Grundlagen Funktionaler Integration: Hinweise zur Feldenkrais Arbeit

n diesem Buch werden die Grundlagen der Funktionalen Integration (FI) auf der Basis der bewegungstherapeutischen Ansätze

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Grundlagen Funktionaler Integration: Hinweise zur Feldenkrais Arbeit

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Eli Wadler

Grundlagen Funktionaler Integration Hinweise zur Feldenkrais Arbeit von

L o e p e r L it e r a t u r v e r l a g

In diesem Buch werden die Grundlagen der Funktionalen Inte­ gration (FI) auf der Basis der bewegungstherapeutischen Ansatze von Moshe Feldenkrais vermittelt. Eli Wadler schopft dabei aus seiner reichen, jahrzehntelangen Erfahrung in der Arbeit mit und bei Feldenkrais. Ganz konkret geht es ihm um die sinnvolle Planung und den Aufbau einer FI-Lektion, den Einsatz von Ballen, Rollen und anderen Hilfsmitteln, um das Suchen und Sehen lernen, aber auch um Schmerzen, Mut, Langsamkeit und vieles mehr. Das Buch kann alien, die sich noch intensiver mit der Feldenkrais-Arbeit beschaftigen wollen, insbesondere all denen, die diese Arbeit berufsmaBig ausiiben, wertvolle Anregungen bieten und eine Erweiterung der eigenen Moglichkeiten eroffnen. Eli Wadler war Schuler der ersten Stunde von Moshe Feldenkrais im ersten Ausbildungskurs in Tel-Aviv. Nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitete er mehr als 12 Jahre als personlicher Assistent von Moshe Feldenkrais und iibernahm 1984 dessen Praxis sowie das Feldenkrais Institut in Tel Aviv. Die langjahrige enge Zusammenarbeit mit seinem Lehrer und Mentor sowie seine iiber dreiBigjahrige Erfahrung bei der taglichen Arbeit in der eigenen Praxis in Tel Aviv fuhrten zu einer eigenstandigen, auBergewohnlich reichen, subtilen und genauen Arbeitsmethode. Eli Wadler leitet als zertifizierter Feldenkrais-Trainer die akkreditierte Ausbildung am Zinman College des Wingate Institute, der wichtigsten Sportschule Israels.

Ein Feldenkrais-Fachbuch aus dem

von Loeper Literaturverlag www.vonLoeper.de ISBN 978-3-86059-621-0

Eli Wadler

Grundlagen Funktionaler Integration Hinweise zur Feldenkrais Arbeit

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L o e p e r L it e r a t u r v e r l a g

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Originalausgabe 2. Auflage 2007 © Copyright by von Loeper Literaturverlag im Ariadne Buchdienst, Karlsruhe Gesamtherstellung und Vertrieb: Ariadne Buchdienst, Kiefernweg 13, 76149 Karlsruhe Tel. (0721) 70 67 55 Fax (0721) 78 83 70 E-Mail: [email protected] Internet: www.vonLoeper.de ISBN 978-3-86059-621-0

Inhalt Die Methode

7

Funktionale Integration (FI) die individuelle Lehre

9

Grundlagen

12

Planung und Aufbau einer FI-Lektion

14

Suchen

22

Bewegungen

29

Langsamkeit

34

ATM

38

Ziele Oder das Gegenteil

40

Schmerzen

53

Mut

56

Anleitungen

58

Richtungen

68

Sehen

72

Von Ballen und Rollen

75

Arbeitsweisen

81

Gehen als Referenzbewegung

97

Ilan Jacobson im Gesprach mit Eli Wadler

104

Wie konstruiere ich eine ATM-Stunde?

130

Die Methode

Die Feldenkrais-Methode richtet sich an alle Menschen, die neue Wege zur Wiederherstellung oder Verbesserung ihrer Bewegungsfahigkeiten suchen. Sie wendet sich an gesunde Menschen, die ihre Fahigkeiten bewahren oder entwickeln mochten ebenso wie an solche, die unter Schmerzen und Bewegungsbeschrankungen leiden. Wie wir wissen, hat jeder von uns unterschiedliche Gewohnheiten in der Bewegung. Gewohnheiten, die wir im Laufe der Jahre bewusst und unbewussterworben haben. EinTeil der Bewegungen, die wir im Laufe des Alltags ausfuhren, sind harmonisch, richtig und effizient, aber ein anderer Teil ist gestort und fehlerhaft. Zunachst sind wir uns dessen nicht bewusst, doch spater sendet uns unser Korper eine schmerzhafte Nachricht und teilt uns mit, dass „irgendetwas nicht in Ordnung ist". Wird die Schmerzquelle, d.h. der gestorte Bewegungsablauf, nicht rechtzeitig behandelt, kann sich die zeitweilige Storung weiter entwickeln und zu weiteren Empfindungen und Komplikationen fiihren. Diese Erscheinungen mochte die Feldenkrais-Methode mittels der Verbesserung der individuellen Fahigkeiten verhindern oder korrigieren.

Die Verbesserung der Fahigkeiten ist ein Prozess, der darauf abzielt, jeden von uns zu optimaler Nutzung seines Bewegungspotenzials zu bringen. Auf der einen Seite ermogiicht der Prozess, die Schmerzen zu senken und jenen die Fahigkeiten wiederzugeben, die sie verloren haben. Auf der anderen Seite dient sie dazu, die Bewegungsfahigkeit auf lange Sicht zu bewahren und zu pflegen. Moshe Feldenkrais sagte einmal, dass wir das Unmogliche moglich, das Mogliche einfach und das Einfache elegant machen konnen. Doch wie kann uns das gelingen? Davon handelt dieses Buch.

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Funktionale Integration (FI) die individuelle Lehre

Bei der individuellen Behandlung passt der Therapeut seine Behandlung dem spezifischen Problem des Patienten an. Das erste Kennenlernen geschieht auf der verbalen Kommunikationsebene: der Patient beschreibt sein Problem in Worten. Im weiteren Verlauf der individuellen Behandlung findet die Kommunikation zumeist in nonverbaler Form statt: die Hande des Therapeuten ubertragen die Bewegungen. Dadurch wird die unendliche Vielfalt der im Korper des Patienten enthaltenen Moglichkeiten aktiviert. Die Erfahrung des Patien­ ten wahrend der Behandlung ist passiv. Denn die Aufgabe des professionellen und erfahrenen Therapeuten liegt darin, die fehlerhaften Bewegungen seines Patienten zu korrigieren und zu verbessern. Trotzdem fuhrt diese passive Erfahrung dazu, dass der Patient nach der Behandlung und im Laufe seiner taglichen Aktivitaten spontan die korrekten Bewegungen ausfuhren wird. Wahrend der Behandlung (auf einer Liege, auf einem Stuhl, auf besonderen Rollen, auf einem Eiball usw.) aktiviert der Therapeut mit seinen Handen den Korper des Patien­ ten in uberaus sanfter Weise und in den un-

terschiedlichsten Korperstellungen (z.B. auf dem Rucken, auf dem Bauch, auf der Sei­ te, auf den Knien), um den Patienten zur normalen Funktion zuruckzufuhren - selbstverstandlich unter Berucksichtigung seiner Bequemiichkeit. Die Behandlung konzentriert sich nicht ausschlieBlich auf den Bereich, uber den der Pa­ tient klagt. Wir gehen von der Annahme aus, dass der schmerzende Teil der „ausgenutzte" Bereich im Korperdes Patienten ist. Mit anderen Worten, dieser Bereich wurde zum GroBteil durch Gewicht und Arbeit im falschen MaGe belastet. Eine Erleichterung in diesem Bereich ist fur den Patienten wichtig, jedoch zeitlich begrenzt. Die Gewohnheit, die korperliche Aktivitat auf den eingeschrankten Bereich zu verlagern, wird den Reiz und damit auch den Schmerz rasch wiederbringen. Dies ist der Grund dafur, dass die Behandlung auch auf „parasitare" Bereiche ausgeweitet wird, die keinen Anteil an der tagtaglichen Belastung haben. Ziel ist, die Aktivitat und den Bewegungskreislauf in einer solchen Weise zu rekonstruieren, dass eine auf samtliche Korperteile gleichmaGig verteilte Arbeitsbelastung moglich wird. So wird der Reiz auch aus dem schmerzenden Bereich entfernt. Im Vergleich zur individuellen Behandlung geht das Studium im Gruppenrahmen langsamer vor sich. Der Patient steuert und dirigiert seinen Korper unter Anwendung bekannter Muster, wahrend es bei der individuellen Behandlung der Therapeut ist, der die Bewegungen des Patienten anleitet und steu-

ert und ihm so das Bewegungspotenzial, das ihm verloren gegangen ist, wieder veranschauiicht. Die Feldenkrais-Methode bietet neben der Anwendung in therapeutischen Berufen der Bewegungsrehabilitation und Schmerzbehandlung einer Vielzahl von Menschen die Moglichkeit, in ihren eigenen Berufen die Entwicklung der Korperwahrnehmung und des funktionellen Trainings zu fordern. Zu diesen gehoren neben anderen Arzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Tanzer, Schauspieler, Musiker, Sanger, Intendanten, Padagogen, Sportlehrer und Sportier, Lehrer an Schulen und Sonderschulen.

Grundlagen

Eine Lektion in Funktionaler Integration (FI) besteht aus Bewegungen. Die FI-Lektion entwickelt sich logisch, und am Ende entsteht das Ergebnis von selbst. Die eigentlichen Ubungen haben dabei keine dramatische Wichtigkeit. Die Wichtigkeit liegt in der Person, die sie „ausspricht". Diese Person spricht und agiert noch immer aus ihrer ei­ genen Welt, aus gemachten Erfahrungen, Schwierigkeiten, Gefuhlen, Stimmungen und ihrem Charakter heraus. Sie kam zu dieser Sitzung aus ihren Gedanken an diesem spezifischen Tag, in diesem Moment heraUs, mit den momentanen korperlichen Empfindungen. Diese Dinge sind latent fur uns, aber mit den Jahren werden sie mehr und mehr, aus kaum merkbaren Hinweisen von Bewegungen heraus, sichtbar. Was bedeutet es also, eine Person zu korrigieren, deren Selbstdarstellung aus einer bestimmten Art besteht? Auch wenn wir dieser Person die Werkzeuge in die Hand geben - eine Biirste, eine Feder, Papier, einen Ordner - diese Person alleine wird entscheiden, ob sie dieses Werkzeug als Burste oder als Hammer empfindet.

Ich bin fest davon uberzeugt, dass die beste FI-Lektion eine Kombination von winzigen ATM*-Bewegungen ist, die man aus dem Korper des Schulers holt, mit winzigen, praktisch unsichtbaren Bewegungen. Sie sind auch unsichtbar fur dessen bewusste Wahrnehmung. Dann verstarkt man diese winzige Bewegung mit seinen eigenen „Worten" fur den Schuler. Es war nur eine Bewegung die er machte, und wir stehen ihm nur bei der „Entbindung" bei, wir rufen sie nicht hervor. Ich tue dies nur mit einem Schuler, der bereit ist, auf sich selbst zu horen, der die Schmerzen und Behinderungen auf der Sei­ te lassen kann und sich auf das konzentriert, was in seinem Korper geschieht, zu seinem eigenen Wohle.

* ATM = Awareness Through Movement, Bewusstheit durch Bewegung (Gruppenstunden)

Planung und Aufbau einer FI-Lektion

Eine FI-Lektion besteht, wie Moshe Felden­ krais in seinem Buch „Chapters in my Method"* beschrieben hat, aus einer Serie von Lektionen, bei der eine auf der anderen basiert. Sie sind in Schichten aufgebaut, die der jeweiligen Lernfahigkeit der Schuler entsprechen. Ich werde im Folgenden den Begriff Schuler durch die Bezeichnung Pati­ ent ersetzen. Es geht darum, einen Dialog zu beginnen, der aus einer nonverbalen Bewegungssprache besteht - einer Sprache, in der ich mit meinem Korper und meinen Handen spreche. Wenn ich erwarte, dass Korper und Geist des Patienten mit mir in einen Dialog treten, so muss die Art dieses Sprechens innerhalb der Grenzen des Familaren, Sicheren und Gewohnten des Patienten liegen. Ich werde nie eine Bewegung diktieren, sondern darauf achten, was fur uns beide erreichbar und moglich ist. Ich werde den Patienten immer fragen, welches seine bevorzugte Lage ist, um sich niederzulegen, zu sitzen oder zu stehen, weil oft ein Schmerz die Bevorzugung einer Position vor alien anderen diktiert. * Nur in hebraischer Sprache veroffentlicht.

Wir mussen den Patienten nicht immer im Zimmer herumgehen lassen, bevor wir ihm eine FI-Lektion geben. Aber wenn jemand zum ersten Mai zu uns kommt - oder er hatte das vorherige Mai, als er bei uns war, Schwierigkeiten - mochten wir sehen, wie er geht. Wenn wir ihn nur fragen, wie es ihm geht, so wird er sagen, er spiire keine Anderung, es sei wie immer. Aber letztes mal, als er sein Enkelkind hochhob, sei wieder dieser Schmerz dagewesen. Er versteckt die Information, dass es ihm besser ging. Deswegen gilt: Wenn wir beobachten, wie jemand geht, so ist das eine viel genauere Information als diejenige durch seinen Mund. Denn diese Aussage gehort im­ mer zu einem bestimmten Charakter. Manche Leute sind Pessimisten, manche sind Optimisten und manche meinen, es sei nicht gut, zu sagen, es gehe ihnen gut, weil sie sich dadurch nicht mehr andern wurden. Ich werde den Patienten also bitten, ein paar Schritte im Raum zu gehen. Ich wer­ de ihn bitten, zu beachten, welche Seite er zum Wenden gewahlt hat, auf welche Art er seine Schultern tragt, auf die Gerausche zu horchen, die er beim Gehen erzeugt, worauf die Augen gerichtet sind, auf die Lan­ ge der Schritte der beiden FuGe und auf die Zeit, die ein FuG auf dem Boden verweilt, die fur jeden FuG anders ist. Ich werde die Informationen, die ich sammle, mit dem Schuler teiien und ihn wissen lassen, in welchem MaGe sein Korper Dinge ausdruckt, an die er nie gedacht hatte und wie viele verschiedene Ausdrucksmoglichkeiten er

ubersehen oder versteckt hat. Dies fuhrt dazu, dass er begreifen lernt, dass die Verantwortung fur den eigenen Korper nicht in den Handen irgend eines Meisters dieses Berufes liegt. Was den Patienten dazu fuhren wird, seine Bewegungen wahrzunehmen, ist das Interesse und die Neugierde iiber die Wunder der Bewegung und auf keinen Fall die Last der Schmerzen. Hier erwarte ich von ihm, dass er aufhort, passiv eine Behandlung iiber sich ergehen zu lassen. Damit wird die Lektion zu etwas Interessantem, fur das er selbst Verantwortung ubernehmen kann. Verantwortung ubernehmen bedeutet zum Beispiel, wahrend der FI aufmerksam zu sein, damit sie zu einer Lehre wird und da­ mit der Schuler spater in schier unendlichen Abenteuern aktiv wird - in Bewegungen und Losungen, die der Schuler sich selber in seinen ATM-Stunden geben wird. Eine Person mit Schmerzen ist unsicher in ihren Bewegungen, und die Beruhrung der Hand eines Anderen ist schwierig zu ertragen, auch wenn das Vertrauen in mein Wissen, meine Professionalitat und mein Konnen logisch erscheint. Ich muss eine Konversation mit dieser Zone der Furcht aufbauen, und das Vertrauen des Patienten zuerst in seinen Bewegungen und dann naturlich auch in meinen Bewegungen gewinnen. Wie macht man das? Aus Sicht der „Bewegungstechnik": Meine Hande liegen auf dem Korper des Patien-

ten hauptsachlich als Informations-Sensoren, um die Richtung und GroBe der Bewegungen des Patienten zu fiihlen. Meine Hande sind nicht die Hauptdarsteller, sondern mein Korper! Mein Korper, das sind meine Hiiften, mein Schultergiirtel, das Gewicht meines Kopfes, die richtige Weite meines Standes, die Art, wie ich sitze oder stehe, um Anspannungen in meiner Hiifte und in meinem Riicken zu vermeiden. Meine Hande zeigen die Bewegungen mei­ ner Hiiften an, wenn ich beabsichtige, die Hiiften des Patienten zu bewegen. Meine Hande zeigen die Bewegungen meiner Schultern, wenn ich die Absicht habe, die Schultern des Patienten zu bewegen. Dies bringt die Teile der Personlichkeit des Patienten, die aus Furcht vor Schmerzen seine versteinerten Bewegungen verursachen, dazu, Vertrauen zu gewinnen, dass meine Hande nicht gegen seine Absichten gerichtet sind, sondern sie vorurteilslos akzeptieren. Meine Hande konnen womoglich dem Patienten ein paar Optionen vorschlagen, entsprechend dem, was sie oder er spurt, unter Beriicksichtigung seiner Gefiihle und seiner Empfindlichkeit fiir Schmerz. Meine Hande nehmen die durch erhohten Tonus verteidigten Anstrengungen der Muskeln des Patienten sehr wichtig, und sie werden bewirken, dass der zusatzliche Tonus sich abschwacht und die versteinerten Be­ wegungen ihr Gefangnis verlassen konnen.

Nach dem Ton der Bewegungs-Entspannung, den ich in den ersten Lektionen einfliessen lasse - in denen die Leute vor allem auf ihre Schmerzen und Beschrankungen achten - werde ich nach und nach diejenigen Positionen erweitern, an die der Pati­ ent gewohnt ist. Ich werde zusatzliche Moglichkeiten einfuhren, aber nie extreme, da­ mit der Patient merkt, dass der Krieg vorbei ist und es an der Zeit ist, den Bunker zu verlassen und wieder in ein normales Haus zu ziehen. Spater werde ich neue Bewegungen ein­ fuhren, die auBerhalb des Repertoires des Patienten liegen und in seinem Innern wegen seines Zustandes erst latent vorhanden sind.

