den älteren Gulathingsgesetzen aus Norwegen darüber, was Gesetzeskraft hat, hätte die Außergewöhnlichkeit der isländischen Norm zu Tage treten lassen. In den älteren Gulathingsgesetzen wird nämlich in Zweifelsfällen der Vorrang der älteren, mündlich bewahrten Gesetze angeordnet.93 Das römische Zitiergesetz aus dem Codex Theodosianus legt fest, dass die Rechtsansichten von fünf als führend angesehenen Juristen maßgeblich sein sollten, und legt eine Rangfolge unter den Ansichten dieser fünf „Zitierjuristen“ fest, wenn diese eine Rechtsfrage unterschiedlich lösten. impp. theod(osius) et valentin(ianus) aa. ad senatum vrbis rom(ae). post alia Papiniani, Pauli, Gai, Ulpiani atque Modestini scripta universa firmamus ita, ut Gaium quae Paulum, Ulpianum et ceteros comitetur auctoritas lectionisque ex omni eius corpore recitentur. Eorum quoque scientiam, quorum tractatus atque sententias praedicti omnes suis operibus 92

93

Emperors Theodosius and Valentinian Augustuses to the Senate of the City of Rome. (after other matters) We confirm all the writings of Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian and Modestinus, so that the same authority shall attend Gaius as Paulus, Ulpian and the others, and passages from the whole body of his writings may be cited. 1. We also decree to be

In diesem Sinne auch Sveinbjörn Rafnsson, Grágás og Digesta Iustiniani, in: Sjötíu ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni II, S. 720(721 f.). Vgl. Ældre Gulathings-Lov, Kap. 314 a. E. in: Norges Gamle Love I, S. 1(104.19–23): Nu hafum vér landvorn vara a skra setta. oc vitum eigi hvárt pat er rett æja ragnt. En po at ragnt se. pa scolom vér pat logmal hava um utgerjir várar er fyrr hever verit. oc Atle talde firi monnum i Gula. nema konongr várr vili oss œjrom iatta. oc verjim vér a pat satter aller saman. („Jetzt haben wir [die Bestimmungen über] unsere Landesverteidigung kodifiziert und wir wissen nicht, ob das richtig oder falsch ist. Aber auch wenn es falsch sein sollte, dann sollen wir das Gesetz über unser Seewesen haben, wie es zuvor gewesen ist und wie Atli es den Leuten in Gula aufgesagt hat, es sei denn, unser König will uns ein anderes (Gesetz) geben und wir uns dann alle auf dieses einigen.“)

208 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 9495

miscuerunt, ratam esse censemus, ut Scaevolae, Sabini, Iuliani atque Marcelli omniumque, quos illi celebrarunt, si tamen eorum libri propter antiquitatis incertum codicum collatione firmentur. Ubi autem diversae sententiae proferuntr, potior numerus vincat auctorum, vel si numerus aequalis sit, eius partis praecedat auctoritas, in qua excellentis ingenii vir Papinianus emineat, qui ut singulos vincit, ita cedit duobus. Notas etiam Pauli atque Ulpiani in Papiniani corpus factas, sicut dudum statutum est, praecipimus infirmari. Ubi autem eorum pares sententiae recitantur, quorum par censetur auctoritas, quos sequi debeat, eligat moderatio iudicantis. Pauli quoque sententias semper valere praecipimus.

et cetera. dat. vii. id. novemb. ravenna. dd.nn. theod(osio) xii et valent(iniano) ii aa. conss. 94

94 95

valid the learning of those persons whose treatises and opinions all the aforesaid jurisconsults have incorporated in their own works, such as Scaevola, Sabinus, Julianus, and Marcellus, and all others whom they cite, provided that, on account of the uncertainty of antiquity, their books shall be confirmed by a collation of the codices. 2. Moreover, when conflicting opinions are cited, the greater number of the authors shall prevail, or if the numbers should be equal, the authority of that group shall take precedence in which the man of superior genius, Papinian, shall tower above the rest, and as he defeats a single opponent, so he yields to two. 3. As was formerly decreed, We also order to be invalidated the notes which Paulus and Ulpian made upon the collected writings of Papinian. 4. Furthermore, when their opinions as cited are equally divided and their authority is rated as equal, the regulation of the judge shall choose whose opinion he shall follow. 5. We order that the Sentences of Paulus also shall be valid. (Etc.) Given on the eighth day before the ides of November at Ravenna in the year of the twelfth consulship of Our Lord Theodosius Augustus and the second consulship of Our Lord Valentinian Augustus. [November 6 (7), 426]95

Codex Theodosianus I, 4, 3. The Theodosian Code, Üb. Clyde Pharr, S. 15. Die geringfügigen Abweichungen erklären sich vermutlich aus dem Berücksichtigen einer anderen Ausgabe des Codex Theodosianus, auch wenn eigentlich der Ausgabe von Theodor Mommsen gefolgt wird, vgl. Clyde Pharr, Preface, in: The Theodosian Code, S. vii.

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

209

Mit dieser Bestimmung suchte man die Rangfolgenfrage zu klären, wenn es um die Zitierfähigkeit und damit um das Gewicht der genannten Juristen in einer juristischen Auseinandersetzung ging. Während im römischen Recht die Meinungen der verschiedenen Zitierjuristen ins Verhältnis gesetzt werden, ist es im isländischen Recht die Rangfolge der einzelnen Aufzeichnungen, die im Hinblick auf ihre Autorität geregelt wird. Da ist es überzeugend, wenn den Exemplaren der Bischöfe größere Autorität zugedacht wird als anderen Handschriften. Interessant ist neben der grundsätzlichen Regelung die Bestimmung in Satz 4, nach der bei gleicher Anzahl der Meinungen der Richter die Frage entscheiden soll. Dem entspricht es strukturell in der Grágás, wenn die lqgrétta, die gesetzgebende Versammlung auf dem Allthing, die streitige Frage entscheiden konnte, wenn sie nicht von den schriftlich niedergelegten Bestimmungen entschieden wurde. Es hätte zwar noch stärker dem römischen Recht entsprochen, wenn die Entscheidung dem Prozessgericht, also dem einschlägigen Viertelsgericht oder dem Fünften Gericht zugewiesen wäre, aber aufgrund der sehr strikten Trennung zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung in Island96 ist es nur folgerichtig, wenn die Frage von der lqgrétta entschieden wird. Wegen des evident unmittelbaren Einflusses auf den Prozessausgang durften in diesem Fall aus der gesetzgebenden Versammlung auf dieselbe Art Personen herausgewählt werden, wie ansonsten in Gerichtsverfahren aus dem jeweiligen Gericht einige Richter von den jeweiligen Prozessparteien herausgewählt werden durften.97 Von Interesse ist in diesem Zusammenhang auch die Stellung, die Paulus in der dem Zitiergesetz unmittelbar vorangehenden Bestimmung des Codex Theodosianus zugedacht wird. idem a. ad maximvm P(raefaectvm) p(raetorio) Universa, quae scriptura Pauli continentur, recepta auctoritate firmanda sunt et omni veneratione celebranda. Ideoque sententiarum libros plenissima luce et perfectissima elocutione et iustissima iuris ratione succinctos in iudiciis prolatos valere minime dubitatur.

96 97

The same Augustus (Constantinus) and Maximus, Praetorian Praefect. All opinions which are contained in the writings of Paulus, since (or: if ) the have been accepted by duly constituted authority, shall be confirmed and shall be given effect with all veneration. Therefore, there is not the least doubt that his Books of Sentences, characterized by the fullest lucidity, a most finished style of

Vgl. bereits oben Teil1 S. 50 (Fn. 150). Vgl. Vilhjálmur Finsen, Grágás III, s.v. ryjja, S. 662 f.

210 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts

dat. v K. Oct. trev(iris) constantio et maximo conss.

expression, and a most reasonable theory of law, are valid when cited in court. Given on the fifth day before the calends October at Trier in the year of the consulship of Constantinus and Maximus [September 27, 327, 328]

Damit ist die rechtliche Bedeutung der Schriften von Paulus vergleichbar der Stellung, die der Aufzeichnung, die Hafliji anfertigen ließ, in der Grágás eingeräumt wird. Das durch ihn angefertigte Gesetzbuch soll in jedem Fall Geltung genießen. Die Ausnahme, dass dies nicht der Fall sein soll, wenn das Gesetz später geändert wurde, ist ebenfalls folgerichtig vor dem Hintergrund, dass man eine Weiterentwicklung des Rechts wünschte und in der Grágás das Verfahren zum Erlass neuer Gesetze ausdrücklich geregelt ist. In der Grágás ist nicht nur geregelt, in welcher Reihenfolge die schriftlichen Rechtsquellen Verbindlichkeit beanspruchen können, sondern es ist auch vorgesehen, dass von einer Rechtsnorm aufgrund einer vorher eingeholten Erlaubnis (lof, f.) der gesetzgebenden Versammlung lqgrétta abgewichen werden konnte. Somit bot die gesetzliche Ordnung trotz ihrer verbindlichen und allgemeinen Geltung in ihrer Anwendung eine gewisse Flexibilität und Einzelfallorientierung, die vermutlich auch dazu führen konnte, dass letztlich eine Novelle erlassen wurde, welche entweder eine offenbar gewordene Lücke füllen sollte oder eine als angemessener angesehene Regelung an Stelle der Vorgängervorschrift in das Gesetz aufnahm. Par scolo menn rétta lög sín oc gera ny mæli ef vilia. Par scal beija monnom sycno leyfa allra. oc satta leyfa peirra allra er einca lofs scal at beija. oc margra lofa an ara. sva sem tínt er ilogom. Pat scal allt metaz sva ilogrétto sem lofat se er engi majr neitir sa er logrétto seto á. enda vere engi lyrite fyrir utan lögrétto.

Dort [in der gesetzgebenden Versammlung] sollen die Leute ihre Gesetze richten und Novellen erlassen, wenn sie wollen. Dort soll man für sich alle Ausnahmeerlaubnisse für eine Achtmilderung und Vergleichserlaubnisse erbitten, für die man um eine Einzelerlaubnis bitten muss, und alle anderen Erlaubnisse, wie es in den Gesetzen aufgezählt ist. Es soll alles so bewertet werden, als ob es in der gesetzgebenden Versammlung erlaubt sei, wenn kein Mann, der Sitz in der gesetzgebenden Versammlung hat, nein sagt und auch

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

Huerr majr peirra er lögrétto seto á. scal gera anattueg ia um leyfe huert at iata eja níta. utlagr er hann ella iii. morcom.

Ef menn bijia lofa ilögrétto sva at peir menn ero o gorla par comnir eja abrott gengnir er lögrétto seto eigo en po ero fernar tylptir manna eja fleiri. pá má logsogo majr scipa pvi lije irum peirra manna er setor eigo til fullz oc utlagaz huerr er syniar pess. Nv verjr mij pallr alscipajr. Pa scal logsogo majr nefna ser vatta. J pat vætte. scal hann quepa at pesir sitia allir i lög rétto at mino raje oc rettir til pess at fylla lög oc lof. nefne ec petta vætti at lögom hueim er niota parf.

Enda scolo pa verja lof öll iafn föst par sem gojar sæti sialfir. oc fyrir peim einiom scolo hinir up risa er ajr sáto.98

211

niemand von außerhalb der gesetzgebenden Versammlung es mit Untersagungsverfügung untersagt. Jeder, der Sitz in der gesetzgebenden Versammlung hat, soll bezüglich einer Erlaubnis eines von Beidem tun; entweder ja sagen oder nein sagen. Ansonsten ist er bußfällig um 3 Mark. Wenn Leute in der gesetzgebenden Versammlung so um Erlaubnisse bitten, dass die Leute, die Sitz in der gesetzgebenden Versammlung haben, dort (noch) nicht hin gekommen oder (schon) weggegangen sind, aber doch vier Dutzend Leute oder mehr (anwesend) sind, dann darf der Gesetzessprecher die Menge an die Stelle derjenigen Leute plazieren, die einen vollständigen Sitz haben und jeder, der es verweigert, wird bußfällig. Wenn das Mittelpodest vollständig besetzt ist, soll der Gesetzessprecher sich Zeugen benennen: „Zu dem Zeugnis“ soll er sagen, „dass all diese nach meiner Vorgabe und rechtmäßigerweise in der gesetzgebenden Versammlung sitzen, um das Gesetz auszufüllen und Erlaubnisse zu gewähren, benenne ich dieses Zeugnis für denjenigen, der es benötigt.“ Und es sollen alle Erlaubnisse genauso fest [wirksam] sein, als ob die Goden (dort) selber säßen und nur für diese sollen die anderen aufstehen, die dort zuvor saßen.

98

Es überrascht, dass die Grágás trotz ihres sehr großen Regelungsumfanges eine so flexible Einzelfallorientierung erkennen lässt, indem an zentraler Stelle im Abschnitt über die Aufgaben der gesetzgebenden Versammlung 98

Grágás Ia, Kap. 117, S. 212.26–213.15.

212 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts lqgrétta die Gewährung vielfältiger Ausnahmen und Bewilligungen zur Abweichung von den im Übrigen unbedingt geltenden Gesetzen vorgesehen ist. In dieser Hinsicht ähnelt die Grágás systematisch dem römischen Recht. Aus diesem wurde zwar vieles aus der Kasuistik der bestehenden Rechtsordnung in das justinianische Gesetzeswerk aufgenommen, man begnügte sich aber damit, Falllösungen als Grundlage für das juristische Argumentieren bereitzustellen, bei dem dann durch gerechtes Abwägen des Für und Wider die richtige Entscheidung des einzelnen Fallproblems gefunden werden soll.99 Bestand Bedarf, von einer schon formulierten, im betreffenden Fall aber als unbillig empfundenen Rechtsregel abzuweichen, so gab es im klassischen römischen Recht die Möglichkeit, beim Prätor eine exceptio zu beantragen, die in einigen Fällen später in das Edikt aufgenommen wurde.100 Die Möglichkeit der Grágás, in der lqgrétta eine Bewilligung (lof ) zu beantragen, entspricht damit der Option, den Prätor um eine exceptio zu bitten, so dass sich die Stellung des Prätors und die der Lqgrétta in diesem Fall gleichen. 4.3.2. Dispositives Recht In einigen Bestimmungen finden sich ausdrückliche Vorschriften, die deutlich machen, dass der Inhalt eines Schuldverhältnisses durch die Parteiabreden bestimmt wird. In diesem Fall kann privatautonom der Inhalt eines Schuldverhältnisses festgelegt und damit teilweise auch vom ansonsten geltenden dispositiven Gesetzesrecht abgewichen werden. Letzteres gilt nur subsidiär, sofern und soweit die Parteien im betreffenden Fall nichts geregelt haben. Besonders anschaulich wird dies anhand einer schon oben zitierten Bestimmung im Abschnitt über das Treibgut, aus der sich zudem ersehen lässt, dass auch bei den gesetzlich geregelten Vertragsarten ein Abweichen möglich war, sofern dies im Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen war. Par er majr kavpir reka af landi an ars manz oc scilia peir eigi pat mal gør en hann kavpe af landino rekan at rétto lög mále. pa scal sva fara sem nu mvn ec tína.101

Wenn jemand das Treibgutrecht vom Land eines anderen kauft und sie diese Sache nicht näher regeln, als dass er vom Land das Treibgutrecht kauft mit gesetzmäßigem Vertrag, dann soll so verfahren werden,

101

99 100 101

Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 39 (§ 194 II.3.c)). Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 226 f. (§ 55 II.). Grágás II, Kap. 442, S. 514.12–14.

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

213

Auch bei der nachfolgenden Bestimmung aus dem Landpachtrecht handelt es sich ausdrücklich um dispositives Recht. Sva á hann oc elldingo at scipa. sem ajr hevir veret et nesta. nema peir hafe an an veg scilet mej ser.102

Er soll die Befeuerung so einrichten, wie es direkt zuvor gewesen ist, es sei denn, sie haben es unter sich auf eine andere Weise abgemacht.

102

Im römischen Recht war die Rechtsordnung in weiten Bereichen des Obligationenrechts vom Grundsatz her ebenso dispositiv ausgestaltet wie die isländische, auch wenn es im römischen Recht vielfältige Beschränkungen im Einzelnen gab.103 Der systematische Ansatz beider Rechtsordnungen ist daher sehr ähnlich. Bemerkenswert ist, dass das isländische Recht seine grundsätzliche Entscheidung zu Gunsten der Typenfreiheit von Verträgen in einigen Bestimmungen sehr klar formuliert hat und in dieser Betonung des Vorrangs der Parteiabrede vielleicht sogar noch über das römische Recht hinausgeht. 4.3.3. pacta sunt servanda („Verträge sind einzuhalten“) und keine Bindungswirkung bei naujahandsql Der Umstand, dass viele Regeln der Grágás ausdrücklich als dispositiv bezeichnet werden, wird beispielsweise gegen Ende der gerade bei Fn. 101 zitierten Aufzählung des dispositiven Gesetzesrechts erneut bekräftigt und mit der beiläufigen Bemerkung ergänzt, dass jeder privatautonom gestaltete Vertrag einzuhalten ist: Hann a oc fiska pa er fleire rekr en v. sen . nema kavp peirra se a an an veg skillt. pa scolo semi avjrom stavjum halldaz par öll a quejin orj.

102 103

Ihm stehen auch alle Fische zu, wenn mehr als 5 gleichzeitig antreiben, es sei denn, ihr Kauf sei auf anderem Wege abgemacht, dann sollen dort – wie woanders auch – alle Abreden eingehalten werden.

Grágás II, Kap. 434, S. 501.13–15. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 322 ff. (§ 253 I. f.).

214 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Sua er oc mælt ef sker eja eyiar lig ia fyrir landi manz. oc a sa majr pat oc reka pann er fylgir er megin land a næst nema kavpom se annan veg keypt.104

Ebenso ist bestimmt, wenn eine Schäre oder Inseln vor jemandes Land liegt/ liegen, dann gehört/gehören sie und auch das Treibgutrecht, das dazugehört, diesem Mann, dem das nächstgelegene Festland gehört, es sei denn, der Kauf sei auf andere Art abgeschlossen.

104105

Damit gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind ( pacta sunt servanda), in der Grágás sogar kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung. Der Grundsatz pacta sunt servanda gilt aber nicht uneingeschränkt. Er findet seine Grenze dort, wo Zwang oder Drohung bei Rechtsgeschäften eingesetzt werden. Ein unter solchen Bedingungen abgeschlossenes Rechtsgeschäft wird in den isländischen Gesetzen als naujahandsal bezeichnet. Das Kompositum naujahandsal setzt sich aus den Wörtern nauj f. (‚Not‘) und handsal n. zusammen. Letzteres ist vom Verb handsala / handselja (‚in die Hand geben‘) abgeleitet (vgl. bereits oben S. 203). Ein naujahandsal ist damit allgemein gesprochen ein Rechtsgeschäft, das jemandem abgenötigt wird. Nymæli [marginal] Nu handsalar majr secj sina. eja sátt. eja fe a quejit fyrir sic eja fyrir an an man svo at pat berr navja handsal. oc a pat engo at hallda. En pat ero navja handsöl ef majr handsalar svo at ella er hætt fiorvi hans eja fe. eja hann ygje ser aliot eja fiar rán[.]

104 105

Novelle:105 Wenn jemand (die Feststellung) seine(r) Schuld oder einen Vergleich(sabschluss) oder bestimmtes Gut in Bezug auf sich oder einen anderen per Handschlag auf die Art überträgt, dass auf Nötigungsvertrag erkannt wird, so soll das in keiner Weise eingehalten werden. Und das ist ein Nötigungsvertrag, wenn jemand (ihn) so eingeht, während entweder sein Leben oder sein Vermögen in Gefahr ist, oder während er körperliche Beeinträchtigung oder einen Raub von Gut fürchtet [im Isländischen im Präteritum].

Grágás II, Kap. 442, S. 515.08–13. Umfang der Novelle unsicher. Hier beginnt wohl das im Inhaltsverzeichnis unter LXXIV. aufgeführte Kapitel Of naujahandsql („Vom Nötigungsvertrag“), jedoch besteht hier, wie auch in anderen Fällen, bei der Kapiteleinteilung eine Diskrepanz zum Inhaltsverzeichnis, welches dem Abschnitt vorangestellt ist.

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

En huar pes er quijr berr pat at navja handsöl hafe verit sva sem nu var tínt. oc a pat alldrige at hallda; enda varjar fiör baugs garj peim mönnom öllum. er pess handsals beiddo. Pat er stefno söc oc scal quejia til ix. bva a pingi fra peim staj er navja handsöl urjo.

Nymæli: Nu luka menn sva malum sinom at nefna ajra menn til gerja mejal sin. oc scolo halldaz i pvi öll a quæji ef hinir iata igöngo i málit.106

215

Überall, wo eine Jury aussagt, dass ein Nötigungsvertrag abgeschlossen wurde, wie nun aufgezählt wurde, so soll das niemals eingehalten werden, andernfalls steht für alle Leute darauf dreijährige Landesverweisung, die um diesen Handschlagsvertrag baten. Das ist eine Vorladesache und man soll auf dem Thing 9 Anwohner von dem Ort herbeirufen, an dem der Nötigungsvertrag abgeschlossen wurde. Novelle: Wenn Leute ihre Sachen so beilegen, dass sie andere Leute zum Schiedsspruch zwischen sich benennen, dann sollen alle Bestimmungen daraus eingehalten werden, wenn die anderen dem Abschluss des (Vergleichs-)vertrages zustimmen.

106

In der Porgils saga skarja lehnt Porgils skarji, der seinen Onkel Sturla Pórjarson mit Hrafn Oddsson vergleichen soll, dies bei einem zufälligen Treffen der verfeindeten Parteien mit der Begründung ab, es solle kein Nötigungsvergleich, keine naujasætt, werden.107 Porgils skarji reiste mit einem bewaffneten Gefolge von vier (Groß)Hundert Mann. Somit hätte sich Hrafn Oddson mit einiger Erfolgsaussicht darauf berufen können, der Vergleich sei nur wegen der Übermacht der anderen Seite abgeschlossen worden. Damit scheint der allgemeine Begriff naujahandsal hier auf den speziellen Fall eines Nötigungsvergleiches (naujasætt) verengt zu sein, auch wenn es keinen Zweifel daran geben kann, dass Porgils die zitierte Gesetzesnorm vor Augen hatte, als er den Vergleichsschluss unter diesen Umständen ablehnte. 106 107

Grágás II, Kap. 254, S. 284.20–285.09. Vgl. Porgils saga skarja, in: Sturlunga saga II, Kap. 70, S. 104(214). Siehe auch Andreas Heusler, Zum isländischen Fehdewesen in der Sturlungenzeit, S. 44; Hans Henning Hoff, Das Verhältnis der Grágás zu den Isländersagas und den sogenannten Gegenwartssagas, in: Hans-Georg Hermann/Thomas Gutmann/Joachim Rückert/Mathias Schmöckel/Harald Siems (Hrsg.), Von den Leges Barbarorum bis zum ius barbarum des Nationalsozialismus – Festschrift für Hermann Nehlsen zum 70. Geburtstag, S. 531(553 ff.).

216 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Diese Stelle ist konkret ein Beleg dafür, dass die Norm über Nötigungsverträge den Leuten gegenwärtig war, und legt im Übrigen nahe, dass die gesamte Rechtsordnung der Grágás nicht lediglich „toter Buchstabe“ war, sondern umfassende Geltung hatte. Der Grundsatz, dass Verträge, welche aufgrund von Drohung oder Zwang abgeschlossen wurden, nicht bindend sind, wird im römischen Recht mit der actio metus causa (genauer: actio de eo, quod metus causa factum est 108) anerkannt. Mit ihr konnte man sich von derartigen Verträgen lösen und mit der exceptio metus die Unwirksamkeit erpresserischer Verpflichtungsgeschäfte geltend machen.109 Damit weisen beide Rechtsordnungen ein Korrektiv auf, mit dem man unter Drohung oder Zwang geschlossene Rechtsgeschäfte mit Wirkung ex tunc für ungültig erklären lassen konnte. 4.3.4. Formfreiheit und Formbedürftigkeit von Verträgen In der Konungsbók findet sich eine Bestimmung, die festlegt, dass nur für vier Arten von Kaufverträgen Zeugen hinzuzuziehen sind. Öll scolo kaup halldaz mej monnom váttlavs nema .iiii. Ef majr cavpir land eja gojorj eja haf scip eja fastnar ser kono. fiorbavgs garj varjar ef majr bregjr peim málom en iii. m arca utlegj vm ön or kavp hvervetna pess er bvar bera at keypt var eja vattar.110

Alle Käufe sollen zwischen Leuten (auch) ohne Zeugen eingehalten werden bis auf 4: Wenn jemand Land kauft oder ein Godentum oder ein Seeschiff oder wenn sich jemand mit einer Frau verlobt. Dreijährige Landesverweisung steht darauf, wenn jemand diese Verträge bricht, aber 3-Marksbuße bei anderen Käufen, überall dort, wo Anwohner oder Zeugen aussagen, dass gekauft wurde.

110

108 109 110

Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 244 Fn. 22 (§ 59 III.2.b)). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 90 (§ 201 VI.2.). Grágás Ib, Kap. 169, S. 75.02–06.

Gesetzliche Ordnung und ihre Geltung

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Erstaunlich ist an dieser Vorschrift, dass die Abgrenzung negativ erfolgt. Es wird also nicht primär gesagt, welche Kaufverträge vor Zeugen abzuschließen sind, sondern es wird betont, dass alle Kaufverträge ohne Zeugen abgeschlossen werden können bis auf vier, bei welchen Zeugen erforderlich sind. Damit steht für jeden Kaufvertrag über einen anderen Kaufgegenstand die Formfreiheit fest. Auch bei anderen Vertragstypen ist die Formfreiheit festgelegt: Tekin er vist pegar er bva bera at peir voro asáttir.111

Eine Unterkunft ist genommen, wenn Anwohner [in einem Juryspruch] aussagen, dass sie sich einig waren.

111

Das isländische Wort vist kann neben der Grundbedeutung ‚Unterkunft‘ noch einen Anstellungsvertrag als Knecht, Magd oder Hirte zu gesetzlich geregeltem Entgelt und einer Mindestvertragslaufzeit bezeichnen. Auch für andere vertragliche Vereinbarungen galt das Konsensprinzip: Ef skot majr selr avjrom manne i havnd at heimta skot fe sin um land vart allt eja sumt oc scal pat halldaz sem peir verja a sattir.112

Wenn ein Harpunier es einem anderen überträgt, sein Harpuniergeld in unserem gesamten Land oder in einem Teil davon einzufordern, dann soll das eingehalten werden, worauf sie sich einigen.

112

Damit wird hier sehr stark betont, dass bei diesen Verträgen ein reiner Konsens zum Vertragsschluss ausreicht und keine besonderen Formalitäten zu beobachten sind. Die Verwendung von Konsensualverträgen für die meisten Rechtsgeschäfte ist zwar für sich genommen nichts Ungewöhnliches, aber es ist doch auffällig, dass in der Grágás so ausdrücklich geregelt ist, wann ein Konsens ausreicht und keine besondere Formel, etwa zur Benennung von Zeugen, zu sprechen ist. Das isländische Recht nimmt damit ausdrücklich auf denselben Grundsatz des Konsensualvertrages Bezug, der auch in den Institutionen 3, 15, 1 als maßgeblich bezeichnet wird:

111 112

Grágás Ia, Kap. 78, S. 130.13. Grágás II, Kap. 454, S. 527.23–528.01=AM 279a 4to, Pingeyrabók, Kap. 9, in: Grágás III, S. 377(401.14–16).

218 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts sed haec sollemnia verba olin quidem in usu fuerunt: postea autem Leoniana constitutio lata est, quae sollemnitate verborum sublata sensum et consonantem intellectum ab utraque parte solum desiderat, licet quibuscumque verbis expressus est.

Aber all diese förmlichen Worte waren nur in alter Zeit in Gebrauch. Später ist nämlich die Konstitution des Kaisers Leo ergangen, welche unter Aufhebung der Förmlichkeit der Worte allein Willen und übereinstimmendes Verständnis auf beiden Seiten verlangt, mit welchen Worten auch immer es ausgedrückt worden ist.

Die an verschiedenen Stellen der Grágás wiederkehrende Betonung des Konsensualprinzips legt nahe, dass es den Gesetzgebern der Grágás ein besonderes Anliegen war, dem Normadressaten deutlich zu machen, dass ein Vertrag grundsätzlich bereits durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen rechtswirksam abgeschlossen wird und nur in vier klar definierten Ausnahmefällen zusätzlich noch die Hinzuziehung von Zeugen erforderlich ist.

4.4. Regelungstechnik Die in der Grágás eingesetzte Regelungstechnik zeichnet sich dadurch aus, dass in großer Anzahl Legaldefinitionen verwendet werden, um den Inhalt von Begriffen festzulegen. Daneben finden sich vor allem in der Stajarhólsbók an einigen Stellen Grundsatznormen, die eher wie ein Programmsatz wirken und den jeweiligen Regelungsabschnitten vorangestellt sind. Sie haben damit eine gewisse Ähnlichkeit zu regulae iuris. An juristischem Instrumentarium finden sich weiterhin unter anderem Verweise von spezielleren auf allgemeinere Tatbestände sowie gesetzliche Vermutungen und Fiktionen. 4.4.1. Legaldefinitionen Sehr eng mit den juristischen Fachbegriffen, welche mit dem Präfix lqg- beginnen, sind die in der Grágás in großer Zahl auftretenden Legaldefinitionen verwandt, da einige der mit lqg- eingeleiten Begriffe zusätzlich im Gesetz definiert werden. Es handelt sich (je nach Zählweise bei sehr ähnlichen Definitionen) um rund einhundert Legaldefinitionen. Um einen vollständigen Überblick über die Legaldefinitionen in der Grágás zu geben, sind diese im Anhang aufgelistet. Betrachtet man, welche Begriffe bevorzugt legaldefi-

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niert werden, so lassen sich grundsätzlich drei Bereiche feststellen, denen die Begriffe zuzuordnen sind. Zum einen betreffen die Legaldefinitionen Begriffe aus dem Bereich der (Land-)Wirtschaft. So wird in dieser Gruppe legaldefiniert, was eine Allmende (almenningr) und was eine Sommerweide (afréttr) ist. Der auch für die Thingverfassung und die wirtschaftliche Stellung des Einzelnen wichtige Begriff der „Wirtschaft“ (bú ) im Sinne einer eigenständigen Hofstelle wird ebenso definiert wie derjenige der gesetzlichen Einfriedung (lqggarjr) von Ländereien und die Frage, wann eine arbeitsaufwändige Ausbesserung einer solchen Einfriedung (garjbót) – in Abgrenzung zu einer anderen Regelungen unterliegenden Neuerrichtung – vorliegt. Zusätzlich wird definiert, was eine Hauswieseneinfriedung (túngarjr) im Sinne des Gesetzes ist. In diesem Zusammenhang wird auch geregelt, wann ein Wald vorliegt (hqggskógr), nämlich dann, wenn das Fällen per Axt schneller geht, und wann es sich nur um Gebüsch (rifhrís) handelt, welches schneller mit der Hand auszureißen, als mit der Axt zu fällen ist. Auch wird festgelegt, wann eine in „Insellage“ im Besitz eines anderen liegende Fläche so klein ist, dass hier ein Zwangskauf dieser „nichtauskömmlichen Fläche“ (óværateigr) stattfinden darf. Auch der Begriff eines vollwertigen bzw. „vollgültigen“ Dorsches (gilldingr) wird im Gesetz näher bestimmt wie auch die Frage, wann ein Anlandgehen von Fischen (landgangr at fiskum) und wann „Buchttreibgut“ (vagrek) vorliegt und was „Fang“ (veijr) darstellt, nämlich das, was außerhalb des Stellnetzstreifens113 gefangen und von dort per Schiff an Land gebracht wird und auch nicht als reiner Transport angesehen wird. Auch werden wirtschaftlich relevante Maße und Gewichte wie der Begriff der Elle (qln), der gesetzlichen Öre (lqgeyrir), des Pfennigs (penningr), der Begriff der gesetzlichen Waage (lqgpundari ) und das Gewicht einer „Walladung“ (hlasshvalr), also das Gewicht von Erzeugnissen eines erlegten oder gestrandeten Wales, im Gesetz definiert. Ebenso ist genau durch Legaldefinition geregelt, wie die Fälligkeit einer Schuld generell festgelegt wird (eindaga fé ) und wie rechtwirksam bestimmt wird, an welchem Ort und zu welcher Zeit diese Schuld dann zu begleichen ist (eindagi ). Weiterhin ist durch Legaldefinition festgelegt, wie die Tagesstunde heißt, in der die Hirten aufstehen (hirjis rísmál ), wann ein gesetzlicher Gemeindeverband (lqghreppr) vorliegt und wann eine gesetzliche Marke (lqgmark). Mit ihr ist das Vieh des jeweiligen Eigentümers zu kennzeichnen. Den nächsten großen Bereich betreffen die Legaldefinitionen, die die Rechtsverhältnisse einer Person und rechtlich bedeutsame Handlungen nä-

113

Vgl. Text bei Fn. 47.

220 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts her umschreiben. Im Ehe- und Verlobungsrecht ist durch Legaldefinition festgelegt, wie nach dem Gesetz eine Frau zu verloben ( fastna konu aj lqgum) und wie die Heirat nach dem Gesetz (brullaup at lqgum) zu vollziehen ist. Daneben ist der Begriff der Doppelehe (tvíkvæni ) legaldefiniert. Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind, heißen – anscheinend je nach vermuteter bzw. tatsächlicher Zeugungssituation – Stalljunges (bæsingr von bás f. ‚Stall‘ und ungr adj. ‚jung‘), Eckenjunges (hornungr von horn n. ‚Ecke‘ und ungr adj. ‚jung‘) sowie Gebüschkind (hrísungr von hrís n. ‚Gebüsch‘ und ungr adj. ‚jung‘). Weiterhin ist in diesem Bereich legaldefiniert, wann das „offenbar sein“ (vera upp víst ) einer Vaterschaft vorliegt, nämlich dann, wenn die Mutter es der betreffenden Partei gesagt hat, bzw. dann, wenn das Kind geboren ist. Schreibt jemand das Kind eines anderen sich als sein eigenes zu oder sein eigenes wissentlich einem anderen, so begeht diese Person eine Verwandtschaftstäuschung (mannvilla), die auf unzutreffend angenommener Vaterschaft, Mutterschaft oder beidem beruhen kann. Mit vargdropi (‚Wolfstropfen‘) existiert eine weitere Bezeichnung für ein Kind, das einer besonderen Rechtslage entspringt. So wird ein Kind bezeichnet, dessen Vater bei Zeugung ein schuldiger Waldgangsmann war, auch wenn er mit der Mutter verheiratet ist.114 Ist ein Kind ein vargdropi, ist es nicht erbberechtigt. Erbberechtigt sind alle, die „zum Erbe berufen heißen“ (heita til arfs taldir). Während die Erbfolge sich zunächst nach Ordnungen richtet, findet bei entfernterer Verwandtschaft grundsätzlich eine Verteilung des Erbes auf jeden einzelnen Stamm (knérunnr) statt.115 Für die Unterkunft im Alter konnte man einen Vertrag über lebenslange Unterkunft, Versorgung und eventuelle Pflege gegen Erbeinsetzung des Verpflichteten schließen (arfsal ). Um eine gesetzliche Pflegekindschaft (lqgfóstr) handelte es sich, wenn jemand ein Kind im Alter von acht Wintern oder jünger aufnimmt und es großzieht, bis es 16 Winter alt ist. Im Zusammenhang mit der Pflege von jemandem, der verwirrten Sinnes ist, kommt es darauf an, ob der Verpflichtete sein Gesinde vermehren muss (at purfa ekki at auka hjú sín), um seiner Unterhalts- und Pflegeverpflichtung nachkommen zu können. Ist dies der Fall, so kann der Pflegebedürftige an den nächstentfernten Verwandten weiterverwiesen werden, welcher in der Lage ist, die Verpflichtung zu erfül114

115

In der Porgils saga ok Haflija wird suggeriert, dass Porgils Sohn Einarr ein vargdropi gewesen sei, weil die Saga an dieser Stelle so zu verstehen sein dürfte, dass Einarr gezeugt wurde, während Porgils ein schuldiger Waldgangsmann war; vgl. Porgils saga saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/ Kristján Eldjárn (Hrsg.), Kap. 20, S. 12(38): Ok pau missiri var Einarr fæddr Porgilsson, er hann var í sektinni. („Und während jener Halbjahre wurde Einarr, Porgils’ Sohn, geboren, während er [Porgils] in der Acht war.“) Vgl. Grágás II, Kap. 56, S. 63.03–64.14; Grágás Ia, Kap. 118, S. 218.03–220.10.

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len, ohne dafür zusätzliche Personen in seinen Haushalt aufnehmen zu müssen. Eine „Bedürftigenansammlung“ (ómagamót) liegt vor, wenn jemand einen Bedürftigen so lange unterhält, bis er selbst mittellos ist und beide bedürftig werden. Um einen Bedürftigen transportieren zu können, muss dieser über weitere Strecken reisefähig sein. Nicht „reisefähig zwischen den Distrikten“ ( fœrr milli héraja) ist ein Bedürftiger, wenn er keine vollen Tagesfahrten zurücklegen kann. Für die Schulden eines vermögenslos Gestorbenen muss nach der Grágás niemand aufkommen. Jemand verstirbt vermögenslos (øreigi ), der nicht eine Mark oder mehr hinterlässt.116 In Island galten strenge Bettelverbote, insbesondere während des Allthings. Daher ist gesetzlich definiert, wann jemand ein Umherziehender (gqngumajr) ist, nämlich bereits dann, wenn jemand einen halben Monat oder länger umherzieht und Almosen annimmt und dort Herberge hat, wo er sie gerade erlangt. Umherziehende durften kastriert werden. Dies stellte selbst dann keinen Rechtsverstoß dar, wenn ein Umherziehender dadurch zu Tode kam. Das Umherziehen hatte auch Folgen für den Unterhalt, da Kinder von Umherziehenden solange nicht von den übrigen Verwandten unterhalten werden mussten, wie die Eltern aus „asozialen Beweggründen“ (ómenzka), also „aus Lustlosigkeit [zum Arbeiten] oder aufgrund anderer schlechter Eigenschaften, wenn gute Leute sie aus diesem Grunde nicht aufnehmen wollen“, umherzogen. Ein „echter Landstreicher“ (landsofringi réttr) zu sein, der von Haus zu Haus zieht und weder zu jung noch zu alt zum Arbeiten ist oder aus eigenem Entschluss umherzieht, auch wenn er alt [scil. zu alt um noch arbeiten zu müssen] ist, führt auch zum Ausschluss des Erb- und Bußrechts. Aus diesem Grunde ist auch der Begriff „Unterkunft nehmen“ (taka vist ), der auch für Vorladungen im Prozess große Bedeutung hat, für viele Rechtsverhältnisse relevant. Einen Sonderfall des Rechtsverhältnisses einer Person stellt der „Harkenfreigelassene“ (grefleysingr) dar. Dieser ist ein freigelassener Sklave, der nicht in die Rechtsordnung ein- oder an einen (Thing-)Hügel geführt wurde und der daher weder die Buße eines Freien noch die eines Sklaven erhält. Die zweite Untergruppe neben den Wörtern, welche die Rechtsverhältnisse von Personen näher beschreiben, umfasst Legaldefinitionen rechtlich relevanter Handlungen und anderer spezifisch juristischer Begriffe. So wird 116

Befinden sich jedoch mehr Vermögensgegenstände im Nachlass als eine Mark und sind die Schulden des Nachlasses höher als eine Mark, so ist der Erbe zur Abhaltung eines „Schuldengerichts“ (skuldadómr) verpflichtet. Unterlässt er dies, so haftet er mit seinem gesamten eigenen Vermögen für die Schulden des Nachlasses, muss jedoch nicht in die Schuldknechtschaft gehen; vgl. im Einzelnen Grágás II, Kap. 184–185, S. 225.01–228.15; Grágás Ib, Kap. 223, S. 148.14–152.03. Siehe auch unten S. 333 ff.

222 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts definiert, wann eine Sache wirksam verpfändet (vejmæla ‚verpfänden‘) ist und wann ein gesetzliches Pfandrecht vorliegt (lqgvej). Auch wird definiert, wann eine Berechtigung (heimild ) im Sinne eines subjektiven Rechts vorliegt und wann ein gesetzmäßiges Vorkaufsrecht (lqgmáli ). Um festzustellen, welchen Wert eine Sache hatte oder ob sie sonst erfüllungsfähig war, wurden gesetzliche „Auskunftgeber“ (lqgsegjendr) oder gesetzliche Beurteiler (lqgsjáendr) hinzugezogen. Wenn jemand im gerichtlichen Verfahren eine falsche Auskunft gibt bzw. schweigt, obwohl er auskunftspflichtig ist, so liegt eine Rechtsbehinderung (lqgvilla) vor. Das Ablegen einer Zeugen- oder Juryaussage mit gegenteiligem Inhalt zu einer bereits erbrachten Zeugen- oder Juryaussage heißt Gegenzeugnis (andvitni ) war mit Buße belegt. Eine hohe Buße von 12 Mark stand darauf, wenn jemand keinen Eid auf die Richtigkeit von Angaben bezüglich des gesetzlichen Zehnten (lqgtíund ) leistete, obwohl ein (rechtmäßiges) „dazu Auffordern“ vorlag (‚zu etwas aufgefordert werden‘, vera beiddr). Auch das unrechtmäßige Zurückhalten des Zehnten (tíundarhald ) ist in einer Legaldefinition näher beschrieben. Interessant ist das bereits erwähnte Konzept, nach dem ein unter Nötigung abgeschlossener Vertrag (naujarhandsql ) nicht bindend ist. Den dritten und letzten großen Bereich der Legaldefinitionen machen die strafrechtlichen Begriffe aus. So ist neben dem Begriff der Anstiftung (ráj) zur Verletzung oder Tötung eines anderen definiert, dass auch das zu diesem Zweck erfolgte Aufstellen von Waffen, die von selbst auf das Opfer fallen oder fliegen sollen, den Tatbestand der Verletzungs- (áljótsráj) oder Tötungsanstiftung ( fjqrráj) erfüllt. Auch ist festgelegt, was ein (strafbarer) Schlag (drep) ist und wann eine (einfache) Wunde (sár), wann dagegen größere Wunden (hin meiri sár) vorliegen. Im Bereich der Wunden sind die Hirnwunde bzw. das Hirnwundsein (heilund, vera heilundi ), die Lochwunde bzw. das Lochwundsein (holund, vera holundi ) und sowie die Markwunde bzw. das Markwundsein (mergund, vera mergundi ) legaldefiniert. Auch der Begriff Mord (morj) ist legaldefiniert als die Tötung eines anderen, wenn man sie der Mehrheit der Leute im Gemeindeverband verheimlicht oder die Leiche zur Verheimlichung verhüllt oder sich nicht zu der Tötung bekennt. Bei einigen Taten reicht die besonders schwere Art der Begehung aus, damit ein Totschlagsdelikt angenommen wird, auch wenn das Opfer letztlich überlebt. Je nachdem, ob das Opfer in den Bergen ausgesetzt, lebendig begraben, auf einer vorgelagerten Schäre ausgesetzt oder aufgehängt wurde, heißt es dann Bergleiche ( fjallnár), Grableiche (grafnár), Schärenleiche (skernár) oder Galgenleiche (gálgnár). Bei den Begriffen Verwandten- ( frændsemisspell ) und Schwägerschaftsbeischlaf (sifjaspell ) wurde ebenso wie bei den Wunden danach differenziert, ob es sich um die schwerere ( frændsemisspell oder sifjaspell hitt meira) oder um

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die einfachere bzw. leichtere Begehungsform ( frændsemisspell oder sifjaspell hitt minna) handelte. Eine ganze Reihe von Legaldefinitionen betrifft den Bereich der Beleidigungsdelikte. So ist die Nachrede117 (bakmæli ) genauso legaldefiniert wie voll bußberechtigende Wörter ( fullréttisorj) und solche, die nur zum Erhalt der halben Buße berechtigen (hálfrétti ). Drei der voll bußberechtigenden Wörter rechtfertigten die Tötung dessen, der diese Wörter ausgesprochen hatte.118 Durch vor allem aus Holz geschnitzte Gegenstände kann eine strafbare Schmähung (níj) verübt werden. Auch durch unbestimmte Dichtung (vijáttuskáldskapr), welche im Distrikt die Runde macht, sich aber auf keine bestimmte Person bezieht, kann als Strafe Waldgang eintreten. Ebenso steht Waldgang darauf, wenn man eine Übertreibung (y´ ki ), welche nicht stimmen kann, über einen anderen oder über etwas in dessen Eigentum verbreitet und dies zum Spotte des anderen tut. Weiterhin sind legaldefiniert die Begriffe Hinterhalt (sát), Handraub (handrán) und leichter Raub (raujarán), der dann vorliegt, wenn zwar eine fremde Sache nicht aus der Hand entwunden wird, aber der Eigentümer sein Eigentum mündlich für sich reklamiert und die Sache dennoch weggenommen wird. Auf das Abschneiden des Schweifes eines Thingpferdes (pinghestr), also eines Pferdes das auf der Thingfahrt war, steht dreijährige Landesverweisung. Auch der unbefugte Gebrauch eines Pferdes (nautn, vgl. furtum usus und unten S. 360) ist nach der Grágás strafbewehrt. Treibt man nicht melkbares Vieh eines anderen so an, dass ein Schaden von fünf oder mehr Öre entsteht, so handelt es sich um ein „schwereres Schadenswerk“ (spellverk hitt meira). Das Rauben von Leuten oder Vieh ist als „Heereszug“ (hernajr) definiert und zieht Waldgang als Strafe nach sich. Wenn insgesamt drei oder mehr Perso117

118

Nicht zu verstehen im Sinne von § 186 Strafgesetzbuch als Verbreitung unwahrer Tatsachen, sondern als Bericht gegenüber Dritten über eine vorangegangene Beleidigung. Vgl. im Einzelnen die Definition in Anhang S. 386. Vgl. Grágás II, Kap. 376, S. 392.08–15: Pav ero orj priú ef sva mioc versna máls endar manna. er scog gang varja avll. Ef majr kallar man ragan eja strojin. eja sorjin. Oc scal sva søkia sem avnor full rettis orj. enda a majr vígt igegn peim orjum primr. Jam lengi a majr vígt um orj sem vm konor oc til ens næsta alpingis hvartvegia. oc fellr sa majr oheilagr er pesi orj mælir fyrir avllom peim mönnom er hinom fylgia til vettvangs er pesi orj voro vij mælt. („Es gibt drei Wörter, wenn sich die Wortwahl so sehr verschlechtert, auf die alle Waldgang steht: Wenn jemand einen anderen schwul, verfickt oder befickt nennt, dann soll das so verfolgt werden wie andere voll bußberechtigende Wörter und weiterhin darf man den anderen totschlagen bei diesen drei Wörtern. Gleich lange darf man wegen eines Wortes totschlagen wie wegen [bestimmter Verbrechen gegen] Frauen und beides bis zum nächsten Allthing und fällt derjenige unheilig, der diese Wörter spricht, gegenüber allen den Leuten, die ihm (dem Kläger) zum Tatort folgen, an welchem diese Wörter gesprochen werden.“)

224 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts nen erschlagen oder verwundet werden, handelt es sich um einen „Heereskampf“ (hervígi ) mit der Folge, dass dann alle aus der Gruppe, aus der zuerst angegriffen wurde, „unheilig“ für jedwede Verletzung werden und somit keine Buße beanspruchen können. Mehrere Legaldefinitionen beziehen sich auf heidnische Handlungen. So ist es bei dreijähriger Landesverweisung verboten, heidnischen Schutzgöttern zu opfern (blóta heijnar vættir). Auch das Anwenden von Zauberei ( fara mej galdra) oder Hexerei ( fara mej fiqlkyngi ) oder das Aussprechen einer Verwünschung ( fara mej fordæjuskap) ist verboten. Für sehr viele Deliktstatbestände spielt es eine Rolle, ob etwas noch am Tatort erfolgte oder weiter entfernt. Daher ist der Tatort (vettvangr) legaldefiniert. Er umfasst die gesamte Fläche kreisförmig eine Pfeilschussweite (ørskotshelgi ) um den Punkt herum, an dem der erste Angriff erfolgt. Die Pfeilschussweite ist in einer Novelle definiert als zwei Großhundert gesetzliche Klafter auf ebener Fläche. Solange sich die Parteien nicht mehr als eine Pfeilschussweite voneinander entfernen, werden sie immer noch als am Tatort befindlich angesehen, auch wenn sie sich vom ursprünglichen Tatort entfernen. Entfernen sie sich weiter voneinander, so sind sie getrennt (vera skiljr) und damit nicht mehr am Tatort. Bei den Legaldefinitionen ist anzunehmen, dass sie ein einheitliches Verständnis der juristischen Begriffe gewährleisten sollen. Es kann aber nur darüber spekuliert werden, warum die Gesetzgebungskommission im Winter 1117/1118 eine so große Anzahl von Legaldefinitionen in die Haflijaskrá aufgenommen hat. Denn bei Betrachtung der legaldefinierten Begriffe kann in Einzelfall fraglich sein, ob eine Legaldefinition wirklich zweckmäßig gewesen ist, weil es sich teilweise um eher banale Definitionen handelt. Bei einer so großen Anzahl von Legaldefinitionen, inbesondere von Begriffen, deren Definition sich gesetzgebungstechnisch hätte anders ausgestalten lassen, indem beispielweise die Norm auf Tatbestandsseite präziser formuliert worden wäre, muss davon ausgegangen werden, dass diese Methode bewusst eingesetzt wurde. Die Methode, wichtige Begriffe im Gesetz zu definieren, wurde schon bei der Abfassung der Digesten angewandt.119 In Byzanz sah man sich trotz 119

Vgl. beispielsweise D. 6, 1, 73–75: „73. (Idem [Ulpianus] libro septimo decimo ad edictum) In speciali actione non cogitur possessor dicere, pro qua parte eius sit: hoc enim petitoris munus est, non possessoris: quod et in Publiciana observatur. Superficario 74. (Paulus libro vicensio primo ad edictum) id est qui in alieno solo superficiem ita habeat, ut certam pensionem praestet, 75. (Ulpianus libro sexto decimo ad edictum) praetor caus cognita in rem actionem pollicetur. („Derselbe [Ulpian] im 17. Buch zum Edikt Bei einer Klage auf eine einzelne Sache muss der Besitzer nicht erklären, zu welchem Anteil sie ihm gehört. Das ist nämlich Sache des Klägers, nicht des Beklagten. Das wird auch bei der publizianischen Klage

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der griechischsprachigen Versionen, Paraphrasen und Kommentare der Antecessoren zu den lateinischen Rechtstexten aufgrund einer Abnahme lateinischer Sprachkenntnisse alsbald genötigt, auch die zunächst unübersetzt gelassenen Fachbegriffe ins Griechische zu übersetzen. Dies geschah mittels Glossierung oder anhand getrennt angefertigter Wortlisten.120 Dadurch entstand eine „in summa unüberschaubare Masse übersetzender und definierender Glossen“.121 Diese werden herkömmlicherweise als notae iuris oder nomische Glossen bezeichnet, auch wenn die Handschriften selbst sie meist als  « oder  und damit als Lexika bezeichnen.122 Mittlerweile gibt es kommentierte textkritische Editionen dieser Lexika.123 Innerhalb dieser Gattung der Rechtslexika finden sich noch weitere Werke, welche die römischen Aktionen auflisten und erläutern.124 Da diese Quellen bis auf einige lateinische Einträge ausschließlich in griechischer Sprache zugänglich sind, muss hier ein genauerer Vergleich der in den byzantinischen Rechtslexika definierten Begriffe mit den Legaldefinitionen der Grágás unterbleiben und es kann nur allgemein auf das verwandt erscheinende Phänomen der übermäßig wirkenden Anzahl an Legaldefinitionen in der Grágás hingewiesen werden. Ein Unterschied zwischen den byzantinischen Rechtslexika und der Grágás liegt darin, dass es sich in Byzanz bei den Definitionen um Erläuterungen zu den Rechtstexten handelt, während in Island die Definitionen im Gesetz selbst zu finden sind. Dies stellt jedoch keinen Umstand dar, der ei-

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beachtet. 1. Einem Erbbauberechtigten. 74. Paulus im 21. Buch zum Edikt – das ist jemand, der auf fremdem Boden ein Erbbaurecht mit der Maßgabe hat, daß er einen bestimmten Zins zahlen muß –75. Ulpian im 16. Buch zum Edikt verheißt der Prätor nach Voruntersuchung eine dingliche Klage.“) Hier ist die Definition übrigens in derselben Weise in die Norm eingeschoben wie die Legaldefinition von garjbót gleichsam in Gedankenstrichen in die Norm eingeschoben ist. Vgl. Ludwig Burgmann, Byzantinische Rechtslexika, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores II, S. 87. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(466). Vgl. Ludwig Burgmann, Byzantinische Rechtslexika, S. 87, 109 ff. Vgl. Ludwig Burgmann, Byzantinische Rechtslexika, in: Dieter Simon (Hg.), Fontes Minores II, S. 87–146; Ludwig Burgmann, Das Lexikon  , in: Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Roos Meijering/ Bernard H. Stolte (Hrsg.), Fontes Minores VIII, Lexica Iuridica Byzantina, S. 249–337; Marie Theres Fögen, Das Lexikon zur Hexabiblos aucta, ebenda, S. 153–214; Bernard H. Stolte, The Lexicon M , ebenda, S. 339–380. Vgl. Roos Meijering, ’=ì . Two Byzantine Treatises on Legal Actions, in: Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Roos Meijering, Bernard H. Stolte (Hrsg.), Fontes Minores VIII, Lexika Iuridica Byzantina, S. 1–152; Marie Theres Fögen, Byzantinische Kommentare zum römischen Aktionen, ebenda, S. 215–248.

226 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts nen Zusammenhang grundsätzlich ausschließen würde, da die Glossatoren bzw. Scholiasten in Byzanz sich einer großen Menge an bereits seit geraumer Zeit bestehenden Gesetzen gegenübersahen, die es durch Erläuterung verständlich zu machen galt. In Island dagegen hatte die Kommission um Hafliji Gelegenheit, die Gesetze selbst zu gestalten, und war damit nicht darauf beschränkt, schon seit Jahrhunderten bestehende Texte in separaten Schriften und Arbeitshilfen zu erläutern. Außerdem gab es in Island bis zur Niederschrift der Haflijaskrá so gut wie keine schriftlich festgehaltenen Texte mit Gesetzen, die zu erläutern gewesen wären. Dadurch konnten bei der gleichzeitigen Überarbeitung und ersten Niederschrift der isländischen Gesetze die für notwendig erachteten Erläuterungen des Begriffsapparates im Gesetz selbst in Form der Legaldefinitionen vorgenommen werden. Die Kenntnis der byzantinischen Literaturgattung der übersetzenden und definierenden Glossen kann damit die Ursache dafür gewesen sein, dass in der Grágás eine Vielzahl von Rechtsbegriffen auf gesetzlicher Ebene definiert sind. 4.4.2. Voranstellung grundsätzlicher Normen Vor allem in der Stajarhólsbók fallen einige Sätze auf, die meist den Charakter eines Programmsatzes oder einer Grundsatznorm haben. Häufig sind sie den eigentlichen Bestimmungen vorangestellt. Sie ähneln damit den regulae iuris bzw. auch den principii des römischen Rechts. Als regula wird im römischen Recht eine grundsätzliche Norm bezeichnet. Was unter dem Begriff genau zu verstehen ist, ist von Paulus in D. 50. 17. 1 (Paulus libro sexto decimo ad Plautium) definiert: Regula est, quae rem quae est breviter enarrat. non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat. per regulam igitur brevis rerum narratio traditur, et, ut ait Sabinus, quasi causae coniectio est, quae simul cum in aliquo vitiata est, perdit officium suum.

Eine Regel ist, was einen vorliegenden Gegenstand kurz angibt, nicht so, dass aus der Regel das Recht abgeleitet wird, sondern so, dass aus dem vorhandenen Recht eine Regel abgeleitet wird. Durch eine Regel wird also eine kurze Angabe von Gegenständen, und, wie Sabinus sagt, gleichsam eine Zusammenfassung der Sache gegeben, und sie verliert, sobald sie in irgend einem Falle fehlerhaft gebraucht wird, ihre Gültigkeit.

Regelungstechnik

227

In dem hier interessierenden Zusammenhang ist vor allem der Anfang der Definition von Bedeutung.125 Danach ist für eine Regel kennzeichnend, dass sie ihren Gegenstand nur kurz bezeichnet und nicht aus der Regel das Recht abgeleitet wird, sondern aus einem schon vorhandenen Rechtssatz die Regel. Damit wird angedeutet, dass eine Rechtsregel in diesem Sinne zumeist nicht aus Tatbestand und Rechtsfolge besteht, sondern aus einem Rechtssatz, der mehreren einzelnen Normen zu Grunde liegt und als maximenhafte Regel formuliert wird. Dieses Merkmal ist den verschiedenen Gruppen von regulae gemeinsam.126 Alle diese Regeln stellen somit eine Grundnorm dar bzw. geben diese wieder. Daneben beginnen im römischen Recht viele Vorschriften mit eher grundsätzlichen Normen, welche häufig eine Leitlinie bilden oder einen Rahmen abstecken, innerhalb dessen die nachfolgenden Bestimmungen die Einzelheiten regeln. Die einleitende Norm eines Abschnittes wird seit dem Mittelalter im römischen Recht als principium bezeichnet.127 Damit ist das Verhältnis zwischen einer Rechtsnorm, aus der die Regel gewonnen wird, und der Regel selbst in den Rechtstexten auf den ersten Blick häufig umgekehrt, da zumeist die Regel vorangestellt wird, aber letztlich die vorangestellte Regel eine Zusammenfassung der nachfolgenden Bestimmungen ist. Einige Normen der Grágás, die solche maximenhaften Rechtsgrundsätze formulieren, sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. 4.4.2.1. Bestimmungen über Schenkungen In einem Kapitel im Erbrechtsabschnitt der Grágás, das den Titel „Über Schenkungen und Erbschaftsbeeinträchtigungen“128 bzw. „Über Schenkungen“129 (Konungsbók) trägt, finden sich einige Normen über Schenkungen in verschiedenen Sachverhaltskonstellationen. So findet sich dort der Grundsatz, dass man zu seinen Lebzeiten „Freundschaftsgeschenke“ machen darf:

125

126

127

128 129

Siehe zur Deutung dieser Definition: Bruno Schmidlin, Die römischen Rechtsregeln, S. 7–18. Zu den verschiedenen Arten von regulae iuris siehe zusammenfassend: Bruno Schmidlin, Die römischen Rechtsregeln, S. 204 ff. Vgl. Gerhard Dulckeit/Fritz Schwarz/Wolfgang Waldstein, Römische Rechtsgeschichte8, § 43 I 4 (S. 305). Grágás II, Kap. 66 Of gjafar oc arfscot, S. 83 ff. Grágás Ia, Kap. 127 Vm gjafar, S. 246 ff.

228 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Gefa a majr vingiafar at ser lifanda ef hann vill.130

Man darf, wenn man will, Freundschaftsgeschenke machen, während man lebt.

130131

Darauf folgen Bestimmungen darüber, welche Möglichkeiten der Erbe hat, wenn er meint, sein zukünftiges Erbe würde durch exzessive Geschenke verschleudert: Pat er oc at erfingin a kosti .ii.a ef honom pyckir hann til arfscota raja. Pa scal hann stefna honom til fiör b avgs garjs eja telia hann af rájonom fiarens ella. oc telia ser rajin. oc quejia til ix. bva a pingi hvart hann hafe arfscot ipeim rajum rajet. eja eigi er hann hefir um stefnt. Peim varjar oc f iör b avgs garjs öllum er vij taca ef peir hafa allir saman um rajit. enda beriz a hinn arf scotij. enda a at døma rof giafana. Honom a at døma varjveizlo fiar pes allz er hin átte. oc sva omaga pa er hin átte framm at föra.

130 131

Grágás II, Kap. 66, S. 84.11–12. Vgl. Grágás II, Kap. 66, S. 84.12–21.

Weiterhin ist bestimmt, dass der Erbe 2 Möglichkeiten hat, wenn er meint, dass er [der zukünftige Erblasser] eine Erbschaftsbeeinträchtigung beabsichtige: Dann soll er ihn vorladen [wegen einer] auf dreijährige Landesverweisung [gerichteten Klage] oder ihn ansonsten von der Verfügung über das Gut für enthoben erklären und für sich die Verfügungsbefugnis beanspruchen und [er] soll 9 Anwohner deswegen herbeirufen [darüber zu entscheiden], ob er in dieser Angelegenheit, wegen der er vorgeladen hat, eine Erbschaftsbeeinträchtigung beabsichtigt habe oder nicht. Für sie alle steht darauf dreijährige Landesverweisung, die etwas annehmen, wenn sie es alle gemeinsam beabsichtigt haben und wenn der andere der Erbschaftsbeeinträchtigung überführt wird; im Übrigen soll die Annullierung der Schenkungen ausgeurteilt werden. Ihm soll die Verwahrung des gesamten Gutes, das der andere hatte, zugeurteilt werden und auch die Unterhaltung derjenigen Bedürftigen, die der andere zu unterhalten hatte.

Regelungstechnik

229

Als nächstes folgt eine weitere programmatische Norm, die davon handelt, dass ein einmal gemachtes Geschenk nicht widerrufen werden kann. Engi majr a at ripta giöf sina.132

Niemand soll seine Schenkung widerrufen.

132

Unter „sollen“ ist hier „dürfen“ zu verstehen, da aus dem Zusammenhang klar ist, dass es sich nicht um ein Sollen handelt, welches nur eine moralische Bewertung ausdrückt. Unmittelbar auf diesen Grundsatz folgt eine Bestimmung, die sich auf versprochene (Gegen-) Geschenke bzw. eine zugesagte Gegenleistung bezieht: Nu sér majr til lavna eja heitr hin honom fyrir giofna oc coma pav eigi framm. en peir hafjo pat i málum sinum haft at lavna scyllde. oc a hann tilkall til jafn micilla avra sem quaddir buar v. apingi raja at bera hvers vert var.133

Wenn jemand gegen Lohn arbeitet oder der andere ihm etwas für das Geschenk verspricht und diese Dinge [der Lohn bzw. die versprochene Gegenleistung] nicht erbracht werden, sie aber in ihrer Vereinbarung abgemacht hatten, dass es zu vergüten sei, so hat er einen Anspruch auf ebenso viele Öre, wie 5 auf dem Thing herbeigerufene Anwohner übereinkommen auszusagen, dass es wert gewesen sei.

133

Daran schließt sich eine Bestimmung an, nach der man einem Freigelassenen die Freiheit bei das Erbe beeinträchtigenden Schenkungen wieder entziehen konnte:

132 133

Grágás II, Kap. 66, S. 84.21= Grágás Ia, Kap. 127, S. 247.12–13. Grágás II, Kap. 66, S. 84.21–85.02. In der Konungsbók hat die Vorschrift einen einfacheren Inhalt, bei dem der Fall der entgeltlichen Dienstleistung nicht geregelt ist, vgl. Grágás Ia, Kap. 127, S. 247.13–15: Nu heitr hann lavnom fyrir giofna. pa ahin heimting til peirra avra iafn micilla sem buar raja at bera heiten. („Wenn jemand eine Gegenleistung für ein Geschenk verspricht, so hat der andere Anspruch auf genau so viele Öre, wie Anwohner bestimmen, [in einem Juryspruch] auszusagen, dass versprochen wurde.“)

230 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Ef leysingr ræjr arf undan frialsgiafa sinum. pa a hann at brigja honom frélsi oc telia ser fe pat allt er hann á ef hann vill. eja hans erfingiar ella.134

Wenn ein Freigelassener über sein Erbe zum Nachteil seines Freilassers verfügt, dann soll er ihm die Freiheit wieder entziehen und sich dessen gesamtes Gut, das er hat, zusprechen, wenn er will, oder ansonsten seine Erben.

134

Die erste und die dritte zitierte Vorschrift haben den Charakter eines Programmsatzes, der jeweils erst durch die darauf folgenden Vorschriften des Kapitels in seiner genauen Reichweite konkretisiert wird. Sie formulieren damit Rechtsgrundsätze auf eine Art, wie es auch im römischen Recht häufiger anzutreffen ist. Darüber hinaus ähneln die zitierten Normen der Grágás auch inhaltlich in einigen Punkten Bestimmungen in den Instititutionen Iustinians, in denen die verschiedenen Arten der Schenkungen (von Todes wegen, unter Lebenden, vor der Ehe) behandelt werden. Die erste Norm in der Grágás,135 nach der man zu Lebzeiten Freundschaftsgeschenke machen darf, kann eine Art „Echo“ auf die Bestimmung 2, 7, 1 des Abschnittes 2, 7 De donatibus der Institutionen darstellen, in der Schenkungen von Todes wegen aufgrund ihrer Bindungswirkung nach Abschluss des Schenkungsvertrages von Vermächtnissen, die bis zum Eintritt des Erbfalles frei widerruflich sind, abgegrenzt werden: Mortis causa donatio est, quae propter mortis fit suspicionem, cum quis ita donat, ut, si quid humanitus ei contigissit, haberet is qui accipit: sin autem supervixisset qui donavit, reciperet, vel si eum donationis paenituisset aut prior decesserit is cui donatum sit.

134 135

Eine Schenkung von Todes wegen ist eine solche, die in Erwartung des Todes erfolgt. Bei ihr schenkt jemand in der Weise, dass, falls ihn des Menschen Schicksal ereilt, der Empfänger das Geschenkte behalten soll, dass der Schenker es aber zurückbekommen soll, falls er überlebt oder falls ihn die Schenkung reut oder der Beschenkte vor ihm stirbt.

Grágás II, Kap. 66, S. 85.02–05; vgl. Grágás Ia, Kap. 127, S. 247.15–18. Zitat bei Fn. 130.

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231

Weil es in Island keine Vermächtnisse oder sonstige Schenkungen von Todes wegen gab, könnte der Grundsatz, dass man Schenkungen nur zu seinen Lebzeiten bewirken kann, in bewußter Abgrenzung zu der in den Institutionen positiv formulierten obenstehenden Regel aufgestellt worden sein. Genau wie der Erbe in Island gerichtlich gegen beeinträchtigende Schenkungen durch den zukünftigen Erblasser vorgehen konnte, eröffnete im römischen Recht D. 38, 5, 1, 1 die Möglichkeit, Schenkungen des Freigelassenen zu widerrufen, die das Pflichtteilsrecht seines Freilassers beeinträchtigten.136 Die letzte der zitierten isländischen Vorschriften hat genau dieselbe Konstellation zum Gegenstand. Sie geht in der Rechtsfolge aber noch weiter, indem sie ermöglicht, die Freilassung eines Sklaven rückgängig zu machen. Die in der Grágás dem nächsten Regelungskomplex als Programmsatz vorangestellte Bestimmung, nach der man eine einmal gemachte Schenkung nicht widerrufen kann, ist der Bestimmung in Inst. 2, 7, 2 sehr ähnlich.137 Nach ihr kann eine einmal zustandegekommene Schenkung nicht nach Belieben widerrufen werden: Aliae autem donationes sunt, quae sine ulla mortis cogitatione fiunt, quas inter vivos appellamus. quae omnino non comparantur legatis: quae si fuerint perfectae, temere revocari non possunt.

136 137

Die anderen Schenkungen aber sind diejenigen, die ohne einen Gedanken an den Tod geschehen. Wir nennen sie Schenkungen unter Lebenden. Diese werden in keiner Weise den Vermächtnissen gleichgestellt. Sind sie zustandegekommen, können sie nicht nach Belieben widerrufen werden.

Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 709 (§ 172 II.). Zwar ist der Grundsatz, dass etwas Geschenktes nicht an den Schenker zurückfallen soll, auch in den Digesten geregelt (D. 39, 5, 1 pr.), dort ist er jedoch nicht so kategorisch formuliert und auch die weiteren Normen dort weisen keine besonderen Parallelen zur Grágás auf. D. 39, 5, 1 pr. lautet: Iulianus libro septo decimo digestorum: Donationes complures sunt. dat aliquis es mente, ut statim velit accipientis fieri nec ullo casu ad se reverti, et propter nullam aliam causam facit, quam ut liberalitatem et munificentiam exerceat: haec proprie donatio appellatur. („Julian im siebzehnten Buch der Digesten: Es gibt mehrere Arten von Schenkungen. Einer schenkt in der Absicht, dass der Empfänger sogleich Eigentümer werde, und (die Sache) in keinem Falle auf in ihn zurückfallen solle; und er tut es keiner anderen Ursache wegen, als um Freigiebigkeit und Mildtätigkeit auszuüben. Das nennt man im eigentlichen Sinne Schenkung.“)

232 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Nach iustinianischem Recht konnte ein Schenkungsvertrag mit einem Wert von 500 Solidi formfrei in Gestalt eines durch Konsens begründeten contractus abgeschlossen werden.138 Daraus erwuchs dem Schenker die Pflicht zur Leistung des Geschenkten (Inst. 2, 7, 2): et ad exemplum venditionis nostra constitutio eas etiam in se habere necessitatem traditionis voluit, ut, et si non tradantur, habeant plenissimum et perfectum robur et traditionis necessitas incumbat donatori.

Und unsere Konstitution hat nach dem Beispiel des Kaufs bestimmt, dass die Schenkung auch die Pflicht zur Übergabe einschließt, so dass, auch wenn nicht übergeben ist, die Schenkung voll und ganz Wirksamkeit erlangt und den Schenker die Pflicht zur Übergabe trifft.

Interessant ist bei der isländischen Vorschrift über die Bewirkung einer versprochenen, aber noch nicht erbrachten Gegenleistung die damit stillschweigend vorausgesetzte Bindungswirkung eines durch Angebot und Annahme abgeschlossenen Schenkungsvertrages. Damit ähnelt die bei Fn. 133 zitierte Regelung der Grágás der zitierten Bestimmung in Inst. 2, 7, 2. Zwar erweitert die isländische Norm den Fall der Schenkung um den Fall eines unvollständig geregelten Dienstvertrages und geht im Übrigen davon aus, dass bei einer Schenkung eine Gegenleistung vereinbart werden kann, die den Vertrag je nach Wertverhältnis zum reinen Tausch- oder zum gemischtem Tausch- und Schenkungsvertrag macht. Dies ist jedoch lediglich Ausfluss der in Island vorherrschenden Auffassung, nach der auf ein Geschenk ein Gegengeschenk zu folgen hatte,139 und spricht nicht grundsätzlich gegen eine mögliche Verwandtschaft der Regelungen. Der isländischen Schenkungsauffassung zufolge konnte man ein Geschenk, auf das kein Gegengeschenk folgte, eventuell wieder zurückfordern. Das wohl bekannteste isländische Beispiel für diese Schenkungsauffassung ist die Schilderung in der Landnámabók, wie Steinunnr die Alte ihrem Verwandten Ingólfr Árnason ein Häkeldeckchen als Gegenleistung für die Überlassung der Halbinsel Reykjanes überreichte. Denn durch die Einordnung als „Kauf“ (bzw. Tausch), wenn auch mit wenig ausgewogenem Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, suchte Steinunnr die Gefahr einer spä-

138 139

Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 396 f. (§ 265 I.2.). Vgl. aus der eddischen Dichtung Hávamál, in: Ólafur Briem (Hrsg.), Eddukvæji2, S. 78 (Vers 42, 1. Hälfte): Vin sínum skal majr vinur vera og gjalda gjöf vij gjöf. („Seinem Freund soll man ein Freund sein und ein Geschenk mit einem Geschenk vergelten.“)

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233

teren Rückforderung zu verringern.140 Auch Hafliji Másson und Porgils Oddason stritten sich darüber, ob eine von Hafliji angebotene Zahlung als Geschenk oder als Buße anzusehen war.141 Ein Geschenk, bei dem eine eventuelle Gegenleistung weniger als die Hälfte des Wertes des Geschenkes ausmacht, wäre nämlich zumindest einer erhöhten Rückforderungsgefahr ausgesetzt.142 Insgesamt wird an der Bestimmung deutlich, dass es sich im Grundsatz um einen Konsensualvertrag handelt, da maßgeblich auf die ihn begründende Parteiabrede abgestellt wird. Nur zusätzlich wird erwähnt, welcher Art die – möglicherweise schon zum Teil oder voll erbrachte – Gegenleistung sein kann. Damit weist die Grágásnorm einen vergleichbaren Inhalt auf wie die entsprechende Norm in Inst. 2, 7, 2, weil dort ebenfalls betont wird, dass bei Schenkungen die Parteiabrede maßgeblich ist und in ihr die Pflicht zur Leistung des geschenkten Gegenstandes niedergelegt ist. In der zweiten Hälfte der Grágásbestimmung, die von der nicht fest verabredeten Gegenleistung handelt, ist deren Ermittlung fünf Anwohnern des Beklagten zugewiesen, welche auf dem Thing herbeizurufen waren und einen Juryspruch über den Wert des Geschenkes oder der Dienstleistung 140

141

142

Vgl. Landnámabók (Hauksbók), in: ÍF I, Kap. 350, S. 29(393): Steinnunr hin gamla, frændkona Ingólfs, fór til Íslands ok var mej honum hinn fyrsta vetr. Hann bauj at gefa henni Rosmhvalanes allt fyrir útan Hvassahraun, en hon heklu flekkótta enska ok vildi kaup kalla; henni pótti pat óhættara vij riptingum. („Steinunnur die Alte, eine Verwandte von Ingólfur [dem ersten Landnehmer], fuhr nach Island und war den ersten Winter bei ihm. Er bot ihr die gesamte Halbinsel Rosmhvalanes außer Hvassahraun als Geschenk an, und sie schenkte ihm dafür ein gepunktetes englisches Häkeldeckchen und wollte es einen Kauf nennen; dies schien ihr sicherer gegenüber eine Rückforderung zu sein.“); vgl. auch Landnámabók (Sturlubók), ebenda, Kap. 394, S. 392. Vgl. Porgils saga saga ok Haflija, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/ Kristján Eldjárn (Hrsg.), Kap. 15, S. 12(32): Hafliji mælti: Ek mun gefa Porgilsi átta kúgildi fyrir metnaj hans ok virjing, ok kalla ek gjöf, en alls ekki gjald. Ok skilr pat mej peim, at öjrum pótti fyrir ekki at gjalda, en öjrum pótti betra lítij gjald fyrir sökina en eiga gjöf at launa. Ok pótti hvárum sín virjing vij liggja, hvárt heldr væri pat kallat, ok stój pat í milli, at eigi urju sættirnar. („Hafliji sprach: ‚Ich werde Porgils acht Kuhwerte für seine Ehre und Würde geben, aber ich nenne es Geschenk und keinesfalls Buße.‘ Und dies trennte sie, dass der eine meinte, für nichts zu zahlen und dem anderen erschien eine kleine Buße in der Sache besser, als ein Geschenk entlohnen zu müssen. Und jedem schien seine Ehre daran zu hängen, wie es bezeichnet wurde; und dies stand zwischen ihnen, so dass kein Vergleich zu Stande kam.“) Vgl. Grágás II, Kap. 66, S. 85.08–11: Ef majr gefr avjrom manne xii. avra fiár eja meíra peim er hann a huarki at lavna lij ne giafar. enda verje eigi hálf lavnoj giöfen. hann a heimting til sins ef hin andaz. („Wenn jemand einem anderen 12 Öre an Gut oder mehr schenkt, dem er weder einen Dienst noch ein Geschenk entlohnen muss, und wird das Geschenk nicht [mindestens] zur Hälfte entlohnt, so hat er Anspruch auf das Seinige, wenn der andere stirbt.“), vgl. Grágás Ia, Kap. 127, S. 247.19–22.

