Guter Unterricht: Was wir wirklich darüber wissen 9783666701726, 9783647701721, 9783525701720

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Guter Unterricht: Was wir wirklich darüber wissen
 9783666701726, 9783647701721, 9783525701720

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Andreas Gold

Guter Unterricht Was wir wirklich darüber wissen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-70172-1

Umschlagabbildung: © contrastwerkstatt – Fotolia © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen /  Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Guter Unterricht? Kein Thema! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Was guten Unterricht ausmacht 1.  Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen . . . . . . 21 2.  Zum Denken herausfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.  Lernprozesse unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.  Lernfortschritte erkennen und bewerten . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.  Eine Klasse führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 6.  Die richtigen Lehrmethoden einsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 7.  Die eigenen Ressourcen schonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Guter Unterricht? Kein Thema!

In den allgemeinbildenden und in den beruflichen Schulen in Deutschland wurden im Schuljahr 2012/13 mehr als 11 ­Millionen (11.114.300) Kinder und Jugendliche bzw. junge Erwachsene unterrichtet. Fast eine Million (945.600) Lehrerinnen und Lehrer waren damit beschäftigt – nicht alle davon allerdings in einer Vollzeitbeschäftigung, weshalb in den amtlichen Statistiken meist eine Umrechnung aller Teilzeit- in Vollzeitarbeitsverhältnisse, so genannte Vollzeitäquivalente (VZÄ), vorgenommen wird. Die Anzahl fiktiver Vollzeitlehreräquivalente betrug demnach 738.600 Personen. Zehn Jahre zuvor waren es bei mehr als 12 Millionen Kindern und Jugendlichen (12.480.100) annähernd genauso viele (724.800) gewesen. Etwa zwei Drittel des pädagogischen Personals sind weiblichen Geschlechts. Die deutsche Schule gilt als Erfolgsgeschichte. Dennoch wird an der Leistungsfähigkeit des Systems, vor allem an den auffälligen Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und im Bildungserfolg mit Blick auf die Geschlechter, die sozialen Schichten und den Zuwanderungsstatus, die in den Bildungsstatistiken sichtbar werden, immer wieder Kritik geäußert. Auch an den (vor allem bei den ersten Studien) mitunter nur mittelmäßigen Leistungswerten der Kinder und Jugendlichen im internationalen Vergleich, an der (vermeintlich zu hohen) Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss, am (noch zu geringen) Anteil förderbedürftiger Kinder, die inklusiv unterrichtet werden, und daran, dass es zu wenige Ganztagsschulen gibt.1 Bildungspolitisch gestritten wird dabei meist über Strukturfragen, also über Schulformen und über geeignete Steuerungsinstrumente der Schulentwicklung – gelegentlich auch über Fragen der Lehrerbildung. Auf keine dieser Strukturfragen wird im Folgenden ein1 Der kritische Grundtenor ist übrigens seit Jahrzehnten gleich geblieben. Wenn in Teilbereichen Verbesserungen eintreten – man denke etwa an die positive Entwicklung im Bereich der Lesekompetenz zwischen PISA 2000 und PISA 2012 –, verlagert sich allenfalls der Fokus des Anstoßes.

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gegangen. Vielmehr wird der Blick ausschließlich auf den Unterricht im Klassenzimmer gerichtet. Was haben die Lehrerinnen und Lehrer2, was haben ihre konkreten Vorgehensweisen im Unterricht damit zu tun, dass Kinder und Jugendliche unterschiedlich gut und viel lernen? Die meisten Lehrerinnen und Lehrer haben selbst Kinder, die sie vermutlich »mit einem guten Gefühl« ihren Kolleginnen und Kollegen anvertrauen oder anvertraut haben. Und so ist es ja: Die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer leisten sehr gute Arbeit und sind sich dessen auch bewusst. Sie geben unter oft schwierigen Bedingungen ihr Bestes. So erreichen sie, dass die Kinder und Jugendlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, die ihnen sonst verschlossen blieben. Sie vermitteln dabei nicht nur Wissen, sondern setzen vielfältige Bildungs- und Entwicklungsprozesse in Gang, die neben dem Denken auch die Persönlichkeit, die Einstellungen und die Werthaltungen der Schülerinnen und Schüler nachhaltig beeinflussen. Unterrichten ist nämlich von Erziehung und Bildung gar nicht zu trennen und eine der verantwortungsvollsten Tätigkeiten überhaupt. Die Unterscheidung zwischen Unterricht, Erziehung und Bildung ist ohnehin eine spezifisch deutsche, die in den meisten anderen Sprachen nicht vorgenommen wird. Im Englischen reicht der Begriff education aus, um alles zu bezeichnen. Natürlich gibt es – wie auf allen Feldern menschlichen Handelns – auch unter den Lehrpersonen in unseren Schulen solche, denen das pädagogische Handeln leichter fällt und besser gelingt als anderen. Das kann an ihnen selbst liegen und daran, dass sie auf die besonderen Anforderungen besser als andere vorbereitet sind. Unzureichende Lernergebnisse der Schüler können aber auch mit widrigen Umständen des Unterrichtens zusammenhängen, wenn nämlich Merkmale der Klassenzusammensetzung besonders ungünstig sind, weil die Elternschaft einer Klasse nicht ausreichend kooperiert oder weil in einer Schulklasse besonders viele Schüler mit besonders defizitären individuellen Lernvoraussetzungen versammelt sind. 2 Meist ist im Text von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Schülerinnen und Schülern die Rede. Wo aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nur eine der Geschlechterbezeichnungen verwendet wird, ist die andere stets mit gemeint.

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Dennoch: Wenn Kinder unterschiedlich gut und viel lernen, richten wir den Blick im Allgemeinen weniger auf die Rahmenbedingungen von Schule und Unterricht und auch nicht auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder oder auf ihre Elternhäuser, sondern auf die Lehrerinnen und Lehrer, die sie unterrichten. Die empirische Unterrichtsforschung interessiert sich dafür, was die Lehrpersonen im Unterricht genau tun oder eben nicht tun. Der Grund dafür ist einfach: Wenn in ganzen Schulklassen (oder Schulen), die sich in ihrer Zusammensetzung und hinsichtlich der übrigen Rahmenbedingungen von anderen Schulklassen (oder Schulen) gar nicht unterscheiden, eine wesentlich günstigere (oder weniger günstige) Lern- und Leistungsentwicklung zu beobachten ist, ist es dann nicht plausibel anzunehmen, die unterschiedlichen Lernfortschritte der Kinder in diesen Klassen oder Schulen hätten etwas mit den unterschiedlichen Kompetenzen und den Handlungsweisen der Lehrpersonen zu tun, die sie unterrichten? Guter Unterricht – Was wir wirklich darüber wissen greift diese Frage auf und fasst die Antworten zusammen, die aus der pädagogisch-psychologischen Forschung und aus der empirischen Unterrichtsforschung dazu mittlerweile vorliegen. Damit der Blick für das Wesentliche dabei nicht verloren geht, wird eine Systematisierung unterlegt, die nur die Kernbereiche professioneller Kompetenz berücksichtigt. Für diese Kernbereiche sind die folgenden pädagogischen Handlungsweisen und Kompetenzen besonders bedeutsam: ȤȤ die Kinder zum Denken herausfordern und beim Lernen individuell unterstützen können, ȤȤ individuelle Lernfortschritte erkennen und bewerten können, ȤȤ eine Klasse gut führen können, ȤȤ eine Vielfalt wirksamer Lehrmethoden kennen und sinnvoll einsetzen können. Weil es so wichtig ist, dass Lehrerinnen und Lehrer in ihren Gedanken und Ansprüchen idealistisch und realistisch zugleich sind, humorvoll sein können und bei alldem in schonender Weise mit ihren eigenen Ressourcen umgehen, wird auch auf diese Aspekte eingegangen. Was das alles heißt und wie das genau geht, wird in den Kapiteln dieses Buches ausgeführt.

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Warum dieses Buch? Wer so ein Buch schreibt, muss gute Gründe nennen. Das Karl Valentin zugeschriebene Bonmot, wonach schon alles gesagt sei, nur noch nicht von allen, ist sonst nicht leicht von der Hand zu weisen, wenn es um »gute Lehrer« und um »guten Unterricht« gehen soll. Es wäre in der Tat vermessen, den kenntnisreich bereits verfassten Fachbüchern über Unterricht, Schulleistung und Lehrerprofessionalität ein derart schmales Bändchen hinzuzufügen und einen Neuigkeitswert damit beanspruchen zu wollen. Andreas Helmke (2014), Mareike Kunter und Ulrich Trautwein (2013) sowie der Neuseeländer John Hattie (2013; 2014), um nur einige bekannte Unterrichtsforscher aus der pädagogisch-psychologischen Tradition zu nennen, haben in den letzten Jahren wichtige Bücher vorgelegt, die Erkenntnisse aus eigenen Studien mit den Forschungsbefunden anderer Wissenschaftler zu einem facettenreichen Bild guten Unterrichts verknüpfen. Hinzu kommt eine Reihe populärwissenschaftlich verfasster Sachbücher, die sich in oftmals pointierter Weise mit dem lernwirksamen Unterrichten (Felten & Stern, 2012), mit Schule und Bildung im Allgemeinen (Allmendinger, 2012; Precht, 2013) oder etwa mit dem Nutzen der Hirnforschung für Schule und Unterricht auseinandersetzen (Korte, 2011; Roth, 2011; Spitzer, 2010). »Guter Unterricht? Kein Thema!« könnte man also salopp formulieren, weil doch so vieles schon bekannt ist. Wie aber lassen sich die vielen, nicht immer übereinstimmenden Erkenntnisse ordnen, wie bewerten? Was bedeuten sie wirklich? Wie sinnvoll ist es eigentlich, auf die statistischen Effektstärken d der einst 138 und mittlerweile 150 Einzelfaktoren in John Hatties Metaanalysen wie auf eine Hitliste der Tops und Flops unter den Determinanten des schulischen Lernerfolgs zu schauen, wo doch die Wenigsten genau sagen können, was der statistische Kennwert d eigentlich bedeutet? Sehen wir den Wald vor lauter Bäumen noch? Eine neue Zauberformel wird in Guter Unterricht – Was wir wirklich darüber wissen nicht präsentiert. Aber eine geordnete Übersicht und zusammenfassende Bewertung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes über das unterrichtliche Handeln der besonders erfolgreichen Lehrer aus der Sicht der Pädagogischen Psychologie. Alle hier berichteten Erkenntnisse sind aus der empirischen Lehr-Lernforschung gewonnen. Im deutschsprachigen Raum haben vor allem

Warum dieses Buch?11

die Arbeitsgruppen um Franz Weinert (München), Kurt Reusser (Zürich), Andreas Helmke (Landau), Eckhard Klieme (Frankfurt am Main), Frank Lipowsky (Kassel), Jürgen Baumert und Mareike Kunter (Berlin/Frankfurt am Main) sowie Elsbeth Stern und Ilonca Hardy (Zürich/Frankfurt am Main) dazu beigetragen. Die wichtigsten Erkenntnisse in einer Weise darzustellen und zusammenzufassen, die sich in empirischen Details nicht verliert, den Forschungsbezug aber dennoch nicht verleugnet, das hat mich zum Schreiben motiviert. Ohne Risiken ist das natürlich nicht, und wie weit es am Ende gelungen ist, werden die Leserinnen und Leser beurteilen müssen. Riskant ist es aber auch, solche Versuche gänzlich zu unterlassen. Denn wenn es nicht gelingt, die Erkenntnisse und Ergebnisse der empirischen Lehr-Lernforschung für die Lehrerinnen und Lehrer interessant zu machen, bleiben sie praktisch bedeutungslos. Eine Übersicht des wissenschaftlichen Kenntnisstandes ist allerdings keine Handlungsanweisung für den eigenen Unterricht. Aber sie kann Bestätigungen, Korrekturen und Erweiterungen des eigenen Wissens und der eigenen Überzeugungen über Lernen und Lehren zur Folge haben, die sich auf das eigene Handeln auswirken können. Damit müssen Sie rechnen! Mit den sinnvollen und notwendigen Angeboten der Lehrerfort- und -weiterbildung kann ein Buch wie dieses dabei nicht konkurrieren. Dort werden nämlich nicht nur Kenntnisse (Wissen, dass) vermittelt, so wie hier, sondern dort können auch die notwendigen Kompetenzen und Fertigkeiten erworben und eingeübt werden (Wissen, wie), die für das praktische unterrichtliche Handeln unerlässlich sind. Anregungen, welche Inhalte und Themenbereiche der vielfältigen Qualifizierungsangebote für Sie besonders interessant sein könnten, werden Sie den folgenden Ausführungen vielleicht entnehmen. Weil sich das Buch vornehmlich an Lehrerinnen und Lehrer richtet, werden sie oftmals – wie gerade geschehen – direkt angesprochen. Aber auch Studierende, die sich auf das Unterrichten vorbereiten, Angehörige anderer pädagogischer Berufe sowie alle an Schule und Unterricht, an Lernen und Lehren Interessierten dürfen sich persönlich angesprochen fühlen. Erfahrene Lehrerinnen und Lehrer werden im Folgenden nur wenig lesen, was sie nicht ohnehin schon gewusst oder geahnt haben. Vielleicht ist das persönliche Vor-Wissen aber nicht immer hand-

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lungsleitend geworden. Die Erfordernisse der unterrichtlichen Realität mögen ein anderes Vorgehen verlangt haben oder die Macht der Gewohnheit hat gesiegt. Manchmal war man sich vielleicht auch nicht sicher, ob eine bestimmte Lehrmethode wirklich funktionieren würde, ob eine neue Form der Leistungsbewertung wirklich gerecht gewesen wäre, ob man den Schülern beim entdeckenden Lernen genügend Zeit gelassen hätte. Und den Anfängern im Lehrberuf fehlt es oft an den notwendigen Routinen, die eine komplexe Situation beherrschbar machen. Mit den wichtigsten Prinzipien erfolgreichen Unterrichtens verhält es sich so, wie die amerikanischen Psychologen Rosenshine und Stevens (1986) einmal sinngemäß resümierten: Alle Lehrerinnen und Lehrer beherzigen einige Grundsätze erfolgreichen Unterrichtens von Zeit zu Zeit, aber die effektivsten Lehrer verwirklichen die meisten dieser Grundsätze fast die ganze Zeit über. Erfolgreichem Unterrichten wohnt eine innere Systematik und Konsequenz inne. Die erfolgreichsten Lehrerinnen und Lehrer bringen ihr professionelles Wissen und Können systematisch zum Einsatz. Dass Lehrerinnen und Lehrer und ihr konkretes unterrichtliches Handeln so überaus bedeutsam für die Lernentwicklung und die Bildungsprozesse der Kinder und Jugendlichen sind, glauben übrigens nicht nur die empirischen Bildungsforscher, sondern auch die Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer selbst. Drei von vier Lehrern und mehr als 80 Prozent der Eltern haben im Frühjahr 2013 bei einer repräsentativen Befragung des Allensbacher Instituts auf die Frage, was vor allem darüber entscheide, wie gut ein Kind in der Schule sei, geantwortet: »Wie gut die Lehrer sind.« Eine ähnlich hohe Wirksamkeit wurde in der gleichen Befragung nur noch zwei weiteren Einflussfaktoren zugesprochen, nämlich »der Begabung des Kindes« und der Tatsache, »ob sich das Kind in der Schule wohlfühlt«. Wenn wir diesen »Wohlfühlfaktor« zunächst einmal außer Acht lassen, sind sich die Eltern und Lehrer also darin einig, dass es im Wesentlichen auf die Lernfähigkeit der Kinder, also auf ihre Begabung, ankommt und auf die pädagogischen Qualitäten der Lehrer. Lehrer machen einen Unterschied für das Lernen der Kinder, Teachers make a difference hieß ein bekanntes amerikanisches Lehrbuch der Pädagogischen Psychologie schon in den 1970er-Jahren. Natürlich sind es zunächst einmal die Begabungen oder die Lernfähigkeiten der Kinder – wir werden später in diesem Zusammenhang von

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den »individuellen Lernvoraussetzungen« sprechen –, die ganz entscheidend darüber bestimmen, wie gut die Schülerinnen und Schüler lernen können. »Wie gut die Lehrer sind« ist aber genauso wichtig. Erst gute Lehrer sorgen dafür, dass die Leistungspotenziale der Kinder auch tatsächlich ausgeschöpft werden. Erst guter Unterricht führt dazu, dass die meisten Kinder einer Schulklasse (und die Klassen insgesamt) mehr lernen und näher an ihr Leistungsvermögen herangeführt werden. Wenn die Lehrer weniger gut sind, werden hingegen die meisten Kinder einer Schulklasse (und die Klassen insgesamt) ihre Potenziale nicht so gut ausschöpfen können. Ungünstig ist das zwar für die begabteren und für die weniger begabten Kinder gleichermaßen, aber die lernfähigeren Kinder können es leichter verschmerzen, weil sie auch andere Wege zum Wissen und Können finden. Dass Begabungsunterschiede zwischen Kindern durch »guten Unterricht« ausgeglichen würden, ist allerdings nicht der Fall – später wird darauf eingegangen, warum das auch nicht zu erwarten ist. Guter Unterricht führt jedoch dazu, dass alle möglichst viel lernen. Dass dabei am Ende Unterschiedliches herauskommt, spiegelt die Unterschiede in den individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder wider. Guter Unterricht lässt diese Unterschiede sogar noch deutlicher zutage treten als weniger guter Unterricht. John Hattie (2013; 2014), dessen beeindruckende Metaanalysen manchen wie die finale Erkenntnis über die Gelingensbedingungen schulischen Lernens vorkommen, hält die »Lehrperson«, das »Curriculum« und das »Unterrichten« für die wichtigsten Determinanten des schulischen Lernerfolgs. Für wichtiger sogar als die individuellen Lernvoraussetzungen und das Elternhaus der Kinder. Die drei Determinanten sind dabei jeweils als »Faktorenbündel« zu verstehen, die ihrerseits für eine Vielzahl von psychologischen Konstrukten und pädagogischen Maßnahmen stehen. Das wirft uns wieder auf die Grundfrage dieses Buches zurück: Was machen die besonders guten Lehrer im Unterricht eigentlich anders?