Ein Beispiei: Ich bitte den Patienten, sich auf einen gelben, fast luftleeren Eiball zu legen. Der Patient liegt nun auf einer Seite und wird aufgefordert, mit der oberen Hufte Kreise zu zeichnen. Dabei werde ich feststellen, dass auch die Brustwirbel und -rippen sich ein wenig bewegen. Ich werde in einer kaum wahrnehmbaren Bewegung meine Hand auf die Stelle legen, die sich bewegt und den Patien­ ten bitten, um meine Hand kleine Kreise zu zeichnen. Auf einmal werden die Bewegun­ gen des Beckens leichter werden. Dann wer­ de ich meine warme Hand auf die schmerzenden Lendenwirbel legen und den Patien­ ten einladen, damit meine Hand zu fullen und sie dann wieder ein bisschen weniger beruhren zu lassen. Auf diese Weise wird eine Be­ wegung die andere ablosen, wird sich ein weiterer Wirbel in der Kette der Wirbelsaule des Patienten bewegen, bis sich der ganze Kor­ per leicht in kleinen Kreisen bewegt. Am Ende der Lektion werde ich den Patien­ ten bitten, sich vom Bett zu rollen und ein wenig im Zimmer umherzugehen. Ich werde seine Aufmerksamkeit durch Fragen, welche Teile seines Korpers sich nun bewegen, wie der FuB jetzt benutzt wird usw., auf das Mogliche und Bewegliche richten und nicht auf das Schmerzhafte und Beschrankte. Auf diese Weise verlasst der Patient eine weitere Lektion mit erweiterten Bewegun­ gen und der Wahrnehmung seiner Moglichkeiten und mit dem Gefiihl, dass hauptsach­ lich er selber dazu beigetragen hat.

In der nachsten Stunde wird der Patient gefragt, wo die Verbesserung gefuhit wurde, und wo vielleicht noch eine Bewegung fehlt, die fruher einmai vorhanden war. Wie in ei­ ner ATM-Lektion werde ich vom Leichten zum immer noch Blockierten schreiten, bis der Patient die Moglichkeit hat, den Schiussel zu finden, und damit das Schloss der Beschrankung durch Furcht und Schmerz zu offnen, das die Bewegungen gefangen hielt. Wir werden den Weg fur jede Person von Grund auf neu beschreiben, um die Losung mit Geduld und taglich neu gescharftem Blick zu finden. Wir mussen uns erlauben, selber Fehler zu begehen und die Richtung zu wechseln. Wir konnen neue Optionen aus den kleinen Be­ wegungen des wegen Schmerzen zementierten Korpers erfinden. Diese Bewegun­ gen werden sich nicht vor unseren erfahrenen Augen verbergen. Dies sollte aber nie aus einer leeren professionellen Arroganz heraus erfolgen. Wir iiben einen Beruf aus, in welchem wir durch tagliche Erfahrung lernen. Was wir dazu noch aus Buchern, Artikeln und Vide­ os wissen, bestarkt uns zusatzlich und ermoglicht uns, taglich zu lernen und uns zu erweitern und zu verfeinern, ohne uns jemals in der falschen Sicherheit des Wissens zu wiegen. Wenn wir einen Menschen in unseren Handen halten, so ist dies das vielseitigste, komplexeste, was wir uns denken konnen. Die-

ser Mensch ist keine Maschine und wir konnen keine Unterschiede machen, wie zwischen einem Fahrrad und einem Zug, oder einem Zug und einem Flugzeug, oder zwischen einem Flugzeug und einer Rakete. Nein! Jeder Mensch ist eine ganze Welt. Wir konnen keine „Anleitung" dazu geben. Ich muss meine Patienten darauf aufmerksam machen, dass sie nichts nachmachen, nichts kopieren konnen. Ich muss sie lehren, nur zu schauen, aufmerksam zu sein und nicht zu kopieren. Ich darf sie nicht „Technik" lehren.

Suchen

Ich suche die Bewegung, ich weiss sie nicht im voraus. Das meiste ist Suchen\ Wir miissen verstehen, dass wir nichts vom Menschen verstehen. Wir mussen jedes Mai wieder alles neu lernen, jedes mal von Anfang an. Da miissen wir langsam vorgehen, wie bei einem vollig zerstorten Puzzle mit einer Million Teile. Immer wieder werden wir alles suchen miissen. Dieser Weg lehrt, immer wieder das Puzzle neu zu organisieren. Logik kann uns dabei nicht helfen. Denn jeder Mensch ist ein Puzzle aus unendlich vielen Teilen, und was wir heute so organisieren, miissen wir morgen vielleicht ganz anders organisieren. Es ist jedesmal erneut ein unendlich anderes Personen-Puzzle. Langsam, sehr langsam, nach vielen Jahren, lernen wir, dass wir selbst dabei iiberhaupt nicht wichtig sind. Nur derjenige, der vor uns liegt, ist wichtig. Wir wissen so wenig, wir miissen noch viel mehr lernen, im­ mer offen sein, und nicht immer den gleichen Weg gehen, sonst gelangen wir in unserer Arbeit immer an den selben Punkt.

Ich glaube, das ist unser Ziel: dem Anderen ein innerer Spiegel zu sein und ihm zu zei­ gen, dass er diese Seite menschlich macht. Genauso soil es auch auf der anderen Sei­ te sein. Wenn wir es ihm aber nicht zeigen, so wird er auch diese Seite verlieren. Wir sollen schauen, was wir mit der Person tun konnen. Wir konnen viel daruber lesen, uns selbst befragen, die Bucher fragen. Aber wir mussen selber suchen, wo unsere Moglichkeiten sind und damit die Moglichkeiten des Patienten erweitern. Auch wenn dies nur ein Teilchen unter tausenden ist, wir haben es fur den Patienten gefunden. Wenn wir einfach Moshe Feldenkrais nachmachen - und er hat ganz bestimmt 100 Prozent ausgefullt - dann wird unser eigenes Prozent viel mehr sein als die kopierten 100 Prozent von ihm, die wir einfach adaptierten, ohne zu wissen warum, ohne zu suchen, ohne zu finden. Unserem Patienten wird es bestimmt nichts helfen, wenn wir Moshe einfach kopieren. Auch wenn wir der beste Schauspieler waren, es wiirde nichts nutzen. Auch wenn wir ihn sehr genau nachmachten, selbst wenn wir die gleiche Sorte Zigaretten rauchten, es wurde nichts helfen. Das, glaube ich, ist das Wichtigste uberhaupt, was wir den Patienten beibringen. Denn wenn wiranfangen zu suchen und uns wahrend der Arbeit fragen warum, was kann die Person, was kann sie nicht, wo steckt die Schwierigkeit - aha hier - dann finden wir eine ganze neue Welt. Aber wenn wir nur auBerlich von einem Genie etwas

adaptieren, so ist das einfach eine Luge, nein, viei schiimmer als eine Luge, es ist wie ein Gift. Denn wir geben dem Patienten nicht, was er braucht. Wir geben ihm etwas anderes. Er wird nicht weiter suchen, weil er schon etwas bekommt, und damit verliert er sogar das, was er schon kann, aber verpasst, was er von jemandem erhalten konnte. Jeder soil seinen Weg mit seinem Kopf, seinen FuBen, seinen Handen finden und bearbeiten, denn man lernt soviel dabei. Auf diesem Weg sieht man so viel. Wenn wir nur auf einem Weg gehen, der schon da ist, den ein anderer fur einen anderen gemacht hat, fur eine andere Zeit, fur andere Menschen, fur eine andere Sache, so ist dies nicht der Weg fur den, der sich ganz in un­ sere Hande begibt. Wo bleibt hier die Ehrlichkeit und die Wahrheit? In FI machen wir keine Massage. Wir behandeln nicht unbedingt den Ort, der momentan akut ist, weil wir denken, dass die­ ser Platz von diesem Menschen bereits verlassen wurde. Wir versuchen, ihm zu zeigen, dass es noch ein paar andere Moglichkeiten gibt, damit er wieder harmonisch arbeitet. Auch dies gestaltet sich oft schwierig. Denn wenn jemand zu uns kommt und etwas tut ihm weh, so erwartet er, dass der Schmerz nachher weg ist, dass wir ihm den Schmerz wegnehmen. Doch wir sagen ihm nun, wir suchen gemeinsam, wo er sich stort und verhindert, bis sich jeder Quadratzentimeter in seinem Korper bewegt,

mitmacht, nicht bremst, nicht stort, nicht auf der Seite steht, so dass der Schmerz uberhaupt nicht kommen wird. Denn nur so konnte er sich mitteilen. Ich bin dagegen, dass man eine Bewegung grundlich zeigen soil. Nicht weil es zuwenig ist, sondern weil die Leute dann glauben, dies sei die Bewegung, sie mussten sie iiberall anwenden, es sei wie ein Mantra. Ich glaube an den ATM-Prozess. Die Bewegun­ gen sind mir unwichtig, weil sowieso jeder mit der Zeit etwas fur sich finden wird. Das ist einfach ein Spiel zwischen zwei Handen, eine gibt Information an die andere, und sie spielen so zusammen ein Ping-PongSpiel. Nicht nur eine ist beteiligt, sondern beide. Sie sind frei, aber es ist ein Spiel. Denn nur im Spiel konnen wir neue Informationen erhalten. In einem Spiel haben wir viele, viele Moglichkeiten, wir haben keine Angst, denn es ist nicht ein Wettkampf, nur ein Spiel. Einmal soli absichtlich die rechte Hand dominant sein, einmal die linke, dann wieder beide zusammen. Die eine Hand spricht mit der anderen. Sie sagt: tu das jetzt, dann schaut sie von der anderen Seite zu. Denkt daran, dass nicht nur eine Schulter in euren Handen ist, sondern auch ein Bekken. Beobachtet euch selbst einmal, werft einen Blick auf euch, macht euch ein Bild, wie ihr euch fuhlt wahrend ihr arbeitet. Vielleicht ist eure Schulter zu hoch... Ihr musst euch immer wieder neu beobachten.

Die Sache ist die, dass es unwichtig ist, ob wir denken, dass der Patient sich gut fiihlt, dass wir ihm eine gute Zeit geben werden. Das ist nicht das Ziel, damit jemand noch einmal zu uns kommen wird. Und es ist noch weniger der Punkt, dass wir morgen sagen konnen, wir haben etwas Interessantes zu tun. Wir sollten langsam wissen, was wir wollen. Nicht einfach etwas Zufalliges finden und dem dann nachlaufen wie eine Katze ihrem eigenen Schwanz. Wenn ihr das Gefiihl habt, ihr bleibt stekken, so macht nicht einfach die Bewegung groBer oder starker, sondern bremst sie, bremst sie noch mehr. Dann uberlegt: wo bremst sie sich, in welcher Gegend ist kei­ ne Bewegung bei ihr. Dann bremst auch mit

euren Handen. Ihr konnt mit eueren Handen mitgehen. Denkt nicht, ihr mochtet die­ se Bewegung nicht machen. Oft haben wir das Gefuhi, jetzt lauft es, jetzt sind wir drin, und dann ist es wieder vorbei, dann hangen wir und wissen nicht was wir tun sollen, damit dieses Hangenbleiben aufhort. Ein gutes Gefuhi dauert eine Sekunde. Wir konnen diese Sekunde nicht verlangern wie einen Kaugummi. Es war da, aber jetzt ist es vorbei. Jetzt gehen wir weiter, suchen noch einen Punkt, wo ein gutes Gefuhi sein konnte und denken weiter, nicht an diese Sekunde, die vorbei ist, sondern weiter. Wir wollten ja kein Ziel erreichen, wir suchten, um eine Bewegung zu finden. Beide Hande arbeiten zusammen. Wir konnen keine Be­ wegung ausfuhren, wenn eine Hand nicht mitmacht. Eine Hand stiitzt die andere, eine gibt der anderen die Macht, dann gewinnt sie etwas. Aber wenn nur eine Hand arbeitet, dann bleibt alles stehen. Vielleicht ha­ ben wir fur eine Sekunde das Gefuhi, dass es gut lauft und mochten diese eine Se­ kunde verlangern. Aber das geht nicht. Nicht jeder kann alleine suchen und finden, was er kann. Von Kindheit an hat man ihm nie beigebracht, auf seinen eigenen Kopf zu vertrauen. Man hat ihm immer genau gesagt, was er mit seinem Korper tun soil. Man hat ihm nicht die Gelegenheit gegeben, selbst zu beobachten was er kann. Wenn man dann erwachsen ist, glaubt man, der Korper sei nur fur die Kleider da! Meine

Zahne sind vom Zahnarzt, mein Bauch ist vom inneren Mediziner, mein Ellbogen vom Orthopaden, mein Knie vom Orthopaden, der nur von den Knien etwas versteht. Die Menschen sind so weit von ihrem Korper entfernt, fast so weit wie von ihren Eltern oder von ihren besten Freunden oder den Kindern. Man hat uns nie gelehrt, einfach zu sein: Immer kommen wir mit einem „ich kann", „ich kann nicht", „ich weiB", „ich kenne"... Man hat uns nie gelehrt, ganz leer zu uns zu kommen, ganz offen, um ein­ fach zu schauen, was wir konnen. Immer kommen wir mit einem vollen Sack Vergangenheit. So ist es auch bei unserem Kor­ per: Wir wissen ganz genau, dass wir die rechte Schulter nicht bewegen konnen, wir haben keine anderen Moglichkeiten versucht. Auf den Bauch konnen wir nicht, auf die Seite konnen wir auch nicht, wir sind Experten fur alles, was wir nicht konnen! Ich glaube, eines unserer Ziele ist, dass sich die Patienten langsam wieder in ihre eige­ nen Hande begeben. Sie sollen es einfach versuchen - Aha, das ist auch eine Moglichkeit!

Bewegungen

Den Anfang bilden die leichtesten Bewegun­ gen. Ich suche, wohin es geht, ich nehme den Arm mit dem Brustkorb und mache unendlich kieine Bewegungen. Nicht dass mei­ ne Hande ein dominante Bewegung machen. Das wird nicht gehen. Ich mache eine gemeinsame Bewegung im Becken und in der Schulter. Nur mit dem Gewicht meiner

Hand, das genugt. Meine Hande fuhlen, wohin es leicht geht und wohin weniger... Ich andere mich die ganze Zeit, und nachher komme ich wieder, ich rolle alles zusammen, ich gehe noch mehr mit der Schulter, mit dem Arm in die ruckwartige Richtung, und nachher... Ich sehe, dass die Schulter mehr ruckwarts gerichtet liegt und kann durch diese Bewe­ gung ihre Moglichkeiten mehr symmetrieren. Jetzt fuhle ich, dass durch diese Be­ wegung sich die Schulter etwas heben kann. Wir mussen die ganze Zeit mit dem ganzen Korper Kontakt haben und nicht denken, dass wir perfekt einen Punkt treffen konnen. Das geht nicht. Was wird statt dessen geschehen? Es wird einfach nichts geschehen. Deswegen ist es so schwierig, es zu lernen. Das Wichtigste ist, dass ich mich bequem hinstelle, denn nurso kann ich eine feine Bewegung machen, eine harmonische Bewegung und mir immer meiner selbst bewusst sein. Ich mache nicht Gymnastik, das ist etwas anderes. Es ist sehr sehr schwer, leicht zu arbeiten, und nicht ein­ fach nur nach Gewohnheit. Es ist sehr schwer, neue Sachen zu lernen. Es ist schwer, anderen nicht die Dinge zu bringen, die wir gedankenlos tun. Wenn wir zum Beispiel nicht nur eine Be­ wegung machen mochten wie eine Kyphose oder Lordose, immer in den Lendenwirbeln und im Nacken, dann mussen wir, wenn wir die ganze Wirbelsaule harmonisch bewegen mochten, eine ganz andere Bewegung

ausfuhren. Wir mussen die Beine stutzen, denn das SteiGbein bieibt nicht nur im Be­ reich der Lendenwirbelsaule. Das ist nicht einfach, weil wir uns nicht an das Gewohnte anlehnen konnen. Wir konnen uns nicht auf die Gewohnheit verlassen. Die Patien­ ten sagen mindestens, dass sie immer neue Sachen lernen mochten. Doch wenn sie andere Bewegungen lernen, als die, die sie schon kennen, dann wird es schwierig. Sie sind gerne bereit, neue Sachen zu lernen, aber sie sollen den bisher gelernten entsprechen. Einer hat einmal gesagt, er kaufe immer sehr viele verschiedene Farben, aber es sei wichtig, dass es immer schwarz sei. Oft lernt man ja als erstes im Krankenwesen, wie man sich beugen soil. Wir ler­ nen als erstes, wie man aufhoren soli, sich gegen die Gravitation zu halten, und plotzlich beugen wir uns wie die Kinder, das ganze System macht mit. Wenn man es nur durch die Knie lernt, dann bleiben wir wie ein Klotz, wir haben noch mehr Gewicht und machen die Knie kaputt. Die Wirbelsaule fuhrt dann keine Bewegung aus. Beu­ gen wir uns hingegen in der Art, wie wir es gelernt haben, so arbeitet das ganze Sy­ stem mit, wir beugen uns leicht und ohne Kraft. Wenn wir uns beugen, wie sie uns im Krankenwesen anleiten, so ist da keine Be­ wegung, gar nichts. Wir sind wie ein Stein, ein Grabstein fur keine Bewegung. Beugen wir uns aber leicht, so bewegt sich alles, ohne dass wir uns auf die Arme oder auf die Knie stutzen mussten.

Unser Ziel ist, dass die Leute viei feiner zu sich sein sollen. Dann erst konnen wir sicher sein, dass sie ihr System nicht schokkieren. Aber die Menschen, die zu uns kom­ men, sind alle unterschiedlich. Wir bekommen vielleicht einen Patienten, der spielt Musik, ein Geiger oder ein Pianist. Ein solcher Mensch ist von Natur aus schon empfindlich, sonst wurde er nicht diesen Beruf wahlen. Wenn ich mich besser nach rechts beugen kann als nach links, so bedeutet dies, dass diese Seite geschickter ist. Diese Seite kann Bucher kaufen, kann studieren, kann die Universitat besuchen, weil sie einen guten Anwalt hat, der ihr erlaubt, all dies zu tun. Und die andere Seite kann es nicht, weil sie sich selbst gegenuber geizig ist und sich keine Moglichkeit verschafft, sich zu bewegen. Deswegen beginnen wir auf der Seite, auf der mehr Moglichkeiten vorhanden sind. Auf der anderen Seite werden wir einen deutlicheren Impuls zur Schulter schicken kon­ nen, weil sie weniger empfindlich ist. Wenn ich zum Beispiel beim Hochsprung springen mochte, so hat das Bein, das ho­ lier springt, viel weniger Beweglichkeit. Das andere, das dich hochbringt, hat viel mehr Moglichkeiten. Deswegen werden wir die­ sen Umstand nutzen und mit dem Bein be­ ginnen, das viel mehr Moglichkeiten besitzt. Einen Impuls in die Schulter zu schicken, ist keine Bewegung, dies ist nur ein Impuls.