234 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts abzugeben hatten. Indem die Bestimmung der Gegenleistung den Nachbarn des Beklagten zugewiesen wird, lässt es die Grágás zu, dass einige Vertragsdetails erst nach Vertragsschluss festgelegt werden. In der Grágás sind an dieser Stelle – wie in fast allen ähnlichen Fällen in den isländischen Gesetzen der Freistaatszeit auch – die Nachbarn des Beklagten zu dieser Bewertung berufen. Auch wenn die Bewertung bzw. Bestimmung der Gegenleistung durch Dritte einen Zusatz gegenüber Inst. 2, 7, 2 darstellt, besteht hier wiederum eine inhaltliche Parallele zu den Institutionen, wo bezüglich der locatio conductio bestimmt ist, dass man die Bestimmung der Gegenleistung auch einem Dritten überlassen kann: Et quae supra diximus, si alieno arbitrio pretium permissum fuerit, eadem et de locatione et conductione dicta esse intellegamus, si alieno arbitrio merces permissa fuerit.143

Und was wir oben144 für den Fall gesagt haben, dass der Kaufpreis dem Ermessen eines Dritten überlassen wird, das wollen wir auch für Miete-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag als gültig ansehen, wenn bei ihnen die Bestimmung des Entgelts dem Ermessen eines Dritten überlassen wird.

143144

Für die Aussagekraft der aufgezeigten Parallelen ist es von untergeordneter Bedeutung, dass Schenkungen unter Lebenden in den beiden Rechtsord-

143 144

Inst. 3, 24, 1. Vgl. Inst. 3, 23, 1: Pretium autem constitui oportet: nam nulla emptio sine pretio esse potest. sed et certum pretium esse debet. alioquin si ita inter aliqous convenerit, ut, quanti Titius rem aestimaverit, tanti sit empta: inter veteres satis abundeque hoc dubitabatur, sive constat venditio sive non. sed nostra decisio ita hoc constituit, ut, quotiens sic composita sit venditio ‚quanti ille aestimaverit‘, sub hac condicione staret contractus, ut, si quidem ipse qui nominatus est pretium definierit, omnimodo secundum eius aestimationem et pretium persolvatur et res tradatur, ut venditio ad effectum perducatur, emptore quidem ex empto actione, venditore autem ex vendito agente. („Ein Kaufpreis aber muss vereinbart sein. Denn einen Kaufvertrag ohne Kaufpreis kann es nicht geben. Der Preis muss aber auch bestimmt sein. Wenn demgegenüber von den Parteien verabredet wird, dass eine Sache für so viel gekauft sein soll, auf wieviel Titius sie schätzen wird, dann wurde unter den früheren Juristen mehr als genug darüber gestritten, ob ein Kaufvertrag besteht oder nicht. Unsere Entscheidung [C. 4, 38, 15 vom Jahre 530] hat das aber so geregelt: Falls der Kaufvertrag lautet: ‚Für so viel, wie jener schätzen wird‘, steht der Vertrag unter dieser Bedingung und folglich muss, wenn der Benannte den Preis bestimmt, in jedem Fall seiner Schätzung gemäß der Preis gezahlt und die Sache übergeben werden, so dass der Kaufvertrag Wirksamkeit erlangt und der Käufer mit der Kaufklage, der Verkäufer aber mit der Verkaufsklage vorgehen kann.“)

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nungen unterschiedlich ausgestalteten Beschränkungen unterlagen. Im isländischen Recht ist letzteres bereits in der Aussage enthalten, dass (lediglich) „Freundschaftsgeschenke“ zulässig sind, im römischen Recht bestehen Beschränkungsmöglichkeiten aufgrund anderer Vorschriften, beispielsweise für Schenkungen unter Ehegatten.145 Auch die Abfolge von Regelungen zum selben Gegenstand (Zulässigkeit von Freundschaftsgeschenken, kein freier Widerruf einer einmal gemachten Schenkung und notfalls Bestimmung des Wertes der Gegenleistung durch eine Anwohnerjury) ist in der Grágás und in den iustinianischen Institutionen (Inst 2, 7, 1 und 2, 7, 2) sehr ähnlich. Die isländischen Vorschriften über Grundsätze bei der Schenkung lassen es offen, ob der Gesetzgeber der Grágás generell eine Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft vor Augen hatte. Dies könnte insbesondere deswegen der Fall gewesen sein, weil die Regelung über das nichterfüllte Schenkungsversprechen in den Institutionen diese Trennung vorsieht und in diesem Kapitel der Grágás auf mehreren Ebenen Übereinstimmungen zu den Institutionen vorhanden sind. Es ist aber auch denkbar, dass diese Vorschrift eine Spezialnorm ist, nach der hier das Schenkungsversprechen bzw. das Lohnversprechen ausnahmsweise einen selbstständigen Anspruch begründet, bei der Handschenkung und bei anderen Verträgen in der Grágás aber nicht zwischen Verpflichtung und Verfügung unterschieden wurde. 4.4.2.2. Eigentumszuordnung von Bewuchs eines Grundstückes (superficies solo cedit) Eine weitere Norm, die eine pauschale Aussage trifft, ohne in Tatbestandsund Rechtsfolgenseite gegliedert zu sein, ordnet die Eigentumslage an den Pflanzen in Bezug zu dem Grundstück, auf dem sie wachsen. Die Grundnorm lautet: Hverr majr á grojr a sino lande.146

Jeder hat [im Sinne von Eigentum] den Bewuchs auf seinem Land.

146

145

146

Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 399 (§ 265 III.1.) und S. 172 (§ 218 II.2.). Grágás II, Kap. 422, S. 471.04; vgl. Grágás Ib, Kap. 191, S. 98.10–11: Hver majr a grojr af lande sino. („Jeder hat den Bewuchs von seinem Land.“)

236 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Der dieser Vorschrift zu Grunde liegende Gedanke wird durch eine Bestimmung weiter ausgeführt, nach welcher dem Eigentümer einer Wiese innerhalb ihrer Grenzen auch der Wiesenwuchs gehört. Hver majr á enge vöxt i sino engi marke.147

Jeder hat den Wiesenwuchs innerhalb seiner Wiesengrenzen.

147

Diese zweite Bestimmung ist auf den ersten Blick etwas überraschend, und es soll erst in der unten im Teil 5 vorzunehmenden Zusammenschau (ab S. 297) mit anderen sachenrechtlichen Normen näher dargelegt werden, warum neben der erstzitierten Norm auch die zweite ihre Berechtigung hat. Hier soll nur schon darauf hingewiesen werden, dass diese Normen dem Grundgedanken folgender Vorschrift entsprechen, welche sich gleichlautend in den Digesten (D. 41, 1, 9 pr. Gaius libro secundo rerum cottidianarum sive aureorum) und den Institutionen Justinians (Inst. 2, 1, 32) finden: Qua ratione autem plantae, quae terra coalescunt, solo cedunt, eadem ratione frumenta quoque quae sata sunt, solo cedere intelleguntur.

Aus demselben Grunde, weshalb Pflanzen, die in der Erde wurzeln, dem Boden folgen, wird auch ausgesätes Getreide als dem Boden folgend betrachtet.

Die Grágásnorm trifft zwar keine Eigentumszuordnung bezüglich des bereits ausgesäten Getreides, aber die Anordnung, dass der Bewuchs eines Grundstücks zum Grundstück gehört und damit dem Grundstückseigentümer zusteht, ist in beiden Normen dieselbe.148 Die zitierte Bestimmung der Institutionen baut auf der Argumentation in Inst. 2, 1, 29–31 auf und begründet das Ergebnis. Hierin wird der Charakter dieser Vorschriften als Gesetz gewordenes Lehrbuch deutlich. In der Grágás dagegen ist die Norm als ein Grundsatz formuliert, welcher nicht weiter begründet wird. Dieser Unterschied ist nicht weiter bedeutsam, soll hier aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

147 148

Grágás II, Kap. 420, S. 468.19; vgl. Grágás Ib, Kap. 190, S. 96.19. Vgl. bereits Sveinbjörn Rafnsson, Grágás og Digesta Iustiniani, in: Sjötíu Ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni II, S. 720(727–730).

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237

4.4.2.3. Keine Leihe bei Nichtberechtigung des „Verleihers“ Im Abschnitt der Grágás „Über das Verleihen von Gut“ (Um fjárleigur) steht im Zusammenhang mit Normen über einen Gegenstand, der mehreren gehört, dass dieser nur dann verliehen werden darf, wenn die Einwilligung aller vorliegt. Darauf folgt eine weitere grundsätzliche Norm über die Leihe: engi lér pes er an ar á.149

Niemand verleiht das, was einem anderen gehört.

149

Dieser Satz steht im direkten Gegensatz zu D. 13, 6, 15 (Paulus libro vicensimo nono ad edictum), wo folgendes bestimmt ist: Commodare possumus etiam alienam rem, quam possidemus, tametsi scientes alienam possidemus; […]

Wir können auch eine fremde Sache, welche wir besitzen, verleihen, obgleich wir sie wissentlich als eine fremde besitzen; […]

Nachdem hier die isländische Norm in programmatischer Weise festlegt, dass keine Leihe begründet werden kann, wenn der Verleiher nicht der Eigentümer der Sache ist, liegt der Schluss nahe, dass die isländische Bestimmung in Kenntnis einer Vorschrift wie D. 13, 6, 15 geschaffen wurde, denselben Sachverhalt aber anders bewertet. Auch wenn damit die Sachentscheidung genau gegenteilig ausfällt, ist beiden Normen eine programmatische Aussage gemeinsam. Nicht zutreffen dürfte wohl die Vermutung, dass die isländische Norm eine Parallele in D. 13, 6, 9 hat.150 Diese Norm behandelt die Frage der Eigentumsübertragung und nicht, ob ein Leihvertrag überhaupt begründet werden kann, wenn eine fremde Sache verliehen wird.151

149 150

151

Grágás II, Kap. 211, S. 243.14. Vgl. aber Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijalög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 131(140), dessen Verdienst es ist, in diesem Aufsatz viele Parallelen der Grágás zum langobardischen Recht erstmals aufgezeigt zu haben. Denn D. 13, 6, 9 (Ulpianus libro secundo ad edictum) lautet: nemo enim commodando rem facit eius cui commodat. („Denn niemand macht durch das Verleihen die Sache [zum Eigentum] desjenigen, welchem er sie leiht.“)

238 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts 4.4.2.4. Eigenverantwortlichkeit bei Verletzungen durch Tiere und Noxalhaftung Im Strafrechtsabschnitt findet sich eine weitere Norm dieser Kategorie im Zusammenhang mit Bestimmungen darüber, wann bei einer durch ein Tier hervorgerufenen Verletzung ein strafrechtlich relevanter Anknüpfungpunkt vorliegt. Nach mehreren ausführlichen Kapiteln über die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit für diverse Haustiere sowie für gezähmte Bären, Wölfe und Füchse152 beginnt das nächste Kapitel mit diesem Einleitungssatz: Huerr majr scal sik abyrgiaz vij horns gang oc hófs.153

Jeder soll für sich selber die Gefahr tragen hinsichtlich der Bewegung von Horn oder Hufe.

153

Auf diese Vorschrift folgt die nachstehende Bestimmung: Ef majr a grijung prievetran. eja ellra. oc særir hann menn eja kastar manne sva at honom verjr illt vij eja kastar hann fe manna eja særir sva at verjr siuct af oc varjar pat f iör b augs garj nema grijungur se actamr oc reije majr mej honom saman meire lut andvirkis sins. oc a majr pan at eiga ef hann vill.154

Wenn jemand einen Stier hat, der drei Winter alt oder älter ist, und dieser jemanden so umwirft, dass ihm schlecht wird, oder er Vieh von Leuten so umwirft, dass es dadurch krank wird, steht darauf dreijährige Landesverweisung, es sei denn, der Stier ist gespann-gezähmt und jemand erledigt mit ihm den größeren Teil seines Tageswerks: Dann soll man ihn zu Eigentum erhalten, wenn man will.

154

Zunächst werden hier die Rechtsfolgen für den Eigentümer festgelegt, wenn Verletzungen durch einen Stier hervorgerufen werden, der nicht als Zugtier gezähmt ist. Die dreijährige Landesverweisung trifft den Eigentümer nach dieser Vorschrift nur dann, wenn der Stier drei Jahre alt oder älter ist. Damit haftet der Eigentümer wie in den vorangegangenen Kapiteln persönlich und ohne die Möglichkeit, seine Haftung zu beschränken. Darauf folgt die eigentlich interessante Vorschrift. Wenn der dreijährige oder 152 153 154

Vgl. Grágás II, Kap. Kap. 345, S. 370.18–371.08; Kap. 346+347, S. 371–373. Grágás II, Kap. 348, S. 373.15, vgl. Grágás Ib, Kap. 242, S. 188.19–20. Grágás II, Kap. 348, S. 373.16–374.01.

Regelungstechnik

239

ältere Stier, der jemanden verletzt, als Zugtier gezähmt ist, so kann sich der Eigentümer mit der noxae deditio entlasten, also, indem er dem Geschädigten den Stier übereignet. Auch hier besteht eine Parallele zu den justinianischen Institutionen. Denn in Inst. 4, 9 pr. wird die ursprünglich nur für Sklaven angeordnete Noxalhaftung (vgl. Inst. 4, 8 pr.-4, 8 2) auf Tiere erweitert. Die ursprünglich auf Delikte von Sklaven bezogene Noxalklage ist in Inst. 4, 8 pr. geregelt: Ex maleficiis servorum, veluti si furtum fecerint aut bona rapuerint aut damnum dederint aut iniuriam commiserint, noxales actiones proditae sunt, quibus domino damnato permittitur aut litis aestimationem suffere aut hominem noxae dedere.

Wegen der Delikte der Sklaven – zum Beispiel, wenn sie einen Diebstahl begangen, Sachen geraubt, einen Schaden zugefügt oder eine Personenverletzung begangen haben – sind Noxalklagen geschaffen worden, bei denen dem verurteilten Eigentümer gestattet wird, entweder den Schätzwert des Streitgegenstandes zu leisten oder den Sklaven als den Schädiger, noxa, auszuliefern.

Die Begründung für die Einrichtung der Noxalklage findet sich in Inst. 4, 8, 2: Summa autem ratione permissum est noxae deditione defungi: namque erat iniquum nequitiam eorum ultra ipsorum corpora dominis damnosam esse.

Mit sehr guter Begründung ist gestattet worden, dass man sich durch die Auslieferung des Schädigers entlasten kann; denn es wäre ungerecht, wenn die Schlechtigkeit eines Sklaven dem Eigentümer über den Wert des Körpers hinaus nachteilig wäre.

Die Erweiterung auf Vierfüßer erfolgt im darauf folgenden Titel (Inst. 4, 9 pr.): Animalium nomine, quae ratione carent, si quidem lascivia aut fervore aut feritate pauperiem fecerint, noxalis actio lege duodecim tabularum prodita est (quae animalia si noxae dedantur, proficiunt reo ad liberationem, quia ita lex duodecim tabularum scripta est): puta si equus calcitro-

Hinsichtlich der Lebewesen, die der Vernunft entbehren, hat das Zwölftafelgesetz eine Noxalklage eingeführt, wenn sie durch Mutwillen, Triebhaftigkeit oder Wildheit einen Tierschaden anrichten (werden diese Tiere als Schädiger ausgelie-

240 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts sus calce percusserit aut bos cornu petere solitus petierit. haec autem actio in his, quae contra naturam moventur, locum habet: ceterum si genitalis sit feritas, cessat. denique si ursus fugit a domino et sic nocuit, non potest quondam dominus conveniri, quia desinit dominus esse, ubi fera evasit. pauperies autem est damnum sine iniuria facientis datum: nec enim potest animal iniuriam fecisse, dici, quod sensu caret. haec quod ad noxalem actionem pertinet.

fert, führt das den Beklagten zur Befreiung, weil das Zwölftafelgesetz es so vorgeschrieben hat). Zum Beispiel wenn ein Pferd, das zum Ausschlagen neigt, jemanden mit dem Huf getroffen hat oder ein Rind, das die Eigenart hat, mit den Hörnern anzugreifen, jemanden angegriffen hat. Diese Klage findet aber bei den Tieren statt, die sich gegen ihre [zahme] Natur verhalten; ist dagegen die Wildheit angeboren, entfällt sie. Wenn zum Beispiel ein Bär seinem Eigentümer entlaufen ist und dann Schaden angerichtet hat, kann der frühere Eigentümer nicht belangt werden, weil er aufhört, Eigentümer zu sein, sobald das wilde Tier entwichen ist. Tierschaden ist aber der ohne Unrecht des Handelnden zugefügte Schaden. Weil das Tier keinen Verstand hat, kann man nämlich nicht sagen, dass es ein Unrecht begangen hat. Soweit das, was die Noxalklage betrifft.

Anhand dieser Vorschrift wird deutlich, dass die angeführte Bestimmung der Grágás, in der nach der Zähmung des Stieres als Zugtier differenziert wird, wohl in Kenntnis von Inst. 4, 9 pr. erlassen wurde, da sie an dasselbe Kriterium, nämlich dass das Tier sich gegen seine ansonsten zahme Natur verhalten hat, anknüpft und ebenfalls die Möglichkeit der noxae deditio einräumt. 4.4.2.5. Erbrechtsauschluss bei vorsätzlicher Tötung des Erblassers oder Anstiftung dazu Auch im Bereich des Erbrechts finden sich Normen, die einen programmatisch formulierten Grundsatz enthalten.

Regelungstechnik

Alldrigi scal majr arf taka at pan man er hann vegr. eja ræjr bana fram komin.155

241

Niemals soll jemand von demjenigen das Erbe erhalten, den er erschlägt oder zu dessen verwirklichter Tötung er angestiftet hat.

155

Diese Norm der Stajarhólsbók hat, wie auch viele andere, keine Entsprechung in der Konungsbók. Hervorzuheben ist, dass der Erbrechtsausschluss nur bei vorsätzlicher Tötung oder Anstiftung zur erfolgten Tötung erfolgt. Damit weist diese Stelle dieselbe rechtliche Wertung auf wie C. 6, 35, 10.156 Hier ist im Codex Iustinianus, wie häufig im römischen Recht, nur eine spezielle Fallkonstellation genannt, die aber verallgemeinert werden kann, da sie ein allgemeines Prinzip ausdrückt.157 Deutlicher ist dieselbe Frage in D. 48, 20, 7, 4 geregelt.158 Obwohl diese Norm ein in Island unbekanntes Erbrecht des Fiskus festlegt, ist ihr Grundgedanke derselbe wie bei der isländischen Norm: Niemand soll eine Erbschaft erhalten, wenn er für die Tötung des Erblassers verantwortlich ist. Die Vorschrift der Digesten geht im ersten Teil sogar noch weiter und verbietet, dass den übrigen Erben der

155 156

157 158

Grágás II, Kap. 341, S. 367.13–14. Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et CC. Silvanae: Sororem fratris necem iure licito vindicantem evincere ab uxore scripta recte successionem non convenit. Secundum quae, si fiduciam innocentiae geris et necque dolo malo tuo maritum necatum neque alias indignam te successione posse probari confidis, adversus omnem calumniam maximam habes securitatem. („Die Kaiser Diokletian und Maximian und die Cäsaren an Sylvana: Einer Schwester, welche auf gesetzlich erlaubte Weise den Tod ihres Bruders rächt, steht nicht das Recht zu, der rechtsbeständig zur Erbin eingesetzten Ehegattin desselben die Erbschaft zu entziehen. Fühlest du dich daher vollkommen unschuldig und bist du auch überzeugt, dass weder durch deinen bösen Willen dein Ehemann getödtet worden, noch man sonst dich einer Unwürdigkeit zur Erbfolge überführen kann, so kannst du dich gegen alle frivolen Ansprüche vollständig gesichert halten.“) Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 726 mit Fn. 37 (§ 178 II.). PAULUS libro singulari de portionibus, quae liberis damnatorum conceduntur Praeterea ex his, quae per flagitium damnatus adquisit, portiones liberorum non augentur: veluti si cognatum suum interemi curaverit et eius hereditatem adiit vel bonorum possessionem accepit: nam ita divus Pius rescripsit. cui consequenter illud idem princeps constituit, cum filia familias veneno necasse convinceretur eum, a quo heres instituta erat: quamvis iussu patris, cuius in potestate erat, hereditatem eam adiisset, tamen fisco eam vindicandam esse. („Außerdem werden die Anteile der Kinder dadurch, was der Verurteilte durch seine Missetat erworben hat, nicht vermehrt werden, z. B. wenn er einen Verwandten hat um’s Leben bringen lassen, und seine Verlassenschaft angetreten, oder den Nachlassbesitz erhalten hat; denn das hat Divus Pius rescribiert. Dem entsprechend hat derselbe Kaiser auch rescribiert, als eine Haustochter überführt wurde, Den mit Gift getödtet zu haben, von dem sie zur Erbin eingesetzt worden war, dass, wenn sie auch auf Befehl des Vaters, in dessen Gewalt sie stand, die Erbschaft angetreten habe, dieselbe doch dem Fiscus verfalle.“)

242 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Teil anwächst, der auf den durch die Tötung des Erblassers nunmehr Ausgeschlossen entfallen wäre. 4.4.2.6. Unterhaltsgrundsätze Der Abschnitt der Grágás, der das Unterhaltsrecht regelt, beginnt mit einem Programmsatz, der durch die nachfolgenden Regelungen weiter konkretisiert wird. Sva er mælt at sin omaga a hver majr fram at föra a landi her.159

So ist bestimmt, dass jeder hier im Lande seinen Bedürftigen unterhalten soll.

159

In anderen Normen ist geregelt, dass die Grundlage für eine Unterhaltspflicht die Abstammung ist: Sitt barn scal hver majr fram føra a landi her.160

Sein Kind soll jeder hierzulande unterhalten.

Sitt elje a hverr majr fram at føra.161

Seinen Sprössling soll jeder unterhalten.

160161

Diese Regeln werden in anderen Vorschriften auch auf Verwandte in der Seitenlinie erstreckt. Den unterhaltsrechtlichen Regelungen ist gemeinsam, dass sie den hinter den spezielleren Normen liegenden Grundgedanken – grundsätzlich kann jemand nur dann ein unterhaltsberechtigter Bedürftiger einer anderen Person sein, wenn er mit dieser verwandt ist – offen legen, auch wenn es ihrer überwiegend nicht bedurft hätte, um die betreffenden Rechtsverhältnisse zu regeln. Die hier zitierten Programmsätze sind zu allgemein, als dass konkrete Parallelen im römischen Recht benannt werden könnte, auch wenn es im römischen Recht grundsätzlich dieselben Unterhaltspflichten gab.162

159

160 161 162

Grágás II, Kap. 81, S. 103.03–04, vgl. Grágás Ib, Kap. 128, S. 3.03–04, wo das Wort „Bedürftiger“ im Plural steht. Grágás II, Kap. 81, S. 105.06–07; vgl. Grágás Ib, Kap. 128, S. 5.01–02. Grágás II, Kap. 82, S. 106.11. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 202 f., 206 (§ 226 I.2.; III.2.).

Regelungstechnik

243

4.4.2.7. Zwischenergebnis Die Art, wie in der Grágás grundsätzliche Normen zu den jeweiligen Regelungskomplexen formuliert werden, ähnelt der Verwendung von principii oder regulae iuris im römischen Recht. Einige der Vorschriften der Grágás weisen sogar inhaltlich enge Parallelen zum römischen Recht auf. 4.4.3. Verweistechnik Eine große Anzahl von Normen in der Grágás, die einen Spezialfall betreffen, verweist – teils mit Modifikationen – auf die Regelung des Grundfalles. Ein derartiger Verweis ist nicht nur gesetzgebungstechnisch ökonomisch, weil er Wiederholungen vermeidet, sondern er trägt auch wesentlich zur Bildung eines konsistenten Systems bei, da vergleichbare Fälle dadurch eine ähnliche rechtliche Behandlung erfahren, die dennoch ihren jeweiligen Besonderheiten Rechnung trägt. Als ein Beispiel für eine solche Verweisung kann die Norm über die Klageberechtigung bei der Verletzung eines Geschäftsunfähigen dienen. Nu er un it a peim manne er hann er fulltiji at alldri. en hann er sva vitlítill at hann a eigi for áj fiar sins. oc á sa majr savc pa er hann er réttr mælandi máls hans. en pat scal fara at pvi sem ajr var tínt vm ena ungo menn.163

Wenn jemand verletzt wird, der dem Alter nach volljährig ist, aber so geringen Verstandes ist, dass er nicht die Bestimmung über sein Vermögen hat, dann hat derjenige das Klagerecht, der der richtige Sachwalter seiner Sachen ist, und es soll so verfahren werden, wie zuvor bezüglich der Minderjährigen aufgezählt wurde.

163

Somit werden hier Geschäftsunfähige und solche Minderjährigen, die jünger als 12 Jahre sind und daher niemals in einem Strafverfahren als Kläger auftreten können, gleich behandelt. 163

Grágás II, Kap. 340, S. 366.10–14; vgl. Grágás Ia, Kap. 94, S. 169.20–170.01: Ef unit er apeim manne. er fulltije er at aldri er sva er o hygin. at hann a eigi foraj fiar sins. oc a sa söc er réttr er mælande máls hans. Sua scal fara vm pær sacir allar er vij hann ero gervar sem nv var tint vm averkin. („Wenn derjenige verletzt wird, der zwar vom Alter her volljährig ist, aber so gedankenarm, dass er nicht die Bestimmung über sein Vermögen hat, dann hat derjenige die Klageberechtigung, der der richtige Sachwalter seiner Sachen ist. Es soll bezüglich aller Sachen, die ihm angetan werden, so verfahren werden, wie nun bezüglich der Verletzungen [vermutlich der eines Minderjährigen] aufgezählt wurde.“)

244 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Ein weiteres Beispiel für die Verweisung auf einen rechtlich vergleichbaren Sachverhalt findet sich im Bereich des Grundstücksrechts. Ef majr selr land sitt öjrom man e. enda a hann par hey eftir. er hann fer a bravt. i hlöjom. eja heygörjom. eja á hann buskerfe eftir par í husom. oc scal pa sva alt fara hans a mijli oc landeigandans. epa pes er alande byr. sem mælt var ajr til handa leiglendinge. par er hann for af landeno.164

Wenn jemand sein Land einem anderen verkauft und er dort Heu zurücklässt, wenn er wegfährt, in Scheunen oder innerhalb einer Einfriedung um das Heu, oder wenn er dort seine Wirtschaftsgüter in den Häusern zurücklässt, dann soll alles zwischen ihm und dem Landeigentümer oder dem, der auf dem Land wohnt [scil. dort neu hinzieht], so gelten, wie es zuvor für den Pächter für den Fall bestimmt war, dass er von dem Land wegging.

164165

Hier ist die Behandlung von auf dem veräußerten Grundstück zurückgelassem Zubehör dem Fall gleichgestellt, dass ein Pächter einen gepachteten Hof zurückgibt. Dabei ist sogar noch die Möglichkeit mit berücksichtigt, dass der Erwerber nicht selbst auf das Land zieht, um es zu bewirtschaften, sondern sein Pächter. Eine weitere Verweisung auf einen Grundfall findet sich auch im Treibgutabschnitt der Stajarhólsbók. Pess huals er fluttr er eigo flytiendr prijiung en lanjeigande tualute. ef eigi er scot i hualnom. En ef scot er i. pa a scotmajr einn prijiung en landeigande annan. en flytiendr hinn prijia. oc scal landeigandi varjveita skot manz lut sem pa at reka hualr være. oc sva orj gera skot manne oc skera til helmingar hans lut. ef skot majr kømr eigi sialfr til. oc sca scal at öllo mej pvi scot fe fara sem pa at hval ræki upp.165

164 165

Von dem Wal, der transportiert wird, gehören dem Transportierenden ein Drittel und dem Landeigentümer zwei Drittel, wenn keine Harpune im Wal ist. Wenn aber eine Harpune darin ist, dann stehen dem Harpunier ein Drittel, dem Landeigentümer das zweite und dem Transportierenden das dritte zu und der Landeigentümer soll den Harpuniereranteil verwahren, wie wenn es ein gestrandeter Wal wäre, und er

Grágás II, Kap. 434, S. 503.20–25. Grágás II, Kap. 456, S. 529.12–19=AM 279a 4to, Pingeyrabók, Kap. 10, in: Grágás III, S. 377(403.07–14).

Regelungstechnik

245

soll dem Harpunier Mitteilung machen und dessen Anteil auf die Hälfte reduzieren, wenn der Harpunier nicht selber erscheint, und er soll mit dem Harpunengeld vollständig so verfahren wie dann, wenn ein Wal stranden würde. Unter Harpunengeld wurde sowohl der Anteil des Harpuniers verstanden, den er in natura beanspruchen konnte, als auch dessen Wert.166 Nachdem das Meeresufer nicht überall im Privateigentum stand, sondern der Uferstreifen auch eine Allmende sein konnte, waren besondere Regelungen für dort anfallendes Treibgut erforderlich. Nu kemr hvalr mejan peir ero i almenningo. oc er pa sva vm hann mælt. sem um vij.

Wenn ein Wal dorthin gelangt, während sie auf der Allmende sind, dann ist alles so über ihn bestimmt wie bezüglich Holz.

167

Solche Verweisungen finden sich noch in vielen weiteren Vorschriften.168 An ihrer großen Zahl wird deutlich, dass die Gesetze der Grágás ein 166 167 168

Vgl. Grágás II, Kap. 450, 451, S. 523–525. Grágás II, Kap. 460, S. 537.17–19=Grágás Ib, Kap. 240, S. 186.20–22. Vgl. vor allem Grágás II, Kap. 57, S. 65.19=Grágás Ia, Kap. 118, S. 221.22; Grágás II, Kap. 70, S. 93.05–07=Grágás Ia, Kap. 126, S. 243.12–14; Grágás II, Kap. 71, S. 94.24–95.01=Grágás Ia, Kap. 126, S. 245.21–22; Grágás II, Kap. 71, S. 95.09–10; Grágás II, Kap. 72, S. 95.13–14=Grágás Ia, Kap. 126, S. 245.09–10; Grágás II, Kap. 183, S. 224.11–12=Grágás Ib, Kap. 222, S. 148.01–02; Grágás Ib, Kap. 225, S. 156.26–27; Grágás II, Kap. 248, S. 280.20–21; Grágás II, Kap. 252, S. 283.12–13; Grágás II, Kap. 256, S. 286.18–19= Grágás Ib, Kap. 244, S. 191.01–03; Grágás Kap. 256, S. 287.02–03=Grágás Ib, Kap. 244, S. 191.07–08; Grágás II, Kap. 259, S. 288.01–02=Grágás Ib, Kap. 244, S. 191.22–23; Grágás II, Kap. 275, S. 303.22=Grágás Ia, Kap. 86, S. 147.18; Grágás II, Kap. 289, S. 324.26=Grágás Ia, Kap. 89, S. 163.01; Grágás II, Kap. 289, S. 325.07–08; Grágás II, Kap. 293, S. 333.04–05; Grágás II, Kap. 297, S. 336.16=Grágás Ia, Kap. 95, S. 171.03–04; Grágás II, Kap. 300, S. 340.09–10+12=Grágás Ia, Kap. 97, S. 173.09–11; Grágás II, Kap. 300, S. 340.23–25=Grágás Ia, Kap. 97, S. 173.28–30; Grágás II, Kap. 335, S. 363.08+15=Grágás Ia, Kap. 107, S. 182.22+28; Grágás II, Kap. 335, S. 364.04–05, vgl. Grágás Ia, Kap. 94, S. 170.09; Grágás Ia, Kap.107, S. 183.13–16; Grágás II, Kap. 340, S. 366.18–20= Grágás Ia, Kap. 94, S. 169.22–170.01; Grágás II, Kap. 345, S. 371.06–08; Grágás II, Kap. 347, S. 372.23–24=Grágás Ib, Kap. 243, S. 188.22–23; Grágás II, Kap. 354, S. 377.01–05; Grágás II, Kap. 372, S. 388.19–21+25–389.01; Grágás II, Kap. 382, S. 401.04–06=Grágás Ia, Kap. 110, S. 189.04–05; Grágás II, Kap. 389,

246 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts eng verknüpftes Regelungskonzept bilden. Dies macht es sehr unwahrscheinlich, dass ein großer Teil der Normen nur theoretischer Natur gewesen wäre und keinerlei praktische Geltung gehabt hätte.169 Denn dann hätten aus einem einheitlichen Normenkomplex nur einige Teile gegolten, was sehr fernliegend ist. Auch ist dadurch eher wahrscheinlich, dass der ganz überwiegende Teil der Grágásgesetze zum selben Zeitpunkt die Form erhalten hat, welche in den Handschriften bewahrt ist. Wären dagegen die Gesetze zu ganz unterschiedlichen Zeiten und auf Initiative ganz verschiedener Personen erlassen worden, wären kaum so viele Verweise zwischen den einzelnen Vorschriften vorhanden und die Gesetze würden kaum eine so einheitliche Begriffsbildung aufweisen. Es erscheint nämlich schwer vorstellbar, dass die Normen zu verschiedenen Zeiten erlassen wurden und der jeweilige Gesetzgeber dann bei Erlass einer Norm eher eine Verweisung auf eine bereits bestehende Vorschrift vorgenommen haben würde, als den Inhalt der Regelung vollständig in der Novelle anzugeben. In den justinianischen Gesetzen fällt keine so ausdifferenzierte Verweistechnik auf. Dies mag daran liegen, dass die justinianischen Gesetze immer noch sehr stark fallrechtlich orientiert sind und ihre kasuistische Herkunft aus sehr unterschiedlichen Quellen nicht verleugnen können. Selbst der Codex Iustinianus ist ein Sammelwerk aus Vorläuferkodifikationen und stellt daher kein zu einem Zeitpunkt völlig neu erstelltes Gesetzgebungswerk dar. Dennoch weisen die häufigen Verweise in der Grágás eine gewisse Parallele zur römisch-rechtlichen Methodik auf, die sich dadurch auszeichnet, dass die Lösung eines Falles vor allem durch den Vergleich ähnlich gelagerter Fälle gewonnen wird.170 Beispielsweise wird in D. 47, 3, 1 das für einen verbauten Balken (tignum iunctum) Geregelte per Verweis auf andere Baumaterialien eines Hauses und die zur Anlegung

169 170

S. 411.12–14=Grágás Ib, Kap. 173, S. 79.24–26; Grágás II, Kap. 389, S. 413.21–22; Grágás II, Kap. 394, S. 427.03–04; Grágás II, Kap. 396, S. 428.16; Grágás II, Kap. 401, S. 433.11–15=Grágás Ib, Kap. 192, S. 100.04–08; Grágás II, Kap. 401, S. 435.18–20=Grágás Ib, Kap. 195, S. 105.18–21; Grágás II, Kap. 402, S. 439.02–03; Grágás II, Kap. 402, S. 440.15–16=Grágás Ib, Kap. 193, S. 104.13–14; Grágás II, Kap. 403, S. 450.04–08=Grágás Ib, Kap. 197, S. 106.17–21; Grágás II, Kap. 430, S. 493.02–04; Grágás II, Kap. 443, S. 516.06–07=AM 279a 4to, Pingeyrabók, Kap. 4, in: Grágás III, S. 377(386.11–12); Grágás II, Kap. 449, S. 523.03–05=Grágás Ib, Kap. 215, S. 130.11–13, Grágás II, Kap. 451, S. 524.22–23; Grágás II, Kap. 457, S. 531.15–17; Grágás II, Kap. 458, S. 533.09–10+11–12=Grágás Ib, Kap. 217, S. 133.07–08; Grágás II, Kap. 459, S. 534.18–21+21–24, S. 536.19–22. Vgl. die Nachweise oben in Teil 1 Fn. 252. Vgl. Max Kaser, Zur Methode der römischen Rechtsfindung, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschafen in Göttingen, I. Philologisch-historische Klasse 1962 Nr. 2, S. 49(54 ff., 72 ff.).

Regelungstechnik

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eines Weinbergs benötigten Baumaterialien erstreckt (zu einer isländischen Norm, die Rechtsfragen eines tignum iunctum behandelt, siehe unten S. 300). In der Grágás sind die Vergleiche in Form von Verweisen in das Gesetz aufgenommen worden und stehen damit ganz in der Tradition des Falldenkens der römischen Juristen. 4.4.4.

Gesetzliche Vermutungen und Fiktionen

4.4.4.1. Gesetzliche Vermutungen Daneben arbeit die Grágás an vielen Stellen mit gesetzlichen Vermutungen oder sogar Fiktionen. Da gesetzliche Vermutungen wesentlich häufiger auftreten als Fiktionen, soll zunächst ein Beispiel, welches eine eine gesetzliche Vermutung aufweist, angeführt werden: 171172 Ef peim manne tömiz erfj er erlendiz er. pa a sa majr at taca pat fe er hinn nanasti nijr er her hinum andapa. scal hann lata virja fe pat .v. landeigendr iafnt sem omagaeyri. oc sva at öllu hafa fe pat sem omaga eyri. En ef sa majr kømr ut er feit a at taca. pa a hann at taca in støjann a vaxta lavsan.171

En ef sa majr andaz er erlendis er. pa scolo erfingiar pes er erlendis andaz stefna peim manne er féet er undir. oc lata san a dauja hans.172

171 172

Wenn demjenigen eine Erbschaft anfällt, der im Ausland ist, dann hat derjenige das Gut zu nehmen, der dem Verstorbenen der nächste Nachkomme ist, und er soll das Gut durch 5 Landeigentümer genauso wie Bedürftigenöre bewerten lassen und dieses Gut in allem so halten wie Bedürftigenöre. Wenn derjenige herauskommt, der das Gut erhalten soll, dann soll er den Vermögensstamm zinslos erhalten. Wenn derjenige stirbt, der im Ausland ist, dann sollen die Erben dessen, der im Ausland verstirbt, denjenigen vorladen, der das Gut hat, und seinen (des Verstorbenen) Tod beweisen lassen.

Grágás II, Kap. 59, S. 70.23–71.04= Grágás Ia, Kap. 118, S. 226.24–227.03. Grágás II, Kap. 59, S. 71.04–06, vgl. Grágás Ia, Kap. 118, S. 227.03–04: En ef sa andaz er erlendis er pa eigo hans erfingiar pat fe at taca ef hann andaz sijar. („Wenn derjenige stirbt, der im Ausland ist, dann sollen seine Erben das Gut nehmen, wenn er später stirbt.“)

248 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Pat er oc ef ecki spyrsc til manz. oc scal sva vera sem hann lifi til pes er davpinn er sanajr.173 Nu a pes peirra erfingi feit at taca er lengr lifir.174

Dies gilt auch, wenn man von jemandem nichts mehr hört: Dann soll es so sein, als ob er lebe, bis der Tod bewiesen ist. Der Erbe desjenigen von ihnen, der länger lebt, erhält das Gut.

173174

Damit ordnet das Gesetz an, dass jemand so lange als lebend gilt, bis er für tot erlärt wird.175 Aber nicht immer ist es möglich zu ermitteln, wann genau jemand gestorben ist. Diesen Fall kann wiederum nur eine gesetzliche Vermutung sinnvoll regeln. Par er menn drucna pa er sva sem allir deyi sen eja par er eitt gengur yfir alla. ekki skiptir pat arfi.176

Dort, wo Leute ertrinken oder dort, wo eine Sache über alle hereinbricht, ist das so, als ob alle gleichzeitig stürben. Dies hat keinen Einfluss auf das Erbe.

176

Eine verwandte Vorschrift findet sich etwas später wiederum in der Stajarhólsbók: Huar pes er menn faraz sva at menn vite eigi huerr peirra lengst hefir lifat. pa scal sva vera sem peir hafe allir sen andaz. engi scal peirra arf taka eptir an an.

173 174 175

176

Überall dort, wo Leute so umkommen, dass man nicht weiß, wer von ihnen am längsten gelebt hat, dann soll das so sein, als ob alle gleichzeitig gestorben wären. Keiner von ihnen soll das Erbe vom anderen antreten.

Grágás II, Kap. 59, S. 71.06–08. Grágás II, Kap. 59, S. 71.08–09. Grágás Ia: vgl. Fn. 172. Vgl. auch Grágás II, Kap. 59, S. 71.14–15: Nu spyrsc ecki til manz oc scal sva vera sem hann se lifande mepan hann er eigi andapr sagjr. („Wenn man von jemandem nichts mehr hört, dann soll es so sein, als ob er am Leben sei, solange er nicht für gestorben erklärt wird.“); vgl. Grágás Ia, Kap. 126, S. 245.05–08: Nu spyrsc ecki til manz. oc scal sva vera sem hann se lifande mepan hann er eigi andajr sagjr. oc vera sem hann life til pess er davje hans er sanajr. („Wenn man von jemandem nichts hört, dann soll es so sein, als ob er am Leben sei, solange er nicht für gestorben erklärt wird, und es soll sein, als ob er lebe, solange, bis sein Tod bewiesen wird.“) Vergleiche auch die Wiederholung dieser Bestimmungen in: Grágás II, Kap. 71, S. 95.01–02 und Grágás Ia, Kap. 124, S. 236.16–237.03 mit jeweils etwas anderen Schwerpunkten. Grágás II, Kap. 59, S. 71.23–25.

Regelungstechnik

Huart sem er at menn faraz á scipum epa verpa fyrir scripum eja vatna gange eja huerngi bana er peir fa pan er ajrir menn vito eigi misdavja peirra. huar pes er pat spyrsc sijar at peir hafa sumir lengr lifat en sumir. pa scal sva fara vm arf tekior peirra oc vm fiarvarjveislor sem pat reyniz.177

249

Gleich, ob Leute auf Schiffen umkommen oder unter Lawinen landen oder (durch) Überflutungen (umkommen) oder auf welche Art auch immer sie den Tod so erhalten, dass andere Leute nicht ihre unterschiedlichen Todeszeitpunkte wissen: Überall dort, wo es später in Erfahrung gebracht wird, dass einige länger gelebt haben als andere, dann soll so verfahren werden hinsichtlich des Erbantrittes und hinsichtlich der Vermögensverwahrung, wie es sich erweist.

177

Dieses Thema scheint von besonderem Interesse gewesen zu sein, weil beide Handschriften mehrere Normen dazu verzeichnen, wobei sich diese Normen jeweils gegenseitig eher ergänzen als widersprechen. Auch im römischen Recht wird in D. 34, 5, 9 mit gesetzlichen Vermutungen gearbeitet, wenn es um die Ermittlung des für die Erbfolge relevanten Todeszeitpunktes mehrer Personen geht. Damit enthalten die Digesten für den Prozess Beweisregeln, in welche die nachklassische Schule und Praxis die durch die klassische Kasuistik entwickelten Auslegungsregeln umgedeutet hatten.178 In den Basiliken hat sich diese Stelle in Buch 44, 18, 9 befunden, kann dort aber nur restituiert werden.179 Die aus der Grágás zitierten Bestimmungen stellen ebenfalls Beweislastregeln dar. In D. 34, 5, 9, 1–4 wird allerdings eine bestimmte Reihenfolge des Ablebens vermutet, die im Prozess widerlegt werden kann, während 177

178 179

Grágás II, Kap. 71, S. 95.02–10, vgl. Grágás Ia, Kap. 126, S. 245.22–246.04: Par er men verja davpir fyrir scrijum eja vatn davpir eja vapn davjir. eja huerngi davja er peir hliota allir sva at engi majr kømr abrott oc sia menn eigi misfara peirra sva at deili viti á. Par scal meta sva sem peir hafe allir sen dáit. fyrir pvi at engi scal arf taca eptir anan. Ef nockor kømz a brot oc scal pat standaz er sa sagjr huerr peirra lengst lifje. („Dort, wo Leute durch Lawinen umkommen oder durch Wasser getötet werden oder durch Waffen getötet werden, oder was für einen Tod auch immer sie so erleiden, dass niemand davon kommt und man nicht unterschiedliche Todeszeitpunkte erkennen kann, so dass man es unterscheiden könnte. Dort soll es so bewertet werden, als seien sie alle gleichzeitig gestorben, weil niemand den anderen beerben soll. Wenn einer davon kommt, dann soll das Bestand haben, was er sagte, wer von ihnen am längsten gelebt habe.“) Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 114 mit Fn. 16 (§ 206 III.). Vgl. Basilicorum libri LX, H. J. Scheltema/N. van der Waal (Hrsg.), Serie A Bd. VI, S. 2042 f.

250 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts nach den Vorschriften der Grágás im Zweifelsfall von einem gleichzeitigen Ableben auszugehen ist. Eine Parallele zwischen diesen Vorschriften besteht daher lediglich bei der Gesetzgebungstechnik nicht aber bei ihrem Inhalt. 4.4.4.2. Gesetzliche Fiktionen Mitunter konnte auch der Sterbeort relevant werden für die Frage, wer Erbe geworden ist. Wenn ein Seemann auf Island starb, ohne dort Verwandte zu haben, war zunächst die Reihenfolge bestimmt, in der seine Schiffsgenossen das Erbe übernehmen sollten. Im Anschluss daran ist auch der Fall geregelt, dass ein Seemann abmustert, sich eine Stelle an Land sucht und dort verstirbt. In der diesbezüglichen Norm finden sich gleich zwei gesetzliche Fiktionen. En ef hann tecr ser vist oc andaz hann a göton i er hann fer fra scipi. Pa scal pat fe sva fara sem hann andiz at scipi er hann hafji átt. En ef hann kømr í vistina oc andaz hann par. pa a felagi hans pat fe at taca. nema peir hafi til pess gert felagit at ajrir menn scylldo eigi taca arf eptir pa. oc er pa sem peir hafe ecki um mælt.180

Wenn er sich Unterkunft (gegen Arbeit) nimmt und auf der Straße stirbt, während er vom Schiffe weggeht, dann soll das Gut, das er hatte, so verteiltwerden, als ob er auf dem Schiff gestorben wäre. Wenn er seine Anstellungsunterkunft erreicht und er dort stirbt, dann soll sein Mitgesellschafter das Gut erhalten, es sei denn, sie hätten die Gesellschaft deshalb errichtet, damit keine anderen ihr Erbe antreten; dann ist es so, als hätten sie gar nichts vereinbart.

180

Hier wird die rechtliche Behandlung des Sachverhalts, dass ein Seemann auf einem Schiff verstirbt, auch auf den Fall erstreckt, welcher sich daraus entwickelt hat, nämlich, dass der Seemann das Schiff verlassen hat und nun eine Anstellung an Land sucht. Solange er dort noch nicht angekommen ist, be180

Grágás II, Kap. 61, S. 73.25–74.05=Grágás Ia, Kap. 120, S. 228.21–229.01. Vgl. auch Grágás Ib, Kap. 249, S. 198.07–09: Ef avst majr andaz iför peirre er hann fer til vistar. oc er pat sem hann andez at scipe. („Wenn jemand aus dem Osten auf der Fahrt stirbt, während er zu einer Anstellung mit Unterkunft geht, dann ist das so, als ob er auf dem Schiff sterben würde.“)

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misst sich die erbrechtliche Behandlung nach der Regelung, die ursprünglich nur für den Aufenthalt auf dem Schiff gedacht war. Gesetzgebungstechnisch ist dies als Fiktion ausgestaltet, indem angeordnet wird, dass der Fall so zu bewerten ist, als sei der Seemann noch auf dem Schiff verstorben. Gleichermaßen ordnet das Gesetz eine Fiktion an für den Fall, dass der Verstorbene mit einem anderen eine Gesellschaft eingegangen war. Wenn ein Gesellschafter stirbt, während er an Land in Anstellung ist, dann soll grundsätzlich sein Mitgesellschafter seine Erbschaft übernehmen. Hatten sie dagegen vereinbart, dass sie gegenseitig ihre Erbschaft nicht übernehmen sollten, dann wird das so angesehen, als hätten sie gar nichts darüber vereinbart. Hierdurch wird erreicht, dass dann die übrigen Regelungen gelten, nach denen der Bauer, bei dem er in Anstellung war, die Erbschaft erhält.181 Eine ganze Reihe weiterer Fiktionen finden sich im Bereich des Verfahrensrechts. Dort werden Fiktionen überwiegend eingesetzt, um jemanden so zu behandeln, als habe er keine Erklärung abgegeben bzw. als habe er sich erklärt. Als Beispiel für eine Fiktion, nach der eine Mitwirkung an einer Entscheidung als nicht erfolgt gilt, kann die folgende Vorschrift dienen: Ef utan reps menn coma til doms. oc scolo peir eigi vera ilogscilum. en ef peir mæla lavgscil. pa er sem peir mæli ecki.182

Wenn Leute von außerhalb des Gemeindeverbandes zum Gericht kommen, sollen sie nicht bei Rechtsentscheidungen dabei sein. Aber wenn sie Rechtsentscheidungen treffen, ist es, als ob sie nichts entscheiden.

182

Der Fall, dass Schweigen als Willenserklärung fingiert wird, findet sich in einer Vorschrift, die das in der Grágás in sehr vielen Vorschriften vorkommende Verhältnis des Minderjährigen zu seinem Vermögensverwalter betrifft. Die Norm regelt das Verfahren, wie ein Vermögensverwalter durch einen anderen ersetzt wird. 181

182

Vgl. Grágás II, Kap. 61, S. 74.05–06: En ef eigi er felagi. pa a at taca boannden sa er hann var i vist mej. („Wenn kein Mitgesellschafter vorhanden ist, dann soll der Bauer, bei dem er in Anstellung war, (sie) übernehmen“), vgl. Grágás Ib, Kap. 249, S. 197.25–27. Der umgekehrte Fall ist dort auch geregelt (Grágás II, Kap. 61, S. 74.08–10: En ef hann andaz er hann fer til scips. pa á pat fe sva at fara sem hann væri eigi heiman faren. („Wenn er stirbt, während er zum Schiff geht, dann soll das Gut so verteilt werden, als ob er nicht von zu Haus weggegangen wäre“.); vgl. Grágás Ib, Kap. 249, S. 197.27–198.01): En pott hann andiz afor ajr hann kømr til scips. pa scal iafnt sem hann andiz ivist. („Auch wenn er auf der Fahrt stirbt, bevor er zum Schiff gelangt, dann soll das gleich dem sein, als ob er [noch] in der Anstellung sterben würde.“) Grágás II, Kap. 219, S. 254.08–10.

252 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Nu kømr hann par at sumar malum. oc scal hann nefna ser vatta at pvi at hann byjr fe ens unga manz undan honom lögboje oc byjr voxto áfeet. enda scal hann undan honom hafa bojit fyrir mijian dag. en hinn scal hafa koset at eycj. Ef sa er eigi heima enda var honom stefnt eja suarar hann engo vm. oc er pa sem hann kiose undan ser feet.183

Wenn er am Sommerbeginn dorthin kommt, so soll er sich Zeugen dafür benennen, dass er mit gesetzlichem Verlangen das Gut des Minderjährigen von ihm übertragen zu bekommen verlange und die Früchte für das Gut herausverlange und er soll das Gut vor der Mitte des Tages herausverlangt haben und der andere soll bis zur Nachmittagsstunde gewählt haben. Wenn dieser nicht zu Hause ist, er aber nach Hause vorgeladen wurde oder er nichts antwortet, dann ist das so, als ob er wähle, das Gut (dessen Verwahrung) aufzugeben.

183

Die Verwendung gesetzlicher Fiktionen zur Regelung atypischer Sachverhalte war schon im klassischen römischen Recht bekannt. Das Paradebeispiel ist hier sicherlich die actio Publiciana, die vermutlich durch den Prätor von 67 v. Chr., Q. Publicius, geschaffen wurde. Sie steht dem ‚Ersitzungsbesitzer‘ zu, also dem Eigenbesitzer, der eine ersitzungsfähig Sache ex iusta causa und, soweit zur Ersitzung erforderlich, bona fide erworben hat und dem für den Eigentumserwerb durch usucapio nur noch die Vollendung der Ersitzungfrist fehlt. Hier wird die Vollendung der Ersitzungsfrist fingiert, weil ein solcher Besitzer besser berechtigt ist, als jeder andere Besitzer.184 Da die actio Publiciana auch in den justinianischen Institutionen behandelt wird,185 183

184 185

Grágás II, Kap. 65, S. 81.12–18; vgl. Grágás Ia, Kap. 122, S. 234.12–18, wo aber die Früchte bzw. Zinsen nicht erwähnt werden. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 438 (§ 104 I.). Inst. 4, 6, 4: Namque si cui ex iusta causa res aliqua tradita fuerit, veluti ex causa emptionis aut donationis aut dotis aut legatorum necdum eius rei dominus effectus est, si eius rei casu possessionem amiserit, nullam habet directam in rem actionem ad eam rem persequam: quippe ita proditae sunt iure civili actiones, ut quis dominium suum vindicet. sed quia sane durum erat eo casu deficere actionem, inventa est a praetore actio, in qua dicit is, qui possessionem amisit, eam rem se usu cepisse et ita vindicat suam esse, quae actio Publiciana appellatur, quoniam primum a Publicio praetore in edicto proposita est. („Denn wenn jemand, dem eine Sache mit Rechtsgrund übergeben wurde – zum Beispiel aufgrund von Kauf, Schenkung, Mitgift oder Vermächtnis –, noch nicht Eigentümer der Sache geworden ist und den Besitz der Sache durch Zufall verliert, hat er keine direkte dingliche Klage auf Wiedererlangung der Sache; denn die Klagen des Zivilrechts sind nur dazu eingeführt worden, dass jemand sein Eigentum geltend macht. Doch weil es in der Tat eine Härte wäre, wenn in diesem Fall eine Klage fehlte, hat der Prätor eine Klage geschaffen, in welcher derjenige, der den Be-

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kann man annehmen, dass die Technik, Sachverhalte durch gesetzliche Fiktionen zu regeln, jemandem bekannt war, der die Institutionen im Rechtsunterricht durchgenommen hatte, zumal die actio Publiciana auch in der byzantinischen kommentierenden Rechtsliteratur behandelt wird.186 4.4.5. tvenn gjqlld und duplum (Litiskreszenz) In einer ganzen Reihe Vorschriften der Grágás droht dem Verpflichteten die Zahlung des doppelten Wertes dessen, um was gestritten wird.187 Da sich diesbezügliche Vorschriften in vielen Rechtsgebieten finden und es sich um einen Regelungsansatz handelt, einfach den Wert, über den gestritten wird, zu verdoppeln und keine feste Buße zum Beispiel für eine Nichtleistung festzulegen, erfolgt die Darstellung schon an dieser Stelle. Ein besonders markantes Beispiel, in dem der Beklagte zur Leistung des doppelten Wertes verurteilt wird, findet sich bei der Verwahrung in einer 188 Vorschrift, die als Novelle gekennzeichnet ist: No Ef majr selr manne fe af trvnaji at láne eja til hirzlo oc dylr hin oc quez vij engo tekit hafa. pa scal sa er feit á. søkia til pyfjar ef hann vill. enda a hann cost at stefna til gørtækis vm feit oc til giallda tuinra oc lata varja iii. m arca secp.188

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Novelle: Wenn jemand einem anderen Gut zur Leihe oder zur Verwahrung anvertraut [wörtlich „aus Vertrauen übergibt“, vgl. oben S. 204], und der andere es verheimlicht und behauptet, nichts angenommen zu haben, dann soll derjenige, dem das Gut gehört, wegen Diebstahls verfolgen, wenn er will, und außerdem hat er die Möglichkeit, hinsichtlich des Gutes wegen Kleindiebstahls und auf doppelte Bezahlung zu verfolgen und soll Dreimarksbuße darauf stehen lassen.

sitz verloren hat, behauptet, er habe die Sache ersessen; und somit vindiziert er sie als seine. Diese Klage wird actio Publiciana genannt, weil sie zum ersten Mal von einem Prätor namens Publicius in das Edikt aufgenommen worden ist.“) Vgl. Marie Theres Fögen, Byzantinische Kommentare zu römischen Aktionen, in: Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Roos Meijering/Bernard H. Stolte (Hrsg.), Fontes Minores VIII, S. 215(217 ff.). Vgl. auch die Aufstellung der einschlägigen Normen bei Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 276–282. Grágás II, Kap. 182, S. 220.01–05=Grágás Ib, Kap. 221, S. 146.17–22.

254 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts In den Digesten ist über die Haftung des Verwahrers Folgendes geregelt (D. 16, 3, 1 pr., 1 Ulpianus libro trigensimo ad edictum): Depositum est, quod custodiendum alicui datum est, dictum ex eo quod ponitur: praepositio enim de auget depositum, ut ostendat totum fidei eius commissum, quod ad custodiam rei pertinet.

1. Praetor ait: „Quod neque tumultus incendii neque ruinae neque naufragii causa depositum sit, in simplum, earum autem rerum, quae supra comprehensae sunt, in ipsum in duplum, in heredem eius, quod dolo malo eius factum esse dicetur qui mortuus sit, in simplum, quod ipsius, in duplum iudicium dabo.“

Zur Verwahrung hinterlegt, deponiert, ist, was in die Obhut eines anderen gegeben worden ist, benannt danach, dass etwas hingelegt wird. Die Präposition ‚de‘ verstärkt nämlich [das Stammwort] ‚positum‘, um zum Ausdruck zu bringen, dass alles, was die Obhut über die Sache mit sich bringt, der Gewissenhaftigkeit des Verwahrers anvertraut ist. Der Prätor sagt: „Im Hinblick auf Sachen, die nicht wegen Aufruhrs, Feuers, Gebäudeeinsturzes oder Schiffbruchs in Verwahrung gegeben worden sind, werde ich eine Klage auf den einfachen Wert erteilen, wegen der Sachen aber, die vorstehend [als Ausnahmen] aufgeführt worden sind, gegen den Verwahrer selbst eine Klage auf das Doppelte, gegen seinen Erben auf den einfachen Wert, wenn das, was vorgetragen wird, infolge Arglist dessen geschehen sein sollte, der verstorben ist, wenn infolge Arglist der Erben, auf das Doppelte.“

Warum die Klage manchmal auf das Doppelte und manchmal nur auf das Einfache geht, wird in D. 16, 3, 4 so begründet: Haec autem separatio causarum iustam rationem habet: quippe cum quis fidem elegit nec depositum redditur, contentus esse debet simplo, cum vero extante necessitate deponat, crescit perfidiae crimen et publica utilitas coercenda est vindicande rei publicae causa: est enim inutile in causis huiusmodi fidem frangere.

Für die Abtrennung dieser Verwahrungsgründe gibt es eine rechtliche Begründung. Wenn nämlich jemand die Verläßlichkeit [einer Person] auswählen konnte und die hinterlegte Sache [von dieser] nicht zurückgegeben wird, muss er sich mit dem einfachen Wert zufriedengeben. Hat er dagegen in einer Not-

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lage hinterlegen müssen, steigert sich der Vorwurf der Treuwidrigkeit, die im Interesse des Gemeinwohls in Schranken zu halten und um des Gemeinwesens willen zu betrafen ist. Es widerspricht nämlich dem Grundgedanken mitmenschlichen Zusammenlebens. Diese Vorschrift blieb in der klassizistischen Lehre des Ostens in dieser Form bestehen, nur ihre Rechtsfolge wurde dahingehend umgedeutet, dass der Verwahrer auf das Doppelte haften soll, wenn er die Rückgabe wider besseres Wissen verweigert hat.189 Demzufolge steht in Justinians Institutionen (Inst. 4, 6, 26): Sed furti quidem nec manifesti actio et servi corrupti a ceteris, de quibus simul locuti sumus, eo differt, quod hae actiones omnimodo dupli sunt: at illae, id est damni iniuriae ex lege Aquilia et interdum depositi, infitiatione duplicantur, in confitentem autem in simplum dantur: sed illa, quae de his competit, quae relicta venerabilibus locis sunt, non solum infitiatione duplicatur, sed et si distulerit relicti solutionem, usque quo iussu magistratuum nostrorum conveniatur, in confitentem vero et antequam iussu magistratuum conveniatur solventem simpli redditur.

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Die Klage wegen nichtmanifesten Diebstahls und die wegen Korrumpierens eines Sklaven unterscheiden sich von den anderen, über die wir zugleiche gesprochen haben, allerdings dadurch, dass diese Klagen in jedem Fall auf das Doppelte gehen. Jene dagegen, das heißt die wegen widerrechtlichen Schadens nach der lex Aquilia und bisweilen die wegen Verwahrung, verdoppeln sich bei Bestreiten, werden aber gegen den Anerkennenden auf das Einfache erteilt. Jene Klage jedoch, die auf das geht, was den ehrwürdigen Stätten hinterlassen worden ist, verdoppelt sich nicht nur bei Bestreiten, sondern auch, wenn der Schuldner die Erfüllung so lange hinauszögert, bis er auf Befehl unserer Behörden verklagt wird. Gegen den Anerkennenden aber und gegen den, der erfüllt, bevor er auf Befehl der Behörden verklagt, wird, wird die Klage auf das Einfache erteilt.

Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 373 (§ 262 III.1.).

256 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Damit enthalten die Digesten noch eine etwas andere Begründung für die Verdoppelung der Klagesumme, weil sie darauf abstellen, ob der Verwahrer in einer Notsituation ausgewählt wurde, in der keine großen Ausweichmöglichkeiten bestanden, das Gut in Verwahrung zu geben. In den Institutionen Justinians wird die Verdoppelung damit gerechtfertigt, dass der Verwahrer bestreitet, die Sache je erhalten zu haben. Der isländischen Regelung, nach der sich die Klagesumme bei Bestreiten, das Verwahrgut jemals empfangen zu haben, ebenfalls erhöht, liegt ersichtlich derselbe Gedanke zu Grunde. Da das duplum im isländischen Recht trotz seines Vorkommens in verschiedenen Vorschriften eher nur ausnahmweise und neben weiteren Sanktionen auftritt, dürfte die römischrechtliche Vorschrift das Vorbild für diese isländische Novelle gewesen sein. Die Bibelstellen Exodus 22.6 und 22.10 dürften vermutlich eher nicht das Vorbild der isländischen Norm gewesen sein, weil dort eine etwas andere Konstellation zu Grunde gelegt wird, denn in Exodus 22.6 wird das Verwahrgut von einem Dritten entwendet. Im isländischen Recht findet sich nicht nur die oben genannte Parallele, sondern es finden sich auch mehrere Vorschriften darüber, dass bei Verkürzung bzw. Nichtleistung des Zehnten das Doppelte zu leisten ist.190 Bei den isländischen Zehntvorschriften besteht somit noch die weitere Parallele zu Institutionen 4, 6, 26, wonach eine Verdoppelung der Schuld auch dann eintritt, wenn eine „öffentliche“ Stelle Klage erhebt, weil die Erfüllung so lange herausgezögert wird. In der Grágás wird die ansonsten überall zu fin191 dende Dreimarksbuße dann zur Sechsmarksbuße: Ef eigi kømr fe pat fram sva sem mælt er. oc er peim manne rétt er kirkio varjveitir at nefna vatta at ef fe pat kømr eigi fram. oc stefna par um itúne heima firir karl dyrum at sin um tiundar halld. oc telia hinn sekian um vi. mörcom oc giallda tuennum giöldum pann lut tiundar sem o golldin er sva sem bvar virja.191

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Wenn das Gut nicht so geleistet wird, wie es bestimmt ist, so ist es demjenigen, der die Kirche unterhält, gestattet, Zeugen zu benennen, wenn das Gut nicht geleistet wird, und dort auf der Hauswiese zu Hause vor der Tür für die Männer deswegen zu sich vorzuladen wegen Zurückhaltung des Zehnten und zu erklären, dass er um 6 Mark schuldig sei und den Teil des Zehnten, der nicht bezahlt wurde, in doppelter Höhe bezahlen soll, so wie ihn Anwohner bewerten.

Vgl. Grágás II, Kap. 41, S. 51.10=Grágás Ib, Kap. 256, S. 209.11–12; vgl. auch Grágás II, Kap. 46, S. 56.08–13=Grágás Ib, Kap. 259, S. 213.04; Grágás II, Kap. 53, S. 62.03. Grágás II, Kap. 13, S. 16.23–17.05; vgl. Grágás Ia, Kap. 4, S. 14.28–15.06.

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Auch bei der unberechtigten Weigerung, einen Bedürftigen aufzunehmen, den man zu unterhalten verpflichtet ist, dürfen neben einer Dreimarksbuße die doppelten Unterhaltskosten verlangt werden: Ef hin vill eigi taka at heldr. pa scal hann heim hafa mej ser omagann. oc heimta fúlgor .ii.ar oc verjr hin utlagr .iii. mörcom.192

Wenn der andere ihn ebenfalls nicht annehmen will, dann soll er den Bedürftigen mit sich nach Hause nehmen und doppelte Verpflegungskosten verlangen und der andere wird bußfällig um 3 Mark.

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Die Verdoppelung der einzufordernden Unterhaltskosten findet sich noch in einem weiteren Fall. Wenn jemand mit einer Umherziehenden ein Kind zeugt, so begeht er keinen Gesetzesverstoß, aber er kann auf Vaterschaftsfeststellung und Unterhalt verklagt werden: Sa a savc pa er vill. nema ein hverr varjveiti konona og leg i kostnaj fyrir. pa a sa sökina oc scal søkia til rettar oc til fulgna tuen ra. scal quejia heimilis bva v. pes er fe hefir lagit fyrir konona eja barnit um fúlgurnar.193

Derjenige hat die Klageberechtigung, der will, es sei denn, irgendjemand unterhält die Frau und wendet Kosten für sie auf, dann hat er die Klageberechtigung und soll auf Personenbuße [48 Öre=2 Mark] und doppelte Unterhaltskosten verfolgen. Man soll 5 Wohnortanwohner dessen, der Geld für die Frau oder das Kind ausgelegt hat, wegen der Unterhaltskosten herbeirufen.

193

Auch wenn jemand sich weigert, eigenes Vieh als Ersatz zu leisten, weil sein Hund fremdes Vieh getötet oder in „gefährliche Gegenden“ vertrieben hat, kann er auf den doppelten Wert verklagt werden:

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Grágás II, Kap. 83, S. 108.10–12; vgl. Grágás II, Kap. 85, S. 111.06–09: En ef peir vilja eigi vij taca oc varjar peim utlegj en hin scal heim hafa omagann oc heimta fulgor ii.ar at peim. („Wenn sie ihn nicht annehmen wollen, so steht für sie darauf Buße und der andere soll den Bedürftigen mit nach Hause nehmen und doppelte Unterhaltskosten von ihnen verlangen.“)=Grágás Ib, Kap. 128, S. 7.09–11; vgl. auch Grágás II, Kap. 87, S. 114.10–12=Grágás Ib, Kap. 129, S. 9.03–05; Grágás II, Kap. 218, S. 252.05–11=Grágás Ib, Kap. 234, S. 173.28–174.06. Grágás II, Kap. 146, S. 178.14–18, vgl. Grágás Ib, Kap. 156, S. 49.07–11. Vgl. auch Grágás II, Kap. 166, S. 197.14–22.

258 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Nu byjr hann eigi pessa kosti. pa a hinn at stefna honom um pat til utlegjar oc til giallda tuennra. oc quejia til .v. heimils bva a pingi pes er sottr er.194

Wenn er diese Möglichkeiten nicht anbietet, dann soll er den anderen deswegen auf Buße und doppelte Bezahlung verklagen und 5 Wohnortanwohner dessen, der verklagt wird, auf dem Thing herbeirufen.

194

Weiterhin kann ein duplum verlangt werden, wenn jemand entgegen einer vertraglichen Abrede eine Brücke oder Fähre nicht unterhält: Ef majr varjveitir bru eja scip pat er fe er til laget. oc er hann utlagr ef hann iner eigi maldaga. oc a pa soc hverr er fars mis ir. Sa majr á oc pa soc er fe lagje til. eja hans erfinge. oc verjr hin utlagr iii. mörcom oc gialda tva slic sem ferio buar fim. meta pa syslo er hann ende eigi.195

Wenn jemand eine Brücke oder ein Schiff, für das Geld gestiftet wurde, unterhält, so ist er bußfällig, wenn er den Vertrag nicht einhält, und die Klageberechtigung hat jeder, der eine Überfahrt nicht machen kann. Derjenige hat auch die Klageberechtigung, der Geld stiftete oder sein Erbe, und wird der andere bußfällig um 3 Mark und doppelte Bezahlung dessen, wie 5 Fähranwohner die Tätigkeit bewerten, die er nicht erbrachte.

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Hier ist der Text des ältesten Fragments identisch mit dem Text der Stajarhólsbók, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das duplum schon in der Haflijaskrá bekannt war. Eine etwas kompliziertere Vorschrift findet sich ebenfalls im Abschnitt der Landeinforderung. Wenn ein Wald im Gemeinschaftseigentum steht und einer der Eigentümer ohne Wissen seiner Miteigentümer einem Dritten erlaubt, dort Holz einzuschlagen, so kann der Dritte sich exkulpieren, wenn er einen Juryspruch erlangt, dass er davon ausging, der andere sei Alleineigentümer des Waldes:

194 195

Grágás II, Kap. 346, S. 372.13–16, vgl. Grágás Ib, Kap. 241, S. 188.03–04. Grágás II, Kap. 405, S. 454.11–16=AM 315d fol. in: Grágás Ib, S. 222.16–21.

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Ef pat ber quijr i hag honom pa vinnr honom pat porf til varnar fyr sic. en sa verjr secr .iij. m örcom er lofaje honom scogar hog et vij pa er eigo mej honom i scogenom. oc scal hann giallda tven om giöldom hveriom peirra slict sem til kömr.196

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Wenn die Jury zu seinen Gunsten aussagt, dann reicht dies für ihn zur Verteidigung aus und derjenige, der ihm das Waldabholzen erlaubte, wird schuldig um 3 Mark gegenüber denen, die mit ihm Anteil an dem Wald haben, und er soll jedem von ihnen das mit doppelter Zahlung vergelten, was auf sie entfällt.

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Ebenfalls ein duplum ist zu entrichten bei einer über den eigenen Anteil hinausgehenden Nutzung eines gemeinschaftlichen Waldes.197 Auch bei Aneignung von Treibgut, das einem nicht zusteht, kann ein duplum verlangt werden, wenn es sich um ein oder zwei Stücke Treibgut handelt, die zusammen nicht länger als 3 Ellen sind.198 Auch wenn dem Harpunier sein Anteil an einem später an jemandes Ufer gestrandeten Wal vorenthalten wird, kann ein duplum des gesamten Harpunieranteils verlangt werden, obwohl sein Anteil möglicherweise schon deswegen reduziert war, weil er nicht zu Beginn des Zerschneidens des Wales erschienen ist.199 Eine nur in der Konungsbók enthaltene Vorschrift wertet die unbefugte Wegnahme und das Gebrauchen von Schiffszubehör als Kleindiebstahl und ordnet die Zahlung des doppelten Wertes an.200 In allen diesen Fällen greift entweder der Gedanke des nichtmanifesten Diebstahls, der Gedanke der unberechtigen Zurückbehaltung oder des Bestreitens einer Schuld. Damit weisen alle Vorschriften, in denen in der Grágás die Leistung eines duplum angeordnet wird, dieselben Grundgedanken auf wie die Vorschrift 4, 6, 26 der Institutionen Justinians. Am deutlichsten ist die Parallele bei der erstgenannten Vorschrift, welche das Bestreiten, einen Gegenstand in Verwahrung genommen zu haben, behandelt. Der Umstand, dass alle Geldbußen der Grágás Entsprechungen in den norwegischen Gesetzen haben, aber – bis auf eine Ausnahme in den Fros-

196 197 198 199

200

Grágás II, Kap. 423, S. 472.02–06, vlg. Grágás Ib, Kap. 199, S. 109.16–20. Vgl. Grágás II, Kap. 424, S. 473.10–14= Grágás Ib, Kap. 199, S. 109.07–11. Vgl. Grágás II, Kap. 440, 512.18–21=Grágás Ib, Kap. 209, S. 124.10–12. Vgl. Grágás II, Kap. 447, S. 521.05–08; vgl. Grágás Ib, Kap. 215, S. 128.22; vgl. auch Grágás II, Kap. 452, S. 525.18–526.02; vgl. Grágás Ib, Kap. 215, S. 129.09–13. Vgl. weiterhin Grágás II, Kap. 453, S. 526.04–10, vgl. (anders) Grágás Ib, Kap. 215, S. 128.13–17; Grágás II, Kap. 453, S. 527.18–20. Vgl. Grágás Ib, Kap. 165, S. 67.09–12.