Wie dieses Buch aufgebaut ist Dieser Einleitung folgen sieben Kapitel zum Thema Was guten Unterricht ausmacht. Fünf davon sind den Kernbereichen des Unterrichtens gewidmet, also den konkreten Handlungsweisen der Lehre-

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rinnen und Lehrer – stets aus der Perspektive einer empirisch verstandenen Pädagogischen Psychologie: Was machen die besonders erfolgreichen Lehrer nachweislich anders als andere? Zwei Kapitel umrahmen die fünf Kernbereiche. Im ersten Kapitel wird die Frage gestellt und beantwortet, wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen können. Zunächst etwas über Lernen und Lernprozesse zu erfahren ist wichtig, weil Lehren bzw. Unterrichten ohne Wissen über Lernen nicht sinnvoll behandelt werden kann. Unterricht soll schließlich Lernprozesse auslösen. Deshalb muss man über die Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten des Lernens Bescheid wissen, um gute Lehrtätigkeiten begründen und daran orientieren zu können. Das Auslösen und Optimieren von Lernprozessen ist das Ziel des Lehrens. Der Unterricht muss auf die Voraussetzungen und Bedingungen Rücksicht nehmen, unter denen gelernt wird. Welche individuellen Voraussetzungen spielen beim Lernen eine Rolle? Welches sind die Ziele von Unterricht und Schule? Welche Ergebnisse, welche Wirkungen kann man von Unterricht eigentlich erwarten? Wieso machen wir die Handlungsweisen der Lehrerinnen und Lehrer für die Lernergebnisse der Schüler und Schulklassen verantwortlich? Ist Unterricht nur erfolgreich, wenn die Schülerinnen und Schüler am Ende des Tages mehr wissen und können? Oder kann guter Unterricht auch folgenlos bleiben? Guter Unterricht ist ein beliebtes Thema der pädagogischen Ratgeber-Literatur und einer normativ orientierten Schulpädagogik. Guter Unterricht ist aber auch ein wichtiges Thema der pädagogischpsychologischen Forschung. Seit nunmehr 50 Jahren wird empirisch darüber geforscht, weshalb in einigen Klassen (oder Schulen) die Lernfortschritte der Kinder größer oder geringer ausfallen als anderswo, wie wirksam einzelne Lehrmethoden sind, ob man die Lernprozesse durch ein explizit-darbietendes Vorgehen stärker steuern oder durch das Bereitstellen von Lerngelegenheiten nur begleiten soll, wie man Kindern mit Lernschwierigkeiten am besten helfen kann und ob es bestimmte Merkmale der Lehrerpersönlichkeit gibt, die mit dem Lernerfolg der ihnen anvertrauten Schüler zusammenhängen. In den Kapiteln 2 bis 6 werden dazu die wesentlichen Forschungsbefunde zusammengefasst. Welches sind die wichtigsten Qualitätsmerkmale von Unterricht? Hilfreich ist hier eine von führenden Unterrichtsforschern

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vorgeschlagene und mittlerweile weithin gebräuchliche Unterscheidung zwischen so genannten Tiefenstrukturen des Unterrichts und des Lernens, von denen es nur einige wenige gibt, sowie den vielfältigen Oberflächenmerkmalen des pädagogischen Handelns, nämlich den Lehrmethoden und den konkreten Organisations- und Sozialformen von Unterricht. Weil die oberflächlichen Unterrichtsmerkmale anders als die Tiefenstrukturen auch für Außenstehende leicht beobachtbar, also gut sichtbar sind, hat sich für sie auch die Bezeichnung Sichtstrukturen eingebürgert (Klieme, 2006; Oser & Baeriswyl, 2001). Ursprünglich hat die Psychologische Didaktik des Schweizer Psychologen und Pädagogen Hans Aebli, eines Schülers von Jean Piaget, bei dieser Unterscheidung zwischen den Tiefenund den Sichtstrukturen Pate gestanden. Ganz unterschiedliche Organisationsformen und Methoden von Unterricht (die leicht erkennbaren Sichtstrukturen) können nämlich – so die Grundüberlegung – zum Lernzuwachs führen, dem Erwerb von Wissen und Können. Vorausgesetzt, die notwendigen Qualitätsmerkmale (also die nicht so leicht sichtbaren Tiefenstrukturen) werden dabei beachtet. Es mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen, dass nicht eine Lehrmethode einfach besser ist als eine andere, sondern dass nahezu alle zum Ziel führen können. Es kommt aber eben entscheidend darauf an, wie gut jede einzelne Lehrmethode angewendet wird, ob sie für das jeweilige Lernziel zweckmäßig ist und wie sehr bei ihrer Anwendung den Tiefenstrukturen der Unterrichtsqualität Rechnung getragen wird. In den Kapiteln 2 bis 5 geht es um die wichtigsten dieser Tiefenstrukturen guten Unterrichts, und zwar ȤȤ um die kognitive Aktivierung der Lerner, ȤȤ um die konstruktive Unterstützung der individuellen Lernprozesse, ȤȤ um das Erkennen von Lernfortschritten und um das Nutzen dieser Kenntnisse für das weitere unterrichtliche Vorgehen, ȤȤ um eine effiziente Klassenführung. Das sind die vier wichtigsten Dimensionen der Unterrichtsqualität. Noch mögen das recht sperrige Begriffe aus dem Jargon der empirischen Bildungsforschung sein. Ich will mich im Folgenden bemühen, verständlich zu machen, was mit »kognitiver Aktivierung« und »konstruktiver Unterstützung« und mit den beiden anderen Dimensionen gemeint ist.

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Im zweiten Kapitel wird das wohl wichtigste Qualitätsmerkmal des Unterrichts behandelt. Es geht nämlich um die Frage, in welchem Maße es den Lehrerinnen und Lehrern durch ihr Handeln gelingt, verstehende Lernprozesse bei den Schülerinnen und Schülern auszulösen. Man muss sich das immer wieder aufs Neue klar machen: Guter Unterricht setzt Verstehensprozesse in Gang. Verstehensprozesse sind Prozesse der aktiven Informationsverarbeitung, sind kognitive Prozesse, sind mentale Aktivitäten. Mit anderen Worten: Unterricht ist erfolgreich, soweit es gelingt, die Kinder (und Jugendlichen) zum Denken herauszufordern und zu veranlassen. Lernen ist Denken! Jedenfalls gilt dies für den weit überwiegenden Teil des schulischen Lernens. Die Aktivierung des Denkens kann auf sehr vielfältige Weise erreicht werden. Denn es gibt – wie bereits erwähnt – ganz unterschiedliche methodische Vorgehensweisen (Sichtstrukturen des Unterrichts), um eine kognitive Aktivierung auszulösen. Wenn durch klare und verständliche Erklärungen, durch herausfordernde Fragen, durch geschickt ausgewählte Problemstellungen, durch die Präsentation widersprüchlicher Informationen zum vertieften Nachdenken und zur aktiven Auseinandersetzung mit einem Lernstoff angeregt wird, sind das pädagogische Maßnahmen, die kognitiv aktivieren können. Aller Wissenserwerb hat seinen Ausgangspunkt darin, dass das Denken der Lerner in Gang gesetzt wird. Nur solche Denkprozesse verändern die bereits vorhandenen Wissensstrukturen. Beim Erwerb von Fertigkeiten und beim Erlernen motorischer Verhaltensweisen spielen Denkprozesse ebenfalls eine wichtige Rolle, weil auch die motorischen Verhaltensweisen mental geplant und gesteuert werden. Hinzu kommt allerdings, dass neben den Denkprozessen auch (motorische) Handlungsprozesse in Gang gesetzt (und später eingeübt und gefestigt) werden müssen. Kognitive Aktivierung darf jedoch nicht missverstanden werden: Es geht nicht darum, dass die Kinder beim Lernen sichtbare verhaltensbezogene Aktivitäten (»Selber-Tun«) zeigen, sondern es geht um kognitive (mentale) Aktivitäten im Sinne einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Im dritten Kapitel wird ausgeführt, weshalb die konstruktive Unterstützung eine zweite wichtige Tiefenstruktur der Unterrichtsqualität ist. Dass Lehrerinnen und Lehrer individuelle Lernprozesse nicht nur auslösen, sondern auch begleitend unterstützen sollen, ist eine naheliegende Vorstellung. Als »konstruktiv« werden solche

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Unterstützungsmaßnahmen dann bezeichnet, wenn mit ihnen sachbezogene Hilfen, Rückmeldungen und Korrekturen verbunden sind und wenn dies darüber hinaus in einer angenehmen, lernförderlichen Atmosphäre geschieht. Ob sich Kinder in der Schule wohlfühlen, wie es weiter oben bereits anklang, spielt aus Elternsicht eine gewichtige Rolle für den Lernerfolg. Zu Recht sehen die Eltern das so. Das Wohlfühlen schafft günstige Bedingungen für gelingende Lernprozesse. Wenn sich die Kinder und Jugendlichen wertgeschätzt und akzeptiert fühlen, können sie leichter und besser lernen, weil sie sich mehr zutrauen. Lehrpersonen erreichen dies, indem sie sensibel mit individuellen Verständnisproblemen und mit Fehlern umgehen. Wie geduldig zusätzliche Erklärungen abgegeben werden und wie sachbezogen die Leistungsrückmeldungen sind, gehört auch zu den Kriterien einer konstruktiven Lernunterstützung. Vor allem im Umgang mit den unvermeidlichen Fehlern zeigt sich die Qualität eines konstruktiv unterstützenden Vorgehens. Nur wo Fehler nicht als peinlich und beschämend erlebt werden, werden sie nicht zu Lernbarrieren, sondern zu hilfreichen Durchgangsstationen auf dem Weg zu mehr Wissen und Können. Auch ein angemessenes Unterrichtstempo und die Anpassung des Vorgehens an die unterschiedlichen Lernfähigkeiten der Kinder kann man unter das Qualitätsmerkmal der konstruktiven Unterstützung fassen. Zum erfolgreichen Unterrichten gehört es auch, individuelle Lernfortschritte erkennen sowie angemessen beurteilen und bewerten zu können. Die guten Lehrerinnen und Lehrer verfügen über die dazu notwendigen diagnostischen Kompetenzen. Darauf wird im vierten Kapitel eingegangen. Eine fortlaufende, lernprozessbegleitende Leistungserfassung, die einen momentanen individuellen Leistungsstand zu vorangegangenen Leistungswerten und zu einem vorgegebenen Lernziel in Beziehung setzt, bezeichnet man auch als formative Beurteilung oder als Lernfortschrittsdiagnostik. Formativ wird sie genannt, weil sie darauf zielt, unterrichtsbegleitend individuelle Fortschritte, aber auch Fehlkonzepte oder Wissenslücken der Lerner zu erkennen, um darauf aufbauend das weitere unterrichtliche Vorgehen zu gestalten. Die weitere Unterrichtsplanung und die Maßnahmen der individuellen Förderung werden im Lichte der so gewonnenen Erkenntnisse sozusagen neu formatiert. Diese Form der Leistungsbeurteilung ist für die Lehrer noch interessanter als für die

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Schüler selbst, weil sie sich als Rückmeldung zum eigenen unterrichtlichen Vorgehen auffassen lässt. Sie unterscheidet sich von der summativen, abschließenden und bilanzierenden Leistungsbewertung ganz erheblich. Aber auch Methoden der summativen Bewertung müssen Lehrerinnen und Lehrer natürlich beherrschen: am Ende einer Lerneinheit und einer Klassenstufe oder am Ende der Schulzeit ein Fazit ziehen können, indem sie eine Klassenarbeit konzipieren, Beurteilungen und Zensuren abgeben und Zeugnisse ausstellen. Im fünften Kapitel geht es um Maßnahmen effizienter Klassenführung. Die Fähigkeit zur Klassenführung gilt als weiteres Qualitätsmerkmal guten Unterrichts im Sinne der genannten Tiefenstrukturen. Es handelt sich also wiederum um ein Qualitätsmerkmal, das sich über ganz unterschiedliche Unterrichtsformen und Lehrmethoden hinweg beobachten lässt. Dennoch nimmt die »Klassenführung« unter den Qualitätsmerkmalen des Unterrichts eine Sonderrolle ein, weil sie keine Lehrtätigkeit im engeren Sinne ist. Sie bezeichnet vielmehr ein Bündel von Maßnahmen und Kompetenzen, die dazu führen und auch dafür notwendig sind, dass im Unterricht überhaupt gelernt werden kann. Effiziente Klassenführung strukturiert den Unterricht und ist störungspräventiv. Indem weniger Zeit für den Umgang mit unterrichtlichen Störungen aufgewendet werden muss, maximiert eine effiziente Klassenführung die aktive Lernzeit der Schülerinnen und Schüler – es steht dann einfach mehr Zeit für die Lehr-Lern-Prozesse zur Verfügung. Zur guten Klassenführung gehören die Verabredung klar formulierter Regeln und Routinen und die konsequente Überwachung der Einhaltung dieser Regeln. Gute Klassenführung zeigt sich aber auch in einem interessanten, anregend und flüssig gestalteten Unterricht, der keinen Raum für Langeweile und Abschweifungen bietet, die meist die Ursachen unterrichtlicher Störungen sind. Welche Lehrmethoden es gibt und wodurch sie zu gutem Unterricht werden, wird im sechsten Kapitel behandelt. Man muss die Vielzahl wirksamer Lehrmethoden – oft wird auch von Lehrstrategien gesprochen – aber nicht nur kennen, sondern auch sinnvoll einsetzen können. Zu den bekanntesten Lehrstrategien gehören die darbietenden Methoden der Direkten Instruktion, die oft auch als »lehrergelenkt« oder »lehrerzentriert« bezeichnet werden, weil in ihnen die Sichtweise vom aktiv und sichtbar den Lernstoff darbietenden Lehrer vorscheint, der den Wissenserwerb seiner Schüler planvoll vorbe-

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reitet sowie »von außen« steuert und überwacht. Andere Lehrstrategien gelten eher als »schülergesteuert«, weil sie die Selbsttätigkeit und die Eigenverantwortlichkeit der Lernenden beim Aufbau von Wissen und Können besonders hervorheben. Zu diesen Lehrmethoden gehören die Methoden des entdeckenlassenden und problemorientierten Lehrens. Einer gänzlich anderen Sozialform des Unterrichts bedienen sich die kooperativen Lehrmethoden, die ebenfalls als Alternative zu den stärker lehrergelenkten Methoden gelten. Oft wird auch betont, dass im Unterricht die Fähigkeit zur Selbstregulation der eigenen Lernprozesse eingeübt werden soll. Um die zuvor eingeführte Unterscheidung erneut aufzugreifen: Lehrmethoden sind keine Tiefen-, sondern Sichtstrukturen des Unterrichts. Lehrmethoden sind – so wie die Sozial- und Organisationsformen – nur die leicht sichtbaren (Transport-)Mittel, die einen bestimmten Zweck erfüllen sollen: die Dimensionen der Unterrichtsqualität zu realisieren und letztendlich verstehende Lernprozesse auszulösen. Eine einzelne Lehrmethode ist deshalb nicht einfach besser oder schlechter als eine andere – sie kann aber für einzelne Lerner in bestimmten Lernsituationen und bei gegebenen Lernzielen unterschiedlich gut geeignet sein. Ein Hammer ist auch nicht grundsätzlich besser oder schlechter als ein Schraubendreher oder eine Rohrzange – es kommt ganz darauf an, wie die handwerklichen Problemlagen beschaffen sind, für welche die Werkzeuge benötigt werden. Gut ist es jedenfalls, wenn man über eine Sammlung funktionierender Werkzeuge verfügt. Noch besser ist es, wenn man zusätzlich weiß, wann und wie man sich ihrer bedienen muss. Jede einzelne Lehrmethode kann natürlich auch unterschiedlich gut ausgeführt werden. Und die Lehrperson? Sie muss über die Kompetenzen verfügen, um verständnisvolle Lernprozesse bei den Schülerinnen und Schülern durch »guten Unterricht« auslösen zu können. Das sind vor allem Kompetenzen im Bereich des fachlichen und des fachdidaktischen Wissens und Könnens sowie ein fundiertes pädagogisch-psychologisches Wissen. Dass professionelles und erfolgreiches Lehrerhandeln im Unterricht auch von Werthaltungen und Zielsetzungen, von motivationalen Orientierungen der Lehrerinnen und Lehrer und von ihrer Fähigkeit zur Selbstregulation abhängt, wird im abschließenden siebten Kapitel behandelt. Der letztgenannte Aspekt wird mit Bedacht angesprochen: Die Fähigkeit zur Selbstregulation meint nämlich auch

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den verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Ressourcen in beruflich belastenden Situationen. Jenseits der fachlichen und im engeren Sinne pädagogischen Anforderungen sind Lehrpersonen – wie Angehörige anderer sozialer Berufe auch – besonderen Belastungen ausgesetzt. In Kombination mit ungünstigen Dispositionen und/ oder unzureichenden Bewältigungsstrategien können solche Belastungen zu einer emotionalen Erschöpfung bis hin zur Erschöpfungsdepression (Burnout) führen. Damit ist keinem geholfen. Wer mit den eigenen Ressourcen haushalten und eine vernünftige Balance zwischen pädagogischem Engagement und persönlicher Distanz finden kann, ist im Umgang mit den beruflichen Belastungen klar im Vorteil.

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  Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

Das Lehren vom Lernen her denken. In den 1980er-Jahren hat mich ein Buch des Schweizer Psychologen und Pädagogen Hans Aebli über Zwölf Grundformen des Lehrens sehr beeindruckt, obwohl es von Duktus und Inhalt schon damals, und noch mehr in den folgenden Jahren, so gar nicht dem Zeitgeist der pädagogisch-psychologischen Lehr-Lern-Forschung entsprach. Fast schien sie in eigenartiger Weise aus der Zeit gefallen, Aeblis Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage, so der Untertitel der Zwölf Grundformen, denen bald ein zweiter Band über die Grundlagen des Lehrens folgte (Aebli, 1983; 1987). Zum einen sprach Hans Aebli darin allzu vertraute Sachverhalte an, die viele gar nicht mehr hören wollten. Zum anderen hat er neuartige Gedanken entwickelt und Schlussfolgerungen gezogen, die oft nicht richtig verstanden wurden, weil ihre Zeit noch nicht gekommen war. In den »psychologischen« Teilen der Zwölf Grundformen hat Aebli kognitionspsychologisch erklärt, wie Kinder lesen und rechnen lernen und wie wichtig die Übung dabei ist, wie das Beobachtungslernen und wie das Lernen durch Problemlösen funktionieren, wie Handlungsabläufe erlernt, wie Operationen aufgebaut und Begriffe erworben werden. In den »didaktischen« Teilen hat er die Psychologie des Lernens systematisch mit Regeln und Handlungsweisen zur Gestaltung von Unterricht verknüpft. Dabei ist er ausführlich auf die Grundprobleme des Lehrens – wir würden heute sagen: auf die Dimensionen der Unterrichtsqualität – eingegangen. Hans Aebli hat an den beiden Bänden über die Grundformen und Grundlagen des Lehrens jahrzehntelang gearbeitet und sie in immer wieder überarbeiteten Fassungen publiziert. Seit er Anfang der 1950er-Jahre bei Jean Piaget in Genf promoviert worden war, hat sich Hans Aebli wissenschaftlich fast ausschließlich mit dem Lehren und Lernen beschäftigt. Ein abgeschlossenes Lehrerstudium hatte er übrigens auch. In der Fachdidaktik galt der Schweizer Aebli oft als zu psychologisch, in der Pädagogischen Psychologie zu sehr auf den Unter-

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Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

richt und die schulische Praxis fokussiert. Dabei hat er eine an Disziplingrenzen nicht haltmachende Theorie guten und erfolgreichen Lehrens vorgelegt, die sich konsequent an den wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Lernen und Denken von Kindern orientiert. Eine Theorie im Übrigen, die überaus verständlich und praktisch daherkommt, denn Vorstellungen über guten Unterricht müssen immer theoretisch fundiert und praktisch nutzbar zugleich sein. Aebli hat das bereits im Vorwort zur ersten Auflage seiner »Grundformen« besonders betont: Eine gedanklich nicht durchdrungene Praxis degeneriert leicht zu einem Unterricht nach Rezepten, der sich am Ende nicht bewährt, und eine in der unterrichtlichen Praxis nicht erprobte Theorie gerät rasch zur unfruchtbaren intellektuellen Spielerei, die bei der Bewältigung der pädagogischen Wirklichkeit nicht wirklich hilfreich ist. Dass in den neuen psychologischen Lehrbüchern zur Unterrichtsqualität die Pionierarbeiten von Hans Aebli, aber auch der anderen Schweizer Unterrichtsforscher wie Kurt Reusser und Fritz Oser, wieder vermehrt zur Sprache kommen, ist deshalb nur allzu berechtigt (Helmke, 2014; Kunter & Trautwein, 2013; Lipowsky, 2009). Wenn von den wichtigen Tiefenstrukturen des Unterrichts auf der einen Seite und von den Oberflächen- bzw. Sichtstrukturen auf der anderen Seite gesprochen wird, wie das führende Unterrichtsforscher tun (Baumert & Kunter, 2006; Klieme, 2006; Seidel, 2003), wird zu Recht auf die Schweizer Psychologen und Pädagogen rekurriert. Im Unterricht geht es im Wesentlichen darum, verständnisvolle Lernprozesse auszulösen und individuell zu unterstützen. Hans Aebli hat uns gelehrt, dass sich die Dimensionen der Unterrichtsqualität nicht ohne Kenntnis der grundlegenden Prinzipien des Lernens sinnvoll behandeln lassen. Bevor wir zum Unterricht kommen, geht es deshalb zunächst um das Lernen.