Fur eine seitiiche Bewegung lege ich den Patienten auf die Seite, die harter ist, die besser springen kann, die besser stehen kann - weil die andere Seite es ihr erlaubt. Auch wenn wir den Kopf bewegen, gilt: Rollt er besser nach rechts als nach links, so bedeutet dies, dass die linke Seite es ihm er­ laubt und ermoglicht. Wir konnen nun die Bewegung langsam machen, dann ziemlich schnell zuruckkommen - und nichts passiert.

Langsamkeit

Warum machen wir manchmal Dinge langsam und weniger langsam - und nachher schnell? Weniger langsam und schnell ist nicht dasselbe! Manche sind der Meinung, dass sie sich selberstoren, wenn sie langsam arbeiten. Aber es kann sein, dass sie zu schnell arbeiten und dabei glauben, dass sie alle Punkte in eine harmonische Bewegung bringen. Aber das sieht nur so aus. Man kann natiirlich auch den Gesamtuberblick verlieren, wenn man zu stark auf Einzelheiten konzentriert ist. In ATM befasse ich mich auch mit einzelnen Teilen, rufe euch aber dazu auf, noch einen anderen Teil einzubeziehen. Ich lasse euch beides tun, so dass ihr wahlen konnt. Aber manchmal verzichte ich auf eure Wahl und sage euch trotzdem, macht dieses oder jenes. Denn manche wahlen nur, was sie gewohnt sind, und konnen sich fur neue Moglichkeiten nicht offnen. Eine Frage war, ob wir neue Bewegungen finden, wenn wir langsam arbeiten. Das ist eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Verstandnis iiber das limbische und supralimbische System steht. Wenn wir langsame Bewegungen ausfuhren, so sind das Be-

wegungen, die bei jedem Schritt gestoppt werden konnen. Jede Sekunde konnen wir aufhoren und dann weitergehen. So haben wir die Moglichkeit, bei jedem nachsten Schritt zu wahlen, in welche Richtung wir gehen wollen. Arbeiten wir schnell, so ist es unmoglich, einen neuen Weg zu gehen. Das wird dann eher zu einem Automatismus, der immer gleich ist, weil wir daran gewohnt sind. Details dazu finden wir im „Aufrechten Gang" von Moshe Feldenkrais. Im zweiten Kapitel wird dort der Sachverhalt sehr gut erklart. Uberhaupt ist dieses Buch fur die Grundlagen sehr hilfreich und enthalt viele Beispiele. Es ist sehr wichtig, Moshes Bucher im­ mer wieder zu lesen. Sonst bleibt, was wir tun, nur „Feldenkrais-Technik". Noch etwas mochte ich anmerken: Manchmal machen wir langsame Bewegungen, weil wir Angst haben oder weil Schmerzen da sind. Wir arbeiten langsam und sind dann fixiert auf diese Geschwindigkeit. Wir versuchen keine neuen Moglichkeiten und ar­ beiten so, als wollten wir uns im Regen nicht nass machen und zwischen den Tropfen hindurchschlupfen. Uns fehlt der neue Mut zu neuen Wegen, vielleicht mit weiteren Be­ wegungen, zum Beispiel der Bewegung mit dem Becken und den Lendenwirbeln. Aber wenn wir zum Beispiel uber den Nacken ge­ hen wurden, so ware da kein Druck, denn die Brustwirbel nehmen den Druck auf sich. Wir machen das Gegenteil von dem, was wir spontan machen. Spontan biegen wir

den Kopf ruckwarts oder nach vorne. Doch diese Bewegung mit den Schultern, mit der ganzen Wirbelsaule, mit den Huftgelenken machen wir nicht. Lernen wir es neu, ohne die Probleme der Gravitation, auf dem Boden am Anfang und spater plotzlich wieder mit dem Druck des eigenen Gewichtes, dann sieht es plotzlich ganz anders aus. Jetzt ist es nicht mehr die gewohnte Monkey-Position, mit dem ganzen Gewicht auf den Knien. Jeder hat seinen Rhythmus. Aber ich reagiere anders auf verschiedene Personen. Eine Metapher moge dies verdeutlichen: Wenn jemand nicht gut hort, so muss ich schreien. Wenn jemand empfindlich ist, so muss ich sehr fein arbeiten und langsam, die einzelnen Schritte mussen sehr klein sein. In FI und ATM gebe ich sehr viel von mir. Machen wir eine ATM drei-, vier- oder funfmal, so finden wir immer wieder Neues darin. Wurde ich eine ATM extrem langsam gestalten, dann wurde es auch ziemlich schnell langweilig werden. Das ist mein Charakter, und ich glaube, jeder soli seinem Charakter gemaG handeln. Ich glaube, eine Sprache soil interessant sein. Wenn es eine Lehre sein soil, so muss sie interessant sein. Manche Leute sprechen langsam und dennoch sehr interessant. Ich spreche mit mei­ ner Arbeit interessant in meinem Rhythmus. Ich glaube, das ist mein Rhythmus, das ist meine Sprache.

Wenn du noch Zuhorer oder Anfanger bist, so beginnst du sehr langsam. Ich habe friiher auch langsamer gearbeitet. Am Anfang kannst du noch viel weniger als ich. Doch mit der Zeit wirst du wesentlich mehr erkennen, jeden Tag mehr. Wenn du mehr siehst, wirst du auch anders reagieren. Du reagierst starker, wenn du mehr siehst. Da­ mit wird es auch in der Zukunft einfacher werden. Ich glaube, jeder soli seinen Charakter schatzen und respektieren und nur so arbeiten, wie er kann und nicht wie ein anderer. Sonst bleibt er nicht authentisch. Und wenn unsere Arbeit nicht authentisch ist, so ist es wieder eine Luge. Ich arbeite, ich reagiere auf sehr viele Dinge, die ich sehe, und ich glaube, es ist wichtig, diese Dinge dem Schuler oder Patienten zu zeigen. Deshalb ist die Arbeit sehr reich und du musst auch etwas geben. Wenn jemand zu dir kommt - du erhaltst Geld dafur, er verzichtet auf andere Therapeuten, die ihm helfen konnten, er kommt zu dir- so musst du ihm alles geben, alles was du hast. Ich glaube nicht, dass es ein Fehler ist, nein ich bin uberzeugt, es soil so sein. Jeder soil sein Maximum geben. Dein Maximum ist 100 Prozent von dem was du jetzt gibst. Und genau so ist es bei mir. Du kannst nicht meine 100 Prozent geben, und ich kann nicht deine 100 Prozent geben. Die Hauptsache ist, dass du hilfst. Und dass du den Leuten die Moglichkeit gibst, dir zu vertrauen und wieder zu kommen. Denn wenn sie nicht wiederkommen, so kannst du ihnen nicht helfen.

ATM

Wir konnen nicht anderen helfen, wenn wir uns selbst nicht kennen. Wir konnen nur innerhalb der Grenzen helfen, in denen wir gut sind. Sonst ist es ein Bluff, eine Vorspiegelung. Wenn wir zu uns gut und zu einer Bewegung bereit sind, dann konnen wir auch einem anderen helfen. Dann fuhlen wir, wo wir den ganzen Korper an einer harmonischen Bewegung teilhaben lassen konnen. Wenn wir bei uns selbst Schwierigkeiten haben, werden wir die Moglichkeiten beim anderen wahrscheinlich nicht sehen und dafur nicht empfindlich sein. Deswegen ist es so wichtig, jeden Tag eine ATM-Lektion, eine ATM-Stunde zu gestalten. Denn eine gute ATM-Lektion ist wie eine Mischung aus einer FI und ATM. Eine gute ATM-Stunde muss ein Gefuhi geben wie oder ahnlich wie - eine FI. Ihr konnt nicht alle in euerer ATM-Gruppe wahrnehmen, wenn ihr es nicht selbst erlebt habt. Ich habe gehort, dass manche Leute mit ei­ nem Heft in die ATM-Stunde kommen. Das Heft gewinnt, aber die, die am Boden liegen, verlieren. Man sieht sie nicht, weil man irgenwo in ein Buch schaut.

Macht deshalb bitte jeden Tag eine ATM, das ist so wichtig! Es liegt so viel darin, und es ist nicht so schwierig, es zu tun. Ich glaube, es ist viel leichter, den anderen zu sehen, wenn man eigene Gewohnheiten weglasst. Das dauert! Deshalb frage ich euch, ob ihr ATM macht. Wir konnen nicht FI geben, wenn wir nicht jeden Tag eine ATM machen. Die tagliche ATM ist vielleicht der Grund, warum ich Zusammenhange schneller sehe. Vielleicht finde ich dadurch die vie­ len, vielen, unendlich vielen Wege. Die Wege haben kein Ende. Deshalb ist es so wichtig, ATM mit unserem eigenen Korper kennenzulernen. Erst danach konnen wir eine groBe Lupe fur an­ dere finden und nicht unsere Pillen und un­ sere Schwierigkeiten auf jeden andern iibertragen. Auch unsere Erklarungen, ganz gleich ob mit unserem Mund oder mit unseren Handen, werden viel reicher, wenn wir noch viele andere Wege kennen und nicht immer nur das machen, was wir schon konnen. Wenn wir mit einem armen Repertoire dastehen, sehen wir bei anderen nur das, was wir se­ hen wollen.

Ziele oder das Gegenteil

Es ist nicht das Ziel, neue Bewegungen oder Moglichkeiten zu finden. Das einzige Ziel ist, dass wir den ganzen Korper sehen, mit all seinen Schwierigkeiten. Wir konnen unsere Hand dorthin legen, wo wir im Augenblick am tiefsten, sparsamsten und effektivsten helfen konnen. Wenn jemand fur vierzig Minuten zu uns kommt, (bei mir sind es funfundzwanzig Minuten, am Anfang habe ich vier Stunden gearbeitet) mussen wir genau sein und etwas geben. Der Patient muss aus der Stunde mit etwas von euch herauskommen. Wenn wir anfangen zu su­ chen und vergessen, was der Patient gesagt hat und suchen nicht mit den eigenen Augen, so finden wir uberhaupt nichts. Auch nicht in zwei Stunden. Das ist das Ziel! Viele und genaue Bewe­ gungen und eine soil in die andere uberleiten. Wenn ich hier den Kopf drehe, und es geht nicht weiter, weil diese Rippe dort stort, so sollen wir das fuhlen und sehen. Das ist nicht nur effektiv - es ist auch sehr interes­ sant.

Es ist ein Dialog zwischen uns beiden. Was tragt der Patient zu diesem Dialog bei? Ich nehme, sagen wir einmal, seinen Arm. Ich sehe, dass der Arm bis zu einer bestimmten Stelle geht. Es regt etwas in mir an, weil ich seinen ganzen Korper sehe, wo er sich stort, wo er sich schutzen muss. Dann erzahle ich ihm, durch meine Bewegung und durch verschiedene Wege, wo es stort. Nicht weil ich ihm zeigen mochte, was fur ein grosser kreativer Meister ich mit einem ganzen Schwimmbad voller Ideen in meinem Kopf bin. Sondern weil dies sehr effektive Bewegungen sind und der Patient bei dieser Geschichte uber seinen Korper aufpasst. Und plotzlich geht es viel besser. Dann kann er mir nachfolgen. Aber wenn ich nur einen Haufen von Ideen iiber ihn ausschiitte, so ist das, wie wenn ich eine Zitatensammlung aller groBen Leute dieser Welt zitieren wiirde, doch von jeder Seite

nur eine Zeile. Aber was wurde das niitzen? Es hat keinen Inhalt. Ich spreche hier iiber sein Thema, und dann ist es nicht zu viel. Wenn ich dauernd nur selbst reden wiirde, so geht das nicht. Wenn ich aber spre­ che und er antwortet, so bin ich aufmerksam. Es bleibt ein Dialog, ob ich antworte oder nicht. Wir mussen hier kein MaG abwagen, kein Prinzip einhalten. Es ist einfach ein Dialog zwischen zwei Menschen. Der Patient erlaubt mir Bewegungen, er beobachtet, er atmet, das ist seine Antwort. Er hat von Anfang an ein Kriterium um zu antworten: es ist ihm angenehm oder nicht. Unser Ziel ist, zu erzahlen - aber nicht mit Worten, denn das ist nicht genug - zu er­ zahlen durch unsere Arbeit, dass sich un­ ser Patient durch eine noch ganz andere Sicht kennenlernen soli, durch eine ehrliche Sicht. Das Wichtigste ist nicht, wieviele Kin­ der oder was er fiir einen Beruf er hat und wieviel er verdient. Ich glaube, was wir ler­ nen, kann man iiberhaupt nicht mit Geld aufwiegen. Unser Ziel - wenn man schon nach einem Ziel fragt - ist nicht, dem Patienten theoretische Informationen zu geben, sondern er soil alleine von sich selbst Informationen real aufnehmen und fuhlen. Das ist unser Ziel. Dabei wollen wir ihn nicht verbessern, als ob er sich in einer Prufung befande und sagen, nein, das stimme nicht. Denn es stimmt fiir ihn, es sind seine Wege, wie er Informatio­ nen iiber sich selbst erfiihlt. Und so benimmt er sich auch in dieser Bewegung. Unser Ziel

ist, ihn etwas naher zur Reaiitat seiner Be­ wegungen, seines Tonus und seines ganzen Korpers zu bringen. Er soil sich ein viel realeres Bild von sich selbst machen. Ich werde eine andere Frage stellen: Wo ist die Bewegung weicher, empfindlicher nicht leichter. Wo mussen wir weniger Kraft hineinstecken. Diese Information ist mir wichtig, weil wir oft zwischen Gewohnheit und Kraft und Leichtigkeit wechseln mus­ sen. Wir sind an Leichtigkeit gewohnt und stecken nun mehr Kraft hinein. Das ist fur uns bequemer, aber das ist eine andere Bewegung. Wir bewegen den ganzen Kor­ per, eine Bewegung geht mit der andern. Das ist eine Information, die es nicht in den Buchern gibt. Dafur sind wir selbst verantwortlich. Die Menschen lernen so viel wichtigere Informationen uber sich, als wenn wir ihnen mit einem lateinischen Wort erklaren, sie hatten diese oder jene Krankheit. Wir mussen es wissen, aber fur den Patienten ist es unwichtig. Dies ist ein Dialog zwischen zwei Menschen in einer Sprache, doch es ist nicht die semantische Sprache. Fuhlt jemand bei sich selbst verschiedene Dinge, dann kann ersie andern. Wir konnen nur auBerlich etwas verandern und nur fur kurze Zeit. Wenn aber jemand bei sich etwas andert, weil er andere Wege sieht, weil er neue Moglich­ keiten findet, dann hat er etwas gewonnen. Nicht weil die Krankenkasse etwas bezahlt, sondern weil es ihn wirklich betrifft und weil er nun etwas anderes erhalt.

Wenn wir arbeiten wollen, so mussen wir vorher den Korper darauf vorbereiten. Es gibt nicht nur einen Punkt, der uns interessiert, nicht nur eine Bewegung, die wir ma­ chen wollen. Denn wenn der Korper sich von hier nach dort bewegen will, so ma­ chen nicht nur die FuBe eine Bewegung. Die Augen machen mit, die Schultern, die Aufmerksamkeit, manchmal auch das Riechen, das Horen, alles! Deswegen kann eine FI meiner Meinung nach nicht gut sein, wenn wir nur an ein Glied denken oder an eine oder zwei Bewegungen. Man kann jemanden bitten, ein Bild von seinem Korper zu zeichnen, wie er sich fiihlt, wenn er steht oder wenn er liegt. Eine solche Beschreibung ist nicht leicht. Wir kon­ nen nachhelfen, indem wir unseren Patien­ ten bitten, sich mit einem historischen Gebaude zu vergleichen und dieses beschreiben lassen. Ich meine, wenn die Menschen zu uns kommen, so kommen sie immer bereits mit dem Bild von ihren Schmerzen. Deshalb konnen wir ihnen auch vorschlagen, sich noch auf eine andere Art, aus ei­ nem anderen Blickwinkel zu fotographieren. Manchmal mit etwas Humor, der nie weit von den eigenen Gefuhlen entfernt ist und nicht immer nur mit lateinischen Namen wie Skoliosis und ahnlichen. Zum Beispiel als ein Regenbogen - als bunten Regenbogen! Ich mochte daruber sprechen, wie wir ein Bein heben konnen ohne Druck auf ein empfindliches Knie zu erzeugen, wie wir das Bein halten konnen, so dass es bis zum Huftge-

lenk wirkt und wir ein Bild vom Bewegungsraum des Hiiftgelenks bekommen. Am Anfang machen wir die Bewegung noch ohne Rollen unter den Knien, denn dies wurde noch einen weiteren Winkel auf dem Weg zum Hiiftgelenk bedeuten. Ich lege die Hand unter die hintere Seite des Knies und kann bereits fuhlen, auf welchem Bein die Person steht, wie gespannt es ist, wie weich die Muskulatur ist, mit welchem Bein ich die Bewegung anfangen kann, was ich tun soil: Eine Bewegung mit den FiiGen alleine oder mit einem Bein in der Luft. Wenn wir den Patienten fragen, mit welchem Bein er beginnen will, wie wur­ de er antworten? Welches Bein wurde er als erstes anheben? Das linke selbstverstandlich. Er steht auch auf dem linken. Warum ist es iiberhaupt fiir manche leicht, fiir andere nicht? Kann man einfach nur bis an seine eigene Grenze gehen? So weit es leicht geht? Kleine Bewegungen, langsame Bewegungen? StoGen wir bei der Vorbereitung einer ATMStunde auf Schwierigkeiten und kampfen nicht dagegen an, was konnen wir sonst tun? Man kann nicht nur sagen, macht et­ was Leichteres. Das waren nur Worte. Wir miissen die Patienten geradezu reizen. Ich glaube, wir konnen die richtigen Worte nicht finden, wenn wir nicht selbst auf unserem Korper neue Moglichkeiten finden, und dabei auf die Kraft, auf plotzliche und starke Bewegungen, auf alles, was wirschon kon-

nen, verzichten. Wir mussen lernen, ande­ re Dinge zu fuhlen. Einmal hat mir Noah Eshkol, der Erfinder einer Schrift fur Bewe­ gung, gesagt, man musse eine ATM weich machen. Aber es geht darum, in seinem Korper verschiedene Moglichkeiten zu finden. Die Bewegung soil aus sich selbst her­ aus geschehen, wir mussen nicht etwas erreichen. Das ist eine lange, lange Arbeit iiber viele Jahre. Wir konnen jemandem sehr viel helfen, wenn wir nicht versuchen, ein Ziel zu erreichen. Ein Ziel ist an und fur sich unwichtig. Wir mussen mehr darauf schauen, wo er sich stort. Wenn ihr darauf hort, was Eli gesagt hat, so wartet ihr darauf, dass et­ was geschieht. Ihr konzentriert euch mehr auf AuBerlichkeiten und nicht auf euch selbst. Ihr wollt etwas gut machen. Aber gut machen bedeutet, immer nur mit dem zu arbeiten, was ihr bereits konnt. Bei einem Baby sind die Eltern auBerordentlich stolz darauf, wenn es schon mit acht Monaten gehen und stehen kann - aber es verliert dabei sehr viel. Wenn man ihm erlaubt zu fallen, neugierig auf dem Boden zu kriechen und es nicht schon stehen muss, lernt es viel mehr. Das Stehen wird mit der Zeit von alleine kommen und nicht, weil die Eltern die Hand halten. Dann wird das Baby sehr viel mit seinem Skelett arbeiten. Es gibt auch in einer FI Bewegungen, die hatte ich im Kopf, aber sie gelangen mir ein­ fach nicht.