260 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts tupingslög – nicht das duplum (tvenn gjöld),201 macht einen römisch-rechtlichen Ursprung des duplums in den isländischen Gesetzen sehr wahrscheinlich.

4.5. Prozessuale Vorschriften Die prozessualen Vorschriften sind es, die bei einer ersten Lektüre der Grágás besonders ins Auge fallen. Daher verwundert es nicht, wenn von philologischer Seite angemerkt wird, dass die besondere Stellung der Grágás unter den nordischen Rechten „zum großen Teil in dem wohl selten überbotenen Fo r m a l i s mu s des Rechtsgangs“ liegt: Jeder Prozeß war von seinem ersten Anfang, der Einleitung der Klage, über eine Menge Zwischenstufen bis zu seinem Abschluß mit einem solchen Beiwerk sinnlos wirkender Formvorschriften und Formeln belastet, daß es fast grotesk anmutet.202

Über die juristisch klar gefassten Prozessvorschriften ist auch gespottet worden, dass „dieses allgegenwärtige Klagewesen in einem Formpanzer ohne gleichen“ stecke.203 Obwohl das in der Tat präzise geregelte Prozessrecht der Grágás einen tiefer gehenden Vergleich mit dem in Byzanz geltenden römischen Prozessrecht in einer eigenständigen Untersuchung rechtfertigen würde, sollen an dieser Stelle nur einige wenige Umstände beleuchtet werden, in denen sich die Grágás von den übrigen Gesetzen in Skandinavien so deutlich unterscheidet. Zur vermeintlichen oder tatsächlichen Formenstrenge des Prozessrechts der Grágás sei nur gesagt, dass es in jeder Rechtsordnung die prozessualen Vorschriften sind, die die Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts sichern. Ohne ein effizientes und eindeutiges Prozessrecht würden die mitunter sehr ausdifferenzierten materiell-rechtlichen Bestimmungen der Grágás in weiten Bereichen leerzulaufen drohen.204 Daher 201 202 203 204

Vgl. Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 409. Beide Zitate: Hans Kuhn, Das alte Island, S. 151. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXI). Dem Gesetzgeber der Grágás war ein Verfahren gemäß den Prozessvorschriften wichtiger als eine materiell „richtige“ Entscheidung, vgl. besonders deutlich Grágás Ia, Kap. 47, S. 83.11–14: En ef ajrir hafa farit rett at vefangi en ajrir rangt. pa á peirra domr at standaz er rett foro at vefangi pótt ajrir hafe mála efni betri fyrir ondverjo. („Wenn einige die Anfechtung [im Sinne von Berufung gegen ein Urteil] richtig angegangen sind und andere falsch, dann soll das Urteil derjenigen Bestand haben, die die Anfechtung richtig angegangen sind, auch wenn die anderen von Anfang an die besseren inhaltlichen Argumente haben.“)

Prozessuale Vorschriften

261

wäre es eher verwunderlich, wenn das Prozessrecht in der Grágás nicht so eindeutig geregelt wäre, nachdem bereits das materielle Recht im Vergleich zu den anderen Gesetzen im mittelalterlichen Skandinavien eine erheblich größere Regelungsdichte aufweist und juristisch wesentlich präziser ausgestaltet ist. 4.5.1. Wörtliche Formeln Eines der auffälligsten Merkmale der Grágásgesetze sind die wörtlichen Formeln, die bei vielen Rechtshandlungen zu verwenden sind. Diese wörtlichen Formeln sind in den jeweiligen Bestimmungen enthalten, teilweise in indirekter Rede, in den allermeisten Fällen aber in direkter Rede. Es sind schon in der Stajarhólsbók weit mehr als achtzig (86) an der Zahl.205 Daneben gibt die Grágás noch die Weihformel für das Taufwasser sowie für die Taufe selbst in wörtlicher Rede an.206 Die Formeln ergänzen damit die zahlenmäßig noch weitaus häufigeren nicht wortlautgebundenen Anweisungen für den Kläger und stecken auch den Rahmen für den dort nicht näher festgelegten Inhalt und die Wortwahl ab.

205

206

Vgl. Grágás II, Kap. 40, S. 49.02–04; Kap. 41, S. 51.07–13; Kap. 42, S. 52.05–08; Kap. 46, S. 56.08–13; Kap. 53, S. 61.18–62.07; Kap. 59, S. 71.21; Kap. 62, S. 76.20–21; Kap. 87, S. 112.02–05+07–08+11–113.01; Kap. 89, S. 118.01–08, Kap. 90, S. 123.05–06; Kap. 126, S. 162.14–18, S. 163.02; Kap. 134, S. 168.18–19; Kap. 161, S. 189.20–190.04; Kap. 164, S. 193.06–07; Kap. 166, S. 195.12–17+19–21, S. 196.07– 14+22–197.02+16–22+23–198.02+03–13+15–199.04; Kap. 169, S. 202.04–05; Kap. 176, S. 208.22–209.04; Kap. 178, S. 214.07–08; Kap. 179, S. 214.17–18+18–19; Kap. 182, S. 218.23–24; Kap. 184, S. 225.14–17; Kap. 219, S. 253.03–06; Kap. 248, S. 279.15–16, S. 280.02–05+09–12+14–15; Kap. 249, S. 281.07–09+13–16; Kap. 250, S. 282.03–07; Kap. 255, S. 286.12–13; Kap. 277, S. 305.23–26, S. 306.17–18; Kap. 280, S. 310.17–19; Kap. 282, S. 313.08–10; Kap. 283, S. 314.14, S. 315.03+10–14+15–18; Kap. 285, S. 317.19–318.01, S. 318.02–03; Kap. 286, S. 319.15; Kap. 289, S. 323.04–06+07; Kap. 291, S. 327.18–22+23, S. 328.19– 21+23–24, S. 329.22–23; Kap. 293, S. 332.28–333.04; Kap. 332, S. 359.04–16; Kap. 370, S. 387.11–14; Kap. 383–388, S. 402–407; Kap. 389, S. 411.20–26; S. 413.15–20; Kap. 392, S. 423.13–17; Kap. 401, S. 435.08–10; S. 437.01–04; Kap. 402, S. 439.10–12, S. 441.07–11; Kap. 403, S. 446.03–08+15–18, Kap. 406, S. 455.21–24, Kap. 424, S. 472.16–19; Kap. 430, S. 486.09–16, S. 487.04–06, S. 488.14–18, S. 489.07–10, S. 491.14–19+25–26. Vgl. Grágás II, Kap. 4, S. 4.08–11+14–18; vgl. Grágás Ia, Kap. 1, S. 5.23–26, S. 6.02–05.

262 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Ein typisches Beispiel für ein wörtliches Formular ist die Frage nach jemandes Wohnsitz, um die richtigen Personen als Jurymitglieder berufen zu können. Sa mapr er hann vill vita pingvist annars. hann scal nefna ser vatta. nefni ec i pat vetta scal hann quepa. at ec spyr bøndr alla i heyranda hljopi at laugbergi. hverr log grij hafi handsalat n.n . er mic pat undir frett peirri. at ek vil vita hveria bua ec scal quepia til sakar peirrar er ec hefi hofpat a hond honvm. spyr ec log spurning.207

Derjenige, der die Thingzugehörigkeit eines anderen wissen will, soll sich Zeugen benennen. „Nenne ich zu dem Zeugnis,“ soll er sagen „dass ich alle Bauern in vernehmbaren Ton am Gesetzesfelsen frage, wer N.N. mit Handschlag gesetzliche Anstellung gewährt hat. Mir liegt an dieser Auskunft, dass ich wissen will, welche Anwohner ich herbeirufen soll in dieser Klage, welche ich gegen ihn erhoben habe, frage ich mit gesetzlicher Frage.“

207

Wenn keine Zeugen vorhanden waren, welche stets Vorrang vor einem Juryspruch hatten,208 hatten in Island Jurymitglieder über tatsächliche Fragen 207 208

Grágás Ia, Kap. 22, S. 40.16–22. Vgl. Grágás II, Kap. 176, S. 209.20: A pingi scal bva quejia iafnan ef majr man eigi vatta. („Auf dem Thing sollen stets Anwohner herbeigerufen werden, wenn man sich keiner Zeugen erinnert.“) Auch wenn einer von zwei geladenen Zeugen vor Gericht nicht erscheint, kann man seine Aussage ersetzen. Erst wenn überhaupt keine geladenen Zeugen erscheinen, ist auf eine Anwohnerjury zurückzugreifen (Grágás II, Kap. 430, S. 491.04–22): Ef vattar manz koma eigi til doms peir er hann quadde. oc verpa peir pa vtlagir iij. mörcom. hann scal quejia pa bva til sins mals. pes er vattar scyldo bera. Nu kömr vattr manz ein til doms sa er quaddr var. En anar quaddr vattr ber fyr pvi eigi vætte at hann verjr siucr. eja sar eja ó male. eja davjr. apvi mele er hann var quadr. pa scal sa vattr bera vætte fram í dom. er par er komen. En hin er quatt hevir vættes. scal fa til .v. men. pa er honom se rettir í stefno vætte. at styjia vætte hans. peir scolo aller vina pegnscapar lagningar eij. En alengr er vette er fram boret. pa scal ein peirra .v. mana sva mæla. Ver legiom pat under pegnscap varn. at sa var i pat vette nefndr. er nu er eigi her komen. oc nefna hann. er sia bar fram. oc munde pav orj öll hafa i vætte sino. ef hann være nu her til at bera pat vætte sem sia bar fram. er su pegnscapar lagning var allra. En hinir scolo gialda samquæje á .iiij. Hann scal lata bera quajar vætte pat í dom er hann quadde pan vatt er eigi er komen. Ef quaja vattar ero eigi par. pa scal hann quejia bua til í staj vattana. („Wenn jemandes Zeugen, die er herbeirief, nicht zum Gericht kommen, so werden sie alle bußfällig um 3 Mark. Er soll dann Anwohner in seiner Sache herbeirufen, in welcher Zeugen aussagen sollten. Wenn jemandes Zeuge, der herbeigerufen wurde, alleine vor Gericht erscheint, aber ein anderer herbeigerufener Zeuge legt deswegen kein Zeugnis ab, weil er krank geworden ist oder verwundet wurde oder die Sprache verloren hat oder gestorben ist, während des Zeitraumes, seit er herbei-

Prozessuale Vorschriften

263

zu entscheiden. Jurys mit fünf, neun oder zwölf Mitgliedern, sollten dann darüber ein Verdikt abgeben, was ihrer Meinung nach tatsächlich vorgefallen war. Die Auswahl der Jurymitglieder erfolgte nach einem streng formalen Kriterium, meistens der Nähe ihres eigenen Wohnsitzes zum Wohnort des Beklagten, in anderen Fällen nach der Nähe ihres Wohnsitzes zum Tatort.209 Nur in Ausnahmefällen wurde auf die räumliche Entfernung zum Wohnsitz des Beklagten bzw. beim Tatort verzichtet. So zum Beispiel beim gojakvijr (‚Godenjury‘) oder beim fangakvijr (‚Zufallsjury‘).210 Die Einleitung der zitierten Formel nefni ég í pat vætti („Nenne ich zu dem Zeugnis“) wird sehr häufig verwendet und kündigt damit gleichzeitigt den Beginn einer verfahrensmäßig bedeutsamen Handlung an. Der Verwendung der hier zitierten Formel hatte die Klageerhebung vorauszugehen, wie sich aus der Bezugnahme auf die bereits erhobene Klage ergibt. Bei Bedarf war sodann das Formular zu verwenden, mit dem man sich bei den Goden danach erkundigte, bei wem von ihnen der betreffende Bauer, bei dem sich jemand als Knecht verdingt hatte, im Thingverband stand. Denn danach richtete sich, vor welchem Gericht die Klage zu verhandeln war. Der Hinweis, dass diese Frage eine lqgspurning, eine „gesetzliche Frage“ ist, dient dazu, die Leute auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen, sich zu erklären und dies wahrheitsgemäß zu tun. Es handelt sich damit um eine Frage, deren Nicht- oder Falschbeantwortung gesetzlich sanktioniert ist. Die Blankettbezeichnung für eine Person ist auch in der Grágás meist „N.N.“, ganz wie im römischen Recht. An diesem kleinen Ausschnitt aus dem Gang einer typischen Klage, lässt sich gut ersehen, dass alle wichtigeren Verfahrensabschnitte in der Grágás

209

210

gerufen wurde, dann soll der Zeuge vor Gericht Zeugnis ablegen, der dorthin gekommen ist. Aber der andere, der für das Zeugnis herbeigerufen hat, soll 5 solche Leute hinzuziehen, die ihm als Ladungszeugen rechtmäßig wären, sein Zeugnis zu stützen. Sie sollen alle einen Ehrbekräftigungseid leisten. Und nachdem das Zeugnis abgelegt wurde, soll einer dieser 5 Leute so sprechen: „Wir bekräftigen das bei unserer Ehre, dass derjenige für das Zeugnis benannt wurde, der hier nun nicht erschienen ist, und sollen ihn benennen welches jener ablegte und dass er alle diese Wörter in seinem Zeugnis haben würde, wenn er nun hier wäre, das Zeugnis abzulegen, das der andere ablegte. Dies ist die Bekräftigung bei unserer aller Ehre. Und die anderen 4 sollen ihre Zustimmung äußern. Er soll das Herbeirufungszeugnis vor Gericht ablegen lassen, dass er den Zeugen herbeirief, welcher nicht gekommen ist. Wenn die Herbeirufungszeugen nicht dort sind, dann soll er Anwohner anstelle der Zeugen herbeirufen.““) Vgl. Grágás II, Kap. 353, S. 376.11–13: Sa byr nær vettvangi er i peim lut by´ r húss er til vettvangs horfir ef i pat deilir. („Derjenige wohnt näher am Tatort, der in dem Teil des Hauses wohnt, welcher zum Tatort schaut, wenn es darauf ankommt.“) Vgl. Vilhjálmur Finsen, Registre og Oversigter, in: Grágás III, S. 508(631 ff. kvijr).

264 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts mit wörtlich vorgeschriebenen gesetzlichen Formeln geregelt sind. Dies beginnt mit der Formel für die Vorladung des Beklagten von zu Hause oder, in weniger schwerwiegenden Fällen, einer Vorladung erst auf dem Thing. Es setzt sich fort mit Formeln für die Herbeirufung von Zeugen oder Anwohnern, als Jurymitglieder tätig zu werden, ebenfalls entweder von zu Hause oder auf dem Thing. Und es erstreckt sich bis hin zu Formeln für Zeugenbenennungen bei der Urteilsverkündung, um Beweis über den Urteilsinhalt erbringen zu können. Im außerprozessualen Bereich gibt es Formeln für die wichtigeren Arten von Rechtsgeschäften wie beispielsweise der Verlobung, dem Kauf eines Grundstückes und der Verpfändung von Grundstücken und beweglichen Sachen. Daneben finden sich aber auch viele Rechtsgeschäfte, die allein durch Konsens abgeschlossen werden.211 Ein Hintergrund der wörtlichen Formeln für alle Arten von Rechtshandlungen könnte sein, dass es nirgendwo im weltlichen Recht eine Verpflichtung gab, eine rechtlich erhebliche Handlung schriftlich vorzunehmen.212 Deutlich seltener als bei Formularen für Rechtshandlungen ist die Verwendung der wörtlichen Rede in Normen, in denen die Rechtsfolge einer bestimmten Erklärung gesetzlich vorgegeben wird: Ef majr mælir sva at pu scalt gialda mer vaj mál oc skil ec fra an at fe allt. pa kømr hann avjro vij.

211 212

Wenn jemand so spricht: „Du sollst mir in Wollstoff bezahlen und scheide ich alles andere Gut aus“, dann darf er nicht etwas anderes liefern.

Siehe oben S. 216 f. Die einzige Verpflichtung in der Grágás, eine schriftliche Urkunde zu errichten, betraf Geschenke an eine Kirche und damit verknüpft allgemein die Verpflichtung, alle Vermögensgegenstände der Kirche in einem Inventar aufzunehmen, vgl. Grágás II, Kap. 13, S. 17.08–15 (=Ia, Kap. 4, S. 15.09–17: Par er majr legr fe til kirkio. hvárt sem pat er ilondum eja lavsom avrom. i bu fe eja tiundum af peim bólstavjum er herajs menn scolo pangat ina. oc scal sa majr er kirkio varjveitir. lata gera pan máldaga a skra allan. hvat hann hefir fiar gefit pangat eja ajrir herajs menn til peirrar kirkio. pann maldaga er honom rett aj lysa at logbergi eja ilögrétte epa a várpingi. pvi er hann heyr hvat par ligr fiár til peirrar kirkio. („Dort, wo jemand eine Kirche mit Gut ausstattet, gleich ob es mit Land oder beweglicher Öre ist, in Nutzvieh oder Zehnt, welchen die Distriktsleute dorthin bewirken sollen, soll derjenige, der die Kirche unterhält, diesen Vertrag vollständig in einem Verzeichnis niederlegen lassen, was er oder andere Distriktsleute dahin an Gut gegeben haben an diese Kirche. Es ist ihm gestattet, diesen Vertrag, [der verzeichnet,] was dort an Gut zu dieser Kirche gehört, am Gesetzesfelsen oder vor der Gesetzesversammlung oder auf dem Frühjahrsthing, welches er besucht, bekannt zu machen.“)

Prozessuale Vorschriften

Ef majr mælir sva at pu scalt giallda mer vajmál. oc scilraj hann fra ajra avra. pa nítir hann eigi lög avrom ef pat ber quipr at hann hefir eigi vaj mál til aj giallda oc hann mátti eigi a pvi méli fá.213

265

Wenn jemand so spricht: „Du sollst mir in Wollstoff bezahlen“, und er scheidet andere Öre nicht aus, dann darf er gesetzliche Öre nicht ablehnen, wenn eine Jury aussagt, dass er keinen Wollstoff zum Bezahlen hat und er solchen nicht in diesem Zeitraum beschaffen konnte.

213

Diese Form der gesetzlichen Bestimmung von Rechtsfolgen für Parteiabreden wird auch bezüglich des regelmäßigen Inhalts eines Kaufvertrages über das Recht an Treibgut, der aber durch ausdrückliche anderweitige Gestaltung abgewandelt werden konnte, verwendet.214 Bekanntermaßen mussten im römischen Recht sehr viele gerichtliche Verfahrensschritte mittels vorgegebener Formeln unternommen werden. Während dort anfänglich geringste Abweichungen vom feststehenden Wortlaut den Prozessverlust nach sich zogen, war der spätere Formularprozess flexibler, weil er Abwandlungen je nach den Bedürfnissen und Zwecken zuließ.215 Ohne hier auf nähere Parallelen einzugehen, die aufgrund der überaus großen Anzahl wörtlicher Verfahrensformeln in der Grágás eine eigene Untersuchung erfordern würden, soll nur angedeutet werden, dass es sehr danach aussieht, dass sich die von Gaius als regelmäßig und typisch angesehenen Formelbestandteile demonstratio, intentio, adiudicatio, condemnatio, die er später noch um die exceptio und die praescriptio ergänzte,216 auch alle in den isländischen Verfahrensformeln wiederfinden. Ein Beispiel für die strukturelle Ähnlichkeit des jeweiligen Formelaufbaus soll im Hinblick auf die condemnatio bereits an dieser Stelle gegeben werden. Mittels der condemnatio wurde der Richter angewiesen zu verurteilen oder freizusprechen, und zwar bei der condemnatio certae pecuniae auf eine bestimmte Geldsumme, bei der condemnatio incertae pecuniae auf eine von ihm festzusetzende Summe. Dementsprechend ist in der Grágás in sehr vielen wörtlichen und sinngemäß angegebenen Formeln vorgeschrieben, dass der Kläger genau anzugeben hat, was er „darauf stehen lässt“ (häufig ok [skal ] láta varja [Buße/ Sanktion im Akkusativ]). 213 214 215

216

Grágás II, Kap. 179, S. 214.16–21. Vgl. Grágás II, Kap. 442, S. 514.12–14. Siehe näher oben S. 212 f. Vgl. nur Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht2, S. 35, 151 (§ 4 I.; § 22 I.). Vgl. Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht2, S. 311 (§ 45 I.).

266 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Nu selr majr at leiga vátt lavst. pa ef hann vill eigi giallda. pa kemz hin eigi til leignan a nema sagjar se legor a. kost a sa er heimtir ef handsalat er at stefna hinom heim er giallda scal. bijia han heima vera a .iii.a netta fresti. oc mun ec pa coma at taka vij fe míno. eja stefna vm. Nu vill hann eigi giallda. pa scal hann stefna um sva mikit fe sem er oc láta varja iii. m arca utlegj oc vi. avra harja fang. stefna til gialda oc til ut gongo.217

Wenn jemand Gut ohne Zeugen vermietet und wenn er dann nicht zahlen will, dann gelangt der andere nicht an die Miete, es sei denn, es werde dafür eine Miete festgelegt. Wenn übergeben ist, hat derjenige, der es verlangt, die Möglichkeit, den anderen, der bezahlen soll, nach Hause vorzuladen und soll ihn bitten, nach einer Frist von drei Nächten zu Hause zu sein „und werde ich dann kommen, mein Gut abzuholen oder deswegen vorzuladen.“ Wenn er nicht bezahlen will, dann soll er ihn wegen so viel Gutes vorladen, wie es ist, und 3 Mark Buße darauf stehen lassen und sechs Öre Verzugsstrafe, vorladen auf Bezahlung und Übergabe.

217218

Diese Formel findet sich, ebenfalls als wörtliche Formel, in etwas abgewandelter Form noch im letzten Kapitel des Festa páttr der Stajarhólsbók. Interessant ist dort vor allem die folgende Passage: […] Pa scal hann enn nefna et .iii.a sin vatta. at pvi vette. scal han segia. At ec quep. n .o fiar pes oc kref ec oc bind ec alavgom. iii.a m arca utlegj. sex avra handsals slit. sex avra harjafang. Sipan ma hann quepa sva at stefna vm in støjo oc hálfa .v.to mörk a laga til gialda oc til utgöngo peirra avra scal hann segia er hann a. oc pat scal giallda sem mælt var mej peim.218

217 218

Dann soll er weiterhin das 3te Mal Zeugen dafür benennen: Zu dem Zeugnis, soll er sagen, dass ich N. wegen des Gutes auffordere und ich es verlange, und ich verbinde damit [oder: verpflichte Dich zur Zahlung] (folgende[r]) Zuschläge: 3 Marksbuße, 6 Öre Vertragsbruchprämie, 6 Öre Verzugsstrafe. Darauf darf er sagen, (ihn) vorzuladen wegen der Restsumme und viereinhalb Mark Zuschlag zur Zahlung und zur Übergabe derjenigen Öre, soll er sagen, die er hat, und das soll gezahlt werden, was unter ihnen abgemacht war.

Grágás II, Kap. 182, S. 218.19–27, vgl. Grágás Ib, Kap. 221, S. 145.11–17. Grágás II, Kap. 176, S. 208.11–209.05.

Prozessuale Vorschriften

267

Je nachdem, um welches Objekt man den elliptischen Satz oc bind ec alavgom ergänzt, wird entweder nur klargestellt, dass die Leistung des Gutes mit weiteren Zuschlägen verbunden wird, oder aber, dass der Schulder verpflichtet wird, die Zuschläge zu zahlen, was durch das Verb binda (‚binden‘, ‚verpflichten‘) ausgedrückt wäre. Ist das binda in diesem Sinne verwendet, dürfte es sich um eine Lehnübersetzung des Verbes obligare handeln. Auch hier ist der Schuldner mit dem Blankett „N.“, hier offenbar sogar dekliniert (Numerio), bezeichnet, wie es in römisch-rechtlichen Formeln üblich ist. Damit erscheint das Formelwesen in der Grágás sehr ähnlich wie die Art, wie im römischen Recht die Formeln verwendet werden. Die große Bedeutung der wörtlichen und sinngemäß vorgeschriebenen Formeln des isländischen Rechts hat auch Andreas Heusler als charakteristisch für die Grágás angesehen: Man möchte sagen, von jedem Landsmann erwartet dieser Gesetzgeber stündliche Bereitschaft zum Klagen (Kläger ist, wer will) – der Leitklang des Buches!); und jeden Landsmann sieht er von vornherein als Ziel einer Klage. Wo wir fragen, Wo hat er Bürgerrecht?, da fragt die Graugans: Wo ist er vorzuladen und vor welches Gericht?219

Die Frage, ob die häufige Verwendung und genaue Ausgestaltung der Formeln durch die Rezeption des für seine Formeln bekannten römischen Rechts bedingt sei, ist von ihm aber nicht gestellt worden. 4.5.2. Popularklage Eine Besonderheit der Grágás ist die sehr häufige Einräumung einer Popularklage. Ausgedrückt wird sie meist durch die stereotype Formulierung sá á sök, er vill („derjenige hat die Klageberechtigung, der will“). Die Popularklage ist allein in der Stajarhólsbók in mehr als fünfzig Fällen gestattet.220 In 219 220

Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXI). Auch hier wird vorrangig der umfangreichere Text der Stajarhólsbók ausgewertet. Stellen aus der Konungsbók werden hier nur dann genannt, wenn in ihr Bestimmungen umfangreicher sind als in der Stajarhólsbók. Grágás II, Kristinna laga páttr: Kap. 1, S. 2.07, Kap. 9, S. 13.05; Kap. 10, S. 15.10–11; Kap. 13, S. 17.20–22; Kap. 14, S. 19.19; Kap. 16, S. 24.13; Kap. 19, S. 30.11–12; Kap. 23, S. 33.26; Kap. 25, S. 36.14–15; Kap. 32, S. 42.16; [tíundarlög:] Kap. 45, S. 55.18, S. 56.05–06; Kap. 48, S. 58.16; Kap. 49, S. 59.11; Kap. 52, S. 60.10–11; Erfjar páttr: Kap. 59, S. 69.08, S. 70.17; Ómaga bálkr: Kap. 89, S. 120.10; Kap. 90, S. 121.03–04, Kap. 91, S. 124.18; Kap. 112, S. 144.06; Kap. 113, S. 146.28; Kap. 114, S. 148.02–03; Festa páttr: Kap. 120, S. 157.09–10; Grágás Ib, Kap. 144, S. 30.16–17; Grágás II, Kap. 128, S. 164.08+15, Kap. 131, S. 166.01; Kap. 133, S. 168.10; Kap. 140, S. 173.12; Grágás Ib, Kap. 155, S. 47.25; Grágás Ib, Kap. 254, S. 204.03; Grágás II, Kap. 146, S. 178.14–15; Kap. 147,

268 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts den Abschnitten der Konungsbók, welche nicht in der Stajarhólsbók enthalten sind, finden sich weitere Fälle der Popularklage.221 Dadurch kann man von einer breiten Anerkennung dieses Rechtsinstituts sprechen. Die Popularklage ist meist dann statthaft, wenn die vorrangig Klageberechtigten einen Gesetzesverstoß nicht verfolgen wollen oder nicht anwesend sind. En ef sa vill eigi søkia. pa a sa er søkia vill.222

Aber wenn er es nicht verfolgen will, dann hat derjenige [zu verfolgen], der es verfolgen will.

222223

Mitunter sind die Zuweisungen der Klageberechtigung mehrstufig gestaffelt: Soc pa a sa majr er a landi byr. Ef leiglendingr a söc oc vill hann eigi søkia. pa a landeigande söc ef hann er in an hreps majr.

Ef hann vill eigi pa er socnar majr sacar apile. Ef hann vill eigi eja er engi sócnar majr tekin pa a hver vill sökina.223

221

222 223

Diese Klageberechtigung hat derjenige, der das Land bewohnt. Wenn ein Landpächter die Klageberechtigung hat und er (die Sache) nicht verfolgen will, dann hat der Landeigentümer die Klageberechtigung, sofern er aus demselben Gemeindeverband ist. Wenn er es nicht will, dann ist der Verfolgende (des Gemeindesverbandes, scil. eine für solche Fälle allgemein eingesetzte Person) Partei. Wenn er es nicht verfolgen will oder im Gemeindeverband kein Verfolgender bestimmt ist, dann hat jeder, der will, die Klageberechtigung.

S. 179.03; Kap. 151, S. 180.17–18; Kap. 152, S. 182.05; Kap. 153, S. 183.12; Kap. 165, S. 194.11; Kap. 166, S. 195.09, 196.07; Kap. 169, S. 202.19–20+21; Kap. 172, S. 205.19–20, 206.19; Um fjárleigur: Kap. 177, S. 213.14; Kap. 182, S. 222.02; Kap. 191, S. 231.17; Kap. 222, S. 256.08; Kap. 232, S. 265.03; Vígslóji: Kap. 301, S. 341.11; Kap. 377, S. 393.20, S. 394.02–03; Kap. 379, S. 396.13; Kap. 380, S. 398.10; Landabrigjispáttr: Kap. 390, S. 419.01; Kap. 404, S. 452.20–21; Kap. 406, S. 456.13–14. Vgl. Grágás Ia, Kap. 20, S. 39.08–09; Kap. 53, S. 92.04–05; Kap. 54, S. 92.15; Kap. 56, S. 97.12–15; Kap. 59, S. 107.09; Kap. 62, S. 116.03; Kap. 64, S. 117.08; Kap. 78, S. 129.10; Kap. 81, S. 138.07; Kap. 117, S. 212.11, S. 215.19. Grágás II, Kap. 177, S. 213.13–14. Vgl. Grágás II, Kap. 114, S. 147.24–148.03.

Prozessuale Vorschriften

269

In einigen Fällen, in denen kein direkt materiell Verletzter vorhanden ist, ist die Popularklage statthaft, ohne dass diese nur subsidiär zulässig wäre. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn jemand nicht den größeren Zehnten entrichtet, um einen relativ verbotenen Verwandtschaftsgrad bei einer Eheschließung zu überwinden. Eine Ehe zwischen im fünften Glied Verwandten konnte nämlich nur dann geschlossen werden, wenn der größere Zehnte entrichtet wurde. Die diesbezüglichen Vorschriften sind aber uneinheitlich. In diesem Zusammenhang ist die Popularklage einmal in der Konungsbók und an zwei Stellen in der Stajarhólsbók angeordnet.224 An einer weiteren Stelle in der Stajarhólsbók sind dagegen zunächst diejenigen als klageberechtigt genannt, die der für die Scheidung zuständige Bischof damit beauftragt.225 In der Belgdalsbók (AM 347 fol.) schließlich ist nichts über die Klageberechtigung gesagt.226 Daneben ist die Popularklage in vielen Fällen angeordnet, wenn Verfahrensvorschriften nicht eingehalten werden, zum Beispiel, wenn in Strafsachen ein Vergleich geschlossen wird, ohne dass die notwendige Erlaubnis der gesetzgebenden Körperschaft, die ab einer bestimmten Strafhöhe Vergleiche erlauben musste, nicht eingeholt wurde, oder wenn ein Kaufvertrag über Ländereien, die mehr als eine halbe Wohnstätte ausmachen, ohne Zeugen abgeschlossen wurde.227

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Vgl. Grágás II, Kap. 120, S. 157.08–10: En ef hann gørir eigi tiundina meire. pa varjar fiör bavgs garj oc scal quejia ix. bva til a pingi. oc a huerr söc er vill. („Aber wenn er nicht den größeren Zehnten entrichtet, dann steht darauf dreijährige Landesverweisung und man soll 9 Anwohner auf dem Thing herbeirufen und jeder hat die Klageberechtigung, der will.“) Vgl. auch ebenda, Kap. 172, S. 205.18–20 und Grágás Ib, Kap. 163, S. 61.02–04. Dieselbe Stelle scheint in Grágás Ib, Kap. 144, S. 30.28–31.01 nicht ausgeschrieben, ist aber wohl gemäß Grágás II, Kap. 120 zu ergänzen. Grágás II, Kap. 131, S. 165.19–166.01: Ef menn bygia sva at aj [die letzten beiden Wörter sind übereinandergeschrieben] .v.ta manne se hvartvegia. enda tiuda pav eigi fe sitt sva sem mælt er i lögum. at pa varjar peim pat fiör bavgs garj samgangrin oc eigo peir söc pa er byscop byjr um eja pingvallar menn at sinom luta. En ef peir vilia eigi søkia. pa a söc hver er vill. („Wenn Leute so zusammenleben, dass auf jeder Seite im 5ten Glied Verwandtschaft besteht und sie von ihrem Vermögen nicht so den Zehnten leisten, wie es im Gesetz bestimmt ist, dann steht auf das Zusammgehen dreijährige Landesverweisung und diejenigen sind klageberechtigt, die der Bischof [um die Verfolgung] bittet oder die Leute des Thingplatzes für ihren Anteil [des Zehnten]. Wenn sie ihn nicht verfolgen wollen, dann hat jeder die Klageberechtigung, der will.“) Vgl. Belgdalsbók Kap. 44 in: Grágás Ib, Tillæg IV, S. 235(238.07–10). Siehe Grágás II, Kap. 301, S. 341.11; Kap. 390, S. 419.01.

270 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Erwähnt werden soll auch, dass spiegelbildlich zur Popularklage auch ein Unbeteiligter die Verteidigung gegen eine Klage aufnehmen durfte, wenn der Beklagte nicht auf dem Thing war.228 Möglicherweise hat es Popularklagen in der Sagazeit (bis ca. 1050) in Island nicht gegeben, da keine der zahlreichen Verfahrensschilderungen in den Isländersagas je eine Popularklage erwähnt.229 Dabei bleibt aber unklar, inwiefern die Berichte der Isländersagas repräsentativ für die Gerichtsverfahren vor 1050 sind. Denn sicher ist nur, dass es sich bei den dort geschilderten Verfahren um die wirklich herausragenden Verfahren jener Zeit handelt, von denen anzunehmen ist, dass sie nicht besonders typisch für ihre Zeit sind. Auch für die Zeit nach 1118 ist in der Sturlunga saga nur ein Fall einer Popularklage erwähnt.230 Dabei muss jedoch gesagt werden, dass auch die Schilderungen der Sturlunga saga kein repräsentatives Bild aller Gerichtsverfahren der Zeit vermitteln, da in ihr vorrangig die bedeutsamsten Verfahren dargestellt werden, an denen die mächtigen Familien des Landes beteiligt waren. Es kann daher durchaus regelmäßig Verfahren gegeben haben, die ein Popularkläger betrieb, auch wenn dies insgesamt wohl nicht überaus häufig gewesen sein wird. Da das Rechtsinstitut der Popularklage in den meisten germanischen Rechten nicht vorhanden ist und somit kaum von einem überkommenen Rechtsinstitut gesprochen werden kann231 und es in Island überhaupt erst nach 1118 erwähnt wird, liegt es nahe, dass es in Island erst im Zuge der Gesetzesrevision 1117/1118 eingeführt wurde. Trotz dieser Anzeichen dafür, dass die Popularklage erst durch eine Gesetzesänderung in Island ein-

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Vgl. Grágás Ia, Kap. 25, S. 47.11–13, vgl. auch Kap. 107, S. 183.04–08 sowie Grágás II, Kap. 335, S. 363.21–364.01; Kap. 354, S. 376.15–19. So Andreas Heusler, Das Strafrecht der Isländersagas, S. 102, 216. Vgl. Andreas Heusler, Zum isländischen Fehdewesen in der Sturlungenzeit, S. 65. Vgl. Wolfgang Sellert, Popularklage, in: HRG 3 (1984), Sp. 1828 f. Ganz anders äußert sich Otto Opet, Die Popularklage der Berner Handfeste, in: Zeitschrift für Schweizer Strafrecht 7 (1894), S. 15–43, der (S. 31) die Popularklagen als gemeingermanische Institution ansieht, deren Vorkommen in Island – teilweise in genau denselben Fallkonstellationen wie in den Stadtrechten von Brescia und Verona – jedoch als Beweis ansieht, dass nicht alle in italienischen Quellen vorkommenden Fälle einer Popularklage auf römischen Einfluss zurückgeführt werden müssen (S. 29). Opet geht nämlich (S. 26) davon aus, dass „die nordische Rechtsentwicklung bei zahlreichen Institutionen eine konservativere Richtung beobachtet, Gesetze des 14. und 15. Jahrhunderts einen Zustand wiederspiegeln, den wir für das eigentliche Deutschland in die Zeit der Staufen zu versetzen haben.“

Prozessuale Vorschriften

271

geführt wurde, wurde ein römisch-rechtlicher Einfluss bei der Einführung der Popularklage lange für ausgeschlossen gehalten.232 Im römischen Recht war die actio popularis anerkannt, wenn gegen das Recht der Allgemeinheit verstoßen wurde, vgl. D. 47, 23, 1 (Paulus libro octavo ad edictum): Eam popularem actionem dicimus, quae suum ius populi tuetur.

Eine Volksklage heisst diejenige, die dem Volke sein Recht beschützt.

Im römischen Recht stehen einige Klagen als rein private actiones populares jedermann offen, der damit die Zahlung einer poena an sich verlangen kann.233 In eben diesem Sinne sind viele der isländischen Popularklagen ausgestaltet, vgl. oben. Auch die kurze Formulierung quicumque agere volet 234 erinnert an das isländische sá á sök er vill („derjenige hat die Klageberechtigung, der will“). Da alles darauf hindeutet, dass die Popularklage in Island erst im Zuge der Niederschrift und Überarbeitung der Gesetze eingeführt wurde, und es in den übrigen skandinavischen Rechten der Zeit keine Popularklage gibt, scheint es so, als sei die Popularklage in Island aus dem römischen Recht übernommen worden. 4.5.3. Außergerichtliche Bewertung durch Sachkundige Bei der außergerichtlichen Bewertung von Gütern und der Beurteilung von Sachverhalten ist in der Grágás vorgesehen, dass Anwohner oder andere Personen als eine Art Schiedsgutachter tätig werden. Die Bezeichnung dieser Personen lautet je nach vorzunehmender Tätigkeit lqgkennendr (‚gesetzliche Zuordner‘), lqgmetendr (‚gesetzliche Bewerter‘), lqgsegjendr (‚gesetzliche Auskunftsleute‘) oder lqgsjáendr (‚gesetzliche Beurteiler‘). Die Verwendung des Präfixes lqg- dürfte auch hier darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber der Grágás eine Regelung vor Augen hatte, welche 232

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Vgl. Karl v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht II, S. 42; Ólafur Lárusson, Stjórnarskipun og lög ly´jveldisins íslenska, in: Lög og Saga, S. 55(82); Ólafur Lárusson, Die Popularklage der Gràgàs [sic], in: Festskrift för Hjalmar Otto Granfelt, S. 87(88, 101); Konrad Maurer, Vorlesungen über Altnordische Rechtsgeschichte V, S. 477. Vgl. Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht2, S. 63 (§ 9 III.) und S. 333 (§ 47 IV.). Vgl. Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht2, S. 63, S. 333 mit Fn. 44 (§ 47 IV.).

272 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts sich mit dem vorhandenen Wortschatz sprachlich nicht präzise genug ausdrücken ließ. Die vorgenannten Personen müssen, um tätig werden zu können, in einem solchen Verwandtschafts- oder Patenschaftsgrad im Verhältnis zur Partei stehen, dass sie in einem gerichtlichen Verfahren nicht von einer Jurytätigkeit ausgeschlossen wären. Da es in der Grágás nur wenige Normen gibt, nach denen Dritte mit einer Bewertung oder der Beurteilung von Sachverhalten betraut werden können, hätte es ausgereicht, in den Normen selbst das Näheverhältnis positiv zu regeln, in dem diese Dritten zur Partei stehen dürfen. Daher wirkt deren spezielle Bezeichnung mit lqgunnötig, da sie regelungstechnisch kaum eine Einsparung bringt. Die Funktionen, die diese Personen übernehmen, leiten sich jeweils von einem Verb ab, mit dem eine Sinneswahrnehmung bezeichnet wird: Der gesetzliche Zuordner lqgkennandi (von kenna, hier im Sinne von ‚wiedererkennen‘, ‚identifizieren‘) ordnet im Herbst zusammengetriebenes Vieh seinem Eigentümer zu, bzw. trifft eine Entscheidung, wem das Tier zusteht.235 Der gesetzliche Berwerter lqgmetandi (von meta ‚bemessen‘, ‚bewerten‘) bemisst die Güte bzw. den Wert gesetzlich zugelassener Zahlungsmittel, zum Beispiel von Silber.236 Der gesetzliche Auskunftsgeber lqgsegjandi (von segja, im Sinne von segja frá, ‚von etwas erzählen, was in der Vergangenheit wahrgenommen wurde‘) wird meistens als lqgsegjandi eja lqgsjáandi bezeichnet. Lqgsegjandi oder lqgsjáandi kann beispielsweise sein, wer bei Begehung einer 235

236

Vgl. Grágás II, Kap. 196, S. 234.20–235.02: Nv verpa peir sva fremmi varir vij at peir eigo mark saman er feit er rekit í afrétt. Pa scolo peir telia pat oc segia hvat hvár peirra rak a fiall eja hve gamallt feit var. vm pat er peir vito oc vina eija at. at pa er rétt talit. En vm haustij eptir scolo peir syna buom sinom v. oc lata scipta at iafnaji sva sem heimtz hevir til. Eignaz hvar peirra pott eigi se scipt. pvi er peir coma lavgkenandanom til oc a sa peim mun føra oc sciptino. sem pat hefir verit at afnámi. („Wenn sie erst bemerken, dass sie ein gemeinsames Kennzeichen haben, wenn das Vieh auf das gemeinsame Sommerweideland getrieben ist, dann sollen sie es zählen und angeben, was jeder von ihnen in die Berge trieb oder wie alt das Vieh war, von dem er weiß, und Eide darauf leisten, dass dann richtig aufgezählt wurde. Im darauffolgenden Herbst sollen sie es ihren 5 Anwohnern zeigen und es gleichmäßig so aufteilen lassen, wie es beansprucht wurde. Jeder von ihnen erhält das Vieh zu Eigentum, auch wenn es nicht aufgeteilt wurde, für das sie gesetzliche Zuordner hinzugezogen haben, und steht demjenigen um so weniger aus der Aufteilung zu, je mehr schon zuvor in Abzug gebracht wurde.“); vgl. Grágás Ib, Kap. 225, S. 159.19–160.02 mit etwas abweichender Formulierung. Vgl. Grágás II, Kap. 221, S. 255.10–11: Lavgmetendr scolo peir hafa til fiár metz pes. Sa er taca scal oc sa er giallda scal. peir eigo at meta fe til fullra avra. („Sie sollen gesetzliche Bewerter für diese Bewertung von Gut nehmen; der, der annehmen soll, und der, der zahlen soll. Sie sollen das Gut auf volle Öre (gerundet) bewerten.“); vgl. auch Grágás Ia, Kap. 67, S. 119.01–02: Scal giallda igripom ef majr vill. oc scal taca til sin lögmetanda hvar. („Es soll in Gegenständen bezahlt werden, wenn man will und jeder soll seinen gesetzlichen Bewerter hinzuziehen.“); Grágás II, Kap. 281, S. 217.26–218.01.

Prozessuale Vorschriften

273

Straftat anwesend war und darüber Auskunft geben kann, wer eine Wunde oder einen Totschlag zu verantworten hat,237 bzw. wer formgerecht um Frieden gebeten hat, so dass gegen ihn keine Rache verübt werden durfte.238 Ihm scheint keine Zeugenfunktion zugekommen zu sein.239 Der gesetzliche Beurteiler lqgsjáandi (von sjá, ‚sehen‘, im Sinne von betrachten, beschauen) nimmt anders als der lqgmetandi keine Bewertung von Zahlungsmitteln vor, sondern äußert sich nur darüber, ob der zu beschauende Gegenstand als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen ist.240 In der Verbindung mit lqgsegjandi ist auch der lqgsjáandi jemand, der eine Straftat miterlebt hat und davon berichten kann (vermutlich insbesondere von der Art und Schwere der Verwundungen), ohne Zeuge zu sein.241 Die Aufgabe dieser Personen ist damit ausschliesslich, eine tatsächliche Beurteilung oder Bewertung vorzunehmen bzw. wiederzugeben und dabei Angaben zu machen, die es erlauben, eine eindeutige rechtliche Zuordnung zu treffen. 237

238

239 240

241

Vgl. Grágás II, Kap. 282, S. 312.18=Grágás Ia, Kap. 87, S. 153.19; vgl. Grágás II, Kap. 316, S. 349.13. Vgl. Grágás II, Kap. 277, S. 305.16–20: Rett er mönnom at beija gripa. hvargi er menn ero staddir par er a unin verk verpa mej mönnom pott engir se vegnir. En pa er at lögum beijt grija . ef majr nefnir ser vatta fimm eja fleiri lögsiaendr. („Zulässig ist es, Frieden zu erbitten, wo auch immer man sich befindet, wenn dort Auseinandersetzungen zwischen Leuten stattfinden, auch wenn keine Leute erschlagen werden. Und dann wird gemäß dem Gesetz um Frieden gebeten, wenn man sich fünf oder mehr Zeugen benennt, gesetzliche Auskunftsgeber.“) Vgl. Vilhjálmur Finsen, Registre og Oversigter, in: Grágás III, S. 508(649 lögssjáandi ). Vgl. Grágás II, Kap. 179, S. 214.21–215.08: Ef peir coma til bapir er mál eiguz vij oc verja eigi a sáttir. pa scal hvaRteGi nefna til log siánda af sini hendi at sia fe pat er par scal gialldaz. oc scolo peir sia pat fe hvart pat se gilldt eja eigi huerigir avrar sem ero. Ef peir verja eigi asattir pa scal sa peirra hafa sitt mál er eij vill at vina. Ef peir vili eija vina bápir pa scolo peir luta. Ef lög siaendr ero osáttir á um pat hvárt pat se lögsilfur epa eigi. pa scal hvar hina stefna lögsianda anars vm pat at hann hafe pat kallaj lögsilfr er eigi er. oc láta varja iii. marca utlegj. En sipan er sakir coma i dom oc verjr sa fe sekr er domendom pickir rangara mæla. scal bera fram silfr oc lata pat sia. („Wenn beide erscheinen, zwischen denen ein Vertrag besteht, und sie sich nicht einigen können, dann soll jeder von ihnen von seiner Seite aus einen gesetzlichen Beurteiler ernennen, das Gut zu betrachten, dass dort entrichtet werden soll und sollen sie das Gut betrachten, ob es gültig sei oder nicht, was auch immer für Öre es sind. Wenn sie sich nicht einig werden, dann soll derjenige Recht bekommen, der einen Eid darauf leisten will. Wenn sie beide einen Eid leisten wollen, dann sollen sie losen. Wenn die gesetzlichen Beurteiler uneinig sind, ob es gesetzliches Silber ist oder nicht, dann soll jeder von ihnen den gesetzlichen Beurteiler des anderen deswegen vorladen, weil der das gesetzliches Silber genannt habe, was keines sei, und soll Dreimarksbuße darauf stehen lassen. Später, wenn die Sache zum Gericht kommt, wird derjenige des Geldes schuldig, der den Richtern falscher zu sprechen scheint. Das Silber soll vorgelegt und betrachtet werden lassen.“) Vgl. wie Fn. 237.

274 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts Die Funktion dieser gesetzlichen Beurteiler und Bewerter ist damit dieselbe wie diejenige der Arbiter, welche in verschiedenen Verfahren im römischen Zivilprozess in Anspruch genommen wurden. Diese nahmen ebenfalls eine tatsächliche Bewertung vor, wenn zum Beispiel ein multum, also das Doppelte oder sogar das Drei- oder Vierfache dessen eingeklagt wurde, was den Wert des Streitgegenstandes ausmachte. Sie übernahmen aber auch in anderen Verfahren Geldschätzungen.242 Diese Vervielfachung des ursprünglichen Streitwertes wird als Litiskreszens bezeichnet.243 Die Bezeichnungen für die Bewerter und Beurteiler klingen im Isländischen sehr ungewöhnlich. Damit liegt es nahe, dass sie aufgrund eines ausländischen Vorbildes geschaffen und mit diesen etwas künstlichen Begriffen bezeichnet wurden. Der große Unterschied zwischen dem isländischen und dem römischen Recht ist in dieser Hinsicht, dass in Island die Tätigkeit vor allem außerhalb von Gerichtsverfahren ausgeübt wurde, nach römischem Recht dagegen schwerpunktmäßig im Verfahren. Da nur die Funktion, nicht jedoch die verfahrensmäßige Situation vergleichbar ist, ist es schwierig, hier eine Aussage über einen möglichen Einfluss des römischen Rechts auf die Bestimmungen der Grágás zu treffen.

4.6. Zusammenfassung Die „Prosa der heimischen Rechtsbücher“ ist gemeinsam mit dem Stil der „reinen Saga“ als „undichterisch, unrednerisch, unpapieren“ bezeichnet worden.244 Diese Aussage lässt bereits die deutlichen Unterschiede zwischen der Sprache der Sagas und derjenigen der Gesetze außer Acht.245 Auch wird in diesem Zusammenhang nicht näher dargelegt, was Kennzeichen eines unpapierenen Stils sein soll. Der Stil der Grágásgesetze weist in Vielem Merkmale auf, die sich typischerweise in schriftlichen Texten finden. Gerade die teils sehr langen und verschachtelten Sätze dürften eher Anzeichen dafür sein, dass die Normen der Grágás in weiten Teilen ihre überlieferte Form erst im Zuge der Niederschrift erhalten haben.

242

243 244 245

Vgl. Max Kaser/Karl Hackl, Das römische Zivilprozessrecht2, S. 47 (§ 6 I.) und 56 ff. (§ 8). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 345 (§ 257 II.4.). Vgl. Andreas Heusler, Die altgermanische Dichtung, 2. Aufl. (1941), S. 229. Vgl. die Ergebnisse der umfassenden Untersuchung zur altwestnordischen Rechtssprache von Hans-Peter Naumann, Sprachstil und Textkonstitution, S. 164 ff. (insbesondere S. 171 ff.).

Zusammenfassung

275

Nicht untersucht wurde in diesem Abschnitt die Syntax der Grágás, konkret die Frage, ob die an einigen Stellen sehr verschachtelten Sätzen mit ihren mitunter extrem weiten Sperrungen zwischen zusammengehörenden Satzteilen Einflüsse aus dem Lateinischen oder dem Mittelgriechischen wahrscheinlich machen. Vermutlich ließe sich bei einer genaueren Untersuchung die wohl unhaltbare Behauptung widerlegen, dass in der Grágás noch „ungestört das vorrömische Satzgefühl“ walte.246 Auf sprachlicher Ebene sind einige Begriffe aufgefallen, die gut Lehnübersetzungen aus römisch-rechtlichen Rechtstexten sein könnten. Auch in der Art, wie mit den zahlreichen Legaldefinitionen und Wörtern mit dem Präfix -lqg ein Wortschatz für spezifische juristische Zwecke im Isländischen geschaffen wird, lassen sich Parallelen zum römischen Recht in Byzanz erblicken. Bei der in der Grágás anzutreffenden juristischen Methodik finden sich ebenfalls Parallelen zum römischen Recht. Zum Teil weisen die einschlägigen Bestimmungen sogar inhaltliche Übereinstimmungen mit dem römischen Recht auf. Eine weitere Parallele zum römischen Recht stellt in der Grágás die Verwendung von Programmsätzen bzw. regulae iuris dar, die den jeweiligen Normen vorangestellt sind. Auch hier bestehen teilweise sogar inhaltliche Übereinstimmungen mit dem römischen Recht bzw. genauer gesagt, in den meisten Fällen mit den justinianischen Institutionen. Der Bereich des Prozessrechts weist gleichermaßen viele Ähnlichkeiten zum römischen Recht auf, da neben einer großen Anzahl wörtlich vorgegebener Verfahrensformen in sehr vielen Verfahren eine Popularklage statthaft ist. Somit enthält die Grágás bereits in ihrer grundsätzlichen Gestalt viele Parallelen zum römischen Recht, die in einigen Fällen methodischer Übereinstimmungen sogar noch durch inhaltliche Übereinstimmungen verstärkt werden.

246

So aber Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXX).

276 Mögliche Einflüsse des römischen Rechts und christlichen Gedankenguts

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

277

5. Einzelne Bestimmungen, die auf einen Einfluss römischen Rechts, biblischer Vorstellungen oder langobardischen Rechts hindeuten Nachdem im vorangegangenen Teil sprachliche Besonderheiten, die Regelungstechnik und prozessuale Vorschriften der Grágás auf mögliche Einflüsse römischen Rechts untersucht wurden, sollen in diesem Teil einige Bestimmungen exemplarisch näher betrachtet werden, die auf einen Einfluss römischen Rechts hindeuten. Ebenso wird untersucht, ob sich in Bestimmungen der Grágás Hinweise auf die Aufnahme biblischer Vorstellungen finden. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der sogenannte Nomos Mosaïkos, der häufig als Anhang zu byzantinischen Rechtstexten tradiert wird (vgl. oben S. 183). Da mit Johannes Italos ein aus dem langobardischen Rechtskreis stammender Rechtslehrer um 1080 in Byzanz tätig war (vgl. oben S. 164) und es sogar eine griechische Übersetzung langobardischer Gesetze gibt, sollen auch mögliche Einflüsse des langobardischen Rechts auf das Recht der Grágás untersucht werden.

5.1. Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen 5.1.1. Eherechtliche Vorschriften Das Recht der Verlöbnisse und das Eherecht ist in der Grágás schwerpunktmäßig im Festa páttr, dem Abschnitt von den Verlöbnissen, geregelt.1 Obwohl anzunehmen ist, dass das Verlöbnis- und das Eherecht in einer Gesellschaft stark von ihren überkommenen Vorstellungen geprägt und damit möglicherweise wenig empfänglich für bewusst aus anderen Rechtsordnungen übernommene Neuerungen sein dürfte, gibt es doch einige Normen, die recht deutliche Parallelen zum römischen Recht aufweisen. 1

Vgl. Grágás II, Kap. 118–176, S. 152–209; Grágás Ib, Kap. 114–171, S. 29–75.

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Einzelne Bestimmungen

5.1.1.1. Scheidung, wenn Ehemann 3 Jahre lang seiner Frau nicht beiwohnt Nach der Grágás war zur Scheidung grundsätzlich die Erlaubnis des Bischofs notwendig. Als Grundnorm kann diese Vorschrift angesehen werden: Hiona scilnajr scal huergi vera a landi her nema par er byscop lofar. nema pviat eins at pav sciliz fyrir omegjar sakir eja pav vin iz a pann a verka. er hin meire sár metaz.2

Eine Ehescheidung soll hier im Lande nirgendwo stattfinden, bis auf dort, wo der Bischof sie erlaubt, es sei denn, sie scheiden sich aufgrund von Bedürftigen oder sie fügen sich solche Verletzungen zu, die als schwerere Wunden bewertet werden.

2

Die Möglichkeit, sich deswegen scheiden zu lassen, weil dem Ehepartner Bedürftige zur Last fielen, die das gemeinsame Vermögen aufzehrten, wurde später durch eine Novelle abgeschafft.3 Daneben gab es die Möglichkeit einer vom Bischof gestatteten Einforderung des Vermögens der Frau, wobei sich aus einer der beiden einschlägigen Textstellen noch nicht ergibt, ob damit gleichzeitig auch die Scheidung ausgesprochen wurde. In der zweiten Textstelle dazu steht ausdrücklich, dass die Frau auch ohne Scheidung ihr Vermögen herausverlangen konnte.4 2 3

4

Grágás II, Kap. 134, S. 168.12–14, vgl. Grágás Ib, Kap. 149, S. 39.24–40.02. Vgl. Grágás II, Kap. 170, S. 203.05–08: Nymæli [marginal]: Pat er mælt at huergi scal hiona scilnajr vera fyrir fatøkis sakar hvartki sa er pav raja siálf ne frændr peirra. Scipta scal omögum peirra oc föra frændom sem ajr var mælt. Eigi scolo pav scyld at scilia reckio sina fyrir peim söcom. („Novelle: Das ist bestimmt, dass nirgendwo eine Scheidung von Ehegatten aus Gründen der Armut stattfinden soll, weder die, über die sie selber bestimmen, noch ihre Verwandten. Man soll ihre Bedürftigen aufteilen und sie den Verwandten zuweisen, wie zuvor bestimmt wurde. Sie sollen nicht verpflichtet sein, ihr gemeinsames Bett aus diesem Grunde aufzugeben.“) Vgl. Belgdalsbók, Kap. 40, in: Grágás Ib, Tillæg IV, S. 235(236.02–03); AM 173 D 4to in: Grágás III, S. 455(457.04–05). In der Konungsbók ist diese Novelle nicht enthalten. Vgl. Grágás II, Kap. 168, S. 199.17–200.02: Ef samfara hiona versna sva mioc at kono pickir ser ohögendi verpa a pvi öllo er hon parf at hafa til at vino ser ife munum oc a hon at segia til byscopi peim er yfir peim fiorjungi er. Byscop a at lofa henne ef honom lítz pat ráj. at heimta fe sítt. hvart sem hann vill lofat hafa at heimta feet allt eja sumt. enda scal hon slíkan lut láta heimta af fe sino. sem byscop lofar henne. hvart sem pat er meire lutr eja mini fiar hennar. („Wenn sich das Zusammenleben von Eheleuten so sehr verschlechtert, dass einer Frau Untragbarkeit einzutreten erscheint hinsichtlich allem, was sie für ihren Unterhalt an Vermögensgegenständen benötigt, dann soll sie es dem Bischof sagen, welcher über dem Viertel ist. Der Bischof soll ihr erlauben, wenn es ihm ratsam erscheint, ihr Vermögen ein-

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

279

Eine auf den ersten Blick überraschende Vorschrift, nach der eine Scheidung erfolgen konnte, findet sich sowohl in der Stajarhólsbók als auch in der Konungsbók. Diese Vorschrift bildet in der Stajarhólsbók ein eigenes Kapitel. In der Konungsbók ist sie Bestandteil eines umfangreicheren Kapitels, beginnt aber mit einem Kapitälchen, das offenbar den Beginn einer neuen Vorschrift kennzeichnet. Ef karl majr huilir eigi isama sæing kono sinni vi. missere fyrir orøkjar sakir. pa eigo frændr fiar heimtingar hennar oc sva retta far hennar enda a hon sialf fe sit at varjveita.5

Wenn ein Mann aus Vernachlässigung 6 Halbjahre nicht mit seiner Frau im selben Bett schläft, dann haben ihre Verwandten Anspruch auf Übergabe ihres Vermögens und auch einen Anspruch auf Buße ihretwegen, und dann soll sie auch ihr Vermögen selbst verwalten.

5

In dieser Stelle wird zwar eine Scheidung nicht direkt erwähnt, dass eine solche aber hier mit der Vermögensrückforderung einhergeht, folgt aus

5

zufordern, gleich, ob er erlaubt haben will, das gesamte Vermögen oder einen Teil einzufordern, und sie soll (nur) einen solchen Teil ihres Vermögens einfordern lassen, wie der Bischof es ihr erlaubt, gleich, ob das der größere Teil oder der geringere ihres Vermögens ist.“) Ähnlich ist die Stelle Grágás II, Kap. 171, S. 204.02–13: Par er hiu verja eigi samhuga. pa er byscopi rétt at lofa kononi fiar heimtingar sínar allar undan boanda sinom. pott hann geri eigi lögscilnaj peirra ef honom pickia for urtir til pes. Sva scal fe hennar heimta sem byscop mælir fyrir. hvart sem pat er et næsta vár eja sijar. Kona parf eigi at lata stefna bönda sinom til byscops fundar um petta mál. oc pviat eins ef hon vill lögscilnaj gera lata. Nu er sott til fiar pess oc hefir veriandin pat til varna at hann se rettr forrájandi fiar hennar oc eigi se lögscilnajr gör mej peim. pa scal láta bera fram vétti pat er nefnt var at orjum byscops. par er hann lofaje fiarheimting. oc a pat at dømaz feet pannug sva mikit sem gogn baro til. („Wenn Eheleute nicht einen Sinnes werden, dann ist es dem Bischof gestattet, der Frau alle Vermögenseinforderungen gegen ihren Ehemann zu erlauben, auch wenn er keine gesetzliche Scheidung zwischen ihnen vornimmt, wenn ihm Gründe dafür zu bestehen scheinen. Ihr Vermögen soll so eingefordert werden, wie der Bischof bestimmt, gleich, ob es das nächste Frühjahr oder später ist. Die Frau braucht in dieser Sache ihren Mann nicht auf ein Treffen mit dem Bischof vorladen zu lassen, sondern dies nur, wenn sie eine gesetzliche Scheidung vornehmen lassen will. Wenn wegen des Geldes verfolgt wird und der Verteidigende zur Verteidigung vorbringt, dass er der rechtmäßige Bestimmungsausübende ihres Vermögens sei und keine gesetzliche Scheidung zwischen ihnen vorgenommen wurde, dann soll der Verfolgende das Zeugnis vorbringen lassen, welches für die Worte des Bischofs benannt wurde als er die Vermögenseinforderung erlaubte und dann soll das Vermögen dorthin in solcher Höhe [mit Urteil] zugesprochen werden, wie die Beweismittel ergaben.“) Vgl. Grágás Ib, Kap 149, S. 41.10–22, wo die Stelle nicht ausgeschrieben ist. Grágás II, Kap. 136, S. 170.20–171.02=Grágás Ib, Kap. 158, S. 55.05–08.

280

Einzelne Bestimmungen

dem Zusammenhang. Es wäre nämlich unwahrscheinlich, dass hier wie in den in Fn. 4 zitierten Ausnahmenormen nur die Vermögensübertragungen anlässlich der Eheschließung rückabgewickelt würden, aber trotzdem keine Scheidung erfolgen würde, da sowohl das vorangehende als auch das der zitierten Vorschrift nachfolgende Kapitel die Ehescheidung behandeln. Auch wäre es kaum einleuchtend, warum die über sechs Halbjahre unterlassene bzw. – so dürfte dies zu verstehen sein – nicht zu gemeinsamem Nachwuchs führende Beiwohnung lediglich einen Vermögensrückforderungsanspruch auslösen sollte, aber der Frau nicht durch eine Scheidung die Möglichkeit eröffnet werden sollte, in einer neuen Verbindung ehelichen Nachwuchs zur Welt zu bringen. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift im isländischen Recht eine Scheidung ermöglicht oder nicht, ist festzustellen, dass sie inhaltlich einer Scheidungsvorschrift ähnelt, die sich bereits im Codex Iustiniani findet und später durch eine Novelle modifiziert wird. Daneben ist diese Vorschrift mit abweichenden Formulierungen in der Ecloga, in den Basiliken und auch im Procheiros Nomos enthalten. Im Codex Iustiniani lautet die entsprechende Stelle (5, 17, 10 Imp. Iustinianus A. Menae pp.): In causis iam dudum specialiter definitis, ex quibus recte mittuntur repudia, illam addimus, ut, si maritus uxori ab initio matrimonii usque ad duos continuos annos computandos coire minime propter naturalem imbecillitatem valeat, possit, mulier vel euius parentes sine periculo dotis amittendae repudium marito mittere, ita tamen, ut ante nuptias donatio eidem marito servetur.6

Den schon früher speciell bestimmten Gründen, wegen welcher rechtmäßig eine Ehe getrennt wird, fügen Wir den hinzu, dass, wenn der Ehemann seiner Ehegattin innerhalb zwei Jahre, vom Anfange der Ehe ab gerechnet, wegen natürlichen Unvermögens, nicht beizuwohnen vermag, die Frau oder deren Eltern, ohne Gefahr, das Heirathsgut zu verlieren, dem Ehemann den Scheidebrief schicken können, jedoch so, dass die Schenkung vor der Hochzeit dem Ehegatten erhalten wird.

6

6

Corpus Iuris Civilis II, Codex Iustinianus (Hrsg. Paul Krüger, 1954), S. 213.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

281

Die zweijährige Frist wurde durch Novelle XXII (Idem [Iustinianus] Augustus Johanni gloriosissimo praefecto sacro orientis praetorio iterum, exconsuli et patricio) c. 6 auf drei Jahre verlängert: Per occasionem quoque necessariam et non irrationabilem distrahitur matrimonium, quando aliquis impotens fuerit coire mulieri et agere quae a natura viris data sunt, sed biennium quidem secundum de hoc a nobis pridem scriptam legem transcurrat ex nuptiarum tempore, ille vero quia pro veritate est vir non ostendat. Licebit enim mulieri aut eius patribus disiungere matrimonium et mittere repudium, vel si noluerit hoc maritus. Et hic siquidem dos, si qua est omnino data dos, sequitur mulierem, et reddit hanc vir, si eam contigit accipi, propter nuptias autem seu ante nuptias donatio manet apud virum nihil de suo damnificandum. Hanc itaque legem corrigimus brevi quadam adiectione: non enim biennium numerari solum ex ipso tempore copulationis, sed triennium volumus. Edocti namque sumus ex his quae inter haec provenerunt, quosdam amplius quam biennium temporis non valentes postea potentes ostensos ministrare filiorum procreationi.7

Aus einer gerechten Ursache wird die Ehe getrennt, wenn ein Ehegatte seiner Frau beizuwohnen und ihr die eheliche Pflicht nicht zu leisten vermag. Ist von Zeit der eingegangenen Ehe ein zweijähriger Zeitraum verflossen, ohne dass er gezeigt hat, dass er in der Tat ein Mann sei, so ist, wie Wir bereits in einem anderen Gesetze [C. 5, 17, 10] verordnet haben, der Frau und deren Anverwandten vergönnt, auch wider den Willen des Mannes die Ehe zu trennen. In diesem Falle erhält die Frau die bestellte dos zurück, der Mann muss sie ihr herausgeben. und dieser behält die donatio propter nuptias, indem er auch einigen Verlust an seinem Vermögen nicht erleiden soll. Nur insofern ändern Wir dieses frühere Gesetz einigermaassen ab, als Wir die von der Zeit der Eingehung der Ehe an zu rechnenden Frist von zwei Jahren auf drei Jahre ausgedehnt wissen wollen. Wir haben nämlich seit dem Erscheinen jenes Gesetzes die Erfahrung gemacht, dass Männer, welche länger, als zwei Jahre impotent gewesen waren, nachmals zum Kinderzeugen fähig geworden sind.

7

7

Corpus Iuris Civilis III, Novellae (Hrsg. Rudolf Schöll/Wilhelm Kroll, 1954), S. 150 f.

282

Einzelne Bestimmungen

Sogar in der eher kurz gefassten Ecloga findet sich diese Vorschrift: 2.9.3. Die Frau wird entsprechend von ihrem Mann aus folgenden Gründen geschieden: wenn der Mann innerhalb von drei Jahren nach der Eheschließung nicht in der Lage ist, mit seiner Frau zu verkehren; wenn er ihr auf irgendeine Weise nach dem Leben trachtet, oder obwohl er weiß, das andere dies tun, es ihr nicht mitteilt; wenn er aussätzig ist.8

In den Basiliken steht die Stelle in B. XXVIII, 7, 4. Die Version im Procheiros Nomos Kap. XI.2 lautet in der englischen Übersetzung: A marriage is necessarily dissolved, and for valid reason, when a man is unable to cohabit with his wife or exercise the function of nature, or if he is so apart from his wife for three years. The wife and her parents can then dissolve the cohabitation and procure a divorce, even if the husband does not wish it. In that case if dower has been paid it shall revert to the wife and the husband shall lose it. But the prenuptial gift shall belong to him and he shall not be deprived thereof.9

Durch die einleitende Formulierung der Norm im Procheiros Nomos, nach der die Scheidung unter diesen Umständen „notwendigerweise“ erfolgt, wird auch deutlich, warum vermutlich die Grágásvorschrift nicht ausdrücklich anordnet, dass nach Ablauf der Dreijahresfrist die Scheidung festgestellt werden kann. Da die römischrechtliche Norm offenbar davon ausgeht, dass die Scheidung unter diesen Umständen zwangsläufig eintritt, ist anzunehmen, dass die Grágás dies vermutlich ebenfalls stillschweigend voraussetzt, zumal die Norm im Kontext von (anderen) Scheidungsvorschriften steht, dies aber nicht so plakativ benennt. Der in diesen Vorschriften genannte Scheidungsgrund der Nichtbeiwohnung wurde noch um 1300 in einer byzantinischen Handschrift, welche Prozessbeschreibungen und Musterschriftsätze enthält, als Beispiel für ein Scheidungsverfahren angeführt.10 Somit kann davon ausgegangen werden, dass diese sehr breit tradierte Norm auch im 11. Jahrhundert in Byzanz zum juristischen Allgemeingut gehörte. Sowohl im byzantinischen als auch im isländischen Recht liefert die sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstreckende unterbliebene Beiwohnung einen Scheidungsgrund. Von ihnen gab es im isländischen Recht nur sehr wenige. Dies deutet darauf hin, dass die isländische Regel in Kenntnis der römischrechtlichen Vorschrift geschaffen wurde.

8 9 10

Vgl. Ecloga, Ludwig Burgmann (Hrsg. und Ü.), S. 183. Procheiros Nomos, (Üb. Edwin Hanson Freshfield), Kap. XI.2, S. 82. Vgl. Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 399–406, wo die Schriftsätze in deutscher Übersetzung wiedergegeben sind.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

283

5.1.1.2. Eigenes Vermögensrückforderungsrecht der Frau Nach der im vorangegangenen Kapitel aus der Grágás zitierten Scheidungsvorschrift wegen dreijähriger Nichtbeiwohnung (vgl. oben S. 279) steht das Vermögenseinforderungsrecht nur den Verwandten der Frau zu, nicht jedoch ihr selbst. In Übereinstimmung mit den beiden Vorschriften der Grágás, in denen der Bischof der Frau selbst die Vermögenseinforderung gestattet (vgl. oben Fn. 4), wird dies durch die nachfolgende Bestimmung modifiziert, welche inhaltlich an die beiden genannten Scheidungssachverhalte anknüpft. In der Stajarhólsbók, wo die Vorschrift einzig erhalten ist, steht sie zwar an anderer Stelle, aber durch die klare Bezugnahme auf die oben erwähnten Scheidungsgründe dürfte außer Zweifel stehen, dass diese Norm inhaltlich an die oben zitierten anknüpft: Kona sialf er iafnan ajili at fiár heimtingum sinum vij buanda sinn hueriom sem handsalat var i mund malum. hvart sem er at byscop lofar henni fiarheimting. eja orökiz boandi hennar vij hana sva at hann huílir vi. miseri fyrir utan reckio hennar. af urökjum.11

Eine Frau ist stets selbst Partei ihrer Vermögenseinforderungen gegenüber ihrem Ehemann, wem auch immer es im Brautpreisvertrag übertragen wurde, gleich ob der Bischof ihr die Vermögenseinforderung erlaubt oder ihr Ehemann (seine Pflichten) gegenüber ihr so vernachlässigt, dass er 6 Halbjahre außerhalb ihres Bettes ruht aus Vernachlässigung.

11

Auch die durch diese Norm in der Grágás generell anerkannte Berechtigung der Frau, gegenenfalls ihr Vermögen von ihrem Mann selbst einzufordern, hat eine Parallele im römischen Recht (C. 5, 12, 31 Imp. Iustinianus A. Iuliano pp.): Cum quidam dotes pro mulieribus dabant sive matres sive alii cognati vel extranei, recte quidem eas mariti sine monumentorum observatione suscipiebant: cum autem mulier redhibitionem casus stipulabatur et huiusmodi fortuitus casus evenisset, ipsa mulier utpote a se non facta donatione

11

Grágás II, Kap. 168, S. 200.02–06.

Wenn gewisse Personen, entweder Mütter, andere mütterliche Verwandte, oder Fremde, für Frauen Heirathsgüter gaben, so übernahmen solche die Ehemänner mit rechtlicher Wirkung [auch] ohne Errichtung von Urkunden. Wenn

284

Einzelne Bestimmungen

propter hoc, quod monumenta deerant, necessitatem habebat actiones huiusmodi casus ad eum qui dotem dedit per cessionem transferre vel ipsas res reddere: et ita inveniebatur forsitan post prolixa matrimonii annorum curricula et liberos forte editos infelix mulier indotata.

Sancimus itaque in huiusmodi omnibus casibus nullis monumentis rem indigere, sed in omni persona ratas esse huiusmodi donationes et mulierem dotem suam ipsam habere, cum fortuitus casus hoc lucrum ei addiderit, et firmiter hoc apud eam permanere, nisi ipse, qui ab initio dotem dederit, sibi dari huiusmodi stipulatus est: tunc etenim, cum neque ab initio suspicio aliqua liberorum concurrit, sed sibi omnem rem ille qui dotem dedit pepigerit, huiusmodi tractatus habere locum non potest. Atqui in aliis omnibus casibus, in quibus ipse non stipulatus est, tristitiae suae mulier hoc proprium habeat solacium per actionem dotis.

sich aber die Frau für einen gewissen Fall die Rückgabe [des Heirathsguts] versprechen liess, und ein solcher Fall von ungefähr eintrat, so war die Frau, welche eine [gültige] Schenkung nicht errichtet hatte, deshalb, weil Urkunden fehlten, genöthigt, in einem solchen Falle die Klagen auf Denjenigen, welcher das Heirathsgut gegeben, durch Abtretung zu übertragen, oder die Sachen selbst zurückzugeben, und so befand sich leicht nach der Geburt von Kindern die unglückliche Frau ohne Heirathsgut. Wir verordnen daher, dass in allen solchen Fällen die Sache keiner Urkunde bedarf, sondern dass Hinsichts aller Personen dergleichen Schenkungen gültig sind, und die Frau selbst ihr Heirathsgut in Besitz nehmen kann, wenn ein von ungefähr eingetretener Fall ihr diesen Vorteil verschafft, und dass dieser fest bei ihr verbleiben soll, dafern nicht derjenige sich für einen Fall dieser Art die Rückgabe hat versprechen lassen. Denn alsdann, wenn anfänglich gar nicht an Kinder gedacht ist, vielmehr Der, welcher das Heirathsgut gegeben, sich den Rückfall des Ganzen vorbedungen hat, kann ein solches Abkommen nicht Platz greifen; dagegen soll in allen übrigen Fällen, in welchen er selbst [die Rückgabe] sich nicht hat versprechen lassen, die Ehefrau ein Trostmittel für sich durch die Heirathsgutklage erhalten.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

285

Diese von Justinian kodifizierte Regel wird auch im 11. Jahrhundert noch von den byzantinischen Rechtsbüchern wiedergegeben und in Anlehnung an sie wurden weitere Grundsätze entwickelt.12 Möglicherweise wurde die isländische Regelung in Kenntnis dieser von Justinian erlassenen Normen geschaffen, denn wie im römischen Recht betrifft die Konstellation, in der eine Frau eine Klage nach isländischem Recht anstrengen kann, das Herausgabeverlangen einer Frau bezüglich ihres Heiratsgutes. 5.1.2.