Was Kinder lernen Vieles lernen wir nebenbei. Manches sogar, ohne dass wir es wollen und ohne dass wir uns darum bemühen. Anderes erfordert erhebliche Anstrengung und intensives Üben. Doch selbst wenn wir uns noch so sehr anstrengen: Nicht alles, was wir lernen möchten oder sollen, gelingt. Es kann sein, dass Lerntätigkeiten ergebnislos und

Was Kinder in der Schule lernen sollen23

dass Lerngelegenheiten und -angebote ungenutzt bleiben. Kinder lernen laufen und Fahrrad fahren, die Fernbedienung eines Fernsehapparats benutzen, die eigene und eine fremde Sprache sprechen, lesen und rechtschreiben sowie zählen und rechnen, wie man mit Messer und Gabel oder mit Essstäbchen isst, dass man andere ausreden lässt und nicht auf den Kopf schlägt. Kinder lernen auch, wie man sich in einer Bibliothek orientiert, was in der Gesellschaft, in der sie aufwachsen, als gut oder böse bezeichnet wird, wie man eine Zigarette raucht und weshalb das Rauchen als gesundheitsschädlich gilt. Sie lernen auch, wie man lernt. Weil man so viel Verschiedenes lernen kann, gibt es auch mehr als eine Theorie darüber, wie das Lernen funktioniert. Das Erlernen des kleinen Einmaleins und die Kenntnis darüber, wie viele deutsche Bundesländer es gibt und wie ihre Hauptstädte heißen, folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als das Erlernen der Schrittfolge bei einem Standardtanz oder das Verstehen des archimedischen Prinzips. Es sind sehr viele kluge Bücher darüber geschrieben worden, wie Kinder (und natürlich auch Jugendliche und Erwachsene) lernen. Ein beträchtlicher Teil der wissenschaftlichen Psychologie und der weit überwiegende Teil der Pädagogischen Psychologie sind der Frage gewidmet, wie Menschen lernen. Damit wir uns beim Thema Lernen nicht verlieren, müssen wir uns im Folgenden deshalb stark beschränken. Betrachtet werden nur solche Lernphänomene, die für das schulische Lernen wichtig sind. Was soll überhaupt in der Schule gelernt werden? Welche Lerntheorien helfen uns, das schulische Lernen zu verstehen?

Was Kinder in der Schule lernen sollen Zunächst einmal sollen inhaltliche Kenntnisse und Fertigkeiten in den einzelnen Unterrichtsfächern im Schulunterricht erworben werden. Inwieweit dies gelingt, wird üblicherweise durch Leistungsmessungen, die am Ende einer Lerneinheit stattfinden, geprüft. Der Großteil der nachfolgenden Ausführungen bezieht sich auf den Erwerb solcher fachlichen Kompetenzen. In der Schule soll aber auch das Denken und Lernen insgesamt gelernt und geübt werden und es sollen sich Werthaltungen und Überzeugungen ausbilden. Franz Weinert (2000) hat große Zustimmung erfahren, als er sechs

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Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

fundamentale Bildungsziele von Schule benannt und als wichtigste Aufgaben von Schule und Unterricht bezeichnet hat: ȤȤ die Vermittlung fachlichen Wissens, ȤȤ die Vermittlung anwendungsbezogenen Wissens und Könnens, ȤȤ die systematische Unterstützung beim Erwerb lernmethodischer Kompetenzen zur Selbstregulation des eigenen Lernens, ȤȤ die systematische Unterstützung beim Erwerb sprachlicher und medialer Schlüsselqualifikationen, ȤȤ die systematische Unterstützung beim Erwerb sozialer Kompetenzen, ȤȤ die Persönlichkeitsbildung in der Auseinandersetzung mit den in Schule und Gesellschaft (vor-)gelebten Werten und Normen. Kinder sollen in der Schule also fachliches Wissen und Können erwerben und diese Kenntnisse und Fertigkeiten auch anwenden können, wenn es darauf ankommt. Kinder sollen die Kompetenz zur Selbstregulation ihres eigenen Lernverhaltens erwerben, um auch außerhalb der Schule selbstständig lernen zu können. Sie sollen soziale, sprachliche und mediale Kompetenzen erwerben, die ihnen bei der Bewältigung von Anforderungen helfen, auf die Schule im Detail gar nicht vorbereiten kann. Hinzu kommt, dass sich Kinder mit den Werten und Normen einer Gesellschaft, z. B. mit den Prinzipien von Recht und Gerechtigkeit, mit Demokratie und Partizipation und mit Solidarität auseinandersetzen und eigene Werthaltungen und Einstellungen entwickeln sollen. Erneut wird deutlich: Es wird mehr als einer Lerntheorie bedürfen, um solch unterschiedliche Lernvorgänge und -resultate beschreiben und erklären zu können.

Wozu Lerntheorien? Psychologische Theorien beschreiben, wie sich Menschen verhalten, und erklären, weshalb sie das tun. Lerntheorien beschreiben und erklären, wie es zu Verhaltensänderungen kommt. Menschen verhalten sich fortlaufend. Sie können sich übrigens selbst dabei beobachten! Ganz einfach ist das allerdings nicht, weil sich Ihr Verhalten wahrscheinlich wiederum verändern wird, weil und während Sie es beobachten. Leichter ist es sicherlich, das Verhalten anderer zu beobachten. Wie geschickt sie sich in einem Gartenlabyrinth

Wozu Lerntheorien?25

bewegen oder wie gut sie mit Essstäbchen umgehen können, was sie erzählen und ob sie einem dabei in die Augen schauen können, wie gut oder schnell sie eine Aufgabe lösen oder eine Frage beantworten, ob sie beim Fahrradfahren die Verkehrsregeln beachten, was sie lesen. Nicht alle Verhaltensweisen kann man allerdings so leicht beobachten wie die eben geschilderten. Ob jemand versteht und behält, was er gerade liest, lässt sich nur indirekt beobachten. Beispielsweise, indem man sie oder ihn dazu befragt oder indem man neuartige Verhaltensweisen registriert, die offenbar mit den Inhalten des Gelesenen zu tun haben. Auch was jemand gerade denkt, lässt sich nicht so leicht beobachten. Praktisch alle menschlichen Verhaltensweisen sind gelernt worden. Das gilt auch für die hochgradig automatisierten Verhaltensweisen, die als Gewohnheiten den Großteil unseres alltäglichen Verhaltens ausmachen. Meist sind sie uns gar nicht mehr bewusst, weil sie ohne willentliche Kontrolle ausgeführt werden. Dennoch sind sie durch Lernen zustande gekommen. Es ist gar nicht so einfach, erlernte Automatismen, also Verhaltens- und Denkgewohnheiten, wieder zu verändern, wie man aus vielen Studien zum problematischen Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Menschen weiß. Aber grundsätzlich gilt, dass gesundheitsförderliche Verhaltensweisen genauso gut gelernt werden können, wie die gesundheitsgefährdenden erlernt worden sind und dass sich auch ungünstige Angewohnheiten wieder ändern lassen. Weil Menschen lernen können. Menschen können eigentlich gar nicht nicht lernen. Die Lernfähigkeit macht es uns möglich, aus Erlebnissen und Erfahrungen Schlüsse zu ziehen, um unser Verhalten zu verändern. Lernen ist – ebenso wie das Verhalten an sich – ein Prozess der fortwährend stattfindet. Lernen dient der Anpassung eines Organismus an die Erfordernisse seiner Umgebung; man kann aber auch lernen, seine Umgebung zu gestalten. In der Psychologie bezeichnet man Lernen als einen Prozess der Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrungen. Weil nicht alle Verhaltensänderungen gleich nach dem Lernen sichtbar werden, weil manchmal das neu Erlernte noch lange Zeit im Verhalten unsichtbar bleibt, spricht man vorsichtiger meist nur von einem »Verhaltenspotenzial«, welches sich durch Lernen verändert hat. Wenn jemand etwas gelernt hat, verfügt sie oder er also über das Potenzial, künftig eine neue Verhaltensweise (das kann auch

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Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

eine »richtige Antwort« auf eine gestellte Frage sein) zu zeigen. Die Änderungen des Verhaltens bzw. des Verhaltenspotenzials beziehen sich dabei auf alle nur denkbaren Funktionsbereiche menschlichen Verhaltens. Was man weiß und kann, was man gut und richtig findet, welche Vorlieben und Abneigungen man hat: Alles wird durch Lernen herausgebildet und fortlaufend verändert. Wenn wir aufgrund von Erfahrungen lernen, muss es auch eine Instanz geben, wo das Gelernte »aufgehoben« wird, damit wir uns später daran erinnern können. Die neuen Verhaltensweisen müssen irgendwo »gespeichert« werden. Sonst müssten wir alles immer wieder neu lernen. Diese Instanz ist das Gedächtnis. Die meisten Lerntheorien bestehen aus einer Ansammlung von Annahmen darüber, wie und warum Lernen funktioniert und welche Rolle das Gedächtnis dabei spielt. Theorien über Lernen hat nicht nur die wissenschaftliche Psychologie entwickelt, es gibt aber zwei gute Argumente dafür, dass im Folgenden nur die psychologischen Lerntheorien betrachtet werden. Zum einen scheinen sie weit weniger spekulativ als die Theorien aus der philosophischen und pädagogischen Tradition, weil sie empirisch überprüfbare Annahmen enthalten und weil sich eine Vielzahl wichtiger Lernphänomene auf ihrer Grundlage recht gut beschreiben und vorhersagen lässt. Zum anderen lassen sie sich anders als die neurobiologischen Theorien leichter in einen konkreten unterrichtlichen oder erziehungsbezogenen Kontext einbetten, denn aus der Kenntnis über die chemischen und physikalischen Prozesse der Erregungsausbreitung bei der neuronalen Informationsverarbeitung lassen sich nur unter Zuhilfenahme pädagogisch-psychologischer Begrifflichkeiten Empfehlungen für das Unterrichten formulieren. Interessant ist es allerdings schon, dass die geisteswissenschaftlich inspirierten Empfehlungen im Kern den aus der Kognitiven Psychologie und aus den Neurowissenschaften abgeleiteten Schlussfolgerungen für das gelingende Unterrichten und Erziehen recht ähnlich sind. Dennoch darf man eines nicht vergessen: Auch die psychologischen Lerntheorien sind nur Theorien, also vereinfachende Vorstellungen darüber, wie es zu den beobachtbaren Phänomenen (also den Verhaltensänderungen) kommt. Die wichtigsten psychologischen Lerntheorien sind die Theorien verknüpfenden (assoziativen) und strukturierenden (kognitiven) Ler-

Theorien des verknüpfenden Lernens27

nens. Darüber hinaus gibt es Theorien, die sich mit der Habituation (Gewöhnung) an neue Ereignisse und mit einer erhöhten Sensitivierung (Empfindlichkeit) für solche Ereignisse befassen (Gold, 2003; Hasselhorn & Gold, 2013; Steiner, 2006; 2007). Im Folgenden wird auf die Theorien des verknüpfenden und des strukturierenden Lernens näher eingegangen.

Theorien des verknüpfenden Lernens Die Mechanismen des verknüpfenden (assoziativen) Lernens sind denkbar einfach: Gelernt wird, indem Verknüpfungen zwischen zwei oder mehr Ereignissen beziehungsweise zwischen einem Ereignis und einer Ereignisfolge »erkannt« bzw. hergestellt werden. Solche Ereignisse bzw. Ereignisfolgen können einzelne Sinneswahrnehmungen oder Empfindungen sein, die durch »äußere« Reize hervorgerufen werden. Wenn beispielsweise das Berühren eines elektrischen Weidezauns mit dem unangenehm spürbaren Empfinden eines (wenn auch ungefährlichen) Stromstoßes einhergeht, wird rasch erkannt, dass beide Ereignisse miteinander zu tun haben. Nur selten wird es dazu eines zweiten Versuchs bedürfen. Gelernt wird zugleich, dass man die unangenehme Empfindung vermeiden kann, wenn man die Finger vom Zaun lässt. Oftmals kommt es bei Lernvorgängen dieser Art allerdings zu voreiligen Schlussfolgerungen und zu Übergeneralisierungen, wenn nämlich auch die nicht elektrisch geladenen Weidezäune künftig nicht mehr angefasst werden oder sogar gänzlich auf das Wandern in der Natur verzichtet wird. Die Ereignisse beim assoziativen Lernen müssen nicht unbedingt äußere Reize oder schmerzhafte Empfindungen sein, sondern können auch aus »mentalen Repräsentationen« bestehen, also aus Vorstellungen oder Ideen im Kopf der Lerner. Wenn etwa eine bestimmte Erinnerung sogleich eine andere, damit verbundene Erinnerung auslöst. Beim Aufsagen von Gedichten oder beim Auswendigspielen und -singen von Musikstücken oder Liedern lässt sich das gut beobachten, wenn nämlich ein Reim oder ein Klang den nächsten in der Reihe auslöst. Oder wenn Sie am Ende eines Musiktitels auf Ihrem Abspielgerät genau wissen, welcher Titel der Liste als nächster zu Gehör kommen wird. Wenn bestimmte Gedanken immer wieder andere Gedanken, Empfindungen und Verhaltens-

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Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

weisen nach sich ziehen, hat man gelernt, dass sie »zusammengehören«. Je öfter man sie zusammen realisiert, je häufiger zwei Ereignisse gemeinsam vorgekommen sind, umso fester wird auch ihre assoziative Verbindung. Man nennt das auch das Gesetz der Übung. Für das assoziative Lernen gibt es eine Reihe weiterer Gesetzmäßigkeiten, die für die Wirksamkeit und Effizienz der Lernvorgänge und für die Nachhaltigkeit des Behaltens verantwortlich sind. Die wichtigsten Erkenntnisse darüber verdanken wir den Forschungsarbeiten zur Klassischen, zur Instrumentellen und zur Operanten Konditionierung sowie zum Beobachtungslernen. Von Konditionierung spricht man übrigens deswegen, weil es bei all diesen Lernformen um »bedingte« Verhaltensänderungen geht und weil das erfolgreiche Lernen darauf beruht, dass die notwendigen Bedingungen (Konditionen) für eine Verhaltensänderung entweder natürlicherweise gegeben sind oder in unterrichtlichen und erzieherischen Zusammenhängen gezielt herbeigeführt werden. Im Falle der Klassischen Konditionierung ist die Gleichzeitigkeit oder Überlagerung zweier Ereignisse der entscheidende Faktor. Sie bewirkt beispielsweise, dass eine schon verfügbare Verhaltensweise, wie »Dachfenster schließen«, die ihrerseits bereits regelhaft mit einem bestimmten Ereignis, wie »bei Regen«, verknüpft war, am Ende eines assoziativen Lernvorgangs auch in anderen Situationen, wie »bei Donner und Blitz« ausgelöst werden kann. Sie bewirkt ebenso, dass eine individuell schon vorhandene Wertvorstellung, wie »gefällt mir nicht«, die bereits regelhaft mit einer anderen Vorstellung, wie »Volksmusik« verknüpft war, durch assoziatives Lernen rasch (und zu Unrecht) auf eine ganze Region wie »Tirol« übertragen wird, weil man gehört hat, in Tirol sei die Volksmusik besonders weit verbreitet. Im Endeffekt führt das zu: »Tirol mag ich nicht!« Das Entstehen von Vorlieben und Abneigungen lässt sich durch die Mechanismen des verknüpfenden Lernens gut erklären. Die Lernpsychologie spricht von einem Vorgang der Reizsubstitution durch Kontiguität. Wenn bestimmte Reize regelmäßig und verlässlich zeitlich und räumlich zusammen (assoziativ) mit anderen Reizen vorkommen, »ersetzt« der eine Reiz am Ende den anderen. Auch wenn zwei Ereignisse immer wieder zusammen auftreten, kann das eine das andere »ersetzen«. Das eine Ereignis (Donner und Blitz) erwirbt beim Konditionierungslernen deshalb einen verlässlichen Hinweis-

Theorien des verknüpfenden Lernens29

charakter in Bezug auf das andere (Regen), weil dieses ihm in aller Regel unmittelbar folgt, wenn es nicht ohnehin zeitgleich mit ihm auftritt. »Donner und Blitz« werden in diesem Sinne informativ für »Regen« und lösen eine bereits verfügbare Verhaltensweise »Dachfenster schließen« aus, die bei Regen ohnehin schon immer zum Einsatz kam. Dass nun auch bei Donner und Blitz die Fenster geschlossen werden, ist als »konditionierte Reaktion« gelernt worden. Die eigentliche Verhaltensweise »Dachfenster schließen« ist dabei gar nicht neu gelernt oder verändert worden, aber die Auslösesituationen, in denen das Zielverhalten gezeigt wird, sind durch den Lernvorgang erweitert worden. So ersetzen (substituieren) Blitz und Donner den Regen. Umso besser: Schon bevor es zu regnen anfängt, schließt man das Dachfenster, weil ja Donner und Blitz den Regen ankündigen. Und der zu Unrecht verschmähten Landschaft Tirol ist in unserem fiktiven Beispiel die starke assoziative Verbindung zur »Volksmusik«, die negativ konnotiert ist (»mag ich nicht«), zum Verhängnis geworden. Bei der Instrumentellen Konditionierung wie auch bei der Operanten Konditionierung ist es eine andere Art der Assoziation, die das Lernen bedingt: Gelernt wird, indem Verknüpfungen zwischen einer Verhaltensweise und den natürlicherweise daraufhin eintretenden oder willentlich und systematisch von einer Lehr- oder Erziehungsperson daraufhin gesetzten Verhaltensfolgen erkannt und wirksam werden. Wenn etwa ein Besucher während einer Opernaufführung geräuschvoll in einen mitgebrachten Apfel beißt, um seinem Hungergefühl abzuhelfen, wird er vorwurfsvolle Blicke und ggf. missbilligende Kommentare auf sich ziehen und dadurch lernen, dass sein Verhalten nicht situationsangemessen ist. Wenn er die Vorwürfe seiner Sitznachbarn als unangenehmer empfindet als sein Hungergefühl, wird er künftig auf den Obstverzehr während der Aufführungen verzichten und sich anderweitig behelfen. Oder er wird nie wieder eine Opernaufführung besuchen (Übergeneralisierung). Dem instrumentellen und operanten Lernen liegt eine einfache Überlegung zugrunde. Gelernt wird, was sich als erfolgreich und nützlich erweist und nützlich sind jene Verhaltensweisen, die einen angenehmen und befriedigenden Zustand herbeiführen oder bewahren. Jedes Verhalten – so die Grundannahme – zieht Konsequenzen nach sich und Tiere und Menschen neigen dazu, jene Verhaltens-

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weisen erneut auszuführen, die in der Vergangenheit positive Konsequenzen (Verstärkungen) mit sich brachten und jene künftig zu vermeiden, die mit negativen Folgen verknüpft waren. Man spricht hier auch vom Gesetz des Effekts. Natürlich wird man ein Dachfenster bei Regen vor allem deswegen geschlossen halten, weil man die negative Begleiterscheinung eines durchnässten Parketts vermeiden möchte. Bildung und Erziehung, so lässt sich diese Auffassung über Lernen und Lehren auf den Punkt bringen, funktioniert am besten über eine systematische Steuerung von Verhaltenskonsequenzen. Die meisten Untersuchungen zum Konditionierungslernen wurden allerdings nicht mit Kindern, sondern mit Katzen, Ratten und Tauben durchgeführt. Man bezeichnet die Instrumentelle und die Operante Konditionierung auch als Verstärkungslernen, als Lernen durch Belohnung oder als Lernen am Erfolg. Auch das Lernen durch Nachahmung (Imitations- oder Beobachtungslernen) lässt sich als Spielart des Verstärkungslernens betrachten. Wenn durch Beobachtung und Nachahmung anderer gelernt wird, spricht man auch vom stellvertretenden Lernen und von der Wirksamkeit einer stellvertretenden Verstärkung.