Es ist sehr wichtig, dass wir bei dem, der unter unsern Handen liegt, etwas Unbequemes finden, denn damit konnen wir anfangen. Wir erreichen ihn nicht einfach wie ein Mdbel, das im Raum liegt und das nun richtig stehen soli. Der Mensch ist kein Mobei! In keinem Fall. Jeder legt sich so hin, wie es ihm am bequemsten ist. Und wir durfen ihn auf keinen Fall so hinlegen, wie es fur uns am bequemsten ist. Doch wir mussen schauen, warum zum Beispiel sein Schulterblatt in dieser Position liegt, denn das ist auch ein Grund, warum er sich in eine bestimmte Richtung kippen wird. Doch es gibt noch ein paar weitere Punkte, an die wir denken mussen.

Wenn wir zum Bespiel an eine bestimmte Stelle unsere Hand hinlegen, so ist das ist ein kunstlicher Boden, den das Becken fuhlt. Hier versuchen wir nun eine Bewegung. In jeder Bewegung suche ich, wo sie sich stort. Ich versuche, ihr noch eine Moglichkeit zu zeigen, noch eine Moglichkeit und noch eine.... Oft fragt man uns: ok, du gibst mir ein paar Informationen, und ich fuhle mich nach der FI oder Stunde oder Behandlung gut. Aber was kann ich davon mitnehmen, und wieso kann ich davon etwas lernen, wenn wir nicht daruber sprechen? Wird es uberhaupt in meinem Repertoire bleiben? Ich habe dar­ uber nachgedacht: Alle schlechten Manieren haben wir dann gelernt, wenn wir ein Problem hatten, wenn wir uns gegen einen Schmerz schutzen mussten oder gegen ei­ nen Gips bei einem Bruch. Wir sind dabei geblieben, ohne zu denken und noch viele Jahre spater benehmen wir uns dem entsprechend. Jetzt konnen wir dem Korper etwas Positives zeigen, er erlebt eine neue Moglichkeit und nimmt sie in sich auf. Das ist naturlicher, als wenn man die ganze Zeit so geht, als hatte man einen Beinbruch gehabt oder eine Luxation. Das ist sehr wich­ tig. Und es gibt auch andere Verletzungen, die nicht korperlich sind! Wir sehen, dass ich nie systematisch bei jedem zu einem bestimmten Ort gehe. Sondern wir werden bei jedem suchen, was er braucht. Ein Punkt regt bei mir einen an-

dern an. Sehe ich hier zu wenig Bewegung, dann versuche ich es dort... Wir haben vie­ le Wege gelernt, wir gehen mit, wir gehen dagegen. Ich glaube, diesen Weg kann man nicht als Technik lernen, jede Bewegung gilt fur sich separat. Man muss den Weg alleine zurucklegen! Und jeder wird seine Mittel finden. Ich versuche, jemanden so zu organisieren, dass der Weg vom Kopf bis zum Huftgelenk uber so wenig Stationen wie moglich gehen soli, an denen er anhalten oder eine Pause einlegen muss. Es soli flieBen, und ein Weg sein, wie wenn wir auf dem kurzesten Weg von Tel Aviv nach Haifa ge­ hen. Wir laufen nicht uber Jerusalem, auch wenn Jerusalem eine wichtige Stadt ist. Ich sehe nicht plotzlich einen Weg und dann geht es, sondern ich zeige: Schau, hier ist eine Station, die ohne Bewegung ist, da kann man eine Bewegung machen. Und dann ist es fur beide ein Vergnugen: Sie lernt davon sehr viel, sie atmet auch - manchmal.

Wie sollen wir die Hand uberhaupt hinlegen? Es gibt so viele Wege. Es gibt unendlich viel zu machen. Wir fuhlen einen Unterschied zwischen beiden Seiten. Wenn jemand unbequem auf einer Seite liegt, so wird es nichts nutzen, wenn wir mit Absicht dieses oder jenes machen. Konnen wir dieses Gefuhl verstehen? Wir mussen suchen, woran es liegt, dass der Patient so oder so liegt. Kann es dies sein oder das? Oder so, oder so? Wir konnen daraus ein Spiel machen! Aber wir mussen etwas andern. Wir kon­ nen es ihm nicht bequem machen, wenn wir ihm weiterhin erlauben, in seiner Haltung zu bleiben. Da wird er es nicht finden. Wir mussen ihm zeigen: es gibt noch ein paar Orte mehr, wo er sich bewegen darf. Ich meine, es ist nicht der richtige methodische Weg, wenn wir dem Patienten zei­ gen, wie er jede Bewegung genau machen soil. Denn hinterher geht man aus der Stunde wie aus der Schule: ich kann es nur so, wie es der Lehrer gemacht hat, und wenn ich fuhle, dass ich es nicht genau so ma­ chen kann, wie er es getan hat, dann bin ich frustriert. Finde ich hingegen neue Wege, ist es nicht mehr wichtig, ob es genau die richtigen Wege sind oder nicht. Denn mit der Zeit werden sich viel mehr Wege eroffnen, auf denen noch mehr Moglichkeiten zu entdecken sind. Wenn wir aber auf eine Bewegung fixiert sind, auf die, die der Pati­ ent gerade gemacht hat, so bremst uns das. Es ist, als fuhre man mit angezogener Handbremse. Das ist auch keine Lehre

fur den Patienten. Wir wollen fiir ihn selbst etwas Neues finden. Warum erlauben wir uns also nicht selber, etwas Neues fur uns zu finden, statt immer nur etwas nachzumachen? Denn so finden wir unseren Weg! Da ist viel erreichbar, fiir jeden von uns. Moshe sagte mir einmal, als ich meinte, et­ was nicht zu verstehen: „Du verstehst nicht? Dann geh doch nach Hause! Du sollst suchen, nicht verstehenV' Du besitzt ein GefaB, das seit sechshundert Jahren tief im Boden vergraben war. Die Erde ist schon ziemlich hart. Wir versuchen, es als Ganzes zu heben, so dass es nicht zerbricht im harten Erdreich. Wir kon­ nen nicht einfach am GefaB ziehen. Wir mussen graben, von hier und von dort, hier ist ein Stein im Weg, wir mussen zuerst diesen Stein ausgraben, auch wieder von al­ ien Seiten, unter ihm durch, bis wir so auch das GefaB heben konnen. Das ist genau das, was wir getan haben, von vielen Sei­ ten aus. Bis wir das ganze Bild fuhlen. Auch der Patient wird es zu Hause wie ein Puzzle erkennen, und am Schluss wird er das gan­ ze Bild sehen. Das ist das Ziel einer ATM. Wenn etwas von uns in der ATM ist - und wir machen sie immer wieder, wieder und wieder - so wird es immer deutlicher und das Bild vor unseren Augen immer scharfer. Das ist so wichtig! Denn wenn du dich nicht selbst vor Augen hast, wenn jemand unter deinen Handen liegt, so ist das Unrecht fur den Patienten.

Es kommt immer darauf an, wieviel Ver­ antwortung wir fur unsere Bewegungen auf uns nehmen. Die Bewegungen an sich sind unwichtig! Es ist nur wichtig, dass der Pati­ ent durch diese Bewegungen lernt, was er selbst kann. Einer kann eine Bewegung nicht, gut, dann mussen wir ihm etwas spenden. Und wenn wir nicht in unserem Korper etwas fuhlen, fur uns etwas finden, so werden wir auch fur ihn nichts finden. Aber wenn wir so immer den ganzen Kor­ per sehen, dann konnen wir ihm Moglich­ keiten zeigen. Er kann die Beine beugen, oder er kann die Arme oben halten und die Beine gestreckt, das ist wieder etwas anderes. Oder ein Bein beugen, das andere nicht. Sucht euch etwas! Das ist das Schone an diesem Weg: er entwickelt uns und zwingt uns, nicht einfach nur zu machen, was irgend ein kluger Kopf gesagt hat, denn dieser ist nicht kluger als dein Gefuhl! Er bringt auch etwas von seiner Erfahrung. Wenn du immer nur bei jemandem kleben bleibst, so wird es immer mehr Regression geben, immer mehr. Du hast dann immer nur sein Bild im Kopf, nicht das Bild desjenigen, der jetzt gerade unter deinen Handen liegt. Es gibt nicht nur einen Weg, es gibt unend­ lich viele Wege. Aber den Weg, den du findest und mit dem du auf deine FiiBe kommst, das ist dein Weg. Dann wirst du etwas Echtes bringen. Und dann wird es dein Patient auch fuhlen.

Schmerzen

Macht nicht etwas, das Schmerzen verursacht! Denn dann wird der Patient nie et­ was lernen. Wir nehmen nichts mit, wenn es uns geschadet hat. Wir werden es aussortieren und aus unserem Repertoire streichen. Wir werden es aber spontan benutzen ohne dariiber nachzudenken, wenn wir etwas mit unserem ganzen Korper angefangen haben, und nicht einfach mit Schmerzen da gelegen sind und machten, was wir immer schon getan haben. Der Korper lernt iiberhaupt nichts, wenn wir etwas tun, obwohl es Schmerzen bereitet und wir einfach dariiber hinweg gehen. Der Korper schiebt dann die Lektion hinaus. Aber wenn wir sagen, wir suchen den Weg ohne Schmerz, dort, wo es noch moglich ist, et­ was zu tun, so miissen wir dabei ganz im Bild, ganz im Feld sein. Wenn wir etwas tun, das Schmerzen verursacht, dann ist das kei­ ne Entscheidung, sondern ein Zwang! Dann zwingen, vergewaltigen wir die Glieder des Patienten zu Schmerzen. Er lernt nichts davon. Wirsollten nicht zu viel im Kopf dar­ iiber nachdenken, wie wir uns doch durch

den Schmerz hindurchbewegen konnten. Wir sollten uns nicht zu weit von der Physiologie weg zur Philosophie bewegen. Wenn wir bei uns selbst den Weg uber Schmerzen gehen und uns selbst nicht respektieren, nicht die unendlich vielen ande­ ren Moglichkeiten versuchen, sondern ein­ fach nur den sicheren und bekannten Weg gehen, so werden wir dies auch beim an­ deren nicht respektieren! Derjenige, der vor uns liegt und Schmer­ zen hat, ist nicht unbeweglich weil er Schmerzen hat. Er war schon vorher un­ beweglich oder ungeschickt. Seine Bewe­ gungen waren nicht elegant, es waren Be­ wegungen gegen sich selbst. Er schlagt sich dauernd: Wenn er auf das Sofa fallt, wenn er auf den Stuhl fallt, wenn er plotzlich aufsteht. Uberhaupt: So wie er sich bewegt, ist dies eine tagtagliche Strafe fur seinen Korper. Jeden Tag straft er sich zweihundertmal, ohne dass er es merkt. Aber nachher muss er zu uns kommen oder zu jemandem, der es wieder so einrichten soli, wie es friiher war. Er selber hat schon vergessen wie es war. Hundert Prozent von uns, wenn wir auf dem Rucken liegen, die Arme verlangern und dazu die Beine, machen eine Lordosa. Wenn man ein Seil nimmt und es in der Mitte anhebt, so verkurzt es sich am Boden, seine Enden nahern sich. Bei Menschen, bei denen Bewegung durch den Kopf und nicht durch den ganzen Korper geht, ist das lo-

gisch. Sie versuchen dann Wege, wie es trotzdem mit dem Riicken geht, etwa mit Hilfe der Bauchmuskulatur. Plotzlich geht es ein wenig, aber nicht so viel wie sie mochten, und es geht relativ zum Korper und nicht relativ zum Raum. Das ist der Unterschied. Wir denken immer relativ zu dem, was iiber uns gesagt wird, zu dem, was wir fiihlen. Wir fiihlen es, fiihlen wir es nicht, dann kon­ nen wir auch nicht. Aber wir konnen doch: Wenn wir den Riicken mit Hilfe des Bauches vom Boden heben. Deshalb frage ich oft, was meint der Boden? Der Boden ist auch klug, was sagt er iiber meine Bewe­ gung? Wie gehst du damit um, wie fiihlst du, ob eine Person Schmerzen hat, auch wenn sie das verstecken will? Wenn sie aufhort zu atmen, wenn ich sie reize. Du fiihlst es in der ersten Sekunde. Auch wenn jemand dir erzahlt, dass er versucht hat, den Schmerz zu verstecken, bedeutet das nicht, dass er den Schmerz wirklich verstecken wollte. Die meisten Leute mochten gerne, dass man den Schmerz bemerkt. Wir sollen sie wegen des Schmerzes betreuen oder streicheln. Aber sie sagen, sie hatten versucht, den Schmerz zu verstecken. Doch das stimmt nicht. Ein normaler Mensch wird seinen Schmerz nicht verstecken und ich glau­ be, es ist menschlich, dass er damit Zuneigung bekommen mochte.

Mut

Mehr Mut! Mit mehr Mut konnen wir uns nicht schaden. Wir mussen die Grenzen beriihren. Manchmal ist die Grenze gar nicht hier! Wir haben Angst vor den Grenzen, aber wir wissen gar nicht, wo sie sind. Wir mussen die Grenzen nicht die ganze Zeit uberschreiten, aber wir konnen sie beruhren. Dann wissen wir auch etwas uber die Menschen, die vor uns liegen, wenn wir die Grenzen fuhlen und sie zu uberschreiten versuchen. Manchmal haben wir die Gren­ ze im Kopf. Wir denken, sie muss hier sein, doch sie ist uberhaupt nicht hier. Denn es gibt viele Grenzen, hier, dort, manchmal sind sie viel weiter entfernt. Fast immer sind sie viel weiter entfernt, als wir denken. Wenn man sagt, man solle immer nur 80 Pro­ zent des Moglichen tun, so frage ich: Wie soli man 80 Prozent machen, wenn man nicht weiss, was 100 Prozent sind? Die meisten Leute machen sowieso 180 Prozent, dann immer etwas weniger, bis sie zu 100 Prozent kommen, und dann zu 80 Prozent. Wie erkennt man seine Grenzen? Doch wir sollen nicht alles machen, was moglich ist, eher ein bisschen weniger, dann bleibt noch etwas zum Verbessern. Wir sol-

len nicht zu viel machen. Wenn es im Zim­ mer kein Licht gibt und es stockfinster ist, dann geht man langsam. Wo ist der Stuhl? Wo ist die Wand? Da geht man nicht so, als sei es hell. Wenn wir also die Grenze su­ chen: langsam! Vielleicht kann ich durch meine langsame Bewegung die Grenzen erweitern.

Anleitungen

Ich muss es immer wiederholen: Was wir lernen ist nur ein Repertoire, aus dem wir etwas bauen konnen. Nur wenn das Re­ pertoire breit und tief genug ist, konnen wir daraus etwas bauen. Es ist ahnlich wie wenn man kocht: Man hat nur einen groBen Kubel voll Salz - soli man dann einfach alles hinein tun? Was auch immer wir jemandem an Infor­ mationen uber ihn selbst geben, wir sind immer subjektiv, auch wenn wir sehr objektiv sind. Wir konnen objektiv sein, auch wenn wir subjektiv sind. Wenn jemand schon in sich selbst gebeugt ist, so mussen wir ihn relativ zum Raum beugen, denn er ist ja schon gebeugt in sich. Was bedeutet es, wenn ich ein Knie vom Bett hebe? Es hat nicht nur Bedeutung fur die Huftgelenke, sondern auch fur die Lendenwirbel und Brustwirbel. Sie machen eine kleine Bewegung und offnen sich. Wenn wir jemandem sagen: Bitte hebe dein Bein, so wird er alles auf einmal mit Kraft anheben und alles kaputt machen, was wir schon erreicht haben. Wenn wir ihm aber

sagen, hebe nur dein Knie, oder nur deine Ferse, so versteht er, dass wir etwas bestimmtes meinen, und es wird keine Schwierigkeiten geben. Ich weiss, dass vieles fur euch schwierig sein kann. Zum Beispiel, wenn wir ein Bein aufstellen wollen. Das kann unklarsein, denn es bedeutet fur jeden etwas anderes. Wir konnen aber die Bewegung vorbereiten: den Ellbogen etwas mehr nach hier beu­ gen, das Knie etwas mehrdorthin. Die Bei­ ne strecken, dann das Knie etwas zur Sei­ te kriechen lassen, den Fu6 nur nachschleppen lassen, wo er hin will. Dann ergibt sich die Bewegung von selbst.

Es ist sehr wichtig, wenn wir jemanden auf den Bauch, auf die Seite oder auf den Riikken legen, dass er nicht das Gefuhi hat, es werde etwas dramatisches mit ihm gemacht. Er soli sich sicher fiihlen, er soli fiih­ len, dass wir seine Schwierigkeiten und sei­ ne Einseitigkeit respektieren. So, dass seine Brust nicht sehr bequem liegt, seine Lordose oder seine Kyphose sich zeigen konnen. Wir sollten die Situation nicht zu schnell andern! Sondern mit ihm gehen, ihm zeigen, dass wir wissen: der Riicken ist so oder so, die Kyphose zeigt sich auf diese Weise, das ist deins, jeder hat seins. Wir wollen ihm nichts stehlen, nichts andern, nichts besser wissen als er, der schon so manches Jahr damit lebt. Das ist sehr wichtig. Nachher konnen wir mit dem Finger leicht zeigen: Schau, da ist noch eine kleine Moglichkeit, da gibt es noch eine weitere. Aber nicht so wie in einem Theater, wo sich in zwei Stun­ den zehn Generationen andern. Es ist kein Theater. Es ist viel wichtiger als Theater, dass die Patienten fiihlen, sie sollten nicht immer auf eine glatte Bewegung mit dem rechten Schulterblatt verzichten. Das ist sehr wich­ tig! Aber wie sollen sie darauf verzichten? Nur weil wir in einem Kurs eine neue Bewegung gelernt haben? Solch eine Bewegung ist nur ein Mittel, zu zeigen, was alles geschieht. Zum Beispiel ist es sehr wichtig, dass der Patient fiihlt, dass er, wenn er die Schulter hebt und dazu auch noch den Ellbogen, sich schiitzt und dem Ellbogen nicht die Moglichkeit gibt, zu hangen. Wenn ich im nun zeige: schau, hier, oder vielleicht hier... dannfangt esan.