Schuldrechtliche Verhältnisse

5.1.2.1. Negativzeugnis: Grundsätzliche Struktur des Kaufes nicht geregelt Auch wenn es auf den ersten Blick sonderbar erscheinen mag, diesen Abschnitt mit der Nennung dessen zu beginnen, was im isländischen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, soll erwähnt werden, dass in der Grágás die grundsätzliche Struktur eines so wichtigen Rechtsgeschäfts wie das des Kaufes nicht näher geregelt ist. Dementsprechend beginnt der Abschnitt, in dem viele allgemein schuldrechtliche Sachverhalte geregelt sind, die sich nicht speziell auf Grundstücke und die Rechte daran beziehen, mit einer Vorschrift zum Miet- bzw. Pachtrecht, bevor dann allgemeine schuldrechtliche Themen geregelt werden wie beispielsweise, wie die Fälligkeit eines Anspruches festgelegt wird und wie die Gegenleistung erbracht und bewertet werden soll. Da in der Grágás anders als bei anderen Vertragstypen nicht geregelt ist, wie ein allgemeiner Kaufvertrag abzuschließen ist oder welche Struktur er hat, weist das isländische Recht im Fehlen genauer kaufrechtlicher Normen eine Übereinstimmung mit dem römischen Recht in Byzanz auf. Im byzantinischen Recht bestand schon bald nach justinianischer Zeit keine dogmatische Klarheit mehr darüber, ob ein Kaufvertrag durch einen reinen Konsens begründet werden konnte oder ob ein Barkauf anzunehmen war, bei dem der Kauf nur die causa der Übereignung darstellte, oder ob eventuell der Kauf nur ein Realvertrag war, bei dem die Vorleistung einer Seite den Vertrag wirksam machte. Daneben ist es auch möglich, dass ein

12

Vgl. Dieter Simon, Das Ehegüterrecht der Pira, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores VII, S. 193(199–202).

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Einzelne Bestimmungen

Kauf als Arrhalkontrakt ausgestaltet war, bei der die arrha konfirmatorische oder Reugeldfunktion hatte.13 Zur weiteren Übereinstimmung des isländischen Rechts mit dem justinianischen bezüglich der Tatsache, dass für den Abschluss eines Kaufvertrages keine Zeugen erforderlich sind, siehe bereits oben S. 216. 5.1.2.2. diligentia quam in suis – eigenübliche Sorgfalt Die Haftung für fremde Sachen wird in einer ganzen Reihe von Bestimmungen auf die Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt beschränkt. Ef eigandi sendir man mej r oss sitt eja eyk sins ørendis oc abyrgiz eigi sa er mej fer ef hann fer sua mej sem hin bavj oc pa mundi hann ef hann ætti.14

Wenn der Eigentümer jemanden mit seinem Pferd oder Zugtier in seiner (eigenen) Angelegenheit schickt, so haftet derjenige nicht, der es gebraucht, wenn er es so gebraucht, wie es der andere gebot und wie er es dann tun würde, wenn es ihm gehörte.

14

Das Abstellen auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten begegnet an mehreren Stellen.15 Beachtlich ist jedoch die Stelle, an der sie noch um ein weiteres Korrektiv ergänzt wird: 16

Sa er gætir rossa scal at pvi eino neyta peirra at ríja at gøzlo oc reka til pings. oc til gæzlo oc scipta pvi at iafnaji mej rossum. oc rija engo meir en pat standi eigi fyrir holldum. oc abyrgiaz at öllu. oc varjveita sva sem hann mundi sítt eigin oc villdi vel.16

13

14 15

Derjenige, der die Pferde beaufsichtigt, soll sie nur dazu gebrauchen, zur Beaufsichtigung zu reiten und sie zum Thing zu treiben und zur Beaufsichtigung (zu treiben), und er soll es gleichmäßig zwischen den Pferden aufteilen und nicht mehr reiten, so dass es nicht gegen die Konstitution steht, und er soll für

Vgl. Dieter Nörr, Die Struktur des Kaufes nach den byzantinischen Rechtsbüchern, in: Peter Wirth (Hrsg.), Polychordia, Festschrift Franz Dölger zum 75. Geburtstag, S. 230 ff.(255). Grágás II, Kap. 210, S. 242.11–14. Vgl. Grágás II, Kap. 191, S. 231.20–26; Kap. 206, S. 240.03–08, 240.11–13, Kap. 207, S. 240.19.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

287

sie vollständig haften und sie so unterhalten, wie er sein eigenes (Pferd) versorgen würde und wohl wollte. Hier wird die eigenübliche Sorgfalt noch verobjektiviert, indem darauf abgestellt wird, wie sich der Verwahrer verhalten würde, wenn er mit seinen eigenen Pferden pfleglich umgehen wollte. In einer weiteren Norm wird die erforderliche eigenübliche Sorgfalt noch im Gegensatz zum Vorsatz angesprochen: Leigo majr scal sva mej ellde fara eja fara láta sem hann eigi sialfr húsin. Ef hann fer ogætilegar mej en sva oc bren a hvs upp en pa varjar honom fiorbavgs garj nema quijr bere at hann villde bren a hvsin pa varjar scog gang.17

Ein Pächter soll mit Feuer verfahren oder verfahren lassen, als ob er selber die Häuser besäße. Wenn er weniger sorgfältig damit verfährt als so und wenn die Häuser niederbrennen, dann steht für ihn darauf dreijährige Landesverweisung, es sei denn, eine Jury sagt aus, dass er die Häuser niederbrennen wollte, dann steht darauf Waldgang.

17

Weitere Anknüpfungen an die eigenübliche Sorgfalt finden sich für den Fall, dass ein Vorkaufsrecht spät ausgeübt wird und der Vorkaufsverpflichtete bis zur Übergabe noch eine Weile auf dem Land wohnen soll. Er wird dann schon so behandelt wie ein Pächter, soll aber gegenüber dem Vorkaufsberechtigten bezüglich aller Verrichtungen auf dem Land die Gefahr nur so tragen, wie es der Fall wäre, wenn er selber fortwährend auf dem Land wohnte: Ef cavp peirra varj fast avarpingi. eja á pvi mæle sem nu var tint. pa scal sa a lande bua pau miseri er land atte. sva sem a leigo lande. oc sva scal hann abyrgiaz vij caupanda huegi er hann stafar fyrir. sem hann bue sialfr a. enda á seliande allar landz nytiar a peim miserom. oc abyrgiz

16 17

Wenn ihr Kauf auf dem Frühjahrsthing abgeschlossen wurde oder innerhalb des Zeitraumes, der nun aufgezählt wurde, dann soll derjenige so wie auf Pachtland für die Halbjahre auf dem Land wohnen bleiben, der das Land hatte, und er

Grágás II, Kap. 216, S. 248.11–15. Grágás Ib, Kap. 219, S. 137.01–05; vgl. weniger prägnant, wenngleich juristisch präziser, Grágás II, Kap. 434, S. 500.06–12.

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Einzelne Bestimmungen

hann vij spellom vij caupanda sca sem buar virpa.18

soll gegenüber dem Käufer für alles Gefahr tragen, wie auch immer er es handhabt, so, als ob er selber darauf wohnen würde, und der Verkäufer hat alle Früchte des Landes während der Halbjahre und er haftet für Verschlechterungen gegenüber dem Käufer so, wie es Anwohner schätzen.

18

Weitere Bestimmungen in der Grágás, die auf die eigenübliche Sorgfalt abstellen, finden sich beispielsweise in Vorschriften über das Festbinden und das Verwahren von gestrandetem Treibholz oder einem gestrandetem Wal.19 Derselbe Sorgfältigkeitsmaßstab ist beim Aufbewahren von Treibgut anzuwenden, das für den rechtmäßigen Besitzer aufzubewahren war.20 Auch im justinianischen Recht ist in einigen Vorschriften die eigenübliche Sorgfalt als Haftungsmaßstab vorgeschrieben. In omnibus quae fecit tutor, cum facere non deberet, item in his quae non fecit, rationem reddet hoc iudicio, praestando dolum, culpam et quantam in suis rebus diligentiam.21

Über alles, was der Vormund getan hat, obwohl er es nicht hätte tun dürfen, ferner über alles, was er unterlassen hat, muss er aufgrund dieser Klage Rechnung legen, indem er für Vorsatz, Fahrlässigkeit und Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen hat.

21

Eine weitere Stelle in den Digesten, an der es auf die Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt ankommt, ist beispielsweise D. 23, 3, 17 pr. bezüglich der Sorgfalt des Ehemannes gegenüber der Mitgift. Aufgrund des schon sehr speziellen Gedankens, dass bezüglich einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten kein objektiver Verschuldensmaßstab gelten soll, aber ein Verschulden dann gegeben sein soll, wenn nicht einmal die Sorgfalt beobachtet wird, die man in üblicherweise eigenen Angelegenheiten anwendet, deutet sehr viel darauf hin, dass dieses Haftungs18 19

20 21

Grágás II, Kap. 402, S. 442.13–18. Vgl. Grágás II, Kap. 434, S. 500.21–22 und erneut in Zeile 23; Kap. 444, S. 516.20, 517.06 und erneut in Zeile 16 f. Vgl. Grágás II, Kap. 459, S. 535.01. D. 27, 3, 1 pr. (Ulpianus libro trigesimo sexto ad edictum )

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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konzept aus dem römischen Recht bekannt war als die entsprechenden isländischen Vorschriften erlassen wurden. 5.1.2.3. Unterscheidung von Vermögensstamm und Zinsen In der Grágás fällt auf, wie klar begrifflich und rechtlich zwischen dem Stamm eines Vermögens und dessen Erträgnissen bzw. Zinsen unterschieden wird. Besonders deutlich wird diese Unterscheidung an verschiedenen Bestimmungen im IX. Kapitel des Erbrechtsabschnittes in der Stajarhólsbók, die, wie so häufig in der Grágás, die Rechtsverhältnisse eines Minderjährigen regeln. En sipan scal nefna vatta at pvi at hann tecr vij fe pvi er hin ungi majr a. oc buar hafa pa virt. til pes at hafa pa a voxto af. oc abyrgiaz at eigi purfe in støjor nema omagar comi a hins unga manz fe.22

Darauf sollen Zeugen dafür benannt werden, dass er das Gut übernimmt, welches dem Minderjährigen gehört und das die Anwohner dann bewertet haben, damit er darauf die Früchte davon ziehen darf und er die Gefahr dafür trägt, dass es des Vermögensstammes nicht bedarf, es sei denn, Bedürftige sind vom Vermögen des Minderjährigen zu unterhalten.

22

Immer wieder finden sich wie hier in der Grágás auch Normen, die wohl sehr islandspezifisch auf die Behandlung von einem angetriebenen Wal und von Treibholz eingehen. Trieb ein Wal auf den Uferstreifen einer Länderei, so war dies für den Eigentümer ein besonderer Glücksfall, was allgemein auch heute noch im Isländischen als hvalreki (‚Antreiben eines Wales‘) bezeichnet wird, sicherte er doch für die nächste Zeit das Überleben.23 Ebenso wertvoll war Treibholz, das groß genug zum Ausbessern eines Hauses war, da die Bäume auf der Insel meist nicht groß genug werden, um größere Balken daraus zu fertigen. Weil ein Wal wegen der großen Menge an Nahrung damit sehr kostbar war und durch ihn die anderen Erzeugnisse des Hofes geschont wurden, wurde er dem Vermögensstamm genauso zu-

22

23

Grágás II, Kap. 64, S. 79.14–17; nichtausgeschriebene Stelle in Grágás Ia, Kap. 122, S. 231.17–21. Vgl. Jón G. Frijjónsson, Mergur Málsins, s.v. hvalreki (S. 294).

290

Einzelne Bestimmungen

gerechnet, wie das Holz, welches nicht für fällige Ausbesserungsarbeiten direkt verwendet wurde. Ef hvalr cømr a land ens unga manz eja vijr par scal hval lata virja oc leggia vij innstøja ens unga manz oc sva vijar verj pat er af pvi gengr er par parf at hafa til husa a löndum pess ens unga manz. oc scolo peir v. bvar virpa landeigendr er næstir bua rekanum.24

Wenn ein Wal auf das Land des Minderjährigen kommt oder Treibholz, dann soll der Wal bewertet werden und zu dem Vermögensstamm des Minderjährigen dazugezählt werden und ebenso der Holzwert, der übrig bleibt von dem, was dort für die Häuser auf dem Land des Minderjährigen benötigt wird, und es sollen die 5 Anwohner, Landeigentümer, bewerten, die der Treibgutstelle am nächsten wohnen.

242526

Ebenso wurde eine Erbschaft zum Vermögensstamm des Minderjährigen hinzugenommen. Ef erfj berr undir hin unga man. pa scal pat fe láta virpa oc fylgia in støjanum.25

Wenn dem Minderjährigen eine Erbschaft anfällt, so soll das Gut bewertet werden und zum Vermögensstamme dazugenommen werden.

Aus der nachfolgenden Bestimmung, mit der das Kapitel endet, lässt sich noch einmal ersehen, wie deutlich zwischen Vermögensstamm und Erzeugnissen unterschieden wird. Nu ero omagar ajrir afeno. pa scolo peir neyta vaxtan a. nema vextirnir se min i. pa scal neyta pes af instøjanum.26

24

25 26

Wenn andere Bedürftige von dem Vermögen zu unterhalten sind, dann sollen sie die Früchte genießen, es sei denn, die Früchte seien geringer, dann soll von dem Vermögensstamme genossen werden.

Grágás II, Kap. 64, S. 80.01–06; vgl. Grágás Ia, Kap. 122, S. 233.05–09; vgl. auch Grágás II, Kap. 389, S. 417.16–17: Of hualreka alla scal sva fara oc vagrek sem mælt er i erfja pætte. („Bezüglich aller Strandungen von Walen und dem Antreiben von Buchttreibgut soll so verfahren werden wie es im Erbrechtsabschnitt bestimmt ist.“) Grágás II, Kap. 64, S. 80.09–10; vgl. Grágás Ia, Kap. 122, S. 233.13–14. Grágás II, Kap. 64, S. 80.23–24, vgl. Grágás Ia, Kap. 122, S. 233.28–234.02.

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Die scharfe begriffliche Trennung zwischen dem Hauptstamm eines Vermögens und den Zinsen gibt es auch im römischen Recht, auch wenn sie in den Digesten in einem allgemeineren Zusammenhang zu finden ist. Apud Marcellum libro vicensimo digestorum quaeritur, si quis ita caverit debitori ‚in sortem et usuras se accipere‘, utrum pro rata et sorti et usuris decedat, an vero prius in usuras et, si quid superest, in sortem. sed ego non dubito, quin haec cautio ‚in sortem et in usuras‘ prius usuras admittat, tunc deinde, si quid superfuit in sortem cedat.27

Bei Marcellus im zwanzigsten Buche der Digesta wird die Frage aufgeworfen: ob, wenn Jemand seinem Schuldner [die Zahlung] so bescheinigt habe: er nehme das Geld für den Hauptstamm und die Zinsen an, es verhältnismäßig sowohl vom Hauptstamm, als den Zinsen abgehe, oder zuerst von den Zinsen und dann, wenn Etwas übrig ist, von dem Hauptstamm? Aber ich zweifle nicht, dass eine solche Bescheinigung für den Hauptstamm und für die Zinsen es zulasse, dass zuerst auf die Zinsen [abgerechnet werde,] [und] dass, wenn sodann noch Etwas übrig sei, es auf den Hauptstamm komme; […]

27

Auch wenn die Unterscheidung von Vermögensstamm und Zinsen im römischen Recht hier im Zusammenhang mit Tilgungsbestimmungen vorgenommen wird und im isländischen Recht im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung für einen Minderjährigen, so besteht doch eine deutliche Parallele darin, dass in beiden Fällen scharf zwischen der rechtlichen Behandlung der Hauptsumme und derjenigen der Zinsen unterschieden wird. Im isländischen Recht stehen die Zinsen grundsätzlich dem Verwahrer zu, quasi als Entgelt für seine Verwaltung.28 Dem Minderjährigen wird sein Vermögen erhalten, und er erhält bei Eintritt der Volljährigkeit genau das, was ihm ansonsten schon früher zugefallen wäre, wenn er es bereits damals selbst hätte verwalten können. Es erscheint gut denkbar, dass diese klare Trennung zwischen Vermögensstamm und Erträgnissen (Zinsen) in der Grágás in Kenntnis der allgemeinen römisch-rechtlichen Vorschriften über Tilgungsbestimmungen er27 28

D. 46, 3, 5, 3; vgl. auch C. 8, 42, 1. Vgl. zum Beispiel Grágás II, Kap. 59, S. 71.03–04=Grágás Ia, Kap. 118, S. 227.01–03; Grágás II, Kap. 61, S. 75.05–08+21–25.

292

Einzelne Bestimmungen

lassen wurde, bei denen auch klar zwischen Vermögensstamm und Zinsen unterschieden wird, auch wenn dort die Zielrichtung eine andere ist. 5.1.2.4. Seewurf und Treibgut Am Ende des Festa páttr finden sich in der Konungsbók einige Kapitel, die nicht zum Verlobungs- oder Eherecht gehören. Dies ist zuerst das Kap. 164, in dem sich die Vorschriften über den unbefugten Gebrauch eines Pferdes und verwandte Dinge finden. Zum Zweiten sind es die Kap. 165–168, die Angelegenheiten im Zusammenhang mit Seeschiffen regeln. Schließlich folgen noch drei Kap. (169–171) über das Zeugenerfordernis bei einigen Verträgen (siehe oben S. 216) und über Schatzfunde und Schätze. Die Vorschriften über Seeschiffe befinden sich ausschließlich in der Konungsbók. Hierfür sind verschieden Ursachen denkbar. Möglicherweise waren diese Bestimmungen zum Zeitpunkt der Abfassung der Stajarhólsbók nicht mehr von Relevanz. Dies kann zum einen deswegen der Fall gewesen sein, weil es vermutlich zu diesem Zeitpunkt kaum noch Seeschiffe im Eigentum von Isländern gab. Zum anderen kann es sein, dass in der Járnsíja keine entsprechenden Regelungen vorgesehen waren und es deshalb nicht erforderlich schien, die bisherigen Regelungen denen der Járnsíja gegenüberzustellen. Denkbar ist auch, dass sich die Regelungen über Seeschiffe nicht in der Haflijaskrá befunden haben und erst später erlassen wurden und zusätzlich ihre Relevanz bei Abfassung der Stajarhólsbók als so gering eingeschätzt wurde, dass sie in diese Kompilation keinen Eingang gefunden haben. Für die These, dass die Vorschriften erst nach der Haflijaskrá erlassen wurden, könnte der Umstand sprechen, dass die Regelungen in diesen Kapiteln ganz überwiegend aus anderen Vorschriften abgeleitet sein können. So kann die Teilung von Miteigentum aus der Grundstücksteilung herrühren. Der unbefugte Gebrauch eines Schiffes wird sogar explizit an die Regelungen über den unbefugten Gebrauch eines Pferdes angelehnt (siehe dazu unten S. 360). Es findet sich auch die dort verwendete Drei-HöfeGrenze, die in diesem Zusammenhang etwas merkwürdig erscheint, weil ein Schiff auf See doch in einiger Entfernung zu einem Hof an Land bewegt wird und die Anknüpfung nicht so naheliegend ist wie beim Pferderitt, bei dem anzunehmen ist, dass das Pferd auf Wegen geritten wird, welche einen Hof mit dem nächsten verbinden. Auch die Sprache dieser Vorschriften wirkt durch die kürzeren Sätze und die einfachen Satzstrukturen sehr mündlich und damit jünger als viele Vorschriften der Stajarhólsbók. Die wohl interessanteste Norm in den Kapiteln über Seeschiffe ist die Bestimmung über den Seewurf. Es ist schon früh zur Kenntnis genommen

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

293

worden, dass Bestimmungen über den Seewurf schon im römischen Recht existierten und dort auf mit der Insel Rhodos in Verbindung gebrachte Regelungen zurückgeführt wurden. Dennoch wurde zumeist auch dann, wenn eine Parallele zum römischen Recht bemerkt wurde, ein römisch-rechtlicher Einfluss, beispielsweise aus der lex Rhodia de iactu, auf die isländische Regelung des Seewurfes für zweifelsfrei ausgeschlossen gehalten.29 Die Regelung in der Grágás lautet: Ef menn ero svo staddir ihafe at meira lut mann pyckir raj at casta. pa scal pvi fyrst casta er ofarst er höfga vöro. en iafnt scal allra scaje verja pat er castat er. pot fair hafe átt. allra avra scal iafnt scerja.

Sa majr er eigi vill reija scaja bötr peim er atti pat er castat var varjar utlegj. oc gialda tvav slíc sem til hans com igialdeno.30

Wenn Leute sich auf dem Meer in einer solchen Lage befinden, dass es der Mehrheit ratsam erscheint zu werfen, dann soll zuerst das (über Bord) geworfen werden, was an schwerer Ware zuoberst ist, aber das, was geworfen wird, soll gleichermaßen der Schaden aller sein, auch wenn es wenigen gehört hat. Alle Öre sollen gleichermaßen gekürzt werden. Für den, der nicht demjenigen Schadensersatz leisten will, dem das gehörte, was geworfen wurde, steht darauf Buße und er soll zwei solche (Gelder) zahlen, wie auf ihn bei der Bezahlung entfallen ist.

30

Wiederum begegnet hier das duplum als Bußzahlung, das ansonsten eher selten in der Grágás Verwendung findet. Derselbe Grundgedanke, dem zufolge der Schaden anteilig von allen getragen werden soll, bestimmt auch im römischen Recht die Lösung des Problems bei Paulus (D. 14, 2, 1 Paulus libro secundo sententiarium): Lege Rhodia cavetur, ut, si, levandae navis gratia iactus mercium factus est, omnium contributione sarciatur quod pro omnibus datum est.

29

30

Die Lex Rhodia bestimmt, dass dann, wenn zur Leichterung eines Schiffes Waren über Bord geworfen werden, durch anteilige Beiträge aller ersetzt wird, was für alle aufgeopfert wurde.

Vgl. beispielsweise Ólafur Lárusson, Stjórnarskipun og lög ly´jveldisins íslenska, in: Lög og Saga, S. 55(85). Grágás Ib, Kap. 166, S. 71.20–26.

294

Einzelne Bestimmungen

Damit entspricht die Lösung der Digesten exakt derjenigen der Grágás. In den Institutionen wird der Seewurf dagegen nur im Hinblick auf die Dereliktion behandelt und mit dem Fall gleichgestellt, in dem bestimmt ist, dass das Eigentum an etwas, was von einem fahrenden Wagen herabgefallen ist, nicht von seinem Eigentümer aufgegeben wurde (vgl. Inst. 2, 1, 48). Aufgrund der Kürze der Textstelle in der Grágás sieht es danach aus, dass diese Vorschrift nicht mit einem separat überlieferten und umfangreicheren Gesetz über den Seewurf, welches mit Rhodos in Verbindung gebracht wird, in Zusammenhang steht, sondern dass hier eher eine Textstelle wie D. 14, 2, 1 als Vorbild in Frage kommt.31 Das isländische Strandrecht ist, anders als viele andere Rechte in Nordwesteuropa, als sehr milde bezeichnet worden.32 Es regelt nämlich, dass den Erben zusteht, was nach einem Schiffbruch an Land angetrieben wird. Sva er mælt ilögum at pat heitir vagrek er kømr a land manz lik eja vara eja fe. eja scip vijr. pa er sa majr scylldr at føra pat allt or fløjar mále er byr a lande pvi. oc gera orj peim manne er land á par at sa varjveiti feit oc føre lik til kirkio mej hinom. ef sa hefir eigi lij til einn saman. […]

Hann scal syna heimilis bvom sinom v. oc láta pa virja pat allt er ván er at spilliz oc selia pat ef hann vill. Hann scal slíct verj fa erfingium sem buar virja vágrekit vij bók hvart sem hann selr pat fe dy´r a en

31

32

So ist bestimmt im Gesetz, dass es Buchttreibgut heißt, wenn die Leiche einer Person oder Ware oder Gut oder Schiffsholz an Land gelangt. Dann ist derjenige verpflichtet, das alles an Land zu befördern aus dem Hochwasserstreifen, der auf diesem Land wohnt und (er soll) demjenigen Mitteilung machen, dem das Land gehört, dass dieser das Gut verwahre und die Leichen mit dem anderen zur Kirche befördern, wenn dieser alleine nicht genug Mannschaft dazu hat. […] Er soll es seinen 5 Wohnortanwohnern zeigen und sie all das bewerten lassen, bei dem die Aussicht besteht, dass es verderbe, und es verkaufen, wenn er will. Er soll den Erben den

Zur Rezeptionsgeschichte des Seewurfrechts im römischen Recht siehe Dietmar Schanbacher, Zur Rezeption und Entwicklung des rhodischen Seewurfrechts in Rom, in: Bernd-Rüdiger Kern/ Elmar Wadle/Klaus-Peter Schroeder/Christian Katzenmeier (Hrsg.), Humanoria Medizin-Recht-Geschichte, Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, S. 257 ff. Vgl. Christian Hattenhauer, Strandrecht, in: RGA 30, S. 69(70).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

virt var. eja o dy´r a oc sva poat hann nyti ser. […]

Landeigandi scal sva varjveita fe pat sem pa mundi hann ef hann ætti enda a hann eigi pa at abyrgiaz feit ef hann selr eigi.33

295

Wert in solcher Höhe ersetzen, wie Anwohner das Buchtreibgut beim Buche bewerten, gleich, ob er das Gut teurer oder billiger verkauft, als es bewertet wurde, und auch, wenn er es sich selbst zu Nutze macht. […] Der Landeigentümer soll das Gut so verwahren, wie er es dann täte, wenn es ihm gehörte und dann muss er nicht dafür haften, (auch) wenn er es nicht verkauft.

33

In dieser Vorschrift ist der Grundgedanke enthalten, dass das Eigentum an einer Sache durch einen Schiffbruch oder ähnliches nicht verloren geht, sondern bei Ableben des Eigentümers den Erben zusteht. Zusätzlich ist die Konstellation als möglich berücksichtigt, dass ein Pächter das Land bewohnt, auf dem eine Sache antreibt, und es ist geregelt, dass das Gut bewertet werden muss, wenn es wegen drohenden Verderbs veräußert oder direkt verbraucht werden soll. Maßgeblich ist hierbei der durch die fünf nächsten Anwohner festgelegte Schätzwert und nicht ein tatsächlich vereinbarter höherer oder niedrigerer Preis. Auf diese Weise soll offenbar mißbräuchlichen Gestaltungen bei der Weiterveräußerung vorgebeugt werden, auch wenn damit dem Verwahrer das Risiko auferlegt wird, das Gut mindestens zum Schätzwert veräußern zu müssen, will er nicht die Differenz tragen. Gleichzeitig erhält er aber auch die Chance, das Gut über dem Schätzwert zu veräußern und haftet dann dennoch nur auf diesen. Damit ist die Regelung noch als angemessen zu bezeichnen, weil hier neben einem Risiko auch eine Chance besteht. Bemerkenswert ist an dieser Vorschrift weiterhin die Beschränkung der Haftung auf die Einhaltung eigenüblicher Sorgfalt.34 Nur wenn diese nicht eingehalten wird, haftet der Verwahrer von Strandgut für den Untergang der Sache. Der Grundgedanke, auf dem diese Regelung basiert, findet sich auch im iustinianischen Recht. Dort ist geregelt, dass eine auf See bei Unwetter über Bord geworfene Sache nicht als derelinquiert gilt, sondern den Eigentümern verbleibt.

33 34

Grágás II, Kap. 459, S. 534.02–06+13–17+24–535.02. Zur diligentia quam in suis siehe schon oben S. 286 ff.

296

Einzelne Bestimmungen

Alia causa est earum rerum, quae in tempestate maris levandae navis causa eiciuntur. hae enim dominorum permanent, quia palam est eas non eo animo eici, quo quis eas habere non vult, sed quo magis cum ipsa nave periculum maris effugiat: quae de causa si quis eas fluctibus expulsas vel etiam in ipso mari nactus lucrandi animo abstulerit, furtum committit. nec longe discredere videntur ab his, quae de rheda currente non intellegentibus dominis cadunt.35

Anders verhält es sich mit den Sachen, die bei Unwetter auf See über Bord geworfen werden, um das Schiff leichter zu machen. Denn diese verbleiben den Eigentümern, weil man sie offensichtlich nicht in der Absicht über Bord wirft, sie nicht mehr haben zu wollen, sondern weil man zusammen mit dem Schiff besser der Seenot entkommen will. Wer darum solche Sachen, wenn sie von der See auf den Strand geworfen werden oder noch in offener See treiben, an sich bringt und sie in gewinnsüchtiger Absicht beiseite schafft, der begeht einen Diebstahl. Solche Sachen unterscheiden sich offenbar nicht wesentlich von den Sachen, die von einem fahrenden Wagen herabfallen, ohne daß die Eigentümer es bemerken.

35

Ähnliche Aussagen werden in D. 14, 2, 8 und in D. 47, 2, 43, 11 getroffen. Somit weist nicht nur die Regelung über den Seewurf, sondern auch das isländische Strandrecht eine Parallele zum justinianischen Recht auf. Die Wertung, nach der das Eigentum beim Seewurf nicht untergeht, findet sich gleichermaßen in beiden Rechten und liegt folglich auch dem isländischen Strandrecht zu Grunde. Ob hinter dieser Parallele beim Strandrecht eine Beeinflussung durch Kenntnis des römischen Rechts steht, ist schwer zu sagen. Immerhin weicht das isländische Strandrecht mit seiner Wertung sehr weit von den anderen Rechten in Nordwesteuropa ab, was ein Indiz für die Aufnahme einer römisch-rechtlichen Vorschrift sein könnte. 5.1.3. Sachenrechtliche Normen Der Bereich des Sachenrechts wird durch die Vorstellungen einer Gesellschaft weniger geprägt als beispielsweise das Familien- oder das Erbrecht. Aus diesem Grunde ist es sehr gut vorstellbar, dass in diesem Bereich Vor35

Inst. 2, 1, 48.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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schriften unter Rückgriff auf anderswo bestehende Regelungen neu gefasst werden, zumal sich sicherlich dort kaum Widerstand regen wird, wo die veränderten Normen inhaltlich nicht im grundlegenen Widerspruch zu bisherigen Regelungen oder Gewohnheiten stehen, sondern lediglich eine präzisere Regelung darstellen. In der byzantinischen Zeit scheint die Lehre des justinianischen Rechts vom Eigentum und seinem Erwerb und Verlust für so selbstverständlich gehalten worden zu sein, dass sie in den kaiserlichen Rechtsbüchern nicht einmal behandelt wird. Die Basiliken enthalten in Buch 15 und 50 zwar die betreffenden Titel der Digesten und des Codex, stellen damit aber ebensowenig wie diese die Lehre vom Eigentum als ein Ganzes zusammen. Die althergebrachten Regelungen über das Eigentum waren trotz der Nichterwähnung in mehreren für die Praxis wichtigen Gesetzbüchern durchgängig bekannt. Dies zeigen die Werke von Michael Attaleiates und Constantinus Harmenopulus.36 5.1.3.1. Eigentumsrechtliche Grundsätze Schon oben (S. 236) wurde die Grundnorm genannt, nach der die Früchte des Bodens grundsätzlich dem Grundstückseigentümer zustehen37, und auf die Entsprechung in Inst. 2, 1, 32 hingewiesen. 5.1.3.1.1. Sonderrechtsfähigkeit des Bewuchses eines Grundstückes Auf den ersten Blick etwas pleonastisch erscheint daneben die ebenfalls oben schon angeführte Vorschrift: Hver majr á enge vöxt i sino engi marke.38

Jeder hat den Wiesenwuchs innerhalb seiner Wiesengrenzen.

38

36

37

38

Vgl. für das Vorstehende Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 215 (§ 56). Grágás II, Kap. 422, S. 471.04: Hver majr á grojr a sino lande. („Jeder hat [im Sinne von Eigentum] den Bewuchs auf seinem Land.“) Grágás II, Kap. 420, S. 468.19=Grágás Ib, Kap. 190, S. 96.19.

298

Einzelne Bestimmungen

Die direkt darauf folgende Vorschrift lautet: Nu vex par engi vipara. oc a sa majr pat enge er land á undir.39

Wenn die Wiese sich weiter ausbreitet, dann gehört demjenigen diese Wiese, dem das Land darunter gehört.

394041

Noch deutlicher werden die Berechtigung dieser Normen und die Eigentumskonzeption der Grágás jedoch an der nachfolgenden Bestimmung der Konungsbók: Ef sa majr a beite teígo i an ars landi […]40 Ef sa vill cavpa pan teig er land a undir oc er sa scylldr er a. Sva oc ef sa vill selia er a pan teíg. oc er sa scyldr at cavpa er land á undir.41

Wenn jemand eine Weidefläche auf dem Land eines anderen hat […] Wenn derjenige diese Fläche kaufen will, dem das Land darunter gehört, so ist der verpflichtet [es zu verkaufen], dem es gehört. Ebenso, wenn der verkaufen will, dem diese Fläche gehört; so ist dieser verpflichtet zu kaufen, dem das Land darunter gehört.

Nach dieser Vorschrift, die in der Stajarhólsbók wohl in der ursprünglicheren, aber nicht ganz so prägnanten Form erhalten ist,42 besteht kein Zweifel 39 40 41 42

Grágás II, Kap. 420, S. 468.19–20=Grágás Ib, Kap. 190, S. 96.19–21. Grágás Ib,Kap. 194, S. 104.16 Grágás Ib, Kap. 194, S. 104.21–105.01. Grágás II, Kap. 396, S. 428.05–16: Ef majr á beito teigo i anars lande. pa er .v. aura se verjer. eja mina fiar hvarier ein eja fleire. ef eigi kömr meira fe til. en einir .v. aurar. oc heitir sa oværa teigr. Ef landeigandi vill kaupa teig pan. pa er hann scylldr at selia honom er á. sva sem land buar .v. virja vij boc. Ef sa vill pat eigi. pa scal hann quepia til landeigendr .v. at virja teigen. og eignaz hann pa teigin. pótt hann vile eigi. En sa verjr utlagr .iii. mörcom er syniar sölunar. En po scal verj giallda á enom nestom gialldögom á eno sama lande. Nu vill landeigande eigi caupa teigin en hin vill selia er á. pa verjr landeigande utlagr iii. mörcom en hin scal quepia bva til at virja teigen. oc sva fara at öllu sem ajr var mælt til handa landeigandanom. („Wenn jemand eine oder mehrere Weideflächen im Land eines anderen hat, die je 5 Öre oder weniger wert sind und insgesamt nicht mehr Wert zusammenkommt, als einmal 5 Öre, dann heißt das nichtauskömmliche Fläche. Wenn der Landeigentümer diese Fläche kaufen will, dann ist der, dem sie gehört, verpflichtet, sie ihm zu verkaufen, so wie es 5 Landanwohner beim Buche bewerten. Wenn dieser es nicht will, dann soll er 5 Landeigentümer herbeirufen, die die Fläche bewerten und erhält er dann die Fläche, auch wenn er [der andere] es nicht will. Und derjenige, der den Verkauf verweigert, ist schuldig

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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daran, dass die Grágás davon ausgeht, dass man Eigentümer einer Wiese sein kann, ohne Eigentümer des darunter befindlichen Bodens zu sein. Dies stellt eine zugelassene Abweichung vom zuerst aufgeführten Grundsatz superficies solo cedit dar. Grund für diese Einrichtung kann gewesen sein, dass etwa ab dem Jahre 930 das Land in Island vollständig aufgeteilt war. Möglicherweise haben die zuerst angekommenen Landnehmer innerhalb ihrer großen Ländereien einzelne Flächen zur Bewirtschaftung an neue Siedler oder an Mitglieder ihres Hofverbandes hergegeben. Auch wenn dies anfangs aufgrund formloser Absprachen geschehen sein sollte, nach denen eine Wiese dauerhaft benutzt werden durfte, scheint mit dieser juristisch eher anspruchsvollen Lösung der Aufspaltung des Eigentums eine rechtlich überzeugende Einordnung eines zuvor vielleicht weniger rechtlich geprägten tatsächlichen Nutzungsverhältnisses gefunden worden zu sein. Gerade die Möglichkeit des Zwangskaufes, mit der stark zersplitterte Flächen wieder arrondiert werden konnten, kann damit den Großbauern gedient haben, einmal aus der Hand gegebene kleinere Flächen wiederzuerlangen. Der ebenfalls geregelte umgekehrte Fall, dass ein Eigentümer einer Wiese diese dem Landeigentümer zum Kauf andiente, mag zwar auch vorgekommen sein, aber da mit zunehmender Klimaverschlechterung und Überweidung die guten Weideflächen eher knapp wurden, wird die Norm in dieser Richtung vermutlich kaum angewandt worden sein. Die Möglichkeit der eigentumsrechtlich getrennten Zuordnung von Grundeigentum und darauf befindlichem Bewuchs entspricht der Gestaltung im weströmischen Recht, nach der die Grundregel superficies solo cedit dann nicht gelten soll, wenn der Grundeigentümer dem anderen das Bauen erlaubt hat und somit aufstehende Gebäude nicht mehr dem Grundeigentum folgen.43 Auch beim Säen und Anpflanzen sollen nach der westlichen Praxis die Pflanzen vermutlich nicht mehr den Grundeigentümer gehören, wenn mit seiner Erlaubnis gesät oder gepflanzt worden ist.44 Bei den hier vorgefundenen juristisch sehr interessanten isländischen Regelungen ist die Zuordnung zu vergleichbaren römisch-rechtlichen Vorschriften nicht leicht. Unter Umständen handelt es sich um eine Anlehnung

43 44

um 3 Mark. Aber es soll doch der Wert bezahlt werden an den nächsten Zahltagen für ebendieses Landstück. Wenn der Landeigentümer diese Fläche nicht kaufen will, aber derjenige, der es hat, will sie verkaufen, dann wird der Landeigentümer schuldig um 3 Mark und der andere soll Anwohner herbeirufen, die Fläche zu bewerten und in allem so zu verfahren, wie zuvor für den Landeigentümer bestimmt wurde.“) Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 289 mit Fn. 17 (§ 244 III.1.). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 290 mit Fn. 19.

300

Einzelne Bestimmungen

an rein byzantinisches Recht, das dann eine Neubildung gegenüber dem römischen Recht darstellen würde. Jedenfalls erscheint es auch ohne direkt ins Auge fallende Parallele in einer ausländischen Rechtsordnung möglich, dass die eher anspruchsvollen Regelungen über den Zwangskauf kleinerer Weideflächen, welche rechtlich vom Grundeigentum getrennt sind, auf einem 45 ausländischen Vorbild beruhen. 5.1.3.1.2. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes und das tignum iunctum Die Eigentumskonzeption der Grágás tritt auch in weiteren Bestimmungen deutlich zutage. So gibt es im Abschnitt über Pachtverhältnisse an Grundstücken eine Vorschrift, die weitere Grundgedanken erkennen lässt. Sa majr er leigir land. scal hafa hus sem hann parf. oc hallda husum oc abyrgiaz vij hand vömmom sinom öllom. en landz drottin verjr vtlagr. iij. m örcom ef hann fær honom eigi vij til. at styjja hus sva at fe hans se ohætt 45 oc mön om.

en leigo majr a pa at abyrgiaz hus. at eigi falle ofan. ef honom ero stejr til fengnar. oc hefia upp of fajm. saman. oc hlaja sva veg e.

45

Derjenige, der Land pachtet, soll [soviele] Häuser haben, wie er benötigt, und er soll die Häuser instandhalten und er haftet für alle Fahrlässigkeiten seinerseits, aber der Landherr wird bußfällig um 3 Mark, wenn er ihm kein Holz zur Verfügung stellt, um das Haus abzustützen, so dass für sein Gut und seine Leute keine Gefahr besteht. Der Pächter aber soll dann die Gefahr für das Haus tragen, dass es nicht einstürze, wenn ihm Stützbalken verschafft werden. Und er soll die Querverstrebungen aufstellen [?, Übersetzung unsicher] und die Wände aufschichten.

Ähnlich bis hierher auch Grágás Ib, Kap. 219, S. 136.23–137.01: Sa er land leigir scal halda husom abyrgio vij handvommom sinom. En landz drottin á at fá honom vij ef hann krefr at styjia hús sva at óhætt se fe hans. („Derjenige, der Land pachtet, soll für die Häuser verantwortlich sein wegen seiner Fahrlässigkeiten. Aber der Landherr soll ihm Holz verschaffen, wenn er es verlangt, um die Häuser zu stützen, damit es gefahrlos für sein [eingebrachtes] Gut ist.“)

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Ef leiglendingr hevir hus gör par ny. scal hann ofan briota pat hus fyrir fardaga. oc taca or vij sin ef hann vill vijen eignaz.

Nu hafje leigo majr lagit vij sin i pav hus er ajr voro par. pa scal hann abravt taca fyr fardaga. oc böta aptr. sem ajr var. Sa eignaz vipen er land á. ef hann tecr eigi yr husum ajr.46

301

Wenn ein Pächter dort ein neues Haus errichtet hat, soll er dieses Haus vor den Umzugstagen einreißen und sein Holz herausnehmen, wenn er das Holz zu Eigentum erhalten will. Wenn ein Pächter sein Holz in diejenigen Häuser eingebaut hatte, die schon vorher dort waren, dann soll er es vor den Umzugstagen fortnehmen und es wieder so herrichten, wie es vorher war. Derjenige erhält das Holz zu Eigentum, dem das Land gehört, wenn er [der Pächter] es nicht vorher aus den Häusern ausbaut.

46

An diesen Bestimmungen wird deutlich, dass ein Pächter auf dem gepachteten Land sogar Häuser errichten darf. Sowohl von ihm errichtete als auch bereits bestehende Häuser muss er erhalten und haftet für alle fahrlässigen Beeinträchtigungen der Gebäude. Der Pächter darf Bauholz vom Landeigentümer verlangen. Setzt der Pächter dieses Bauholz in ein Haus ein, so haftet er dafür, dass das Haus nicht einstürzt. Errichtet er ein neues Haus auf dem Pachtland, so darf er es abbauen und mitnehmen, wenn er das Pachtland zurückgibt. Er erhält dann das Eigentum an seinem ausgebauten Holz zurück. Aus dieser Formulierung, dass er das Holz erst mit Ausbau (wieder) zu Eigentum erhält, und der einleitenden Bestimmung, nach der er für alle fahrlässigen Beschädigungen der Häuser, und zwar wohl auch der von ihm errichteten, haftet, lässt sich ableiten, dass der Pächter nicht Eigentümer der in Ausübung des Pachtverhältnisses errichteten Häuser wird, da er für die Beschädigung seiner eigenen Gegenstände nicht haften müsste. Das Eigentum an Häusern, die der Pächter errichtet hat, erhält vielmehr der Grundeigentümer in direkter Anwendung des Grundsatzes superficies solo cedit. Dies ergibt sich aus der Formulierung, derzufolge der Pächter von ihm errichtete Häuser wieder einzureißen hat, wenn er das Holz zu Eigentum erhalten will. Damit hat er das Eigentum an dem Holz für während der Pachtzeit von ihm errichtete Gebäude ebenso verloren wie an Holz, welches er in bestehende Gebäude einfügt. 46

Grágás II, Kap. 434, S. 499.15–500.05.

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Einzelne Bestimmungen

Regelmäßig konnte das Land nur nur einmal im Jahr an den zu Beginn des isländischen Sommers liegenden „Umzugstagen“ verlassen werden, womit die Abrechnung der mitzunehmenden und der auf dem Hof als Inventar zurückzulassenden Vorräte erleichtert wurde. Die Formulierung, nach der der Eigentumserwerb am Holz erst wieder durch den Abbau des Hauses erfolgt, ist hier völlig eindeutig. Dasselbe ist bestimmt für den Fall, dass ein Pächter eigenes Holz zur Ausbesserung eines schon bestehenden Hauses aufgewendet hat. Dann darf er es wieder ausbauen und als sein Eigentum mitnehmen. Belässt er es im Hause, so erhält der Landeigentümer das Holz dauerhaft zu Eigentum. Im römischen Recht finden sich mehrere mit diesen Vorschriften der Grágás eng verwandte Normen. In den Digesten (D. 6, 1, 59 Iulianus, libro sexto ex Minicio) wird die Eigentumsfrage an Fenstern und Türen erörtert, die ein Bewohner eingebaut hat: Habitator in aliena aedificia fenestras et ostia imposuit eadem post annum dominus aedificiorum dempsit: quaero is, qui imposuerat possetne es vindicare. Respondit posse: nam quae alienis aedificiis conexa essent, ea quamdiu iuncta manerent, eorundem aedificiorum esse, simul atque inde dempta essent, continuo in pristinam causam reverti.

Ein Bewohner hat in einem fremden Haus Fenster und Türen eingesetzt; ein Jahr später hat der Eigentümer des Hauses sie herausgenommen. Ich frage an, ob der, der sie eingesetzt hat, sie nunmehr vindizieren könne. Er hat den Bescheid gegeben, das könne er. Denn was mit einem fremden Grundstück verbunden worden sei, sei Teil dieses Gebäudes, solange es mit ihm verbunden bleibe; sobald es aber von ihm getrennt werde, kehre es in seine einstige Lage zurück.

Hier werden die eingebauten Fenster und Türen als zum Gebäude gehörig angesehen, solange sie mit ihm verbunden sind. Nach Lösung der Sachverbindung lassen Gai. rer. cott. D. 41, 1, 7, 10 und Ulp. D. 47, 3, 2 die rei vindicatio wieder zu.47 Diese Lehre vom „ruhendem Eigentum“ wird noch anschaulicher in den Institutionen (Inst. 2, 1, 29–30) erläutert:

47

Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 290 mit Fn. 21 (§ 244 III.1.).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

29. Cum in suo solo aliquis aliena materia aedificaverit, ipse dominus intelligitur aedificii, quia omne quod inaedificatur solo cedit. nec tamen ideo is, qui materiae dominus fuerat, desinit eius dominus esse: sed tantisper neque vindicare eam potest neque ad exhibendum de ea re agere propter legem duodecim tabularum, qua cavetur, ne quis tignum alienum aedibus suis iniunctum eximere cogatur, sed duplum pro eo praestet per actionem quae vocatur de tigno iuncto (appellatione autem tigni omnis materia significatur, ex qua aedificia fiunt): quod ideo provisum est, ne aedificia rescindi necesse sit. sed si aliqua ex causa dirutum sit aedificium, poterit materiae dominus, so non fuerit duplum iam persecutus, tunc eam vindicare et ad exhibendum agere.

30. Ex diverso si quis in alieno solo sua materia domum aedificaverit, illius fit dominus, cuius et solum est. sed hoc casu materiae dominus proprietatem eius amittit, quia voluntate eius alienata intellegitur, utique si non ignorabat in alieno solo se aedificare: et ideo, licet diruta sit domus, vindicare materiam non possit. certe illud

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29. Wenn jemand auf eigenem Grundstück mit fremdem Material gebaut hat, wird er auch als Eigentümer des Gebäudes angesehen, weil alles, was auf dem Grundstück gebaut wird, zum Grundstück gehört. Dennoch hört derjenige, der Eigentümer des Materials gewesen ist, nicht auf Eigentümer zu sein. Aber einstweilen kann er es weder vindizieren noch deswegen auf Vorlegung klagen, und zwar wegen des Zwölftafelgesetzes [XII tab. 6, 7], in dem bestimmt wird, dass derjenige, der einen fremdem Balken in sein Gebäude eingebaut hat, nicht gezwungen werden kann, ihn auszubauen, sondern dass er für ihn aufgrund einer Klage, die man wegen des eingebauten Balkens nennt, den doppelten Wert zu leisten hat (unter der Bezeichnung ‚Balken‘ wird alles Material verstanden, aus dem Gebäude hergestellt werden). Dies ist deshalb vorgesehen worden, damit Gebäude nicht abgerissen werden müssen. Wenn aber aus irgendeinem Grund das Gebäude zerstört worden ist, kann der Eigentümer des Materials, wenn er nicht schon den doppelten Wert erlangt hat, dieses vindizieren und auf Vorlegung klagen. 30. Wenn umgekehrt jemand auf fremdem Grundstück mit eigenem Material ein Haus gebaut hat, wird das Haus Eigentum dessen, dem auch das Grundstück gehört. In diesem Fall verliert der Eigentümer des Materials jedoch sein Eigentum, weil es als mit seinem Willen ver-

304

Einzelne Bestimmungen

constat, si in possessione constituto aedificatore soli dominus petat domum suam esse nec solvat pretium materiae et mercedes fabrorum, posse eum per exceptionem doli mali repelli, utique si bonae fidei possessor fuit qui aedificasset: nam scienti alienum esse solum potest culpa obici, quod temere aedificaverit in eo solo, quod intellegeret alienum esse.

äußert angesehen wird, jedenfalls wenn ihm nicht unbekannt war, dass er auf fremdem Grundstück baute. Daher soll er, selbst wenn das Haus zerstört ist, das Material nicht vindizieren können. Folgendes steht mit Sicherheit fest: Wenn der, der gebaut hat, sich im Besitz befindet und der Eigentümer des Grundstücks das Haus als sein Eigentum in Anspruch nimmt, ohne den Wert des Materials und die Löhne der Handwerker zu bezahlen, kann der Eigentümer mit der Einrede der Arglist zurückgewiesen werden, jedenfalls dann, wenn der, der gebaut hat, gutgläubiger Besitzer gewesen ist. Denn dem, der weiß, dass es ein fremdes Grundstück gewesen ist, kann Verschulden vorgeworfen werden, weil er leichtfertig auf einem Grundstück gebaut hat, von dem er wusste, dass es ein fremdes war.

Diese Vorschriften des römischen Rechts unterscheiden sich in dem bedeutsamen Punkt von der Grágás, dass in den Institutionen nur die Eigentumslage für den Fall geregelt wird, in dem zwischen Grundstücks- und Materialeigentümer keine vertragliche Beziehung besteht, während die Grágás ein Pachtverhältnis voraussetzt. Dennoch bestehen hier enge Parallelen zur Grágás, da nicht nur das behandelte Eigentumsobjekt (ein Balken) dasselbe ist, sondern auch die eigentumsrechtliche Behandlung eines vom Pächter errichteten Hauses sowie von ihm verbauter Materialien identisch ist.48 Vor dem Hintergrund der Lehre vom ruhenden Eigentum wird auch das in der Grágás am Ende der zitierten Bestimmung verwandte Verb eignast ‚zu Eigentum erhalten‘ besser verständlich. Denn eigentlich müsste der 48

Wesentlich schlichter, aber mit derselben Grundwertung das Ældre Gulathings-Lov, Kap. 73, in: Norges Gamle Love I, S. 1(38): Nú ef hus stendur eftir fardagar, pa a hinn hus er iorj a. („Wenn ein Haus nach den Umzugstagen stehen bleibt, dann gehört es demjenigen, dem das Land gehört.“)

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Balken schon seit seinem Einbau in das Haus als Eigentum des Grundstückseigentümers angesehen werden. Indem hier gleichwohl „zu Eigentum erhalten“ erneut verwendet wird, soll wohl ausgedrückt werden, dass beim Zurücklassen des Balkens auch das ruhende Eigentum des Pächters erlischt und der Grundstückseigentümer den Balken nunmehr dauerhaft zu Eigentum erhält. Somit sieht alles danach aus, als ob das isländische Recht der Grágás eine Lehre vom „ruhenden Eigentum“ kannte wie sie auch im römischen Recht anerkannt war. 5.1.3.1.3. Ef á breytir um farveg und alveus relictus

4950

Nach den zuvor dargestellen Normen der Grágás kann es nicht mehr vollständig überraschen, dass in ihr auch eigentumsrechtliche Vorschriften darüber enthalten sind, was passiert, wenn ein Fluss ein Stück Land vom Flussufer abbricht oder wenn ein Fluss seinen Lauf ändert. Hverr majr á grojr a sino lande. Ef par briota merke votn svarjfast land af lande manz. oc a sa holm er ajr atte. oc a hann at nyta ser pat land sva sem hann vill. en eigi scal hann lyrite veria.

Hann scal fella vatn ef hann vill i en forna farveg. Eigi scal hann50 reka fe sitt í pat land. en eigi varjar honom pott pangat verpe misgongor fiar.

49 50

Jedem gehört der Bewuchs auf seinem Land. Wenn dort ein Grenzgewässer festverwurzeltes Land von jemandes Land abreißt, so gehört demjenigen die Insel, dem es zuvor gehörte, und er soll dieses Land benutzen, wie er will, aber er soll es nicht mit Untersagungsverfügung49 schützen. Er soll, wenn er will, das Wasser in das alte Flussbett zurückleiten. Er [der andere] soll nicht sein Vieh auf das Land treiben, aber es steht für ihn nichts darauf, wenn ein Verlaufen des Viehs dorthin stattfindet.

Vgl. oben Teil 4 Fn. 32. In Grágás Ib, Kap. 191, S. 98.15 steht hin (der andere) und ist diese Lesart überzeugender. Dennoch muss die Lesart der Stajarhólsbók nicht unzutreffend sein, weil ein Wechsel der mit hann bezeichneten Person auch in anderen Vorschriften durchaus vorkommt.

306

Einzelne Bestimmungen

Ef enge er i pvi lande. oc scal hann sva vij varja sem i hans lande se an ars enge en eigande scal sva yrkia sem i an ars lande se han s enge. Ef enge vex í vatz farvegnom forna. pa a halft hvar peirra pat. er lönd eigo vij par.51

Wenn eine Wiese auf diesem Land ist, so soll er sie so schützen, wie wenn auf seinem Land die Wiese eines anderen wäre, und der Eigentümer soll sie so bewirtschaften, wie wenn seine Wiese auf dem Lande eines anderen wäre. Wenn eine Wiese im ehemaligen Flußbett wächst, so gehört sie jedem von denen zur Hälfte, denen die angrenzenden Ländereien dort gehören.

51

Diese Regelungen zu Rechtsfragen eines alveus relictus und einer insula nata, haben wiederum einige Parallelen in den justinianischen Institutionen und den Digesten.52 Die erste ähnliche Vorschrift findet sich in Inst. 2, 1, 21 sowie in D. 41, 1, 7, 2: Quodsi vis fluminis partem aliquam ex tuo praedio detraxerit et vicini praedio appulerit, palam est eam tuam permanere. plane si longiore tempore fundo vicini haeserit arboresque, quas secum traxerit, in eum fundum radices egerint, ex eo tempore videntur vicini fundo adquisitae esse.

Wenn aber die Gewalt des Flusses von deinem Grundstück einen Teil abreißt und ihn an ein benachbartes Grundstück treibt, ist es klar, dass der Teil dein Eigentum bleibt. Wenn er freilich über längere Zeit am Nachbargrundstück hängen bleibt und die Bäume, die er mit sich geführt hat, Wurzeln in das Nachbargrundstück getrieben haben, so wird angenommen, dass er von diesem Zeitpunkt an zum benachbarten Grundstück gehört.

Unmittelbar darauf finden sich in Inst. 2, 1, 22 (=D. 41, 1, 7, 3) Regelungen über eine neu entstehende Insel im Meer und in einem Fluss:

51 52

Grágás II, Kap. 422, S. 471.04–13 (=Grágás Ib, Kap. 191, S. 98.10–20). So schon richtungsweisend Sveinbjörn Rafnsson, Grágás und Digesta Iustiniani, in: Sjötíu ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni II, S. 720(729 ff.).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Insula quae in mari nata est, quod raro accidit, occupantis fit: nullius enim esse creditur. at in flumine nata, quod frequenter accidit, si quidem mediam partem fluminis teneat, communis est eorum, qui ab utraque parte, fluminis prope ripam paedia possident, pro modo latitudinis cuiusque fundi, quae latitudo prope ripam sit. quodsi alteri parti proximior sit, eorum est tantum, qui ab ea parte prope ripam praedia possident. quodsi aliqua parte divisum flumen, deinde infra unitum agrum alicuius in formam insulae redegerit, eiusdem permanet is ager, cuius et fuerat.

307

Eine Insel, die, was selten geschieht, im Meer entsteht, wird Eigentum dessen, der sie sich zuerst aneignet. Denn man nimmt an, dass sie aber vorher niemandem gehört. Entsteht die Insel aber, was häufiger geschieht, in einem Fluss, dann wird sie, wenn sie in der Flussmitte liegt, gemeinschaftliches Eigentum derer, die auf beiden Seiten des Flusses Grundstücke am Ufer besitzen, und zwar in dem Verhältnis zu der Breite, die jedes Grundstück am Ufer hat. Ist die Insel aber der einen Flussseite näher als der anderen, dann wird sie nur Eigentum derer, die auf dieser Seite Grundstücke am Ufer besitzen. Teilt sich jedoch der Fluss an einer Stelle, um sich weiter unterhalb wieder zu vereinigen, und macht er dadurch jemandes Grundstück zu einer Insel, so bleibt das Grundstück im Eigentum dessen, der es vorher gehabt hat.

In Inst. 2, 1, 23 (=D. 41, 1, 7, 5) schließlich finden sich Bestimmungen über die Eigentumslage, wenn ein Fluss seinen Lauf ändert: Quodsi naturali alveo in universum derelicto alia parte fluere coeperit, prior quidem alveus eorum est, qui prope ripam eius praedia possident, pro modo scilicet latitudinis cuiusque agri, quae latitudo prope ripam sit, novus autem alveus eius iuris esse incipit, cuius et ipsum flumen, id est publicus. quodsi post aliquod tempus ad priorem alveum reversum fuerit flumen, rursus novus alveus eorum esse incipit, qui prope ripam eius praedia possident.

Hat der Fluss allerdings sein natürliches Bett ganz verlassen und begonnen, einen anderen Lauf zu nehmen, gehört das verlassene Flussbett denen, die am Ufer Grundstücke besitzen, und zwar in dem Verhältnis zu der Breite, die jedes Grundstück am Ufer hat. Das neue Flussbett aber unterliegt dann demselben Recht wie der Fluss selbst, es wird also öffentlich. Kehrt nun der Fluss nach einiger Zeit in sein früheres Bett zurück, so gehört das neue Flussbett wiederum denen, die am Ufer Grundstücke besitzen.

308

Einzelne Bestimmungen

Der isländische Normenkomplex weist deutliche Parallelen zu den justinianischen Vorschriften auf, weil beide anordnen, dass sich durch das Abbrechen und die örtliche Verlagerung eines Landstückes durch Anspülen an das Land eines anderen (im römischen Recht) oder durch Bildung einer kleinen Insel im Fluss (im isländischen Recht) die Eigentumslage an dem Landstück nicht ändert. Beide Bestimmungen knüpfen an den Fall an, dass das von einem Ufer abbrechende Land Bewuchs aufweist. Zwar wird in der Grágás keine Änderung der Eigentumslage ab dem Zeitpunkt der Verwurzelung in dem fremden Grundstück angeordnet, aber dies ist deswegen nicht notwendig, weil die Grágás die dauerhaufte eigentumsrechtliche Trennung von einer Wiese und dem darunter befindlichen Land kennt und daher ein Eigentumswechsel ab dem Zeitpunkt der Verwurzelung in dem neuen Untergrund entbehrlich ist (vgl. oben S. 298). Der letzte Satz der isländischen Vorschrift, nach dem die im alten Flussbett entstehende Wiese hälftiges Eigentum der beiden Eigentümer der angrenzenden Grundstücke wird, entspricht dem ersten Satz von Inst 2, 1, 23 (=D. 41, 1, 7, 5), nur dass dort der Eigentumserwerb noch explizit entsprechend der Breite der bisherigen Ufergrundstücke angeordnet ist. Der Gesetzgeber der Grágás hat dagegen etwas einfacher angeordnet, dass jeder Eigentümer eines Ufergrundstückes das ehemalige Flussbett bis zur alten Flussmitte zu seinem Grundstück dazu erhält. In der Praxis dürften nach dieser Formulierung dieselben Ergebnisse erzielt werden wie nach der Formulierung in Inst. 2, 1, 23. In dieser Vorschrift ist noch der Fall geregelt, was passiert, wenn der Fluss nach einiger Zeit wieder sein altes Bett einnimmt. Nach der justinianischen Vorschrift tritt dann auch wieder die ursprüngliche Eigentumslage ein. Diese Lösung entspricht systematisch derjenigen der nachfolgenden Bestimmung der Grágás, denn obwohl in den oben genannten Grágásbestimmungen die Änderung eines Flussbettes behandelt wird, findet sich in der Grágás noch eine weitere Bestimmung in diesem Zusammenhang, in diesem Fall jedoch bezogen auf das Fischereirecht. Die Stelle findet sich nur in der Stajarhólsbók und der ihr verwandten Handschrift AM 125 A 4to. 439. Ef a breytir farveg sinom. li. Par er a bry´ tz inyian farveg oc breytir falli sino. sva at pa a ein majr land bápum megum arinar enn .ii. atto lond vij ajr hon brey´ tti fallino. oc a sa pa veipina einn er lavndin a vij. En ef áin er veítt pa enn í

439. Wenn ein Fluss seinen Lauf ändert. LI. Wo ein Fluss sich ein neues Flussbett bricht und seinen Lauf ändert, so dass dann einem Mann das Land auf beiden Seiten des Flusses gehört, aber 2 Leute anliegendes Land

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

en forna far veg. pa eiga peir par er ajr átto.

Nú ero quislir fleire oc scal eigi ban a fiscfavr iein i quísl nema par se minne fisk favr en í anar e oc eigi hann ein kvíslina fyrir ofan.53

309

hatten, bevor er den Lauf änderte, so hat derjenige alleine das Fischereirecht, dem die anliegenden Grundstücke gehören. Wenn aber der Fluss dann wieder in das alte Flussbett geleitet wird, dann haben diejenigen (das Fischereirecht), die es vorher hatten. Wenn es mehrere Flussarme sind, so soll der Zug der Fische nicht in einem verhindert werden, es sei denn, dort sei weniger Zug der Fische als in dem anderen und er besitze alleine den Flussarm oberhalb.

53

Diese Bestimmung, die das nicht in den justinianischen Institutionen geregelte, aber in Island wegen des Fischreichtums in den Flüssen besonders relevante Fischereirecht regelt, erinnert an den letzten Satz von Inst. 2, 1, 23. In dieser justinianischen Norm ist der Fall geregelt, dass ein Fluss, der seinen Lauf verändert hatte, wieder in sein altes Bett zurückkehrt. Die Fläche des zwischenzeitlichen Flussbettes fällt nun denjenigen zu, denen die an das neue (zwischenzeitliche) Ufer angrenzenden Grundstücke gehören. Damit fällt das Eigentum am zwischenzeitlichen Flussbett zurück an die vorherigen Eigentümer. Auch in der Grágás ist dieser Gedanke enthalten.54 Denn das Fischereirecht fällt an seine bisherigen Eigentümer zurück, wenn der Fluss zurück in sein altes Bett geleitet wird. Auch wenn die Bestimmungen über abgebrochenes Land und einen veränderten Flusslauf inhaltlich nicht exakt den justinianischen Normen entsprechen, bestehen hier doch sehr deutliche Parallelen, weil zumindest das Vorkommen des eher speziellen Regelungsgegenstandes in der Grágás erstaunlich ist und weil die Normen in der Grágás an dieselben Grundgedanken der justinianischen Regelungen anknüpfen. Obwohl in der Grágás teilweise eine andere juristische Entscheidung getroffen wird als in den Institutionen, wie beispielsweise beim Fortbestand des Eigentums an einem Stück Land, das von einem Fluss auf ein fremdes Grundstück geworfen wird, scheint es doch so, dass die iustinianischen Regelungen den Verfassern der hier behandelten Grágásnormen bekannt waren, da insbeson53 54

Grágás II, Kap. 439, S. 510.07–14 (=AM 125 A 4to, in: Grágás III, S. 411(438.07–14)). Vgl. bereits Sveinbjörn Rafnsson, Grágás und Digesta Iustiniani, in: Sjötíu ritgerjir helgajar Jakobi Benediktssyni II, S. 720(729 ff.).

310

Einzelne Bestimmungen

dere beiden Normkomplexen gemeinsam ist, dass sie beide Landstücke behandeln, die Bewuchs aufweisen. Dies ist umso erstaunlicher, als bei der isländischen Norm keine besondere Rechtsfolge daran geknüpft ist, dass das Land Bewuchs aufweist, und es sich damit gewissermaßen um ein „blindes“ Motiv handelt. 5.1.3.1.4. Eigentumsverteilung an einem gestrandeten Wal Während es sehr schwer ist zu sehen, ob die Verfasser der Grágás bei Gegenständen, die sich auf einer Eigentumsgrenze befinden, von Real- oder Idealteilung ausgehen und ob ihnen die diesen Konzepten zu Grunde liegenden Überlegungen bekannt waren, behandelt die folgende Bestimmung eine Frage aus diesem Gebiet mit einer auf den ersten Blick verblüffenden Lösung. Ef hvalr kømr a merki pat er scilr fiorur manna. pa a halfan hval hvar peirra vij an an ef sumr lig r a mijio marki hvárt sem meire er fra.55

Wenn ein Wal auf der Grenze strandet, welche die Ufer von Leuten teilt, dann steht jedem von ihnen gegenüber dem anderen ein halber Wal zu, wenn auch nur er zum Teil mitten auf der Grenze liegt, gleich auf welcher Seite mehr liegt.

55

Die Ursache für diese Regelung kann gewesen sein, dass es ein sehr großer Glücksfall war (hvalreki, siehe oben S. 290), wenn ein Wal strandete, durch den schlagartig für einige Zeit genügend zu essen zur Verfügung stand und bei dem es nicht darauf ankam, dass den beiden Landeigentümern jeweils die Hälfte des Wales zur Verfügung stand, weil auch ein halber Wal noch genügend Verpflegung bedeutet. Erstaunlicherweise findet sich eine inhaltlich entsprechende Vorschrift in den byzantinischen Gesetzen: Deshalb also spricht unsere Majestät das Gesetz aus, welches von jetzt an mit gebührender Gerechtigkeit darüber bestimmt, und wir setzen fest, daß dann, wenn eine Vereinigung zweier Meeresgebiete zur Aufstellung einer   zustande kommt und das eine von ihnen größer, das andere aber kleiner ist, der Gewinn in gleicher Verteilung den Besitzern eines jeden der beiden Gebiete zukomme.56

55 56

Grágás II, Kap. 446, S. 519.19–21; vgl. Grágás Ib, Kap. 217, S. 133.09–11. Zitiert nach E. Trapp, Die gesetzlichen Bestimmungen über die Errichtung einer  , in: Peter Wirth (Hrsg.), Polychordia, Festschrift Franz Dölger zum 75. Geburtstag, S. 329(331).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

311

Eine Stelle in der Pira (P  ) beweist anscheinend, dass diese Vorschrift bezüglich der Aufstellung einer speziellen Fischfangvorrichtung ( ) über längere Zeit gegolten hat.57 Demgegenüber geht die isländische Norm von dem Fall aus, dass nicht die Meeresgebiete verschieden groß sind und nicht die Fischfangvorrichtung auf der Grenze zweier Uferstreifen errichtet wurde, sondern der gestrandete Wal zu verschieden großen Teilen auf den beiden Grundstücken zu liegen gekommen ist. Dies ist strukturell jedoch vollkommen vergleichbar, weil es keinen Unterschied machen kann, ob eine Fischfangvorrichtung auf der Grenze zweier Grundstücke errichtet wird oder ob der „Fang“, der gestrandete Wal, auf der Grundstückgrenze zu liegen kommt. Daher kann es gut sein, dass diese rechtlich erstaunliche Lösung der hälftigen Teilung des Wals nach dem Vorbild dieser byzantinischen Rechtsnorm geschaffen wurde, zumal es so aussieht, als ob diese byzantinische Vorschrift mit dem justinianischen Recht schwerlich in Einklang steht.58 Sollte die hier angenommene Verbindung tatsächlich bestehen, dürfte auch nachgewiesen sein, dass die römisch-rechtlichen Einflüsse in der Grágás über Byzanz und nicht über Westeuropa vermittelt wurden. 5.1.3.2.

aj stefna sínum heimildarmanne til heimildar und Haftung des Veräußerers für Gewährschaft (auctoritas)

5.1.3.2.1. Die isländischen Regelungen zur Gewährschaftsklage Eines der umfangreichsten und zugleich bemerkenswertesten Kapitel der Grágás ist das erste Kapitel des Abschnittes der Landeinforderung (Landabrigjis páttr). Es stellt einen ausgesprochenen Glücksfall dar, dass sich Teile dieses Kapitels auch auf den ersten zwei Seiten des ältesten Fragments mit den Gesetzen der Freistaatszeit (AM 315d fol.) finden, welches auf ca. 1150 datiert wird (siehe oben S. 77 f.). Es kann somit als sehr wahrscheinlich gelten, dass sich diese Regelungen schon in der Haflijaskrá befunden haben. Das Kapitel beginnt sehr ungewöhnlich für einen Abschnitt, welcher das gesamte Grundstücksrecht und das Recht der landwirtschaftlichen Nutzung von Ländereien mitsamt dem Pachtrecht regelt. Zunächst soll das sehr umfangreiche Kapitel auszugsweise vorgestellt und sodann erläutert und 57

58

Vgl. E. Trapp, Die gesetzlichen Bestimmungen über die Errichtung einer  , S. 329(331). Vgl. E. Trapp, Die gesetzlichen Bestimmungen über die Errichtung einer  , S. 329(331).

312

Einzelne Bestimmungen

mit römisch-rechtlichen Regelungen verglichen werden. Der Beginn des Kapitels und damit des gesamten Abschnittes lautet in der Stajarhólsbók folgendermaßen: Ef ungom man e tömiz land at erfj eja giof. oc sele fiarvarjveizlo majr hans abraut. oc a hann brigj til pess landz. Ef majr vex upp til landz brigjar. pa scal hann hefia upp er hann er xvi. vetra gamall.59

Wenn einem Minderjährigen Land als Erbe oder als Geschenk zufällt und sein Vermögensverwahrer es verkauft, dann hat er einen Herausgabeanspruch auf dieses Land. Wenn jemand heranwächst zur Landeinforderung, dann soll er mit ihr beginnen, wenn er 16 Winter alt ist.

59

Daran schließen sich Bestimmungen an, nach denen ein Minderjähriger, der mehrere Ländereien herausverlangen kann, jeden Sommer ein gerichtliches Herausgabeverfahren durchführen darf, bis alle Ländereien herausgegeben wurden. Somit ist er nicht gehalten, mehrere dieser aufwändigen Verfahren parallel führen zu müssen. Dennoch darf er auch mehrere Verfahren zeitgleich anstrengen.60 Hier finden sich auch Bestimmungen darüber, wann mit den Herausgabeverfahren zu beginnen ist, falls der Minderjährige im Ausland war und als Volljähriger nach Island kommt.61 Ebenso ist die Geltendmachung durch einen von ihm dazu eingesetzen Dritten möglich.62 Auf die Wiedergabe der einschlägigen Klageformel folgt eine Befragungsformel, ob der Befragte das Land als sich gehörig betrachte. Der Befragte muss wahrheitsgemäß antworten und auch seinen Käufer angeben, falls er das Land weiterverkauft hat, andernfalls droht ihm dreijährige Landesverweisung.63 Dies stellt eine erhebliche Verschärfung gegenüber

59

60 61 62 63

Grágás II, Kap. 389, S. 410.18–411.01; vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 76.03–04: Pat er mælt par er majr vex upp til landz brigjar pa scal hann hefia upp er hann er xvi. vetra gamall. („Das ist bestimmt, wenn jemand zur Landeinforderung heranwächst, dann soll er mit ihr beginnen, wenn er 16 Winter alt ist.“) Der erste Satz der Norm in der Stajarhólsbók, der den Erwerbsgrund nennt, ist in der Konungsbók nicht enthalten. Siehe auch die Gegenüberstellung des Textes der beiden Haupthandschriften mit dem Text des Fragments AM 315d fol auf S. 104. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 411.01–06; vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 76.04–08. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 411.06–14, vgl. Grágás Ib, Kap. 173, S. 79.21–26. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 411.14–18. Vgl. Grágás II, Kap. 389, S. 411.18–412.10; vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 76.09–18. Möglicherweise stand anfangs sogar Waldgang auf diese Art der Behinderung, vgl. das hier leider nur den Wortteil „Wald(gang)“ (Scóggangr) enthaltende Fragment AM 315d fol., in: Grágás Ib, S. 220.29.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

313

der Strafe einer sonstigen Falsch- oder Nichtauskunft auf beantwortungspflichtige Fragen im Verfahren dar.64 Nu hyg r brigjan den pat at hann segi an at til en er. pa scal hann lysa peim a hendr er hann hyg r at eignar lyrit hafi véllavst fyrir landino.65

Ef pat land hefir at sölum faret pa er scylldar hverr peirra man a er pat land hefir átt sijan er fiar varjveizlo majr ens unga manz selde land. at stefna sinom heimildar man e oc til pess pings er hann brigjer landet. enda er rétt at majr kuepi man heimilldar.67

Wenn der Herausverlangende meint, dass er anders sage, als es ist, dann soll er [die Klage] gegen den bekannt machen, von dem er meint, dass er eine zutreffende [wörtlich: täuschungslose] Eigentumsberechtigung66 für das Land habe. Wenn das Land verkauft wurde, dann ist jeder der Leute, der das Land hatte, seit der Vermögensverwahrer es verkauft hat, verpflichtet, seinen Gewährsmann zu verklagen und zwar zu dem Thing, bei dem er das Land herausverlangt; im übrigen ist es zulässig, dass man jemanden [seinen Gewährsmann] wegen Gewährschaft herbeirufe.