Verhaltenssteuerung durch Verhaltenskontrolle Die Konditionierungstheorien gehen davon aus, dass die Kenntnis und die systematische Anwendung einiger weniger Verstärkungsgesetze ausreichen, damit das Verstärkungslernen gelingt. Am wichtigsten ist es, dass die Verhaltenskonsequenzen (die Verstärkungen) unmittelbar und verlässlich auf ein Verhalten folgen, weil nur so eine Assoziation überhaupt gebildet und wirksam werden kann. Die Lernpsychologie spricht hier von einer notwendigen Kontingenz (Verbundenheit) oder auch von einer Verhaltenskontingenz bzw. von Maßnahmen der Verhaltenskontrolle. Gemeint ist der systematische Einsatz von Verhaltenskonsequenzen (Verstärkern). Vor allem der amerikanische Lernpsychologe Burrhus Frederic Skinner hat sich intensiv mit der optimalen Ausgestaltung solcher Verstärker beschäftigt. Lob, Anerkennung und emotionale Zuwendung, aber auch soziale Vergünstigungen, materielle Zuwendungen und Mittel zur Befriedigung primärer Bedürfnisse sind positive Verstärker, die in Lernsituationen wirksam sind. Wenn sie systematisch eingesetzt

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werden, machen sie es wahrscheinlicher, dass das ihnen vorausgegangene Verhalten künftig häufiger gezeigt, also beibehalten wird. Auch wenn eine Verhaltensweise dazu führt, dass ein unangenehmer Zustand ein Ende findet, wird sie künftig häufiger ausgeführt. Dass der penetrante Warnton erlischt, sobald im fahrenden Auto der Gurt angelegt wird, ist ein Beispiel dafür. Außer dem Verabreichen einer angenehmen Konsequenz (positive Verstärkung) oder dem Beenden einer unangenehmen Konsequenz (negative Verstärkung) können weitere (pädagogische) Maßnahmen wie Tadel und Kritik oder das Entziehen von Vergünstigungen als Verhaltensfolgen zum Einsatz kommen. Das Erfahren solch unangenehmer Konsequenzen (Bestrafung) führt ebenfalls dazu, dass gelernt wird. Die Lernpsychologen sind sich allerdings darin einig, dass die Maßnahmen der (positiven und negativen) Verstärkung besser geeignet sind, erwünschte Verhaltensweisen hervorzubringen und zu stabilisieren, als die Bestrafung. Nicht zuletzt liegt das daran, dass eine Bestrafung zwar deutlich macht, dass eine Verhaltensweise nicht erwünscht gewesen ist, nicht aber, welche stattdessen die richtige gewesen wäre. Nichts gelernt wird übrigens nur dann, wenn ein Verhalten sichtbar folgenlos bleibt oder wenn die Verhaltenskonsequenzen keiner ersichtlichen Systematik folgen, also nicht kontingent sind. Dass auch körpereigene Belohnungssysteme (über die Dopamin ausschüttenden Nervenzellen) beim Verstärkungslernen eine Rolle spielen, ist eine wichtige Erkenntnis aus der neurobiologischen Forschung. Ebenso, dass die emotionale Bewertung von Ereignissen beim Lernen von großer Bedeutung ist (Korte, 2011; Roth, 2011). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Verstärkungen (und Bestrafungen) kontingent und systematisch erfolgen müssen. Das heißt aber nicht, dass jede korrekte Verhaltensweise verstärkt werden muss. Wenn nur hin und wieder Verstärker gesetzt werden, kann das sogar von Vorteil sein, weil die (pädagogisch erwünschten) Verhaltensweisen überraschenderweise an Stabilität gewinnen und auch länger aufrecht erhalten bleiben, wenn sie eine Zeitlang nicht verstärkt worden sind. In Erziehungssituationen wird die »Hin-undwieder-Verstärkung« ohnehin eher die Regel sein als die Ausnahme, weil Eltern und Lehrer gar nicht in der Lage sind, kontinuierlich jede korrekte Verhaltensweise zu verstärken. Die kontinuierliche Verstärkung hat zwar den Vorteil, dass ein erwünschtes Verhalten auf diese

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Weise besonders zügig aufgebaut wird, weil die Verhaltenskontingenz rascher zutage tritt. Nachteilig ist aber, dass die neu erlernte Verhaltensweise oft wieder aufgegeben wird, wenn die (gewohnte) Verstärkung einmal ausbleibt. Meist wird deshalb empfohlen, für den Beginn eines Lernprozesses einen kontinuierlichen Verstärkungsmodus zu wählen und dann allmählich zu variablen Formen der intermittierenden (unregelmäßigen) Verstärkung überzugehen. Im dritten Kapitel wird auf die Funktion von Rückmeldungen der Lehrer an ihre Schüler (Feedback) und auf die Bedeutsamkeit von Verstärkungen im Unterricht eingegangen. Im fünften Kapitel wird im Zusammenhang mit den Prinzipien einer effizienten Klassenführung ebenfalls auf das Verstärkungslernen rekurriert.

Theorien des strukturierenden Lernens Die Mechanismen des strukturierenden Lernens sind sehr viel spekulativer als die des verknüpfenden Lernens. Gleichwohl ist es erforderlich, von zusätzlichen Wirkmechanismen auszugehen, weil sich eine Vielzahl von Lernphänomenen durch die assoziativen Mechanismen allein einfach nicht erklären lässt. Dazu gehören etwa die plötzliche Einsicht, die sich beim Lösen eines Problems einstellt oder das Vorgehen beim schrittweisen analytischen Problemlösen. Im ersten Fall kommt es aufgrund einer Umstrukturierung bereits vorhandener Wissens- oder Wahrnehmungselemente schlagartig zu einer neuen Erkenntnis bzw. zu einer neuen Einsicht in zuvor nicht Gesehenes (»Heureka!«). In der Gestaltpsychologie des frühen 20. Jahrhunderts hat man in Bezug auf das einsichtige Lernen treffend vom »Lösungsdruck« der noch ungelösten Probleme gesprochen, der erst durch die Problemlösung aufgehoben werde. Wir werden im zweiten Kapitel darauf zurückkommen, wenn es darum geht, wie man durch die richtigen Fragen und die geeigneten Problemstellungen die Kinder zum Denken herausfordern kann. Beim analytischen Problemlösen geht es weniger um plötzliche Einsichten durch gedankliche Umstrukturierungen, wie es die Gestaltpsychologie untersucht hat, sondern um ein regelbasiertes und schrittweises gedankliches Vorgehen. Kognitionspsychologen, also Wissenschaftler, die sich mit den geistigen (mentalen) Prozessen befassen, gehen davon aus, dass beim problemlösenden Lernen ein »mentaler

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Problemraum« nach allgemeinen Regeln (Algorithmen) oder mithilfe von Faustregeln (Heuristiken) gedanklich abgesucht wird. Indem Probleme durch Denken schrittweise einer Lösung zugeführt werden, wird neues Wissen erworben. Lernen ist demnach Wissenserwerb durch das zielführende Abarbeiten eines mentalen Problemraums. Strukturierendes Lernen ist kognitives Lernen. Beim verknüpfenden Lernen standen der Aufbau und die Veränderung von (sichtbaren) Verhaltensweisen im Mittelpunkt des Interesses. Die Theorien des strukturierenden Lernens thematisieren zwar ebenfalls Veränderungen – allerdings geht es dabei weniger um die Veränderung von Verhaltensweisen als vielmehr um die Veränderung von Wissensstrukturen und Wissensrepräsentationen. Meist wird das strukturierende, kognitive Lernen auch als Lernen durch Informationsverarbeitung bezeichnet. Aus heutiger Sicht überrascht, dass der vage gehaltene Begriff der Informationsverarbeitung zum dominierenden Schlüsselbegriff kognitiver Lerntheorien werden konnte. Wahrscheinlich ist es aber gerade die Unbestimmtheit des Begriffs, die wesentlich zu seiner Verbreitung beigetragen hat. So kann sich jeder seine eigene Vorstellung darüber machen, was eine »Information« eigentlich ist. Lernen ist Informationsverarbeitung – natürlich! Was denn sonst? Zu Recht hat Gerhard Roth (2011) angemerkt, dass dabei völlig im Unklaren bleibt, was mit Information eigentlich gemeint ist. Denn in der Kognitionspsychologie geht es eigentlich gar nicht um die Verarbeitung von Informationen, wie man sie aus der Computertechnologie kennt, sondern im Wesentlichen um ihre Interpretation und um das Erzeugen von Bedeutung.

Lernen und Gedächtnis Kognitive Lerntheorien unterstellen, dass es mentale Strukturen und Prozesse gibt, die durch Lernen entstehen und verändert werden. Zu den Veränderungen kommt es, indem Informationen verarbeitet, also bedeutungshaltig gemacht werden. Woher kommen eigentlich diese Informationen? Vereinfachend kann man sagen, dass es sich bei den Informationen ursprünglich entweder um physikalische Reize (Signale) handelt, die über die Sinnesorgane registriert und bei der weiteren Verarbeitung zu bedeutsamen Empfindungen gemacht wurden, oder um bereits im Gedächtnis vorhandene mentale Reprä-

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sentationen bedeutungshaltiger Inhalte, die assoziativ während des Lernens aktiviert werden. Zu den wichtigsten kognitiven Prozessen gehören Prozesse der Wahrnehmung, der Wiedererkennung und des Erinnerns, der Begriffsbildung und des Schlussfolgerns sowie des Beurteilens und Bewertens. Im Kern geht es also beim kognitiven Lernen um Denkprozesse. Die wichtigste kognitive Struktur ist das Gedächtnis mit seinen Teilsystemen. Weit verbreitet sind die Vorstellung vom Dreispeichermodell des menschlichen Gedächtnisses sowie das Modell des Arbeitsgedächtnisses von Alan Baddeley (1986). Man kann sich das Arbeitsgedächtnis als einen Ort bzw. als ein System vorstellen, wo Informationen vorübergehend bewusst »gehalten« und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Baddeley zufolge besteht es aus einer Leitzentrale (Zentrale Exekutive) und zwei Teilsystemen für die Verarbeitung visuell-räumlicher und sprachlich-akustischer Informationen. Lernen als Wissenserwerb, also kognitives, strukturierendes Lernen, ist nichts anderes als der hypothetische Informationsfluss durch diese Gedächtnisstrukturen. In den neurobiologischen Modellen werden die Gedächtnisfunktionen übrigens anatomisch im Bereich des präfrontalen Cortex verortet. Diese Hirnareale sind eng mit den sich ebenfalls in der Großhirnrinde befindlichen sensorischen und motorischen Arealen verknüpft, also mit der Repräsentation von Wahrnehmungsinhalten und mit der Vorbereitung und Steuerung willentlicher Handlungen. Es gibt bestimmte Vorstellungen darüber, wie die Ergebnisse des Lernens im Gedächtnis »aufbewahrt« werden und wie man auf sie zugreifen kann. Bewusste Gedächtnisinhalte, auf die man mehr oder weniger leicht zugreifen kann, nennt man auch explizit oder deklarativ. Sie werden in der Psychologie in ein episodisches Gedächtnis auf der einen Seite und ein Wissens- oder Faktengedächtnis auf der anderen unterteilt. Das episodische Gedächtnis enthält autobiografische Erinnerungen und die Erinnerungen an konkrete Lernepisoden. Das Wissens- oder Faktengedächtnis wird auch als semantisches Gedächtnis bezeichnet. Seine Inhalte sind zwar ursprünglich ebenfalls über konkrete Lernepisoden in der Vergangenheit erworben worden. Anders als beim episodischen Erinnern (etwa an den ersten Schultag), sind allerdings der Kontext und die Quelle des semantischen Gedächtniseintrags nicht mehr ohne Weiteres erinnerlich. Dass Helsinki die Hauptstadt Finnlands ist, wird vermutlich Bestand-

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teil Ihres semantischen Faktengedächtnisses sein. An die konkrete Lernepisode, die bei Ihnen persönlich zur Einspeicherung dieser Information geführt hat, können Sie sich aber wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern, obgleich sie für den damaligen Wissenserwerb eine entscheidende Rolle gespielt hat. Alle neuen Wissensinhalte werden zunächst episodisch erfahren, erst danach werden aus den allmählich verblassenden Lernepisoden überdauernde Bedeutungsinhalte und semantisches Faktenwissen extrahiert. Hans Aebli hat deshalb dem Geschichtenerzählen und der Schulung des Anschauens und Beobachtens eine besondere Bedeutung für den Unterricht beigemessen, weil Anschauliches eher Interesse weckt und leichter Denkprozesse in Gang setzt und weil sich das Faktenwissen am Ende einer anregenden Geschichte dann wie von selbst herausschält. Man sollte den Kindern also Geschichten erzählen, gemeinsam mit den Kindern etwas anschauen, die Kinder etwas beobachten lassen. Als »didaktischen Kurzschluss« hat Aebli die irrige Vorstellung bezeichnet, man könne reines Faktenwissen, also die bloßen Ergebnisse der individuellen Lerntätigkeiten des Beobachtens, Zuhörens und Problemlösens durch einen Lehrervortrag rasch und direkt vermitteln, nur um Zeit zu sparen. Wir werden im zweiten Kapitel darauf zurückkommen. Die meisten Informationen, die verarbeitet und im Gedächtnis gespeichert werden, unterliegen keiner Kontrolle durch das Bewusstsein. Die zugehörige Gedächtnisform bezeichnet man als nicht-deklarativ, implizit oder prozedural. Sie beinhaltet die Ausbildung von Fertigkeiten und Gewohnheiten und die Ergebnisse von Bahnungsoder Prägungsvorgängen assoziativer Art, die man in der Gedächtnisforschung auch als »Priming« bezeichnet. Das Priming ermöglicht ein schnelleres Erkennen »vorgebahnter« Reize. Ebenfalls dem nicht-deklarativen Gedächtnis zugeordnet werden die Phänomene der Gewöhnung und Sensitivierung sowie die Ergebnisse des assoziativen Lernens im Rahmen der Klassischen Konditionierung. Eine Vielzahl unserer Gewohnheiten, Vorlieben und Einstellungen sind also im impliziten Gedächtnis gespeichert. Manche Routinen und Automatismen des impliziten Gedächtnisses können – wenn auch mit Mühen – (wieder) bewusstseinsfähig gemacht werden. Wenn aber motorische Handlungsketten (wie z. B. das Fahrradfahren) oder kognitive (wie z. B. das Lesen) deautomatisiert und in ihren Vollzü-

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gen wieder bewusst gemacht werden, ist damit oftmals der Nachteil verbunden, dass es zu Stockungen in ihren Abläufen kommt. Zurück zur bewusstseinsfähigen Informationsverarbeitung, deren Ergebnisse zum Bestandteil des expliziten, deklarativen Gedächtnisses einer Person werden können, zunächst als Lernepisode, dann als Faktenwissen. Wenn also – wie es in der Schule häufig der Fall sein dürfte – absichtlich gelernt wird, um am Ende Faktenwissen oder neue Fertigkeiten zu erwerben. Informationen werden dabei bewusst verarbeitet, indem sie mit Aufmerksamkeit bedacht, ausgewählt (selegiert) und organisiert und schließlich in die bereits vorhandenen Wissensbestände integriert werden. Durch die kognitiven Strategien des Organisierens und Elaborierens sowie durch das Wiederholen und Üben des neu Gelernten können die Verarbeitungsprozesse optimiert werden. Gute Lerner tun das. Sie machen sich Notizen, während sie einen Text lesen oder einen Vortrag hören, markieren die wichtigen Schlüsselbegriffe, fertigen Skizzen oder kurze Zusammenfassungen an, erkennen Widersprüche und Inkonsistenzen, stellen sich (oder anderen) Fragen zum Text- oder Vortragsinhalt und sie wiederholen die Kernaussagen, um sie besser zu behalten. All dies führt zu einer »tieferen« Informationsverarbeitung und erleichtert das Lernen. Lernpsychologisch scheint die Sache mithin ganz einfach: Eine »gute« bzw. »tiefe« Verarbeitung von Informationen führt zum erfolgreichen Wissenserwerb, also zu einer bedeutungshaltigen und überdauernden mentalen Repräsentation dieser Informationen. Aus dem Nichts kann eine solche mentale Repräsentation allerdings nicht entstehen, weshalb sich der Wissenserwerb am ehesten als eine fortlaufende Modifikation von bereits vorhandenen Wissensrepräsentationen beschreiben lässt. Ein konstruktivistisches Verständnis von Lernen und Wissenserwerb, wie es beispielsweise von Hans Aebli im Anschluss an Piaget vertreten wurde, hebt das aktiv-selbsttätige Vorgehen des Lerners bei diesen fortlaufenden Modifikationen besonders hervor. Erst durch seine Eigenaktivität konstruiert der Lerner eine mentale Repräsentation der neuen Informationen. Diese Wissenskonstruktion ist notwendigerweise höchst »subjektiv«, weil sie auf individuell bereits vorhandenen Wissenselementen und Lernintentionen aufbaut. In den sozio-konstruktivistischen Lerntheorien werden die Rolle der Mit-Lerner und die vielfältigen Interaktions-

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prozesse mit diesen Mit-Lernern für die Prozesse der individuellen Wissenskonstruktion übrigens als besonders wichtig erachtet. Individuelle Lernprozesse – so hat es Lew Wygotski (1934/1977) einmal formuliert – sind ohne soziale Austauschprozesse gar nicht denkbar. Es ist wichtig, eigens darauf hinzuweisen, denn die bisherigen Ausführungen zum Lernen können leicht den Eindruck entstehen lassen, soziale Kontexte spielten beim Lernen keine Rolle. Die soziokonstruktivistische Sichtweise ist aber kein Gegensatz, sondern eine wichtige Ergänzung zur kognitiven. Was folgt daraus für das Unterrichten und Erziehen? Wie kann man die Prozesse der Informationsverarbeitung gezielt beeinflussen, wie erleichtern? Welche Rolle spielt die Lernmotivation dabei und was ist mit den Emotionen, die jeden Lernprozess begleiten? Im sechsten Kapitel wird deutlich gemacht, dass sich Lehrmethoden ganz wesentlich darin unterscheiden, wie sehr sie eine Außensteuerung der Informationsverarbeitung für möglich, hilfreich oder gar notwendig erachten. Bei einigen Lehrmethoden gelten die Eigenverantwortlichkeit und die Selbsttätigkeit der Lerner als unverzichtbare Bedingungen für den Aufbau von Wissen und Können – in anderen Ansätzen wird großer Wert darauf gelegt, dass der Lernstoff möglichst gut vorstrukturiert und zum leichten Nachvollzug dargeboten wird. Ein Zwischenfazit ist an dieser Stelle möglich: Kognitives Lernen ist nichts anderes als ein Umstrukturieren, also eine Veränderung bereits vorhandener Wissensrepräsentationen als Folge einer »guten Informationsverarbeitung«. Lernen als Verhaltensänderung erfolgt über eine Verknüpfung von Ereignissen miteinander und/oder mit ihren Ereignisfolgen und lässt sich assoziationstheoretisch erklären. In beiden Fällen braucht es die richtigen Lerngelegenheiten, damit Lernen überhaupt stattfinden kann und es bedarf einer ausreichenden Lernmotivation, damit mit dem Lernen begonnen wird. Hier kommen die Lehrer und Erzieher ins Spiel. Sie müssen aber nicht nur über die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Lernens Bescheid wissen, sondern auch darüber, dass unterschiedliche Kinder (und Jugendliche) unterschiedlich gut lernen können, dass die individuellen Lernfähigkeiten bestimmten Entwicklungsverläufen folgen und dass es darüber hinaus Rahmenbedingungen schulischen Lernens gibt, auf die sie nur wenig Einfluss haben.

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Lerner sind unterschiedlich Auch wenn man die Lerngesetze kennt und berücksichtigt und selbst wenn man den Gesetzmäßigkeiten der Gedächtnisbildung hinreichend Rechnung trägt, wird eines nicht ausbleiben: Die Lernergebnisse der Kinder werden unterschiedlich gut ausfallen. Nicht alle können alles lernen. Auch der beste Unterricht wird nicht dazu führen, dass am Ende alle alles wissen und können. Zunächst einmal liegt das daran, dass die individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder unterschiedlich sind. In ihren extremen Ausprägungen reicht diese Unterschiedlichkeit von den hochbegabten Lernern am einen Ende des Fähigkeitsspektrums bis zu den beeinträchtigten oder behinderten Lernern am anderen Ende. Aber auch jenseits dieser extremen Lernbesonderheiten, also im »Normalbereich«, differieren die Lernfähigkeiten der Kinder erheblich. Worin unterscheiden sie sich genau? Jedes Kind ist eine individuelle Persönlichkeit und unterscheidet sich in der Ausprägung der für das Lernen relevanten Persönlichkeitsmerkmale von anderen Kindern. Dabei sind die individuellen Ausprägungen – man denke nur an Persönlichkeitsmerkmale wie die Leistungsmotivation, den Fleiß, die Gewissenhaftigkeit, die Ängstlichkeit oder die kognitive Leistungsfähigkeit – gar nicht unveränderlich und für alle Zeiten festgelegt und es ist auch gar nicht so leicht zu sagen, zu welchen Anteilen die jeweiligen Merkmalsausprägungen in Sozialisationsprozessen erworben (erlernt) oder als individuelle Dispositionen mitgebracht (ererbt) worden sind. Offensichtlich ist aber: Lerner unterscheiden sich in den Merkmalen, die für das Lernen wichtig sind! Welche Merkmale sind das?