Ich werde immer wieder zuruckgehen. Am Anfang gehe ich der Wirbelsaule entlang, und bleibe, wo sie wiinscht, dass ich bleiben soil, es ist sehr leicht zu fuhlen. Mit der Zeit wird es sehr leicht zu fuhlen sein, jeder fuhlt es, auch ohne dass er beriihrt - er wird sehen wie jemand liegt. Ich glaube, es ist eine Sunde, wenn wir mit Zirkusbewegungen anfangen. Hier ist jede der kleinsten Bewegun­ gen immer daneben. Ich zeichne dem Patienten mit meinem Stift auf, wie es sein konnte. Ich kann viele Wege gehen. Ich mache die Bewegung wieder, um zu sehen, wo sie passiert. Aber das ist nicht eine Information, die mich mehr interessiert als meine Familie. Es ist eine Informa­ tion, die mich interessiert, weil ich sie fur den Patienten herausfinden mochte. Man kann kein ATM-Lehrer sein, wenn man keine FI macht. Man kann Gymnastiklehrer sein, aber kein ATM-Lehrer. Denn die ganze Empfindlichkeit erhalt man durch die FI, wo man jede noch so kleine Bewegung sieht, die in der Gruppe gemacht wird, und man kann von jedem fur jeden neue Ideen finden. Umgekehrt bringen naturlich die ATM-Stunden viele Ideen fur die FI, weil ich dadurch meinen Korper kennenlerne. Und wenn ich meinen Korper kenne, kann ich auch in einen Dialog treten mit jemandem, der vor mir auf dem Bett liegt. Wenn je­ mand nur ein ATM-Lehrer sein mochte, dann kann er nicht unseren Weg gehen.

Wir versuchen, jemandem seine Moglichkeiten zu zeigen. Wenn jemand zu uns kommt, so bewegt er sich, als wenn es fiir die Ewigkeit gelten sollte. Er schiitzt sich so Tag und Nacht. Wir versuchen, ihn mit unseren Handen zu iiberzeugen: es stimmt, du musst dich schutzen, aber vielleicht nicht 24 Stunden. Einmal kannst du es auch las­ sen... Ich glaube, es ist mit dem Korper so wie mit vielen anderen Dingen. Wie sollen wir anfangen, wann nicht, wie nicht? Manchmal ist es nicht die heilige Be­ wegung, sondern nur ein kleines Mittel. Und es ist nicht die Technik! Wenn jemand et­ was anderes findet, so ist das auch gut. Es steht nichts geschrieben wie in den zehn Geboten Moses. Bevor wir mit den Rollen arbeiten, ist es vorteilhaft, zuerst mit den Schultern etwas zu tun. Ich werde iiber die Arme die Schultern leicht bewegen, aber dazu auch alles andere, mit meinem ganzen Korper. Nie ist eine Bewe­ gung auf einen Punkt bezogen, es ist im­ mer ein ganzer Prozess. Es kann nicht sein, dass eine Bewegung alleine jemandem et­ was mitgeben kann. Es braucht dazu einen ganzen Prozess. Wir konnen dazu andere Teile mitbewegen, oderTeile, die immer mitgehen, bremsen. Wenn ich sehe, dass je­ mand immer seinen Kopf mitbewegt, so kann ich ihn fiir einen Moment festhalten, und damit die Schultern einmal relativ zum Kopf bewegen und nicht immer gemeinsam mit dem Kopf.

Bei der Hohe des Kopfes in Relation zum Rumpf darf es keine Kompromisse geben, wenn jemand auf der Seite liegt. Es muss ihm bequem sein, sonst ist es etwas ganz anderes. Wenn jemand kommt, und er hat Schwierigkeiten, so wird sein Arm gebeugt sein. Ich werde ihm sagen: tu noch nichts, warte! Die Hauptrolle soli seine Atmung spielen, ich folge seiner Atmung nach. Nachher gehe ich nur in die Richtungen, wo es ihm leichtfallt. Ich suche, wo es geht. Und nur dort, wo er hin will. Wo es nicht leicht geht, verweile ich, mache nur mit meinem Rumpf sehr kleine Bewegungen und nicht mit mei­ nen Handen! Dann konnen wir weiter ge­ hen. Bis wir wieder eine Stelle finden, wo keine Bewegung ist. Hier konnen wir wie­ der versuchen, ob die erste Bewegung jetzt moglich ist und dem Patienten zeigen, was sich geandert hat. Die Hande zeigen ihm die Stellen und Wege. Ich komme mit meiner Hand auf seine Clavicula, die andere Hand fixiert die Scapula, und ich spiele zwischen diesen beiden. Einmal die Clavicula, einmal die Scapula. Nach­ her bringe ich die Scapula nahe zu den Rippen. Ich versuche wieder die ganze Bewe­ gung. Aber mein ganzes Becken macht die Bewegung, und die Hande sind nur zum Fuhlen da! Nun werde ich wieder mit meinen Handen kommen und schauen, ob sich die Moglich­ keiten fur eine Bewegung vergroBert ha­ ben. Wir sollten nicht bei einer Bewegung

zu lange Zeit verweilen! Der Patient soil fuhlen, dass es ein Prozess ist, nicht immer nur das gleiche. Ich fixiere mich nicht auf eine Bewegung. Aber ich bin immer in Kontakt: wo soli ich meine Hande hinlegen - nahe zur Achsel oder weiter weg? Wir mussen ausprobieren, was mehr bewirkt. Es ist bei jedem etwas anders. Wenn ich fuhle, dass eine Stelle zu hart ist, dann bleibe ich hier und beginne die Bewegung mit meinem Becken. Und dann wird die Bewegung meiner Han­ de unheimlich fein und weich und genau. Mehr als wenn ich es subjektiv nur mit meinen Handen mache. Die Hande sind sehr subjektiv! Sie tun, was sie wollen. Mit mei­ nem Becken wirkt es ganz anders. Ich muss den Patienten vorbereiten. Wenn ich nachher auf der Brust arbeiten will, auf dem Kopf oder den Schultern, so mussen auch das Becken und die Beine bequem und richtig liegen. Ich mache meine Bewegungen mit meinem Becken und nicht mit den Han­ den. Dann ist es ganz anders, viel genauer. Wenn jemand viel FuBball spielt und sehr sportlich ist, und plotzlich kommt jemand aus Israel und sagt ihm, das ist nicht rich­ tig, und das ist nicht ok, obwohl er glaubt, er sei immer so sportlich, dann wird es schwierig, ihm die kleinen Bewegungen beizubringen. Aber langsam, langsam wird er auch uberzeugt werden, dass die groBen, die schnellen Bewegungen, ihm weniger helfen als die kleinen und bescheidenen, wie wir sie hier machen.

Wie konnen wir Lendenwirbel und Becken vorbereiten, um weitergehen zu konnen, wenn sie fast ohne Bewegung sind? Wir konnen mit den FuBen arbeiten. Immer wenn wir sehen, dass etwas nicht gehen will, sollten wir versuchen, ob es et­ was kleiner geht. Wir sollten immer etwas suchen. Wenn wir sehen, dass etwas nicht geht, dann hilft es nicht, es besser zu erklaren, sondern wir sollten lieber eine Stufe zuriick gehen. Denn dort machen wir, was wir schon ha­ ben. Das, was wir sowieso schon den gan­ zen Tag tun, vor dem Fernseher, vor dem Rechner, den ganzen Tag. Wir mochten, dass andere harte Teile, meistens in der Wirbelsaule, manchmal auch in den Rippen, sich erweichen. Das ist der Weg. Wenn wir dies machen, beugt sich vielleicht die Lordosa. Das bedeutet nichts, weil wir es sowieso schon konnen. Die Bewegung bringt etwas ganz anderes. Das andere ist Freilauf, einfach Freilauf, den wir nicht brauchen, wenn wir liegen. Etwas Kraft mussen wir schon investieren. Die Bewegung kommt nicht von alleine. Wenn man ausatmet, so ist es fein und nicht brutal. Dann fuhlen wir die Punkte, an denen keine Be­ wegung ist und die Rippen, die Brustwirbel verbreitern sich. Es ist schon eine ganz groBe Freude, wenn du jemand helfen kannst, wieder mehr er selbst zu sein.

Die ersten Bilder sind wichtig, wenn wir jemanden in unsere Hande bekommen. Wir schauen ruhig auf die Partitur und fragen uns: Wie spielt er auf meinem Instrument? Es ist mir wichtig, dass wir schauen, wie sich jemand auf der Liege verteilt. Ist es ihm bequem, liegt er gut, ist er hier gestutzt... Diese vielen kleinen Informationen sind unsere Basis. Sie sind viel wichtiger als vieles andere. Auf jeden Fall sind dies die ersten Informationen. Sie zeigen uns, auf welche Seite sich der Patient orientieren wird, auf welcher Seite ihm die Dinge leichter fallen werden.

Es ist fast eine Regel: Wenn sich jemand auf die rechte Seite dreht, so liegt er etwas schrag da, die FiiGe etwas mehr nach rechts, nicht ganz symmetrisch. Warum wohl? Bei jedem ist es so. Wenn er sich mehr auf die rechte Seite dreht, was wird er machen, wenn er schlaft, wenn er liest? Er rollt sich nach rechts. Er ist schon auf der rechten Seite mit seiner ganzen korperlichen Struktur. Obschon man ihm sagt, er solle sich auf den Rucken legen, meint er, er werde sich sowieso auf die rechte Seite legen, dem Gefuhl nach. Was einer sich uber sich selbst vorstellt, ist oft nicht real. Wir sprechen von Gefuhl, nicht von Logik, von den Alltagsbewegungen. Es sind viele Punkte, mit denen wir rechnen mussen, nicht nur die sichtbarsten. Der Pa­ tient merkt sich nur die fur ihn wichtigsten. Manchmal erlaubt er sich loszulassen und nicht nur gut auszusehen.

Richtungen

Wir haben eine Achse, und sie soil nicht ge­ gen eine andere Achse arbeiten. Es gibt Richtungen. Wenn wir gehen, schauen die FuBe nach vorne. Ich glaube, dass Chaplin mit Absicht seine FuBe so gehalten hat, das war kein Werbetrick. Er war arbeitslos, er wollte zeigen, dass er keinen bestimmten Weg vor Augen hatte, dass er dahin gehen konnte oder dorthin. Die FuBe, Zehen und Finger zeigen, wohin wir moch­ ten. Und der Inhalt des Schadeldaches versteht es! Ich suche die Richtung der Rippen und lege meine Finger genau in diese Richtung. Dann suche ich ihre Bewegung. Man muss sehr viel Bewegungsreichtum haben, um fur je­ den das zu wahlen, was er braucht. Wo es schwierig ist, mache ich sehr kleine Bewe­ gungen, warte, suche und gehe dann wie­ der weiter. Ich mochte euch noch etwas sagen uber Richtungen: Wenn ich meine Hand auf eine Schulter lege, sagt man oft: Sie hilft mit. Aber das stimmt nicht. Wenn ich meine Han­ de nicht in der richtigen Richtung auf sie lege, so ist das eine Desinformation fiir sie. Sie

weiG nicht, was ich meine. Meine ich hier? Oder hier? Meine Hande mussen der Schul­ ter ganz genau zeigen, wohin ich will und sie nicht die ganze Zeit mit vielen Worten und Bewegungen verwirren. Sie sollen nur zeigen, wo die Richtung ist. Dann wird sie mir nicht helfen! Dann kann ich auch wie­ der ihre Bewegung begleiten, und sie wird mit jedem Male viel groGer. Es ist unwichtig, ob ich Hand oder Ellbogen verwende. Wichtig sind die Schultern, um die Brust zu verlangern. Und wie kann ich es der Schulter zeigen? Mit dem Finger, mit dem Ellbogen? Wenn ich jemandem zeigen will, wo das Parkhotel ist, zeige ich es dann mit dem Ellbogen? Mit dem Finger? Was ist wichtig, der Finger, das Parkhotel oder der Weg? Der Finger ist hier sehr genau. Aber fur die Schultern sind es die Ellbogen. Sie zeigen der Schulter: Schau, hier ist der Weg! Wie schon gesagt: Unsere Hand ist genau fur Feldenkrais gebaut. Oder anders gesagt, die Feldenkrais-Methode ist gebaut wie der menschliche Korper. Aber der Zeigefinger der Hand ist trotzdem etwas dominant. Er kann etwas mehr leben, etwas mehr zei­ gen. Nicht dass die Hand die ganze Zeit fixiert ist. Der Zeigefinger kann zeigen, in welche Richtung es geht.

Welche Seite ist dir bequemer? Und trotzdem hast du die andere gewahlt? Hast du gemerkt, dass dein rechtes Bein immer bereit ist, eine Rotation nach rechts zu machen? Wenn du deinen FuG anschaust, so ist die Achse die Ferse. Die ist immer bereit, dich zu leiten - wie bei einem Auto: wenn ein Reifen etwas platter ist, so zieht das Steuer immer in seine Richtung. Jeder hat so etwas. Aber beim Auto muss man den Reifen tauschen oder mehr aufpumpen. Bei uns kann man nicht etwas tau­ schen oder einfach mehr Luft geben, man muss von der Wurzel her arbeiten. Wir mussen suchen, woher es kommt. Steht man mehr auf dem linken FuG, so ist beim Gehen das Becken etwas seitlich nach vorne gedreht, der Kopf auch, die linke Schul­ ter hangt etwas mehr. Wir schauen immer auf alle diese Sachen und versuchen, damit in unserem Kopf die FI weiter zu entwikkeln, um noch ein paar Moglichkeiten zu zeigen. Wir kommen nicht einfach daher und machen mit jedem das Gleiche. Wir ma-

chen mit jedem immer etwas mehr und etwas anderes. Wenn jemand kommt und erhalt eine FI, so soil er rausgehen und fiihlen, dass er keine Behandlung bekommen hat, sondern eine Lehre. Heute ist es auch legitim, von einer Behandlung zu sprechen. Aber nur in einer Lehre teilt sie sich uber den Korper mit. Bei einer Behandlung bist du der Meister. Du weiBt sowieso viel mehr, es ist sehr leicht, die ganze Verantwortlichkeit liegt bei jemand anderem, und es passiert nichts. Deswegen: Wenn wir jemandem sagen, er solle herumgehen, so besprechen wir anschlieBend mit ihm, was wir gesehen ha­ ben. Es ist klar, dass unsere Augen mehr sehen als seine, schlieGlich ist es unser Beruf und unser Interesse.

Sehen

Man kann die Anleitungen als Ausreden fur eine FI verwenden. Doch sie sind an und fur sich unwichtig. Man kann eine Bewe­ gung machen, aber das Wichtigste ist das, was man sieht. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck. Was man sieht, ist das Wichtigste. Man muss die Buchstaben benutzen, aber die Worte muss man selber bilden, und die Satze bestimmt jeder fur sich alleine. Wenn jemand sich halt, aus welchem Grunde auch immer, so ist das fur mich legitim. Er arbeitet damit nicht gegen uns. Wir mus­ sen alles respektieren. Wenn jemand et­ was halt, ist ihm etwas unbequem. Es ist im nicht bewusst, dass er sich halt. Er ist gewohnt, zu halten, weil dort fur ihn einmal ein Problem war. Man hat es ihm noch nicht gesagt, doch Worte allein niitzen nichts. Man hat es ihm noch nicht bewusst gemacht. Dann muss ich nicht weiter machen, was ich dachte, sondern ich muss suchen, wo ich ihm weiterhelfen kann. Zuviel kann es sein, wenn jemand eine Turnerin oder Sportlerin ist. Aber es muss nicht storen. Wir konnen einfach zeigen, wo die

Schwierigkeiten liegen und den Ball an Stelle der Muskulatur benutzen. Es wird sich von alleine losen. Wir kampfen nicht gegen etwas - der Krieg ist schon vorbei! Die scharfe Lordosa bedeutet Schmerzen. Die meisten Leute, die zu uns kommen, haben sowieso hier Schmerzen. Sie mochten das Gegenteil einer Lordosa haben. Wir machen alles. Zum Beispiel nehme ich manchmal die halbe Rolle und lege sie un­ ter die Lendenwirbel. Ich stutze die Lordosa, aber ich mache nicht eine aktive Lordosa daraus. Beim Gehen kann man kein Schauspieler sein, denn man muss gegen die Gravitati­ on kampfen. Die Gewohnheiten treten hier sehr deutlich hervor. Wir konnen sehr ge­ nau sehen, womit wir uns beschaftigen soilten. Wir ziehen nicht jeden Tag etwas aus der Schublade und zwingen es dem Patien­ ten auf. Ich reagiere darauf, wie er geht. Wenn er kommt, muss ich sehen, wie er geht: was machen seine FiiBe, wie kann ich nahe an die Wurzel seiner ersten Schwierigkeit kommen? Was kann ich tun, wenn ich jemanden treffe, der nicht gehen kann, im Rollstuhl sitzt, behindert ist? Ich kann schauen, wie er atmet, sich kratzt, sich rauspert. Die technischen Funktionen, die er machen kann. Wir mussen herausfinden, was er kann! Was er nicht kann, ist klar. Nicht, dass wir damit einverstanden waren, dass er es nicht kann.

Doch manche Sachen kann er, das mussen wir irgendwie fur ihn herausfinden. Was er kann, welche Kombination er kann. Wir durfen ihn nicht vergleichen mit Leuten, die gehen konnen. Wie kann eressen, wie kann er etwas offnen, wie halt er seinen Kopf?