656667

64 65

66

67

Vgl. unten bei den Legaldefinitionen im Anhang bei Fn. 34 (lqgvilla). Grágás II, Kap. 389, S. 412.10–12; vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 76.18–77.01 und AM 315d fol. in: Grágás Ib, S. 220.29–221.01. Hier taucht wiederum das schwierig zu übersetzende Wort ly´ rittr auf (vgl. schon Teil 4 Fn. 32), diesmal als Kompositum eignarly´ rittr, was hier mit Eigentumsberechtigung wiedergegeben werden soll. Grágás II, Kap. 389, S. 412.12–17, vgl. AM 315d fol., in: Grágás Ib, S. 221.01–05: Scyldr es hverr peirra manna es pat land hefir att at stefna sinom heimildar mane til heimildar oc til pess pings es hann brigper landet. pat es ok rett at hverr peirra stefne es spyr at hinn hever lyst til brigpar of landet. enda es rett at mapr quepe man heimildar. („Verpflichtet ist jeder der Leute, der das Land besessen hatte, seinen Gewährsmann zu verklagen und zwar zu dem Thing, bei dem er [=der gerade volljährig gewordene] das Land herausverlangt. Es ist auch gestattet, dass jeder von ihnen vorlade, der davon erfährt, dass der andere zur Herausgabe des Landes bekannt gemacht hat, und es ist auch gestattet, dass man jemanden wegen Gewährschaft herbeirufe.“)=Grágás Ib, Kap. 172, S. 77.03–07 (mit geringfügigen Abweichungen). Bemerkenswert an der Handschrift AM 315d fol. ist noch, dass sie für das Wort „Mann“ an vielen Stellen den wohl aus der Runenschrift entnommenen Buchstaben „“ benutzt, der sich hier allerdings gut durch den griechischen Buchstaben Psi wiedergeben lässt.

314

Einzelne Bestimmungen

Sa majr er land er brigj scal stefnt hafa et siparsta á manapar freste heimildar mane sinom eja quat han ella heimilldar. pajan fra er lyst var til brigjar of landet eja hann spurji lysingina. ef pat var sijar. En sa er hann stefnir. scal oc stefnt hafa sinom heimilldar man e amanapar freste et siparsta pajan fra er honom var stefnt. Oc sva scal hverr peirra stefna sinom heimilldar mane eja quejia ella a manajar fresti et seinsta. sva lengi sem land for at sölum.68

Derjenige, von dem Land herausverlangt wird, soll spätestens nach Monatsfrist seinen Gewährsmann verklagt haben, oder ihn ansonsten wegen Gewährschaft herbeigerufen haben, ab da, wo [die Klage] bekanntgemacht wurde zur Herausgabe von Land oder ab da, wo er von der Bekanntmachung erfuhr, wenn dies später war. Und der, den er verklagt, soll ebenfalls seinen Gewährsmann spätestens nach Monatsfrist verklagt haben, ab da, wo er verklagt wurde. Und so soll jeder von ihnen spätestens nach Monatsfrist seinen Gewährsmann verklagen oder auffordern, solange [die Kette zurück], wie das Land verkauft wurde.

6869

Auch in dieser Bestimmung zeigt sich der sehr präzise Sprachgebrauch der Grágás. Das Verb stefna wird für „vorladen“ in einer Klagesache verwendet und das Verb kvejja bedeutet im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren stets „herbeirufen“ von Zeugen oder Jurymitgliedern. Das Verb ly´sa (‚bekanntmachen‘) wird für die Bekanntmachung der Klage auf dem Thing verwendet. An diese Vorschrift schließen sich Bestimmungen darüber an, wer zu verklagen ist, wenn einer der Zwischenerwerber verstorben ist oder sich im Ausland aufhält. Darauf folgt diese Vorschrift: Nu hevir nacquar huartke stefnt ne quat amanapar freste. pa spillir hann fyrir siölfum ser. oc er ony´ t stefna hans eja quöj.69

68 69

Grágás II, Kap. 389, S. 412.17–24. Grágás II, Kap. 389, S. 413.12–14.

Wenn jemand innerhalb Monatsfrist weder verklagt noch herbeigerufen hat, dann verdirbt er es sich selbst und seine Klage oder Herbeirufung ist ungültig.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

315

Unmittelbar darauf folgt die Formel, mit der zur Gewährschaftshilfe vorgeladen wird: Ef majr vill stefna til heimilldar. pa scal hann nefna ser vatta .ij. eja fleiri. nefne ec i pat vette scal hann queja. at ec stefne per. oc nefna hann til heimilldar of pat land er nu er lyst til brigjar. en pu selldir mer. oc heimilldir fyrir hueriom man e mej laga kaupi oc lyritar. stefne ec per til gialda og til út göngo. of fe pat allt er ec fan per fyrir landet ef land brigjiz oc nefna land. hann scal stefna logstefno. oc til alpingis oc fara sva pa sem öjrum stefnom. Slic orj scolo fylgia pott quatt se heimilldar. oc pese at ferlle scolo peir aller hafa.70

Wenn jemand auf Gewährschaftshilfe verklagen will, dann soll er sich zwei oder mehr Zeugen benennen: Nenne ich zu dem Zeugnis, soll er sagen, dass ich Dich verklage, und soll ihn benennen, auf Gewährschafshilfe bezüglich des Landes, bei welchem jetzt die Einforderung[sklage] bekannt gemacht ist und das Du mir mit allen Abwehrrechten gegen jedweden Mann verkauft hast mit gesetzlichem Kaufvertrag und Untersagungsverfügungsverkauf. Verklage ich Dich auf Zahlung und Übergabe des Geldes, das ich Dir für das Land gab, wenn das Land zurückzugewähren ist, und er soll das Land bezeichnen. Er soll mit gesetzlicher Klage vorladen und zwar zum Allthing und soll dabei so verfahren wie bei anderen Klagen. Solche Worte sollen folgen, auch wenn wegen Gewährschaftshilfe herbeigerufen wird und diese Herangehensweise sollen sie alle anwenden.

70

Auf diesen Abschnitt folgt eine Bestimmung, nach der bei nur einer erfolgten Veräußerung die Vorladung zum nächsten Allthing erfolgen kann, bei mehreren aber erst zum Allthing im darauf folgenden Sommer. Hintergrund ist offenbar die Monatsfrist, innerhalb derer man seinen jeweiligen Verkäufer vorzuladen hat. Sind mehrere Veräußerungsstufen in das Verfahren einzubeziehen, addieren sich auch die jeweiligen Ladungsfristen, so dass angeordnet wird, das Verfahren ein weiteres Jahr später stattfinden zu lassen.

70

Grágás II, Kap. 389, S. 413.14–23.

316

Einzelne Bestimmungen

Sipan scal hann quejia bua .ix. apinge pa er næstir ero lande pui at bera of pat hvart fapir hans ætte land pat a deyiande dege sinom eja eigi. eja sa majr er hann toc arf eptir. oc nefna pa oc sva landet.

En ef pat ber quijr at sa majr ætte land pat a deyianda dege. er hann toc arf eptir. pa a at döma honom landet. nema hann gete log vörn fyr sic er varjueitte fe ens unga manz.

Sa majr scal quepia ser biarquipar .v. bua yr socnar quij pa er nestir bua landeno. at bera of pat hvart [skuldir gengo i land pat eja eigi eja voro omagar a feno sva at innstøjan mundi pverra eja eigi.

Ef pat berr i hag honom pa scal brigjandinn quejia .v. bva hina sömo um pat hvart] par com [fullur eyrir fullum ígegn. Nu berr pat quijr at eigi com] fullr eyrir fullum ígegn. pa á verian den at beipa eno somo bua .v. at bera of pat [hvart landit var selt sem hann matti dyrst eja eigi. Nu ber pat quijr at hann seldi sem hann matti dyrst pa heldr hann landino nema hinn preyti meirr.

Danach soll er die 9 Anwohner auf dem Thing herbeirufen, welche dem Land am nächsten wohnen, darüber zu befinden, ob sein Vater das Land [zu Eigentum] gehabt hätte an seinem Todestag oder nicht oder die Person, die er beerbte, und er soll sie benennen und ebenso das Land. Wenn die Jury aussagt, dass diejenige Person das Land an seinem Todestage [zu Eigentum] gehabt hätte, die er beerbte, dann soll man ihm das Land zuerkennen, es sei denn, derjenige kann eine gesetzlich zugelassene Verteidigung vorbringen, der das Vermögen des Minderjährigen verwahrte. Dieser soll sich eine Verteidigungsjury von den 5 Anwohnern, welche dem Land am nächsten wohnen, aus der Angriffsjury berufen, darüber zu befinden, ob Schulden auf dem Land ruhten oder nicht oder Bedürftige aus dem Vermögen zu unterhalten waren, so dass der Vermögensstamm verringert würde oder nicht. Wenn sie zu seinen Gunsten befindet, dann soll der Herausverlangende dieselben 5 Anwohner dazu berufen, darüber zu befinden, ob da auf eine volle Öre eine volle zurückkam. Wenn die Jury befindet, dass keine volle Öre auf eine volle zurückkam, dann soll der Verteidigende dieselben 5 Anwohner bitten, darüber zu befinden, ob das Land so verkauft wurde, wie er es am teuersten verkaufen konnte oder nicht. Wenn die Jury befindet, dass er es so verkaufte, wie er es am teuersten verkaufen konnte, dann behält er das Land, es sei denn, der andere streitet weiter.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Pa scal brigjandinn quejia quijar] hvart honom være betra til fiar at sælt være sva eja oselt. Nu ber pat quijr at honom væri betra til fiar at sælt være sva en osælt. pa scal han quejia pa pes quijar an ars. hvart leigo bol være til at selia eja í tok i an ar a man a londom svat po mætte haldasc aurar i ajalboleno epa in stöpa pot pat være ósælt.

Nu ber pat quijr at honom væri betra til fiar at selt være sva en oselt. pa scal hann quejia pa pes quipar anars. hvart leigo bol væri til aj selia eja í tok í an ar a man a lönd sva at porf vin e. ef pau væri fyr selld. oc brigjiz pa land en eigi elligar.

Ef pat land var eigi sellt sem hann matte dyrst. epa gengo eigi sculldir í land. sua sem nu var tínt. eja voro til leigo bol. eja

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Dann soll der Herausverlangende eine Jury darüber berufen, ob er vom Vermögen her bessser stünde, wenn es so [=zu diesem Preis] verkauft worden wäre, als wenn es nicht verkauft worden wäre. Wenn die Jury befindet, dass er vom Vermögen her besser stünde, wenn in dieser Weise verkauft wäre, als wenn es nicht verkauft worden wäre, dann soll er diese Jury weiter zu einem Juryspruch darüber berufen, ob ein [zur Hauptwohnstätte gehöriger] Pachthof oder ein Nießbrauch am Land anderer zu verkaufen gewesen wäre, so dass man die Öre beziehungsweise den Vermögensstamm in der Hauptwohnstätte hätte erhalten können, auch wenn das Land nicht verkauft worden wäre. Wenn die Jury aussagt, dass er vom Vermögen her besser stünde, wenn es so verkauft worden wäre, als wenn es nicht verkauft worden wäre, dann soll er die Jury dazu berufen, weiterhin darüber zu befinden, ob ein Pachthof oder ein Nießbrauch am Land anderer zu verkaufen gewesen wäre, so dass der Bedarf gedeckt wäre, wenn es früher verkauft worden wäre, und ist dann das Land herauszugeben, aber ansonsten nicht. Wenn das Land nicht so verkauft wurde, wie er es am teuersten hätte verkaufen können, oder Schulden auf dem Land ruhten, wie jetzt aufgezählt wurde oder es Pachtländereien oder Nießbrauch zur Tilgung der Schulden oder Unterhaltung der Bedürftigen zu verkaufen gab, dann ist das Land herauszugeben und

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Einzelne Bestimmungen

i töc at selia til sculda eja omaga. pa brigjr landet. oc scal döma peim brigj.71

man soll ihm [zu seinen Gunsten] Herausgabe ausurteilen.

71

Ob nach dieser Norm eine Rückübereignung stattfindet oder der Minderjährige nach wie vor als Eigentümer die Herausgabe des Grundstückes verlangen kann und alle Übereignungsvorgänge unwirksam waren, ist deshalb schwer zu sagen, weil die Norm explizit nichts zur Eigentumslage sagt. Weil das Verb brigja in diesem Zusammenhang herausverlangen heißt, ist es wahrscheinlich, dass der Minderjährige bei der landsbrigj sein Eigentum herausverlangt und damit einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe geltend macht. Auf diesen Komplex folgen noch Regelungen über Grenzstreitigkeiten hinsichtlich des herausverlangten Landes und über Verwendungsersatzansprüche, wenn die auf dem herauszugebenden Land befindlichen Häuser vermehrt, verbessert oder verschlechtert worden sind, und ähnliche Vorschriften. Den ersten Veräußerer, der regelmäßig der Vermögensverwahrer des Minderjährigen ist, und der notwendigerweise am Ende beziehungsweise, je nach Blickwinkel, am Beginn der Veräußerungskette steht, droht ausweislich einer darauf folgenden Vorschrift auch eine strafrechtliche Sanktion: Peim mane verjr f iör b avgs garjr er fyrstr selde land pat er brigjez vij pan er fyrstr keypte. oc sva vij en unga man . Pat er stefno soc til ens prijia pings. oc scal quejia til .ix. heimilis bua a pingi pes er sóttr er.

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Für denjenigen steht darauf dreijährige Landesverweisung, der als erster das Land verkaufte, das herauszugeben ist, gegenüber dem, der es zuerst kaufte und auch gegenüber dem Minderjährigen. Das ist eine Vorladesache bis zum dritten Thing und man soll 9 Wohnortanwohner dessen, der verfolgt wird, auf dem Thing herbeirufen.

Grágás II, Kap. 389, S. 414.02–415.11=AM 315d fol., in: Grágás Ib, S. 221.08–222.07. Die Zusätze in eckigen Klammern sind übereinstimmend aus dem Fragment AM 315d fol. und der Konungsbók übernommen, da der Schreiber der Stajarhólsbók hier offensichtlich an drei Stellen in der Zeile verrutscht ist. Vgl. Grágás Ib, Kap. 172, S. 77.11–78.08.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Ef majr keypti viss vitande land pat er hann vise brigjar at vön. oc verjrat selianden pa secr vij pan en hafa scal kaupande af honom er fyrstr selde iafnmargar aura sem hann fan honom. oc sva hver peirra af öjrom. oc af sinom selianda hverr.72

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Wenn jemand wissentlich dasjenige Land kaufte, von dem er wusste, dass Aussicht auf ein Hausgabeverlangen bestand, dann wird der Verkäufer ihm gegenüber nicht schuldig. Aber von ihm, der als erster verkaufte, soll der Käufer so viele Öre erhalten, wie er ihm gab, und so jeder von dem anderen, und zwar jeder von seinem Verkäufer.

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Diese hier nur auszugsweise wiedergegebenen Regelungen sind insgesamt sehr ausführlich. Die Ursache für die umfassende Regelung dieser Materie kann darin bestehen, dass es sich bei Bauernhöfen regelmäßig um die mit Abstand bedeutendsten Vermögensgegenstände handelte, die vererbt wurden und die man einem Minderjährigen Erben bis zum Erreichen der Volljährigkeit sichern wollte. Die Regelungen im ältesten Fragment AM 315d fol. lassen erkennen, dass die Vorschriften im wesentlichen schon früh den Umfang gehabt haben dürften, den sie in der Stajarhólsbók haben, auch wenn an einigen Stellen die Vorschriften in der Stajarhólsbók noch ausführlicher sind als im ältesten Fragment. Hierbei handelt sich jedoch um erläuternder Zusätze, die keine weitergehenden oder abweichenden Regelungen darstellen. Der Grundgedanke des gesamten Regelungskomplexes ist, dass ein Vermögensverwalter eines Minderjährigen dessen Vermögen beisammen halten und verwalten, aber nicht verschleudern soll. Dies zeigt sich in den ausführlichen Regelungen, nach denen ermittelt wird, ob die Veräußerung des Landes notwendig war. Aus diesem Grunde erhält der Minderjährige bei Erreichen der Volljährigkeit die Möglichkeit, die unnötigerweise veräußerten Ländereien vom jeweiligen Besitzer wieder zurückzufordern. Interessant ist vor allem die rechtstechnische Umsetzung, mit der das Herausgabeverlangen geltend gemacht wird, wenn mehrere Veräußerungen stattgefunden haben. Danach kann der Besitzer seinen Verkäufer vorladen und dieser muss Rechenschaft darüber ablegen, wie er an das Grundstück gelangt ist. Dafür muss dieser wiederum seinen Veräußerer vorladen. So wird die Veräußerungskette nachgezeichnet, bis am Ende der Vermögensverwahrer des Minderjährigen sich darüber rechtfertigen muss, ob eine Veräußerung des Landes wegen Überschuldung oder aufgrund einer Unter-

72

Grágás II, Kap. 389, S. 417.17–25=Grágás Ib, Kap. 172, S. 78.11–17.

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Einzelne Bestimmungen

haltsverpflichtung mangels anderer veräußerbarer Vermögenswerte unumgänglich war. Beachtlich ist auch die gestufte Ausgestaltung der Regelung, nach der im Bedarfsfall zunächst Pachtländereien und Rechte an anderen Grundstücken zu veräußern sind, bevor es rechtmäßig sein kann, den Familienstammsitz eines Minderjährigen zu veräußern. Da die Verträge im Falle der Rückgewähr in den jeweiligen Vertragsverhältnissen rückabgewickelt werden, trägt niemand das Insolvenzrisiko einer Person, welche er sich nicht als Vertragspartner ausgesucht hat. Auch stellen bei dieser Lösung unterschiedlich hohe Kaufpreise kein Problem für die Rückabwicklung dar. 5.1.3.2.2. Parallele Regelung in den Digesten Das gesamte Kapitel weist deutliche Parallelen zum römischen Recht auf. Das Rückforderungsverfahren erinnert sehr stark an die römische actio auctoritates. Obwohl eine 1873 erschienene Arbeit zu den isländischen Gewährschaftsvorschriften sogar in ihrem etwas sperrigen Titel Die Reluitionsklagen aus Veräußerungsbeschränkungen um Grundstücke und Mobilien nach den Isländischen Rechtsquellen Gragas und Jarnsida und dem älteren und neueren Norwegischen Gulathingsgesetz, ein Beitrag zur Geschichte des Germanischen Aktionensrechts73 die aktionenrechtliche Komponente des gerichtlich geltend zu machenden Herausgabeverlangens betont, ist bisher soweit ersichtlich noch nicht auf die Parallele zur actio auctoritates hingewiesen worden. Immerhin werden in der genannten Arbeit vergleichende Aspekte berücksichtigt, da die „ungemein ähnlichen Anfechtungsklagen der Sächsischen Rechtsquellen des Mittelalters“ als vergleichbare Regelungen angeführt werden.74 Da in der Arbeit römisch-rechtliche Terminologie verwendet wird, um die Regelungen der skandinavischen Gesetze zu erläutern,75 hätte sich ein inhaltlicher Vergleich mit dem römischen Recht um so mehr angeboten. Dies ist indes unterblieben. Die actio auctoritates geht auf sehr alte sachenrechtliche Grundsätze zurück. Nach altrömischem Recht wurden bestimmte Gegenstände (res

73 74

75

Wilhelm von Brünneck, Königsberg 1873. Vgl. Wilhelm von Brünneck, Reluitionsklagen aus Veäußerungsbeschränkungen, S. 2. Vgl. Wilhelm von Brünneck, Reluitionsklagen aus Veäußerungsbeschränkungen, S. 13: „Die Reluitionsklage des majorenn gewordenen ehemaligen Pupillen […].“

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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mancipi ), darunter italische Grundstücke,76 mittels mancipium übereignet.77 Dieses stellte anfangs ein Austauschgeschäft dar, das nach seiner wirtschaftlichen Funktion ein Barkauf war.78 Ist dieses Geschäft aufgrund eines Kaufes geschehen, so hatte es neben der sachenrechtlichen Wirkung noch eine weitere, die dem Obligationenrecht angehört, indem sie eine Haftung des Veräußereres für Gewährschaft (auctoritas) erzeugte.79 Diese beinhaltet die Verpflichtung des Veräußerers, dem Erwerber bei der Verteidigung des Gegenstandes beizustehen, wenn dieser beispielsweise mit einer rei vindicatio herausverlangt wird. Wenn der Veräußerer dies unterlässt oder wenn seine Hilfeleistung erfolglos bleibt, so dass der Erwerber dem Dritten unterliegt und ihm den Gegenstand herausgeben muss, dann kann der Erwerber im Regresswege vom Veräußerer mit der actio auctoritates den doppelten Betrag des Kaufpreises verlangen.80 Folgt der auctor dieser Aufforderung, dann geht die Verteidigung der Sache auf ihn über und wenn auch er die Sache auf Grund eines Kaufs durch mancipatio, wie das Geschäft später genannt wurde, erworben hat, kann er in gleicher Weise die Verteidigung seinem Vordermann weitergeben usw.81 Da dieser lückenlose Beweis in der Praxis sehr schwierig zu erbringen ist, kann der Beklagte auch nach der actio Publiciana vorgehen, in der auch eine noch nicht abgelaufene Ersitzungsfrist als schon abgelaufen fingiert wird (zur Fiktionswirkung der actio Publiciana vgl. bereits oben S. 252 f.), so dass bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein wirksamer Eigentumserwerb unterstellt wird.82 Die actio auctoritates ist aus den Quellen nur mittelbar zu erschließen83, da sie von Justinian zusammen mit der mancipatio abgeschafft und nicht in sein Gesetzgebungswerk mit aufgenommen wurde.84 Dennoch erinnern eine Reihe Vorschriften in den Digesten an sie, weil sie eng mit der fortbestehenden Eviktionshaftung des Veräußerers zusammen hängt, welche in D. 21, 2, 1 geregelt ist.85 Auch

76 77

78 79 80 81 82 83

84 85

Vgl. nur Max Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. (1992), S. 43 (§ 7 I.1.c). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 43 f.(§ 9 II.1). Vgl. auch ebenda, S. 117 (§ 25 I.1.), S. 126 (§ 27 I.2.–3.), S. 196 (§ 41 V.1.). Vgl. Max Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. (1992), S. 42 f.(§ 7 I.1.b)). Vgl. Max Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. (1992), S. 43 (§ 7 I.1.d)bb)). Vgl. Max Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. (1992). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 129 (§ 32 III.2.). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 432 (§ 103 I.1.) mit S. 438 f.(§ 104). Vgl. Max Kaser, Die römische Eviktionshaftung nach Weiterverkauf, in: Walter G. Becker/Ludwig Schnorr von Carolsfeld (Hrsg.), Festgabe für Ulrich von Lübtow, S. 481 mit Fn. 1. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 392 mit Fn. 58 (§ 264 IV.2). Vgl. D. 21, 2, 1 (Ulpianus libro vicesimo octavo ad Sabinum): Sive tota res evincatur sive pars, habet regressum emptor in venditorem. („Ulpian im 28. Buch zu Sabinus: Wenn eine Sache

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Einzelne Bestimmungen

ohne gesonderte Abrede war in diesem Falle das Doppelte des Kaufpreises zu erstatten, wie sich aus D. 21, 2, 2 ergibt.86 Nicht für das Verhältnis zwischen den einzelnen Käufern und auf letzter Stufe zwischen dem ursprünglichen Verkäufer und dem ersten Käufer, sondern für das Verhältnis eines Minderjährigen zum Besitzer wird in Byzanz eine actio in rem rescissoria Publiciana erwähnt, welche eine ganz ähnliche Konstellation betrifft. Die actio in rem rescissoria Publiciana bezeichnet die Kombination einer actio rescissoria und der actio Publiciana. Diese finden typischerweise Anwendung, wenn ein Minderjähriger aufgrund eigener Entscheidung und ohne die Ermächtigung des Vormundes etwas erst verkauft und später zurückfordern möchte.87 Somit muss für das Byzanz des 11. Jahrhunderts damit gerechnet werden, dass die althergebrachten Klagen in typischen Anwendungskonstellationen miteinander kombiniert und eventuell dabei auch verändert wurden. Vor dem Hintergrund der actio auctoritates, wird auch die auf den ersten Blick doppelt erscheinende Formulierung in der Grágás verständlicher, nach der der Beklagte seinen Vormann herbeirufen oder verklagen soll: Sa majr er land er brigj scal stefnt hafa et siparsta á manapar freste heimildar man e sinom eja quat han ella heimilldar („Derjenige, von dem Land herausverlangt wird, soll spätestens nach Monatsfrist seinen Gewährsmann verklagt haben, oder ihn ansonsten wegen Gewährschaft herbeigerufen haben“). Denn hier ist der Gewährsmann zunächst nur zur Hilfe beim Beweis des wirksamen Eigentumserwerbes zu helfen verpflichtet, wozu er herbeigerufen wird. Gleichzeitig wird aber auch der für den Fall, dass der der Beweis misslingt, bestehende Rückabwicklungsanspruch geltend gemacht. Dieses geschieht beides mit einer Klage, so dass wegen dieser beiden Punkte vorzuladen ist. Rechtsfolge des in Island nahezu genau so wie im römischen Recht ausgestalteten Verfahrens ist nach der Grágás keine Zahlung des doppelten Kaufpreises (duplum), sondern Rückzahlung des einfachen Kaufpreises gegen Rückgewähr des Landes. Daneben tritt möglicherweise noch, wie erwähnt, die dreijährige Landesverweisung als Sanktion gegen den Vermögensverwahrer des Minderjährigen und zumindest gegenüber dem ers-

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87

ganz oder [auch nur] ein Teil von ihr evinziert wird, steht dem Käufer der Regress gegen den Verkäufer zu.“) D. 21, 2, 2 (Paulus libro quinto ad Sabinum): Si dupla non promitteretur et eo nomine agetur, dupli condemnatus est reus. (Paulus im 5. Buch zu Sabinus: „Wenn der doppelte Kaufpreis [für den Fall der Eviktion] nicht versprochen wurde und deswegen geklagt wird, ist der Beklagte zur Zahlung des doppelten Kaufpreises zu verurteilen.“) Vgl. Marie Theres Fögen, Byzantinische Kommentare zu römischen Aktionen, in: Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Roos Meijering, Bernard H. Stolte (Hrsg.), Fontes Minores VIII, Lexika Iuridica Byzantina, S. 215(217–220).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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ten Käufer. Beide Verfahren, die im römischen Recht getrennt zu betrachten sind, sind nach der Grágás miteinander verbunden, weil für den Fall, dass der Nachweis der berechtigten Veräußerung durch den Vermögensverwahrer mißlingt, auch die Rückforderung des Kaufpreises, die im römischen Recht wie beschrieben mit der gesonderten actio auctoritates zu erfolgen hat, im Herausgabeprozess mit verhandelt wird. Möglicherweise wurden hier aber die Klagen miteinander kombiniert, wie es auch für die 89 actio rescissoria Publiciana überliefert ist.88 Auch im römischen Recht ist der Vormund eines Minderjährigen (curator minorum) in derselben Weise wie in Island gehalten, grundsätzlich keine Grundstücke zu veräußern, (D. 27, 9, 1 pr. Ulpianus libro trigesimo quinto ad edictum): Imperatoris Severi oratione prohibiti sunt tutores et curatores praedia rustica vel suburbana distrahere.

Aufgrund einer Senatsrede des Kaisers Septimius Severus ist es Vormündern und Pflegern verboten, ländliche Grundstücke oder stadtnahe Grundstücke zu veräußern.

Schulden können aber auch im römischen Recht einen anerkannten Veräußerungsgrund darstellen (D. 27, 9, 1, 2): quod si forte aes alienum tantum erit, ut ex rebus ceteris non possit exsolvi, tunc praetor urbanus vir clarrissimus adeatur, qui pro sua religione aestimet, quae possunt alienari obligarive debeant, manente pupillo actione, si postea potuerit probari obreptum esse praetori.89

88

89

Sind freilich die Schulden so hoch, das sie aus dem Vermögen nicht bezahlt werden können, dann muss man sich an den Stadtprätor, einen Mann hochwürdigen Ranges, wenden, der in gewissenhafter Ausübung seines Amtes beurteilen wird, welcher Besitz veräußert oder verpfändet werden darf, und zwar unter Vorbehalt einer Klage des Mündels, wenn später bewiesen werden kann, der Prätor sei hintergangen worden.

Vgl. dazu Marie Theres Fögen, Byzantinische Kommentare zu römischen Aktionen, S. 215(217–220). Vgl. auch D. 27, 9, 5, 14: praetori enim non liberum arbitrium datum est distrahendi res pupillares, sed ita demum, si aes alienum immineat. („Dem Prätor ist nämlich nicht uneingeschränkt die Entscheidung überlassen, dass Mündelgrundstücke veräußert werden dürfen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass Schulden drücken.“)

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Einzelne Bestimmungen

Unter welchen Voraussetzungen der Stadtprätor der Veräußerung oder Verpfändung zustimmen darf, ist in D. 27, 9, 5, 9–10 (Ulpianus libro trigesimo quinto ad edictum) näher geregelt: 9. Non passim tutoribus sub optentu aeris alieni permitti debuit venditio: namque non esse viam eis distractionis tributam. et ideo praetori arbitrium huius rei senatus dedit, cuius officio in primis hoc convenit excutere, an aliunde possit pecunia ad extenuandum aes alienum expediri. quaerere ergo debet, an pecuniam pupillus habeat vel in numerato vel in nominibus, quae conveniri possunt, vel in fructibus conditis vel etiam in redituum spe atque obventionum. item requirat, num aliae res sint praeter praedia, quae distrahi possint, ex quarum pretio aeri alieno satisfiere possit. si igitur deprehenderit non posse aliunde exsolvi quam es praediorum distractione, tunc permittet distrahi, si modo urgueat credito aut usuarum modus parendum aeri alieno suadeat.

9. Unter Hinweis auf Schulden [des Mündels] durfte den Vormündern nicht ohne weiteres ein Verkauf [von Mündelgrundstücken] erlaubt werden. Denn es ist besser, dass ihnen diese Möglichkeit des Verkaufs nicht eröffnet worden ist. Und deswegen hat der Senat die Entscheidung in einer solchen Sache dem Prätor vorbehalten, dessen Amtspflicht in erster Linie darin besteht zu prüfen, ob anderswoher Geld zur Verminderung der Schulden besorgt werden kann. Demnach muss der Prätor zu erfahren suchen, ob dem Mündel Geldmittel zur Verfügung stehen, entweder in Form von Bargeld oder Forderungen, die eingeklagt werden können, oder in Form von Erntevorräten oder auch von künftigen Erträgen und Einkünften. Ebenso muss der Prätor untersuchen, ob es außer Grundstücken andere Sachen gibt, die veräußert und aus deren Veräußerungserlös die Schulden bezahlt werden können. Wenn er schließlich herausgefunden hat, dass auf andere Weise als durch Veräußerung von Grundstücken die Schulden nicht bezahlt werden können, dann soll er die Erlaubnis zur Veräußerung erteilen, jedenfalls wenn der Gläubiger auf Zahlung drängt oder die Höhe des Zinssatzes es ratsam erscheinen lässt, der Verbindlichkeit nachzukommen.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

10. Idem praetor aestimare debebit, utrum vendere potius an obligare permittat nec non illud vigilanter observare, ne plus accipiatur sub obligatione praediorum faenoris, quam quod opus sit ad solvendum aes alienum: aut si distrahendum arbitrabitur, ne propter modicum aes alienum magna possessio distrahatur, sed si sit alia possessio minor vel minus utilior pupillo, magis eam iubere distrahi quam maiorem et utiliorem.

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10. Auch muss der Prätor die Frage entscheiden, ob er eher einen Verkauf als eine Verpfändung [von Grundstücken] zulassen soll, und sorgfältig darauf achten, dass bei der Verpfändung von Grundstücken nicht mehr an verzinslichen Darlehen aufgenommen wird, als nötig ist, um die Schulden zu bezahlen, oder – wenn er sich für einen Verkauf entschieden hat – darauf, dass nicht wegen einer [verhältnismäßig] unbedeutenden Schuld ein großer Besitz verkauft wird. Wenn es aber einen anderen Besitz gibt, der kleiner ist oder für ein Mündel weniger nützlich, muss er anordnen, daß eher dieser verkauft wird, statt eines größeren und nützlicheren.

Auch bei diesen Bestimmungen der Digesten fallen viele Parallelen zum isländischen Recht ins Auge. Ein Grundstück darf in beiden Rechten nur veräußert werden, wenn drückende Schulden dies erfordern. Die Vorschriften der Grágás, nach denen zu ermitteln ist, ob der Vormund das Grundstück zum vollen Wert veräußert hat oder nicht, finden eine entfernte Entsprechung im Codex Iustiniani (C. 5, 71, 11 Idem [Impp. Diocletianus et maximianus] AA. Trophimo): Si quidem sine decreto minor annis patronus tuus rusticum praedium venumdedit, supervacuum est de vili pretio tractare, cum senatus consulti auctoritas retento dominio alienandi viam obstruxerit. Si vero iure interposito decreto venditionem vili pretio eius possessionis, cuius vires ignorabat, fecit iuxta perpetui edicti auctoritatem in integrum restitutio causa cognita ei praebetur.

Wenn dein minderjähriger Patron ohne Decret ein ländliches Grundstück verkauft hat, so ist es überflüssig, über die Niedrigkeit des Kaufpreises sich in Erörterungen einzulassen, da die Wirksamkeit des Senatsbeschlusses das Eigenthum erhalten und den Weg der Veräußerung abgeschnitten hat. Hat er aber auf Grund eines gesetzlich erlassene Decrets den Verkauf jener Besitzung, deren wahren Wert er nicht kannte, bewirkt, so wird in Folge der Wirksamkeit des prätorischen

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Edicts die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch nicht ohne [vorgängige] Untersuchung der Sache, gewähret. Hier wird zwar bestimmt, dass über die Höhe des für das Grundstück des Minderjährigen erzielten Kaufpreises deswegen nicht gestritten werden soll, weil die Veräußerung unwirksam ist. Wenn jedoch die Veräußerung aufgrund drückender Schulden für grundsätzlich zulässig gehalten wurde, so ist im Gegenschluss der Weg für eine Erörterung der Frage eröffnet, ob der Kaufpreis angemessen war. Somit kann diese Stelle als Vorbild für die isländischen Regelungen über Jurybefragung gedient haben, ob das Grundstück bestmöglich veräußert wurde. Die sich aus D. 27, 9, 5, 10 ergebende Pflicht des Prätors nachzuprüfen, ob nicht andere Vermögensgegenstände vorrangig veräußert werden können, korrespondiert eng mit der von der Anwohnerjury zu treffenden Aussage, ob nicht ein kleinerer zum Haupthof gehörender Pachthof oder ein Nießbrauch an einem anderen Grundstück vorrangig hätte veräußert werden können. Die im römischen Recht bei der Entscheidung des Prätors zu beachtende Höhe des Zinssatzes eines ausstehenden Darlehens ist in der Grágás inhaltlich durch die Formulierung mit abgedeckt, nach der die Anwohnerjury vergleichen musste, ob der Minderjährige sich vermögensmäßig durch den Verkauf besser oder schlechter steht. Denn nach der Formulierung in der Grágás sind neben dem erzielten Kaufpreis alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen auch die Zinshöhe eines eventuellen Darlehens gehörte. Anders ist die Systematik aber in dem folgenden Punkt. Nach römischem Recht muss jeder Veräußerung eine Erlaubnis des Prätors vorausgehen. Wenn der Prätor die Veräußerungserlaubnis erteilt hat, kann aber das Mündel, auch wenn ein Grundstück schon veräußert wurde, trotzdem noch eine Klage anstrengen, in der nachgeprüft wird, ob die Voraussetzungen für eine Veräußerung tatsächlich vorlagen (D. 27, 9, 5, 15 Ulpianus libro trigesimo quinto ad edictum): Manet actio pupillo, si postea poterit probari obreptum esse praetori. sed videndum est, utrum in rem an in personam dabimus ei actionem. et magis est, ut in rem detur, non tantum in personam adversus tutores sive curatores.

Dem Mündel bleibt eine Klage vorbehalten, wenn später bewiesen werden kann, der Prätor sei hintergangen worden. Doch ist zu überlegen, ob wir dem Mündel eine dingliche oder eine persönliche Klage erteilen. Und es ist richtig, eine dingliche Klage zu erteilen, nicht nur eine persönliche gegen die Vormünder oder Pfleger.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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Nach dem Recht der Grágás dagegen brauchte der Vormund keine Erlaubnis, um ein Grundstück zu veräußern. Erst im Herausgabeprozess des Mündels wurde es als Erlaubnistatbestand zur Veräußerung des Grundstücks angesehen, wenn eine drückende Schuldensituation vorlag und weiterhin das Land zum bestmöglichen Preis veräußert wurde und kein anderes Vermögen zur Verfügung stand als der hauptsächliche Hof. Da nach D. 27, 9, 5, 15 der Minderjährige die Entscheidung des Prätors in einer Klage auf ihre Richtigkeit nachprüfen lassen kann, sind die beiden Rechte in der Praxis sehr weit angenähert. Nachdem dem Mündel im römischen Recht eine dingliche Klage gewährt wird, kann er vom Besitzer (vermutlich mit einer rei vindicatio) sein Grundstück direkt herausverlangen. Darauf wird der Beklagte des Mündels mit der actio auctoritates seinen Veräußerer zur Gewährschaftshilfe auffordern. Dies geht möglicherweise über mehrere Stufen, bis am Ende der Vormund steht, der dann nachweisen muss, dass er tatsächlich zur Veräußerung berechtigt war, weil eine so drückende Schuldensituation vorlag, wie sie in D. 27, 9, 5, 9–10 beschrieben wird. Noch erwähnt werden soll die Bestimmung C. 5, 71, 16 (Idem [Imp. Diocletianus et maximianus] AA. et (C. Eutychiae), nach der der Besitzer dem Minderjährigen die Arglisteinrede entgegenhalten konnte, wenn der Minderjährige aufgrund seiner Schulden oder sonstigen Lasten ohnehin zum Verkauf genötigt gewesen wäre: Si praedium rusticum vel suburbanum, quod ab urbanis non loco, sed qualitate secernitur, in pupillari aetate constituta tutore auctore vel adulta sine decreto praesidis provinciae in qua situm est venumdedisti, secundum sententiam senatus consulti dominium eius sive ius a te discedere non potuit, sed vindicationem eius et fructuum, vel his non existentibus condictionem competere constitit. Emptor autem si probare potuerit ex ceteris facultatibus oboedire te muneribus sive honoribus non potuisse, at utilitates praeterea tuas cecisse pecuniam, quam pretii nomine sumpseras, doli exceptionis auxilio pretium cum usuris, quas praestatura esses, et sumptus meliorati praedii servare tantummodo potest.

Hast du ein ländliches oder ein einträgliches städtisches (suburbanum) Grundstück, welches von den eigentlichen städtischen (urbanis) [Grundstücken] nicht durch örtliche Lage, sondern durch die Beschaffenheit sich unterscheidet, während deiner Unmündigkeit mit Ermächtigung deines Vormundes oder während deiner Minderjährigkeit, ohne Decret des Präsidenten der Provinz, in welcher es belegen ist, verkauft, so hat nach Meinung des Senatsbeschlusses das Eigenthum desselben oder das Recht darauf nicht verloren gehen können, vielmehr stehet dir unbedenklich die Vindication desselben und der Nutzungen oder, wenn diese nicht

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[mehr] vorhanden sind, [auf Ersatz derselben] eine persönliche Klage zu. Wenn aber der Käufer nachweisen könnte, dass du aus deinem übrigen Vermögen deine Verpflichtungen oder Lasten nicht hättest bestreiten können, und überdies das Geld, welches du als Kaufpreis empfangen, in deinem Nutzen verwendet sei, so kann er nur mittelst der Einrede der Arglist den Kaufpreis nebst den Zinsen, welche du entrichtet haben würdest, und die Kosten für die Verbesserung des Grundstücks erhalten. Auch diese Vorschrift des Codex Iustiniani führt bei letztendlich unumgehbarer Veräußerung dazu, dass keine Rückforderung möglich ist, weil das Geld für notwendige Aufwendungen des Minderjährigen verwendet worden ist. Es können kaum vernünftige Zweifel daran bestehen, dass die isländische Regelung über die Rückforderung von Grundstücken durch den volljährig gewordenen Minderjährigen in Kenntnis der Digestentitel in D. 27, 9 geschaffen wurden. Ansonsten wäre es kaum zu erklären, warum genau dieselben Kriterien für die Berechtigung des Vormundes, das Grundstück zu veräußern, vorgesehen sind und warum die prozessuale Situation so überaus ähnlich ist, wenn auch freilich mit der Abweichung, dass die Prüfung, ob das Grundstück veräußert werden darf, in Island inzident im Rückforderungsprozess des ehemaligen Minderjährigen erfolgt und nach dem justinianischen Recht im vorhinein vom Prätor vorzunehmen war. Diese nicht weiter bedeutsame Abweichung erklärt sich daraus, dass es in Island keine Amtsträger wie den Prätor gab, die eine derartige Prüfung hätten verantwortlich durchführen können. Die Goden und die lqgrétta hatten eine andere Funktion. Aufgrund der Ausgestaltung der isländischen Regelung, die den Nachweis des Vormundes an das Ende der Gewährschaftskette setzt, ist es wahrscheinlich, dass im römischen Recht, wie es im 11. Jahrhundert in Byzanz galt, die dem Mündel in D. 27, 9, 1, 2 und D. 27, 9, 6, 15 gewährte dingliche Herausgabeklage gegen den Besitzer des Grundstücks in der Praxis mit der actio auctoritatis verknüpft war, über welche alle Zwischenerwerber bis zurück zum Vormund in das Verfahren hineingezogen wurden.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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5.1.3.2.3. actio auctoritatis bei Grenzstreitigkeiten Dasselbe Verfahren soll auch angewandt werden, wenn aufgrund einer streitigen Grenze die Nutzung eines Grundstückes mit Untersagungsverfügung (ly´ rittr) untersagt wird. Dann soll derjenige, dem die Nutzung untersagt wird, seinerseits auf Herausgabe des streitigen Landstückes klagen. Dies nötigt denjenigen, der zuerst die Nutzung untersagt hat, seinerseits seine Berechtigung anhand der Berechtigtenkette nachzuweisen. Sa majr er land er brigt. scal quejia heimildar man sin heimildar. eja stefna honom ella. a enom næsta manaje er honom er stefnt. oc sva scolo peir aller er petta land hava átt sökiaz til heimildar. oc en sömo at ferlle öll scolo peir hava aller sin a mille. sem par var tínt. er land brigjiz. Oc slíct spiller hverr fyrir ser er eigi er stefnt. eja. quat amanajar freste sem hizeg var tínt.90

Derjenige, der auf Herausgabe des Landes in Anspruch genommen wird, soll seinen Gewährsmann zur Rechenschaftsablegung auffordern oder ihn ansonsten verklagen innerhalb eines Monats, nachdem er selber verklagt wurde. Und so sollen alle, die das Land gehabt haben, Rechenschaft ablegen und sie sollen alle untereinander dieselbe Vorgehensweise einhalten, die dort aufgezählt war, wenn das Land herausverlangt wird. Und ebenso verdirbt es sich jeder selber, wenn nicht binnen Monatsfrist verklagt wird oder herbeigerufen, wie dort aufgezählt wurde.

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Nachdem das gesamte Verfahren schon sehr ausführlich im Kap. 389 der Stajarhólsbók erläutert wurde, wird in diesem Kapitel auf die zuvor ausführlich behandelten Regelungen verwiesen. Grenzstreitigkeiten wurden im justinianischen Recht mit der actio finium regundorum gelöst,91 die eine richterliche adiudicatio vorsah, mit der die Grenze für jedermann verbindlich festgesetzt und den Nachbarn an den beiderseits der Grenze liegenden Grundflächen Eigentum verliehen wird.92 Ein etwaiger Wertausgleich war in Geld vorzunehmen.93 90

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Grágás II, Kap. 392, S. 424.08–14, vgl. etwas verändert Grágás Ib, Kap. 174, S. 81.23–82.06 Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 272 (§ 241 IV.2.f )). Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 409 (§ 98 III.10.), S. 412 (§ 99 II.3) Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht I2, S. 142 f.(§ 37 III.).

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Einzelne Bestimmungen

5.1.3.2.4. Gewährschaftsklage in der Lex Salica Die Regelungen der Grágás über die Gewährschaftsklage, bei denen der Weg, den eine Sache genommen hat, verfahrensmäßig nachgezeichnet wird, indem jeder denjenigen zu Gericht vorlädt, von dem er die Sache erhalten hat, sind nicht die einzigen eines Volkes germanischer Sprache. In der Lex Salica findet sich ein Titel, in dem auch eine Gewährschaftsklage geregelt ist.94 Dort handelt es sich aber um bewegliche Sachen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie durch einen Raub erlangt wurden. Wie auch bei den anderen Fällen, in denen die Lex Salica (entfernte) Parallelen zur Grágás aufweist, ist hier eher an eine Beeinflussung der Lex Salica durch das römische Recht zu denken, als dass eine Verbindung der Grágás zu diesem Gesetzbuch naheliegend wäre, inbesondere, da die Regeln der Grágás zur Landeinforderung eines Minderjährigen so verblüffend ähnlich den entsprechenden Regelungen in den Digesten sind, dass es kaum denkbar erscheint, dass diese Bestimmungen einen anderen Ursprung haben als den dortigen. Ob allerdings vor diesem Hintergrund die Einschätzung Bestand haben kann, nach der die Lex Salica „kaum Beispiele für eine direkte Abhängigkeit vom spätantiken Recht“ enthält, mag man bezweifeln.95 5.1.4. Erbrecht Der Erbrechtsabschnitt ist in der Stajarhólsbók deutlich umfangreicher als in der Konungsbók, was sich dadurch erklärt, dass wiederum viele Vorschriften in der Stajarhólsbók ausführlicher und detailreicher sind. Auch im Erbrecht gibt es einige Normen, die Parallelen zum römischen Recht aufweisen. 5.1.4.1. Anrechung von Geschenken auf den Erbteil Im Erbrechtsabschnitt der Grágás finden sich Regelungen darüber, dass besondere Zuwendungen des Erblassers zu seinen Lebzeiten an eines seiner Kinder im Erbfall zunächst auszugleichen sind, bevor die Erbschaft nach den allgemeinen Regeln aufzuteilen ist.

94

95

Vgl. Lex Salica (100 Titel-Text), Karl August Eckhardt (Hrsg.), Titel 82, S. 210 ff. sowie Pactus legis Salicae (65 Titel-Text), Titel 47, Karl August Eckhardt (Hrsg.), S. 292 ff. So aber Ruth Schmidt-Wiegand, Lex Salica, in: RGA 18, S. 326(327).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

331

96

Ef menn hafa gefit sonum sinom til farar eja til quanar mundar. oc sva ef hann hefir golldit giölld fyrir hann. oc sva ef hann hevir öxt honom fe fyr en hann er .xvi. vetra gamall. Pa scolo hinir ajrir taca slict af odeildum arfe sem pat var er hann var xvi. vetra gamall. Pa scal hverr peirra taca af féno er peim tömiz arfrinn. Nv hevir peim öxt verit fleirum feit eja gefit en sumum meira en sumum oc scolo peir sva scipta sem peim væri iafn mikit öllum gefit feet epa öxt. Peir scolo a vaxta lavsan pann mismuna heimta sem peirra var i pvi gör lengr er peim tömiz.

96

Wenn Leute ihren Söhnen etwas zu einer Fahrt 96 oder für ein Brautgeld gegeben haben und ebenso, wenn er [Buß]Zahlungen für ihn erbracht hat und ebenso, wenn er Gut [Vieh] für ihn vermehrt hat, bevor er 16 Winter alt ist: Dann sollen die anderen so viel vom ungeteilten Erbe erhalten, wie es dann war, als er 16 Winter alt war. Jeder von ihnen soll dann von dem Gut nehmen, wenn ihnen das Erbe anfällt. Wenn mehreren Gut [Vieh] vermehrt oder geschenkt wurde und einigen mehr als anderen, dann sollen sie so teilen, als wenn allen gleich viel an Gut [Vieh] gegeben oder vermehrt worden wäre. Sie sollen zinslos den Unterschied verlangen, der zwischen ihnen dabei gemacht wurde, wenn ihnen [das Erbe] anfällt.

Gemeint ist vermutlich eine Fahrt ins Ausland, um Ruhm und Reichtum zu erwerben und etwas von der Welt zu sehen. In vielen Sagas wird berichtet, dass Leute nach einem Auslandsaufenthalt zu Hause in Island großes Ansehen genossen. Wie erstrebenswert es bereits damals war, andere Regionen der Welt zu sehen, um seinen Horizont zu erweitern, illustriert das gebräuchliche Adjektiv heimskr, das ‚dumm‘, ‚ungebildet‘ bedeutet und von heima ‚zu Hause‘ abgeleitet ist, vgl. Jan de Vries, Altnordisches Etymologisches Wörterbuch2, s.v. heimskr (S. 219); Ásgeir Blöndal Magnússon, Íslensk orjsifjabók, s.v. heimskur (S. 316). Vgl. auch althochdeutsch heimisc, neuhochdeutsch heimisch. Vgl. auch die Hávamál in der Edda, Strophe 5.1–3 Vitz er pqrf, peim er víja ratar; dælt er heima hvat. („Verstand ist vonnöten für den, der weithin herumkommt; zu Hause ist (ja) alles einfach.“) und Strophe 18.1–3 Sá einn veit, er víja ratar oc hefir fjqlj um farit. („Einzig derjenige weiß, der weithin herumkommt und viel gereist ist.“) – In der vorangehenden Norm, ist bestimmt, dass eine Mutter, die ihrem Sohn Geld für eine theologische Ausbilung bzw. Studium allgemein (til læringar) gibt, dieses Geld von seinem Erbe vorrangig vor dem Vater zurückerhält, falls er kinderlos vorverstirbt (vgl. Grágás II, Kap. 57, S. 64.22–65.02). Da diese Vorschrift in beiden Handschriften am Anfang des Erbrechtsabschnittes steht, ist davon auszugehen, dass sie schon Bestandteil der Haflijaskrá war. Somit sind anscheinend bereits die Gesetze zu Anfang des 12. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass einige Leute ihren Kindern eine umfangreiche Ausbildung zahlen und dies auf das Erbe anzurechnen ist. Diese Norm hat auch enge Parallen in den jüngeren norwegischen Landschaftsgesetzen von Magnús Lagabœtir Hákonarson, vgl. Ólafur Lárusson, Grágás og lögbækurnar, S. 43.

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Einzelne Bestimmungen

Nu hefir meiri munr peirra gør verit enn iarfinom megi iafna lut peirra pa eigo peir heimting sin a avra iam margra sem ipat misir. vij pa er ajr höfju af feno haft.97

Wenn zwischen ihnen ein größerer Unterschied gemacht wurde, als dass man mit dem Erbe ihren Anteil ausgleichen könnte, dann haben sie Anspruch gegen die, welche zuvor von dem Gut etwas erhalten haben, auf so viele ihrer Öre, wie daran fehlt [bis dass der Unterschiedsbetrag ausgeglichen ist].

97

Im römischen Recht fand seit Kaiser Zeno eine Anrechnung einer von den 99 Eltern gewährten dos auf den Pflichtteil an:98 Quoniam novella constituto divi Leonis ante nuptias donationem a filio conferri ad similitudinem dotis quae a filia confertur praecepit, etiam ante nuptias donationem filio in quartam paecipimus imputari.

Eodemque modo cum mater pro filia dotem vel pro filia dotem vel pro filio ante nuptias donationem vel avus paternus aut maternus vel avia paternia aut materna pro sua nepte vel pro suo nepote vel proavus itidem vel proavia paterna aut materna pro sua pronepte vel pro suo pronepote dederit, non tantum eandem dotem vel donationem conferri, verum etiam in quartam partem ad excludendam inofficiosi querellam tam dotem datam quam ante nuptias donationem praefato modo volumus imputari, si ex substantia euius profecta sit, cuius de hereditate agitur.99 97 98 99

Weil eine neue Constitution des höchstseligen Leo verordnet hat, dass die Schenkung vor der Ehe nach Art des Heirathsguts, welches von der Tochter eingeworfen wird, von dem Sohne eingeworfen werden solle, so verordnen Wir nun, dass auch eine Schenkung vor der Ehe dem Sohne in das Viertheil (den Pflichtteil) eingerechnet werden solle. Und Wir wollen, dass auf dieselbe Weise, wenn der Vater oder die Mutter für die Tochter ein Heirathsgut oder für den Sohn eine Schenkung vor der Ehe, oder der Großvater von väterlicher oder mütterlicher Seite, oder die Grossmutter von väterlicher oder mütterlicher Seite für ihre Enkelin [ein Heirathsgut] oder für ihren Enkel [eine Schenkung vor der Ehe] oder der Urgrossvater ebenfalls sowohl von väterlicher, als der von mütterlichen Seite, oder die Urgroßmutter von väterlicher oder

Grágás II, Kap. 57, S. 65.03–15; vgl. Grágás Ia, Kap. 118, S. 221.06–18. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 520 (§ 290 I.5.). C. 3, 28, 29 (Imp. Zeno A. Sebastiano pp.).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

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mütterlicher Seite für ihre Urenkelin [ein Heirathsgut] oder für ihren Urenkel [eine Schenkung vor der Ehe] bestellt haben, nicht nur eben dieses Heirathsgut oder diese Schenkung eingeworfen, sondern auch sowohl das bestellte Heirathsgut, als die bestellte Schenkung vor der Ehe auf die angegebene Weise, um die Beschwerde wegen lieblosen Testaments auszuschliessen, in den vierten Teil (Pflichttheil) eingerechnet werden soll, wenn nämlich das Heirathsgut oder die Schenkung aus dem Vermögen Desjenigen hergerührt hat, um dessen Erbschaft es sich handelt. Diese Vorschrift wurde von Justinian in C. 3, 28, 35, 1–2 auch auf sonstige Schenkungen des Erblassers unter Lebenden erstreckt, wenn er sie mit der Bestimmung verbunden hat, dass sie angerechnet werden sollen.100 Damit finden sich in der Grágás Normen über die Anrechnung von Zuwendungen des Erlassers noch zu seinen Lebzeiten auf den späteren Erbteil, die inhaltlich sehr weitgehend dem römischen Recht bei Justinian entsprechen. 5.1.4.2. Erbenhaftung Die Grágás geht von dem Grundsatz aus, dass niemand die Schulden eines vermögenslosen Erblassers bezahlen muss. Ist dagegen Vermögen vorhanden, der Nachlass aber überschuldet, so ist der Erbe verpflichtet, die Gläubiger zum „Schuldengericht“, einer Art Nachlasskonkurs, zu laden. Auf einen vorangestellten Grundsatz folgt eine Legaldefinition, wann jemand als vermögenslos gilt. Darauf folgt dann die Bestimmung, wann zum Schuldengericht zu laden ist, sowie wann die unbeschränkte Erbenhaftung droht:

100

Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 520 (§ 290 I.5).

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Einzelne Bestimmungen

her er vm skullda dom. .viii Ef sa majr andaz er öreigi er. oc er engi majr scylldr at giallda sculldir hans. Pa var hann öreigi. ef hann átte eigi eptir mork eja meira fe. Nu var par meira fe. oc voro po scylldir meire en fe. oc er erfinge scylldr at bioja til scullda doms eptir han ef hann hafji átt eptir mörk eja meira fe. Nu ef hann byjr eigi til scullda doms. at lögum. eja gelldr hann nockorom manne af feno. ajr hann bioja til scullda domsens. pa scal hann giallda allar sculldir mepan hans avrar vinaz til. eigi a hann i scullda at ganga fyrir.101

Hier wird das Schuldengericht behandelt. [Kapitel] 8 [des Abschnittes] Wenn derjenige stirbt, der vermögenslos ist, so ist keiner verpflichtet, seine Schulden zu bezahlen. Dann war er vermögenslos, wenn er nicht eine Mark oder mehr Vermögen nachließ. Wenn mehr Geld vorhanden war, aber dennoch die Schulden größer waren als das Vermögen, so ist der Erbe ist verpflichtet, zum Schuldengericht nach ihm [dem Verstorbenen] zu laden, wenn er eine Mark oder mehr Vermögen übrig hatte. Wenn er nicht gemäß dem Gesetz zum Schuldengericht lädt oder irgend jemandem (etwas) von dem Geld zahlt, bevor er zum Schuldengericht lädt, dann soll er alle Schulden bezahlen, solange seine Öre dazu ausreichen; er soll aber nicht in die Schuldknechtschaft dafür gehen.

101

Der im Einleitungssatz des Kapitels über das Schuldengericht allgemein aufgestellte Grundsatz, dass niemand die Schulden eines überschuldeten Erblassers bezahlen muss, steht möglicherweise deswegen so programmatisch am Beginn des Kapitels, weil im römischen Recht der Erbe grundsätzlich unbeschränkt haftete. Der vorangestellte Grundsatz des isländischen Rechts kann daher – bewusst oder unbewusst – als programmatische Gegenüberstellung zum römischen Recht formuliert worden sein. Erst Justinian führte mit dem beneficiium inventarii die Möglichkeit ein, die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränken zu können.102

101 102

Grágás II, Kap. 184, S. 225.01–10; vgl. Grágás Ib, Kap. 223, S. 148.15–24. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht2 II, S. 543 (§ 295 III.); Max Kaser, Römisches Privatrecht, 16. Aufl. (1992), S. 327 (§ 71 II.3.); S. 335 (§ 74 II.3.). Auch im 11. Jahrhundert bestand diese Möglichkeit fort, wie aus einer Nennung dieses beneficiiums bei Michael Attaleiates zu schließen ist, vgl. den Nachweis bei Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 195 mit Fn. 620.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Cum igitur hereditas ad quendam sive ex testamento sive ab intestato fuerit delata, sive ex asse sive ex parte, si quidem recta via adire maluerit hereditatem et spe certissima hoc fecerit vel sese immiscuerit, ut non postea eam repudiet, nullo indiget inventario, cum omnibus creditoribus suppositus est, utpote hereditate ei ex sua voluntate infixa.103

335

Wenn also Jemandem eine Erbschaft angefallen ist, mag es nun aus einem Testamente sein, oder vermöge der gesetzlichen Erbfolge, entweder als Universalerbe, oder nur zu einem Theile, und er hat es vorgezogen, dieselbe unmittelbar mit wohlbegründeten Hoffnungen anzutreten, so darf er sie hernach nicht ausschlagen und bedarf keines Inventariums, weil er aus der ganz seinem Willen gemäß übernommenen Erbschaft sämmtlichen Gläubigern gerecht werden muss.

103104

Sehr wortreich ist in dieser von Justinian erlassenen Vorschrift sodann dargelegt, wie das Inventar zu errichten ist, so dass die Nachlassschulden nicht auch vom Erben mit seinem schon vorhandenen Vermögen zu begleichen sind. Et si praefatam observationem inventarii faciendi solidaverint, et hereditatem sine periculo hebeant et legis Falcidiae adversus legatarios utantur beneficio, ut in tantum hereditariis creditoribus teneantur, in quantam res substantiae ad eos devolutae valeant. Et eis satisfaciant, qui primi veniant creditores, et, si nihil reliquum est, posteriores venientes repellantur et nihil ex sua substantia penitus heredes amittant, ne, dum lucrum facere sperant, in damnum incidant. […]104

103 104

Haben die Erben die oben gedachte Vorschrift, wegen Anfertigung des Inventarii, vollständig befolgt, so können sie die Erbschaft ohne Gefahr besitzen und sich der Rechtswohlthat des Falcidischen Gesetze gegen die Legatarien bedienen und sind den Erbschaftsgläubigern nur insoweit verhaftet, als das auf sie verfällte erbschaftliche Vermögen reicht. Sie dürften nur den Gläubigern, welche sich zuerst melden, gerecht werden und sind, wenn der Nachlass erschöpft ist, die später andringenden zurückzuweisen wohl befugt und auch nicht verpflichtet, etwas aus ihrem Vermögen herzugeben, damit ihnen nicht, indem sie sich auf Gewinn Rechnung machen, Nachtheil erwachse. […]

C. 6, 30, 22, 1a (Idem [Imp. Iustinianus] A. ad senatum). C. 6, 30, 22, 4–4a (Idem [Imp. Iustinianus] A. ad senatum).

336

Einzelne Bestimmungen

Trotz des unterschiedlichen Ansatzes der unbeschränkten Erbenhaftung mit Begrenzungsmöglichkeit im justinianischen Recht einerseits und der beschränkten Erbenhaftung, die sich auf das Vermögen des Erben erstrecken konnte, in der Grágás andererseits, weisen die Vorschriften Parallelen darin auf, dass sie beide das Thema der überschuldeten Erbschaft zum Gegenstand haben, und Begrenzungsmechanismen vorsehen. Während im justinianischen Recht der Prioritätsgrundsatz gilt, sieht das isländische Recht grundsätzlich eine Quotenbildung für den Fall vor, dass der Nachlass nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. Ziel des Schuldengerichts auf Island ist die möglichst vollständige Befriedigung aller Gläubiger: Par scal huerr hafa sina avra ef sua ma.105

Dort soll jeder seine Öre erhalten, wenn es möglich ist.

105

Wenn dieses Ziel nicht erreicht werden kann, soll nach den folgenden Grundsätzen verfahren werden: Jafnt scolo allir missa sin a avra peir er par átto ef eigi vinz til scullda. peir er eigi hafa vejmælt. oc scal par alla avra iafnt scerja.106

Gleichermaßen sollen dort alle ihre Öre einbüßen, die sie dort [zu bekommen] hatten, wenn es nicht für die Schulden ausreicht, diejenigen, die nicht gepfändet haben. Und es sollen dort alle Öre gleichermaßen verringert werden.

106

Hierin weicht das isländische vom justinianischen Recht ab, da dieses bei einem überschuldeten Nachlass keine Quotenbildung wie im Konkurs kennt.107 Übereinstimmend regeln aber beide Rechte, dass Gläubiger, deren Forderung pfandrechtlich gesichert war, besser behandelt werden als ungesicherte Gläubiger. Ef majr atti vej mælt ife hans oc scal hann hafa pat ef hann hefir at lögom vej mælt. oc lyst at lögum. Nu hafa par .ii. menn vej mæltan ein grip. oc bapir at 105 106 107

Wenn jemand ein Pfandrecht an seinem Gut angebracht hatte, so soll er dieses haben, wenn er es nach dem Gesetz gepfändet und angezeigt hat.

Grágás II, Kap. 185, S. 226.23. Grágás II, Kap. 185, S. 227.24–228.02. Vgl. Max Kaser, Das römische Privatrecht2 II, S. 544 (§ 295 III.).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

lögum. pa scal sa hafa er fyr vej mælti. En ef eigi hafa bajir at lögum vejmælt. pa scal sa er at lögum. hefir vej mælt. Nu hefir hvargi at lögom vej mælt. pa scal hvargi hafa. Pott hann hafi betra grip vejmæltan enn hans sculld gegni. oc scal hann eigi hava huegi er mælt var. meira enn hans sculld var fyrir ondverjo. Rétt er at peir .v. buar virji gripin er pangat ero quaddir. pan er hin hafji vejmæltan. oc scal hann pa sciota imóti slíco sem peir virja gripin dyr a en hans sculld var fyrir ondverjo. oc scal hann pa hafa gripin.108

337

Wenn zwei Leute dort einen Gegenstand gepfändet haben und beide gemäß dem Gesetz, dann soll ihn der erhalten, der ihn zuerst pfändete. Wenn nicht beide gemäß dem Gesetz gepfändet haben, dann soll der (den Gegenstand erhalten), der nach dem Gesetz gepfändet hat. Wenn keiner nach dem Gesetz gepfändet hat, dann soll ihn keiner haben. Auch wenn er sich einen besseren Gegenstand gepfändet hat, als seine Forderung ausmachte, so soll er nicht – gleich was bestimmt war – mehr erhalten als seine Forderung von Anfang an betrug. Es ist zulässig, dass die 5 Anwohner, die dorthin herbeigerufen wurden, den Gegenstand, den der andere gepfändet hatte, bewerten, und soll er dann so viel dazu schießen, wie sie den Gegenstand teurer bewerten als seine Forderung von Anfang an war und soll er dann den Gegenstand erhalten.

108109

Bemerkenswert ist an dieser Stelle, die auch das Prioritätsprinzip bei der Pfandrechtsbestellung wiedergibt, dass das Pfandrecht besitzlos war. Weiterhin ist beachtlich, dass ein pfandrechtlich gesicherter Gläubiger nur soviel erhält, wie seine ursprüngliche Forderung ausmachte und er den überschießenden Betrag, quasi das superfluum um den der Pfandgegenstand mehr wert ist als seine Forderung, in die Masse einzahlen muss. Der Prioritätsgrundsatz bei der Verpfändung findet sich im römischen Recht beispielsweise in der folgenden Norm: [… .] nam cum de pignore utraque pars contendat, praevalet iure, qui praevenit tempore.109

108 109

Grágás II, Kap. 185, S. 227.12–24. C. 8, 17, 2 (Imp. Antoninus A. Chresto).

Denn wenn beide Theile um ein Pfand streiten, so hat der ein Vorzugsrecht, wer der Zeit nach zuvorgekommen ist.

338

Einzelne Bestimmungen

Auch im justinianischen Recht ist vorgesehen, dass pfandrechtlich gesicherte Gläubiger bevorzugt werden sollen.110 Speziell auf die Geltendmachung von dinglichen Sicherungsrechten gegenüber einem Nachlass geht die folgende Bestimmung ein: Sin vero heredes res hereditarias creditoribus hereditariis pro debito dederint in solutum vel per dationem pecuniarum satis eis fecerint, liceat aliis creditoribus, qui ex anterioribus veniunt hypothecis, adversos eos venire et a posterioribus creditoribus secundum leges eas abtrahere vel per hypothecariam actionem vel per condictionem ex lege, nisi voluerint debitum eis offerre.111

Haben jedoch die Erben Erbschaftsgläubigern Vermögensstücke der Erbschaft für die Schuld an Zahlungsstatt gegeben oder sie durch baare Zahlung befriedigt, so steht den anderen Gläubigern, welche frühere Hypotheken haben, das Recht zu, gegen diese aufzutreten, und den späteren Gläubigern solche entweder durch die hypothekarische Klage oder eine Condiction aus dem Gesetze den gesetzlichen Vorschriften gemäss wieder zu entziehen, im Fall diese sich nicht zur Zahlung der Schuld erbieten.

111

Mit dieser Vorschrift wird im justinianischen Recht ein Ausgleich unter pfandrechtlich gesicherten Gläubigern und solchen ermöglicht, die auf ihre ungesicherte Forderung bereits nach dem Prioritätsprinzip von den Erben befriedigt wurden. Innerhalb der Gruppe der dinglich gesicherten Gläubiger gehen die Inhaber älterer Pfandrechte vor. Damit entspricht die materiell-rechtliche Lösung derjenigen der Grágás, nach der die dinglich gesicherten Gläubiger beim Schuldengericht bevorrechtigt waren. Doch auch in der Grágás gibt es die Möglichkeit, nach bereits erfolgter Verteilung des Nachlasses an die Gläubiger seine Forderung noch durchzusetzen, sofern man an der Teilnahme am Schuldengericht verhindert war:

110

111

Vgl. C. 8, 17, 9 (Idem [Impp. Diocletianus et Maximianus] AA. et (C. Asclepiodoto): Eos qui acceperunt pignora, cum in rem habeant actionem, privilegiis omnibus, quae personalibus actionibus competunt, praeferri constit. („Es ist bekannt, dass diejenigen, die ein Pfand erhalten haben, weil sie eine dingliche Klage haben, allen Privilegien, welche den persönlichen Klagen zustehen, vorgezogen werden.“) C. 6, 30, 22, 6 (Idem [Imp. Iustinianus] ad senatum).

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Enga heimting a sa til sins fiar er eigi ger til scullda domsins koma. Nu matti hann eigi coma til sculda domsins. eja spurpi hann eigi at domr scylldi vera. pa scal hann lysa söc at lögbergi a hönd peim mönnom öllom er par toco fe. til giallda oc til ut göngo slícs fiar sem a hans lut mundi coma ef hann væri par. oc lysa til pes fiorjungs doms sem domrin var i áttr. oc a honom at døma sina avra sva at peir missi allir iamt.112

339

Keinen Anspruch auf sein Gut hat derjenige, der nicht zum Schuldengericht erscheint [wörtlich: erscheinen tut]. Wenn er nicht zum Schuldengericht kommen konnte oder er nicht erfuhr, dass ein Gericht abgehalten werden sollte, dann soll er die Sache am Gesetzesfelsen gegen alle diejenigen bekannt machen, die dort Gut erhielten, zur Zahlung und zur Übergabe so viel Gutes, wie auf seinen Anteil entfallen wäre, wenn er dort gewesen wäre. Es soll zu dem Viertelsgericht bekannt gemacht werden, in dessen Viertel das Gericht abgehalten wurde und sollen ihm alle seine Öre so zugeurteilt werden, dass sie alle gleichviel einbüßen.

112113

Der oben angesprochene Gedanke in der Grágás, nach dem das superfluum an die übrigen Gläubiger auszuschütten ist, um den verpfändeten Gegenstand zu erhalten, findet ebenfalls eine Parallele im römischen Recht. Deutlich wird dieser Gedanke beispielsweise in folgender Norm: Creditor iudicio, quod de pignore dato proponitur, ut superfluum pretii cum usuris restituat, iure cogitur, nec audiendus erit, si velit emptorem delegare, cum in venditione, quae fit ex facto, suum creditor negotium gerat.113

112 113

Mit der Klage, die hinsichtlich des bestellten Pfandrechts vorgesehen ist, wird der Gläubiger zu Recht gezwungen, den Überschuß des Kaufpreises mit Zinsen herauszugeben, und er ist nicht damit zu hören, wenn er [den Käufer des Pfandes] anweist, [den geschuldeten Überschuß] dem Schuldner zu versprechen, da der Gläubiger bei dem Verkauf, der aufgrund der Verkaufsabrede geschieht, sein eigenes Geschäft führt.

Grágás II, Kap. 185, S. 228.08–15; vgl. Grágás Ib, Kap. 223, S. 151.25–152.03. D. 13, 7, 42 (Papinianus libro tertio responsorum); vgl. aber auch Gai. D. 20, 1, 15, 2; Tryph. D. 20, 4, 20 und C. 8, 27, 20 sowie Max Kaser, Das römische Privatrecht2 I, S. 537 (§ 127 I.).

340

Einzelne Bestimmungen

Im römischen Recht wird jeweils vorausgesetzt, dass ein Pfandverkauf zu erfolgen hatte, während im isländischen Recht von einem Verfallpfand ausgegangen wird. Die grundsätzliche Wertung, dass das superfluum auszukehren ist, ist jedoch in beiden Rechtskreisen dieselbe. In diesem Regelungskomplex der Grágás befindet sich an zwei Stellen das bereits oben S. 203 erwähnte Wort fjárvon, das höchstwahrscheinlich eine Lehnübersetzung darstellt und ins Lateinische wörtlich mit spes pecuniae zu übersetzen ist und ebenso wie die lateinische Wendung eine Genitivkonstruktion ist.114 5.1.5. Strafrechtliche Bestimmungen Der sehr umfangreiche Strafrechtsabschnitt Vígslóji der Grágás ist der einzige Abschnitt der Grágás, für den aufgrund der Angabe von Ari fróji Porgilsson in der Íslendingabók definitiv feststeht, dass er bereits im Winter 1117/1118 aufgezeichnet wurde.115 Bereits aus diesem Grunde wäre eine vertiefte Untersuchung dieses Abschnittes im Vergleich zum römischrechtlich geprägten Strafrecht aus dem Byzanz des 11. Jahrhunderts sehr wünschenswert. Anders als das Zivilrecht bietet aber das Strafrecht in Byzanz keine „rechtlichen Gestaltungen, wie sie sich gleichzeitig oder später in den germanisch-romanischen Staaten des Abendlandes entwickelten.“116 Vielmehr ist es durch die Gesetzgebung der isaurischen Kaiser geprägt und soll deshalb keinen Gewinn für die bessere Erkenntnis und Beurteilung des justinianischen Strafrechts bieten.117 Das Strafrecht im Byzanz des hier interessierenden Zeitraums wurde vielfach auch in der Zusammenstellung    von Michael Attaleiates aus den Jahren 1073/1074 praktisch relevant.118 Dieses Werk ist zwar im Druck erschienen, liegt jedoch anscheinend in keiner Übersetzung in eine neuere Sprache vor. Aus diesem Grunde soll hier keine tiefer gehende Analyse des Vígslóji im Hinblick auf mögliche römisch-rechtliche Einflüsse aus Byzanz erfolgen, weil es scheint, dass dieser Vergleich auf einer allzu unsicheren Grundlage stünde, da somit hier die späteren Gesetzgebungswerke der byzantinischen Kaiser sowie das 114 115 116

117

118

Vgl. Grágás II, Kap. 185, S. 225.22, S. 226.13. Vgl. oben S. 48. Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 325. Vgl. Eduard Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch-römischen Rechts3, S. 325. Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. XII Teil 5.2, S. 341(465) m.w.N.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

341

Werk des Michael Attaleiates nicht zum Vergleich herangezogen werden können. Eine charakterisierende Äußerung über das byzantinische Strafrecht zeigt aber bereits, dass es sehr lohnend sein könnte, dieses Recht mit dem Strafrecht der Grágás zu vergleichen. Ihrzufolge darf es bei der Mangelhaftigkeit der byzantinischen Strafrechtspflege nicht Wunder nehmen, dass im gewöhnlichen Leben der Verletzte geneigt war, sich mit dem Verbrecher vergleichsweise abzufinden.119 Diese Tendenz erinnert sehr stark an die allgegenwärtigen Vergleiche in Strafsachen im 12. und 13. Jahrhundert in Island (vergleiche oben S. 142 die Schilderung wie das Waldgangsurteil gegen Porgils Oddason durch einen sehr teuren Vergleich im Wege des Selbsturteils von Hafliji Másson aus der Welt geschafft wurde). An dieser Stelle, wo es um grundlegende Zusammenhänge geht, dürfte es ausreichen, einige Merkmale des isländischen Strafrechts etwas näher darzulegen, um eine grundsätzliche Verwandtschaft mit dem römischen bzw. byzantinischen Strafrecht aufzuzeigen. Im isländischen Recht finden sich nämlich einige sehr modern wirkende Besonderheiten, die die Grágás von anderen Gesetzbüchern für Völker einer germanischen Sprache abhebt. So wird in der Grágás der Versuch einer Straftat unter Strafe gestellt und auch die Anstiftung zu einer Straftat wird pönalisiert. 5.1.5.1. Strafbarkeit des Versuchs

120

Die Strafbarkeit des Versuchs einer Straftat ist in der Grágás deutlich für den Fall geregelt, dass Körperverletzungs- und Tötungsdelikte geplant sind. Hvar pes er menn fara mej pan hug heiman at peir vilia a mönnom vina. og varjar s cog gang ef fram kømr. en fiör bavgs garj ella.120

119 120

Immer, wenn Leute mit dem Sinn von zu Hause losziehen, dass sie Leuten etwas zufügen wollen, steht darauf Waldgang, wenn es umgesetzt wird, und ansonsten dreijährige Landesverweisung.