Individuelle Voraussetzungen erfolgreichen Lernens Hasselhorn und Gold (2013) haben fünf Mechanismen oder Funktionen als besonders wichtig für das erfolgreiche Lernen erachtet und entsprechend von den fünf wichtigsten individuellen Voraussetzungen erfolgreichen Lernens gesprochen. Im Einzelnen sind das (1) die selektive Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis, (2) das Vorwissen, (3) die Lernstrategien und ihre metakognitive Regulation, (4) die Lernmotivation und die lernrelevanten Selbstkonzepte

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sowie (5) die Volition und die lernbegleitenden Emotionen. Die fünf Merkmalsbereiche wirken beim Lernen funktional zusammen. In ihren jeweiligen Ausprägungen ermöglichen und beschränken sie das Ausmaß des individuell erreichbaren Lernerfolgs. Prozesse der selektiven Aufmerksamkeit sind wichtig, wenn es um die Identifikation und frühe Auswahl von Reizqualitäten geht, die für eine weitergehende Verarbeitung in das Kurzzeit- oder Arbeitsgedächtnis eines Lerners gelangen. Die Fähigkeit, bedeutsame von irrelevanten Reizen unterscheiden zu können, und die Fähigkeit, die als relevant betrachteten Reize (die damit zu Informationen werden) gezielt fokussieren zu können, ist eine wichtige Voraussetzung guter Informationsverarbeitung. Menschen unterscheiden sich hinsichtlich dieser Fähigkeit. Über das Arbeitsgedächtnis wurde oben bereits gesprochen. Wichtig zu wissen, dass es auch hier interindividuelle Unterschiede gibt, dass sich also Lerner darin unterscheiden, wie gut ihr Arbeitsgedächtnis funktioniert. Normalerweise sind die Unterschiede nicht besonders groß, aber ausgeprägte Entwicklungsverzögerungen, sowie strukturelle oder prozessuale Defizite in den Teilbereichen des Arbeitsgedächtnisses können Ursachen für individuelle Lernschwierigkeiten sein. Meist sind die Teilbereiche des Arbeitsgedächtnisses, die für die Verarbeitung sprachlicher Informationen zuständig sind, sowie die so genannte zentrale Exekutive von solchen Dysfunktionen betroffen. Das Vorwissen ist eine besonders wichtige individuelle Lernvoraussetzung. Wie viel jemand schon weiß oder kann, wird zu einer Erleichterung oder zu einer Hürde für den weiteren Wissenserwerb. Wenn Vorkenntnisse bereits vorhanden sind, profitiert davon die selektive Aufmerksamkeit, weil schneller erkannt wird, ob ein Reiz im Sinne der Lernabsicht informativ ist. Wenn Vorkenntnisse bereits vorhanden sind, können Wissenselemente aus dem Langzeitgedächtnis schneller aktiviert und rascher mit den neuen Informationen verknüpft werden. Wenn Vorkenntnisse existieren, wird schließlich die Lernbereitschaft in aller Regel höher sein und es werden auch geeignete Lernstrategien verfügbar sein, über welche die Lerner mit weniger Vorwissen gar nicht verfügen. Im dritten Kapitel wird darauf eingegangen, was das für das Unterrichten bedeutet. Die Qualität der Informationsverarbeitung lässt sich durch strategische Aktivitäten, die auf die Verarbeitungsprozesse einwirken,

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verbessern. Lernstrategien sind zunächst einmal Pläne zielgerichteter Handlungen, wie z. B. einen neuen Lernstoff zu wiederholen (Memorieren), ihn zum leichteren Verständnis neu zu organisieren bzw. zu reduzieren (Strukturieren), oder auch mit weiteren Informationen anzureichern und zu erweitern (Elaborieren). Wo sie zum Einsatz kommen, sind sie dem Lernerfolg förderlich. Lerner unterscheiden sich darin, ob sie geeignete Lernstrategien kennen. Vor allem aber unterscheiden sie sich darin, ob sie den zielführenden Einsatz und die Funktionsweise von Lernstrategien selbstständig planen, überwachen und steuern können (Selbstregulation). Natürlich muss beim willentlichen Lernen auch eine Lernabsicht vorhanden sein. Von einer intrinsischen Lernmotivation spricht man dann, wenn eine Lerntätigkeit um ihrer selbst willen durchgeführt wird, weil sie als befriedigend erlebt wird oder weil der Lerngegenstand besonders interessant scheint. Extrinsisch motivierte Lernhandlungen werden dagegen vorgenommen, weil sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Ergebnisfolgen führen, die der Lernende als angenehm empfindet (z. B. ein Lob und eine Anerkennung erhalten). Neben der Lern- gibt es die Leistungsmotivation, die in schulischen Zusammenhängen ebenfalls eine große Rolle spielt. Menschen unterscheiden sich in Ausmaß und Richtung ihrer Lern- und Leistungsmotivation und sie sind auch unterschiedlich leicht zu motivieren. Im zweiten Kapitel wird das erneut thematisiert. Eng mit der Lernmotivation und dem Lernverhalten hängt auch das lernrelevante Selbstkonzept einer Person zusammen. Aufgrund von Lernerfahrungen, aus Leistungsrückmeldungen und durch soziale Vergleiche, entwickeln Kinder sehr unterschiedliche Selbstkonzepte ihrer eigenen Fähigkeiten. Solchen Selbstkonzepten kommt eine große Bedeutung für das künftige Lernverhalten zu: Wer zu der Überzeugung kommt, für Mathematik »nicht begabt« zu sein, wird seine Interessen auf anderen Gebieten suchen. Im vierten Kapitel wird es um die unterschiedlichen Formen und Funktionen von Leistungsrückmeldungen gehen. Als Volition bezeichnet man jenen Aspekt des zielgerichteten Handelns, der aus den Handlungsplänen und Lernabsichten Realität werden lässt. Willenskraft, Willensstärke oder Handlungskontrolle sind andere Begrifflichkeiten, die in diesem Zusammenhang gebräuchlich sind. Gemeint ist die Fähigkeit, eine Lernhandlung (für

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die man sich bereits entschieden hat) tatsächlich zu beginnen und gegen allfällige Störungen abzuschirmen. Dazu bedarf es besonderer Kompetenzen der Selbstregulation und der Handlungskontrolle, die bei den Lernern individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Dass beim Lernen auch Emotionen eine große Rolle spielen, ist in den Theorien des verknüpfenden Lernens, vor allem aber in den kognitiven (strukturierenden) Lerntheorien lange Zeit vernachlässigt worden. Es ist ein Verdienst der neurobiologischen Forschung, dass wir inzwischen mehr über die Bedeutsamkeit emotionaler Prozesse und Zustände für das Lernen wissen. Im dritten Kapitel wird beschrieben, dass zur konstruktiven Unterstützung von Lernprozessen auch das Herstellen einer angstfreien und wertschätzenden Atmosphäre gehört.

Entwicklung der allgemeinen Lernvoraussetzungen Lerner sind aber nicht nur voneinander verschieden, weil sie als einzelne Persönlichkeiten je unterschiedliche Lernvoraussetzungen mitbringen. Es hängt auch vom jeweiligen Entwicklungsstand ab, was und wie gut ein Kind lernen kann. Hinzu kommt, dass sich nicht alle Kinder in der gleichen Weise und mit der gleichen Geschwindigkeit entwickeln. Zwar kommt es bei allen Kindern im Laufe ihrer Entwicklung zu alterstypischen Erweiterungen ihres Verhaltensund Lernpotenzials. Es kommt aber darüber hinaus aufgrund ihrer unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten zu differenziellen Entwicklungsverläufen, die zur Folge haben, dass Kinder gleichen Lebensalters nicht notwendigerweise auch den gleichen Entwicklungsstand aufweisen. Über die allgemeinen Entwicklungsverläufe im Hinblick auf die wichtigsten Voraussetzungen erfolgreichen Lernens weiß man mittlerweile recht gut Bescheid. Sie gilt es zu berücksichtigen, wenn der Unterricht geplant wird. Am Begriff der Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft eines Kindes (früher hat man von der »Schulreife« gesprochen), die bei der Einschulung vorausgesetzt wird, lässt sich gut ersehen, dass sich die Pädagogik seit jeher mit den allgemeinen Entwicklungsvoraussetzungen schulischen Lernens beschäftigt hat. Mit zunehmendem Alter der Kinder nimmt die Effizienz der selektiven Aufmerksamkeitsprozesse zu. Dabei ist die Fähigkeit, den

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Wie Kinder lernen und was Lehrer dazu beitragen

als relevant erachteten Informationen Aufmerksamkeit zuzuwenden (Fokussierung) deutlich früher vorhanden als die Fähigkeit, irrelevante Informationen auszublenden (Inhibition). Auch die Teilbereiche des Arbeitsgedächtnisses unterliegen systematischen Entwicklungsveränderungen. Mit zunehmendem Alter verbessert sich die funktionale Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Automatisierung des subvokalen (inneren) Nachsprechens sprachlicher Informationen im sechsten Lebensjahr. Diese Automatisierung eröffnet die Möglichkeit zur Verarbeitung sehr viel größerer Informationsmengen pro Zeiteinheit. Einfache Lernstrategien werden im Allgemeinen schon während der Grundschuljahre erworben, komplexere Lernstrategien erst nach dem 12. Lebensjahr. Schon in den Grundschuljahren kommt es auch zur Herausbildung erster Metakognitionen. Noch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vervollständigt und verfeinert sich ihr lernstrategisches Repertoire. Für die Entwicklung der Lernmotivation und der lernrelevanten Selbstkonzepte lässt sich zunächst einmal beobachten, dass bereits im Vorschulalter selbst herbeigeführte Handlungsergebnisse mit positiven Emotionen verknüpft werden und dass Kinder schon früh ein Bedürfnis nach Selbstbestimmung und -verursachung sowie nach eigenem Kompetenzerleben haben. Kleine Kinder sind dabei überoptimistisch und glauben, dass sie alles erreichen können, wenn sie es nur wollen. Eine solche selbstwertschützende Grundüberzeugung macht erst im achten Lebensjahr einer realistischeren Selbsteinschätzung Platz. Verantwortlich dafür sind Erfahrungen von Handlungsergebnissen, Rückmeldungen durch die Lehrerinnen und Lehrer und die Wirksamkeit sozialer Vergleiche. Für die Selbstkonzeptentwicklung der Kinder spielen solche Erfahrungen eine wichtige Rolle. Erst im Anschluss an das Grundschulalter kommt es zur Festigung eines individuellen Leistungsmotivsystems. Ein solches System ist entweder erfolgszuversichtlich orientiert (was für das Lernen günstig ist) oder misserfolgsängstlich bzw. -vermeidend (was für das Lernen eher ungünstig ist). Die Entwicklung der Fähigkeit zur volitionalen Handlungskontrolle ist eng mit der Entwicklung der Selbstregulation verbunden. Wie bei den Lernstrategien gilt auch hier, dass die entsprechenden Kompetenzen noch bei Jugendlichen und im Erwachsenenalter Veränderungen erfahren.

Rahmenbedingungen schulischen Lernens43

Es gibt weitere Entwicklungsvoraussetzungen erfolgreichen schulischen Lernens, die hier nicht eigens dargestellt werden können. Dazu gehören sprachliche, sozial-emotionale und das Sozialverhalten betreffende Kompetenzen, die oft bereits in den vorschulischen Einrichtungen eine frühe Förderung erfahren (Gold, 2011; Gold & Dubowy, 2013). Als wichtige Lernvoraussetzungen bei der Einschulung gelten beispielsweise ein altersangemessenes Sprachund Sprechverhalten sowie eine entsprechende Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft und eine funktionierende Aufmerksamkeitsund Wahrnehmungsfähigkeit. Im sozialen Bereich sind es vor allem eine altersangemessene Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, die Kooperationsbereitschaft und das Regelbewusstsein. Im motorischen Bereich müssen fein- und grobmotorische Grundfertigkeiten beherrscht werden. Kurz: Schulanfänger sollten also über einen altersgemäßen Wortschatz verfügen, zuhören können, Anweisungen verstehen und ausführen können, sich auf eine Sache konzentrieren können, sich an Regeln halten können, hilfsbereit sein und Hilfen annehmen können, sich selbstständig an- und ausziehen können und einen Stift richtig halten können. Wird die (medizinische) Schuleingangsuntersuchung bereits zu Beginn des letzten Kindergartenjahres durchgeführt, lassen sich die zusätzlichen Förderbedarfe einzelner Kinder rechtzeitig erkennen.

Rahmenbedingungen schulischen Lernens Es kommt nicht nur auf die Lehrer und auf die individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder an! Lerntheorien und Gedächtnismodelle, unterschiedliche individuelle Lernvoraussetzungen und den Entwicklungsstand dieser Lernvoraussetzungen angemessen berücksichtigt und in Rechnung gestellt und dies alles mit einem hervorragenden Unterricht verbunden: Das Ausmaß des individuellen Lernerfolgs ist damit noch immer nicht hinreichend bestimmt. Das hat damit zu tun, dass es eine Reihe von Rahmenbedingungen schulischen Lernens gibt, die ebenfalls eine Rolle spielen. Auf die meisten dieser Rahmenbedingungen können Sie als Lehrperson zwar nicht so unmittelbar Einfluss nehmen wie auf die Gestaltung des Lehr-Lern-Geschehens im Unterricht. Ganz ohne Einflussmöglichkeiten sind Sie aber nicht: Lehrerinnen und Lehrer können durch eigenes Engagement ihre Schule gestal-

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ten und verändern, können soziale Prozesse in einer Klasse initiieren und lenken und die Arbeit mit den Eltern intensivieren. Es spielt eine Rolle, auf welcher Schule und in welcher Klasse ein Schüler unterrichtet wird, ob er in seinem Elternhaus lernrelevante Unterstützung und Zuwendung erhält und wie dies genau geschieht. Es kommt auf den Freundeskreis an, in dem sich ein Schüler bewegt und darauf, welche lern- und leistungsrelevanten Einstellungen und Überzeugungen dort vorherrschen. Und es kommt darauf an, wie sehr die Nutzung von Unterhaltungsmedien die außerschulischen Aktivitäten dominiert. Rahmenbedingungen können in positiver, aber auch in beeinträchtigender Weise den Lernerfolg beeinflussen. Naturgemäß wird den beeinträchtigenden Faktoren im Allgemeinen eine größere Aufmerksamkeit zuteil – oft werden sie als Risikofaktoren bezeichnet. Eine ungünstige häusliche Lernumgebung, ein »falscher« Freundeskreis oder ein übermäßiger Medienkonsum werden in diesem Zusammenhang häufig genannt. Dass die zuwanderungsbedingte Mehrsprachigkeit eines Kindes gelegentlich ebenfalls als Risikofaktor für den schulischen Lernerfolg bezeichnet wird, bedarf einer Klarstellung: Richtig ist zwar, dass unter den mehrsprachig aufwachsenden Kindern Schulleistungsprobleme häufiger auftreten als unter den Kindern mit ausschließlich deutscher Familiensprache. Nicht zutreffend ist allerdings die Schlussfolgerung, die Mehrsprachigkeit als solche sei dafür ursächlich. Spracherwerbsforscher unterscheiden mehrere Spracherwerbstypen mit unterschiedlich guten Aussichten, die spätere (deutsche) Unterrichtssprache genauso gut zu beherrschen wie die »Muttersprache«. Sie sind der Auffassung, dass der simultan bilinguale Erstspracherwerb (wenn das Kind bereits innerhalb der ersten beiden Lebensjahre regelmäßig Kontakt zu zwei Sprachen hat) nach ähnlichen Mustern und ähnlich erfolgreich verläuft wie der monolinguale Spracherwerb. Auch für den frühen Zweitspracherwerb (wenn die zweite Sprache vor dem fünften Lebensjahr hinzukommt) wird das noch so gesehen. Nur für den späten Zweitspracherwerb können die natürlichen Sprachlernfähigkeiten aus dem Erstspracherwerb nicht mehr in vollem Maße genutzt werden. Entscheidend für das Gelingen des Zweitspracherwerbs ist ein ausreichender sprachlicher Input in dieser Sprache. Wenn es am geeigneten sprachlichen Input fehlt, leidet der Kompetenzerwerb in der Zweit- bzw. späteren Unterrichtssprache.

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Nicht die Mehrsprachigkeit ist also das Problem, sondern ein unzureichender sprachlicher Input in der jeweiligen Erwerbsphase. Wo sprachliche Defizite vorliegen, beinträchtigen sie den Erwerb schriftsprachlicher Kompetenzen in den Eingangsklassen. Wenn die Eltern eines Kindes die deutsche Unterrichtssprache nicht oder nur unzureichend beherrschen, können sie ihre Kinder bei den Hausaufgaben nicht ausreichend unterstützen. Wenn zuhause nicht die Sprache gesprochen wird, in welcher der Unterricht gehalten wird, sind die Nachteile der Zuwanderungskinder deshalb besonders groß. Oft geht das mit einer ungünstigen sozialen Situation der Familie einher, einem bekannten Risikofaktor erfolgreichen Lernens. Ungünstig ist dabei gar nicht in erster Linie das geringere ökonomische Kapital. Noch wichtiger als das ökonomische ist das kulturelle Kapital einer Familie. In der Bildungssoziologie bezeichnet man damit den Besitz und Gebrauch kultureller Güter und die Verfügbarkeit von Bildungsressourcen, auf die ein Kind in seiner Familie zurückgreifen kann. Das Ausmaß zuhause erfahrener Lernunterstützung gehört dazu sowie ein emotional-akzeptierendes und kognitiv-anregendes Klima. Eltern können sich für die Hausaufgaben ihrer Kinder interessieren oder nicht, Diktate mit ihnen üben und Vokabeln abfragen, sie Musikinstrumente spielen lassen und ihnen als Vorbilder den Zugang zu literalen Bildungswelten weisen. Der Umgang mit Gleichaltrigen ist Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen eine Hilfe, um mit Unsicherheiten und Belastungen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben besser fertig zu werden. Kooperative Lehrformen machen sich die vergleichsweise geringe Distanz und die Gleichstellung der Akteure in solchen Peer-Beziehungen explizit zunutze – im sechsten Kapitel wird das geschildert. Peer-Beziehungen können für die schulische Leistungsentwicklung von Kindern aber zum Problem werden, wenn sie die Lern- und Leistungsmotivation ungünstig beeinflussen. Das ist der Fall, wenn sich Gruppierungen zusammenfinden, die Schule und Lernen »blöd« finden, und wenn auf diese Weise ein Gruppendruck entsteht, der dem Lernverhalten nicht förderlich ist. Auch der umgekehrte Fall günstiger Effekte ist natürlich denkbar: Wenn Peer-Beziehungen dazu führen, dass ein Schüler von seiner Lerngruppe angespornt und »mitgerissen« wird. Dass ein zeitlich übermäßiger Medienkonsum in aller Regel mit

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einer ungünstigeren schulischen Leistungsentwicklung einhergeht, ist hinreichend bekannt. Das liegt wohl vor allem daran, dass der Medienkonsum andere, das Lernverhalten potenziell mehr stimulierende Beschäftigungen hemmt bzw. verdrängt. Fernsehen im Kleinkindalter ist mit Nachteilen für die Sprachentwicklung verbunden, ein hoher Medienkonsum im Grundschulalter geht mit schlechteren Schulleistungen und niedrigeren Übertrittempfehlungen in das weiterführende Schulwesen einher. Je höher der elterliche Bildungsabschluss ist, desto weniger Zeit verbringen ihre zehnjährigen Kinder vor dem Bildschirm oder an der Spielkonsole. Kinder aus Zuwanderungsfamilien und Jungen weisen einen höheren Medienkonsum auf als Kinder ohne Migrationshintergrund und Mädchen. Die Eltern der mehrsprachigen Kinder haben auch seltener einen höheren Bildungsabschluss. Die bislang geschilderten Rahmenbedingungen schulischen Lernens waren außerschulische. Es gibt aber auch Rahmenbedingungen des Unterrichts, die direkt mit der Schule zu tun haben. Denn die unterschiedlichen Schulformen, Schulen und Schulklassen bieten unterschiedliche Lernmilieus, in denen unterschiedlich gut gelernt werden kann. Erkenntnisse darüber verdanken wir vor allem den Studien des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Jürgen Baumert und seine Kollegen haben so genannte Kompositionseffekte, also Effekte der Zusammensetzung einer Lerngruppe, am Beispiel von Hauptschulen und Hauptschulklassen, beschrieben: Wenn die Zusammensetzung der Schülerschaft einer Klasse oder Schule besonders »ungünstig« ist, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit einer positiven Lern- und Leistungsentwicklung für jeden einzelnen Schüler geringer. Als besonders ungünstig gilt eine Häufung von Risiko- und Belastungsfaktoren in einer Lerngruppe (wenn z. B. besonders viele Kinder aus Zuwanderungsfamilien stammen, aus unvollständigen Familien und aus Familien, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind). Schülerinnen und Schüler in solchen »Problemschulen« oder »Problemklassen« leisten oftmals weniger, als aufgrund ihrer individuellen Lernvoraussetzungen zu erwarten wäre. Das gilt analog – wenn auch die empirischen Belege hier nicht ganz so überzeugend ausfallen – für die Leistungsentwicklung von Kindern, die trotz guter Lernvoraussetzungen und überzeugender Grundschulleistungen ihre Schullaufbahn nicht auf einem Gymnasium, sondern auf einer Haupt- oder Realschule fortgesetzt haben.