Von Ballen und Rollen

Moshe Feldenkrais hat bei der Arbeit mit derTochter von RuthyAlon, die an Skoliosis litt, ein paar Rollen benutzt, die aus Holz waren. Ich habe dann daraus die Arbeit mit den Schaumrollen entwickelt, die ihr auch umarmen konnt, dann umarmen die Rollen auch euch. Die Bewegung bekommt ande­ re Richtungen, eine andere Weichheit. Und uberhaupt: Wo Bewegung ist, flieGen die Ideen. Da mussen wir etwas schneller den­ ken, uns etwas schneller bewegen.

Angefangen hatte es mit Physiotherapieballen. Moshe Feldenkrais hatte eine FI, wo du mit den Knien auf dem Boden stehst, den Bauch auf dem Bett, die Hande auf dem Bett. Und dann arbeitet man auf dem Glutaeus Maximus und auf dem Caput Femoris. Ich habe bemerkte, dass sehr vie­ le Leute uberhaupt nicht liegen konnen. Wegen ihrem Nacken, derstarken Fixierung der Brust, der Begrenzung der Bewegun­ gen auf dem Caput Femoris. Auf dem Ball bekommst du den Vektor zuruck, genau so, wie du druckst. Er ist viel elastischer. Der runde Ball war unwahrscheinlich aggressiv! Das waren runde Medizinballe fiir CP. Ich versuchte es mit etwas weniger Luft. Nachher, als der ovale Eiball gekommen ist, flossen die Ideen auf einmal unglaublich. AuGerdem benutzte ich auch die weiGe, weiche oder halbharte Rolle. Ich bin uberhaupt davon uberzeugt, dass auch der Kopf und das Gehirn elastischer werden, wenn wir mit etwas Elastischem arbeiten. Wir arbei­ ten viel elastischer auch in Bezug auf unse­ re Kreativitat. Denn es passiert viel mehr, und du musst viel mehr wissen. Aber du musst und du kannst auch viel mehr be­ wegen. Du bekommst einfach viel mehr Bewegung. Das Problem, zu wenige Hande zu besitzen, nur zwei, existiert nicht mehr. Denn wenn du jemanden auf den Ball legst, auf dem Bauch und mit den Knien auf der Liege, so druckst du mit einer Hand auf eine Zone von Wirbeln, sagen wir Brustwirbel, aber mit der anderen Hand druckst du auf den Ball und das bringtvon unten noch eine

Hand, zum Beispiel auf das Sternum. Dann entsteht eine Kyphosa. Spater kannst du loslassen und du erhaltst eine Lordosa. So kannst du damit spielen. Das ist zum Bei­ spiel bei Skoliosis sehr wichtig. Da bekommst du unendlich viele Bewegungen. AuBerdem bringt es auGerordentlich viel SpaG.

Ich glaube nicht, dass man jemandem hel­ fen kann, wenn er einfach da liegt und glaubt, er vergnuge sich nur und er damit die ganze Verantwortung einem fremden Menschen ubergibt. Wenn er nicht selbst die Verantwortung auf sich nimmt, so wird keiner ihm helfen. Nicht nur aus diesem Grund sage ich, dass er wach sein soli - und ich schaue auch, dass er wach bleibt, wahrend

der FI. Wenn er nicht zu Hause mit den ATM arbeitet, die ich fiir ihn auf ein Tonband spreche, so kann ich ihm nicht helfen. Dann ist es mir lieber, jemand anderen zu nehmen, der wirklich auch mitmacht. Die Ideen werden unendlich: Von unten, von oben oder von der Seite. Du kannst Teile und Zonen des Korpers bewusst machen, die du ohne den Ball gar nicht erreichst. Du kannst plotzlich Bewegungen finden, die sehr fein, sehr weich sind. Von oben, von unten, von mindesten zwei Seiten sind die Moglichkeiten einfach unendlich. Du kannst auf der Seite liegen, auf dem Rucken, auf dem Bauch. Du kannst den Ball umarmen, kannst dich durch eine Position hindurch be­ wegen. Wenn jemand auf dem Ball liegt, so ist er noch naher an seinen Moglichkeiten. Hier gilt der beruhmte Satz von Moshe: Man macht die unmoglichen Dinge zu moglichen Dingen. Der Ball gibt uns die Moglichkeit, nicht in einer Doktrin zu bleiben. Er gibt uns die Moglichkeit, dass es nicht nur „so" geht, denn wir mussen auf die Probleme von je­ mandem reagieren, der sich uns mitteilt. Hier ist mehr moglich als nur auf der Liege, weil da auf einmal etwas Elastisches vorhanden ist. Es ist so, wie wenn jemand, der sehr arm ist, trotzdem FuBball spielen will. Erfangt mit einem ausgestopften Sokken an, wie die armen Kinder in Brasilien, und nachher bekommt er plotzlich einen Ball, einen FuBball, die Geschwindigkeit wird

jetzt ganz anders, die Ideen sind ganz an­ dere. Die Moglichkeiten sind ganz anders, da muss er viel schneller denken.

Der Korper wird ja getragen durch den Ball, aber du bewegst auch den Korper. Als Anfanger brauchen wir vermutlich viel zu viel Kraft dabei, wir konnen nicht dosieren. Wenn jemand anfangt ein Auto zu chauffieren, zusammen mit einem Fahrlehrer, dann halt er das Steuer so, als ob man ihm das Auto klauen mochte. Spater steuert ein Teil von seinem Korper mit, nicht nur seine Hande arbeiten, sondern auch sein Korper. Und hier, mit dem Ball, oder auch mit einer Rolle, ist es genau gleich: Am Anfang gibt man viel mehr Kraft, und man arbeitet mit den Handen. Spater sieht man, dass die Hande nur da sind, um zu fuhlen, und der ganze Korper arbeitet, der ganze Korper macht mit, mein eigener Korper macht mit. Wenn du eine FI gibst, dann sind die Bewe­ gungen der Hande so fein und so angenehm, dass ich glaube, du kannst es ohne die Balle nicht erreichen.

Am Anfang, wenn du lernst, darfst du alle Fehler machen, du darfst es so unrichtig machen wie moglich, nur so lernt man. Man kann es nicht am Anfang so fein machen wie sein Lehrer, der schon Hunderte von Stunden mit dem Ball gearbeitet hat. Wie gesagt, es kommen jeden Tag neue Ideen dazu. Wenn du elastisch bist in deinem Kopf und jemand kommt, unheimlich gereizt, weil er Probleme hat, und du hast dazwischen etwas elastisches, so kann dieses En­ semble wirklich sehr gut funktionieren. Es ist nicht nur ein Problem des Balles, dass die Menschen sich frustriert fiihlen, weil sie glauben, sie miissten nachmachen und es nicht geht. Sie haben Miihe, sich uberzeugen zu lassen, dass sie die Schritte bei sich selbst beginnen miissen. Dass sie sich Zeit lassen miissen, sich fallen lassen sollen und wieder aufstehen, es schlecht machen diirfen, bis jeder seinen Weg findet und dann ohne Muskelkater arbeiten kann. Erst dann wissen sie genau, was sie wirklich wollen.

Arbeitsweisen

Die Technik lernen wir mit der Zeit. Wir ver­ suchen, gewinnen viel Erfahrung, wissen, wo wir die Hande hinlegen konnen. Wir ha­ ben viele Arbeitsinstrumente: Die Faust, die offene Hand, mit gespreizten Fingern, die abgewinkelte Hand. Die Faust kann mit dem Daumen voraus arbeiten, mit dem Rucken der Finger, mit den auBeren Gliedern der Finger, nur mit einer Spitze, es kann mit dem Ellbogen sein, mit einer Hand oder mit beiden Handen. Wir konnen mit der einen Hand ziehen, mit der anderen drucken. Das ist alles nicht so wichtig, das lernen wir mit der Zeit. Aber es sind nur die Buchstaben, das Alphabet. Es sind noch nicht einmal die Worte, schon gar nicht die Satze und be­ stimmt nicht die ganze Philosophie. Wenn man mich arbeiten sieht, so sieht man, dass ich mit meinen Handen ganz kleine Schritte mache. Man sieht, dass ich suche. Ich weiB vielleicht genau, wo ich mei­ ne Hande hinlegen soil, doch was soli ich mit ihnen tun? Ich weiB es nicht. Ich weiB nicht automatisch, was ich tun soil. Wenn mir jemand sagt, es tue ihm an einem bestimmten Ort, zum Beispiel am FuBrucken, weh, so kann ich ihm zeigen, dass in einem

bestimmten Wirbel etwas ist. Aber was soil ich gerade mit ihm machen? Bei jedem Pa­ tienten ist es wieder ganz anders. Deswe­ gen lernen wir FI auf so vielfaltige Weise: auf den Knien, auf der Seite, auf dem Bauch oder nur auf den Rucken.

Diese reiche Auswahl ist nicht dazu da, um zu zeigen, wie kreativ wir sind. Die Kreativitat ist nicht ein Wert an sich, sondern ermoglicht uns, fur jeden genau das zu su­ chen, was er heute mit seinem Problem braucht. Die Hande werden vom ganzen

Korper geschickt. Die Hande sind nur die Arbeitsinstrumente. Aber wie viel sie drukken, welche Kreisbewegung sie vollfuhren, das alles ist schon Sprache, weil die Feinheit und die Genauigkeit die einzige Mog­ lichkeit sind, mit jemandem zu sprechen, damit er aufpasst und davon etwas lernt. Wenn wir nur etwas Mechanisches machen, ohne den ganzen Schuler oder Patienten zu sehen, so wird er einschlafen. Vielleicht wird es ihm angenehm sein, aber er lernt nichts dabei. Durch meine Hande kann ich mich bewe­ gen. Nicht, weil ich darin ein Experte bin, sondern weil ich es liebe\ Deswegen habe ich es auch gelernt. Alle, die es lernen, ha­ ben einen Vorteil gegenuber anderen Menschen, weil sie es lieben. Warum lieben sie es, wenn sie schon Physiotherapeuten sind? Sie lieben es, weil sie in ihrem Innern merken, dass sie stehen geblieben sind, aber dass sie damit jetzt weiter gehen konnen. Weil wir Bewegung so lieben, haben wir es gelernt. Wir haben sehr viel Erfahrung gewonnen nach so vielen Jahren, weil wir selbst schon Tausende von ATM gemacht haben. Das kann uns auch eine Antwort darauf geben, warum wir mit der Zeit die „Unfeinheit" verlieren. Jedes Kind ist unendlich fein in seinen Bewegungen, doch spater verloren wir diese Feinheit. Durch unsere Hande versuchen wir nun, nicht als Befehl, sie dem Menschen wieder zuriick zu geben und zu lehren. Wir tanzen mit ihm. Durch diesen Tanz sind wir ein Korper. Wir mus­ sen etwas langsamer gehen, nicht so

schnell, wie wir konnten. Denn der Patient ist irgendwie gestort und hat jetzt Probleme. Er muss sich plotzlich an solchen Stellen bewegen, die er bis heute nicht bewegt hat, weil er nicht einmal wusste, dass dort Bewegung moglich ist. Wir bringen ihn durch diesen Tanz weiter, entweder durch FI, oder durch ATM, auch dies sind Tanze. Doch wenn ich mir nicht in meinem Kopf und in meinem Korper die genaue Bewegung vorstellen kann, wenn ich sie nicht fur mich alleine schon gemacht habe, so kann ich keine ATM-Stunde geben. Das geht einfach nicht, auch nicht in FI. Dadurch erhalt der Schuler und Patient eine Lehre, die wir in keiner Bibliothek finden, durch keine Anleitung erhalten, die wir auch nicht durch Sitzen oder Lernen oder Kopie­ ren uns aneignen konnen. Wir mussen selber im Feld beginnen und nicht denken, dass es da jemanden gibt, der kluger ist als wir. Das nutzt nichts. Er ist nicht kluger, er hat einfach einen Weg gemacht, und jetzt ma­ chen wir unseren Weg, nicht seinen. Denn seiner ist schon da. Moshe war ein Genie, er hat uns eine Spra­ che gegeben, wir sprechen mit dieser Spra­ che. Wir mussen nicht die Satze wiederholen, die er schon gesagt hat. Aber wir konnen eine Sprache nutzen, die auBerordentlich gut ist, immer frisch, immer originell und sehr klug und fein sehend. Warum sollte ich auf diese Sprache verzichten? Mit dieser Sprache kann ich meine Welt und deine Welt beschreiben und in meinem Gebiet verschie-

dene Probleme, wenn auch keine politischen, losen. Wir konnen nicht ohne die Muskeln stehen. Deshalb machen wir die meisten Fl-Stunden, nicht alle, aber viele, im Sitzen, mit einem Stuhl oder auf der Liege. Am Anfang versuchen wir, die Gravitation zu neutralisieren. Denn wenn jemand beim Sitzen Schmerzen hat, bringt er seine Gewohnheiten mit. Seine Gewohnheiten, seine Pro­ bleme, haben ihn zu mir gebracht. Wir ver­ suchen, diese Gewohnheiten nicht zu wekken. Deswegen machen wir am Anfang al­ les im Liegen. Aber wenn man meint, dass wir nur an das Skelett denken, so stimmt das nicht. Denn wenn die Muskeln frei sind um zu arbeiten, und nicht zu kurz, so ha­ ben wir viel weniger Probleme und Schwierigkeiten, weil wir symmetrisch und nicht einseitig arbeiten. Weil ich mich nicht auf ein einzelnes Glied oder eine Zone konzentriere, weil ich ver­ suche, die ganze Zeit den ganzen Korper mit meinem inneren Auge zu sehen, des­ wegen schaue ich nicht oder nur selten auf

einen Punkt. Nicht dass ich nicht manch­ mal auf einen bestimmten Punkt hin arbeite, aber ich denke dabei weiter. Du sagst manchmal, dass du diese Stadt kennst wie deine Hand. Doch eine Stadt andert sich unheimlich schnell. Menschen sind viele Stadte, auch wenn sie nicht wie Kalkutta oder Zurich sind. Ob du das Anatomiebuch auswendig lernst, den Stadtplan, ein Physiologiebuch oder ein Werk iiber Neurologie, es bleiben doch immer tote Buchstaben und tote Worte. Ich glaube, ich kenne den Menschen, seinen Korper und dessen Funktionen. Er verhalt sich in alien Winkeln und Beziehungen wie meine Hand. Sagt mir jemand, es tue ihm hier weh, so sehe ich schon seinen ganzen Korper. Und in mei­ nem Kopf suche ich, wo es angefangen hat. Der Ort ist vielleicht nicht genau auszumachen, aber bestimmt nicht wesentlich da­ von entfernt. Dorthin schaue ich, aber ich schaue vielleicht auch durch die annahernd hunderttausend Fl-Stunden, die ich bis heute gemacht habe. Es ist sehr interessant, zuzuschauen, wie ich arbeite oder jemand, der ahnlich viel Er­ fahrung besitzt. Dann kann man versuchen, wie in einem Ratsel zu lesen: Was wird er jetzt machen? Da ist unwahrscheinlich viel Logik drin. Ich kann in jedem Punkt und zu jeder Zeit aufhoren und erklaren, warum ich jetzt von diesem Punkt zu jenem Punkt gesprungen bin und nicht irgendwo anders hin. Zu jedem Zeitpunkt. Ich wahle, ob ich diese Schulter jetzt schnell oder langsam

bewegen muss. Ich setze eine Strategie ein. Aber ich erklare es mir nicht, ich sehe es nur. Doch wenn man mich wegen der Lehre fragt, so kann ich genau erklaren, was ich tue. Ich denke ein paar Sekunden nach und werde antworten. Weil mir dies alles ist wie Mathematik, wie eine Kunst, wie ein Tanz. Mir ist es wie Mathematik, weil 1 und 12 immer 13 ergeben. Aber es gibt viele Wege, um zu dieser 13 zu kommen. Und bestimmt noch viel mehr, um bis zu Un­ endlich zu gelangen. Denn der Korper ist eher unendlich als dreizehn! Ich habe leider keine Psychologie studiert. Aber als empfindsamer Mensch glaube ich, dass ich vom Korper lesen kann. Ich kann nicht einen Typus beschreiben, eine Projektion, wie wenn ich eine Prufung ablegen musste und alle Details benennen. Aber ich weiB, dass jeder Punkt anders ist. Und dass man jedem eine andere FI geben muss. Ganz anders! Es gibt Leute die sind sehr fein konstituiert, denen kannst du eine ganz feine, ruhige FI-Behandlung oder -Stunde geben. Es gibt Leute, die sind vollstandig taub. Ich meine, sie kennen ihren Korper nicht. Erst wenn man ihnen eine Ohrfeige mit der Hand eines Elefanten gabe, dann wurden sie merken, dass man sie nicht streichelt! Es ist interessant, fur jeden et­ was Spezielles zu bauen. Etwas zu bauen, damit er seine Sprache versteht und ihm dadurch die Moglichkeit zu geben, nicht schreien zu mussen. Er kann auch ruhig sprechen! Ruhige, introvertierte Menschen

konnen lernen, dass man auch einmal mit dem FuB auf dem Boden zeigen kann: Ich bin da! Das kannst du alles durch deine Hande. Und das auch hundert Jahre lang. Es heiBt FI, ja! Es ist aber immer ein neues Erlebnis und ein Abenteuer, immer wieder. Ich sage nicht, dass ich immer hundert Prozent bin, aber es ist einfach auBerordentlich interessant. Das Wort Routine gibt es nicht! Gibt es nicht! Wenn Routine beginnt, sollst du aufhoren. Ich glaube, es steckt schon in diesem Weg von Moshe, dass jeder Tag ein ganz neuer Tag ist und nicht auf dem Gestern aufbaut. Ich baue auf den heutigen Tag. Ich bin mir meiner Sache so sicher, dass ich nicht das kopieren muss, was ich gestern getan habe. Weil ich nie den gleichen Menschen vor mir habe wie gestern, auch wenn der Name der gleiche ist.