Vgl. Peter E. Pieler, Byzantinische Rechtsliteratur, S. 326. Grágás II, Kap. 270, S. 299.16–18; vgl. Grágás Ia, Kap. 86, S. 145.22–146.02: Hvar pess er menn fara mej pan hug at a monnom vilia vinna. oc varjar pat scog gang. ef fram kømr. enda verpa peir ohelgir vij öllom avercom er fyr e coma afor mej pan hug til pess fundar er aunin verc verja mej monnom. pótt ajrir hlavpe fyr. („Überall dort, wo Leute mit dem Sinn losgehen, Leute verletzen zu wollen, steht darauf Waldgang, wenn es umgesetzt wird, und sie werden unheilig gegenüber allen Verletzungen, die auf diesem Zug mit diesem Sinn zu diesem Treffen eintreten, bei dem zwischen Leuten Verletzungen eintreten, auch wenn andere zuerst angreifen.“)

342

Einzelne Bestimmungen

Gleichermaßen steht im römischen Recht der irgendwie betätigte Beschluss, eine Straftat zu begehen, unter Strafe.121 Dabei soll die Nichtdurchführung des beabsichtigten Verbrechens mitunter einen Milderungsgrund dargestellt haben.122 Die Strafbarkeit des Versuchs einer Straftat wird in der folgenden Digestenstelle erwähnt: Eventus spectetur, ut a clementissimo quoquo facta: quamquam lex non minus eum, qui occidenti hominis causa cum telo fuert, quam eum qui occiderit puniat.123

Auf den Erfolg wird geschaut, wie z. B. auf die That eines übrigens ganz sanftmüthigen Menschen, wenn schon das Gesetz ebensowohl den bestraft, der mit einer Waffe darauf ausgegangen ist, einen Menschen zu ermorden, als wer ihn erschlagen hat.

123

Im isländischen Recht findet sich die geringere Acht als verminderte Strafe für den Versuch, während auf die Vollendung eines Tötungsdeliktes Waldgang steht. Wenn überhaupt in anderen Gesetzen germanischsprachiger Völker der Versuch einer Straftat unter Strafe gestellt wird, so geschieht dies häufig nur derart, dass der Versuch einer bestimmten Tat als eigenes Delikt angesehen wird. Von einer allgemeinen Strafbarkeit des Versuchs von Straftaten kann bei jenen Rechten eher nicht die Rede sein. Mit am ausgeprägtesten ist neben der Regelung einer allgemeinen Versuchsstrafbarkeit in der Grágás wiederum das salfränkische Recht.124 5.1.5.2. Strafbarkeit der Anstiftung zu einer Straftat In der Grágás befassen sich mehrere Vorschriften mit dem Tatbestand der Anstiftung zu einer Straftat.

121 122 123 124

Vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 97 m.w.N. in Fn. 5. Vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 98. D. 48, 19, 16, 8 (Claudius Saturninus libro singulari de poenis paganorum). Vgl. Wilhelm Eduard Wilda, Das Strafrecht der Germanen I, S. 601 f.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

Pav ero ráj sva at majr sva røjr vm annan. ef hann mælir pat fyrir mönnom nokot at hin se pa bana aj nærr en heilendi at fir. ef pat quæmi fram er hann mælte.125

343

Das ist Anstiftung [„Rat“], dass jemand so hinsichtlich eines anderen bestimmt, wenn er anderen etwas befiehlt, dass der andere dann dem Tode näher und dem Gesundsein entfernter wäre, wenn das geschähe, was er befahl.

125

Während diese Bestimmung sich in ihrer Begriffsdefinitoin der Anstiftung stark an der durch die Tat verursachten Lebensgefahr orientiert, formuliert eine andere Bestimmung allgemeiner, wann eine – funktional beschriebene – Anstiftung vorliegt. Ef majr bijr an an man fara til a verka vij man. eja til aliótar eja til fiors manz eja hann ræjr um hin aliótz rajum. eja fiór rápum.

Pat ero raj ef majr mælir peim orjum eja gørir hann pat nokot er hin se fiorvi sino at fir eja alioti at nær. ef pat væri gert er hann mælti. sva at hann villdi pat kømi fram. oc varjar honom pat f iör bavgs garj og svo hueriom er heitr.126

Wenn jemand einen anderen darum bittet mitzugehen, einen anderen zu verletzen oder sonst zu beeinträchtigen oder zu töten, oder er stiftet ihn hinsichtlich eines anderen an, dass dieser beeinträchtigt oder getötet werden soll: Das ist Anstiftung, wenn jemand diese Worte spricht oder etwas unternimmt, dass der andere seinem Leben entfernter oder einer Beeinträchtigung näher wäre, wenn das, was er sagte, so getan würde, wie er wollte, dass es geschähe; und steht für ihn dann darauf dreijährige Landesverweisung und ebenso für jeden, der es verspricht.

126

Im römischen Recht steht die Anstiftung ebenfalls unter Strafe127 (D. 48, 8, 3, 4 Marcianus libro quarto decimo institutionum):

125 126

127

Grágás II, Kap. 345, S. 370.08–10. Grágás II, Kap. 355, S. 377.14–20; vgl. Grágás Ia, Kap. 108, S. 183.18–20: fiör bavgs garj varjar ef majr bijr man fara til averka mej ser. eja raje hann aliotz rajvm vm man. Slict varjar oc hueriom er heítr. („Dreijährige Landesverweisung steht darauf, wenn jemand einen anderen bittet, für Verletzungen loszugehen oder wenn er zur Verletzung von jemandem anstiftet. Gleiches steht darauf für jeden, der es verspricht.“) Vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 98 f.m.w.N.

344

Einzelne Bestimmungen

Item is, cuius familia sciente eo apiscendae reciperandae possessionis causa arma sumpserit: item qui auctor seditionis fuerit […] ex senatus consulto poena legis Corneliae punitur.

Ferner Derjenige, dessen Gesinde mit seinem Vorwissen sich bewaffnete, um einen Besitz zu erlangen oder wiederzuerlangen. Ingleichen wer der Anstifter eines Aufruhrs gewesen, […], der wird dem Senatsbeschlusse nach mit der Strafe des Cornelischen Gesetzes belegt.

In den meisten Gesetzen von Völkern einer germanischen Sprache ist dagegen die Strafbarkeit der Anstiftung, wenn überhaupt, nur sehr oberflächlich geregelt.128 Somit weist die Grágás, wie auch bei der Versuchsstrafbarkeit, bei der Strafbarkeit der Anstiftung zu einer Straftat Bestimmungen auf, die inhaltlich denen des römischen Rechts entsprechen, was bei wenig Gesetzen anderer Völker germanischer Sprache der Fall ist. Aus diesem Grunde dürfte ein eingehenderer Vergleich des Strafsrechts in der Grágás mit dem römischen und dem byzantinischen Strafrecht weitere aufschlussreiche Ergebnisse zu Tage fördern. 5.1.6. Nennung des Patriarchen in den Grijamál Neben den einzelnen Normen des materiellen Rechts, die inhaltliche Parallelen zum römischen Recht, wie es im 11. Jahrhundert in Byzanz galt, aufweisen, finden sich noch weitere Hinweise in den Gesetzen, die auf einen Einfluss des dortigen Rechts auf die Grágás hindeuten. In den Friedenssprüchen (Grijamál ), die aufgesagt wurden, um ehemalige Streitparteien zu Frieden und Wohlverhalten zu ermahnen, findet sich ein weiterer Hinweis, der verdeutlicht, dass den Isländern zu jener Zeit, als diese Friedenssprüche formuliert wurden, Byzanz nicht weiter entfernt war als Rom.

128

Vgl. Ekkehard Kaufmann, Teilnahme, in: HRG 5, Sp. 138(139); Wilhelm Eduard Wilda, Das Strafrecht der Germanen I, S. 627 ff.

Römisch-rechtliche Einflüsse in einzelnen Bestimmungen

… En nu er guj sialfr fyrstr i gripum peirra er baztr er. oc allir helgir menn oc allr heilagr domr. Pave at rome oc patriarke. konungr vár oc byscopar várir. oc boklærpir menn allir oc allt cristij fólk. Ek nefni xii. menn í grij á milli peirra .no .no sonar oc .no .no er nu standa tveimmegum at málum.129

345

… Nun ist Gott selbst, der der beste ist, der erste in ihrem Frieden und alle heiligen Leute und das ganze Heilige Gericht, der Papst zu Rom und der Patriarch, unser König und unsere Bischöfe und alle in der Bibel Gelehrten und die gesamte Christenheit. Ich nenne 12 Leute für den Frieden zwischen N. N.Sohn und N. N.-Sohn, die jetzt auf zwei Seiten der Sache (sich gegenüber) stehen.

129

Nachdem es im Mittelalter insgesamt nur fünf im Westen wie im Osten gleichermaßen anerkannte Patriarchate gab (Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiocheia und Jerusalem130) und der Papst in Rom schon zuvor genannt ist, kann mit Patriach hier nur einer der vier übrigen Patriarchen gemeint sein. Die Kreuzfahrer errichteten 1098 und 1100 lateinische, der Führung Roms unterworfene Patriarchate in Antiocheia und Jerusalem, so dass die griechisch-orthodoxen Patriarchen überwiegend vom byzantinischen Exil aus regieren mussten.131 Daher scheint in diesem Friedensspruch unter Patriarch, der hier im selben Atemzug zusammen mit dem Papst in Rom genannt wird, der Patriarch in Byzanz, der damals größten Stadt der Welt, gemeint zu sein. Die Benennung von zwölf Leuten für die Einhaltung des Friedens erinnert möglicherweise an die zwölf Jünger, kann jedoch auch ein Anklang an eine isländische Zwölferjury sein, bei der ihrerseits nicht feststeht, ob die Zwölfzahl religiös motiviert ist. Interessant ist noch die Schreibweise des Wortes Patriarch in den beiden Haupthandschriften. Denn dort steht jeweils patriake bzw. patriache, was von Vilhjálmur Finsen als eindeutige Fehlschreibung angesehen wurde und deshalb Gegenstand einer Konjektur wurde.132 Zumindest im Vergleich zur heute gebräuchlichen Schreibweise (P  «) erscheint die Konjektur

129 130

131

132

Grágás II, Kap. 383, S. 403.05–10. Vgl. Grágás Ia, Kap. 114, S. 204.16–22. Vgl. Günter Prinzing/Klaus-Peter Todt, Patriarchat, in: Lexikon des Mittelalters VI, Sp. 1785(1786). Vgl. Günter Prinzing/Klaus-Peter Todt, Patriarchat, in: Lexikon des Mittelalters VI, Sp. 1785(1787). Vgl. Grágás II, Kap. 383, S. 403.07 mit Fn. 1 und Grágás Ia, Kap. 114, S. 204.17 mit Fn. 2.

346

Einzelne Bestimmungen

berechtigt, es wäre jedoch interessant, diese Schreibweise mit den byzantinischen Handschriften des 11. Jahrhunderts abzugleichen. Die Kenntnis der Verhältnisse in Byzanz und auch in Jerusalem waren in Island zu Zeiten von Ari fróji Porgilsson offenkundig sehr gut, da er am Ende seiner Íslendingabók in chronologisch richtigem Verhältnis zum Tode von Bischof Gizurr Ísleifarson am 28. Mai 1118 aufzählt, wann in Europa im Jahre 1118 welche weltlichen und geistlichen Herrscher verstarben. Insbesondere wird dort der Tod des Patriarchen von Jerusalem erwähnt.133 Möglicherweise hat diese Stelle in der Íslendingabók dazu geführt, dass in der isländischen Leseausgabe der Grágás von 1992 die Anmerkung zu der oben zitierten Textstelle lautet: „(Vermutlich) Bischof von Jerusalem“.134 Nach dem zuvor Gesagten ist es aber wahrscheinlicher, dass mit dem offenbar gleichrangig zum Papst genannten Patriarchen der Patriarch von Byzanz gemeint ist.

5.2. Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten Trotz der im Anhang zu vielen byzantinischen Rechtshandschriften tradierten Zusammenstellung von Rechtsregeln aus dem alten Testament, die „Nomos Mosaïkos“ genannt wird (vgl. oben S. 183),135 scheint es im römischen 133

134 135

Vgl. Ari fróji Porgilsson, Íslendingabók, in: ÍF I, Kap. 10, S. 1(25): Ápví ári enu sama obiit Paschalis secundus páfi fyrr en Gizurr byskup ok Baldvini Jórsalakonungr og Arnaldus patriarcha í Híerusalem og Philippus Svíakonungr, en síjarr et sama sumar Alexíus Grikkjarkonungr; pá hafji hann átta vetr ens fjórja tegar setit at stóli í Miklagarji. („In diesem selben Jahr starb Papst Paschalis II. [gest. 21. Jan. 1118] vor Gizurr und Baldvin, König von Jerusalem [gest. 2. April 1118], und Arnulf, Patriarch von Jerusalem [gest. kurz nach dem 14. April 1118], und Philipp, König der Schweden [Todestag unbekannt], und später denselben Sommer Alexius, König der Griechen; da hatte er 38 Jahre auf dem Thron in Byzanz gesessen.“) Grágás (1992), S. 281 Fn. 2: (líklega) biskupinn í Jerúsalem. In dieser Zusammenstellung sind die folgenden Bibelstellen enthalten: Exodus (Ex) Kap. 1.1 23.1–3, 6–8; Kap. 1.2 Levitikus (Lev) 19.15–16; Kap. 2 Ex 20.2–5, 7–10, 12–17; Kap. 3 Lev 24.13, 15–16; Kap. 4 Lev 19.32; Kap. 5 Deuteronomium (Dtn) 24.16; Kap. 6.1 Lev 20.9; Kap. 6.2 Ex. 21.15; Kap. 6.3 Dtn 21.18–21; Kap. 7.1 Lev 19.13; Kap. 7.2 Dtn 24.14–15; Kap. 8.1 Numeri (Num) 30.2–10; Kap. 8.2 Ex 22.21–23; Kap. 9 Lev 19.35–36; Kap. 10 Num 27.6, 8–11; Kap. 11.1 Ex 22.24–26; Kap. 11.2 Lev 25.35–37; Kap. 11.3 Dtn 15.7–10; Kap. 11.4 Dtn 23.20–21; Kap. 11.5 Dtn 24.10–13; Kap. 12.1 Ex 22.6–8, 10; Kap. 12.2 Lev 5.20–24; Kap. 13 Ex 22.9–12; Kap. 14 Ex 22.13–14; Kap. 15 Ex 21.37, 22.1–3; Kap. 16.1 Ex 21.17; Kap. 16.2 Dtn 24.7; Kap. 17 Lev 25.39–43; Kap. 18 Ex 22.4; Kap. 19 Ex 21.33–34; Kap. 20 Ex 22.5; Kap. 21 Ex 21.28–32, 35–36; Kap. 22 Dtn 21.10–11, 13–14; Kap. 23 Dtn 22.13–21; Kap. 25 Dtn 11–12; Kap. 25.1 Ex 22.15–16; Kap. 25.2 Dtn 22.28.29;

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

347

oder byzantinischen Recht nicht viele Normen zu geben, bei denen sich ein deutlicher Einfluss des biblischen Rechts nachweisen lässt.136 Dies mag an der Natur der biblischen Rechtsnormen liegen, die häufig kurz und wenig detailreich sind, weil sie nicht selten, wie der Pentateuch, kein Gesetzbuch sind, sondern eine historische Erzählung mit lehrhafter Tendenz.137 Im Hinblick auf Island ist davon auszugehen, dass den häufig sowohl theologisch gebildeten als auch juristisch erfahrenen isländischen Häuptlingen im 11. und 12. Jahrhundert die alttestamentarischen Normen sehr präsent waren. Wenn sich daher Rechtsnormen finden lassen, die einen Einfluss biblischen Rechts nahelegen, so wäre dies ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Isländer den neuen Glauben sehr offen aufgenommen haben und auch keine Vorbehalte hatten, ihn bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen. 5.2.1. Fjqrbaugsgarjr – dreijährige Landesverweisung Eventuell sind einige Bestimmungen in Bezug auf den fjqrbaugsgarjr, die dreijährige Landesverweisung, in Anlehnung an die Asylstädte in Deuteronomium 19.3–7 geschaffen oder modifiziert worden. Auf diese Parallele hat bereits vor über einhundert Jahren August Klostermann hingewiesen. Nach Klostermann stellt die Grágás das „deutlichste Analogon zu der erwiesenen stilistischen Eigenart des Deuteronomiums“138 dar und liefert ihm ein Beispiel, um „den Einwand der undenkbaren Singularität des deuteronomischen Gesetzbuches im voraus zu widerlegen.“139 Die Bestim-

136

137 138

139

Kap. 25.3 Dtn 22.23–24; Kap. 25.4 Dtn 22.25–27; Kap. 26.1 Lev 20.10; Kap. 26.2 Dtn 22.22; Kap. 27 Ex 21.22–23; Kap. 28 Lev 21.9; Kap. 29 Lev 20.16; Kap. 30 Lev 18.6–7; Kap. 31 20.11; Kap. 32 Lev 20.17; Kap. 33 Lev 18.10; Kap. 34 Lev 20.19; Kap. 35 Lev 20.12; Kap. 36 Lev 20.21; Kap. 37 Lev 20.14; Kap. 38 Lev 18.11; Kap. 39 Lev 18.18; Kap. 40 Lev 18.14; Kap. 41 Lev 20.20; Kap. 42.1 Ex 22.18; Kap. 42.2 Lev 20.15; Kap. 43 Lev 20.13; Kap. 44 Ex 21.20–21, 26–27; Kap. 45 Ex 21.18–19; Kap. 46.1 Ex 21.12–14; Kap. 46.2 Num 35.16–18, 20–25; Kap. 46.3 Dtn 19.3–7; Kap. 47 Lev 24.17–19; Kap. 48 Num 35.30–32; Kap. 49.1 Dtn 17.6–7; Kap. 49.2 Dtn 19.15–20; Kap. 50.1 Ex 22.17; Kap. 50.2 Lev 19.31; Kap. 50.3 Lev 20.6, 27; vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(138 ff.). Vgl. nur Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 12 (§ 192 II.3.) für die Zeit zwischen Antike und Mittelalter. Vgl. August Klostermann, Deuteronomium und Grágás (1900), S. 4. August Klostermann, Der Pentateuch, Neue Folge (1907), im Abschnitt „Deuteronomium und Grágás“, S. 348. August Klostermann, Der Pentateuch, Neue Folge (1907), im Abschnitt „Deuteronomium und Grágás“, S. 348(410).

348

Einzelne Bestimmungen

mungen über den Vollzug der dreijährigen Landesverweisung sind fast ausschließlich in der Konungsbók überliefert, da der betreffende Abschnitt, der die Regelungen hauptsächlich enthält, in der Stajarhólsbók nicht enthalten ist. Die Vorschriften sind etwas verstreut in der Konungsbók angeordnet. Im Abschnitt über die Gerichtsverfassung findet sich folgende Regelung: Heimili fiorbavgs manz. Pa er ferans domr er áttr at fiorbavgs man . pa scal segia til heimila hans. Hann scal eiga priú heimili. peirra scal eigi lengra imijlom vera en fara megi vm dag a an an veg. Hann scal heilagr vera at peim heimilom oc i örscotz hælgi vij a alla vega. oc a göton i a millom heimilan a ef hann fer eigi optar en vm sin a manaje. oc i orscotz helgi vij götona.

Nv fara menn a moti honom pa scal hann fara af göton i sva at peir vm take eigi spióta oddom til hans. O heilagr verjr fiorbavgs majr ef eigi er sagt til heimila hans at ferans domi. par scal nefna vatta at fiorbavgr galldz eja an at pat fe er hann yrji secr scogar majr ef eigi quæmi fram.140

Wohnsitze des Landesverwiesenen. Wenn ein Vollstreckunggericht bei einem (auf drei Jahre) Landesverwiesenen abgehalten wird, dann sollen seine Wohnsitze bestimmt werden. Er soll drei Wohnsitze haben. Zwischen ihnen soll es nicht weiter sein, als dass man nicht an einem Tag die einfache Strecke zurücklegen könnte. Er soll an diesen Wohnsitzen und in Pfeilschussweite in alle Richtungen darum herum unverletzlich [‚heilig‘] sein und ebenso auf der Straße zwischen den Wohnsitzen, wenn er nicht häufiger als einmal im Monat geht, und auch in Pfeilschussweite neben der Straße. Wenn ihm Leute begegnen, dann soll er von der Straße heruntergehen, so dass sie ihn nicht mit ihren Speerspitzen umringen. Verletztbar [Unheilig] wird ein Landesverwiesener, wenn seine Wohnsitze beim Vollstreckungsgericht nicht bestimmt werden. Es sollen Zeugen dafür benannt werden, dass der Lebensring bezahlt wurde oder ansonsten das Geld, durch das er zum schuldigen Waldgangsmann würde, wenn es nicht geleistet würde.

140

140

Grágás, Ia, Kap. 52, S. 88.20–89.05. Die Stelle findet sich erneut in Grágás Ia, Kap. 67, S. 119.02–13.

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

349

Die entsprechende Stelle über die Asylstädte lautet in der Bibel (Deuteronomium 19.3–7): Du sollst die Wegstrecken berechnen und die Fläche des Landes, das der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, in drei Teile teilen. Dann kann jeder, der einen Menschen getötet hat, in diese Städte fliehen. Und so lautet die Bestimmung für einen, der jemanden getötet hat und dorthin flieht, um am Leben zu bleiben: Wenn er den anderen ohne Vorsatz erschlagen hat und nicht schon früher mit ihm verfeindet gewesen ist, zum Beispiel, wenn er mit einem anderen in den Wald gegangen ist, um Bäume zu fällen, seine Hand mit der Axt ausgeholt hat, um einen Baum umzuhauen, das Eisenblatt sich vom Stiel gelöst und den anderen getroffen hat und dieser gestorben ist, dann kann er in eine dieser Städte fliehen, um am Leben zu bleiben. Es darf nicht sein, dass der Weg (zum Heiligtum) zu weit ist, damit nicht der Bluträcher, der aus Rachedurst den, der getötet hat, verfolgt, ihn einholt und tödlich trifft, obwohl kein Recht besteht, ihn zu töten, da er ja mit dem Getöteten nicht schon früher verfeindet war. Deshalb mache ich dir zur Pflicht: Du sollst drei Städten eine Sonderstellung zuweisen.141

Beiden Stellen ist gemeinsam, dass sie dann Anwendung finden, wenn die schwerste strafrechliche Sanktion keine Anwendung findet. Diese ist im Alten Testament die Todesstrafe und in der Grágás der Waldgang. Die Grundunterscheidung zwischen Todesstrafe und der Verbannung an eine Asylstätte erfolgt in Exodus 21.12–13: Wer einen Menschen so schlägt, dass er stirbt, wird mit dem Tod bestraft. Wenn er ihm aber nicht aufgelauert hat, sondern Gott es durch seine Hand geschehen ließ, werde ich dir einen Ort festsetzen, an den er fliehen kann.

Beide Stellen aus dem Alten Testament bilden Teil 1 und 3 des Kapitels 46 des Nomos Mosaïkos.142 Daneben fällt auf, dass in der Grágás die Vorschrift im Vergleich zum Deuteronomium näher konkretisiert ist, da in der Bibel die Unverletzlichkeit jeweils auf dem geraden Weg zwischen den einzelnen Asylstädten nicht ausdrücklich hervorgehoben wird. Sie wird aber angedeutet in der Formulierung „Du sollst die Wegstrecken berechnen“ und folgt im übrigen daraus, dass zwischen den Asylstätten denknotwendig eine Benutzung der Wege erlaubt sein musste, wenn es erlaubt war, zwischen den Asylstädten hin- und herzugehen. Weiterhin enthalten beide Vorschriften Vorgaben zu zulässigen Entfernungen. Nach der Grágás musste die einfache Strecke zwischen den einzelnen Asylstätten an einem Tag zu bewältigen sein. Nach der Bibel durfte eine Asylstätte nicht zu weit entfernt sein, so dass der eigentlich Racheberechtigte doch Rache verübte. Von welchem Ort, dem Tatort, dem Wohnort oder zwischen den einzelnen Asylstätten nach der Bibel jedoch die Entfer141 142

Die Bibel (Einheitsübersetzung), S. 200. Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(161 ff.).

350

Einzelne Bestimmungen

nung zu einer (anderen) Asylstätte nicht zu weit sein durfte, ergibt sich nicht zweifelsfrei. Es spricht jedoch Einiges dafür, auch in der Bibel der Weg zwischen den einzelnen Asylstätten gemeint ist. Die dreijährige Landesverweisung gab es schon zur Sagazeit. Sie wurde vermutlich um die Jahrtausendwende eingeführt,143 aber die hier vorzufindende Ausgestaltung dürfte erst im Zuge der Niederschrift der Gesetze im Winter 1117/1118 erfolgt sein, weil nicht anzunehmen ist, dass sie zeitgleich mit der Christianisierung Eingang in die Gesetze gefunden hat. Bemerkenswert ist die Häufigkeit, mit der die dreijährige Landesverweisung in der Grágás angeordnet wird. So wird das Wort fjqrbaugsgarjr allein in der Konungsbók 246 Mal verwendet.144 Der Umstand, dass bei der näheren Ausgestaltung der wohl häufigsten Sanktion in der Grágás vermutlich eine biblische Norm rezipiert wurde,145 unterstreicht, wie aufgeschlossen der isländische Gesetzgeber im 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts neuen Regelungen gegenüber war, die in diesem Fall dem noch relativ neuen Glauben entnommen sind. 5.2.2. Vortragen der Gesetz im ein- bzw. dreijährigen Turnus Im Synagogengottesdienst sind die fünf Bücher des Mose in einer einjährigen oder dreijährigen Leseordnung auf die Sabbate des Jahres verteilt.146 Dies erinnert deutlich an die Pflicht des Gesetzessprechers, die Gesetze aufzusagen:

143

144 145

146

Vgl. zur Ausgestaltung der dreijährigen Landesverweisung zur Sagazeit siehe Andreas Heusler, Das Strafrecht der Isländersagas, S. 160 ff., sowie Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 140 ff. Vgl. Heinrich Beck, Wortschatz der altisländischen Grágás (Konungsbók), S. 339. Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 155 meint dagegen, es gäbe kein ausländisches Vorbild für die dreijährige Landesverweisung: Hvar löggjafinn hafi fengij hugmyndina, er erfitt aj segja. Ajrar germanskar pjójir pekktu ekki pessa tegund refsinga. Verij getur, aj fyrirmyndin sé af keltneskum uppruna, en eigi hefi ég fundij nokkurn vott um paj í peim ritum um forn írsk ok skozk lög, er ég hefi lesij. Mejan annaj reynist ekki sannara, verj ég aj hafa paj fyrir satt, aj fjörbaugsrefsingin sé ny´sköpun íslenzkar löggjafar. („Woher der Gesetzgeber diese Idee bekommen hatte, ist schwer zu sagen. Andere germanische Völker kannten diese Art der Strafe nicht. Es kann sein, dass das Vorbild keltischen Ursprungs ist, aber ich habe kein Zeugnis darüber in den Schriften über alte irische oder schottische Gesetze gefunden, die ich gelesen habe. Solange sich nicht anderes als zutreffender erweist, gehe ich davon aus, dass die dreijährige Landesverweisung eine Neuerung des isländischen Gesetzgebers war.“) An die Bibel als Quelle dieses Rechtsinstituts hat Lújvik Ingvarson damit offenbar nicht gedacht. Vgl. Die Bibel (Einheitsübersetzung), S. 15 und 615.

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

Pat er mælt at lögsögu majr er scylldr til pess at segia up lögpátto alla a primr sumrom hueriom. en pingscop huert sumar.147

351

Das ist bestimmt, dass der Gesetzessprecher verpflichtet ist, alle Gesetzesabschnitte alle drei Sommer aufzusagen, aber die Thingverfassung jeden Sommer.

147

Ob hier die isländische Vorschrift über das Aufsagen der Gesetze aufgrund der Handhabung, wie die fünf Bücher Mose im Synagogengottesdienst vorzutragen sind, geschaffen wurde, ist sehr schwer zu sagen, erscheint aber durchaus denkbar. 5.2.3. Schuldknechtschaft und Sklaverei Die Grágás kennt im Gegensatz zu den meisten älteren skandinavischen Rechten die Schuldknechtschaft.148 Trotzdem wird diese Möglichkeit der Schuldenbeitreibung in den Isländersagas nirgendwo erwähnt.149 In den von Geschehnissen des 12. und 13. Jahrhunderts handelnden Gegenwartssagas gibt es Fälle, die das Vorkommen von Schuldknechtschaft belegen. Einmal ist sie vermutlich sogar rechtgeschäftlich vereinbart worden, um einen Grundstückskaufpreis zu besichern.150 Dies deutet darauf hin, dass dieses Rechtsinstitut erst im Zuge der Niederschrift der Gesetze 1117/ 1118 in Island eingeführt wurde. Die Grundregel, wie eine Schuldknechtschaft errichtet wurde, findet sich nur in der Stajarhólsbók: Par er majr tekr man i sculld. pa scal hann segia til heimilis bvom v. mej vátta peim er honom bua næstir til sculd festi hans oc sva at log bergi et næsta sumar eptir. enda má hann pa veria lyriti in i höfn hans ef hann vill.151

Wenn jemand einen anderen in Schuldknechtschaft nimmt, dann soll er vor Zeugen den 5 Wohnortanwohnern, die ihm am nächsten wohnen, von seiner Belegung mit Schuldknechtschaft sagen, und er

151

147 148

149 150

151

Grágás Ia, Kap. 116, S. 209.09–12. Vgl. Konrad Maurer, Die Schuldknechtschaft nach altnordischem Rechte, in: Sitzungsberichte der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-philologische Classe, Sitzung vom 3. Januar 1874, S. 1(2). Vgl. Andreas Heusler, Das Strafrecht der Isländersagas, S. 123. Vgl. Sturlu saga, in: Sturlunga saga I, Jón Jóhannesson/Magnús Finnbogason/Kristján Eldjárn (Hrsg.), Kap. 25, S. 63(98), Sturla Pórjarson, Íslendinga saga, ebenda, Kap. 32, S. 229(260). Vgl. Grágás II, Kap. 165, S. 193.22–194.04.

352

Einzelne Bestimmungen

soll es auch am Gesetzesfelsen den nächsten darauffolgenden Sommer sagen und er darf dann auch seine Beherbergung mit einer Untersagungsverfügung verbieten, wenn er will. Der Grund dafür, dass diese Stelle in der Konungsbók nicht enthalten ist, könnte sein, dass zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift diese Norm nicht mehr als besonders bedeutsam angesehen wurde. In der später entstandenen Stajarhólsbók könnte sie unabhängig von ihrer damaligen praktischen Relevanz der Vollständigkeit halber aus einer der vermutlich zahlreicheren für diese Handschrift verwendeten Vorlagen übernommen worden sein. Die Unterscheidung zwischen Schuldknechtschaft und Sklaverei leitet sich möglicherweise aus der Bibel ab. Im Buch Levitikus wird bestimmt, dass einem Schuldner keine Sklavenarbeit auferlegt werden darf. 25.39–43 Wenn ein Bruder bei dir verarmt und sich dir verkauft, darfst du ihm keine Sklavenarbeit auferlegen; er soll dir wie ein Lohnarbeiter oder ein Halbbürger gelten und bei dir bis zum Jubeljahr arbeiten. Dann soll er von dir frei weggehen, er und seine Kinder, und soll zu seiner Sippe, zum Eigentum seiner Väter zurückkehren. Denn sie sind meine Knechte; ich habe sie aus Ägypten herausgeführt; sie sollen nicht verkauft werden, wie ein Sklave verkauft wird. Du sollst nicht mit Gewalt über ihn herrschen. Fürchte Deinen Gott!152

Die Unterscheidung ist auch deswegen bedeutsam, weil ein Sklave rechtlich eine Sache ist, ein Schuldknecht dagegen nicht. Die zitierte Stelle aus dem Buch Levitikus bildet im Nomos Mosaïkos Kap. 17.153 Das Gewaltverbot gegenüber Sklaven aus Exodus 21.20, 26–27 stellt im Nomos Mosaïkos Kap. 44 dar.154 In der Grágás findet sich keine entsprechende Regelung. Auch die Schuldknechtschaft in der Grágás könnte damit aus der Kenntis der zitierten Stelle im Buch Levitikus heraus entstanden sein, weil die Schuldknechtschaft in den anderen nordischen Rechten weniger augenfällig ist und es mehr Zeugnisse für ihr Vorkommen geben müsste, wenn es sich um eine im ganzen Norden verbreitete Regelung gehandelt hätte.

152 153

154

Die Bibel, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, S. 132. Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(150). Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(160).

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

353

5.2.4. Teilung des unfreien Übeltäters und Exodus 21.35 In der Stajarhólsbók ist eine Bestimmung überliefert, welche den Fall regelt, dass ein Sklave einen anderen tötet. En ef prælar manna vegaz oc a sa pa iii.a kosti er pan præl á er vegit hefir. Sa er ein at giallda prælin sem buar virja. En sa er an ar at giallda prælin pan sem vegin er hálfom giolldum. en giallda pan er va hin fyrir giolldin hálf. a xiiii. nóttom hinom næstum.

Sa er hin prije kostr at láta sekiaz prælin vm vígit. En ef ein majr a præla pa er vegaz. oc scipar hann pa sem hann vill. Ef prælar manna beriaz lama barning. pa scolo eigendr bápir fe ny´ ta hinn heila. oc bápir fram føra hin lamja. Rétt apræll meira um ein lut en frials majr. Præll avígt vm kono sina pott hon se ambátt. en frials majr a eigi vígt vm ambatt. pot hon se hans kona.155

Aber wenn sich Sklaven von Leuten erschlagen, dann hat derjenige drei Möglichkeiten, dem der Sklave gehört, der erschlagen hat. Die eine ist, den Sklaven so zu vergelten, wie es Anwohner bewerten. Die zweite ist, den Sklaven, der erschlagen wurde, mit halbem Wert zu vergelten, und den, der den anderen erschlug, zum halben Wert zu verkaufen [scil. zu übereignen an den Eigentümer des erschlagenen Sklaven] innerhalb der nächsten 14 Nächte. Die dritte Möglichkeit ist die, den Sklaven des Totschlages schuldig werden zu lassen. Wenn einem Mann die Sklaven gehören, die sich erschlagen, dann soll er so bestimmen, wie er will. Wenn sich die Sklaven von Leuten lahm schlagen, dann sollen beide Eigentümer den gesunden finanziell nutzen und beide den lahmen unterhalten. Ein Recht hat ein Sklave mehr als ein freier Mann: Ein Sklave hat das Totschlagsrecht wegen [der Tötung] seiner Frau, auch wenn sie Sklavin ist, aber kein freier Mann hat das Totschlagsrecht wegen [der Tötung] einer Sklavin, auch wenn sie seine Frau ist.

155

155

Grágás II, Kap. 379, S. 396.26–397.09. In der Konungsbók, Grágás Ia, Kap. 111, S. 191.16–24, ist die entsprechende Stelle einfacher gefasst: Ef prælar manna vegaz. oc a

354

Einzelne Bestimmungen

Die Entscheidung des Falles, in dem ein Sklave einen anderen lahm schlägt, weist starke Parallelen zu Exodus 21.35 auf. Insbesondere die hier im dritten Absatz des Grágás-Zitates wiedergegebene Bestimmung entspricht weitgehend der Stelle Exodus 21.35, allerdings mit dem Unterschied, dass es in der Bibel um zwei Rinder und nicht um Sklaven geht. Die Stelle Exodus 21.35 lautet in der Einheitsübersetzung folgendermaßen: Wenn jemandes Rind das Rind eines anderen stößt, sodass es eingeht, soll man das lebende Rind verkaufen und den Erlös aufteilen; auch das verendete Rind soll man aufteilen.156

Auf diese Ähnlichkeiten ist schon verschiedentlich hingewiesen worden.157 Es ist überzeugend dargelegt worden, dass die biblische Norm beispielsweise in der Lex Salica und in den Canones Wallici auch auf den Fall der Tötung eines Sklaven durch einen anderen übertragen wurde.158 Daher ist auch hier davon auszugehen, dass die isländische Norm in Kenntnis dieser Bibelstelle vorgeschlagen wurde. Auch Exodus 21.35 ist im Nomos Mosaïkos enthalten und zwar als letzter Teil des Kapitels 21, in dem zunächst Exodus 21.28–32 enthalten sind.159 Die isländische Vorschrift unterscheidet sich von der biblischen Regelung in einem – eher unwesentlichen – Punkt, der hier dennoch erwähnt werden soll: In der einen Variante wird ein Sklave lediglich lahm geschlagen und nicht getötet. Dennoch findet sich auch hier derselbe Grundgedanke

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159

sa er pan præl á er vegit hefir. hvarz hann vill at lata søkia pan prælin eja gialda en vegna prælin ella sem buar meta vij bóc. Ef prælarnir beriaz lama barning. pa scolo eigendr fe nyta bápir in heila præl. oc bápir fram föra en lampa. Rett á præll meira vm ein lut en frials majr. præll á vígt vm kono sina pott hon se ambött. en eigi afrials majr vigt vm abött pott hon se hans kona. („Wenn sich Sklaven erschlagen, so soll derjenige, dem der Sklave gehört, der erschlagen hat, [entscheiden], ob er diesen Sklaven verfolgen lassen will oder ansonsten den erschlagenen Sklaven bezahlen, wie es Anwohner beim Buche bewerten. Wenn sich Sklaven lahm schlagen, dann sollen die Eigentümer beide den gesunden Sklaven finanziell nutzen und beide den gelähmten unterhalten. Wegen einer Sache hat ein Sklave mehr Recht als ein freier Mann: Ein Sklave hat das Totschlagsrecht wegen [der Tötung] seiner Frau, auch wenn sie eine Sklavin ist, aber ein freier Mann hat nicht das Totschlagsrecht wegen [der Tötung] seiner Sklavin, auch wenn sie seine Frau ist.“) Die Bibel (Einheitsübersetzung), S. 85. Vgl. Karl von Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht II, S. 420 f.; Hermann Nehlsen, Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter, S. 282 f. und Hermann Nehlsen, Der Einfluss des Alten und Neuen Testaments auf die Rechtsentwicklung, in: Gerhard Dilcher/Eva-Marie Distler (Hrsg.), Leges-Gentes-Regna, S. 203(215). Vgl. Hermann Nehlsen, Der Einfluss des Alten und Neuen Testaments auf die Rechtsentwicklung, S. 203(214 f.). Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(151 f.).

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

355

der Schadensteilung zwischen den Berechtigten. Beide sollen den gesunden Sklaven nutzen können. Dass hier der lahme Sklave gemeinsam unterhalten werden soll, ist die konsequente Adaption der Regelung auf den Sachverhalt, in dem der unterlegene Sklave nicht getötet, sondern nur gelähmt wird. Die Arbeitskraft des gesunden Sklaven wird wirtschaftlich mit dazu eingesetzt, den lahmen Sklaven zu unterhalten. Dasselbe juristische Konzept wie in Exodus 21.25 ist in der Stajarhólsbók in der folgenden, vermutlich ebenfalls durch diese Bibelstelle beeinflussten Vorschrift, enthalten: En ef fe vinnr a fe pa abyrgiz at helmingi huar. sa er fe pat á er a vinnr. oc hin er pat a sem firir verjr. et davja eja et lamja fe.160

Wenn Vieh anderes Vieh verletzt, dann haftet jeder zur Hälfte; der, dem das Vieh gehört, welches verletzt, und der, dem das tote oder gelähmte Vieh gehört, welchem dieses zustößt.

160

Diese Regelung kommt mit einem anderen Verfahren als Exodus 21.35 zum selben Ergebnis. Statt das schädigende Tier zu veräußern und den Erlös ebenso zu teilen, wie das verendete Tier, ist hier der eingetretene Schaden zur Hälfte zu ersetzen. Ein Beispiel zeigt, dass die wirtschaftliche Schadensverteilung in der Grágás dieselbe ist, wie in der Bibel: Wenn beide Tiere lebend 100 wert sind, ein getötetes Tier aber nur 30, dann muss nach der Bibel das eine Tier zu 100 verkauft werden, und es sind 50 an den Eigentümer des toten Tieres zu zahlen. Dieser muss dem anderen die Hälfte seines toten Tieres (Wert = 15) übergeben. Somit erhalten beide im Ergebnis 65 (50 und das halbe getötete Tier im Wert von 15). Nach der Grágás sind an den Eigentümer des getöteten Tieres 35 zu zahlen, da dies die Hälfte des Schadens ausmacht. Wirtschaftlich ist die Lösung identisch, da der Eigentümer des überlebenden Tieres sein Tier im Wert von 100 behält, aber Schadensersatz in Höhe von 35 zahlen muss. Damit ist sein Vermögen nunmehr 65. Der andere darf das getötete Tier im Werte von 30 vollständig behalten, erhält dazu aber noch den halben Schaden in Höhe von 35 ersetzt. Er hat nun ebenfalls ein Vermögen von 65. Man kann bei diesem Fall lange diskutieren, ob die biblische Lösung einfacher in der Handhabung ist, weil sie nicht wie in der Grágás voraussetzt, 160

Grágás II, Kap. 349, S. 374.16–18; vgl. Grágás Ia, Kap. 112, S. 192.23–24: Ef fe vijr afe pa scal par avalt halfan scala bøta svo sem bua v. virja. („Wenn Vieh anderes Vieh verletzt soll stets der halbe Schaden ersetzt werden wie ihn 5 Anwohner bewerten.“)

356

Einzelne Bestimmungen

dass der Eigentümer des überlebenden Tieres genug Vermögen hat, um die Hälfte des eingetretenen Schadens zu begleichen. Ebenso kann ein Vorteil der biblischen Lösung darin bestehen, dass der Eigentümer des getöteten Tieres eine höhere Zahlung erhält, die ihn eventuell eher in den Stand setzt, ein Ersatztier anzuschaffen. Die Unterschiede sind vermutlich dadurch begründet, dass das Tier in der Bibel ein Rind gewesen ist, mit dem vermutlich gepflügt wurde, und man typischerweise nicht mehrere Rinder hatte. In der Grágás dagegen wird das Tier typischerweise wohl eher ein Widder bzw. ein Schaf gewesen sein, dessen Verlust leichter zu kompensieren war, so dass man hier nicht auf eine möglichst hohe liquide Ersatzleistung angewiesen war. Auch wurde dadurch dem anderen nicht aufgegeben, ein Tier zu verkaufen, so dass man nicht auf einem möglicherweise nur sehr eingeschränkten Viehmarkt angewiesen war. Insgesamt sehen die ziterten Regelungen der Grágás sehr danach aus, als seien sie in Kenntnis der auch im Nomos Mosaïkos enthaltenen Bibelstelle Exodus 21.35 erlassen worden. 5.2.5. Zweizeugengrundsatz und Deuteronomium 19.15 Der nur in der Stajarhólsbók enthaltene Zweizeugengrundsatz ist in der Grágás wie folgt ausgedrückt: Jamn fullt er váttorj. at vattar se .ij. sem .x.161

Eine Zeugenaussage ist gleich gültig, ob es zwei Zeugen seien oder zehn.

161

Die entsprechende Stelle in der Bibel (Deuteronomium 19.15) lautet: Wenn es um ein Verbrechen oder ein Vergehen geht, darf ein einzelner Belastungszeuge nicht Recht bekommen, welches Vergehen auch immer der Angeklagte begangen hat. Erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache Recht bekommen.162

Es ist über den Zweizeugengrundsatz, der weit verbreitet ist, sehr viel geschrieben worden, so dass hier einige Anmerkungen ausreichen. In der byzantinischen Welt hat das Christentum auch auf dem Gebiet der Verwendung der Beweismittel eine bedeutende Rolle gespielt.163 Daher kann 161 162 163

Grágás II, Kap. 390, S. 418.18. Die Bibel, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Deuteronomium 19,15, S. 200. Vgl. Franz Dölger, Der Beweis im byzantinischen Gerichtsverfahren, in: Recuils de la societe Jean Bodin pour l’histoire comparative des Institutions XVI (1964), S. 595(604).

Einzelne Normen, die auf einen Einfluss biblischen Rechts hindeuten

357

insbesondere auf diesem Gebiet von einer Rezeption biblischen Rechts in Byzanz ausgegangen werden. Auch hier kann eine Vermittlung über den Nomos Mosaïkos erfolgt sein, der diese Stelle im zweiten Teil des Kapitels 49 aufführt.164 5.2.6. Nichtanwendung des Eides in geistlichen Streitigkeiten und Matth. V.33 Während in den weltlichen Gesetzen der Grágás der Eid vorwiegend an Stellen gefordert wird, an denen beispielsweise eine Bewertung vorzunehmen ist und wo der Eid zum Beispiel der Versicherung dient, dass die Zuweisung eines Bedürftigen zur Unterhaltung und Pflege rechtmäßig ist, oder wo einfach eine Verfahrenshandlung bekräftigt werden soll,165 findet sich im kirchenrechtlichen Abschnitt der Gesetze, auf den hier ausnahmsweise eingegangen werden soll, eine Norm, in der ausdrücklich angeordnet wird, dass ein Eid unterbleiben soll: Ef prestr vill eigi hafa pat er byscop byjr. oc verjr hann sekr um pat .iii. mörcom vij byscop oc a byscop soc pa at sokia at presta domi i kirkio a alpingi. oc scal byscop nefna presta .xii. i dom pann oc segia par soc sina fram a hendr honom. oc scal byscop bera sialfr quij um pa söv. oc prestar .ii. mej honom. oc scal eij lavst söcia söc pa.

164

165

Wenn ein Priester das nicht einhalten will, was der Bischof gebietet, so wird er deswegen gegenüber dem Bischof um 3 Mark schuldig und der Bischof hat die Sache beim Priestergericht auf dem Allthing in der Kirche zu verfolgen und der Bischof soll zwölf Priester in dieses Gericht benennen und seine Sache gegen ihn vortragen und soll der Bischof selber eine Juryaussage abgeben wegen der Sache und zwei Priester mit ihm und soll diese Sache ohne Eid verfolgt werden.

Vgl. Ludwig Burgmann/Spiros Troianos, Nomos Mosaïkos, in: Dieter Simon (Hrsg.), Fontes Minores III, S. 126(164). Vgl. Grágás II, Kap. 38, 40, 44, 45, 64, 67, 73, 74, 80, 82–87, 96, 102, 111, 112, 116, 128, 130, 131, 161, 179, 180, 185, 196, 197, 217, 219, 226, 248, 249, 254, 277, 292, 370, 403, 406, 430, 434, 435, 447, 450, 459.

358

Einzelne Bestimmungen

Ef prestr verjr san r at sök. oc a domr at døma a hendr honom .iii. mercr at giallda byscopi mijviko dag i mijt ping a alpingi iboanda kirkio garje. anat sumr eptir. En ef eigi kømr fe fram. oc scal søkia sem annat dom rof.166

Wenn ein Priester einer Sache überführt wird, so hat das Gericht ihn zu verurteilen, an den Bischof 3 Mark zu zahlen, Mittwoch in der Mitte des Things im Kirchhof des Bauern den folgenden Sommer. Wenn das Geld nicht überkommt, so soll das verfolgt werden wie andere Urteilsnichtbefolgung.

166

Bemerkenswert an dieser Bestimmung ist nicht nur der Umstand, dass sie dem Bischof und seinen beiden weiteren Jurymitgliedern den Eid erspart, sondern auch die Tatsache, dass sie eine Juryaussage ausreichen lässt, wo man eine Zeugenaussage erwartet hätte. Diese Beweiserleichterung ist wohl in der besonderen Glaubwürdigkeit der Bischofs und der Priester begründet. Das übrige Verfahren ist an ein weltliches Gerichtsverfahren angelehnt, wie aus dem letzten Satz deutlich wird, der anordnet, dass Nichtzahlung der Geldbuße genau so zu behandeln ist, wie das Nichtbefolgen eines von einem weltlichen Gericht gefällten Urteils. Der Verzicht auf den Eid erinnert stark an die Bibelstelle im Evangelium des Matth. V. 33, die lautet: Du sollst nicht schwören, Deine Rede sei Ja und Nein.167 Es kann aber auch sein, dass der Bischof in dem Verfahren einfach privilegiert sein soll. Dies könnte ein Ausgleich dafür sein, dass er die Sache vor einem mit zwölf „gewöhnlichen“ Priestern besetzten Gericht verfolgen muss und er keine direkte Disziplinargewalt über die Priester seiner Diözese hat. 5.2.7. Zwischenergebnis Trotz der eher geringen Anzahl an Bestimmungen der Grágás, für die hier eine Parallele zu alttestamentarischen Normen festgestellt werden konnte, ist erstaunlich, wie weit reichend der Einfluss biblischen Rechts in der Grágás sein dürfte. Insbesondere die nähere Ausgestaltung des Rechtsinstituts der dreijährigen Landesverweisung ist ein starkes Anzeichen dafür, dass einige biblische Normen, welche in Byzanz lediglich als Anhang zu einigen 166 167

Grágás II, Kap. 16, S. 25.16–26.01. Vgl. auch Max Kaser, Das römische Privatrecht II2, S. 12 mit Fn. 38 (§ 192 II.3.) mit weiteren Nachweisen zum Einfluss dieser Bibelstelle auf Rechtsnormen.

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

359

Rechtsbücher tradiert wurden, in Island direkten Eingang in die Gesetze gefunden haben. Die Aufnahme biblischer Vorschriften des Alten Testaments dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die isländische Oberschicht sehr früh nach der Christianisierung damit begonnen hat, die christlichen Lehren sehr genau zu studieren, was auch zu einer großen Anzahl zum Priester geweihter weltlicher Machthaber (Goden) führte. Hier ist noch einmal an das Zitat aus der Kristni Saga168 zu erinnern: „Damals waren die meisten Respektspersonen gelehrt und zu Priestern geweiht, obwohl sie Häuptlinge waren.“

5.3. Einflüsse aus dem langobardischen Recht Neben den zahlreichen Einflüssen aus dem römischen Recht und der Beeinflussung einzelner Rechtsnormen durch biblische Texte sind in der Grágás weitere Einflüsse aus anderen Rechtsordnungen denkbar. Bereits im 19. Jahrhundert wurde das Phänomen grundsätzlicher Verwandtschaft des langobardischen Rechts mit einigen Rechten aus Skandinavien diskutiert,169 aber die Erklärungsversuche fanden eher wenig Anerkennung, auch wenn das Problem gesehen, aber beispielsweise in einer kurz nach 1900 erschienen Darstellung der Deutschen Rechtsgeschichte als schwer lösbar eingestuft wurde: „Eine erschöpfende oder auch nur eine kritische Behandlung des schwierigen Problems kann hier nicht einmal versucht werden.“170 Das langobardische Recht war vermutlich auch in Byzanz bekannt, wie sich aus der Existenz einer griechischen Übersetzung von König Rotharis langobardischen Gesetzen schließen lässt, die fragmentarisch in der Handschrift Paris Gr. 1384 enthalten sind.171 Diese Handschrift stammt aus dem Jahre 1165/1166 und wurde in Süditalien angefertigt.172 Soweit ersichtlich gibt es keinen Beleg dafür, dass die langobardischen Gesetze im Rechtsunterricht in Byzanz gelehrt wurden. Eine Verbindung 168 169

170 171

172

Vgl. oben S. 34. Vgl. beispielsweise Julius Ficker, Ueber nähere Verwandtschaft zwischen gothischspanischem und norwegisch-isländischem Recht, in: MIöG II. Ergänzungsband (1887), S. 455 ff., sowie Julius Ficker, Das longobardische und die scandinavischen Rechte, in: Ausgewählte Abhandlungen III (1981), S. 703 ff. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I2, S. 538 Fn. 37. Vgl. die Ausgabe von Karl Eduard Zachariä von Lingenthal, Fragmenta versionis Graecae legum Rotharis Langobardorum regis (1835). Vgl. Ludwig Burgmann/Marie Theres Fögen/Andreas Schminck/Dieter Simon, Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts I, S. 215 (Nr. 188).

360

Einzelne Bestimmungen

zum langobardischen Recht kann aber über Ioannes Italos bestanden haben, der mit seinem Vater vor den Byzantinern aus Sizilien ins Langobardenland geflohen war und später in Byzanz zunächst studiert hatte und dann der Nachfolger des Michael Psellos wurde.173 Von dem Kanonisten Demetrios Chomatianos wird Ioannes Italos als großer Rechtslehrer bezeichnet.174 Schon vor einiger Zeit ist erneut mit sehr konkreten Normgegenüberstellungen überzeugend auf mögliche Einflüsse des langobardischen Rechts auf das Recht der Grágás hingewiesen worden.175 5.3.1. Gebrauchsdiebstahl ( furtum usus) an Pferden und weitere Normen betreffend Pferde Die umfangreichen Bestimmungen der Grágás über Gebrauchsdiebstahl ( furtum usus) an Pferden weisen Parallelen zu einigen anderen skandinavischen Rechten und vor allem zum langobardischen Recht auf. Die Regelungen in der Grágás sind viel ausführlicher als in den Gesetzen von Schonen und in den norwegischen Frostupingslqg. Sie machen in der Stajarhólsbók nach Finsens Zählung ganze neun Kapitel aus,176 während das dem Abschnitt vorangestellte Inhaltsverzeichnis und die in der Handschrift am Rand stehende Kapitelnummerierung in römischen Ziffern sieben Kapitel verzeichnen.177 Die Vorschriften über das unerlaubte Reiten eines fremden Pferdes scheinen als eigenständige Einheit angesehen worden zu sein, da sie in der Stajarhólsbók, der Konungsbók und der Handschrift AM 125 A 4to jeweils verschiedenen Abschnitten zugeordnet sind178 und in der letztgenannten Pa173

174

175

176 177 178

Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 33 f. Vgl. bereits oben S. 164. Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 34 m.w.N. Es ist wiederum das Verdienst von Sveinbjörn Rafnsson, diese Parallel festgestellt zu haben, vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijarlög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 131–148 [mit englischer Zusammenfassung 147–148]. Vgl. Grágás II, Kap. 208–216, S. 241–248. Vgl. wie Fn. zuvor und Grágás II, S. 211. Vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijarlög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 131(135). In der Stajarhólsbók finden sich die Vorschriften im Abschnitt „Über das Vermieten von Gut“, in AM 125 A 4to wird gesagt, die Kapitel enstammten dem Abschnitt Kaupabálkr (‚Kaufrechtsabschnitt‘). Damit ist der Abschnitt bezeichnet, der in den beiden Haupthandschriften „Über das Vermieten von Gut“ heißt. In der Konungsbók hingegen stehen die Vorschriften am Ende des Abschnitts über die Verlöbnisse, der auch weitere Vorschriften aus dem Schuldrechtsbereich enthält.

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

361

pierhandschrift, AM 125 A 4to, welche auf einen verlorenen Pergamentcodex zurückgeht, die Exzerpte zu diesen Vorschriften mit einer Überschrift auf einer neuen Seite eingeleitet werden. Dort wird das dritte Kapitel dieses Bereichs, das in der Stajarhólsbók Kap. 210 bildet, mit „capituli 3“179 angekündigt, so dass unter Umständen sogar davon ausgegangen werden kann, dass dieser Abschnitt in der verloren gegangenen Vorlage von AM 125 A 4to eine eigenständige Nummerierung aufgewiesen hat.180 In AM 125 A 4to finden sich nur wenige Auszüge aus den Vorschriften über das unerlaubte Reiten fremder Pferde. Obwohl die Abfolge der Normen derjenigen in der Stajarhólsbók ähnelt, entsprechen die Normen inhaltlich wohl eher dem Text der Konungsbók,181 auch wenn der Text in AM 125 A 4to generell nur wie eine relativ oberflächliche Nacherzählung der jeweiligen Vorschriften erscheint. Gegenüber der Konungsbók enthält die Stajarhólsbók mehrere zusätzliche Bestimmungen. Unter ihnen sind sieben, die als Novellen gekennzeichnet sind. Nicht zuletzt aufgrund des größeren Umfangs der Bestimmungen sollen hier in der Kapitelreihenfolge der Stajarhólsbók mögliche Parallelen im 183 langobardischen Recht behandelt werden.182 Das erste Kapitel, dass sich mit dem unerlaubten Reiten eines Pferdes befasst, beginnt mit der Unterteilung in verschieden schwere Verwirklichungsformen, die sich danach richten, wie weit mit dem Pferd geritten wird. Die Unterteilung nach der gerittenen Entfernung erfolgt als Zweibzw. Dreiteilung, je nachdem, ob man das unerlaubte Aufsitzen hinzuzählt: Ef majr hleypr abak hrossi manz olofat pat varjar vi. avra afang. Nu rijr hann fram or staj. oc varjar pat .iii. m arca utlegj. Priar hross reipir ero pær er scog gang varja. Eín er ef majr rijr sva at iii. bøir a ajra hönd oc ríji hann vm pa. Ön or er er majr rijr vm fiöll pav er vatn föll deilir af a mejal heraja. Prijia ef majr rijr a milli landz fiorjunga. Pott en meire se reijin oc er po costr at stefna um ena min i.183 179 180 181

182 183

Wenn jemand unerlaubt auf das Pferd eines anderen aufsitzt, so steht darauf 6 Öre Strafe. Wenn man von der Stelle wegreitet, so steht darauf 3 Marksbuße. Drei Pferderitte sind es, auf die Waldgang steht: Der erste ist, wenn man so reitet, dass 3 Gehöfte zu einer Hand sind und man an ihnen vorbei reitet. Der zweite ist, wenn man über sol-

Vgl. AM 125 A 4to, in: Grágás III, S. 411(424.10+17). Vgl. Vilhjálmur Finsen, in: Grágás III, S. 424 Anm. c). Vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijarlög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 131(136). Vgl. zum grundsätzlichen Vorzug des Textes der Stajarhólsbók schon oben S. 83. Grágás II, Kap. 208, S. 241.02–09.

362

Einzelne Bestimmungen

che Berge reitet, die eine Wasserscheide zwischen (verschiedenen) Distrikten darstellen. Der dritte ist, wenn man zwischen Landesvierteln reitet. Auch wenn es der größere Ritt ist, besteht die Möglichkeit, wegen des kleineren vorzuladen. Da beim unerlaubten Reiten auf Rechtsfolgenseite nur zwischen kleinerem und größerem Ritt unterschieden wird, scheint die Strafbewehrung des Aufsitzens ohne Reiten als einer anderen Kategorie zugehörig empfunden worden zu sein. Bemerkenswert ist, dass das Wort áfang, das eine kleine Geldstrafe bezeichnet, in der Grágás neben den ansonsten überall anzutreffenden Dreimarksbußen nur sehr selten vorkommt. Bei den drei anderen Stellen, an denen es vorkommt, handelt es sich jeweils um Vorschriften, die entweder in der Konungs- oder der Stajarhólsbók enthalten sind, aber nicht in beiden Handschriften zugleich.184 Verwendet wird das Wort áfang auch in den norwegischen Gesetzen.185 Jedoch gehört die Strafe auch dort eher zu den exotischen Rechtsfolgen. Möglicherweise ist dies ein Anzeichen dafür, dass diese Sanktion gemeinsam mit den Normen, in denen die Sanktion enthalten ist, übernommen wurde. Die Dreihöfegrenze begegnet noch in weiteren skandinavischen Gesetzen. In den Gesetzen des Frostuping wird auf die Dreihöfegrenze abgestellt, wenn ein Pferd jemandem zu Pferde nachläuft: En ef ross rennr eptir ríjanda manni. pá láti hann ross til varjveizlu fyrr en hann hafi rijit um .iij. bœi. eja ábyrgiz siálfr elligar.186

Wenn ein Pferd einem reitenden Manne nachläuft, dann soll er das Pferd in Verwahrung geben, bevor er an 3 Höfen vorbeigeritten ist, oder er trägt ansonsten selber die Gefahr dafür.

186

Obwohl im Bezirk des Frostupings zwar die Dreihöfegrenze verwendet wird, wird dort nichts über unerlaubtes Reiten gesagt, sondern lediglich das nicht unterbundene Hinterherlaufen eines Pferdes ab dem dritten Hof sanktioniert, indem ab dann die Gefahr für das Pferd zu tragen ist. 184 185 186

Vgl. Grágás II, Kap. 435, S. 505.23, Grágás Ib, Kap. 165, S. 66.18, 67.05. Vgl. Lújvík Ingvarsson, Refsingar á Íslandi á pjójveldistímanum, S. 273. Ældre Frostathings-Lov, Buch X, Kap. 46, in: Norges Gamle Love I, S. 119(228.12–14).

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

363

In den Gesetzen für Schonen, die um 1200 schon sicher schriftlich vorlagen, ist die Dreihöfegrenze mit einer Dreiteilung des Delikts hinsichtlich der gerittenen Entfernung kombiniert.187 Im Edictus Rothari findet sich eine Zweiteilung hinsichtlich der Schwere des Delikts wie in der Grágás. 340. Si quis cauallum alienum ascenderit et infra uicinia tantum cauallicauerit (id est prope ipsum uicum), conponat solidos duos; nam si inantea eum caballicare presumpserit et dominum non rogauerit, in actogild reddat.188

340. Besteigt jemand ein fremdes Pferd und reitet es nur in der Nachbarschaft herum, unweit vom Dorf: der zahlt 2 Schillinge. Doch untersteht er sich, ohne den Herrn zu fragen, damit weiter weg zu reiten: das muß er achtfach entgelten.189

188189190

Der Edictus Rothari weist deutlich mehr Bestimmungen als andere Rechte auf, die sich mit Gebrauchsdiebstahl an Pferden beschäftigen, wenngleich diese in der Grágás nochmals deutlich umfangreicher sind. Das zweite Kapitel über Pferderitte in der Stajarhólsbók beginnt folgendermaßen: Ef majr ler manne r oss eja hefir hann leigt. oc varjar honom eige mejförin. nema hann hafe lengr eja vijara en honom væri lofat. Ef majr lér manne ross an ars manz oc varjar honom slict sem hann fare siálfr mej. Enda a sa kost er hross á at søkia pan er léj er. En sa versc sokin i er pat berr quijr at han hugji hann eiga eja leigt hafa er honom léji.190

187

188 189 190

Wenn jemand einem anderen ein Pferd leiht oder er es verpachtet hat, so verstößt er mit dem Ingebrauchnehmen nicht gegen das Gesetz, es sei denn, er gebrauche es länger oder weiter als ihm erlaubt sei. Wenn jemand einem [Dritten] das Pferd eines anderen leiht, steht für ihn darauf dasselbe, wie wenn er es selber gebrauchen würde. Und derjenige, dem das Pferd gehört, hat auch die Möglichkeit, denjenigen zu verfolgen, dem es geliehen wurde. Und dieser erwehrt sich der Sache, wenn eine Jury aussagt, dass er meinte, derjenige besäße es oder hätte es gemietet, der es ihm lieh.

Vgl. Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijarlög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 134 bei Fn. 7 m.w.N. Edictus Rothari (Text), S. 81. Edictus Rothari (Übersetzung), S. 70. Grágás II, Kap. 209, S. 241.18–24; vgl. Grágás Ib, Kap. 164, S. 61.22–62.05.

364

Einzelne Bestimmungen

Der erste Abschnitt hat eine römisch-rechtliche Entsprechung in D. 47, 2, 40. Qui iumenta sibi commodata longius duxerit alienave re invito domino usus sit, furtum facit.191

Wer ihm geliehenes Zugvieh weiter fortgeführt, und wider des Eigenthümers Willen von einer fremden Sache Gebrauch gemacht hat, begeht einen Diebstahl.

191192193

Der zweite Teil der Vorschrift dagegen ähnelt Kap. 342 im Edictus Rothari. Si quis cauallum alienum aut quodlibet peculium credens suum praeserit et dominus proprius eum cognouerit calumniaque generare uoluerit, ita decernimus, ut prebeat sacramentum ille qui eum tenuit: quia non asto animo nec aliqua causa faciente eum praesisset, sed credidit suus fuisset: sit absolutus a culpa furti, et reddat caballum proprio domino inlesum. Si autem non praesumserit iurare, reddat eum in actogild; quia, postquam cognouit, quod suus non fuit, mox debuit proprio domino innotescere. Nam si eum, postquam cognouit quod suus non fuit, ascenderit, sit culpabilis, ut supra, solidos duos.192

191 192 193

Paulus libro nono ad Sabinum. Edictus Rothari (Text), S. 82. Edictus Rothari (Übersetzung), S. 71.

Jemand nimmt einen fremden Gaul (oder auch sonst ein Tier), weil er es für sein eigenes hält; doch dessen Herr erkennt’s und will ihn drum verklagen, da wollen Wir es so gehalten wissen. Der, der es hatte, soll beschwören: „er habe es nicht in Frevelmut noch sonst um einer Sache willen genommen, vielmehr im Glauben, daß es sein eigenes gewesen sei“. [Damit] soll er der Diebstahlsklage ledig sein und soll den Gaul in unversehrtem Zustand seinem Herrn herausgeben. Wagt er indessen nicht zu schwören, so büßt er ihn samt dem achtfachen Geld[wert]. Denn als er merkte, daß es nicht der seinige war, mußte er unverzüglich dessen Herrn verständigen. Wenn er indes, nachdem er sah, daß es der seinige nicht war, ihn doch bestieg, ist er (wie oben) 2 Schillinge schuldig.193

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

365

Auch hier wird der gutgläubige Nutzer eines fremden Pferdes im Vergleich zum Dieb privilegiert. In der Grágás irrt der Nutzer allerdings nicht über sein Eigentum, sondern über die Berechtigung des Verleihers. Die Normen sind insofern etwas anders akzentuiert. Auch im nächsten Kapitel der Grágás finden sich deutliche Parallelen zum langobardischen Recht. Ef hross kømr i haga manz pat er eigi eigo peir menn er næstir bua honom eja peirra húskarlar. oc er boanda heimilt at rija pvi rossi isins bu fiár gangi i sino landi. oc sva peim mönnom er ping heyendr ero fyrir bu hans. oc sva heima mönnom hans peim er hann lofar. Hann scal eigi hepta hros pat til navtnar. oc eigi rija spell reipir ne einar. Boandi scal segia at kirkio sócnum eja a samquamvm at pat ross er par komit er hann veit eigi hver á. Ef pat ross hefir par verit hálfan mánaj sipan er hann sagji til. oc er rétt aj hann heimti til v. bva at virja hross pat vij bók. oc sipan er pat metij; er rett at hann neyti oc abygiz.194

Wenn ein Pferd in jemandes Hain geht [zum Grasen], welches nicht denjenigen Leuten gehört, die dort am nächsten bei ihm wohnen, oder ihren Knechten, so ist es dem Bauern gestattet, dieses Pferd zu dem Auslauf seines Wirtschaftsviehs auf seinem Land zu reiten, und ebenso den Leuten, die für seine Wirtschaft das Thing besuchen und ebenso seinen Gesindeleuten, denen er es erlaubt. Er soll dieses Pferd nicht zur Arbeit einspannen und auch keine Gewaltritte damit unternehmen. Der Bauer soll an Kirchtagen oder auf Zusammenkünften sagen, dass das Pferd dorthin gekommen ist, wenn er nicht weiß, wem es gehört.

194

Im langobardischen Recht (Edictus Rothari, Kap. 343) findet sich ebenfalls eine Norm, die davon handelt, dass ein Pferd gefunden wird, während es einen Schaden anrichtet und man es später nutzen darf. De peculio in damnum muento. Si quis caballum alienum aut quodlibet peculium damnum facientem inuenerit ipsumque in curte inclauserit, et non uenerit certus dominus, qui eum cognuscat: tunc ille, qui eum in damnum inuenit, ducat eum ad iudicem, qui in loco ordinatus est,

194

Wenn Tiere auf der Schadenstat betroffen [werden]. Da findet jemand ein fremdes Pferd (oder auch sonst ein Tier), wie es Schaden anrichtet, und sperrt es in [seinem] Hofe ein; allein es kommt kein unverdächtiger Eigentümer, der’s erkennt: da soll’s derjenige,

Grágás II, Kap. 210, S. 242.16–243.03; vgl. Grágás Ib, Kap. 64, S. 62.20–63.07.

366

Einzelne Bestimmungen

aut certe ante ecclesia in conuento usque quarta et quinta uicem, et omnibus uocem praeconia innotescat, quia caballum inuenit. Et si non venerit, qui eum cognuscat, iubemus, ut ille, qui eum inuenit, caballicet et custodiat eum tamquam suum proprium.195

der’s bei der Schadenstat betraf, dem ortszuständigen Richter vorführen. Oder er soll zumindest vor der Kirche vor versammelter Gemeinde bis zu vier, fünf Malen durch Ausruf allen bekanntgeben, daß er ein Pferd gefunden habe. Kommt dann keiner, der’s [als das seinige] erkennt, so ist es Unser Wille, daß es der Finder reite und betreue, wie sein eigenes [Tier].196

195196

Die beiden Vorschriften weisen gleich mehrere Gemeinsamkeiten auf. Zunächst wird das Pferd in beiden Fällen angetroffen, während es einen Schaden verursacht. In der Grágás besteht dieser darin, dass ein Pferd einen fremden Hain abgrast. Im langobardischen Recht ist der angerichtete Schaden nicht näher beschrieben. Dann soll in beiden Vorschriften der Fund bei der Kirche bekannt gemacht werden. Schließlich wird in beiden Normen erlaubt, das fremde Tier zu nutzen. Während im langobardischen Recht aber stärker auf die eigenübliche Sorgfalt abgestellt wird, umschreibt die Grágás den Sorgfaltsmaßstab so, dass mit dem Pferd keine das Pferd möglicherweise dauerhaft schädigenden Gespanneinsätze oder Gewaltritte unternommen werden dürfen. Der schon oben im Bezug auf das norwegische Recht des Frostupings angesprochene Fall, dass ein Pferd jemandem hinterherläuft, findet sich gleich in zwei ähnlichen Vorschriften eines Kapitels der Stajarhólsbók. Das Kapitel enthält einige Novellen, die jedoch alle nur genauere Auslegungen der übrigen schon in diesem Bereich enthaltenen und nicht als Novellen bezeichneten Normen darstellen.197 Während die erste Vorschrift wiederum auf die Dreihöfegrenze Bezug nimmt, stellt die zweite Bestimmung auf Distriktsgrenzen ab.

195 196 197

Edictus Rothari (Text), S. 82. Edictus Rothari (Übersetzung), S. 71. Vgl. nur Sveinbjörn Rafnsson, Forn hrossreijarlög og heimildir peirra, in: Saga XXVIII (1990), S. 131(140).

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

Ef majr l´ætr renna eptir ser r oss an ars manz or heraje. oc ifir pær heijar er vatn favll deilir af ii.ia vegna a millom heraja oc varjar f iör bavgs garj. Ef majr lætr ren a eptir ser r oss manz fra böium a milli fiorjinga. oc varjar pat f iör b avgs garj. Ef r oss kömr at manne i obygjum. oc varjar m anne eigi eptir rásin ef hann heptir a næsta bö. pott pat ren i fiorjunga a mille. eja um heijar pær er vatn favll deilir af ii.a vegna amilli heraja.198

367

Wenn jemand das Pferd eines anderen aus dem Distrikt heraus hinter sich herlaufen lässt und über solche Heiden, die den Niederschlag in 2 Richtungen zwischen den Distrikten teilen, so steht darauf dreijährige Landesverweisung. Wenn jemand jemandes Pferd von Gehöften zwischen Vierteln hinter sich herlaufen lässt, so steht darauf dreijährige Landesverweisung. Wenn ein Pferd in unbewohnter Gegend zu einem kommt, so verstößt das Hinterherlaufen für einen nicht gegen das Gesetz, wenn er es beim nächsten Gehöft fesselt, auch wenn es [damit] zwischen Vierteln oder durch solche Heidegegenden umherläuft, welche Niederschläge in 2 Richtungen zwischen Distrikten teilen.