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Was Lehrer zum Lernen beitragen Ganz viel, wenn auch die vorangegangenen Ausführungen mitunter den Eindruck erweckt haben mögen, das Lernen finde auch ohne sie statt. Denn die Lehrer und Erzieher sind es, die die Verhaltenskontingenzen, also die Verstärkungen und Rückmeldungen beim verknüpfenden Lernen bewusst planen und gezielt einsetzen. Die Lehrpersonen sind es auch, die beim Beobachtungslernen etwas vormachen oder vorzeigen und beim strukturierenden Lernen Informationen darbieten, interessante Problemstellungen auswählen und präsentieren, ihren Schülern bei der Problemlösung zur Seite stehen sowie die Lerngruppen für kooperativen Lehrformen zusammenstellen. Durch die Art ihrer Stoffdarbietung erleichtern die Lehrpersonen die Fokussierung der Aufmerksamkeit, entlasten die beschränkte Aufnahmekapazität des Arbeitsgedächtnisses und fördern den Einsatz von Lernstrategien. Indem sie in geeigneter Weise Rückmeldungen geben, stärken sie das Selbstwertgefühl der Lerner und kräftigen die lernrelevanten Selbstkonzepte. Im Bemühen um eine angstfreie Lernatmosphäre steigern sie die Lernfreude und die Lernmotivation. Nicht immer gelingt das so gut, wie man möchte. Es gibt Darbietungen, welche die Aufnahmefähigkeiten der Schüler deutlich überfordern, manche Erklärung ist schlecht strukturiert, manche Rückmeldungen beschädigen das Selbstwertgefühl der Lerner und lösen Ängste oder Vermeidungsverhalten aus. Wir werden uns in den Kapiteln zwei bis sechs genauer mit den Bedingungen erfolgreichen Lehrerhandelns beschäftigen. Fast nichts, das hätte man auf die letzte Zwischenüberschrift auch antworten können, weil es bei allem Mühen und Streben der Lehrpersonen am Ende doch die Schülerinnen und Schüler selber sind, die lernen müssen. Das, was die Lehrer beitragen, mag notwendig sein, hinreichend für den Lernerfolg der Kinder ist es jedenfalls nicht. Andreas Helmke (2014) hat das im so genannten AngebotsNutzungs-Modell folgendermaßen beschrieben: Unterricht (also Lehren) ist immer nur ein Angebot, das von den Schülern mehr oder weniger intensiv genutzt wird. Erst das Ausmaß der Nutzung bestimmt den Ertrag (also die Wirkungen) des Unterrichtsangebots, nicht das Angebot an sich. Natürlich ist es besser und es macht die Nutzung und den Lernertrag wahrscheinlicher, wenn das unter-

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richtliche Angebot qualitativ gut ist – aber auch ein noch so gutes Angebot bietet noch keine Garantie, dass es auch tatsächlich genutzt wird. Schulisches Lernen fällt leichter, wenn es ein gutes unterrichtliches Angebot gibt. Andere Einflussgrößen als die Unterrichtsqualität bestimmen allerdings mit darüber, ob eine Lerngelegenheit tatsächlich zu Lernaktivitäten führt. Da sind in erster Linie die Lernmotivation und die Anstrengungsbereitschaft der Schüler zu nennen, die ihrerseits wiederum durch andere Faktoren beeinflusst werden. Auch die kognitiven Lernvoraussetzungen und eine Reihe von Kontextmerkmalen haben Einfluss darauf, ob Lernaktivitäten initiiert werden. Natürlich fällt auch das unterrichtliche Angebot nicht einfach so vom Himmel. Die professionellen Kompetenzen, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Ausbildung erworben haben, und ihre Überzeugungen bedingen ihr unterrichtliches Handeln. Im abschließenden siebten Kapitel wird darauf eingegangen.

Wozu dieses Buch beitragen kann Die meisten Lehrerinnen und Lehrer werden ihre eigenen Vorstellungen über »guten Unterricht« haben – und auch die allermeisten Wissenschaftler aus der Schulpädagogik und aus den fachdidaktischen Disziplinen haben klare Vorstellungen darüber, was guten Unterricht ausmacht. Erfahrungsbasiert sind diese individuellen Vorstellungen und Überzeugungen in aller Regel schon; allerdings sind es häufig nur die eigenen, subjektiven Erfahrungen, die den Überzeugungen zugrunde liegen, oder tradierte didaktische Erfahrungswerte. Nicht immer reichen diese Erfahrungen aus, um bei auftretenden Schwierigkeiten kompetent handeln zu können. Eine Reihe kluger Bücher sind darüber geschrieben worden, wie Lehrer unterrichten sollen, damit Kinder lernen. Schon die Buchtitel sind meist vielversprechend: Wie Lernen gelingt! Lernwirksam unterrichten! Auf die Lehrer kommt es an! Wie Kinder heute lernen! Die 15 Gebote des Lernens! In den meisten Büchern werden am Ende Regeln oder Gesetze aufgestellt, um die wichtigsten Anliegen und Erkenntnisse möglichst plakativ zu transportieren: Wie man richtig lobt und tadelt! Dass man ausreichend wiederholen und üben lassen soll! Warum es mehr Ganztagsschulen geben muss! Weshalb es keine Hausaufgaben geben darf! Dass das Lernen genügend Zeit

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braucht! Wie man zum Lernen motiviert! Dass man eine angstfreie Lernatmosphäre schaffen muss! Dass bei der Stoffvermittlung weniger meist mehr ist! Dass man besser behält, was man vorher auch verstanden hat! In den allermeisten Fällen sind das normativ-präskriptive Empfehlungen, wie es den Traditionen der Allgemeinen Didaktik und einer geisteswissenschaftlichen Pädagogik entspricht. Falsch sind sie deshalb nicht. Oft fußen sie sogar auf lernpsychologischen Erkenntnissen. Hilft Hattie? Die Bücher des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie (2013; 2014) gelten zu Recht als Meilensteine der empirischen Schulund Unterrichtsforschung, weil sie die Befunde aus mehr als 50.000 Einzelstudien und mehr als 900 Metaanalysen zu den Einflussfaktoren schulischer Leistungen bündeln und in einer Rangreihe ihrer Wirksamkeit ordnen. Metaanalysen aggregieren die Ergebnisse vieler einzelner empirischer Studien im Hinblick auf einen interessierenden Effekt. In einem von John Hattie und Eric Anderman (2013) herausgegebenem Handbuch ist für die bedeutsamsten dieser Einflussfaktoren kurz und prägnant dargestellt, worauf unser Wissen über ihre Wirksamkeit im Einzelnen beruht. John Hattie hat 815 (Hattie, 2013) bzw. 930 (Hattie, 2014) Metaanalysen in seine Auswertungen einbezogen und so die Effektstärken für 138 bzw. 150 Einzelfaktoren berechnet, die er zur besseren Übersicht in sechs thematische Einflussgruppen sortiert. Wo im Folgenden auf Hatties Einzelfaktoren Bezug genommen wird, geschieht dies stets auf der Datenbasis der neueren Monografie (Hattie, 2014). Für jeden Einflussfaktor (z. B. für die Klassengröße oder für das Feedback) hat Hattie dessen Effekt auf die schulische Lern- und Leistungsentwicklung bestimmt, indem er rechnerisch alle Ergebnisse der zu diesem Faktor bereits vorliegenden Metaanalysen zu einer einzigen Maßzahl verdichtet hat. Diese Maßzahl, der so genannte d-Wert, spielt in Hatties Argumentation, aber auch in den Metaanalysen insgesamt, eine entscheidende Rolle. Vereinfacht gesagt drückt sich in einem d-Wert die (standardisierte) Differenz zwischen zwei Mittelwerten aus. Üblicherweise ist das die Differenz zwischen dem (Leistungs-)Mittelwert in einer Interventionsgruppe, die eine besondere pädagogische Behandlung (z. B. ein Feedback)

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erfahren hat, und dem (Leistungs)-Mittelwert in einer Kontroll- oder Vergleichsgruppe, die eine solche Behandlung nicht erfahren hat. Eine Effektstärke von d = 1.00 drückt beispielsweise aus, dass die mittleren Leistungen in einer Interventionsgruppe (etwa nach Einführung einer besonderen Fördermaßnahme) um die Einheit einer Standardabweichung höher ausfallen, als die mittleren Leistungen in der Kontrollgruppe. Eine Standardabweichung ist eine Maßzahl für die durchschnittliche Abweichung der Einzelwerte vom Mittelwert einer Verteilung. Leistungswerte von Personen oder Gruppen, die eine Standardabweichung oder mehr über dem Mittelwert einer Werteverteilung liegen, sind überdurchschnittlich zu nennen. Normalverteilte Leistungswerte vorausgesetzt, wäre bei einer Effektstärke von d = 1.00 allein schon die durchschnittliche Leistung eines besonders geförderten Schülers besser als die Leistungswerte von 84 Prozent derjenigen, die keine Förderung bekommen hätten. Eine Effektstärke von d = 1.00 wäre mithin ein besonders großer und damit leicht (»mit dem bloßen Auge«) sichtbarer Effekt, wenn auch nicht ganz so groß, wie es in der deutschen Übersetzung und in den Rezeptionen der Hattie-Studie oft erscheinen mag: Dort wird nämlich zur Veranschaulichung der Eindruck vermittelt, der Unterschied zwischen einer 160 cm und einer 183 cm großen Person würde einer solchen Effektstärke von d = 1.00 entsprechen. Eine Differenz von 23 cm dürfte aber wohl eher einer Effektstärke von d = 2.00 nahe kommen und damit in der Tat einen besonders großen, augenscheinlich sichtbaren Unterschied markieren. Natürlich ist es auffällig, wenn eine Person um etwa einen Kopf größer ist (23 cm) als eine andere. Nur liegt das in den einschlägigen Statistiken berichtete Streuungsmaß einer Standardabweichung (bzw. einer Effektstärke von d = 1.00) für die Körpergröße üblicherweise aber nur bei 12 und nicht bei 23 Zentimetern. In der empirischen Bildungsforschung sind Effektstärken von d = 1.00 oder gar größer ausgesprochen selten. Hattie definiert bei einer Effektstärke von d = 0.40 einen so genannten Umschlagpunkt, der eine pädagogische Maßnahme relevant macht. Zur Beurteilung eines Effekts sei nämlich nicht der Nullpunkt (d = 0.00) der richtige Referenzmaßstab, sondern ob die pädagogische Maßnahme »über das Normale hinaus« wirksam sei. Das »Normale« ist für Hattie ein Konglomerat aus naturwüchsigen Entwicklungs- und typischen

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Schulbesuchseffekten. Ab d = 0.40 ist das »Normale« überschritten. Die durchschnittliche Leistung eines besonders geförderten Schülers wäre nun besser als die Leistungswerte von 66 Prozent derjenigen, die keine Förderung bekommen hätten. Einflussfaktoren, die d-Werte  0.40) liegen würde, was nicht ohne Auswirkungen auf John Hatties Argumentationsmuster bleiben könnte, weil es sich bei der Direkten Instruktion um einen der tragenden Pfeiler des aktiv lenkenden Unterrichtens handelt. Vergesst Hattie! John Hattie hat recht: »Wir verbringen viel zu viel Zeit damit, über einzelne Methoden des Unterrichtens zu sprechen« (Hattie, 2014, S. 94). Nur trägt er mit seinem Ranking selbst dazu bei, weil er im Wesentlichen die Effektivität von Lehrmethoden überprüft: »Reziprokes Lehren« (d = 0.74) auf Rangplatz 11, »Problemlösendes Lernen« (d = 0.61) auf Rangplatz 24, »Direkte Instruktion« (d = 0.59) auf Rangplatz 29 und »Kooperatives Lernen« (d = 0.41) insgesamt auf Rang-

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Die richtigen Lehrmethoden einsetzen

platz 65. Wenn man das Kooperative aber mit dem »Individualistischen Lernen« vergleicht (d = 0.59), resultiert Rangplatz 28 und im Vergleich mit dem »Kompetitiven Lernen« (d = 0.54) resultiert Rangplatz 35. Und noch weitere Unterrichtsmethoden lassen sich unter den 150 Einflussfaktoren ausmachen: »Lernen aus Fallbeispielen« (d = 0.57) auf Rangplatz 32, »Methoden des Peer-Tutoring« (d = 0.55) auf Rangplatz 34, die so genannten »Keller-Pläne« (d = 0.53) auf Rangplatz 40, das »Forschende Lernen« (d = 0.31) auf Rangplatz 92, die »Programmierte Instruktion« (d = 0.23) auf Rangplatz 105, »Problembasiertes Lernen« (d = 0.15) auf Rangplatz 128 und die »Freiarbeit« (d = 0.04) auf Rangplatz 144, um nur einige aufzuführen. Hinzu kommt eine ganze Reihe spezifischer Fördermethoden, vor allem zur Steigerung der Lesekompetenz (Hattie, 2013; 2014). Das Ranking der Methoden hilft nicht wirklich. Im Prinzip lässt sich mit allen Unterrichtsmethoden guter Unterricht machen, soweit es den Lehrern dabei gelingt, die Schüler zum Denken herauszufordern und ihre individuellen Lernprozesse konstruktiv zu unterstützen. Dabei den Schülern informative Rückmeldungen zu ihren Lernfortschritten zu geben und die Ergebnisse der formativen Lernstandserhebungen für die eigene Unterrichtsgestaltung zu nutzen. Und eine Klasse so zu führen, dass disziplinarische Interventionen möglichst überflüssig werden. Für jede einzelne Unterrichtsmethode ist deshalb die Frage zu stellen: Wie sehr wird bei ihrer Anwendung den Qualitätsdimensionen (also den Tiefenstrukturen) guten Unterrichts Rechnung getragen? Kognitiv aktivieren kann ein Lehrervortrag am Ende genauso wie das Arbeiten mit Fallbeispielen. Und ein mehr oder weniger wertschätzender Umgang mit den Schülern hängt auch nicht von der Auswahl einer bestimmten Lehrmethode ab.

Lehrmethoden sind nicht alles Dass die Lehrmethoden erst zum Ende dieses Buches behandelt werden, sollte auch deutlich machen, dass die in den vorangegangenen Kapiteln skizzierten Qualitätsdimensionen von Unterricht wichtiger sind als die unterrichtlichen Methoden. Wie bereits erwähnt, kommt es weniger auf die Auswahl einer Methode als vielmehr auf die Qualität ihrer Umsetzung an. Natürlich haben Lehrerinnen und Lehrer

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dessen ungeachtet ihre persönlichen Vorlieben und Voreinstellungen, wenn es um Lehrmethoden geht. Oft speisen sich diese Auffassungen aus eigenen Erfahrungen, nicht selten sogar aus Erfahrungen, die in die eigene Schulzeit zurückreichen. Interessant ist es nun, wenn man die Vorlieben der Lehrpersonen mit den empirischen Befunden der Bildungsforscher vergleicht. Olaf Köller, Johanna Möller und Jens Möller (2013) haben genau das getan. Zu 26 ausgewählten Einzelfaktoren der Hattie-Studie haben sie Schulleiter, Lehrpersonen, Lehramtsstudierende und Eltern gefragt, wie sehr sie den jeweiligen Faktor (z. B. das Feedback, den »offenen« Unterricht, die Klassengröße oder die Lernmotivation der Schüler) als bedeutsam im Hinblick auf die Leistungsentwicklung der Schüler einschätzen. Mehr als 900 Personen haben dazu ihre subjektiven Überzeugungen kundgetan, die meisten von ihnen Lehramtsstudierende und Lehrer. Natürlich lässt sich kaum sagen, inwieweit sich in ihren Aussagen tatsächliche Überzeugungen, »angelesenes Wissen« und Wunschvorstellungen mischen. Dennoch sind die relativen Diskrepanzen zwischen John Hatties Effektgrößen und den subjektiven Einschätzungen der Pädagogen bemerkenswert. In Bezug auf die Bedeutsamkeit der individuellen Lernvoraussetzungen für den Lernerfolg überschätzen die Pädagogen beispielsweise den Einfluss von Lernmotivation und Selbstvertrauen und unterschätzen den Einfluss des Vorwissens. Die Bedeutsamkeit von Strukturmerkmalen wird im Allgemeinen überschätzt. Dass eine Reduzierung der Klassengrößen von Vorteil für die Leistungsentwicklung der Schüler wäre, glauben vor allem die Lehramtsstudierenden, teilweise aber auch noch die Lehrpersonen – wiederum im Gegensatz zu der von Hattie berichteten Befundlage. Aus der Sicht der Unterrichtsforschung interessieren die Faktoren, die sich auf den Unterricht und das Lehrerhandeln im engeren Sinn beziehen. Vor allem der lehrergesteuerte Unterricht (Direkte Instruktion) hat demzufolge – wenig überraschend – »ein deutliches Imageproblem« bei den pädagogischen Praktikern, wie es die Autoren treffend zusammenfassen (S. 64). Seine Wirksamkeit wird nämlich im Kontrast zu Hatties Effektstärken am deutlichsten unterschätzt, und zwar von Schulleitungen, Lehrpersonen und Studierenden sowie von den Eltern gleichermaßen. Zugleich wird die Wirksamkeit der offenen, problemorientierten Methoden teilweise

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Die richtigen Lehrmethoden einsetzen

deutlich überschätzt. Wahrscheinlich muss man sich dieses »Zerrbild« über die relative Wirksamkeit der Unterrichtsmethoden vor Augen halten, um John Hatties vehementes Plädoyer für ein stärker lehrergelenktes Vorgehen besser verstehen zu können. Hattie sieht sich hier als »Aufklärer«. Es ist zweifellos wichtig, die subjektiven Überzeugungen von Lehrpersonen und Lehramtsstudierenden einzubeziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, wenn es um die Aus- und Weiterbildung von Lehrern geht und um einen Transfer bildungswissenschaftlicher und fachdidaktischer Forschungsergebnisse in den Unterricht. Denn die subjektiven Überzeugungen sind ausgesprochen verhaltenswirksam, sie sind ein Teilaspekt professioneller Kompetenz. Wenn sie zu sehr vom wissenschaftlich gesicherten Kenntnisstand abweichen, können sie die Lernwirksamkeit von Unterricht beeinträchtigen. Jürgen Baumert und Mareike Kunter (2006; 2011) haben die Überzeugungen und subjektiven Theorien, die Lehrpersonen über Lernen und Lehren haben, deutlich vom eigentlichen Kern der pädagogischen Professionalität, dem professionellen Wissen und Können, unterschieden. Sie halten zwar eine mehrdimensionale Sichtweise für notwendig, um die für das erfolgreiche pädagogische Handeln notwendigen Kompetenzen insgesamt zu beschreiben, betonen aber den herausgehobenen Stellenwert des (empirisch gesicherten) wissenschaftlichen Wissens im Vergleich zum (subjektiven) Überzeugungswissen. Professionelles pädagogisches Handeln resultiert aus einem Zusammenspiel (1) des gesicherten Professionswissens mit (2) den professionellen, aber subjektiven Überzeugungen und Präferenzen sowie (3) der Motivation und der Selbstwirksamkeitsüberzeugung von Lehrpersonen und (4) ihrer Fähigkeit zur beruflichen Selbstregulation. In der COACTIV-Studie (s. o.) haben Baumert und Kunter untersucht, wie diese vier Kompetenzaspekte mit Merkmalen der Unterrichtsqualität und mit den Leistungsentwicklungen von Schülerinnen und Schülern zusammenhängen (Kunter et al., 2011). Auf die vier Kompetenzaspekte, vor allem aber auf die notwendige Fähigkeit zum selbstregulativen Umgang mit beruflichen Belastungen, wird im abschließenden ▶ Kap. 7 ausführlicher eingegangen.