Aus einer Bewegung habe ich unendlich viel gelernt, aus einer einzigen. Es ist nicht fur jeden die gleiche Bewegung. Fur mich war es vielleicht die wichtigste, damit fing ich an zu begreifen. Fur jemand anderen ist es vielleicht eine andere: Moshe hatte jemanden vor sich auf der Liege, und er hat dessen Hand zwischen die Knie genommen. Daraus habe ich so viele Moglichkeiten ent­ wickeln konnen. Er hat mir nicht gesagt, dass ich es so oder so machen sollte. Ich habe es einfach gesehen und aufgenommen. Und er hat uns immer wieder gefragt: Warum mache ich das so? Und wenn wir ihn gefragt haben, warum er es so oder so mache, so hat er gesagt: Du kannst ge­ hen, wohin du willst, in die Holle, oder zu den Biichern, oder hier zu jemandem und mit ihm arbeiten und versuchen es selbst herauszufinden. Ich glaube, es steckt ein­ fach in dieser Methode, dass wir uns ent­ wickeln. Wir entwickeln uns durch die Ar­ beit. Es geht nicht um Genialitat, wenn wir in der ersten Sekunde sehen, wo ein Pro­ blem liegt. Ich war in unendlich vielen Filmen. Aber ich sal3 nicht im Saal, ich habe selber mitgespielt in diesen Filmen. Und des­ wegen gehoren sie mir. Je mehr man erzahlt und selber nicht arbeitet, desto mehr ist das eine Sunde, ja mehr noch, eine Luge, eine Vorstellung, ein Theater. Wenn ich in der Praxis arbeite, so finde ich jeden Tag immer noch mehr Moglichkeiten, mehr Ide­ en. Wenn man aber mit einem Koffer herumreist und lehrt, was man bereits an ei­ nem anderen Ort erzahlt hat, so ist das

vielleicht schon, aber man bringt nichts Neu­ es. Man sieht nicht mehr die unendlich vielen feinen Moglichkeiten. Ich glaube, wenn jemand bei mir lernt, so ist es nie gleich. Nicht weil ich zeigen mochte, wie viel ich kann, sondern weil jeder anders ist! Und weil jeder uns noch mehr Neuigkeiten zei­ gen kann. Diese Kombination mit der Pra­ xis der ATM-Stunden, wo man sich Fragen stellt, werden hinterher viel starker dein eigenes. Moshe sagt uns vor allem, was wir nicht tun durfen! Wir wissen besser, wo anfangen. Es ist klar, dass der Arzt nicht verstehen wird, was wir machen, denn er hat ganz andere Augen als wir. Es gibt keine Regeln. Manchmal gibt es Unterschiede, manchmal nicht. Beim ersten Mai werde ich auf jeden Fall sehrfein arbei­ ten, denn jede Bewegung, alles was ich mache, ist fur den Schuler ganz neu. Und nachher baut sich eine FI auf der vorangehenden auf, eine nach der anderen. Nicht zufallig. Wenn der Patient zum ersten Mai zu mir kommt, so sehe ich, wie er geht, wie er steht, wie er sich setzt. Ich frage ihn. Aber manchmal nur aus Hoflichkeit! Ich sehe es sowieso. Wenn ich es nicht sehe, so sollte er besser zu jemand anderem ge­ hen. Manche Sachen muss man naturlich fragen, sicher. Aber ich sehe ja wie er sitzt. Wenn jemand zu mir kommt und fragt: Eli, wie fiihlst du dich? So kann ich sicher sein, dass es ihm schon besser geht. Wenn er ein Gesicht macht wie eine Zitrone, so sehe

ich ihm auch an, wie es ihm geht. Schon von weitem. Ich halte alles was mir wichtig ist im Kopf fest. Ich sehe in einer Gruppe bei jedem, was los ist. Nun stellt euch vor, wie es bei jemand ist, der zu mir in eine Einzelstunde kommt. Das ist sehr privat, da sehe ich noch viel mehr. Aber manchmal schreibe ich mir auch etwas auf, fur das nachste mal. Wenn jemand zu mir kommt, so machen wir einen kleinen Vertrag zusammen: Wenn du dir nicht selber hilfst, so kann ich dir auch nicht helfen, dann musst du dir jemand an­ deren suchen. Meine Zeit ist begrenzt, und ich bin bereit mit dir zu arbeiten, wenn du zu Hause ATM machst. Ich verkaufe ihm aus meinen tausenden von ATM-Lektionen was er benotigt. Manchmal habe ich nichts, und dann arbeite ich mit ihm die doppelte Zeit und mache dabei eine Aufnahme, die er mitnehmen kann. Aber meistens geht es mit einer Kassette aus meiner Sammlung, das ist fur ihn auch billiger, da muss er nicht fur die ganze Sitzung bezahlen. Er muss auch etwas arbeiten. Ich sage ihm: Du musst ehrlich sein. Nicht mit mir, aber mit dir. Wenn du nicht arbeitest, so kann ich dir nicht helfen, es ist schade fur die Zeit. Es ist ja nicht zum Vergnugen. Ich baue dar­ auf, dass ich weitergehen kann, weil du et­ was zuhause gemacht hast. Und nicht da­ mit es dir einfach besser geht und du weiGt, was dir weh tut, das weiGt du sowieso. Das wissen wir auch. Sondern damit du weiGt,

wo die Grenzen sind, damit du JA sagen kannst. Mit meinen Handen helfe ich ihm, damit er leichter seine ATM machen kann, damit er seine Schuhe leichter anziehen kann, er soil wieder vom WC aufstehen konnen, nicht sitzen bleiben, weil er nicht selber aufstehen kann. Das Lernen uber sich selber muss er selber lernen, ich kann es nicht fur ihn tun. Ich kann es nur durch den vielfaltigen Spiegel ATM erleichtern. Er spendet dafiir seine Aufmerksamkeit, ich die meinige. Wenn mir jemand sagt, er habe keine Selbstdisziplin, so sage ich ihm: Ich respektiere das, du bist ein erwachsener Mensch. Aber bitte such dir jemand anderen, nicht mich. Dann kann man vielleicht sagen, ich sei hart... Man muss als Student von Anfang an beides machen, FI und ATM. Eines lebt vom anderen. Wie kannst du FI geben, ohne dass du ATM gemacht hast? Wie kannst du fein in einer ATM denken, wenn du nicht mit deinen Handen gefuhlt hast? Manchmal sehe ich, dass jemand eine Be­ wegung nicht verstanden hat. Doch das stimmt nicht, der Patient hat verstanden, aber er hort nicht auf seinen Korper, deswegen sieht es so aus. Und da unterbreche ich und lasse einen mit dem anderen die Bewegung spiiren, gebe ihm jemanden, der sehr fein ist. Beim Spiiren geht es dann ohne Worte. Das ist nicht Zauberei, son­ dern ein weiterer Weg um es zu sehen. Der

Patient hort es nicht nur, sondern fuhit mit den Handen, sieht mit den Augen und wird dadurch noch aufmerksamer. Weil alles wie ein Spiel ist, wo wir uns nicht storen sollen. Weil jede Bewegung schon in uns drin steckt. Wir waren Kinder, wir konnen alles machen. Aber wir storen uns. Und wenn wir nicht aufpassen, damit wir uns nicht sto­ ren, so konnen wir nicht lernen. Und des­ halb ist es so wichtig, dass ATM und FI Hand in Hand gehen, zusammen, von Anfang an. Ich habe viel getan, habe auch Doris aus dem Fall Doris behandelt. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass ich genug weiG. Beim Fall Doris handelte es sich ubrigens um Alzheimer. Damals kannte man das Wort noch nicht. Ich hatte vor ungefahr dreizehn Jahren zum letzten Mai jemanden mit Alzheimer getroffen, aber ich konnte nicht helfen, ich wusste damals nicht, was ich tun konnte. Heute wurde ich es versuchen, Wege suchen, damit sich der Patient mehr bewegen kann, ich wiirde bestimmt Wege finden. Ich hatte bis vor funfzehn Jahren auch mit spastisch gelahmten Kindern und Erwachsenen gearbeitet, auch mit Parkinson. Doch ich hatte erst funfzehn Jahre gearbeitet, war noch jung und habe oft die Hande gehoben, weil ich nicht helfen konnte. Heute, nach weiteren funfzehn Jahren, ist sehr viel mehr vorhanden, beim Sehen, beim Spuren. Ich habe heute sehr viel mehr Ideen, was ich machen konnte. Und es wurde heu­ te helfen, da bin ich mir sicher, auch bei Alzheimer.

Man begleitet heute auch Menschen beim Sterben. Nicht damit sie schneller sterben, sondern damit sie als Menschen in Wurde sterben. Sie konnen vielleicht die Worte der Hande etwas mehr genieBen als die Worte der Sprache. Wir konnen eine Mischung aus ATM und FI gestalten, vielleicht auch fur diejenigen, die die Sterbenden begleiten, viel­ leicht sogar mehr noch fiir diese... Aber da muss man noch viel mehr wissen, als ich weiB... Wir konnen mit unseren Handen den ande­ ren begleiten bis zur letzten Stunde, damit er durch uns sich selber noch spiiren kann. Damit er nicht allein ist. Die Umgebung, das Personal, ist ja vielfach entriistet, wenn je­ mand noch herumgeht, statt zu warten bis es zu Ende ist. Dieser Weg sieht den ganzen Korper die ganze Zeit, alle seine Moglichkeiten, nicht nur seine Empfindlichkeiten. Und nachher kann man den Schwestern, dem Personal im Altersheim zeigen, wie man den Men­ schen auf den Stuhl setzen soil. Nicht ein­ fach fallen lassen wie einen Sack. Man kann mit ihm so schon sprechen und lasst ihn dann einfach fallen wie einen Sack. Das ist so unmenschlich! Das ist ein Gefuhi, als wiirde man besser nicht mehr leben. Ich versuche, ihnen zu zeigen, wie man in dem Stuhl sitzen kann. Ich glaube, sie wissen es nicht. Ich glaube, sie kennen nurTechniken mit gesunden und normalen Leuten. Doch diese Leute sind bei vollem Bewusstsein.

Wenn jemand nur eine schnelie Hilfe will, eine schnelie Losung, dann erklare ich ihm, sie sollen sich jemand anderen suchen. Wenn jemand schon am Anfang am Telefon fragt, wie oft er kommen soli, so sage ich ihm, ich konne ihm schon sagen wie oft, aber das sei eine Liige. Wie konnte ich ihm das sagen, wenn ich ihn noch nicht gesehen habe? Auch nach der ersten Behandlung kann ich es ihm noch nicht sagen. Erst nach ein paar Mai, wenn ich sehe, ob er mitmacht, ob er auch seine Zeit mit seiner ATM verbringt, die ich ihm mitgebe. Sonst kannst du ihm Shalom sagen und jemand anderen suchen. Spielt das Verhaltnis zu einer Person eine Rolle? Es gibt sympathische und unsympathische Leute. Angenehme oder nicht angenehme. Wie fest beeinflusst das die Ar­ beit? Auf derfachlichen Seite uberhaupt nicht. Ich kann auch mit einem Feind arbeiten. Wenn er unter meinen Handen ist, so fuhle ich mich hundertprozentig fur seine Verbesse­ rung verantwortlich. Er soil sichersein, dass das Beste fur seine Gesundheit geschieht. Aber ich muss sagen, dass du mit der Zeit, wenn du mehr Kontakt mit den Leuten hast, und sich eine sehr intime Art der Arbeit mit ihnen entwickelt, dann findest du bei jedem seine menschlichen Punkte. Ich meine, ich suche keine Freunde unter meinen Patien­ ten oder Schulern, aber was soil ich ma­ chen, wenn sehr viele Leute schon seit uber 30 Jahren mit mir gehen. Das bedeutet et-

was. WeiGt du, viele Leute sagen mir, wir sind wie eine Familie, viel mehr als Blutsverwandte. Du gibstdeine Person. Ich bete fur deine Gesundheit, denn es ist auch mei­ ne Gesundheit. Das hore ich oft. Es ist sehr personlich! Ja. Aber es gibt naturlich auch Leute, da stimmt einfach die Chemie nicht. Aber in diesen dreiBig und mehr Jahren kann ich die an einer Hand abzahlen. Naturlich gibt es Menschen, die auf der korperlichen Seite eher eine Stradivari sind und andere, die sind einfacher. Manche sind wie ein Instrument und andere mehr ein Holzklotz, aus dem man dann eine Geige ma­ chen wurde. Sie sind uberhaupt noch nicht reif, eine Geige zu sein, nur ein Stuck Holz aus dem Wald. Nicht nur korperlich, son­ dern auch menschlich.

Gehen als Referenzbewegung

Warum bitten wir als Feldenkraislehrer un­ sere Schuler vor und nach einem ATM- oder Fl-Unterricht, im Zimmer umherzulaufen? Es gibt keinen Zweifel, dass im Laufe der Jahre jeder Feldenkraislehrer zu einem Meister der Korpersprache wird. Die Korpersprache kommt im Stehen, Sitzen und Liegen zum Ausdruck. Ein Wechsel zwischen jeder einzelnen dieser drei Haltungen ist ebenfalls eine wichtige Informationsquelle. Aber am wichtigsten sind aktuelle Informa­ tion durch Betrachten des Gehens unseres Schulers. Wir horen seine Schritte, die dadurch beeinflusst sind, wie er sein Korpergewicht auf die beiden Seiten der Wirbelsaule und seine beiden Beine verteilt. Wir betrachten das Verhaltnis zwischen Kopf und Schultern und seine Auswirkung und achten darauf, iiber welche Schulter er bevorzugt, sich umzudrehen. Wir achten auf die Bewegungsverhaltnisse zwischen Beinen und Armen wahrend des Gehens und auf die „Lange" der Arme im Stehen. Wir betrachten die Neigung des Kopfes im Verhaltnis zu den Schultern und beobachten, in wie weit das dominierende

Auge dem Kopf eine solche Haltung veranlasst, dass es hoher als das rezessive Auge ist. Wir schauen auf die Haltung des Beckens im Verhaltnis zum Brustkasten, um SchluBfolgerung im Hinblick auf die Lendenwirbel, den Nacken oder die Brustwirbel zu ziehen. Wir schauen auf die Flache jeder der beiden FuBsohlen und wie sie sich in den FuBboden „einstempeln", und welchen Einfluss das auf die Art hat, wie das Becken die Wirbelsaule tragt. Wir schauen und horen auf die GroBe der Schritte, schnelles Gehen mit kleinen Schritten, langsames Gehen mit groBeren Schritten, naturlich in Anbetracht der GroBe unseres Schulers, und wir schauen, welche Funktion die Augen und der Blick ubernehmen. Wir achten darauf, wie der Schuler seine beiden Arme, oder einen von ihnen, bewegt, auf die Ausrichtung des Handtellers und des Handruckens und ihre Nahe zum Korper.

Es gibt tatsachlich endlos viele Einzelheiten, die wir mit viel Respekt sammeln und zusammensetzen, um nach unserer inneren Vorstellung das Bewegungsbild dessen zu zeichnen, der zu uns kommt, um Hilfe zu bekommen und von uns diejenigen Tatsachen zu lernen, denen er selbst sich nicht bewusst ist. Wirerhellen unserem Schuler die Finsternis mit einer Taschenlampe unserer Erfahrung, unseres Interesses, unserer Sensibilitat und der Fahigkeit zu lernen, setzen aus tausend kleinen „nicht wichtigen" Dingen sein Bewegungspuzzle zusammen und legen un­ sere Hande so nahe wie moglich an die Wurzel, wo er seine harmonische Bewegung aufgibt und anfangt, sich selbst zu behindern, was letztendlich zu Storung der Be­ wegung und zu Schmerz fuhrt. Ich mochte Ihnen uber einen beeindruckenden Fall erzahlen, der sich im Ausbildungskurs Wingate 3 ereignete: Ich gab einen Fl-Unterricht dem Studenten E., sein Vater ist mein Freund seit 40 Jah­ ren. Ich bin mir daruber im Klaren, dass sein Vater an der „Bechterev"-Krankheit leidet, eine progressive Krankheit, die bewirkt, dass alle Wirbel auBer Axis und Atlas, ihre Beweglichkeit verlieren und sich verholzern. Stehen und Korperhaltung sind bei der „Bechterev"-Krankheit durch ein sehr unbeholfenes Gehen gekennzeichnet, auf Grund der Bewegungsstorung in den Huftgelenken. Da auch der Kopf des Humerus seine Bewegung verliert, sind die Schultern nahe

zum Kopf hochgezogen. Es gibt weitere Einzelheiten, die die Krankheit charakterisieren, wie zum Beispiel das Sitzen oder die Weise, sich hinzulegen oder vom Bett aufzustehen und anderes, aber jener Stu­ dent hat mit Sicherheit nicht diese Krank­ heit. Ich kenne die Beziehung zwischen dem Vater und seinem Sohn. E., der Sohn, bewundert seinen Vater und imitiert ihn in verschiedenen vielseitigen Gebieten. Was auffallt, dass der Sohn in seinen Bewegungen den Vater nachahmt, naturlich ist er sich dessen nicht bewusst. Ich bat E. im Zim­ mer umherzulaufen, E. halt seine Schultern hoher als die Norm, seine FuBe schlagen den FuBboden und lassen einen Laut vernehmen, als ob das Schlagzeug ein Solo in der Jazzband spielt. Die Schleifen, die E. im Zimmer geht, sind wie das Wenden eines Korpers als Ganzes, ohne dass irgendeine Bewegung zwischen Kopf, Schultern, Bekken und Beinen geschieht, d.h. ohne Rota­ tion der Wirbel. Die Art, wie er sich hinsetzt und sich auf das Bett legt, ist, als ob man ihn zu einer Mumie gegibst hatte. Was kann ich nun mit der Information, die ich in Handen halte, anfangen? Ich entschied mich, mit keinem Wort meine Gedanken uber die unnotige und ungerechtfertigte Nachahmung kundzugeben. Da E. nicht die Krankheit tragt, unter der sein Vater leidet, ist sein gesamter Knochenbau ganz und gar gesund. Ich bat ihn, im Zimmer umherzugehen und sich vorzustellen, er sei der Schlagzeugspieler einer Jazzband und lasse uns sein Solo durch die Gehweise auf

dem elastischen Parkettboden horen. Erfing an, zu springen und zu tanzen und mit sei­ nen FuGen wie ein Schlagzeugorchester auf dem Boden zu trommeln und zu schlagen. Sein ganzer Korper fing an zu tanzen, und er vernachlassigte seine Steife und unbeholfene Gehweise. Und dann sagte ich ihm: „E., die Nachbarn beklagen sich uber den Larm des Schlagzeugs, drehe das Volumen hinunter und spiele nur ganz zart, so dass man nur dein Herzklopfen hort." Nun plotzlich wurde sein Gehen ganz geschmeidig und elastisch wie eines indianischen Jagers, der sein Opfer nicht verjagen mochte. Danach fing ich an, mich seinen Schultern zu widmen, die die ganze Zeit erhoben und gehalten waren, ohne dass er bemerkte, dass es moglich ist, sie hangen und der Gravita­ tion nachgeben zu lassen. Ich nahm zwei ziemlich aufgeblahte Federkissen, und bat ihn, sie unter die Achseln zu stecken. Die Arme fuhlten, dass es jemanden gibt, der sie von oben halt, und die Schultern fingen langsam an, sich zu ihrem anatomischen Ort zu senken. Ich bat ihn, mit Absicht die Schultern zum Kopf hochzuziehen, und auf diese Weise weiterzulaufen, ohne dass die Kissen zwischen die Arme rutschen wtirden. Danach schlug ich ihm vor, die Schul­ tern nicht mehr hochzuziehen, und er be­ merkte noch mehr ihr Senken und ihren moglichen Abstand vom Kopf und nun, mit freien Handen, die Moglichkeit, die Schul­ tern dort zu lassen, wo sie hangen konnen oder sie die ganze Zeit neben dem Kopf zu halten. Ich ermoglichte ihm auch, die ge-

wohnliche Weise zu fuhlen, naturlich nachdem seine Schultern und Arme nicht mehr hochgezogen waren, aber das war eine Wahl seines Nervensystems und nicht die Wahl einer Nachahmung oder einer theoretisch anglernten Uberzeugung. Die nachsten beiden Male werde ich mich der Art, in der er sich hinsetzt, hinlegt und aus dem Liegen oder Sitzen aufsteht, zuwenden. Jedesmal werde ich ihm eine Vielzahl von Varianten anbieten, deren Behaglichkeit ihm sicherlich ermoglicht, sich wie­ der wie ein gewohnlicher Mensch zu bewe­ gen, und dies, ohne dass ich mit einem Wort die Weise erklare, in der er seinen bewunderten, an der Krankheit leidenden Vater nachahmt, die er zu seinem Gluck nicht selbst hat. Alles in allem sammeln wir sehr viel Infor­ mation durch die Bewegung unserer Schu­ ler und Patienten, wir stellen Fragen, um einen Hohlraum zu fullen. Aus diesen hunderten von Einzelheiten bauen wir einen einzigartigen ATM- oder Fl-Unterricht fiir denjenigen, der zu uns kommt. Wir sehen, wie sich jedesmal ein Unterricht auf dem aufbaut, was wir beim vorherigen Mai vorbereitet haben, sodass die Unterrichtstunden zu einem Geflecht eines allmahlichen, logischen und effektiven Fortschreitens wer­ den, fur die, die von uns Hilfe erbitten. Das unterscheidet die Feldenkraismethode von vielen anderen Wegen. Wir haben nicht eine Schublade fiir jede einzelne Krankheit, son­ dern wir sehen die kleinsten Einzelheiten,

die nicht jeder sieht, wir sehen das Gesamtbild und die unendlichen Moglichkeiten, die uns zu Verftigung stehen.