198

Im langobardischen Recht findet sich im Edictus Rothari (Kap. 347) eine vergleichbare Norm, die allerdings wesentlich kürzer ausfällt. Si hominem iterantem caballus aut quislibet peculius secutus fuerit et ille, quem sequitur, in ligamen aut in clausura eum miserit, ipse eum saluum faciat, sicut supra constitutum est, ut ueniente proprio domino restituat.199

Gesetzt, es folge einem Mann auf seinem Weg ein Gaul oder irgendein Tier, und jener, dem es folgt, nimmt es an seine Leine oder sperrt es ein: da muß er es auch sicherstellen, wie oben festgesetzt ist, damit er es dem Eigentümer, wenn er kommt, einhändigen kann.200

199200

Auch das Verbot, einem Pferd den Schweif abzuschneiden, findet sich in beiden Gesetzen. In der Stajarhólsbók wird mit der folgenden Norm das Kap. 215 eingeleitet:

198 199 200

Grágás II, Kap. 214, S. 246.18–247.02; vgl. Grágás Ib, Kap. 164, S. 65.03–11. Edictus Rothari (Text), S. 83. Edictus Rothari (Übersetzung), S. 72.

368

Einzelne Bestimmungen

Ef majr sker tagl or stój hesti manz. pat varjar scog gang. Ef majr scer tagl or ping hesti manz eja pes manz hesti. er ibruj favr er. pa varjar fiör b avgs garj. pa er ping hestr er hann er i pingförin e. Ef majr scer sva at beín nemr varjar fiör bavgs garj. Nu scer hann tagl or avjrom hesti. oc verjr hann pa utlagr um pat .iii. mörcom.201

Wenn jemand den Schweif von jemandes Hengst abschneidet, so steht darauf Waldgang. Wenn jemand den Schweif von jemandes Thingpferd oder des Mannes Pferd, der auf der Brautfahrt ist, abschneidet, so steht darauf dreijährige Landesverweisung. Dann ist es ein Thingpferd, wenn er auf der Thingfahrt ist. Wenn jemand so schneidet, dass es [das Messer] auf Knochen gelangt, so steht darauf dreijährige Landesverweisung. Wenn jemand den Schweif eines anderen Pferdes abschneidet, so wird er deswegen bußfällig um 3 Mark.

201202203

Im langobardischen Recht (Edictus Rothari, Kap. 338) heißt es: De coda caballi Si quis caballum alienum coda cappellauerit (id est seta tantum), conponat solidos sex.202

Pferdeschweif Stutzt jemand einem fremden Gaul den Schwanz ab – will heißen: nur das [Roß-]Haar – so büßt er mit 6 Schillingen.203

Auch hier ist die isländische Norm wesentlich ausführlicher als die langobardische. Grundsätzlich scheint es aber so, dass die isländischen Normen in Anlehnung an das langobardische Recht erlassen wurden, weil sie dieselben Regelungsgegenstände abdecken. Die Übereinstimmungen bei den Vorschriften über den unerlaubten Ritt von Pferden, das Finden und Zusich-nehmen eines fremden Pferdes, das ungehinderte Nachlaufenlassen eines fremden Pferdes sowie über das Abschneiden des Schweifs eines fremdem Pferdes sind zu viele, als dass es sich noch um einen Zufall handeln dürfte. Andererseits bleibt offen, warum die isländischen Normen so viel ausführlicher und präziser sind als die des langobardischen Rechts. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass möglicherweise die Normen in 201 202 203

Grágás II, Kap. 215, S. 247.16–248.01; vgl. Grágás Ib, Kap. 164, S. 65.15–22. Edictus Rothari (Text), S. 81. Edictus Rothari (Übersetzung), S. 70.

Einflüsse aus dem langobardischen Recht

369

der Grágás so gestaltet wurden, wie das langobardische Recht im byzantinischen Rechtsunterricht ausgelegt und fallrechtlich weiter ausgeführt wurde. Die Normen können von der Gesetzgebungskommission unter Hafliji Másson aber auch deshalb ausführlicher gefasst worden sein, weil Pferde in Island eine überragende Bedeutung als Fortbewegungsmittel und Statussymbol hatten. 5.3.2. Unterscheidungen nach maior/minor Bereits vor über einhundert Jahren ist darauf hingewiesen worden, dass es eine Unterscheidung großen und kleinen Diebstahls sowohl im langobardischen als auch im Recht der Sachsen gegeben habe.204 Im Edictus Rothari findet sich die Unterscheidung in Kap. 253: De furtis. Si quis liber homo furtum fecerit et in ipsum furtum temptus fuerit (id est fegangit): usque ad decem silequas furtum ipsum sibi nonum reddat, et conponat pro tali turpe culpa sol. octuginta, aut animae suae incurrat periculum.205

Diebstahl. Begeht ein freier Mann einen Diebstahl und wird dabei ertappt („Viehgänger“), so soll er bis zu[m Sachwerte von] zehn Siliquen herab das Diebsgut ‚selb(neunt)‘ erstatten und für die üble Schuld mit 80 Schillingen büßen, oder es geht ihm an sein Leben.206

205206

Im isländischen Recht wurde diese Art, ähnliche Sachverhalte ökonomisch zu regeln, ebenfalls häufig gebraucht. Hierzu wurde ein Begriff in eine größere und eine kleinere Variante unterteilt. Der Vorteil dieser Regelungsart besteht darin, entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterschiedliche Schweregrade eines Verstoßes oder allgemein die verschiedenen Stufen einer rechtlichen Kategorie unterscheiden zu können, ohne einen völlig neuen Rechtsbegriff einführen zu müssen. Während bei Diebstahlsdelikten in Island eigenständige Begriffe den Blick auf Zusammengehöriges eher verstellen, finden sich derartige Differenzierungen beispielsweise beim größeren und kleineren Schadensersatz:

204 205 206

Vgl. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I2, S. 536 f.Fn. 34 unter 11. Edictus Rothari (Text), in: Franz Beyerle (Hrsg.), Leges Langobardorum, S. 15(67). Edictus Rothari (Übersetzung), in: Franz Beyerle (Üb.), Die Gesetze der Langobarden, S. 56.

370

Einzelne Bestimmungen

Pat er oc mælt. of f iör b avgs sacir og scogangs s acir pær er her o talpar í landa brigpis pette. oc sva of pær vtlegpir er avuisla bót en meire fylgir. oc sva pott en min e auvisle se at. pat ero allt priggia pinga sakar sva at sott se a eno prijia alpingi et sijarsta. pajan fra er ajile fregn. ef han spyr lavgar dag i fardagom eja fyr.207

Das ist auch bestimmt bezüglich der Sachen dreijähriger Landesverweisung und Waldgangssachen, die hier im Abschnitt der Landeinforderung aufgezählt sind, und ebenso bezüglich der Bußsachen, aus denen der größere Schadensersatz folgt, und auch wenn der kleinere Schadensersatz gegeben ist: Das sind alles 3-Thingsachen, so dass spätestens auf dem dritten Allthing verfolgt werden muss, ab dann, wenn es die Klagepartei erfährt, wenn er es am Sonnabend während der Umzugstage oder eher erfährt.

207

Eine Zweiteilung in eine schwerere und eine leichtere bzw. eine größere und eine kleinere Form findet sich beim „Verwandtenbeischlaf“ ( frændsemisspell hitt meira/hitt minna),208 beim „Patenschaftsbeischlaf“ (sifjaspell bzw. sifjaslit hitt meira/hitt minna),209 beim Einhalten eines Feiertages (hitt meira hald ),210 beim Herauswahlrecht (hrujningin meiri ),211 wenn weder Vater, Bruder noch Sohn irgendeines Beteiligten im Gericht sitzen dürfen, beim Verfolgungsrecht (hin minni sókn) und beim soeben erwähnten Pferderitt,212 sowie beim Schadenswerk (spellverk hitt meira), das ein schwereres war, wenn ein Schaden von mehr als 5 Öre entstand.213 Ebenso wurde bei anderen Schäden nach der Wertgrenze von 5 Öre differenziert (hin meiri mein).214 Auch bei einem angetriebenen Wal wurde danach unterschieden, ob er ein größerer (länger als 20 Ellen) oder ein kleinerer war (hinn minni/hinn 207 208

209

210 211 212

213 214

Grágás II, Kap. 435, S. 506.02–07. Vgl. Grágás II, Kap. 152, S. 181.11–12, Kap. 162, S. 190.20–21, Kap. 166, S. 197.08–10; Grágás Ib, Kap. 158, S. 56.20, Kap. 162, S. 59.23–24; Belgdalsbók in: Grágás Ib, Kap. 41, S. 235(236.09–10); AM 173D in: Grágás III, S. 455(457.10–11)). Vgl. Grágás II, Kap. 152, S. 181.14–20, Kap. 162, S. 190.22–24, Kap. 166, S. 197.10–14; Grágás Ib, Kap. 162, S. 60.03–09. Vgl. Grágás II, Kap. 52, S. 60.10, Kap. 443, S. 515.20. Vgl. Grágás II, Kap. 430, S. 490.05. Vgl. besonders prägnant Grágás II, Kap. 174, S. 207.14–15: Ef kona lér manne hros. pa a bonde hennar cost at søkia ini mine socn ef hin meire er reijin. (Wenn eine Frau einem Mann ein Pferd leiht, dann hat ihr Bauer die Möglichkeit, es mit der geringeren Verfolgung zu verfolgen, wenn der Ritt der größere ist.) Vgl. Grágás II, Kap. 431, S. 495.15–16. Vgl. Grágás II, Kap. 166, S. 196.01, vgl. Kap. 215, S. 248.03–05.

Zusammenfassung

371

meiri hvalr).215 Selbstverständlich ist in dieser Kategorie auch der größere Zehnte zu erwähnen (tíund hin meiri ).216 Es ist sehr schwer zu sagen, ob der Regelungsansatz, bezüglich eines Tatbestandes je nach Schwere des Verstoßes oder allgemein nach größer/ kleiner zu differenzieren, im isländischen Recht durch eine Regelung wie den zitierten Diebstahlsdeliktstatbestand im Edictus Rothari beeinflusst ist. Dafür könnte sprechen, dass Diebstahl ein zentrales Vermögensdelikt ist und auch in diesem Bereich in der Grágás Abstufungen im genannten Sinne vorgenommen werden. Da aber dieses Prinzip so große Verbreitung im isländischen Recht hat und nicht auf Deliktstatbestände beschränkt ist, sondern auch in ganz anderen Zusammenhängen auftaucht, liegt es unter Umständen näher, hier einen scholastischen Einfluss zu vermuten. Vor allem in der mittelalterlichen ‚gelehrten‘ Jurisprudenz wurden zwei- und mehrgliedrige Unterscheidungen vorgenommen; damit wurde die Systembildung im Recht vorangetrieben.217 Ein Einfluss langobardischen Rechts ist hier also denkbar, es lassen sich aber mindestens genauso gut andere Erklärungsmodelle für die vorgenommene Distinktion in der Grágás finden.

5.4. Zusammenfassung Die Untersuchung einzelner Normen der Grágás hat ergeben, dass viele isländische freistaatliche Vorschriften bis ins Detail mit römisch-rechtlichen Bestimmungen übereinstimmen. Angefangen mit kleineren Regelungskomplexen im Eherecht, bei denen dieselben Scheidungsgründe aufgeführt sind, haben sich auch viele Übereinstimmungen im Bereich der eigentumsrechtlichen Grundsätze gezeigt. In der Grágás finden sich Vorschriften, die an die eigenübliche Sorgfalt anknüpfen, und es wird durchweg streng unterschieden zwischen einer ursprünglichen Schuld und eventuell darauf zu zahlenden Zinsen. Die isländische Vorschrift zum Seewurf ähnelt sehr stark der des römischen Rechts. Es finden sich isländische Parallelen zum römischen Rechtssatz superficies solo cedit und auch die Begrifflichkeiten, mit denen im isländischen Recht die Eigentumsverhältnisse geregelt werden, wenn ein Fluss seinen Lauf än-

215 216 217

Vgl. Grágás II, Kap. 444, S. 17.04. Vgl. Grágás II, Kap. 53, S. 61.09–10. Vgl. P. Weimar, Distinktion (distinctio) II. Zivilrecht, in: Lexikon des Mittelalters 3, Sp. 1128 f.

372

Einzelne Bestimmungen

dert, erinnern sehr stark an das römische Recht, wie es durch Iustinian für die Nachwelt bewahrt wurde und in Byzanz bis zum ausgehenden Mittelalter in Kraft war. Keinen Zweifel an einer Beeinflussung der Grágás durch das römische Recht lassen die umfangreichen Vorschriften, die sich an herausgehobener Stelle im ersten Kapitel des Abschnittes der Landeinforderung finden. Sowohl die prozessrechtliche Ausgestaltung der Gewährschaftsklage als auch der Inhalt der einzelnen Bestimmungen entspricht weitestgehend den entsprechenden Vorschriften in den Digesten. Einziger nennenswerter Unterschied gegenüber den Digesten ist in der Grágás, dass die Feststellung, ob eine Überschuldung vorlag, die den Vermögensverwahrer berechtigte, Grundstücke des Minderjährigen zu veräußern, systematisch anders ausgestaltet war. Auch im Erbrecht lassen sich einzelne Normen ausmachen, die auf einen Einfluss römischen Rechts hindeuten. So werden beispielsweise bestimmte Zuwendungen an die späteren Erben bei der Erbauseinandersetzung angerechnet. Auch der Bereich der Haftung des Erben für Schulden der Erbschaft weist Ähnlichkeiten zum römischen Recht auf. Der Bereich des Strafrechts wurde mit Rücksicht auf die besondere Entwicklung des Strafrechts in Byzanz nur bezüglich zweier ausgewählter Vorschriften grundsätzlichen Inhalts auf mögliche Einflüsse des römischen Rechts untersucht. So ist in der Grágás deutlich geregelt, dass der Versuch einer Straftat selbst strafbar ist, und auch die Strafbarkeit der Anstiftung zu einer Straftat ist im Recht des isländischen Freistaats festgelegt. Beide Punkte entsprechen dem römischen Strafrecht. Biblische Normen aus dem Alten Testament müssen den Isländern schon sehr früh auch in ihrer Eigenschaft als rechtlich bedeutsame Regeln bekannt gewesen sein. Ansonsten wäre es undenkbar, dass das in der Grágás sehr häufig auftretende Institut der dreijährigen Landesverweisung sich bezüglich der drei Orte, an denen sich der Verurteilte bis zu seiner Ausreise aufhalten durfte, sehr deutlich an den biblischen Normen hinsichtlich der Asylstätten orientiert. Möglicherweise ist auch der ein- bzw. dreijährige Vortragsturnus bezüglich der Gerichtsverfassung und des sonstigen Rechts in Anlehnung an die Lesungen des alten Testaments mit seinen Rechtsnormen entstanden. Weitere Normen, etwa betreffend die Teilung des unfreien Übeltäters bzw. die Teilung eines Tieres, das einen Schaden verursacht hat, dürften ebenso aus dem Alten Testament in die Grágás übernommen worden sein. Dasselbe gilt für den auch in der Grágás verankerten Zweizeugengrundsatz sowie für die Bestimmung, nach der es bei Streitigkeiten in geistlichen Angelegenheiten untersagt war, Eide einzusetzen.

Zusammenfassung

373

Als weitere Besonderheit finden sich in der Grágás einige Normen, die auf langobardisches Recht zurückgehen dürften. Auch diese Einflüsse können gut über Byzanz vermittelt worden sein, weil um das Jahr 1080 herum ein aus dem langobardischen Rechtskreis stammender Rechtslehrer namens Johannes Italos in Byzanz lehrte. Bei den vermutlich auf langobardisches Recht zurückgehenden Vorschriften in der Grágás handelt es sich um umfangreiche Bestimmungen, die den Gebrauchsdiebstahl an Pferden betreffen. Möglicherweise ist auch die in der Grágás häufig anzutreffende Unterscheidung nach Schwere eines Verstoßes im Sinne einer maior/minorZweiteilung auf Einflüsse auf dem langobardischen Recht zurückzuführen. Es ist aber auch denkbar, dass es sich hierbei um allgemeine scholastische Einflüsse handelt. Damit kann zumindest aufgrund der Ergebnisse dieses Teils der Untersuchung kein Zweifel mehr daran bestehen, dass in der Grágás umfangreiche Einflüsse aus dem römischen Recht enthalten sind. Weiterhin enthält die Grágás Vorschriften, die durch Normen des Alten Testaments der Bibel beeinflusst sind. Auch einige Regelungen aus dem langobardischen Recht scheinen Pate gestanden zu haben, als die praktisch vermutlich überaus bedeutsamen isländischen Vorschriften über den unberechtigten Gebrauch eines Pferdes geschaffen wurden.

374

Einzelne Bestimmungen

6. Ergebnis 6.1. Bisherige Ansichten über die Entstehung der Grágásgesetze nicht haltbar Es ist behauptet worden, dass mit Annahme der Járnsíja die Enwicklung des alten, volkstümlichen Rechts der Grágás abgerissen sei.1 In der Tat war in der Forschung lange Zeit die vor allem seit dem 19. Jahrhundert vertretene Meinung vorherrschend, nach der man in den skandinavischen Rechtsaufzeichnungen des Hochmittelalters viel ältere „germanische“ Rechtszustände konserviert finden würde und es in der Grágás keine römisch-rechtlichen Einflüsse gäbe.2 Indes sind die meisten der bisherigen Einschätzungen über den Ursprung der Gesetze der Grágás nicht haltbar. Insbesondere die These, dass die „Grágás als originale Kompilation weitgehend frei von Fremdeinflüssen“3 geblieben sei, dürfte daher unzutreffend sein. Auch die Behauptung, die Regelung über den Seewurf sei sicherlich nicht durch römisch-rechtlichen Einfluss in die Grágás gelangt, wurde mit keinem Wort begründet.4 Ebenso ist bei der näheren Einordnung der sozialen Hintergründe eines typischen isländischen Gesetzessprechers der Freistaatszeit die Annahme vollkommen unzutreffend, es habe sich regelmäßig um einen „bäuerlichen 1

2 3 4

Vgl. Ólafur Lárusson, Próun íslensks réttar eftir 1262, in: Lög og Saga, S. 199(202): „Mej lögtöku peirra [lögbóka Járnsíja og Jónsbók] var próun hins forna, pjójlega réttar rofin.“ („Mit ihrer (der Gesetzbücher Járnsíja und Jónsbók] Annahme riss die Entwicklung des alten, volkstümlichen Rechts ab.“) Vgl. die Nachweise oben in der Einleitung Fn. 30 ff. Hans-Peter Naumann, Sprachstil und Textkonstitution, S. 173. Vgl. Páll Eggert Ólason, Preface, in: Konungsbók, S. 5(9 f.): „On the whole it may be said that the law in all its departments is thoroughly national in character and determined by conditions peculiar to the Iceland of those times. Foreign influence is scarcely traceable anywhere except perhaps in our Church Law, and yet Kristinnalagapáttur is wholly national in character and differs from the Ecclesiastical Law of the Roman Catholic Church on many important points. It has been pointed out that the Roman Lex Rhodia de iactu is included in our law-book. It is true that provisions similar to that law are to be found there, but this is certainly not due to any direct influence from the Roman Law.“

376

Ergebnis

Rechtsprecher“5 gehandelt. Viele der Gesetzessprecher der Freistaatszeit galten als besonders gebildete und verständige Männer, die häufig auch die Priesterweihe abgelegt hatten oder die wie Snorri Sturluson oder sein Neffe Sturla Pórjarson nach damaligen wie nach heutigen Maßstäben bedeutsame Schriftsteller und Dichter waren. Auch ist in keiner Weise nachvollziehbar, welcher „Erdgeruch“6 in den Gesetzen der Grágás auszumachen sein soll. Das farbensatte Bauern- und Schiffertreiben7 in der Grágás scheint sich eher in der Vorstellung eines romantisch verklärten Geisteswissenschaftlers abgespielt zu haben als dass es tatsächlich in der weitestgehend ausgesprochen nüchternen und hochpräzisen Gesetzessprache vorzufinden wäre. Diese Fehleinschätzung verwundert umso mehr, als derselbe Autor in der Grágás „eine reifere, gedanklichere Sprache, als wir sie von germanischen Volksrechten gewöhnt sind“,8 festgestellt hat und auch zugibt, dass im direkten Vergleich mit dem sogar jüngeren, um 1225 erstmals aufgezeichneten9 Äldre Västgötalag der „schwedische Rechtsprecher […] unzerdachter“ wirkt und man „hier zwei Stufen menschlicher Vorstellungskraft“10 erlebt. Auch das vermeintliche „vorrömische Satzgefühl“,11 das derselbe Autor in der Grágás als charakteristisch herausstellt, wird der Eigenart der Grágásgesetze nicht gerecht. Dies hätte umso eher auffallen müssen, als in derselben Beschreibung der Grágás die mitunter extrem langen Sätze und Nebensatzschachtelungen hervor gehoben werden,12 welche am ehesten mit klassischen lateinischen Texten zu vergleichen sind. Selbst J.F.W. Schlegel (1765–1836) ging davon aus, dass in der Grágás kein direkter römisch-rechtlicher Einfluss vorhanden sei, obschon er überall in der Grágás den eingangs zitierten „subtilen römischen Geist“ (siehe oben S. 11 bei Fn. 33) ausmachte und er es war, der in einem bereits 1825 erschienen Werk die Vermutung äußerte, die schon im Jahre 1754 durch den Juraprofessor an der Akademi Sorø (auf Seeland, Dänemark) und dänischen Oberhofgerichtsjustiziar Isaac Andreas Cold (1716–1761) festgestellten streckenweisen Übereinstimmungen der Gulathingsgesetze zum

5 6 7 8 9 10 11 12

Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXVIII). Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXVIII). Vgl. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXVI). Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXII). Vgl. Dieter Strauch, Västgötalag, in: RGA 32, S. 15 f. Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XX). Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXX). Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XXIX).

Schlussfolgerungen für andere Gesetze

377

römischen Recht13 könnten auf die Verbindung der Norweger nach Konstantinopel unter dem byzantinischen Kaisern, genauer gesagt, durch die Waräger, zurück zu führen sein.14 Obwohl diese im Falle der Grágás offenbar zutreffende Vermutung J.F.W. Schlegels, die dieser freilich für die norwegischen und nicht für die isländischen Gesetze geäußert hatte, auch in neuerer Zeit Erwähnung fand,15 hat sie bisher keine vertiefte Untersuchung eines mittelalterlichen skandinavischen Rechts im Vergleich zum in Byzanz tradierten römischen Recht angeregt.

6.2. Schlussfolgerungen für andere Gesetze Die Forschungsergebnisse, denen zufolge die übrigen skandinavischen mittelalterlichen Gesetze frei von Einflüssen kontinentaler Rechte sind, bedürfen einer erneuten Überprüfung. Dies gilt wegen der Verbindung von Haraldr harjráji Sigurjsson nach Byzanz vor allem für den Vergleich der norwegischen Gesetze mit dem römischen Recht, wie es in Byzanz im 11. Jahrhundert galt. Erste Stichworte lieferte hier bereits Isaac Andreas Cold im Jahre 1754.16 Auch die schwedischen Landschaftsgesetze der Regionen, aus denen die größte Anzahl der Waräger in Byzanz stammte, könnten für weitere Untersuchungen interessant sein, auch wenn die durchweg späten Kodifikationsdaten der schwedischen Landschaftsgesetze vielleicht keinen so direkten Nachweis der Kenntnis römischen Rechts erlauben dürften wie beispielsweise die Bestimmungen über die Landeinforderung in der Grágás. Erfreulicherweise wurden im 20. Jahrhundert viele überkommene Lehrmeinungen zur Entstehung der mittelalterlichen skandinavischen Gesetze schon vor dem Hintergrund überprüft, dass die nordischen Länder wohl zu keiner Zeit völlig isoliert von den Ländern weiter südlich waren. Wertvolle Erkenntnisse für eine angemessenere Einordnung der skandinavischen

13

14

15 16

Vgl. Isaac Andreas Cold, Samling af gamle norske love etc. [Rezension der Ausgabe norwegischer Gesetze von Hans Paus, Kopenhagen 1751 ff.], in: Anton Friedrich Büsching/Jesias Lork (Hrsg.), Nachrichten vom Zustande der Wissenschaften und Künste in den Königlichen Dänischen Reichen und Ländern, Bd. 1, S. 185–210. Vgl. J. F. W. Schlegel, Juridisk Encylopædie tilligemed Udsigt over den romerske, kanoniske, longobardiske Lehns-Rets, tydske og andre vigtige fremmede Retters Historie, S. 285. Vgl. Ole Fenger, Romerret i Norden, S. 41. Vgl. Isaac Andreas Cold, Samling af gamle norske love etc.

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Ergebnis

mittelalterlichen Gesetze liefern einige Arbeiten, die sich vorwiegend mit dänischen und schwedischen Rechten befassen.17 Eventuell müssten auch die bereits früh festgestellten Übereinstimmungen zwischen skandinavischen Gesetzen einerseits und den Gesetzen anderer Völker germanischer Sprache wie den Langobarden18 auf bisher für wenig wahrscheinlich gehaltene Einflüsse des römischen Rechts auf diese Gesetze (erneut) untersucht werden. Dies gilt insbesondere für das Westgotenrecht sowie für das langobardische Recht. Es dürfte wohl kaum zutreffen, dass gerade diese Gesetze mit den skandinavischen auf einen gemeinsamen „germanischen“ Ursprung zurückgehen. Im Gegenteil könnte es gut sein, dass den auf ehemaligem römischen Reichsgebiet siedelnden Westgoten und Langobarden dieselben Normen des römischen Rechts passend erschienen und sie diese rezipiert haben, welche auch fünf- bis achthundert Jahre später den Skandinaviern überzeugend vorkamen und von ihnen in die Gesetze aufgenommen wurden.

6.3. Ergebnis für das Recht der Grágás und seine Entstehung Die Betrachtung der Gesetzgebungsgeschichte der isländischen Freistaatszeit hat verdeutlicht, dass sehr wahrscheinlich nach dem Erlass der Úlfljótsgesetze um 930 und einigen wichtigen Änderungen der Staatsverfassung im 10. und frühen 11. Jahrhundert nur noch ein Datum für weitgehende Gesetzesänderungen in Frage kommt: Der Winter 1117/1118, als auf dem Hof von Hafliji Másson die Gesetze erstmals umfassend aufgezeichnet wurden. In der Zeit danach sind neben der Kodifikation und Schaffung des isländischen Kirchenrechts nur noch kleinere Gesetzesnovellen erlassen worden. Damit verdienen Hafliji Másson und die von ihm geprägte Überarbeitung der Gesetze besondere Beachtung. Entgegen bisherigen Auffassungen hat die jüngere Handschrift, die Stajarhólsbók, den ursprünglicheren Text. Ihr Text dürfte im Wesentlichen aus der Zeit der Niederschrift der Gesetze im Winter 1117/1118 stammen und danach nur um mindestens einhundert meist kurze Novellen ergänzt worden sein. Damit dürfte die Stajarhólsbók sehr weitgehend den Text der Haflijaskrá von 1118 wiedergeben. Diese Vermutung wird durch die ältesten Fragmente der Grágásgesetze gestützt. Die ältere Handschrift Konungsbók 17

18

Vgl. Ole Fenger, Romerret i Norden; Elsa Sjöholm, Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens (1976); Carl Ivar Ståhle, Syntaktiska och stilistiska Studier i fornnordiskt lagspråk (1958). Vgl. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I2, S. 537 f. mit Fn. 37 f. m.w.N.

Ergebnis für das Recht der Grágás und seine Entstehung

379

enthält zwar das für das Verständnis des isländischen Staatsaufbaus während der Freistaatszeit unverzichtbare Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht, aber sie enthält einen Text, der vermutlich durch eine (teilweise) mündliche Tradierung parallel zu den vorhandenen Gesetzbüchern im Verhältnis zum Text der Haflijaskrá vereinfacht und geglättet wurde. Da der Text der Stajarhólsbók vorzugswürdig ist, muss nur bezüglich der in ihr nicht überlieferten Rechtsgebiete auf den Text der Konungsbók zurückgegriffen werden. Der Text der Konungsbók macht deutlich, was für eine Innovation die Niederschrift der Gesetze 1117/1118 gewesen sein muss, denn auch nach 1118 gab es vermutlich nur wenige Handschriften mit den Gesetzen, wie auch die Zahl der Familien, aus denen bis 1271 die Gesetzessprecher stammten, sehr überschaubar blieb. Wahrscheinlich wurden die Gesetze parallel zur schriftlichen Überlieferung von den Gesetzessprechern und anderen Rechtskundigen mündlich tradiert, wie die vielen nichtausgeschriebenen Stellen der Konungsbók zeigen, die auch an keiner anderen Stelle dieser Handschrift überliefert sind. Es erscheint sogar denkbar, dass auch nach 1118 nicht einmal alle Gesetzessprecher ein schriftliches Exemplar der Gesetze hatten. Ansonsten wären die Kürzungen und Glättungen sowie die in derart vielen Punkten von der Stajarhólsbók abweichende Reihenfolge des Textes der Konungsbók kaum zu erklären. In der Stajarhólsbók gibt es dagegen wesentlich weniger nicht ausgeschriebene Stellen und diese meist nur dann, wenn sich der Text an anderer Stelle in der Handschrift findet. All dieses deutet darauf hin, dass die Stajarhólsbók aus mehreren Gesetzeshandschriften, unter denen wohl auch die Haflijaskrá war, kompiliert wurde. Nur am Rande gestreift werden konnte die Frage, wie sehr die Revision der Gesetze im Zuge ihrer Niederschrift deren Inhalt verändert hat. Diese interessante Fragestellung hat bisher wenig Beachtung erfahren und ist noch nicht eingehend untersucht worden. Dass es im Zuge der Niederschrift Veränderungen gegeben hat, ergibt sich nicht nur aus dem Bericht Aris in der Íslendingabók über die Niederschrift der Gesetze 1117/1118, sondern auch aus dem Umstand, dass die in den Isländersagas geschilderten Streitigkeiten nicht selten nach anderen Regeln ausgetragen wurden als denen, die in der Grágás überliefert sind. Eine eingehendere Untersuchung dieser Frage wird stets die Zuverlässigkeit der Schilderung der Streitfälle in den Isländersagas prüfen müssen, bevor die Überlieferung mit den erhaltenen Gesetzen der Freistaatszeit verglichen werden kann. Diesen Punkt haben die bisherigen Untersuchungen zu dieser Frage meist vernachlässigt und stattdessen dem Sagaschreiber eine ungetreue Überlieferung oder mangelnde Rechtskenntnis vorgeworfen. Berücksichtigt man dagegen, dass die Gesetze 1117/1118 ziemlich umfassend revidiert wurden, erklärt sich

380

Ergebnis

vermutlich auch manche von der Grágás abweichende rechtliche Behandlung von Geschehnissen im 10. und 11. Jahrhundert. Die zentrale Person der Revision und Niederschrift der Gesetze im Winter 1117/1118 war Hafliji Másson (geboren ca. 1055, gestorben im Jahre 1130). Sein Vater Már Húnrøjarson war bis 1034 oder 1035 mehrere Jahre in Byzanz als Heerführer tätig. Vermutlich war auch schon Haflijis Großvater Húnrøjr Véfrøjarson kurz nach dem Jahr 1000 in Byzanz. Mit Bolli Bollason und Halldór Snorrason waren weitere Mitglieder aus der Familie von Haflijis erster Frau nachweisbar in byzantinischen Diensten. Insbesondere von Bolli wird berichtet, dass er große Reichtümer und vor allem sehr prachtvolle Kleidung aus Byzanz mit nach Island brachte. Es könnte sein, dass sich hinter „Nabites dem Waräger“ in der von Anna Komnene geschriebenen Alexiade der Isländer Hafliji Másson verbirgt. Nabites (N«) hatte um 1080 herum die Führung der Warägergarde inne und muss daher beim byzantinischen Kaiser in hohem Ansehen gestanden haben. Ein Söldner, der schon in der zweiten, eventuell auch dritten Generation in der Warägergarde diente, hatte es mit dem Aufstieg vermutlich wesentlich leichter als andere. Neben Hafliji dürfte es eher wenige skandinavische Söldner gegeben haben, die schon in der zweiten oder dritten Generation in die Warägergarde eingetreten waren. Obwohl Nabites Unerfahrenheit im Kampfe im Jahre 1081 eine herbe Niederlage zur Folge hatte, verlor er nicht die Gnade des Kaisers. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Nabites eine gute schulische bzw. universitäre Ausbildung mitbrachte, denn ein ungebildeter barbarischer und obendrein noch erfolgloser Soldat würde wahrscheinlich das Vertrauen der Herrschers nach einer solchen Niederlage vollständig verloren haben. In zeitgenössischen byzantinischen Quellen wird berichtet, dass zu jener Zeit sehr viele Soldaten sich dem Jurastudium gewidmet haben, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass auch ein junger Isländer zunächst Jurisprudenz studiert hat, bevor er sich als Söldner verdingte. Eventuell bezieht sich auch die dem General Kekaumenos zugeschriebene Mahnrede an den Kaiser auf die Ernennung Nabites’ zum Führer der Warägergarde. Eine genauere Datierung der Mahnrede läßt sich aus diesem Befund vermutlich aber nicht ableiten, da die Ernennung des Nabites auch schon unter dem Vorgänger von Alexios I. erfolgt sein kann. Neben den Verbindungen von Haflijis Familie nach Byzanz lassen sich mit einer geschnitzten Darstellung des Jüngsten Gerichts nach byzantinischer Lesart bedeutende byzantinische Einflüsse in Island nachweisen. Das Schnitzbild dürfte entweder aus einem Versammlungshaus in der Nähe des wohl auf maßgebliches Betreiben von Hafliji Másson gegründeten nördlichen Bischofssitzes Hólar oder direkt von dort stammen.

Ergebnis für das Recht der Grágás und seine Entstehung

381

Eine Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf die byzantinischen Einflüsse, welche eventuell durch Hafliji vermittelt wurden, dürften die umfangreichen Bestimmungen über nicht auf Latein ausgebildete Priester darstellen. Sie wurden erst im Zeitraum von 1122 bis 1133 und damit erst in einer Zeit erlassen, in der umherreisende Missionsgeistliche wohl kaum noch nach Island gelangten.19 Dagegen könnte ein in Byzanz ausgebildeter Bischofskandidat wie Hafliji eher Anlaß gewesen sein, derartige Regelungen zu erlassen, so dass die Regelungen nicht als veraltet und ohne jede Relevanz anzusehen wären. Hafliji Másson hat sich vermutlich auch um die Errichtung des zweiten isländischen Bischofssitzes in Hólar, der durch seine Domschule hervorstach, und um die Gründung des ersten isländischen Klosters in Sichtweite seines Hofes verdient gemacht. Daneben wäre er beinahe selber im Jahre 1121 zum Bischof geweiht worden, wenn er nicht für einen streitsüchtigen Neffen Prozesse mit anderen sehr mächtigen Herrschern, insbesondere mit Porgils Oddason, hätte führen müssen. Die Tatsache, dass Hafliji für die Bischofswahl überhaupt in Frage kam, legt nahe, dass Hafliji auch zum Priester geweiht war. Daher dürften sich die biblischen Einflüsse in der Grágás ebenso durch durch ihn erklären lassen. Das Recht der Grágás weist viele Züge auf, die auch dem römischen Recht eigentümlich sind. Einen besonderen Schwerpunkt bildet hier die juristische Methodik, die sich in dieser Form in keinem anderen skandinavischen Gesetz und wohl auch in keinem anderen nicht auf Latein verfassten Gesetz derselben Entstehungszeit findet. Gleich dem römischen Recht, wie es in Byzanz im 11. Jahrhundert angewendet wurde, ist im isländischen Recht die Popularklage weit verbreitet und es gibt viele Dutzend Legaldefinitionen und Fachtermini, die sich von der allgemeinen Sprache in Island unterscheiden. Auch bei den Rechtsinstituten finden sich solche des römischen Rechts in der Grágás. Unter den einzelnen Normen gibt es eine ganze Reihe, die eine direkte Entsprechung in dem Recht haben, das in Byzanz im ausgehenden 11. Jahrhundert galt, beziehungsweise bekannt war, weil es an der dortigen Rechtsschule gelehrt wurde. Neben vielen Entsprechungen einzelner Bestimmungen sind es an erster Stelle die umfangreichen Bestimmungen zur Landeinforderung eines volljährig gewordenen Minderjährigen, der die von seinem Vormund veräußerten Ländereien nach Eintritt seiner Volljährigkeit zurückverlangen kann, die an einem direkten Einfluss des römischen Recht auf diesen Regelungskomplex keinen vernünftigen Zwei19

Andreas Heusler, Einleitung, in: Graugans, S. IX(XVII) bezeichnet die entsprechenden Vorschriften denn auch als „Überbleibsel, die schon den ersten Aufzeichnern des Christenrechts ([…]) veraltet“ gewesen seien.

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Ergebnis

fel lassen. Bei diesem Kapitel stimmen die vielen Einzelbestimmungen nahezu vollständig mit den entsprechenden Bestimmungen in den Digesten überein. Der Wert dieser an die Spitze des Abschnittes über die Landeinforderung gestellten Vorschriften wird noch erhöht durch die Tatsache, dass bereits das älteste Fragment der Grágásgesetze etwa aus der Mitte des 12. Jahrhunderts diese Vorschriften enthält. Damit dürfte zweifelsfrei feststehen, dass diese Vorschriften bereits in der Haflijaskrá von 1118 enthalten waren. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch kaum noch, dass eine wohl um die Mitte des 12. Jahrhunderts (sicher aber vor dem Tod Friedrich Barbarossas 1190) in Island entstandene „Geschichte der Welt“ (Veraldar saga) das justinianische Gesetzgebungswerk mit Codex und Novellen recht genau bezeichnet und von ihm sagt, dass es noch in weiten Gebieten geltendes Recht sei. In einer byzantinischen Quelle wird gesagt, die Muse sei von Athen nach Byzanz verzogen, um von hier aus mit ihrer Stimme bis nach Ultima Thule zu dringen.20 Auch wenn vielleicht nicht die Gesetze gemeint waren, die diesen weiten Weg gefunden haben sollen und wenngleich „bis nach Ultima Thule“ wohl eher ein Topos für „bis ans Ende der Welt“ ist,21 so ist doch erstaunlich, dass ein so bemerkenswerter Kulturtransfer zu den an Bildung sehr interessierten Isländern stattgefunden hat und – wie dieses Zitat nahe legt – auch in Byzanz zur Kenntnis genommen wurde, dass in weit entfernten Ländern die antike Kultur rezipiert wurde, welche in Byzanz den Fall des weströmischen Reiches überdauert hatte.

20

21

Vgl. Friedrich Fuchs, Die höheren Schulen von Konstantinopel im Mittelalter, S. 54 unter Verweis auf Johannes Galenos bei Gaisford, Poetae minores graeci II (1823), S. 608. Vgl. Klaus von See, Ultima Thule/Thule“, in: RGA 31, S. 416 ff.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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Anhang Liste der Legaldefinitionen in der Grágás afréttr (II 479.05–06): en pat er afréttr er ij. men eigo saman eja fleire. hvernge hlut sem hverr peirra á i. (Vgl. Ib 120.03–04) almenning (II 537.09–10): Pat er almenning er fiorjungs menn eiga allir saman. andvitni (Ia 68.16–20): Scolot menn andvitni bera oc her a pingi en ef menn bera varjar pat vtlegj. enda apat enscis at meta. en pat er andvitni er menn bera igegn pvi sem ajr er borit. vætti igegn quij eja quijr igegn vætti. sva at eigi ma hvartvegia rett vera.

heita til arfs taljir (II 64.12–13): Peir menn ero .xiiii. er talpir heita til arfs i lögom er fyrst ero tindir. af pvi at par ræjr eigi frændsemi.

arfsal (II 86.12–20): Enn nu ero engi arfsöl at lögum nema quaddir se heimilis bvar v. omagans iii. nottum fyrir eja meira méli at gera

Sommerweide: Und das ist eine Sommerweide, die 2 oder mehr Leuten gemeinsam gehört, was auch immer für einen Anteil jeder von ihnen daran hat. Allmende: Das ist eine Allmende, die allen Leuten des Landesviertels gemeinsam gehört. Gegenzeugnis: Die Leute sollen hier auf dem Thing kein Gegenzeugnis ablegen und wenn sie ein solches ablegen, dann steht darauf Buße und es soll überhaupt nicht beachtet werden. Und das ist ein Gegenzeugnis, wenn Leute entgegen dem aussagen, was vorher ausgesagt wurde, Zeugnis gegen Juryaussage oder Juryaussage gegen Zeugnis, so dass nicht beides richtig sein kann. zum Erben berufen heißen: Die Leute sind 14 an der Zahl, die im Gesetz „zum Erben berufen“ genannt werden und die zuerst aufgezählt sind, weil dort die Verwandtschaft nicht entscheidet. Erschaftskauf: Von jetzt an entsprechen keine Erbschaftskäufe mehr dem Gesetz, wenn nicht 5 Wohnortanwohner des Be-

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Anhang

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máldaga mej peim. En bvar scolo vina eija sipan er máldagin er gör at pvi at peim picki pat iafn mæli vera. En hinir scolo at pvi vina eija at peir hafa sagt buum til allra avra peirra er omagin scal fina mej ser oc se eigi ipui undir mál mej peim. Enda scal sa er arfsale selsc bregpa bve sino ef hann by´r oc fara heim mej hinom ella er ecki arfsalit. (Vgl. Ia 247.28–248.081 = II 99.07–14 [die Vorschrift ist praktisch identisch, weist aber eine andere Satzreihenfolge auf]; ausnahmsweise ist die Vorschrift in der Konungsbók ausführlicher, aber sie wirkt trotzdem ‚mündlicher‘. Vgl. auch II 128.12–182) 1

2

dürftigen 3 Nächte zuvor oder mit mehr zeitlichem Abstand herbeigerufen werden, um den Vertrag mit ihnen zu errichten. Und die Anwohner sollen darauf Eide darauf leisten, dass es ihnen ausgewogen zu sein scheine. Und die anderen sollen Eide darauf leisten, dass sie den Anwohnern von allen Ören gesagt haben, die der Bedürftige einbringen soll und dass keine geheimen Nebenabreden zwischen ihnen bestehen. Und derjenige, der sich mit Erbverkauf veräußert, soll seine Wirtschaft aufgeben, wenn er selbstständig wirtschaftet, und zu dem anderen Teil ziehen, ansonsten besteht kein Erbschaftskauf.3

nym. [am Rande] Engi ero arfsöl fost at lögom. nema v. bvar vine eija at. at pat picki iafn mæli oc er sem o mælt se elligar. En pott eijar se unir at pa scal peygi hallda ef majr hefir hvarki lagt fyrir man fe ne fiolskylde a xii. manojom hinom næstom eptir cavp peirra. Ef menn seliaz arfsale pa scal anartuegi peirra er saman cavpa vina eij at pvi fyrir buom v. at sa er cavp male peirra sem peir segia oc engi ero avnor undir mál ne lavsa kör a mælt en ellegar verjr eigi fast cavp peirra. Of pat scolo buar bera. („Novelle: Keine Erschaftskäufe sind nach dem Gesetz (rechts-)beständig, wenn nicht 5 Anwohner Eide darauf leisten, dass es ihnen ausgewogen zu sein scheint, ansonsten ist es, als ob nichts vereinbart wäre. Auch wenn Eide darauf geleistet werden, soll es dann nicht eingehalten werden, wenn man innerhalb eines Jahres weder Geld noch vertragliche Leistungen dem [jeweils] anderen erbracht hat. Wenn Leute sich mit Erschaftsverkauf veräußern, soll einer von ihnen, die den Vertrag untereinander abschließen, einen Eid vor 5 Anwohnern darauf leisten, dass dies der Kaufvertrag zwischen ihnen ist, wie sie sagen, und keine anderen Nebenabreden oder unbestimmte Bedingungen [bei denen dem Gläubiger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zusteht] vereinbart sind, denn ansonsten wird ihr Vertrag nicht (rechts-)beständig. Darüber sollen Anwohner (in einem Juryspruch) aussagen.“) Ef majr tekr omaga arf take. pa scolo heimilis bvar peirra v. gera iafn mæli mej peim vij bok. par er majr finr sialfr feet. Enda scal anar peirra vina eij fyrir buunum. at pvi at bvar viti par allan máldaga peirra. Ef omaginn a bu oc scal hann bregja pvi oc fara heim mej hinom. enda scolo engi lavsa kior á vera. pviat eins er arfsal fast ef sva er mej farit sem nu var tint. („Wenn jemand einen Bedürftigen gegen Erbeinsetzung aufnimmt, dann sollen ihre 5 Wohnortanwohner Ausgewogenheit zwischen ihnen beim Buche feststellen, wenn jemand selbst

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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at purfa at auka hjú sín (II 271.02–09): Nv ligr majr fra verkom. oc scal bondi anaz hann halfan manaj. ef hann parf eigi gæzlo. Nu parf hann gæzlo oc hefir eigi vitfiring. a er rett at føra hann peim manne er fram førslo hans á. ef hann hefir vitfiring. oc scal hann pa føra peim bönda er scyldastr er. peirra bónda er eigi purfa at auka hiv sin til at gæta hans. pa parf eigi at avka hiv sin til at gæta hans ef hann hefir hiona lij til at gæta hans ef hann getur af peim. (=Ia 134.05–12)4

3

4

seine Gesinde vermehren müssen: Wenn jemand arbeitsunfähig krank danieder liegt, soll der Bauer ihn einen halben Monat unterhalten, wenn er nicht gepflegt werden muss. Muss er gepflegt werden, hat aber keinen verwirrten Sinn, dann ist es gestattet, ihn dem Menschen zu übergeben, der für ihn unterhaltspflichtig ist. Wenn er verwirrten Sinnes ist, so soll er ihn dem Bauern übergeben, der am nächsten verwandt ist von denen, die nicht ihr Gesinde vermehren müssen, um ihn zu pflegen. Dann muss man nicht sein Gesinde vermehren, um ihn zu pflegen, wenn man genug Arbeitskräfte hat, um ihn zu pflegen, und wenn er es durch sie erledigen lassen kann.

das Geld einbringt [wenn andere, z. B. die Erben bezahlen, war diese Prüfung entbehrlich]. Und es soll einer von ihnen einen Eid vor den Anwohnern darauf leisten, dass die Anwohner den gesamten Vertrag zwischen ihnen kennen. Wenn der Bedürftige eine Wirtschaft hat, soll er sie aufgeben und zu dem anderen nach Hause ziehen und es sollen keine unbestimmten Bedingungen [bei denen dem Gläubiger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zusteht] dabei sein, und nur dann ist der Erbschaftskauf (rechts-)beständig, wenn so dabei verfahren wird, wie jetzt aufgezählt wurde.“) Der Erschaftskauf nach dem Recht der Grágás war im Schwerpunkt ein Pflegevertrag, bei dem ein Pflegebedürftiger einen Teil seines Erbes dazu einsetzte, sich für die Zukunft Pflege und Unterkunft zu kaufen. Selbstverständlich stellt hier nur der letzte Satz eine Legaldefinition dar, aber um den Zusammenhang, in dem diese eine Rolle spielt, zu verdeutlichen, ist die Norm von Beginn an aufgeführt.

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áljótsráj (II 370.10–14): Pat ero oc aliótz ráj eja fior ráj. ef hann gilldrar til pes at vápn scyli siálf falla a man eja fliuga at honom. eja anar vaje nökor. Sua er oc ef majr visar manne a foravj nokor. eja par er olm kykendi ero fyrir. (Vgl. Ia, 184.13–16)

bakmæli (II 391.05–09): Ef majr mælir sva apettar orj vij man at peir ero .ii. saman oc er pa eigi scostr at nefna vatta at. pa scal hann hefna orji orjz ef hann vill oc mæla pa iafn illt at móti at o sekio. Nu segir anar hvár ifra oc höliz oc er pat pa bacmæli oc varjar fiör bavgs garj oc scal søkia vij .xii. quij. (Vgl. Ib 182.02–056)

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Verletzungsanstiftung 5: Das ist auch Verletzungsanstiftung oder Tötungsanstiftung, wenn er derart eine Falle aufstellt, dass eine Waffe von selbst auf jemanden fallen soll oder zu ihm hin fliege oder ein anderes gefährliches Werkzeug. Ebenso, wenn jemand einem anderen den Weg in gefährliche Gegenden weist oder dorthin, wo wilde Geschöpfe sind. Nachrede: Wenn jemand Beschimpfungen so gegenüber jemandem äußert, dass sie zu zweit sind und es keine Möglichkeit gibt, dafür Zeugen zu benennen, dann soll er das Wort mit einem Wort rächen, wenn er will, und gleich übel dagegen sprechen, ohne schuldig zu werden. Wenn einer von ihnen davon berichtet, und sich dessen rühmt, dann ist das Nachrede und steht darauf dreijährige Landesverweisung, und soll es mit 12er-Jury verfolgt werden.

Nachdem ráj eine sehr weitgehende Bedeutung hat, am häufigsten aber im Sinne von Anstiftung verwendet wird, soll diese einheitliche Übersetzung hier beibehalten werden, obwohl „Verletzungsplan“ an dieser Stelle als Übersetzung grundsätzlich genau so treffend wäre. Auch hier ist der Text wiederum vereinfacht: Ef peir ero ii. saman oc se eigi costr at nefna vatta at. pá scal hann hefna orje orjz. Nu ef han segir fra oc høliz pa varjar fiorbavgs garj. oc er pa bac mæle. scal hann søkia vij xii. quij. („Wenn sie zu zweit zusammen sind und keine Möglichkeit besteht, Zeugen zu benennen, dann soll er ein Wort mit einem Wort rächen. Wenn er davon berichtet und sich dessen rühmt, dann steht darauf dreijährige Landesverweisung und dann ist das Nachrede. Soll das mit 12er-Jury verfolgt werden.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

vera beiddr (II 49.04–06): En ef hann vill eigi eij vina pa er hann er beiddr. pa verjr hann sekr vm pat .xii. mörcom. pa er hann beiddr er hann er bejin. blóta heijnar vættir (II 27.11): Pa blótar majr heijnar vettir. er hann signar fe sitt avjrom en Guji oc helgum mönnom hans. (Vgl. Ia 22.23–25) brullaup at lqgum (II 66.10–12): Pa er brullavp gert at lögum. ef lögrájande fastnar kono. enda se .vi. menn at brullavpi et fæsta oc gangi brujgumi iliose isama sæng kono. (Vgl. II 204.21–23; Ia 222.11–13; Skálholtsbók in: Grágás III, S. 1(30.25–26); Belgdalsbók in: Grágás Ib, S. 235(241.16–18)) bú (II 272.23–273.01): Pat er bu er majr hefir mal nytan smala at. (Vgl. Ia 136.19–20) bæsingr (II 68.17–19): Pat barn er oc eigi arfgengt er su kona getr er sek er orjin scógar majr. poat hon geti vij boanda sinom. osekium oc heitir sa majr bæsingr. (=Ia 224.11–13) drep (II 301.09–16): Pat er drep ef majr lystr anan mej öxar hamre oc sva hverngi víg völ majr hevir. Jamt er drep. pot majr legi til eja kasti ef a kømr. Slict er pótt klæji verje a milli. brynia eja hiálmr. ef a myndi coma ef eigi yrje pat fyrir. Drep

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zu etwas aufgefordert werden: Wenn er keinen Eid leisten will, wenn er dazu aufgefordert wird, dann wird er deswegen um 12 Mark schuldig. Dann wird er dazu aufgefordert, wenn er darum gebeten wird. heidnischen Schutzgöttern opfern: Dann opfert man heidnischen Göttern, wenn man sein Vieh anderen weiht als Gott und seinen Heiligen. Hochzeit gemäß dem Gesetz: Dann ist eine Hochzeit gemäß dem Gesetz vollzogen, wenn der gesetzliche Vertreter die Frau verlobt, mindestens 6 Leute bei der Hochzeit sind und der Bräutigam bei Lichte mit der Frau in dasselbe Bett geht. Wirtschaft: Das ist eine Wirtschaft, wenn man milcherzeugende Tiere hat. Stallkind: Das Kind ist ebenfalls nicht erbberechtigt, das eine Frau zeugt, die als Waldgangsmensch schuldig geworden ist, auch wenn sie es mit ihrem Ehemann zeugt, der nicht schuldig ist, und heißt diese Person Stallkind. Schlag: Das ist ein Schlag, wenn man einen anderen mit dem Axthammer schlägt oder welche Waffe auch immer jemand hat. Ebenso ist es ein Schlag, auch wenn man zusticht oder wirft, wenn es nur trifft. Ebenso ist es, wenn Kleider dazwischen sind,

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Anhang

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er oc pott majr spyrni føti a öjrom eja huáte hnefa. Drep er oc pótt majr reipi pan vígvöl fra manne er hann veit at pa mundi lavpa at honom sialft ef hann lætr lavst. Sva er oc ef hann fellir a man pat er hann fær havg af. (=Ia 147.03–11)

dvelja krossfqrina (II 251.11–13): En pa dvelia peir crossförina ef peir föra eigi pegar af hendi er peir vito at cross com ef eigi bægia navjsyniar peirra. (Vgl. Ib 173.09–11) eindagi (II 208.11–15): Sva er mælt ef menn eigo fiar reijor saman oc queja peir a dag nær giallda scal oc a staj hvar giallda scal. oc verjr pat pa at eindaga. Par er oc en eindagi ef sua er mælt at giallda scyli pa er menn hafa verit a sculda pingi eja vm nott verit ef astaj er quejit. (Vgl. Ib 140.09–11)

7

Brünne oder Helm, wenn es treffen würde, wenn es nicht davor wäre. Ein Schlag ist es auch, wenn jemand mit dem Fuß gegen einen anderen tritt oder mit der Faust schlägt. Ein Schlag ist es auch, wenn jemand dem anderen die Waffe wegreißt, wenn er weiß, dass der andere sich selbst angreifen würde, wenn er losließe. Ebenso ist es, wenn er das auf jemanden fallen lässt, wovon dieser einen Schlag bekommt. Kreuztransport verzögern: Und dann verzögern sie den Kreuztransport, wenn sie es nicht sofort weiterreichen, wenn sie wissen, dass ein Kreuz kam, sofern nicht ihre notwendigen Verrichtungen davon abhalten.7 Fälligkeitstag und -ort: So ist bestimmt, wenn Leute Vermögensangelegenheiten miteinander haben, dann sollen sie einen Tag bestimmen, an dem gezahlt werden soll und einen Ort, an dem gezahlt werden soll und damit wird das zum Fälligkeitstag und -ort. Weiterhin ist das Fälligkeitstag und -ort, wenn bestimmt ist, dass gezahlt werden soll, wenn Leute auf dem Schuldenthing [am Ende des Frühjahrsthings] gewesen sind oder über Nacht gewesen sind, wenn der Ort bestimmt ist.

Botschaften, mit denen zu einer Versammlung geladen wurde, wurden vermutlich mit Runen auf ein Holzkreuz geritzt, welches dann von Hof zu Hof weiterzureichen war, damit jeder im Distrikt von der Ladung erfuhr.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

eindaga fé (II 213.16–214.02) Sva scal majr fe eindaga at queja a dag pann er feit scal gialldaz oc a staj pan er feit scal gialldaz. Vel er ef fyrr gelldz. po verjr eindagi á at sva se at quejit at giallda scyli a scullda pingi er menn hafa um nótt verit ef a staj er quejit.

fastna konu at lqgum (II 162.12–23): Pa er kona föstnoj at lögom. ef majr tínir mundar mál. En sipan a lögrajande oc sa majr er konan er fest. at nefna vatta. At pvi vetti. nefnom vit scal hann segia sa er kono eignaz. at pu .n.o fastnar mer .n.o lögföstnon. oc pu handsalar mer heiman fylgio. mej iningo oc efningo allz pess máldaga er nu var mej okkr vm stund tíndr oc taljr fyrir váttom at vel lavso oc brék lavso. heillt ráj oc heimillt. Pa er heimilt er sa fastnar er festarnar á at lögom. En pa er heillt ef hon er eigi vanheil sva at hon være verje at verre poat hon være ambátt. at hon hefji slíct oheilende. eja ajrir okostir eja andmarkar peir er hon være

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Fälligkeitstag und -ort von Gut bestimmen: So soll man Fälligkeitstag und -ort von Gut bestimmen, dass man den Tag, an dem das Gut geleistet werden soll und den Ort, an dem das Gut geleistet werden soll, bestimmt. Es ist zulässig, früher zu leisten. Ein Fälligkeitstag und -ort wird auch festgelegt, wenn bestimmt wird, dass beim Schuldenthing, zu dem die Leute über Nacht geblieben sind, bezahlt werden soll, wenn der Ort bestimmt wird. eine Frau nach dem Gesetz verloben: Dann ist eine Frau ist nach dem Gesetz verlobt, wenn man den Brautpreisvertrag aufsagt. Darauf sollen der gesetzliche Vertreter und derjenige, dem die Frau verlobt wird, Zeugen benennen. „Zu dem Zeugnis benennen wir“, soll er sagen, derjenige, der die Frau erhält, „dass Du, N., mir N., mit gesetzlicher Verlobung verlobst und Du mir die Mitgift überträgst, unter Erfüllung und Bewirkung des gesamten Vertrages, der nun vor uns vor kurzem hergesagt und vor Zeugen aufgezählt wurde, ohne Arg und Falsch, zu gültigen Ehebedingungen und mit Befugnis.“ Dann ist jemand befugt, wenn derjenige verlobt, der nach dem Gesetz das Verlobungsrecht hat. Dann ist es gültig, wenn sie nicht so ungesund ist, dass sie den Preis nicht wert wäre, wenn sie eine Sklavin

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verje at verre. oc slíc pa er hon var xvi. vetra gomol. (Vgl. Ib 35.09–148)

fara mej fiqlkyngi (Ia 22.25–29): Ef mapr ferr mej galldra epa gørningar. epa fiolky´ngi. pa ferr hann mej fiolkyngi. ef hann quejr pat eja kennir. epa lætr queja. aj ser epa at fe sinv. pat varpar honvm fiorbavgs garp. (In II ist dieser Tatbestand als galdra definiert)

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wäre oder dass sie solche Gesundheitsbeeinträchtigungen hätte, oder andere schlechten Eigenschaften oder Mängel, dass sie den Preis nicht wert wäre und Vergleichbares, dann, als sie 16 Winter alt war.9 Hexerei anwenden: Wenn jemand Zauber oder Beschwörung oder Hexerei anwendet. Dann wendet jemand Hexerei an, wenn er (etwas) bespricht oder dieses unterrichtet oder besprechen lässt, sich oder sein Vieh. Darauf steht für ihn dreijährige Landesverweisung.

In der Konungsbók ist diese Vorschrift stark verkürzt und vereinfacht wiedergegeben: Pa er kona fostnoj er hann hefir vatta. at hin fastnar honom cono pa. no. logfostnon heillt raj oc heimillt. Pa er heimillt er sa fastnar er a festarnar. En pa er heillt ef hon væri eigi verje at ver e po at hon væri ambótt at hon hefje uheilende slíct eja ajrir okostir eja andmarcar reynaz peir er hon væri eigi verje at verre. („Dann ist eine Frau verlobt, wenn er Zeugen dafür hat, dass der andere ihm diese Frau N. mit gesetzlicher Verlobung verlobe, zu gültigen Ehebedingungen und mit Befugnis. Dann besteht Befugnis, wenn derjenige verlobt, dem das Verlobungsrecht zusteht. Dann ist es gültig, wenn sie auch dann nicht einen geringeren Wert hätte, wenn sie solche Gesundheitsbeeinträchtigungen hätte oder sich andere schlechte Eigenschaften oder Mängel erweisen würden, durch die sie den Preis nicht wert wäre, wenn sie eine Sklavin wäre. [Gemeint ist, dass die genannten Mängel jeweils im Wert zu berücksichtigen sind. Die Formulierung im Isländischen ist verunglückt, daher sind hier ausnahmsweise die Satzteile anders angeordnet als im Original.]“) Der letzte Abschnitt (oc slic pa er hon var xvi. vetra gomol.) ist sehr schwer zu deuten. Mit der Bezugnahme auf das Erreichen des Volljährigkeitsalters von 16 Jahren kann Verschiedenes gemeint sein. Zum einen kann darauf abgestellt worden sein, ob das Mädchen bei Erreichen der Volljährigkeit die genannten Mängel aufwies. Diese Möglichkeit erscheint aber nicht sinnvoll. Zum anderen kann es beabsichtigt gewesen sein, dass der fiktive Wert der Frau für den Fall, dass sie Sklavin wäre, immer darauf zurückgerechnet wird, wieviel sie bei Erreichen der Volljährigkeit (in dem Alter, in dem sie frühestens hätte heiraten können) als Sklavin ohne die genannten Mängel wert gewesen wäre. Diese Wertung erscheint zwar ungewöhnlich, ist aber aufgrund der Formulierung am Naheliegendsten.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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vera félagi at lqgom (Ia 172.18–20): Sa er felagi at logom er en okerskari peirra legr allt sitt fe til lags.

fjallnár (II 380.14–15): Ef majr er førjr afiall eja i hella; sa heitir fiall nár. (Vgl. Ia 202.20–23 und oben S. 116) fjqrráj siehe: áljótsráj fordæjuskapir (II 27.19–21): Ef majr fer mej fordöjo scap. pat varjar scog gang. Pat ero fordöjo scapir ef majr gørir i orjum sinum eja fiolkyngi sótt eja bana mönnom eja fe. (Vgl. Ia 23.02–04) frændsemisspell hitt meira (II 181.11–12): Pat er et meira frændsemis spell ef majr ligr mej næsta bröpro sinni eja nanare kono. (Vgl. II 190.20–21; 197.08–10; Ib 56.20; 59.23–24; Belgdalsbók in: Grágás Ib, S. 235(236.09–10); AM 173D in: Grágás III, S. 455(457.10–11)) fullréttisorj (II 390.13–15): Pat er fullréttis orj ef majr mælir vaj anan pat er eigi ma føra til gojs. oc scal huert orj vera sem mælt er. en ecki scal at scalldscapar mále raja. (Vgl. Ib 181.05–0710)

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(Mit-)Gesellschafter nach dem Gesetz sein: Derjenige ist nach dem Gesetz ein (Mit-)Gesellschafter, wenn der weniger wohlhabende von ihnen sein gesamtes Vermögen in das Gemeinsame einbringt. Bergleiche: Wenn jemand auf einen Berg oder in eine Höhle verbracht wird [ohne dort aber umzukommen], dann heißt dieser Bergleiche. Verwünschungen: Wenn jemand Verwünschungen vornimmt, so steht darauf Waldgang. Dann sind Verwünschungen, wenn jemand mit seinen Worten oder Hexerei anderen Leuten oder Vieh Krankheit oder Tod zufügt. schwererer Verwandtenbeischlaf: Das ist schwererer Verwandtenbeischlaf, wenn jemand mit einer im dritten Glied oder näher verwandten Frau verkehrt.

voll bußberechtigendes Wort: Das ist voll bußberechtigendes Wort, wenn jemand zu einem anderen etwas sagt, was man nicht im Guten deuten kann und soll jedes Wort so sein, wie es gesprochen wurde und man soll nicht nach der Dichtungssprache deuten.

In der Konungsbók lautet die Vorschrift: En pat er full rétte ef majr mælir pat vij man er eigi ma rája til gojs. („Und das ist voll bußberechtigendes Wort, wenn jemand das zu einem sagt, was man nicht im Guten deuten kann.“)

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Anhang

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vera eigi fœrr milli heraja (II 126.11– 12): En pa er omaginn eigi før mille heraja ef hann ma eigi fara fullom dag leijum. (Vgl. Ib 16.17–18) fara mej galdra (II 27.16–18): Pa fer hann mej galldra ef hann quejr pat. eja kenir. eja lætr hann queja at ser eja fe sino.11 garjbót (II 453.07–10): Nu vill majr quepia anan man garj bóta. pa er garj bot er meire hlutr stendr garjzens. pa scal hann beija hin garjbota vico ajr .iiii. vicor se af sumae. oc quejia til heimilisbua v. iii. nottom ajr.

gálgnár (II 380.15–16): Ef majr er hengjr oc hetir sá galg nar. (Vgl. Ia 202.20–22 und oben S. 116) gilldingr (II 528.15–20): Pat er mælt ef majr finnr hual a flote. at hann scal flytia hval pann sem hann vill ef pat er utar fyrir anars maz landi enn fisk sé af borpe. Paj scal porskr vera alnar i øxar pærom; oc heitir sa fiskr gilldingr. Af pvi borji scal fisk pann sia er til landz veit pajan fra or fiöro sem fyrvir utarst. (Vgl. für die Fundrechtsbestimmung Ib 130.21–23; für

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nicht reisefähig zwischen den Distrikten sein: Dann ist ein Bedürftiger nicht reisefähig zwischen den Distrikten, wenn er keine vollen Tagesfahrten zurücklegen kann. Zauberei anwenden: Dann wendet er Zauberei an, wenn er (etwas) bespricht oder dieses unterrichtet oder er sich oder sein Vieh besprechen lässt. Ausbesserung einer Einfriedung: Wenn jemand einen anderen zur Ausbesserung einer Einfriedung auffordern will – dann handelt es sich um eine Ausbesserung, wenn (noch) mehr als die Hälfte der Einfriedung steht –, dann soll er den anderen, eine Woche bevor 4 Wochen vom Sommer herum sind, um Ausbesserung bitten und 5 Wohnortanwohner 3 Nächte zuvor herbeirufen. Galgenleiche: Wenn jemand gehängt wird [ohne zu sterben, wie in allen verwandten Definitionen], dann heißt er Galgenleiche. der Gültige (bestimmte Dorschgröße): Das ist bestimmt, dass wenn jemand einen umhertreibenden Wal findet, dass er diesen Wal (ab)transportieren darf, wie er will, wenn das weiter weg vom Land eines anderen ist, als dass man einen Fisch auf der Bordwand erkennen könnte; das soll ein Dorsch sein, eine Elle [breit] im Bauchbereich [im aufgeklappten Zustand], und dieser

In der Konungsbók wird auf diese Weise fjölkyngi definiert.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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die Definition des „gültigen“ Dorsches Ib 125.05–1012)

grafnár (II 380.14): Ef majr er settr igrof; oc heitir sa graf nar. (Vgl. Ia 202.20–23 und oben S. 116) grefleysingr (II 190.13–15): Ef præli er gefit frelsi. oc er hann eigi leiddr i lög eja i brecko. pa scal hann hvarki taka friáls manz rétt ne præls. enda heitir hann pa gref leysingr. (Vgl. Ia, 192.20–23)

gqngumajr (II 277.08–10): Nu ferr majr hálfan manaj. oc pigr ölmoso14 giafir eja lengr og hefir gisting par er hann getr oc er sa göngu majr. (Vgl. Ia, 140.02–04)

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Fisch heißt gilldingr [‚der Gültige‘]. Von derjenigen Bordwand soll man diesen Fisch sehen (können), die zum Ufer weist, vom Uferstreifen aus, wo es am weitesten hinaus ebbt. Grableiche: Wenn jemand in ein Grab gesperrt wird, dann heißt er Grableiche. Harkenfreigelassener: Wenn einem Sklaven die Freiheit gegeben wird, und er nicht in die Rechtsordnung eingeführt oder an den (Thing-)Hügel geführt wird, dann soll er weder die Buße eines Freien noch die eines Sklaven nehmen, und er heißt dann Harkenfreigelassener13. Umherziehender: Wenn jemand einen halben Monat oder länger umherzieht und Almosengaben annimmt und dort Herberge hat, wo er sie erlangt, dann ist dieser ein Umherziehender.

Dort ist die Definition in einem Punkt abweichend: Majr a at flytja vij pan er hann fijr a flote fyrir utan pat er fisc ser af borje oflattan fyrir annars manz lande. pat scal porscr vera sa scal sva micill vera at hann se alnar i eyxarpærom flattr. Sa fiscr heitir gilldingr. A pvi borje scal sia pan fisc er til landz veit pajan or fioro er fyrvir utarst. („Man darf Holz abtransportieren, dass man außerhalb von dort treibend findet, von wo man einen nicht aufgeschnittenen Fisch auf der Bordwand vor jemandes Land erkennen kann. Das soll ein so großer Dorsch sein, dass er eine Elle im aufgeschnittenen Zustand breit ist. Dieser Fisch heißt „Gültiger“. Auf derjenigen Bordwand soll dieser Fisch gesehen werden können, die zum Land weist, vom Uferstreifen aus, wo es am weitesten hinaus ebbt.“) Damit ist hier deutlich gemacht, dass der Fisch im nicht filetierten Zustand, in dem er noch nicht breit aufgeklappt ist, zu erkennen sein muss. Das Wort leitet sich daraus her, dass er nicht berechtigt war, solche Waffen zu tragen, die jeder Freie sonst tragen durfte, sondern nur eine Harke, vgl. Johann Fritzer, Ordbog I2, S. 635 (grefleysingr) Mit der Christianisierung aufgenommenes Lehnwort aus dem Griechischen (   ), vgl. Jan de Vries, Altnordisches Etymologisches Wörterbuch, s.v. qlmusa“ (S. 686).

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Anhang

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handrán (Ib 164.14–15): Pat er hannd rán ef sa tecr or hende honom eja af honom.

Handraub: Das ist Handraub, wenn er es ihm aus der Hand nimmt, oder es ihm abnimmt.

hálfrétti (II 390.15–16): Half rétti er pat orj er føra má til hvarstuegia gojs oc illz.

halb bußberechtigend [im Isländischen ein Nomen]: Halb bußberechtigend ist das Wort, dass man sowohl zum Guten als auch zum Bösen deuten kann.

heillt siehe: fastna konu at lqgum heimild 15 (Ib 164.18–20): Pa hefir majr heimild til, ef sa majr heimilar honom er foráj á avra sinna oc hann hygr at sa mætti honom heimilat vina pan grip en eigi ellegar.

Berechtigung: Dann hat jemand die Berechtigung dazu, wenn derjenige es ihm erlaubt, der die Verfügungsbefugnis über seine Öre hat (=der geschäftsfähig ist), und wenn er glaubt, dass dieser ihm mit Berechtigung diesen Gegenstand überträgt, aber ansonsten nicht.

heimill (adj.) siehe: fastna konu at lqgum heilund (II 299.02–03): Pat er heil und er ravf er a havsi til heila. hvart sem hann er havgvin eja rifnajr eja brotin. (Vgl. Ia, 145.18–20; dort fehlt „eja brotin“)

Hirnwunde: Das ist eine Gehirnwunde, wenn ein Riss im Schädel ist bis zum Gehirn, gleich, ob auf den Schädel gehackt worden, oder er gerissen oder gebrochen ist.

vera heilundi (II 352.02–03): En pa er majr heilundi. er køra kenir in til heilabasta.

hirnwund sein: Dann ist man hirnwund, wenn der Wundschaber (zur Wundreinigung verwendetes Werkzeug) vordringen kann bis zu Gehirnhaut.

15

Vgl. zur Verwendung von heimild im Sinne von auctoritas auch oben im Kap. 5.1.3.2. aj stefna sínum heimildarmanne til heimildar und Haftung des Veräußerers für Gewährschaft (auctoritas) ab S. 311.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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hernajr (II 383.05–07): En pat er hernajr er peir taka menn eja fe manna af peim navjgum eja beria peir menn eja binda eja særa ef peir afla pvi. (Vgl. Belgdalsbók, Kap. LX, in: Grágás Ib, S. 235(245.20–246.0416) hervígi (II 367.19–21): En pat er hervígi er menn verpa allz vegnir eja sarir .iii. eja fleiri. oc se hlótnir ihvarn tvegia flock. hirjis rismál (II 426.02–03): hann scal fundet hafa fe sitt er sol er í austi mipio. pat heita hirjis rismál. (Vgl. Ib 84.06–07) hlasshvalr (II 516.23–517.01): ny´mæli [marginal] Hlass hualr scal nu vera vi. viii. fiorjunga vettir. hálft hvart spik oc rengi. ef pess kyns hvalur er. holund (II 299.03–04): En pa er holund. ef bloj ma falla a hol or sáre. (Vgl. Ia 145.20–21)

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Heereszug: Das ist ein Heereszug, wenn sie Leute (mit)nehmen [als Gefangene] oder die Habe von Leuten unter Nötigung von ihnen wegnehmen oder sie die Leute schlagen oder festbinden oder verwunden, wenn es ihnen gelingt. Heereskampf: Das ist Heereskampf, wenn insgesamt 3 oder mehr erschlagen oder verwundet werden und sie (die Verwundungen) in jeder der beiden Gruppen erlitten werden. Hirtenaufstehzeit: Er soll sein Vieh zusammen getrieben haben, wenn die Sonne in der Mitte des Ostens (genau im Osten) ist. Das heißt Hirtenaufstehzeit. Walladung: Novelle: Eine Walladung soll 6 Gewichtseinheiten17 von 8 Vierteilen sein, je zur Hälfte Speck und Blubber, wenn es ein Wal solcher Art ist. Lochwunde: Und das ist eine Lochwunde, wenn Blut aus der Wunde in den Brustkasten oder Bauchraum gelangen kann.