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Die eigenen Ressourcen schonen

Lehren ist eine anspruchsvolle, verantwortungsvolle und befriedigende Tätigkeit. Lehren kann man lernen – und verbessern. In der Lehreraus- und -weiterbildung spielen die in den vergangenen Kapiteln skizzierten Merkmale guten Unterrichts, die die empirische Lehr-Lern-Forschung herausgefunden hat, bereits eine wichtige Rolle. So werden sie Teile des pädagogisch-psychologischen Professionswissens und einer daraus resultierenden Handlungskompetenz. Je mehr Lehrerinnen und Lehrer über Lehren und Lernen wissen, umso leichter wird es ihnen fallen, das pädagogisch-psychologische Wissen und Können mit dem fachlichen und dem fachdidaktischen Wissen und Können zu verknüpfen, um professionell zu handeln. Bereits in den vorangegangenen Kapiteln ist der Blick deshalb ausschließlich auf die Lehrperson und auf ihr pädagogisches Handeln gerichtet worden. In ihr wird der entscheidende Ansatzpunkt möglicher Veränderungen gesehen und weniger in den schulorganisatorischen Strukturen oder in der Finanzierung und Steuerung des Schulwesens, wie es populäre »Systemveränderer« meist lautstark fordern (Allmendinger, 2012; Precht, 2013; Wößmann, 2007).Weil man Lehren lernen kann, ist es auch keine »Kunst«, sondern eine mehr oder weniger professionell (und geschickt) betriebene Tätigkeit.8 Zum dauerhaft und nachhaltig erfolgreichen Lehren gehört neben dem professionellen Wissen und Können auch, dass man um die Begrenztheit seiner persönlichen Ressourcen weiß und bei der 8 Richard David Precht (2013) ist auf dem Holzweg, wenn er Burrhus Frederic Skinners bekannten Aufsatztitel The science of learning and the art of teaching (Skinner, 1954) für bare Münze nimmt und bei dessen Unterrichtstechnologie am Ende die »Kunst« vermisst. Precht verkennt, dass Skinner lediglich den Titel der Vorlesung Psychology and the art of teaching des legendären William James (James, 1899) paraphrasiert, um sich deutlich davon abzusetzen. Im Beitrag selbst macht Skinner, wie vor ihm Edward Lee Thorndike, nämlich unmissverständlich klar, dass Erziehen und Unterrichten gerade nicht als Künste, sondern als konsequent angewandte Lernpsychologie zu verstehen seien.

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Die eigenen Ressourcen schonen

Bewältigung der beruflichen Anforderungen auf die eigene Gesundheit achtet. Lehrer, die sich selbst andauernd überfordern, abends und am Wochenende Krisengespräche mit Eltern, Sozialarbeitern und Therapeuten führen und im Urlaub Akten oder Fachliteratur lesen sowie Elterngespräche oder Unterrichtsstunden vorbereiten, tun weder sich noch anderen einen Gefallen. Sie haben die notwendige Balance zwischen Engagement und Distanzierung verloren oder noch nicht gefunden. Baumert und Kunter (2011) haben in ihrem Modell professioneller Kompetenz (▶ Kap. 6) diesen Aspekt berücksichtigt und als Fähigkeit zur Selbstregulation bezeichnet.

Lehren als Profession Als Professionen bezeichnet man streng genommen eine Gruppe von Berufen, die sich durch die folgenden Merkmale auszeichnen: 1. dass ihre Ausübung eine wissenschaftliche Ausbildung voraussetzt und dass dem beruflichen Handeln wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde liegen, 2. dass es strenge Regularien der beruflichen Zulassung gibt, 3. dass die Berufsausübung mit einem hohen Maß an Autonomie und Verantwortung verbunden ist sowie 4. mit einer Orientierung am Gemeinwohl. In diesem Sinne gesellschaftlich relevante professionelle Tätigkeiten sind etwa die beruflichen Tätigkeiten von Ärzten, Anwälten oder Richtern, aber auch von Psychotherapeuten und Hebammen – und eben von Lehrerinnen und Lehrern. Lehren als Profession ist eng mit der Vorstellung verknüpft, dass man die dazu notwendigen professionellen Kompetenzen durch Ausbildung erwerben kann. Den »geborenen« Lehrer oder Erzieher, das Naturtalent, gibt es demnach nicht. Wohl gibt es aber, wie bei jedem Beruf, einige individuelle Voraussetzungen, die es leichter machen, die notwendigen professionellen Kompetenzen zu erwerben. Viel und kontrovers ist über die Tendenz zur Professionalisierung des Lehrberufs diskutiert worden und darüber, ob die Lehrtätigkeit – insbesondere unterhalb des gymnasialen Niveaus und vor allem in der Primarstufe – die notwendigen Bestandteile einer Profession überhaupt aufweist. Bildungspolitisch ist diese Debatte lange schon entschieden:

Lehren als Profession153

Für die Ausbildung von Volks- und Grundschullehrern wurde im 20. Jahrhundert mit Nachdruck und Erfolg ihre Integration in die Universitäten (und damit ihre Verwissenschaftlichung) vorangetrieben. Für die berufliche Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern ist derzeit eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. In der Konsequenz einer zweiphasigen Lehrerausbildung – auch darin ähneln sich die Ausbildungswege von Lehrern, Juristen und Ärzten – heißt dies, dass an den Hochschulen die wissenschaftliche Fundierung ihrer professionellen Handlungskompetenzen gelegt wird, während im Vorbereitungsdienst und in der Berufseingangsphase berufspraktische Anteile dieser Kompetenzen hinzukommen. Idealerweise arbeiten dabei die in beiden Phasen Verantwortlichen Hand in Hand. Zu den professionellen Kompetenzen eines Lehrers zählen Bau­ mert und Kunter (2011): 1. sein gesichertes Professionswissen, das sich im Wesentlichen aus dem Fachwissen, dem fachdidaktischen Wissen und dem pädagogisch-psychologischen Wissen zusammensetzt, 2. seine professionellen Überzeugungen, Werthaltungen und Präferenzen, 3. seine berufliche Motivation und die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu motivieren sowie 4. seine Fähigkeit zur beruflichen Selbstregulation. Für die beiden zuerst genannten Aspekte ist leicht nachvollziehbar, dass sie im Zentrum einer wissenschaftlichen Lehrerbildung an den Hochschulen stehen. Was aber wissen wir über die Entwicklung beruflicher Motivationslagen und von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen? Was über professionelle Strategien der Selbstregulation im Umgang mit Belastungen? Dass sich die professionellen Kompetenzen angehender Lehrkräfte auf der Grundlage formaler Lerngelegenheiten (in der Universität und während des Referendariats) und auf der Grundlage persönlicher Voraussetzungen entwickeln, haben Kunter, Kleickmann, Klusmann und Richter (2011) hervorgehoben. Ebenso, dass die professionellen Kompetenzen und die persönlichen Voraussetzungen das professionelle Handeln von Lehrerinnen und Lehrern bestimmen – und auch den Erfolg dieses Handelns sowie das berufliche Wohlbefinden. Professionelles Handeln ist aber nicht

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nur dann erfolgreich, wenn die Schüler gut lernen. Es ist auch ein Erfolgskriterium, ob die Lehrer dabei gesund bleiben, dauerhaft ein hohes Engagement zeigen und den beruflichen Anforderungen außerhalb des eigentlichen Unterrichts ebenfalls gerecht werden. Schüler- und Elterngespräche zu führen, administrative Aufgaben zu übernehmen, an der Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der eigenen Schule und des eigenen Unterrichts kontinuierlich zu arbeiten und sich fortzubilden, gehört ebenfalls zu den beruflichen Aufgaben. Birgit Spinath (2012) hat darauf hingewiesen, dass wir bei aller Kompetenzorientierung die persönlichen Voraussetzungen nicht übersehen dürfen, die bei der Entwicklung professioneller pädagogischer Kompetenzen ebenfalls eine Rolle spielen. Auswahlverfahren und Verfahren des Self-Assessments, wie sie seit einigen Jahren für die Studienzulassung erprobt werden, könnten hilfreich sein, um Neigung und Eignung bei der Entscheidung für ein Lehramtsstudium besser in Einklang zu bringen – sofern man sich über die Prädiktoren im Klaren wäre, die für ein erfolgreiches Studium und eine ebensolche Berufstätigkeit relevant sind. Studieninteressierte ließen sich dann besser beraten und sie könnten eine solche Beratung als Ausgangspunkt einer gründlichen Selbstreflexion nutzen. Am meisten ist aber gar nicht darüber geforscht worden, welche Persönlichkeitsmerkmale die akademisch besonders erfolgreichen Lehrer auszeichnen, sondern darüber, ob sich die spätere Berufszufriedenheit und die Belastungsfähigkeit der Lehrer durch ihre persönlichen Merkmale als Studierende vorhersagen lassen. Unter dem Stichwort Burnout ist das vornehmlich unter umgekehrtem Vorzeichen diskutiert worden: Wie lässt sich möglichst früh erkennen, ob jemand den späteren beruflichen Anforderungen nicht gewachsen sein wird? Und damit zusammenhängend: Wie lässt sich die psychische Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer fördern und erhalten? Was wirkt burnoutpräventiv?

Berufliche Belastungen Jede Berufstätigkeit kann als belastend erlebt werden – im Lehrerberuf ist das nicht anders als bei Ärzten und Juristen, Krankenschwestern, Altenpflegern und Sozialarbeitern. Aber nicht jeder

Berufliche Belastungen155

erlebt herausfordernde Situationen in gleicher Weise und nicht jeder ist gleich schnell erschöpft. Klusmann, Kunter, Voss und Baumert (2012) haben Daten der COACTIV-Studie genutzt, um etwas über das Ausmaß der emotionalen Erschöpfung angehender Lehrkräfte zu erfahren und um herauszufinden, ob es Merkmale gibt, die auf ein höheres Ausmaß an Erschöpfung und Beanspruchungserleben verweisen. Zum einen hat sich dabei gezeigt, dass die angehenden Lehrkräfte tatsächlich im Vergleich zu ihrer vorangegangenen Studienzeit eine erhöhte Beanspruchung im Beruf erlebten. Mit sich und ihrer beruflichen Situation waren sie aber insgesamt dennoch durchaus zufrieden. Zum anderen hat sich gezeigt, dass einige Berufsanfänger über deutlich mehr, andere über deutlich weniger Beanspruchung und emotionale Erschöpfung klagten. Interessant ist nun, wie dies mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Befragten und mit den Kompetenzaspekten zusammenhängt: Eher erschöpft und mehr belastet fühlten sich nämlich jene, die ohnehin zu negativen Emotionen und zu emotionaler Labilität neigten (sowie zu einer größeren Offenheit für neue Erfahrungen). Eher erschöpft und mehr belastet waren auch jene, die ohne jede praktische Lehrerfahrungen ins Referendariat gekommen waren und die nur wenig über Prinzipien effizienter Klassenführung wussten. Gerade die Techniken der Klassenführung sind für die Berufsanfänger offenbar ein besonders wichtiger Teilbereich professionellen Handelns – Disziplinprobleme während des Unterrichts werden jedenfalls in besonders hohem Maße als belastend erlebt. Dass Störungen und Disziplinprobleme im Unterricht mit persönlichen Belastungen verbunden sein können, ist leicht nachzuvollziehen. Worin bestehen die besonderen beruflichen Belastungen für Lehrerinnen und Lehrer darüber hinaus? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich die folgenden berufstypischen Belastungsfaktoren hinzufügen: 1. der Umgang mit zunehmend heterogenen Lernvoraussetzungen und Lernfähigkeiten, 2. eine hohe Stundenbelastung und eine damit verbundene »hohe Interaktionsdichte«, 3. Lärm, 4. eine zunehmende Übertragung von Erziehungsaufgaben bei gleichzeitig schwindender elterlicher Kooperationsbereitschaft,

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5. eine zunehmende Bürokratisierung und Verrechtlichung der pädagogischen Arbeit, verbunden mit 6. einer gelegentlich als zu gering empfundenen gesellschaftlichen Wertschätzung dieser Arbeit. Wie bereits erwähnt, werden solche Belastungen nicht von allen Lehrerinnen und Lehrern in der gleichen Weise erlebt. Deshalb scheint es naheliegend, auf schulorganisatorischer Seite und aufseiten der Lehrerpersönlichkeit nach Merkmalen zu suchen, die mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Belastungserleben verknüpft sind. Dabei hat man herausgefunden, dass es bei einem höheren Maß an sozialer Unterstützung (im Kollegenkreis) seltener zu gesundheitlichen Beschwerden kommt. Und dass auf der personalen Seite einer internalen Kontrollüberzeugung und einer ausgeprägten Selbstwirksamkeitserwartung ebenfalls eine positive Wirkung zukommt (van Dick, Wagner & Petzel, 1999). Carol Brown (2012) fasst die bereits vorliegenden Studien dahingehend zusammen, dass stark ausgeprägte Selbstwirksamkeitsüberzeugungen offenbar vor Burnout schützen. Wenn Lehrpersonen davon überzeugt sind, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können, beugt das dem beruflichen Erschöpfungserleben vor. Kontrovers wird in der Literatur die These diskutiert, der Lehrberuf ziehe über die Maßen solche Personen an, die ohnehin weniger stark belastbar seien – es komme also letztendlich zu einem vermehrten Erschöpfungserleben aufgrund einer Wechselwirkung zwischen (ungünstigen) persönlichen Voraussetzungen und dem Aufsuchen potenziell belastender beruflicher Situationen. In der Mehrzahl liefern die zu dieser Thematik vorliegenden Studien dafür allerdings keine Belege (vbw, 2014). Burnout Charakteristisch für das Burnout-Syndrom (Ausgebranntsein) sind eine emotionale Erschöpfung und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Man kann den Zustand des Burnout auch als mangelnde Passung zwischen dem individuell erlebten Sollen, Wollen und Können beschreiben. Wo anhaltende Überforderungen und enttäuschte Erwartungen auf ungünstige Bewältigungsstrategien treffen, können sie eine Erschöpfungsdepression zur Folge haben, mit Symptomen

Berufliche Belastungen157

auf der physiologischen, kognitiven, motivationalen und emotionalen Ebene sowie im Verhalten. Verlässliche Daten zum Ausmaß der Burnout-Problematik gibt es zwar nicht – aber für bis zu 30 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer wird die Gefahr einer solchen Erschöpfungsdepression gesehen (vbw, 2014). Als Belastungsfaktoren, die das Auftreten einer Erschöpfungsdepression begünstigen, gelten arbeitsorganisatorische Bedingungen, die anhaltende Überforderungen nach sich ziehen und das Gefühl einer unzureichenden Handlungskontrolle hinterlassen. Auch unklare Rollenerwartungen, häufige Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder Kollegen sowie ein vermehrter Umgang mit »schwierigen« Schülern und Eltern können belastend sein. Ganz ähnliche Risikofaktoren gibt es übrigens für die in vorschulischen Einrichtungen tätigen Erzieherinnen und Erzieher (vbw, 2014). Entscheidend sind die individuellen Bewältigungsstrategien (Coping) im Umgang mit solchen Belastungen. Als Schutzfaktoren, die den gesundheitsbeeinträchtigenden Auswirkungen beruflicher Belastung entgegenwirken, gelten auf der schulorganisatorischen Seite vor allem das Eröffnen größerer Gestaltungsspielräume für die einzelnen Lehrer sowie eine Kultur gegenseitiger Unterstützung und Kooperation (Richter et al., 2011). Aufseiten der Lehrerpersönlichkeit sind ausgeprägte Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugungen bedeutsame Schutzfaktoren (Kunter et al., 2013; Neuber & Lipowsky, 2014). Stile oder Muster der Selbstregulation, die burnoutpräventiv wirken, haben z. B. Schaarschmidt und Kieschke (2013) oder Klusmann (2011) beschrieben. Einen in diesem Sinne besonders günstigen adaptiven Regulationstypus zeichnet ein hohes Engagement, gepaart mit einer hohen Widerstandsfähigkeit aus. Solche Lehrer – die Autoren sprechen vom Gesundheitstypen – sind engagiert und können sich dennoch distanzieren. Sie streben nach Perfektion und reagieren nach Misserfolgen dennoch nicht resignativ. Sie bleiben meist ruhig und ausgeglichen. Für andere Selbstregulationstypen wird ein deutlich höheres Burnout-Risiko gesehen, so für den Typus der Selbstüberforderung (mit exzessiver Verausgabung bei verminderter Erholungsfähigkeit) oder für den Typus der Resignation (mit einem stark reduzierten Engagement bei verringerter Erholungsund Widerstandsfähigkeit). Klusmann (2011) weist darauf hin, dass

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die berechtigte Tendenz zur Ressourcenerhaltung nicht in eine Strategie der übermäßigen Schonung (den Schontypus) umschlagen sollte, die in minimalistischer Weise jedwede Anstrengung vermeidet. Kunter et al. (2013) haben gezeigt, dass sich die Fähigkeit zur adaptiven Selbstregulation nicht nur auf die Lehrergesundheit günstig auswirkt, sondern auch auf ihre Unterrichtsqualität und auf die Lernfreude ihrer Schüler.

Matthias Nübling und Kollegen (Lincke & Nübling, 2014; Nübling et al., 2012) haben anlässlich einer Befragung von mehr als 50.000 Lehrerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg herausgefunden, dass die emotionalen Belastungen und die Problematik, Berufs- und Privatleben miteinander zu vereinbaren (sowie die Lärmbelastungen und die Belastung für den eigenen Stimmapparat), als gravierender empfunden werden, als das bei Angehörigen anderer Berufe der Fall ist. Die Autoren schlussfolgern, dass man solche Risikofaktoren im Auge behalten muss, wenn es um Burnoutprävention geht. Und dass es institutionelle Schutzmaßnahmen gibt – wie das Gewähren von Einflussspielräumen und Entwicklungsmöglichkeiten –, die das Gefährdungspotenzial mindern.

Selbstregulation Ganz unabhängig davon, dass bestimmte Stressoren von unterschiedlichen Personen als unterschiedlich belastend erlebt werden, kann man mit erlebten Belastungen auch unterschiedlich umgehen. Zwar wird arbeitsbedingten Belastungen wie Lärm und Schmutz ebenso wie dem Zeitdruck und der mangelnden Handlungskontrolle meist ein direkter gesundheitsschädlicher Einfluss zugeschrieben. Es gibt aber auch Stressoren, bei denen man davon ausgeht, dass individuelle Verarbeitungs- und Bewertungsprozesse ausschlaggebend dafür sind, wie belastend sie letztendlich wirken: ob man sich überfordert fühlt, wie stark man Rollenkonflikte erlebt, wie sehr das Vorgesetztenverhalten verletzt, wie sehr man Anerkennung vermisst. Die These ist, dass potenzielle Stressoren einer subjektiven Bewertung unterzogen werden, die darüber entscheidet, ob es sich noch um eine »normale« Herausforderung oder schon um eine bedrohliche Situation handelt.