Peir menn er hernaj drygia ok fara a skipi. eja j holma. eja j virki eja hella. eja take peir fe manna. ok hafi at herfange. eja föri peir menn naujga. eja bindi. pa verja peir pegar vhelgir. dræpir ok tiltækir fyrir hverium manne. ok gilldir atta avrum. ok sua hylia hrö peirra sem skogar manna. („Die Leute, die einen Heereszug unternehmen und auf einem Schiff umherfahren, oder sich auf Inseln zurückziehen oder in Festungen oder Höhlen, oder die das Gut von Leuten (weg)nehmen und es als Heeresbeute haben oder die Leute unter Nötigung mitnehmen oder festbinden, die werden dann sofort unheilig, dürfen erschlagen oder von jedermann festgehalten werden, und sie sind acht Öre wert und (man soll) ihre Leichen so verhüllen wie von Waldgangsleuten.) ca. 34–35 kg, vgl. Grágás (1992), S. 512. Das Wort ist etymologisch u. a. mit mittelniederdeutsch wicht und neuenglisch weight verwandt, vgl. Ásgeir Blöndal Magnússon, Íslensk orjsifjabók, S. 1157 (1 vætt); Jan de Vries, Altnordisches Etymologisches Wörterbuch, 3. Aufl. [=2. Aufl.], S. 672 (vætt 1).

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Anhang

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vera holundi (II 352.03–04): Pa er majr holunde. er køra kenir in til hinonnar eja i hol. hornungr (II 68.12–14): Ef kona gefr frelsi præli sinum til pes at hon vill ganga mej honom oc eiga hann. pa er pat barn oc eigi arfgengt er pav geta. sa majr heitir hornungr. (=Ia 224.08–11) hrísungr (II 68.06–10): Sa majr er oc eigi arfgengr er præll getr barn mej friálse kono. Pat barn er oc eigi arfgengt er quict er i quije ajr møjrini se felsi gefit. oc er po pat barn friáls boret. Enda scal peim mane gefa frelsi i anat sin. sa majr heitir hrísungr. (=Ia 224.03–06) hyvíg (II 395.11): Sva er mælt ef majr vegr firir manne præl eja ambátt at pat heita hyvíg oc varja fiör bavgs garj En sva scal søkia sem avnor víg. fyrir pat uttan at a pingi scal bua quejia. (Vgl. Ia 190.08–1118)

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lochwund sein: Dann ist man lochwund, wenn der Wundschaber bis zu einer Organummantelung oder in ein Loch (Brusthöhle, Bauchhöhle) vordringt. Eckenjunges: Wenn eine Frau ihrem Sklaven die Freiheit gibt, weil sie mit ihm gehen und ihn als Ehemann haben möchte, dann ist das Kind, das sie zeugen, ebenfalls nicht erbberechtigt. Diese Person heißt Eckenjunges. Gebüschjunges: Das Kind ist ebenfalls nicht erbberechtigt, das im Bauch lebendig ist, bevor der Mutter die Freiheit gegeben wird, aber es ist dennoch ein frei geborenes Kind. Dieser Person soll man ein zweites Mal die Freiheit geben. Diese Person heißt Gebüschjunges. Sklaventotschlag: So ist bestimmt, dass wenn jemand einem anderen einen Sklaven oder eine Sklavin erschlägt, dass das Sklaventotschlag heißt und darauf dreijährige Landesverweisung steht und dass das so zu verfolgen ist, wie andere Totschläge, bis darauf, dass man Anwohner auf dem Thing herbeirufen soll.

Hy vig ero pessi ef majr vegr præl eja ambött fyrir manne oc varjar fiorbavgs garj. en sva scal søkia sem anat vig. fyrir pat utan. at a pingi scal quejia bva. („Sklaventotschläge sind diese: Wenn man jemandes Sklaven oder Sklavin totschlägt, so steht darauf dreijährige Landesverweisung, und man soll es so verfolgen wie einen anderen Totschlag, bis darauf, dass man Anwohner auf dem Thing herbeirufen soll.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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hqggskógr (II 469.03–04): En pat er högscogr er mönum er sciotara at högva öxe. en rifa up. (Vgl. Ib 91.0219=II 452.10–11) knérunnr (II 64.10–11): En pat er kne runnr at telia fra systkinum. (Vgl. Ia 220.04–05) koma eigi til hreppsfundar (II 251.13–15): En pa coma menn eigi til reps fundar. ef eigi coma fyrir mijian dag. Pan dag sem aquepit var. (Ib 173.11–12) landgangr at fiskum (II 40.24–25): En pa er land gangr at fiskum ef menn høgva högiárnom eja taca höndom. (Ia 32.03–04)

landsofringi réttr (II 77.15–19): Sa majr er mej húsum fer landz ofringi réttr oc er hann hvarki til ungr ne til gamall at vina eja fara peir at sialfræje sino poat peir se gamlir. oc scolo peir eigi arf taca mepan peir fara sva oc ero rétt lavser. (=Ia 225.06–10; vgl. auch II 98.17–18) ly´ rittnæmar sakir (Ia 136.16–15): Pat ero lyrit næmar sacir er eyris bót kømr til eja meire i bavga tale. pat er vij prijia brøjra oc nanare menn.

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Fällwald: Und das ist ein Fällwald, bei dem es für die Leute schneller geht, ihn mit der Axt zu fällen als ihn herauszureißen. (Familien-)Stamm [bei der Erbfolge]: Und das ist ein Stamm, der von den Geschwistern ausgeht. nicht zu einer Gemeindeversammlung erscheinen: Dann erscheinen Leute nicht zu einer Gemeindeversammlung, wenn sie nicht bis zur Mitte des Tages erscheinen, an dem Tag, der bestimmt war. Anlandgehen von Fischen: Wenn ein Anlandgehen von Fischen vorkommt, dann soll man sie nehmen. Und dann liegt ein Anlandgehen von Fischen vor, wenn Leute sie mit Stecheisen oder mit Händen ergreifen. echter Landstreicher: Derjenige, der von Haus zu Haus zieht, ist ein echter Landstreicher, wenn er weder zu jung noch zu alt ist zum Arbeiten oder wenn sie aus eigenem Entschluss umherziehen, auch wenn sie alt [zu alt zum Arbeiten] sind. Sie sollen kein Erbe antreten, solange sie so umherziehen, und sie sind rechtlos. untersagungsverfügungsfähige Sachen: Das sind untersagungsverfügungsfähige Sachen, wenn Buße von einer Öre darauf oder mehr kommt gemäß der Bußtabelle; in Bezug auf im fünften Glied Verwandte oder nähere Verwandte.

Zur abweichenden Definition in der Konungsbók siehe bereits oben im Kap. 2.1.5.3. Beispiele für ursprünglicheren Text der Stajarhólsbók bzw. schlechteren Text der Konungsbók, S. 114 ff.

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Anhang

20212223

lqgeyrir (II 214.12–16): Ef mæltir ero lögavrar mej mönnom oc ero lög avrar ky´r oc ær. pat ero oc lavg eyrir vi. alnir vajmáls. Brent silfr er enn. oc er eyririn at mörc lavg avra. Enda lavg silfr. pat er meire lutr se silfrs en messingar. oc polir skor oc se iafnt utan sem inan. Melracka skin vi. pat er en lavg eyrir. (Vgl. II 61.12–1720; Ia 129.26–130.0121=II 265.22–23; Ib 192.14–1522) lqgfóstr (Ia 161.02–04): Pat er lögfostr er majr tecr vij manne .viii. vetra gömlom eja yngra oc føje til pes er hann er xvi. vetra gamall. (Vgl. II 322.04–0723)

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gesetzliche Öre: Wenn zwischen Leuten gesetzliche Öre vereinbart sind, dann sind gesetzliche Öre Kühe und Schafe. Eine gesetzliche Öre sind auch 6 Ellen Wollstoff Weiterhin sind reines Silber und die Öre einer Mark gesetzliche Öre. Außerdem gesetzliches Silber, bei dem der größere Teil von Silber als von Messing ist und das einen Schnitt aushält und außen wie innen gleich ist. Sechs (Schnee-)Fuchsfelle, das ist auch eine gesetzliche Öre. gesetzliche Pflegekindschaft: Das ist gesetzliche Pflegekindschaft, wenn man jemanden im Alter von 8 Jahren oder jünger aufnimmt und großzieht, bis er 16 Winter alt ist.

En pat ero vi. alna avrar. kyr oc ær at pinglagi pvi sem par er i pvi heraje. Pat er lavg eyrir vi. alnar vajmáls. eja varar felldir ny´ ir sva at peir se eigi ver virjir en vara. Eyrir gullz fyrir ccc. alna. Mork vegin brenz silfrs er iofn vij eyri gullz. Melracka scinn .vi. oc lamba gæror vi. pat er hvartuegia logeyrir. („Und das sind Öre zu 6 Ellen: Küche und Schafe zu dem Thingpreisniveau, das dort im Distrikt gilt. Das ist eine gesetzliche Öre: 6 Ellen Wollstoff oder so neue Wolloberbekleidung, dass sie nicht schlechter als als Ware bewertet wird. Eine Öre Gold für 300 Ellen. Eine abgewogene Mark gebrannten Silbers ist gleich einer Öre Gold. 6 Schneefuchsfelle und 6 Lammfelle, das sind beides eine gesetzliche Öre.“) Ef majr gætir navta oc scal öln cavpa gøzlo á ku eja oxa iiii. vetra gamlan. en .ii. navt vij kv ef yngri ero. vi. alnom a xxx. gamla savje en xl. lamba eyri. brytion fyrir x. menn vi.alnar vajmals. pat er log eyrir. eja pangat se virt til ellegar. („Wenn jemand Rinder hütet, so soll eine Elle die Bewachung einer Kuh oder eines 4 Winter alten Ochsen kaufen; und zwei Rinder für eine Kuh (gerechnet werden), wenn sie jünger sind; 6 Ellen für 30 ausgewachsene Schafe und 40 Lämmer für eine Öre. Beköstigung für 10 Leute 6 Ellen Wollstoff. Das ist eine gesetzliche Öre oder das, was dahingehend bewertet wird.“) Pat er fiarlag at alpingis male at .vi. alnir vajmáls gilldz nytt oc onotit scolo vera i eyre. („Das ist die Preisfestsetzung nach dem Beschluss auf dem Allthing, dass 6 Ellen Wollstoff, gültig [den gesetzlichen Abmessungen entsprechend], neu und ungebraucht eine Öre ausmachen sollen.“) iii. er fostri hans sa er hann toc at føja viii. vetra gamlan. eja yngra oc var pat pa rajit pegar at hann scylldi føja hann par til er hann væri xvi. vetra gamall. („Der vierte ist sein Ziehsohn, derjenige, den er in Unterhalt nahm 8 Winter alt oder jünger und bei dem damals gleich abgemacht wurde, dass er ihn großziehen solle, bis er 16 Winter alt sei.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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lqggarjr (II 451.04): En loggarjr er .v. feta piockr vij iorj nijri en prigia ofan oc scal hann taca i oxl peim mane af prepe er bæpe hefir gildar alnar og fajma. (Vgl. Ib 90.05–07) lqghreppr (II 249.03–04): En pat er lavghreppr er .xx. böndr ero í eja fleire. pviat eins scolo færi vera ef lavgrétto menn hafa lofat. (Vgl. Ib 171.03–05) lqgmark (II 230.09–11): pat eitt er lög marc er eyro ero mercj a öllo fe navtom oc savjom suinom oc geitum. nema a fuglum, par scal fitiar merkia. (Vgl. Ib 155.19– 2124; II 482.24–483.0225; II 508.13–1526; II 511.01–0627) 24

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gesetzliche Einfriedung: Eine gesetzliche Einfriedung ist 5 Fuß dick unten auf der Erde und 3 oben und sie soll demjenigen vom Sockel aus bis an die Schulter reichen, der sowohl gültige Ellen als auch Klafter hat. gesetzlicher Gemeindeverband: Und das ist ein gesetzlicher Gemeindeverband, in dem 20 oder mehr Bauern sind, denn es sollen nur dann weniger sein, wenn die Mitglieder der Gesetzesversammlung dies erlaubt haben. gesetzliche Marke: Einzig das ist eine gesetzliche Marke, wenn die Ohren markiert sind an jedem Vieh: Rindern und Schafen, Schweinen und Ziegen, bis auf Vögel, dort soll man die Füße markieren.

Navt oc savje oc svín scal majr marka a eyrom en fogla scal marka a fitiom. oc ero pav ein lög mörc a pvi fe. („Rinder und Schafe und Schweine soll man an den Ohren markieren, aber Vögel soll man an den Füßen markieren, und sie sind die einzigen gesetzlichen Marken an diesem Vieh.“) Eyrna mörc scolo vera. en eigi önor mörc. af pvi at ecke er lög marc. nema a eyrom se. („Ohrenkennzeichen sollen es sein und keine anderen Marken, weil es kein gesetzliches Kennzeichen ist, es sei denn, es ist auf den Ohren.“) A fitiom scal fugla merkia. oc syna búm. ecki er par lög mark nema a fitiom se markat. („An den Füßen sollen Vögel markiert, und es soll Anwohnern [die Marke] gezeigt werden. Es ist keine gesetzliche Markierung, wenn nicht an den Füßen markiert wird.“) Ef vijr kømr a fiöro manz. pa scal hann marka vij pan vijar marki sino pvi er hann hefir synt ajr bvvm sinom .v. eigi er lavgmark ella. enda a hann pa vijin pótt ut flióti. oc komi a anars manz fiöro. en pot hann marke vijin oc hafe eigi sy´ nt bvum ajr markit. pa scal honom ecki pat mark helga. („Wenn ein Stück Holz an das Ufer von jemanden kommt, dann soll er dieses Stück mit seiner Holzmarke markieren, derjenigen, die er zuvor seinen 5 Anwohnern gezeigt hat; ansonsten ist es keine gesetzliche Marke, und dann steht ihm das Holzstück auch dann zu, wenn es (wieder) hinaustreibt und an das Ufer eines anderen kommt. Auch wenn er das Holz markiert, aber den Anwohnern nicht zuvor die Marke gezeigt hat, dann soll ihm diese Marke nicht zugeschrieben werden.“) Diese Vorschrift findet sich abgewandelt und ohne Legaldefinition in: Grágás Ib, 123.22–124.02 und in gekürzter Form, aber mit Legaldefintion in AM 279a 4to, Pingeyrabók, in: Grágás III, S. 377(379.07–380.03).

400

Anhang

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lqgmáli (II 432.14–433.03): Ef majr selr land sitt öjrom mane. oc vill hann leggia a lögmala. eja logvej. pa scolo peir handsalaz pan mala. eja pat vej sem peir ero a sattir. Pat er logmale a lande. at hann scal eiga cost at caupa fyrstr landet mej slico verje sem anar byjr vij. pa er land er falt. enda ma vera sa male alandeno. at peir marke sialfir verj a pvi. hver dyrt vera scal. ef falt verjr. pan mala scal lysa at logberge. eja lögvej ef pat er i lande. sem peir handsolojoz et nesta sumar á alpingi eptir cavp peirra. (Vgl. Ib, 98.22–99.08, wo die Legaldefinition des Vorkaufsrechts fehlt28)

28

gesetzmäßiges Vorkaufsrecht: Wenn jemand über sein Land zu Gunsten eines anderen derart verfügt, dass er daran ein gesetzliches Vorkaufs- oder Pfandrecht einräumt, dann sollen sie dieses Vorkaufs- oder Pfandrecht so per Handschlag abschließen, wie sie sich geeinigt haben. Das ist ein gesetzmäßiges Vorkaufsrecht an einem Land, dass er die Möglichkeit haben soll, als erster das Land zu demselben Preis zu kaufen, den ein anderer bietet, dann, wenn das Land zu verkaufen ist. Aber es kann auch ein derartiges Vorkaufsrecht am Land bestehen, dass sie selber den Preis festlegen, wie teuer es sein soll, wenn es zu verkaufen sein wird. Dieses Vorkaufsrecht oder Pfandrecht,

Ef majr selr land sit manne oc vill hann legia alög mala eja lögvejr oc eigo peir at hannsalaz pan mala sem peir ero asáttir eja vej. pan mala scal lysa at lögbergi eja pat vej sem peir handsolojuz hit næsta alpingi eptir cavp peirra. Ef peir mæla sva at eigi scyli scylt at lysa malann eja vejit oc a pat eigi at halda. enda er pa hvárke a landeno vej ne male. Pa er lög male er ly´ str eja lögvej fyrir buom fyrst. enn sipan at lög bergi. pan mála parf eigi optar at lysa mepan peir vattar lifa oc hann man váttana oc peir lifa bapir er pan mála áttoz vij. („Wenn jemand sein Land einem anderen verkaufen will und er ein gesetzmäßiges Vorkaufsrecht oder ein gesetzmäßiges Pfandrecht daran bestellen will, so sollen sie dieses Vorkaufsrecht oder dieses Pfandrecht mit Handschlag bekräftigen, wie sie sich darauf geeinigt haben. Dieses Vorkaufsrecht oder dieses Pfandrecht soll auf dem nächsten Allthing nach ihrem Vertragsschluss so am Gesetzesfelsen bekannt gemacht werden, wie sie mit Handschlag bekräftigt haben. Wenn sie bestimmen, dass sie nicht verpflichtet sein sollen, das Vorkaufsrecht oder Pfandrecht bekannt zu machen, dann braucht das nicht eingehalten zu werden und dann besteht an den Land weder Vorkaufsrecht noch Pfandrecht. Dann besteht ein gesetzmäßiges Vorkaufsrecht, wenn zuerst vor Anwohnern und später am Gesetzesfelsen bekannt gemacht wird. Dieses Vorkaufsrecht braucht man nicht öfter bekannt zu machen, während die Zeugen leben und man sich der Zeugen erinnert und während sie beiden leben, zwischen denen dieses Vorkaufsrecht vereinbart wurde.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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293031

lqgpundari (II 289.17–18): Pat er lavg pundare er .viii. fiorjungar ero i vétt. en .xx. merkr scolo ifiorjungi vera. (=Ib 169.11–12) lqgsegjendr oder lqgsjáendr (II 312.19– 313.01): En peir ero lögsegiendr eja lög siaendr. karlar xii. vetra gamlir eja ellri peir er fyrir eiji oc orji kunna hygia friálsir menn oc heimilisfastir. (Vgl. Ia 153.20–2130) lqgtíund (II 46.05–15): Pat er lögtiund at sa majr scal gefa .vi. alna eyre a tveim missarom. er hann a .x. tigo fiar .vi. alna avra. Sa majr er hann á x. vi. alna avra fyrir utan favt sin hvers dags bvning sculld lavsa. Sa scal gefa óln vajmals eja vllar reyfe pat er .vi. gere hespo eja lambs gæro. En sa er a .xx. avra. sa scal .ii. alnir. En sa er a .xl. sa scal iii. alnir. En sa er halft hundraj

29 30

31

wenn ein solches am Land besteht, soll am Gesetzesfelsen den nächsten Sommer nach ihrer Verfügung so bekannt gemacht werden, wie sie es abgeschlossen haben. gesetzliche Waage: Das ist eine gesetzliche Waage, wenn 8 Viertel in einem Vætt [34–35 kg]29 sind, und 20 Mark sollen in einem Viertel sein. gesetzliche Auskunftgeber oder gesetzliche Beurteiler: Und diese sind gesetzliche Auskunftgeber oder für gesetzliche Beurteiler: Männer 12 Winter alt oder älter, die ihr Wort mit Bedacht wählen können und eidfähig sind, frei und mit festem Wohnsitz. gesetzlicher Zehnt: Das ist der gesetzliche Zehnt, dass derjenige 6 Ellen die Öre innerhalb von zwei Halbjahren geben soll, wenn er 100 an Gut zu 6 Ellen die Öre hat. Derjenige, der 10 Öre zu 6 Ellen neben seiner Kleidung für jeden Tag schuldenfrei hat, der soll eine Elle Wollstoff oder die Wollschur eines Schafes geben, von dem 6 eine HaspelLänge31 ausmachen oder ein

Vgl. Grágás (1992), S. 512. En pat ero lög segiendr eja lögsiaendr karlar peir er fyrir eije kvno at hygia xii. vetra gamlir eja ellre. („Und das sind Recht Sprechende oder für Recht Erkennende: Solche Männer, die eidfähig sind, 12 Winter alt oder älter.“) Isländische Maßeinheit, hier mit dem etymologisch verwandten Haspel übersetzt. Eine hespa ist die festgelegte Länge von Wollfäden, die auf eine Haspel aufgewickelt werden. Die Länge entspricht 11 skreppur (Sg. skreppa), was wiederum 484 præjir (Sg. prájr, Faden) sind, vgl. Íslensk orjabók3 II (2002), unter 1hespa (S. 576).

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avra á sa iiii.ar alnir. En sa er a viii. tigo á. sa scal .v. alnir. En sa er a .x. tigo sa scal vi. alnir. Pat fe parf eigi til tiundar at telia er ajr er til gujs packa gefit. hvárt sem pat er til kirkna lagit eja brúa eja til salo scipa. hvart sem pat er ilondum eja lavsum avrum. (Vgl. Ib 205.04–12; Skálholtsbók in: Grágás III, S. 1(43.16–44.07); Stajarfellsbók in: Grágás III, S. 55(84.08–18); Belgdalsbók in: Grágás III, S. 93(134.09– 135.05); Arnarbælisbók in: Grágás III, S. 147(183.03–17); AM 158B 4to in: Grágás III, S. 193(222.24–223.10); AM 50 8vo in: Grágás III, S. 230(267.03– 12); AM 181 4to in: Grágás III, S. 291(355.09–356.09); AM 148 4to in: Grágás III, S. 369.06–15). lqgvej (II 433.05–11): En pat er lögvej er majr scal taca .ij. aura fire .i. i lande sva sem buar virpa vij boc landet. peir er landeigendr se. en .v. dag vico pan er .vij. vicor ero af sumre. et sama vár. er hann misste gialldagans. pa eignaz hann i landino holfo meira fe en han ætte at honom. Buar scolo quaddir vera .iij. nottom fyr. eja meira mele. slict er pat lögvej pott peir hafe

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Lammfell. Und derjenige, der 20 Öre hat, der soll 2 Ellen [geben]. Und derjenige, der 40 hat, der soll 3 Ellen [geben]. Und derjenige, der ein halbes Hundert hat, der soll 4 Ellen [geben]. Und derjenige, der 80 hat, der soll 5 Ellen [geben]. Und derjenige, der 100 hat, der soll 6 Ellen [geben]. Dasjenige Gut braucht nicht zum Zehnten gezählt werden, das zuvor zum Dank Gottes gegeben wurde, gleich, ob es einer Kirche zugewendet oder für eine Brücke oder für ein Seelenschiff (=Fähre) gegeben wurde, gleich, ob es in Land oder beweglichen Öre war. gesetzmäßiges Pfandrecht: Das ist ein gesetzmäßiges Pfandrecht, wenn jemand 2 Öre für 1 aus dem Land erhält, so wie 5 Anwohner, welche Landeigentümer sein müssen, das Land beim Buche bewerten, am 5ten Tag der Woche, an dem 7 Wochen vom Sommer herum sind, desselben Frühjahres, in dem er den Zahltag verstreichen ließ – dann erhält er aus dem Land die Hälfte mehr32 Geld als er von

Es müsste „doppelt so viel“ heißen. Dies ist ein auch noch im heutigen Isländisch häufig anzutreffender fehlerhafter Sprachgebrauch.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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marcat verj á landeno. (Vgl. Ib 99.26–100.0433)

lqgvilla (Ia 42.01–07):34 Ef eigi er gengit vij heimilis fangi manz pes er bva quipr fylgir søkini. pa scal quepia til heimilis bva pess er apili var frvmsakarinnar. oc sva par er eigi er gengit vij pingvist manz. epa heimilis fangi, epa svo ef mapr svarar eigi par er mapr er sialfr spurpr. epa sva po at hann svari loguillv. en pat er logvilla. ef mapr svarar opru en er. eja pegir hann vij. (Vgl. die Nennung des Begriffes lqgvilla in II 308.03: „Ef peir suara engo eja oscilum. pa scal nefna at vatta ix. oc varjar lavg villa slíct sva par.“ [Wenn sie nichts antworten oder pflichtwidrig {scil. un-

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ihm zu bekommen gehabt hätte. Die Anwohner sollen 3 Nächte zuvor herbeigerufen werden oder mit mehr zeitlichem Abstand. Gleichermaßen ist das auch ein Pfandrecht, wenn Sie einen Preis für das Land festgelegt haben. Rechtsbehinderung: Wenn der Wohnsitz eines Mannes nicht bestätigt wird, in dessen Sache eine Anwohnerjury zu entscheiden hat, dann soll man die Wohnortanwohner desjenigen herbeirufen, der Partei der ursprünglichen Sache war und ebenso, wenn weder jemandes Thingverbandszugehörigkeit noch sein Wohnsitz bestätigt wird, und ebenso, wenn jemand dann nicht antwortet, wenn er selbst gefragt wird oder auch wenn er rechtsbehindernd antwortet. Und das ist Rechtsbehinderung, wenn jemand anders antwortet als es tatsächlich ist oder wenn

Par er lögvej er. oc scal majr taca tva avra fyrir ein ilande sca sem bvar meta vij boc landit in .v.a dag vico pan er vii. vicor . ero af sumri. et sama sumar er hann misti gialdagans. pa eignaz hann ilandeno halfo meira fe enn hann átte at honom. buar scolo quaddir iii. nottom fyrir eja meira meli. („Dort wo ein gesetzmäßiges Pfandrecht besteht, soll man zwei Öre für einen aus dem Land bekommen, so wie Anwohner das Land beim Buche bewerten, den 5ten Tag der Woche, in der 7 Wochen vom Sommer herum sind, denselben Sommer, in dem er den Zahltag verpasste. Dann erhält er aus dem Land die Hälfte mehr [richtig: doppelt so viel] Geld, wie er von ihm zu bekommen hatte. Die Anwohner sollen 3 Nächte zuvor oder mit mehr zeitlichem Abstand herbeigerufen werden.“) Der Grundgedanke der lqgvilla ist derselbe wie bei dem Verb frustrari im römischen Recht, da beide Wörter den Umstand beschreiben, dass jemand einen Klageberechtigten auf betrügerische Weise hinhält, den Ausgang einer Rechtssache absichtlich verzögert, oder versucht, sich der Klage zu entziehen oder diese zu vereiteln; vgl. für frustrari: H. G. Heumann/E. Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 9. Aufl. (1907), S. 223 f. (frustrari ).

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zutreffend}, dann soll man dafür 9 Zeugen benennen und steht auf (diese) Rechtsbehinderung gleiches wie dort {wo deren Rechtsfolge geregelt ist}.]

er schweigt [auf prozessuale Fragen zur Person, die man in jedem Falle beantworten muss].

mannvilla (II 187.04–08): Pat er manvilla ef majr kenir ser anars manz barn. eja hann kenir avjrom manne sit barn vísvitande. enda gera peir menn allir man villo er i pui standa. hvart sem peir villa fajerni. eja mojerni eja bæje. (Vgl. Ib 55.25–56.04)

Verwandtschaftstäuschung: Das Verwandtschaftstäuschung, wenn jemand sich das Kind eines anderen als sein eigenes zuschreibt oder er einem anderen wissentlich sein Kind zuschreibt. Es begehen alle Verwandtschaftstäuschung, die daran teilnehmen, gleich ob sie über die Vaterschaft oder über die Mutterschaft oder über beides täuschen. Markwunde: Und das ist eine Markwunde, wenn ein Knochen entzwei ist bis aufs Mark, einer, in dem Mark ist, gleich, ob er zerhackt oder gebrochen ist.

mergund (II 299.04–06): En pa er merg und. ef bein er i sundr til mergiar. pat sem mergur er í. hvart sem pat er högvit eja brotit. (Vgl. Ia 145.21–2235) vera mergundi (352.04–05): En pa er mergundi er køra kenir in til mergiar.

markwund sein: Und dann ist [man] markwund, wenn der Wundschaber bis zum Mark vordringt.

morj (II 348.20–349.03): En pa er morj ef majr leynir meira lut mann irepp. eja hylr hræ til launar. eja gengr eigi í gegn. enda hefir sa er myrjr er ecki til saka gert sva at henn felli fyrir pvi o heilagr oc sva pot hann

Mord: Und dann ist es Mord, wenn jemand es der Mehrzahl der Leute im Gemeindeverband verheimlicht oder die Leiche zur Geheimhaltung verhüllt oder sich nicht dazu bekennt und wenn der, der ermordet

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Merg und er ef beín er isundr til mergiar. pat er mergur er ipot brotit se. („Eine Markwunde ist, wenn ein Knochen entzwei ist bis aufs Mark, einer, indem Mark ist, auch wenn er gebrochen ist.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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væri sekr. (Vgl. Ia 154.22–2336; II 313.2037)

naujahandsöl (II 285.02–04): [Novelle] En pat ero navja handsöl ef majr handsalar sva at ella er hætt fiorvi hans eja fe. eja hann ygje ser aliót eja fiar rán. (= Ib 189.18–20)

hin meiri nautn (II 247.10–12): Su er hin meire navtn ef sva er at pat bere quijr at rosse være eigi pat verra at pvi være rijit høfilega hart. dagleij eina til til alpingis.

níj (II 392.07–08): Pat ero níj ef majr scer tré níp manne eja rístr eja reisir manne nip stavng. (=Ib 183.01–02)

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wird, wegen nichts so schuldig geworden ist, dass er deswegen unheilig fiele und zwar auch dann, wenn er (eines kleineren Delikts) schuldig wäre. Nötigungsvertrag: Und das ist ein Nötigungsvertrag [im Isländischen im Plural, aber in der Konungsbók im Singular], wenn jemand (ihn) so eingeht, während entweder sein Leben oder sein Vermögen in Gefahr ist, oder während er körperliche Beeinträchtigung oder einen Raub von Gut fürchtete. größerer Gebrauch [eines Pferdes]: Das ist der größere Gebrauch, wenn er so ist, dass eine Jury aussagt, dass es für das Pferd nicht schlechter wäre, wenn es einigermaßen hart eine Tagesstrecke zum Allthing geritten werden würde. Schmähung: Das ist Schmähung, wenn man jemandem ein Schmähholz schneidet oder ritzt oder jemandem eine Schmähstange errichtet.

en pa er morj ef majr leynir eja hylr hræ eja gengr eigi i gegn. („Und dann ist es Mord, wenn er es verheimlicht oder die Leiche verhüllt oder es nicht zugibt.“) En ef hann lysir annan veg en nv er tint. oc metz pat pa sem morj at pvi at hinn hafji ecki til saka gert er hann felli fyrir pvi oheilagr. („Aber wenn er es auf eine andere Weise bekannt macht, als jetzt aufgezählt ist, so wird das als Mord bewertet, solange der andere nicht solche Sachen begangen hat, für die er rechtlos fiele.“). Vgl. Grágás Ia, S. 154.15–19: Pat er mælt ef hann lysir anan veg en nv er talt oc metz pa sem morj. at pvi at hin fellr pa eigi oheilagr hvatki er hann hefir ajr til saca gørt enda eigo eigi varnir at metaz. („Das ist bestimmt, wenn er es auf andere Weise bekannt macht, als jetzt aufgezählt ist, so wird das als Mord bewertet, so dass der andere nicht unheilig fällt, gleich was er vorher an Sachen gemacht hat, und es soll keine Verteidigung berücksichtigt werden.“)

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ómagamót (II 142.20–22): Ef majr førir omaga fram til pes er hann er protin oc verjr hvár tvegi omagi. pat kalla menn omaga mót. oc a hvar peirra at hverfa til sins frænda ens nanasta. (Vgl. II 115.19–116.02=Ib 10.03–05) ómennska (II 151.03): Pat er omenzka ef majr gengr mej husom fyrir sakir neningar leysis eja o kosta anara peirra er gopir menn vili fyrir peim sökom eigi vij peim taka. (Vgl. Ib 28.18–20) óværateigr (II 428.05–08): Ef majr á beito teigo i anars lande. pa er .v. aura se verjr. eja mina fiar hvarir ein eja fleire. ef eigi kömr meira fe til. en einir .v. auvar. oc heitir sa oværa teigr. (Vgl. Ib, 104.16–21) penningr (II 190.07–08): Penning scal hann gefa goja peim er hann leipir i lög. pat scal hinn tiundi lutr eyris vera. (=Ia 192.13–15) ráj (II 370.08–10): Pav ero ráj sva at majr sva røjr vm annan. ef hann mælir pat fyrir mönnom nokot at hin se pa bana aj nær en heilendi at fir. ef pat quæmi fram er hann mælte.

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Bedürftigenansammlung: Wenn jemand einen Bedürftigen so lange unterhält, bis er (selber) mittellos ist, und jeder von beiden ein Bedürftiger wird, nennt man das Bedürftigenansammlung, und dann soll jeder von ihnen seinem nächsten Verwandten zufallen. asoziale Beweggründe: Das sind asoziale Beweggründe, wenn man umherzieht aus Gründen der Lustlosigkeit (zum Arbeiten) oder anderer schlechter Eigenschaften von ihnen, wenn gute Leute sie aus diesen Gründen nicht aufnehmen wollen. nichtauskömmliche Fläche: Wenn jemand eine oder mehrere Weideflächen im Land eines anderen hat, die je 5 Öre oder weniger wert sind und insgesamt nicht mehr wert zusammenkommt, als einmal 5 Öre, dann heißt das nichtauskömmliche Fläche. Pfennig: Einen Pfennig38 soll der dem Goden geben, der ihn in die Rechtsordnung einführt; das soll der zehnte Teil einer Öre sein. Anstiftung: Das ist Anstiftung, dass jemand so hinsichtlich eines anderen bestimmt, wenn er anderen etwas befiehlt, dass der andere dann dem Tode näher sei und dem Gesundsein entfernter wäre, wenn das geschähe, was er befahl.

Ca. 2,7g. Entspricht im Gewicht der arabischen Silbermünze dirhem, vgl. Grágás (1992), S. 551. Es gab dagegen auch penningar, die nur einen sechzigsten Teil einer Öre ausmachten und nicht den zehnten, vgl. Grágás (1992), S. 511, 551.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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ráj (II 377.19): Pat ero raj ef majr mælir peim orjum eja gørir hann pat nokot er hin se fiorvi sino at fir eja alióti at nær. ef pat væri gert er hann mælti. sva at hann villdi at pat kømi fram. (Vgl. Ia, 184.04–12, wo die Stelle nicht ausgeschrieben steht, aber anzunehmen ist, dass sie dort zu folgen hätte) raujarán39 (Ib 164.14–16): Ef majr helldr eigi á oc quez hann po eiga. en hin tecr pan grip abrott. oc er pat ravja rán. varjar pat scog gang. rifhrís (II 469.02–03): En pat er rif hrís er sciotara er at rifa upp. en sökia öxe. (Vgl. Ib 91.01– 0240=II 452.10) sálugjafir (II 84.09): En pat ero salo giafar ef majr gefr peim mönnom er eigi eigo at gegna pingfarar kavpe. oc purfo fe sitt eja verk til omaga biargar at hafa. (=Ia 246.21–247.02) sár (II 298.16–17): En pat er sár ef par bløpir sem a kom. (Vgl. Ia 148.1841) 39

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Anstiftung: Das ist Anstiftung, wenn jemand diese Worte spricht oder etwas unternimmt, dass der andere seinem Leben entfernter oder einer Beeinträchtigung näher ist, wenn das, was er sagte, so getan würde, wie er wollte, dass das geschähe. leichter Raub: Wenn jemand (eine Sache) nicht in der Hand hält und er doch sagt, sie gehöre ihm, aber der andere nimmt die Sache weg, so ist das leichter Raub und steht darauf Waldgang. Reissstrauch: Und das ist ein Reissstrauch, bei dem es schneller ist, ihn herauszureissen als die Axt zu holen. Seelengaben: Und das sind Seelengaben, wenn man den Leuten etwas schenkt, die kein Thingfahrtgeld zu entrichten haben und ihr Gut oder ihre Arbeitskraft für die Unterstützung von Bedürftigen benötigen. Wunde: Das ist eine Wunde, wenn es dort blutet, wo es traf.

Die Bedeutung dieses Wortes ist sehr schwer zu erfassen, da Saxo Grammaticus darunter graves adhuc immanesque rapinas Röthoran cognominare solemus versteht, aber die hier gegebene Definition keine besonders schwere Begehungsart nahelegt, auch wenn auf das Delikt Waldgang steht, was bei Vermögensdelikten fast ebenso häufig wie bei Körperverletzungsdelikten der Fall ist. Andreas Heusler übersetzt das Wort mit „Erzraub“, vgl. Graugans, S. 391. Das Adjektiv raujr (‚rot‘), das hier vermutlich vor das rán (‚Raub‘) gestellt ist, muss nicht zwingend eine Verstärkung darstellen. Vgl. im einzelnen oben im Kap. 2.1.5.3. Beispiele für ursprünglicheren Text der Stajarhólsbók bzw. schlechteren Text der Konungsbók, ab S. §§§ ff. Pa særir majr anan ef par bløjir er a com. („Dann verwundet man einen anderen, wenn es dort blutet, wo es traf.“)

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hin meiri sár (II 299.01–02): En pav ero hin meire sár. heil und oc hol und og merg und. (Vgl. II 352.01–0242) siehe: heilund, holund, mergund Gleichsetzungen zu hin meiri sár (II 299.06–11): Pat metz sem hin meire sár. ef majr scer tungo or havfji manni. eja stingur avgo or höfji eja scer af mann nef eja eyro. eja brytr ten or höfji manne. En pa er scorit. er scejr beini eja briósci. Sua er oc ef majr gelldir man eja havgr klám havg um pio pver. (=Ia 147.23–148.03)

sát (II 377.23–24): En pa er sat ef menn bíja af pvi at peir hygia par til averka vij menn i peim staj eja pangat til aj ganga. (Ia, 183.23–25) skernár (II 380.13): Ef menn setia mann i vt sker sa majr heitir scer nár. (Vgl. Ia 202.19–23 und oben S. 116) vera skiljr: siehe vettvangr sifjaspell hitt meira (II 181.14–20): Pat er sifia spell et meira ef majr ligr mej peirre kono. oc sva poat hann eigi hana ef brøjrungr hans hefir átta eja nánare

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die größeren Wunden: Und dies sind die schwereren Wunden: Gehirnwunde, Lochwunde, Markwunde. Gleichsetzungen zu den größeren Wunden: Es zählt zu den schwereren Wunden, wenn man jemandem die Zunge aus dem Kopf schneidet oder jemandem die Augen aus dem Kopf sticht oder jemandem Nase oder Ohren abschneidet oder jemandem einen Zahn aus dem Kopf bricht. Und dann ist geschnitten, wenn Knochen oder Knorpel beschädigt ist. Ebenso ist es, wenn man jemanden kastriert oder einen erniedrigenden Schlag quer über den Hintern verpasst. Hinterhalt: Dann besteht ein Hinterhalt, wenn Leute warten, weil sie planen, Leute zu verletzen, die an diesem Ort sind oder dorthin gehen. Schärenleiche: Wenn Leute jemanden auf einer vorgelagerten Schäre aussetzen, dann heißt dieser Mann Schärenleiche. getrennt sein schwererer Schwägerschaftsbeischlaf: Das ist schwererer Schwägerschaftsbeischlaf, wenn man mit derjenigen Frau verkehrt – und zwar auch dann, wenn man mit ihr

Pav ero in meire sár. ef majr er heilunde eja holundi. eja mergundi. („Das sind die größeren Wunden, wenn jemand hirnwund, lochwund oder markwund ist.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

eja getit barn vij oc orjit sanr at legorje. Slíct er oc ef su frændsemi er mej kononvm peim er hann hefir átta eja getit born vij. eja orjit sanr at legorpi. ef pær ero brøjrungor eja systrungor eja nanare. (=Ib 60.03–09; vgl. II 190.22–24; II 197.10–14)

spellverk hitt meira (II 495.15–18): Ef majr recr geldfe anars sva a .v. avra scapi verjr at. eja meire. oc er pat spell verc et meira. varjar pat fiör bavgs garj. á sa soc pa er fe a vij pan er rac feet. eja reka let.

taka vist (II 266.08–09): pegar er vist tekin er buar bera at peir voro orjnir asáttir. (= Ia 130.13) tíundarhald (II 50.14–17): Pat [fé] scal golldit vera peim mönnom er vij scolo taka oc fram comit at marteins messo. Ef pa er eigi fram komt. oc verjr pat tiundar halld. oc verjr sa sekr vm pat vi. mörcom er giallda á. túngarjr (II 451.24–452.01): en pat er tungarjr er töjo vollr gengr út at garje. (Ib 90.24–25)

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verheiratet ist-, wenn einer seiner Vettern oder ein näher Verwandter mit ihr verheiratet war oder er ein Kind gezeugt hatte und der Beischlafssache überführt wurde. Ebensolches ist gegeben, wenn eine solche Verwandtschaft zwischen den Frauen besteht, mit denen er verheiratet war oder Kinder mit gezeugt hat oder einer Beischlafssache überführt wurde, wenn sie Vettern oder Basen oder näher verwandt sind. schwereres Schadenswerk: Wenn jemand nicht melkbares Vieh eines anderen so antreibt, dass daran 5 Öre oder mehr Schaden entsteht, so ist das schwereres Schadenswerk. Darauf steht dreijährige Landesverweisung. Derjenige, dem das Vieh gehört, hat diese Klageberechtigung gegen denjenigen, der das Vieh antrieb oder antreiben ließ. eine Anstellung [als Knecht] vereinbaren: Dann ist eine Anstellung vereinbart, wenn eine Anwohnerjury aussagt, dass sie sich geeinigt haben. Zurückbehaltung vom Zehnten: Das Geld soll den Leuten gezahlt werden, die es annehmen sollen und es soll bis zur St. Martinsmesse übergekommen sein Hauswieseneinfriedung: Und das ist eine Hauswieseneinfriedung, wo eine gedüngte Wiese sich bis zur Einfriedung erstreckt

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tvíkvæni (II 196.20–22): En pat er tuikvenni. Ef majr gengr cono at eiga sa er eigi hefir lögscilnaj gert vij pa kono er hann hefir fyr átta. (Vgl. II 70.14–1643= Ia 226.14–17) vera upp víst (II 185.16–17=): Pa er mal up víst er apile hefir spurt svo at kona segir honom. eja pa er barn er alit. (=Ib 53.19–21) vagrek (II 534.02–03): Sva er mælt ilögum at paj heitir vagrek er kømr a land manz lik eja vara eja fe. eja scip vijr. (Vgl. Ib, 133.22–134.0144, II 534.17– 1845) vargdropi (II 68.14–16): Pat barn er oc eigi arfgengt er sa majr getr er secr er orjin scogar majr. poat hann geti vij sini kono siálfs. sa majr heitir vargdrope. (=Ia 224.13–16) vejmæla (II 433.16–434.01): Pat er fe at logom vejmælt. ef sva er at faret at syndr se vattum vejmale. enda er po rett ef peim er sva kunigt pat fe er vejmælt er sem peri hafe sej pat. En lysa 43

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Doppelehe: Und das ist Doppelehe: Wenn einer eine Frau heiratet, der keine gesetzliche Scheidung von der Frau vorgenommen hat, mit der er schon vorher verheiratet war. offenbar sein: Dann ist die Sache offenbar, wenn die Partei es so erfahren hat, dass die Frau es ihm gesagt hat oder dann, wenn das Kind geboren ist. Buchttreibgut: So ist bestimmt im Gesetz, dass es Buchttreibgut heißt, wenn die Leiche einer Person oder Ware oder Gut oder Schiffsholz an Land gelangt: Wolfstropfen: Das Kind ist ebenfalls nicht erbberechtigt, das derjenige Mann zeugt, der ein schuldiger Waldgangsmann geworden ist, auch wenn er es mit seiner eigenen Frau zeugt. Diese Person heißt Wolfstropfen. verpfänden: Das Gut wird gemäß dem Gesetz verpfändet, wenn so (damit) verfahren wird, dass Zeugen das Pfandgut gezeigt wird, aber es ist zulässig, wenn ihnen das Gut, das verpfändet

En pa a hann konor .ii. ef hann gengr at eiga oc gørir brullavp til eja gelldr mund vij. enda á hann ajra kono ajr. („Und dann hat er 2 Frauen, wenn er sich daran macht, eine zu heiraten und Hochzeit abhält oder das Brautgeld bezahlt, und er schon eine andere Frau hat.“) Pat fe heitir vagrek er mej likom castar a lanj. oc menn ætla alla pa menn fariz hafa er pat fe átto pott engom casti líkom a land mej fe pvi. („Dieses Gut heißt Buchttreibgut, dass mit Leichen an Land gespült wird und von dem Leute glauben, dass alle Leute umgekommen sind, denen dieses Gut gehörte, auch wenn keine Leichen mit diesem Gut an Land geworfen werden.“) Paj fe heitir vág rek er mej líkum kastar a land. („Das Gut heißt Buchttreibgut, das mit Leichen an Land geworfen wird.“)

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

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scal vejmala fyrir heimilis buum .v. pes er fe sitt lét vejmæla. enda scal lysa at logbergi et nesta sumar eptir. ef vejmale stendur of varping. Nu er land eja gripr forveje et nesta vár eptir. oc stendr of ecke alpinge. pa scal lysa a enom næsta manaje er fe var vejmælt. hvart sem pat var land eja anat fe fire buum .v. oc scolo par land buar er vejmælt er land. (Vgl. Ia 114.24– 115.0146)

veijr (II 515.16–17): En fyrir utan netlavg ahver majr veije sina. Oc er pat veijr er menn føra a scipi til landz; en flutning ella. (Vgl. II 533.16–1847=AM 279a 4to, Pingeyrabók, in: Grágás III, S. 377(407.06–07)

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wird, so bekannt ist, dass sie es (früher einmal) gesehen haben. Die Verpfändung soll 5 Wohnortanwohnern dessen, der das Gut verpfänden ließ, bekannt gemacht werden. Ebenso soll es am Gesetzesfelsen im nächsten Sommer bekannt gemacht werden, wenn die Verpfändung während des Frühjahrsthings noch besteht. Wenn Land oder ein Gegenstand im nächsten darauffolgenden Frühjahr verfallen [als Eigentum dem Pfandrechtsgläubiger zugefallen] ist und beim Allthing nicht mehr besteht, dann soll es innerhalb des folgenden Monats, nachdem das Gut verpfändet wurde, gleich ob es Land oder ein anderes Gut war, vor 5 Anwohnern bekannt gemacht werden, und sollen es Landanwohner sein, wenn Land verpfändet wird. Fang: Aber außerhalb des Stellnetzstreifens steht jedermann sein eigener Fang zu. Und das ist Fang, was Leute mit ihrem Schiff an Land befördern, aber ansonsten Transport.

En pa at lögom at farit er synt er váttom vej mále enda er po rétt ef peim er sva kun t pat fe er vej mælt er at peir hafa sét. en lysa scal vejmala fyrir buom v. pess manz bvvm er fe sitt let vej mæla. („Und dann ist nach dem Gesetz verfahren, wenn der Pfandgegenstand Zeugen gezeigt wird, es ist aber auch zulässig, wenn das Gut, das verpfändet wird, ihnen so bekannt ist, dass sie es [einmal] gesehen haben. Die Verpfändung soll bekannt gemacht werden vor 5 Anwohnern dessen, der sein Gut pfänden ließ.“) Hverr majr aveiji sina fyrir utan net lavg. en pat er veijr er menn feria a skipi til landz en flutning ella. („Jedermann steht sein eigener Fang außerhalb der Stellnetze zu, und das ist Fang, was Leute auf einem Schiff an Land mitbringen, aber ansonsten Transport.“)

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Anhang

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vettvangr (II 304.23–305.05): Sva er mælt at pat scal vet vangr vera er öro ma skiota a .iiii.a vega or peim staj er et fyrsta lavpit varj. hvart sem pat er uti eja ine. Oc scal pat vet vangr vera poat peir hafe vijara farit ajr peir ero scilpir. En pa ero peir scilpir er ajrir tuegio ero lengra ibrot comnir en ördrag. or peim staj sem peir liopuz sijarst til. oc er peirra lengra a mejal en ör drag. (=Ia 148.20–25)

víjáttu skáldskapr (II 394.05–07): Pat er víjatto scáld scapr er majr yrkir um engi mann einkum. enda fer pat po um heraj inan. oc varjar scog gang. (=Ib 185.11–13) ´y ki (II 392.03–05): pat er yki ef majr segir pat fra avjrom manne eja fra eign hans nokore er eigi ma vera og gørir pat til hápungar honom.48 pingsafglqpun (Ia 75.14–16): Ef nokor pegir vij oc vill eigi samquæpi giallda a pan dom er peir verpa a sáttir oc er pat pings afglöpun. oc pegir hann sic pa i fiorbavgs garj.

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Tatort: So ist bestimmt, dass das der Tatort sein soll, an dem man einen Pfeil in 4 Richtungen schießen kann von der Stelle aus, an der der erste Angriff erfolgte, gleich ob es draußen oder drinnen ist. Und dies soll der Tatort sein, auch wenn sie weiter gegangen sind, bevor sie voneinander getrennt sind. Und dann sind sie voneinander getrennt, wenn die einen von ihnen weiter als Pfeilschussweite von der Stelle weggekommen sind, wo sie sich zuletzt angegriffen haben und wenn zwischen ihnen größerer Abstand als Pfeilschussweite ist. unbestimmte Dichtung: Das ist unbestimmte Dichtung, wenn jemand über keinen besonderen Mann dichtet, es aber dennoch im Distrikt die Runde macht und steht darauf Waldgang. Übertreibung: Das ist Übertreibung, wenn jemand das über einen anderen sagt oder über irgendetwas in dessen Eigentum, was nicht sein kann und dies zu seinem Spotte tut. Dingvergehen: Wenn jemand dabei schweigt und keine Zustimmung zu diesem Urteil geben will, auf das sie sich einigen, so ist das ein Dingvergehen und schweigt er sich damit in die dreijährige Landesverweisung.

Vgl. die entsprechende Strafbestimmung ohne Defintion in: Grágás Ib, Kap. 257, S. 182.22–24.

Liste der Legaldefinitionen in der Grágás

pinghestr (II 247.18–19): pa er pinghestr er hann er ipingförine. (Vgl. Ib 65.18) øreigi (II 225.03–04) Pa var hann oreigi. ef hann átte eigi eptir mork eja meira fe. (=Ib 148.16–17) qrskotshelgi (II 352.12–13): [marginal: nym] Ör skotz hælgr er nu tvav hundroj lavg fapma .xii. roj a slettum velle.

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Thingpferd: Dann ist das ein Thingpferd, wenn er auf der Thingfahrt ist. vermögenslos: Dann war er vermögenslos, wenn er nicht eine Mark oder mehr Vermögen nachließ. Pfeilschussweite: Novelle: Eine Pfeilschussweite ist jetzt zwei Hundert zu (æ) 120 gesetzliche Klafter auf ebener Fläche.

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Anhang

Abbildungen

Abb. 2: Breijabólstajur í Vesturhópi (Ostern 2010) [img_2736] Heutige Ansicht des Wohnhauses sowie der dazu gehörigen Eigenkirche des Hofes von Hafliji Másson © Hans Henning Hoff

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Abb. 3: Denkmal der isländischen Rechtsanwaltskammer (Juli 2010) [img_3898] Anlässlich der 1100-Jahrfeier der Besiedlung Islands errichtete die isländische Anwaltskammer im Jahre 1974 am Abzweig zu Haflijis Hof dieses Denkmal aus Basaltsäulen. Auf ihm steht „Á Breijabólstaj í Vesturhópi aj Haflija Mássonar voru fyrst skráj lög á Íslandi 1117–1118“ (Auf Breijabólstajur in Vesturhóp bei Hafliji Másson wurden zuerst die Gesetze auf Island 1117/1118 aufgezeichnet.) Im Hintergrund bildet das Borgarvirki die höchste Erhebung. © Hans Henning Hoff

Abbildungen

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Abb. 4: Borgarvirki (Juli 2010) [img_3875] Das Borgarvirki von der Nordseite aus gesehen. Diese natürliche Festung aus Basaltsäulen ist an zwei Stellen mit von Menschenhand geschaffenen Steinmauern verstärkt. Im Inneren ist eine kreisförmige Senke, in der sich die Reste von zwei Steinhäusern sowie eines Brunnens befinden. Die Menschen auf dem Borgarvirki verdeutlichen die Größe der Anlage. © Hans Henning Hoff

418 Abbildungen

Abb. 5: Blick vom Borgarvirki zum Hof Breijabólstajur (Juli 2010) [img_3893] Der Ausblick vom Borgarvirki, hier auf den Hof von Hafliji, zeigt, dass man von dieser Festung aus die gesamte Region überblicken und damit auch kontrollieren konnte. © Petra Kremeyer

Abbildungen

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Literatur Aufbau des Verzeichnisses 1. Verfasser werden nach ihrem Familiennamen eingereiht, sofern sie einen haben. Dabei ist der Vorname grundsätzlich nachgestellt (Fritzner, Johann). Zusätze wie „von“ bleiben für die Einreihung unberücksichtigt (von Amira, Karl). 2. Isländer, die Patronyme tragen, werden unter ihrem eigenen Namen aufgeführt, nicht unter dem des Vaters (Björn Porsteinsson). An zweiter Stelle ist der Vatersname vor einem eventuellen weiteren Personennamen maßgeblich (Einar Ólafur Sveinsson). 3. Isländer mit Familiennamen werden unter diesem Familiennamen aufgeführt (Sigurjur Líndal). Dies gilt nicht, wenn der Familienname neben einem Patronym geführt wird (Björn Magnússon Ólsen). Jedoch wird stets wie im Isländischen der Personenname zuerst genannt, da dies eine schnellere Einordnung ermöglicht. 4. Skandinavische Zeichen wie p, P, å, Å, æ, Æ und ø, Ø, q, Q sowie das ö, Ö in skandinavischen Wörtern werden entsprechend der Übung in den skandinavischen Sprachen am Ende des ABC aufgeführt. 5. Umlautzeichen in deutschen Wörtern werden für die Einreihung ins ABC aufgelöst (ö wie oe usw.). 6. Da ein Akut über einem Vokal diesem einen anderen Lautwert verleiht und regelmäßig nicht wie ein deutscher Umlaut aufgelöst werden kann (vgl. Isländisch á, f., und deutsch [die] Au), werden solche Buchstaben entsprechend der Übung in den skandinavischen Sprachen nach dem Ausgangsbuchstaben aufgeführt. aábcdjeéfghiíjklmnoópqrstuúvwxyzpåæqöø

Quellen (Originale, Übersetzungen, Kommentare) Gegebenenfalls ist die verkürzte Zitierung in Text und Fußnoten vorangestellt. Adam von Bremen: Magister Adam Bremensis: Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum. In: Trillmich, Werner/Buchner, Rudolf (Hrsg.), Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches, Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, S. 160–499. (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XI.) Darmstadt 1961. AM 50 8vo. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 231–274. Kopenhagen 1883. AM 125 A 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 411–442. Kopenhagen 1883.

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Literatur

AM 148 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 369–374. Kopenhagen 1883. AM 158B 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 193–230. Kopenhagen 1883. AM 173D 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 455–461. Kopenhagen 1883. AM 181 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 291–368. Kopenhagen 1883. AM 279a 4to, Pingeyrabók. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 377–407. Kopenhagen 1883. AM 315b fol. In: Grágás. Islændernes Lovbog í Fristatens Tid. Anden Del. Text II, S. 227–230. Kopenhagen 1852. AM 315d fol. In: Grágás. Islændernes Lovbog í Fristatens Tid. Anden Del. Text II, S. 219–226. Kopenhagen 1852. Anna Komnene: Alexias. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Diether Roderich Reinsch. 2. Auflage. Berlin/New York 2001. Annales regii eftir 2087 4to i gl. Samling i kgl. Bibliothek i Kjøbenhavn. In: Storm, Gustav (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1578, udgivne for det norske historiske Kildeskriftfond, S. 77–155. Christiania 1888. Annales Reseniani efter Arne Magnussøns Afskrift i AM 424 4to. In: Storm, Gustav (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1578, udgivne for det norske historiske Kildeskriftfond, S. 1–30. Christiania 1888. Annales vetustissimi efter Arne Magnussøns Afskrift. In: Storm, Gustav (Hrsg.), Islandske Annaler indtil 1578, udgivne for det norske historiske Kildeskriftfond, S. 31–54. Christiania 1888. Ari fróji Porgilsson: Íslendingabók. Hrsg. von Jakob Benediktsson. In: Landamabók. Íslendingabók, S. 1–28. (Íslenzk fornrit I.) Reykjavík 1968. Aris Isländerbuch: In: Islands Besiedlung und älteste Geschichte, übertragen von Walter Baetke, S. 41–57. (Thule. Altnordische Dichtung und Prosa 23). Neuausgabe von Felix Niedner mit einem Nachwort von Rolf Heller. Düsseldorf/Köln 1967. Arnarbælisbók AM 135 4to. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 147–192. Kopenhagen 1883. Historia: Michaelis Attaliotae Historia, opus a Wladimiro Bruneto de Presle, instituti gallici socio, inventum descriptum correctum, recognovit Immanuel Bekkerus. (Corpus scriptorum historiae byzantinae 36.) Editio emendatior et copiosior, consilio B. G. Niebuhrii C.F., instituta, auctoritate academiae litterarum regiae borussicae continuata, Michael Attaliota. Bonn 1853. Árna biskups saga. In: Biskupa sögur, gefnar út af hinu íslensku bókmenntafèlagi [sic], fyrsta bindi, S. 677–786. Kopenhagen 1858. Árna saga biskups. Hrsg. von Gujrún Ása Grímsdóttir. In: Biskupa sögur III, S. 1–212. (Íslenzk fornrit XVII.) Reykjavík 1998. Ashburner, Walter 1910–1912. The farmer’s law. In: The Journal of Hellenistic Studies 30 (1910), S. 85–108 und 32 (1912), S. 68–95. Basilicorum libri LX. Hrsg. von H. J. Scheltema/N. van der Wal/D. Holwerda. (Series A, vol. I–VIII.) Groningen 1955–1988. Basilicorum libri LX (Scholien). Hrsg. von H. J. Scheltema [Band 1–9]/D. Holwerda [Band 2–9]/N. van der Wal [Band 8–9]. (Series B, vol. I–IX). Groningen 1953–1985.

Quellen

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Basilicorum libri LX. Hrsg. von Ernst Heimbach. 6 Bände, post annibalis fabroti curas ope codd. mss. a Gustavo Ernesto Heimbachio aliisque collatorum integriores cum scholiis edidit, editos denuo recensuit, deperditos restituit, translationem latinam et adnotationem criticam, adiecit D. Carolus Guilelmus Ernstus Heimbach. Leipzig 1833–1870. Basilicorum libri LX (Ergänzungsband). Basilicorum libri LX, vol. VII, Editionis Basilicorum Heimbachianae, supplementum alterum, reliquias librorum indeditorum ex libro rescripto ambrosiano, E. C. Ferrini/ J. Mercati (Hrsg.), Praefationem versionem latinam notas appendices addidit E.C. Ferrini. Lipsiae 1897. Beck, Hans-Georg n Kekaumenos, Vademecum des byzantinischen Aristokraten. Beda Venerabilis: De temporibus liber. In: Migne, Jacques-Paul (Hrsg.), Patrologiæ cursus completus, seur bibliotheca universalis, integra, uniformis commoda, oeconomica, omnium ss. patrum, doctorum scriptorumque ecclesiasticorum, sive latinorum, sive græcorum, qui ab ævo apostolico ad tempora concilii tridentini (anno 1545) pro latinis et concilii florentini (ann. 1439) pro græcis floruerunt […], Patrolgiæ Latinæ tomus XC, Venerabilis Bedæ, tomus primus, Paris 1862, [zitiert als PL 90], Sp. 277–292. Beda Venerabilis: De temporum ratione, Migne, Jacques-Paul (Hrsg.), Patrologiæ cursus completus, seur bibliotheca universalis, integra, uniformis commoda, oeconomica, omnium ss. patrum, doctorum scriptorumque ecclesiasticorum, sive latinorum, sive græcorum, qui ab ævo apostolico ad tempora concilii tridentini (anno 1545) pro latinis et concilii florentini (ann. 1439) pro græcis floruerunt […], Patrolgiæ Latinæ tomus XC, Venerabilis Bedæl, tomus primus, Paris 1862, [zitiert als PL 90], Sp. 293–578. Behrends, Okko n Inst. Belgdalsbók. AM 347. fol. In: Grágás. Stykker som findes i det Arnamagnæanske Haandskrift Nr. 351 Skálholtsbók og en Række andrer Haandskrifter, S. 93–146 (Kap. 1–37) und Grágás Ib, S. 235–252. (Kap. 38–67). Kopenhagen 1883. Die Bibel (Einheitsübersetzung). Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Gesamtausgabe, Psalmen und Neues Testament, Ökumenischer Text. Herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, des Bischofs von Luxemburg, des Bischofs von Lüttich, des Bischofs von Bozen-Brixen, für die Psalmen und das Neue Testament auch im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft. Stuttgart 2003. Brennu-Njáls saga. Hrsg. von Einar Ólafur Sveinsson. (Íslenzk fornrit XII.) Reykjavík 1954. Byzantinische Quellen zur Länder- und Völkerkunde (5.–15. Jhd.). Zweiter Teil: Das Gebiet der neueren Wandervölker. Hrsg. von Karl Dieterich. (Quellen und Forschungen zur Erdund Kulturkunde 5.) Leipzig 1912. Zitiert als: Byzantinische Quellen zur Länder und Völkerkunde II. Cecaumenos n Kekaumenos. C. Corpus Iuris Civilis, Volumen secundum, Codex Iustinianus, recognovit et retractaverit Paulus Krüger, 11. Auflage. Berlin 1954. [Nachdruck Hildesheim 1997]. The Codex Regius of Grágás Ms. No. 1157 fol. in the Old Royal Collection of The Royal Library, Copenhagen, with an introduction by Páll Eggert Ólason. (Corpus Codicorum Islandicorum Medii Aevi III.) Kopenhagen 1932. Codex Theodosianus. Thedosiani Libri XVI cvm constitvtionibvs sirmondianis, edidit adsvmpto apparatv P. Krvegeri Th. Mommsen, Volvminis I pars posterior, textvs cvm apparatv, editio secvnda lvcis ope expressa. Berlin 1954. [Erschienen als Band I.2 der Ausgabe: Theodosiani Libri XVI cvm constitvtionibus sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, consilio et avctoritate academiae litterarvm regiae borvssicae ediderunt Th. Mommsen et Pavlvs M. Meyer […] Berlin 1954.]

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Literatur

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Quellen

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Literatur

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Stichwortliste Stichwörter beziehen sich auch auf davon abgeleitete Adjektive. Es wird nicht zwischen Verweisen auf den Haupttext und Fußnoten unterschieden.

Adalbert, Erzbischof von Bremen 33, 38 actio auctoritates n Gewährschaftsklage actio popularis n Popularklage Allthing 6, 9, 15 ff., 21, 23 f., 28 f., 31 ff., 49, 51, 61, 65 f., 70, 75, 82, 94 f., 98, 99, 139, 141 ff., 146, 171, 209, 221, 315, 357, 370, 405, 411 Alexias 41, 152, 174, 380 Alexios I (Kaiser von Byzanz) 149, 151 f., 153 ff., 158, 160 f., 380 alveus relictus 305 ff. Anna Komnene 41, 149 ff., 164, 174, 380 Anwohnerjury n Jury Ari fróji Porgilsson 16 ff., 21, 30, 34, 37 ff., 47, 49, 51, 53, 55, 59, 129, 148, 171, 340, 346, 379 Árni Magnússon 86 Árni Porláksson 9, 68 ff., 73 f., Árna saga biskups 6, 64, 67 ff., 71 ff. Barlaams saga og Josaphats 41 Borgarvirki 172 Brandr Sæmundsson 61 Breijarbólstajr í Vesturhópi 49, 51, 100, 109, 130, 135, 140, 169, 171 f., 174, 414 (Bild), 417 (Bild) Bremen 33, 36, 37, 43, 46 Brynjólfr Sveinsson 79 Byzanz 39 ff., 57 ff., 100, 135 ff., 140, 145 f., 148 ff., 171 ff., 177 ff., 192 f., 196, 224 ff., 253, 260, 275, 277, 282, 285 f., 297, 300, 310 f., 322 f., 328, 340 f., 344 ff., 356 ff., 369, 372 f., 377, 380 ff.

diligentia quam in suis n eigenübliche Sorgfalt Dínus saga drambláta 40 dreijährige Landesverweisung (Fjörbaugsgarjr) 27f., 30, 32, 66, 141f., 206, 215f., 223f., 228, 238, 269, 282f., 287, 312, 318, 322, 341, 343, 347f., 350, 358, 367f., 370, 372, 386, 390, 396, 409, 412 Dreimarksbuße 253, 256 f., 273, 362 Dänemark 3, 4, 75, 376 Duplum 253 f., 256, 258 ff., 293, 303, 322 Eid 1, 8, 31 f., 44, 120, 186, 188, 222, 272, 357 f., 372, 384 f., 387, 401 Egils saga Skalla-Grímssonar 3, 143 Edictus Rothari 359, 363 ff., 371 ermskir biskupar 37 ff., 56, 59, 173 Erster Grammatischer Traktat 52 ff. Eyrbyggja saga 3, 16, 24, 28, 145 fjórjungarping n Viertelsthing fjörbaugsgarjr n dreijährige Landesverweisung Frijpjófs saga ins frækna 41 Frühjahrsthing 16, 24 ff., 47, 49, 75, 126, 131, 203, 264, 287, 388, 411 Fünftes Gericht (fimmtardómr) 31, 50, 75, 209 furtum usus (Gebrauchsdiebstahl) 80, 223, 360, 363 f., 373 Gamli sáttmáli (1262–1264) 4 f., 77, 85 Gefahrtragung 80 Gemeindeverband (hreppr) 22 f., 25 f., 45, 49, 81, 89, 112, 171, 184, 187, 219, 222, 251, 268, 397, 399

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Stichwortliste

Gesetzessprecher 21 f., 26, 29 ff., 43, 49, 56, 60, 62, 68, 71, 80, 82, 98 f., 105 f., 111, 113 f., 119, 121, 127, 129, 139, 196, 202, 204, 211, 350 f., 375 f., 379 gesetzgebende Versammlung (lögrétta) 6, 15, 23, 25 f., 32, 48, 50 f., 60, 65, 69, 72 f., 75, 80, 93, 105, 107, 111, 114, 119 f., 129 f., 189, 200, 206, 209 ff., 264, 269, 328, 399 Gewährschaft, Gewährschaftsklage (actio auctoritatis) 204, 311, 313 ff., 320 ff., 327 f., 330, 372, 394 Gizurr Ísleifsson 32, 43 f., 147, 168 goji n Gode Gode, Godentum 6, 8, 25 f., 28 f., 33 ff., 46, 50, 72, 75 f., 82, 84, 98, 121, 126, 130 f., 142, 144, 171, 178, 183 f., 188, 201, 202, 203, 211, 216, 263, 328, 359, 406 Gregor VII. (Papst) 43 Grettis saga Ásmundarsonar 32, 100, 159 Gujbrandr Porláksson 174 Gulathingslög 13, 18 ff., 42, 75, 207, 304, 320, 376 Hafliji Másson 12, 45, 48 ff., 55, 76, 91, 97, 100, 107, 109, 128 ff., 135, 137 ff., 156 ff., 160 f., 165, 168 f., 171 ff., 178 f., 183, 194, 206, 210, 226, 233, 341, 369, 378 ff., 414 f., 417 Haflijaskrá 44, 47, 52, 77, 97, 100 f., 105 ff., 112 f., 120, 129 f., 195, 206, 210, 224, 258, 292, 311, 331, 378, 382 Haraldr harjráji Sigurjsson 33, 38 f., 57 f., 136 ff., 145, 154, 156, 158, 160, 377 Haralds saga Sigurjssonar 58, 138 Hartwig (Erzbischof von Magdeburg) 43 Hákonar saga gója 19 Hálfdanar saga svarta 19 heidnisch 10, 37, 46, 224, 387 Heinrich III. (Kaiser) 33 Heinrich IV. (Kaiser) 43 Herford (Westfalen) 33 Hólar (Bischofssitz in Nordisland) 9, 40, 45 f., 64, 70, 97, 100 f., 169, 173 f., 380 f. Hrafnkells saga freysgója 159

hreppr n Gemeindeverband Hungrvaka 7, 33 ff., 38, 43 ff., 54 Húnavatnsping 47, 49, 98, 109, 131, 140, 144 Hœnsa Póris saga 23 Italien 40, 161, 167, 177 f., 270, 359 Íslendingabók 16 ff., 21 ff., 29 ff., 34 f., 37 ff., 42 f., 49 ff., 55, 129, 131, 145, 147 f., 171, 340, 346, 379 Íslendinga saga 3, 58, 65, 100, 131, 142, 172, 351 Ísleifr Gizurarson 33, 36, 38, 43, 147 f., 168 Jarisleifr n Jaroslav Jaroslav I. der Weise 57 Járnsíja 6, 8 f., 16, 66 ff., 71, 87, 93 ff., 98, 119 f., 292, 320, 375 Jón Qgmundarson (Bischof von Skálholt) 35, 45 ff., 61, 146, 169 Jóns saga ins helga 46, 169 f. Jüngstes Gericht 39 f., 42, 173, 380 Jury 31, 103, 115, 125, 190, 202, 215, 222, 229, 233, 235, 258 f., 262 ff., 272, 287, 314, 316 f., 326, 345, 357 f., 363, 383 f., 386, 403, 405, 409 Ketill Porsteinsson 16, 55 f., 59, 69, 70, 122, 146, 168 Kirialax saga 160 Konrad Maurer 4, 10, 105 ff., 271 Konungsbók (Gks 1157 fol.) 28, 44, 60 f., 63, 66, 69, 77 ff., 85 ff., 96, 98 ff., 102 ff., 107, 109 ff., 126 ff., 185, 216, 227, 229, 241, 259, 267 ff., 278 f., 292, 298, 312, 318, 330, 348, 350, 352 f., 360 f., 378 f., 384, 390, 391, 392, 397, 405, 407 Kristni saga 34, 37, 42 f., 48 f., 140, 143, 359 langobardisches Recht n Edictus Rothari Lárentíus saga biskups 96 f., 100, 169 Leo V. (byzantinischer Kaiser) 39 Leo VI. (byzantinischer Kaiser) 181 Leo IX. (Papst) 33 Lex Salica 193 f., 330, 354 lex scripta 205 ff. Litiskreszenz 253, 274

Stichwortliste Lund 45 f., 59 lögrétta n gesetzgebende Versammlung auf dem Allthing lögsögumajr n Gesetzessprecher Magnús Gizurarson 63 f., 83, 102 Magnús lagabætir 4, 13, 20, 66, 69, 70 f., 73, 331 Markús Skeggjason 43, 56 Már Húnrøjarson 136 ff., 160, 165, 173, 380 Mikligarjr n Byzanz Nabites der Waräger 150 ff., 161, 380 Nijarós (Trondheim) 36, 65, 70 Nomos Mosaïcos 183, 277, 280, 346 f., 349, 352, 354, 356 f. Norwegen 1 ff., 15 ff., 29, 31 ff., 35 f., 38 f., 41 f., 57 f., 65 ff., 71 ff., 75, 81, 84 f., 97, 99 ff., 125, 127, 132 f., 136 f., 154, 156, 159, 207, 259, 320, 331, 360, 362, 366, 377 Noxalhaftung (noxae deditio) 238 ff. Oddaverjaannáll 35 Olaf der Heilige (Ólafr helgi Haraldsson) 15, 32 f., 57, 68, 93 Ólafr Tryggvavon 36, 133 f. Ólafs saga Tryggvasonar 133, 135 f. Patriarch 162, 172, 344 ff. Popularklage 267 ff., 275, 381 Saxo Grammaticus 150 ff., 160, 407 Scheidung 189, 200, 269, 278 ff., 282 f., 371, 410, Schweden 13, 133, 138, 174, 346, 376 ff. Schwert 41, 58, 136, 159 f. Seewurf 292 f., 371 Skafti Pórarinsson 142 f. Skafti Póroddsson 31, 43 Skálholt 7, 33 ff., 43, 46, 63 f., 69 f., 74, 168, 205

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Spatharius 153 Spatharokandidat 154 Stajarhólsbók 24, 44, 55, 61 f., 66, 69, 77 ff., 85 ff., 98 ff., 110 ff., 127 f., 185, 194 f., 218, 226, 241, 244, 248, 258, 261, 266 ff., 279, 283, 289, 292, 298, 305, 308, 312, 318 f., 329 f., 348, 351 ff., 355 f., 360 ff., 366 f., 378 f., 397, 407 Sturla Pórjarson 3 f., 6, 66 ff., 71, 98 ff., 120, 127, 142, 215, 376 Sturlunga saga 144, 270 Sæmundr fróji Sigfússon 34 ff. Veraldar saga 39, 166 f., 382, Viertelsthing 21, 101 Viktors saga og Blávus 41 Vilhjálmur Finsen 78, 88 ff., 95, 103, 106, 115, 122 f., 124, 206 f., 345, 360 Wal 190, 244 f., 258 f., 288 ff., 310 f., 370, 392, 395 Waldgang 27 f., 31 f., 100, 141 f., 144, 206, 220, 223, 287, 312, 341 f., 348 f., 361, 368, 370, 387, 390, 395, 407, 410, 412 Waräger n Warägergarde Warägergarde n 58, 100, 137, 148 f., 151, 152 ff., 165, 173 f., 377, 380 Zeuge 30 f., 80, 188, 204, 211, 216 ff., 222, 252, 256, 262 ff., 266, 269, 273, 286, 289, 292, 314 f., 348, 351, 356, 258, 372, 386, 389 f., 400, 404, 410 f. Pingvellir 21, 62, 201 Pingeyrar (Ort des ersten Klosters auf Island) 47, 49, 51, 109, 135, 141, 171 Porarinn kaggi Egilsson 96 f., 98, 100 f. Porgils saga ok Haflija 132 f., 139 ff., 220 Porgils saga skarja 215 Porlákur Runólfsson 55 Porlákur Porhallsson 61 Qssur Sveinsson 45