Selbstregulation159

Nicht nur diese Einschätzung kann von Person zu Person unterschiedlich ausfallen. Auch die Bewältigungsstrategien, die Menschen zur Verfügung haben, um mit dem Stresserleben umzugehen, sind verschieden. Als Coping (Bewältigung) bezeichnet man die Art des Umgangs mit solchen bedrohlichen Situationen. Als vorteilhaft für die psychische Gesundheit gilt im Allgemeinen ein aktives, problemorientiertes Coping (vbw, 2014). Solche Coping-Kompetenzen können erlernt werden. Mattern (2012) beschreibt beispielsweise ein Trainingsprogramm zur Förderung der Selbstregulation von Lehrpersonen. Inhaltlich zielt das Programm auf eine Effektivierung der Unterrichtsvorbereitung. Gearbeitet wird mit Techniken der Selbstmotivierung, Selbstinstruktion und Selbstbelohnung. Erlernt werden auch die Regulation eigener Emotionen und eine Effektivierung des eigenen Zeitmanagements. Auch andere Programme vermitteln selbstregulative Fertigkeiten, insbesondere Fertigkeiten der Verhaltens- und Emotionskontrolle sowie Techniken zum Umgang mit negativen Emotionen, z. B. ein gedankliches Umdeuten oder Umstrukturieren. Weil Disziplinschwierigkeiten oft eng mit dem individuellen Belastungserleben zusammenhängen, zählen auch Trainingsprogramme zum effektiven Klassenmanagement (▶ Kap. 5) zu den burn­ outpräventiven Maßnahmen. Ophardt und Thiel (2013) haben ein Trainingsprogramm entwickelt, um Lehrpersonen effiziente Strategien des Klassenmanagements beizubringen. Im Rahmen des Trainings wird a) Wissen über solche Strategien vermittelt, werden b) die eigenen Managementaktivitäten einer kritischen Reflexion unterzogen sowie c) in Simulationen und Rollenspielen die neu vermittelten Strategien erprobt. Im wirklichen Unterricht der Lehrpersonen werden abschließend d) Videoaufzeichnungen angefertigt und in der Gruppe sowie mit einem Coach diskutiert. Eine Wirksamkeitsstudie hat gezeigt, dass das Training tatsächlich zu den intendierten Verhaltensänderungen führt (Piwowar, Thiel & Ophardt, 2013). Piwowar (2013) berichtet, dass ein in diesem Sinne effizienteres Klassenmanagement mit einem geringeren Belastungserleben einhergeht. Im Projekt EMU (Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung), das Andreas Helmke im Auftrag der KMK durchgeführt hat, ist ein handlungsorientiertes Modul enthalten, das die Lehrergesundheit thematisiert (http://www.unterrichtsdiagnostik.

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de/). Dabei geht es um den Umgang mit eigenen Emotionen und mit unterrichtlichen Störungen, um das eigene Rollenverständnis, um den Umgang mit der eigenen Stimme und um Aspekte der kollegialen Kooperation und Hospitation – all dies aus der Perspektive einer internen prozessbezogenen Evaluation und Unterrichtsentwicklung. So findet sich in der Materialsammlung von EMU ein Leitfaden für ein kollegiales Feedbackgespräch über eine Unterrichtsstunde. Gute Lehrer arbeiten zusammen Gemeinsame Anstrengungen der am Unterricht einer Schule beteiligten Lehrpersonen dienen nicht nur der Verbesserung und Optimierung von Unterricht im engeren Sinne, sondern auch der Lehrergesundheit. Lerngemeinschaften zur gemeinsamen Unterrichtsvorbereitungen und Routinen kollegialer Hospitation gehören dazu ebenso wie gegenseitige Unterrichtsbesuche, der Einsatz von Coaching-Verfahren und Methoden des Micro- und des Team-Teaching. Helmke (2014) beschreibt ein breites Spektrum solcher Modelle. Als Micro-Teaching bezeichnet man eine besondere Form von Unterrichtstrainings in der Lehreraus- und -weiterbildung, bei der Rollenspiele und videobasiertes Feedback zum Einsatz kommen. John Hattie bescheinigt dem »Micro-Teaching« in der Lehrerbildung (vielfach firmiert es heute unter anderen Bezeichnungen) eine sehr hohe Wirksamkeit im Hinblick auf einen erfolgreichen Unterricht (Rangplatz 6). Es gibt auch bewährte Trainingsprogramme, die darauf zielen, unterrichtsrelevante Handlungskompetenzen zu erweitern bzw. zu verbessern. Meist geht es dabei um die Stärkung der Kompetenzen von Lehrpersonen im Umgang mit aggressivem oder störendem Schülerverhalten. Als Klassiker gelten beispielsweise das von Norbert Havers entwickelte Münchner Lehrertraining sowie das Konstanzer Trainingsmodell von Wilfried Humpert und Hanns-Dietrich Dann. Helmke (2014) beschreibt unter Angabe von Bezugsadressen bzw. Websites diese und andere Programme, insbesondere solche zur effizienten Klassenführung.

Dass solche Lehrertrainings oftmals erst im Rahmen der Lehrerfortund -weiterbildung zum Einsatz kommen, darf nicht zu der Fehleinschätzung verleiten, nur bei besonderen Problemlagen, aufgrund

Ist es am Ende doch die Lehrerpersönlichkeit?161

vorangegangener Versäumnisse in der grundständigen Ausbildung oder bei unzureichenden individuellen Kompetenzen seien sie funktional. Im Gegenteil: Eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung ist eine notwendige Ergänzung jedweder grundständigen Ausbildung in pädagogischen Professionen. Kein Notnagel, um Abhilfe zu schaffen, sondern eigenständiger Baustein eines Gesamtkonzepts. Eine wesentliche Funktion der Weiterbildung besteht darin, theoretisches Wissen und praktisches Handeln besser zu verzahnen. Erst in der Weiterbildung können die Erfahrungen der eigenen Unterrichtspraxis reflektiert und systematisch in die Arbeit einbezogen werden, um persönliche Kompetenzen zu erweitern. Bei der fortlaufenden Erweiterung professioneller Kompetenzen kommt den Weiterbildungen mithin ein eigener Stellenwert zu. Das Interesse der Lehrerinnen und Lehrer an weiterbildenden Angeboten ist im Allgemeinen recht groß – ob es sich darüber hinaus steigern lässt und ob es die Wirksamkeit von Weiterbildungsangeboten erhöht, wenn man sie verpflichtend verordnet, darf bezweifelt werden. Aus der Perspektive der Administration sind (individuell) kompetenzsteigernde immer auch für das System qualitätssichernde Maßnahmen. Deshalb scheint eine Verpflichtung zur Weiterbildung zwar legitim, aus pädagogisch-psychologischer Perspektive ist es aber darüber hinaus von Bedeutung, dass sich die Betreffenden möglichst eigenständig und selbstverantwortlich in einen Prozess des kontinuierlichen Dazulernens begeben. Im Übrigen ist ein Interesse an einer internen prozessbezogenen Evaluation des eigenen Unterrichts grundsätzlich durchaus vorhanden. Schmidt und Perels (2010) haben aufgelistet, wie das durch mündliche oder schriftliche Feedback-Verfahren und durch Hospitationen geschehen kann. Wichtig ist, dass die Ergebnisse einer solchen Evaluation für die Entwicklung des eigenen Unterrichts genutzt werden.

Ist es am Ende doch die Lehrerpersönlichkeit? Oft wird gesagt, dass man mit Enthusiasmus und mit Humor über besonders gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unterricht verfüge. Weil Lehrer in vielfältiger Hinsicht stets auch Modell- oder Vorbildwirkung haben, müssten sie zudem überzeugend und glaubwürdig sein. Neuerdings ist die Glaubwürdigkeit sogar auf Rang-

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platz 4 (d = 0.90) in John Hatties Rangliste angekommen – von null auf vier, denn zuvor war sie gar nicht vertreten (Hattie, 2013; 2014). Bezug genommen wird dabei allerdings nur auf die Ergebnisse einer einzige Metaanalyse (Finn et al., 2009). Aus der Sicht ihrer Schüler erwecken glaubwürdige Lehrer Vertrauen, strahlen Kompetenz und Dynamik aus und wirken »unmittelbar«. Glaubwürdigkeit hat also viel mit einem Unterrichtsklima zu tun, das sich durch Fürsorge und Respekt auszeichnet. Ist die Glaubwürdigkeit von Lehrpersonen noch ein vergleichsweise neues (und in mancherlei Hinsicht unscharfes) Konstrukt, werden der Enthusiasmus und das Engagement schon seit jeher als Lehrermerkmale genannt, die für den Unterrichtserfolg eine Rolle spielen sollen (Keller, Neumann & Fischer, 2013; Rosenshine, 1970). Damit ist eine lebendige, kurzweilige und überzeugende Art der Lernstoffpräsentation und Unterrichtsführung gemeint, die sich im Handeln und in der Emotionalität der Lehrpersonen, in ihrer Mimik und Gestik, in humorvollen Elementen und zugleich in einer besonderen Ernsthaftigkeit und Leidenschaft für den Unterrichtsgegenstand ausdrückt. Schüler erkennen die besonders engagierten Lehrer sofort und schätzen sie. Sie erkennen aber auch, wo sich purer Aktionismus und übertriebener Enthusiasmus mit fachlichen oder fachdidaktischen Unzulänglichkeiten paaren. Mareike Kunter (2011; Kunter et al., 2008; Kunter & Holzberger, 2014) hat untersucht, wie ein habitueller Enthusiasmus mit dem unterrichtlichen Handeln und mit der Unterrichtsqualität – ausweislich der Schülerbeurteilungen – zusammenhängt. Dabei unterscheidet sie zwischen einer Begeisterung der Lehrperson für ihr Fach (hier Mathematik) und einem pädagogischen Enthusiasmus, also einer Begeisterung für das Lehren an sich (Unterrichtsenthusiasmus). Enthusiastische Mathematiker sind nicht unbedingt auch enthusiastische Pädagogen – manche begeistern sich zwar für ihr Fach, aber das Unterrichten macht ihnen wenig Freude. Andere lieben geradezu die pädagogische Interaktion – dem Fach Mathematik stehen sie aber eher emotionslos gegenüber. Von ihren Schülern sind die pädagogischen Enthusiasten im Allgemeinen positiver eingeschätzt worden als die fachlichen Enthusiasten. Auch die Lernleistungen und die Lernmotivation der Schüler haben davon profitiert. Möglicherweise wirken die positiven Emotionen der Unterrichtsenthusiasten »ansteckend«. Denkbar ist aber auch, dass sich

Und was sagt Hattie?163

im konkreten unterrichtlichen Handeln der Unterrichtsenthusiasten lernförderlichere Elemente widerspiegeln. Doris Holzberger (Holzberger, Philipp & Kunter, 2013) berichtet jedenfalls aus einer Untersuchung mit Referendaren, dass letztlich dem qualitativ hochwertigeren Unterrichtshandeln der pädagogischen Enthusiasten eine höhere Anstrengungsbereitschaft zugrunde liegt. Erst die notwendige Anstrengungsbereitschaft lässt offenbar einen habituellen Enthusiasmus in engagiertes und qualitativ hochwertiges Unterrichtshandeln umschlagen. Merkmale der Lehrerpersönlichkeit – so lassen sich Befunde wie der letztgenannte interpretieren – schlagen sich zunächst in Handlungsabsichten und am Ende in konkreten unterrichtlichen (und den Unterricht vorbereitenden) Handlungen nieder. Deshalb ist es gerechtfertigt, Dimensionen der Unterrichtsqualität vordringlich zu betrachten und nicht die Dispositionen und habituellen Einstellungen der Lehrpersonen. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die für erfolgreiches Unterrichten notwendigen Kompetenzen leichter zu erwerben sind, wenn sie auf einer habituellen Freude am Unterrichten fußen.

Und was sagt Hattie? Die Fähigkeit zur Selbstregulation und zum verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Ressourcen kommt unter John Hatties Wirkfaktoren gar nicht vor. Das überrascht, weil andere Beiträge der Lehrperson – wie beispielsweise ihre fachliche Kompetenz oder ihre Glaubwürdigkeit – sehr wohl thematisiert werden. Und weil es eine Reihe von Befunden zu mehr oder weniger adaptiven Bewältigungsstrategien in belastenden Situationen gibt (Maslach & Leiter, 2001). Doch werden Aspekte der Lehrergesundheit erst neuerdings mit der Unterrichtsqualität und mit den Lernfortschritten der Schülerinnen und Schüler in Zusammenhang gebracht. Auch über andere, ebenfalls an die Lehrerpersönlichkeit gekoppelte potenzielle Wirkfaktoren schulischer Leistungen, wie den Enthusiasmus, das fachdidaktische und das pädagogisch-psychologische Wissen sowie die subjektiven Überzeugungen und motivationalen Orientierungen von Lehrpersonen, finden sich bei Hattie keine Angaben zu ihrer Relevanz. Für John Hattie sind es weniger diese Aspekte der Lehrerpersönlichkeit als vielmehr die konkreten unterrichtlichen Vorgehensweisen von Lehrpersonen, die im Zentrum der Betrachtung stehen.

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Völlig zu Recht hat John Hattie auch darauf verzichtet, allgemeine Persönlichkeitsmerkmale, wie etwa die »Big Five«, ins Spiel zu bringen, wenn es um guten Unterricht geht. Zwar hängen die Gewissenhaftigkeit (positiv) und der Neurotizismus (negativ) einer Lehrperson mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einigen Kriterien ihres beruflichen Erfolgs zusammen – es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass solche Zusammenhänge für den Beruf des Lehrers besonders kennzeichnend wären. Lest mehr Hattie! Nun ist es an der Zeit, John Hattie zu rehabilitieren. »Vergesst Hattie!« war in den vorangegangenen Kapiteln in provokanter Zuspitzung getitelt. Vergessen kann man Hatties epochales Werk natürlich erst, nachdem man es sorgfältig und nicht ohne Gewinn gelesen hat. Es ist sein großes Verdienst, die Befunde aus mittlerweile mehr als 900 Metaanalysen zu den Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen gesichtet, aufbereitet und für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Für die empirische Lehr-Lern-Forschung war damit ein erheblicher Aufwind verbunden. Zu der öffentlichen Erkenntnis, dass es evidenzbasiertes Wissen über die Wirksamkeit unterrichtlicher und schulorganisatorischer Maßnahmen gibt, hat die Hattie-Studie ganz entscheidend beigetragen. Für die Art und Weise, wie seine Studie rezipiert worden ist, kann man den Autor nicht allein verantwortlich machen. Ganz unschuldig ist er aber auch nicht daran, dass die Bildungs- und Wissenschaftspolitik sowie die zugehörigen Administrationen die Gelegenheit genutzt haben, in durchaus selektiver und interessengeleiteter Weise auch unzulässige Schlussfolgerungen zu ziehen. Wie so oft liest ein jeder das heraus, was er an Voreinstellungen und subjektiven Überzeugungen hineingegeben hat. Politisch und administrativ Verantwortliche haben gern gehört, dass die kostspieligen strukturellen und schulorganisatorischen Maßnahmen nicht viel bringen, und die Fachdidaktiker unterschiedlicher Ausrichtungen haben sich je nach individueller Präferenz an der vermeintlichen Überlegenheit der einen oder anderen Unterrichtsmethode erfreut. Fast einhellige Zustimmung hat allerdings die simple Kernbotschaft erfahren: Auf den Lehrer bzw. auf das, was er im Unterricht macht, kommt es an!

Achtsamkeit genügt nicht165

Das ist sicher richtig. Nur ist diese Erkenntnis aus den Analysen so einfach gar nicht abzuleiten. Man muss John Hatties Befunde dazu richtig einzuordnen und zu relativieren wissen. Unvermeidliche Begrenztheiten der verwendeten Methode, aber auch das unzulässig vereinfachende Ausblenden bekannter Moderatoren der Wirksamkeit sind dabei in Rechnung zu stellen. Auch eine gewisse Willkür bei der Kategorisierung der 150 Bedingungsfaktoren in sechs thematische Gruppen. Um sich nicht im Wirrwarr der 150 Faktoren, mehr als 900 Metaanalysen und mehr als 50.000 Einzelstudien zu verlieren, hätte es jedenfalls mehr als eines Rankings (von Rangplatz 1 bis Rangplatz 150) bedurft. Und mehr als einer Aufteilung der Einflussfaktoren in die sechs Kategorien Lerner, Familie, Lehrer, Schule, Curriculum und Unterricht. Dass es bei einem Unternehmen dieser Größenordnung darüber hinaus auch zu kleineren handwerklichen Fehlern kommt, fällt kaum ins Gewicht. Wolfgang Beywl und Klaus Zierer haben in ihrer hervorragenden deutschen Übersetzung bereits die notwendigsten Korrekturen vorgenommen. Als ein Ranking will John Hattie seine Metaanalyse neuerdings nicht (mehr) verstanden wissen. Weshalb vergibt er dann Rangplätze für die Einflussfaktoren? Mehr als durch Hatties Ranglisten können wir über guten Unterricht erfahren, wenn wir auf die eigentlichen Dimensionen der Unterrichtsqualität schauen, statt auf die leicht sichtbaren Methoden und Sozialformen des Unterrichts. Die empirischen Untersuchungen von Andreas Helmke, Eckhard Klieme, Jürgen Baumert und Mareike Kunter haben dazu die wichtigsten Erkenntnisse erbracht. Wenn John Hattie vom »aktivierenden« Lehrer spricht, scheint eine solche Tiefendimension der Unterrichtsqualität immerhin durch. Wir müssen allerdings daran denken, dass Aussagen über die Wirksamkeit von Einzelfaktoren stets etwas »Künstliches« anhaftet, weil es in der Realität stets eines Zusammenspiels der wichtigsten Qualitätsdimensionen des Unterrichts bedarf, um die intendierten Lernprozesse auszulösen und zu befördern.

Achtsamkeit genügt nicht Selbstregulation setzt voraus, dass man überhaupt wahrnimmt, was mit einem selbst passiert und dass man auf die Signale des eigenen

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Die eigenen Ressourcen schonen

Körpers zu achten versteht. Der Begriff der Achtsamkeit (mindfulness) spielt seit jeher in der buddhistischen Meditationspraxis eine große Rolle und im Rahmen humanistischer psychotherapeutischer Interventionsmethoden. Auch im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit wird inzwischen auf die präventive Wirksamkeit von Achtsamkeitsübungen gesetzt: Stressreduzierend sei, wenn man die eigene Aufmerksamkeit bewusst auf sich selbst und den Augenblick beziehe und eigene Gedanken und Gefühle »nicht wertend« zur Kenntnis nehme und akzeptiere. In ganz unterschiedlichen Zusammenhängen haben sich in den vergangenen Jahren so konzipierte Achtsamkeitstrainings bewährt, um mit berufsbedingten Belastungen besser umgehen und stressbedingte Erschöpfungszustände vermeiden zu können (Grossman et al., 2004). Robert Roeser und Kollegen (Roeser et al., 2013) haben in einer empirischen Studie gezeigt, dass ein Achtsamkeitstraining auch zu einem geringeren Stresserleben bei Lehrerinnen und Lehrern führt und zu einem höheren Maß an Gelassenheit. Das Trainingsprogramm beinhaltete Anleitungen und Übungen zur emotionalen Selbstregulation, Übungen zum besseren Erkennen eigener emotionaler und körperlicher Zustände und das Erlernen von Entspannungspraktiken. Wo Lehrer nicht genügend auf sich selbst achtgeben, sollte es Kollegen geben, die auf sie (und aufeinander) aufpassen und sich gegenseitig unterstützen. In kollegialen Strukturen lassen sich leichter als anderswo »Frühwarnsysteme« installieren, die verhindern, dass aus kleinen Problemen größere werden. Lehrer müssen nämlich keine »Einzelkämpfer« sein. Wechselseitige Unterrichtshospitationen und kollegiale Feedbackgespräche, zum Beispiel im Anschluss an eine Unterrichtsstunde, lassen sich auch aus dem Blickwinkel der Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit führen (Helmke, 2014). Lehrer haben nicht den härtesten Job der Welt, aber sie gehen einer sehr anforderungsreichen und verantwortungsvollen Tätigkeit nach. Zu einem großen Teil hängt es von ihren professionellen Kompetenzen ab, wie gut Schüler lernen. Gute Lehrer sind gut ausgebildet und engagiert. Richtig gute Lehrer können aber auch loslassen, damit sich ihr hohes Engagement möglichst lange erhält.

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