Ilan Jacobson im Gesprach mit Eli Wadler

Welches ist Moshes Definition von Bewusstheit, und wie hat er diese vermittelt? Beginnen wir, indem wir uber meine erste ATM-Lektion in der Alexander Yanai StraBe in Tel Aviv sprechen. Ich kam praktisch von der entgegengesetzten Seite des Denkens und Tuns, wenn wir von der Einstellung gegenuber dem menschlichen Korper spre­ chen. Ich kam mit der Haltung von „Etwas erreichen", „An einem Ziel ankommen", „Verandern" und „Verbessern". Das Geschaft, das ich in Deutschland erlernt hatte, war die Rehabilitation von verschiedenen korperlichen Behinderungen. Also, gehen wir zuruck zu meiner ersten Lektion in Alexander Yanai. Ich beendete sie praktisch „behindert". Ich hatte selbstverstandlich mein „Bestes" gegeben. Die gan­ ze Lektion fand hinter einer Stuhllehne stehend statt - Aktivitaten der Extensoren war das Thema. Nach der Lektion - wahrend der ich mich sehr anstengte, statt zuzuhoren was mein Korper wirklich wollte - fuhlte ich, dass meine Beine zu schwach wa­ ren, um mich noch nach Hause tragen zu konnen. Ich kroch praktisch auf alien Vie-

ren. Aber trotz der Schmerzen blieb ich neugierig. Dies kam von dem endlosen Reichtum an Bewegungen, und speziell von der ungewohnten Art von Bewegungsfolgen - konsequent Schritt fur Schritt um ein Thema - und dies in einer Art von: „vom Leichtesten zum Schwersten". Erst nach einer sehr langen Zeit war ich in der Lage zu analysieren, was es war, was mich so bestandig treu, erstaunt und neu­ gierig machte in Bezug auf die Methode. Zuerst wartete ich in Anbetracht der Ahnungen, die ich hatte iiber das, was mich in eine Welt zog, die so unterschiedlich war gegeniiber dem, was ich zu wissen gewohnt war. Sie mussen bedenken, dass meine mentale Muttersprache primar auf Bewegungen basiert, was im Anschluss daran zum verbalen Reichtum fiihrt, der mir heute zur Verfiigung steht und nicht umgekehrt. Viel­ leicht fiihrt dieser tiefere Grund dazu, die Minuten, Stunden, Tage und Jahre im Ozean dieses Weges zu einem standigen Fluss werden zu lassen, einem Abenteuer, in dem ich taglich neu geboren werde. Ich habe alle Lektionen von Moshe viele Male gemacht. Sie sind meine wahre Spra­ che. Jede Lektion ist fiir mich ein vollstandiges Musikstiick. Fiir jeden, der praktisch 24 Stunden am Tag Beethoven, Mozart, Schubert oder Bach einatmet, wird Musik mit der Zeit zu seiner eigenen Sprache. Bis heute habe ich mehr als viertausend verschiedene ATM-Lektionen aufgenommen.

Es besteht kein Zweifel, dass die Worte und Satze aus den Wurzeln von Moshes Erbschaft stammen und aus dieser ersten Lek­ tion hinterdem Stuhl in Alexander Yanai. Es ist wie die erste Liebe - ein Geschmack, der nie vergessen wird. Aus jeder folgenden Lektion bin ich mit we­ niger korperlichen Schmerzen hervorgekommen und mit mehr beruflicher Neugierde, was noch verbessert, erfunden werden konne. Damals habe ich es entdeckt. Moshe sagte, dass das Leben Bewegung ist und Bewegung Leben bedeutet. Somit, gleich einem Fluss - flieBend, angstlich, gallopierend, ruhig, glanzend, grau, larmend, mit einer unendlichen Anzahl von Farben - kon­ nen die Ideen bezuglich Bewegung nicht ausgehen, bis das Leben selbst beendet ist. Und nicht einmal das ist sicher. In diesen Zeiten - 1966 - hatte ich meine militarischen Pflichten abgeschlossen. Ich war in die israelische Armee zuruckgekehrt, nachdem ich Bewegungskultur in Israel und anschlieBend an der staatlichen Schule fur Sport und Physiotherapie in Koln studiert hatte. Ich diente als Kommandant der Rehabilitationsabteilung des grossten israelischen Spitals - Tel-Hashomer - in welchem ich bei der Rehabilitation von verwundeten Personen gearbeitet habe. Damals begann ich ATM-Lektionen zu unterrichten, wobei ich auf wunderbare Weise durch die groBe Menge an von Ideen aus der Alexander Yanai StraBe beeinflusst wurde.

Aber wichtiger als die reiche Vielfalt von Ideen war, was ich aus dem Fuhlen der Einschrankungen der Verletzten lernte. Ich bekam von ihnen das Wissen, ihre Einschrankungen zu unterscheiden, und fiir jeden seine eigene spezielle Losung zu fin­ den, damit er sich wie jedermann bewegen konnte, auch wenn die Verletzungen jeden zu etwas Einmaligem machten. Ich lernte von ihnen Losungen und benutzte das, was ich gelernt hatte, um andere zu damit zu bereichern. Wir als Lehrer, lernen jeden Tag mehr und mehr, dass jede Person einmalig ist. Die Einmaligkeit ist da, auch wenn sie nicht „offiziell" verletzt sind. Jeder von uns wurde auf eine gewisse Weise in seiner Vergangenheit „verletzt". Jeder von uns tragt eine personliche Last an Storungen aus der Ver­ gangenheit auf seinen Schultern oder tief in seinen Bewegungsgewohnheiten. Unsere Aufgabe als Lehrer ist es, all diese personlichen Nuancen zu erkennen und sie in Vorteile fur die Offentiichkeit zu verwandeln. Denn, wenn sich die Offentiichkeit durch ei­ gene Erfahrung der Schwierigkeiten eines Einzelnen bewusst wird, verschwinden die­ se Schwierigkeiten, und wir erleben erneut die Befreiung von Handschellen, deren wir uns nicht bewusst waren. Das erste mal, als ich bewusst spurte, was Bewusstheit durch Bewegung bedeutet, war die Erfahrung einer eingefrorenen Bewe­ gung. Es war auf meinem Heimweg von der Arbeit im Spital nach Hause. Ich warte-

te auf den Bus der Linie 70 und beschloss, einen „Momentaufnahme" meines Korpers zu machen. Ich bemerkte dabei, dass ich meine rechte Schulter etwas hoher hielt. Ich konnte es spuren, und verfolgte mit „passiver Aufmerksamkeit" ihr Gewicht und ihre Lage. Ich versuchte nicht, sie zu halten oder sie wieder nach unten zu bringen. Aber was fur ein Wunder - die Gravitation tat ihr Werk und die Schulter sank von alleine an ihren Platz zuruck. Das war eine doppelte mentale Revolution fur jemanden, der sein ganzes Leben mit Bewegung zu tun hatte. Versuche nicht mit Kraft, strenge dich nicht an, aber hore ge­ nau zu - und die Situation wird wieder so wie vorher, wie sie sein sollte! Nicht auf den Korper zu horen bedeutet, einen Teil von ihm in einem falschen Platz festzuhalten, und damit die Haltung vollstandig zu verandern. Eine Haltung, die einfror, um diese ungewohnte Situation beizubehalten und dadurch den Korper sich bewegen zu lassen wie ein Auto, dessen Handbremse angezogen ist, und dessen Rader mit Unwucht drehen - eine vorauszusehende Fahrt in die Zerstorung. Da verstand ich, warum wir regelmaGig am Anfang und am Ende einer ATM-Lektion unseren Korper beobachten. Heute weiG ich, dass wir dieses Beobachten des Korpers nicht routinemaBig machen sollen - neue innovative und aufweckende Wege dieses Durchkammens des Korpers mussen erfunden werden, damit die Leute lernen, dass

dies vermutlich der wichtigste Teil des Lernprozesses ist, der durch die Lektion offeriert wird. Dann tauchten Satze wie „Verlasse die Anstrengung" auf. Moshe benutzte sie wie Sauerstoff zum Atmen, immer wieder und wieder. Einsichten und Spurbares begannen sich zu bilden, weil die Feststellung von Nuancen allein noch nicht die Losung war. Dieses Horen verbessert die Fahigkeit, Nuancen zu unterscheiden. Die „Anstrengung verlassen" bedeutet fiir uns - fur die Person in unseren Handen in Funktionaler Integration - oder mit ihren eige­ nen Augen in ATM - einen Weg zuruck zu finden zu sich selbst, so wie sie wirklich ist. Dieses „die Anstrengung verlassen" beleuchtet fiir uns unzahlbare neue Wege und ermoglicht uns, unser altes und unbrauchbares Repertoire zu verlassen. Dieses Reper­ toire, das einmal wunderbar war in der Vergangenheit, aber heute nicht mehr zu uns passt. Die neuen Wege eroffnen fur uns und fur diejenigen, die unsere Hilfe suchen, ei­ nen Schatz von Moglichkeiten. Nicht damit wir die anderen mit unserem groBen Kon­ nen verbluffen, sondern um uns die Werkzeuge in die Hand zu geben, um auf gleicher Ebene mit den Talenten des andern seine Bewegungen und damit sein Leben zu befreien. Wir mussen uns bewusst sein, dass die medizinische Welt aus lauter Kasten besteht. Ein Kasten fur Scoliosis, Bechterev, Kiphosis, Artrose und andere eine unendliche Anzahl von Kasten. Aber es sind nur Kasten, und sie sollten uns nicht dazu dienen, was wir und wie wir etwas

tun sollen, sondern vor allem als Hinweise, wo wir sorgfaltig sein sollen, und wo wir nichts tun sollten. Die tiefen Einsichten und die wertvollen Werkzeuge, die uns Moshe uberlassen hat, ermoglichen uns, den menschlichen Korper als ganze Person zu sehen und die Besonderheiten in jedem einzelnen von uns als Einzigartigkeiten, welche keine Einschrankung bedeuten. Hier ein Beispiel: Ich hatte einmal Jonathan Cohen von Tel Aviv FI-Lektionen gewurzt mit ATM gegeben. Seit sei­ ner Geburt erzahlten die Arzte seiner Mut­ ter, dass er eine seltene Krankheit aus der Gruppe der P.M.D. habe, und er nicht langer als 6 Monate leben wurde. In ihrer Weisheit kontaktierte seine Mutter Moshe, und Moshe, in seiner Herzensgute, lud sie in sein Haus ein und gab ihm FI-Lektionen. Moshe erzahlte Jonathan: „Du kannst deine Behinderung in einen enormen Hebei umwandeln und diesen dazu benutzen, um die Welt aus ihren Angeln zu heben, sie zu erweitern, zu vertiefen, sie an deine Turschwelle zu bringen". Unnotig zu sagen, dass dieses „arme Kind" heute (2003) 45 Jahre alt ist, Doktor der Physik (Magna Cum Laude) an der Universitat von Tel Aviv. Er tat mehr, als nur die Welt zu seine Turschwelle zu bringen - dutzende von Studenten suchen heute seine Gesellschaft und sein Wissen. Moshe sah immer, was moglich war, und wir hatten das Privileg, zu lernen wie man all diese unmerklichen Storungen sehen und unterscheiden kann, wo wir nicht einmal

merkten, dass wir sie nicht bemerkten. In Moshes eigenen Worten: „Mach es leicht und nicht mit Anstrengung". Wir als Feldenkraislehrer wissen, wie wir Menschen, die zu uns kommen, auf ihren eigenen Weg bringen, Schritt fur Schritt, auf einem von ihnen selbst gewahlten Weg, bis die Dinge „von Selbst" geschehen, und sie zu sich sel­ ber finden. Bis sie auf der Buhne ihres Lebens stehen konnen, ohne die Abhangigkeit von einem Lehrer. Es ist sehr ahnlich wie bei ATM oder FI-Lektionen, die wir, als Schuler von Moshe, jeder auf seine Art ge­ ben. Wir kopieren nicht vom groGen Meister, aber seine GroGe erlaubte es uns, jede seiner Lektionen uns einzuverleiben, wie wenn sie immer schon unsere gewesen waren. So wie jede junge Mutter denkt und fuhlt, sie habe die Mutterschaft erfunden. Ich erinnere mich an einen Fall in Alexander Yanai, als ich Moshe fur fast 10 Jahre dort vertrat. Frau Rivka Ben Sira (sie war Mo­ shes grosste Bewunderin - nach ihrer eige­ nen Meinung) machte alle Bewegungen wunderbar, aber hatte nicht begriffen, dass Moshes Weg derjenige war, Arbeit, Anstren­ gung und gymnastisches Konnen wegzulassen.

Da ich kein Anfanger mehr war, bemerkte ich zu ihr, sie wurde mit einer weicheren Art und mit weniger Anstrengung besser arbeiten. Als dieses nichts nutzte, naherte ich mich ihr, und aus fehlender Erfahrung korrigierte ich sie mit meiner Hand. Sie reagierte mit einem Schlag auf meine Hand, ich solle ihren Riicken verlassen. Rivka erzahlte Moshe was geschehen war. Am nachsten Tag in seiner Praxis in der NachmaniStraGe sprach ich mit Moshe uber den Vorfall. Er sagte mir: „Denk dariiber nach, was Rivka gefiihlt haben konnte, dass sie so reagierte wie sie es tat. Wenn du eine Erklarung dafiir findest, teile sie mit ihr". Was lernen wir daraus? Moshe sagte mir nicht, was ich tun soil. Er korrigierte mich nicht. Erversuchte nicht, mir etwas beizubringen. Er schlug vor, dass ich auf meine Art dariiber nachdenken soil, meine eigene Losung finden soil, dann geschehen die Dinge von selbst. Genau so sind unsere Lektionen. Um eine alte Weisheit des Talmud zu benutzen:"Lehre die jungen Schuler gemaB ihrem eigene Weg zu denken". Die Lektion besteht aus Bewegungen. Sie entwickelt sich logisch, und am Ende entsteht das Ergebnis von selbst. Die Ubungen selber haben keine dramatische Wich­ tigkeit. Die Wichtigkeit ist in der Person, die sie „ausspricht". Diese Person spricht und agiert noch immer aus ihrer eigenen Welt, aus eigenen Erfahrungen, Schwierigkeiten, Gefiihlen, Stimmungen und Charakter. Aus ihren Gedanken an diesem spezifischen Tag,

in diesem Moment heraus, mit den momentanen korperlichen Empfindungen, kommt sie zu dieser Sitzung. Diese Dinge sind latent fur uns, aber mit den Jahren werden sie mehr und mehr sichtbar, aus unsichtbaren Hinweisen von Bewegungen heraus. Was bedeutet es also, eine Person zu korrigieren, deren Selbstdarstellung aus einer bestimmten Art besteht? Auch wenn wir dieser Person die Werkzeuge geben eine Burste, eine Feder, Papier, einen Ordner - diese Person alleine wird entscheiden, ob sie dieses Werkzeug als Burste oder als Hammer empfindet. Dies ist die Art von Lektionen, die wir von Moshe gelernt haben. Wir waren die einzigen, die auswahlten, und wir hatten das Recht, das richtige Werkzeug fur den richtigen Moment auszuwahlen. Naturlich sind die feineren Werkzeuge auch die fortschrittlicheren, aber die grobe Arbeit hat auch ihren Platz. Es ist wie bei jemandem, der auf ei­ nem Hochseil gehen lernt - es geht nur, wenn die andern Optionen auch vor ihm liegen. Etwas anderes, das ich aus Moshes Antwort zum „Fall Rivka" gelernt habe: Er sagte mir nicht, „bitte benutze nicht die Hande zum Korrigieren", sondern er schlug mir vor, diesen Fall als Einzelfall zu untersuchen, ohne daraus allgemeine Schlusse zu ziehen. Ich glaube wirklich, dass die beste FI eine Kombination von winzigen ATM-Bewegungen ist, die man aus dem Korper des Schu­ lers holt, mit winzigen, praktisch unsicht­ baren Bewegungen. Sie sind auch unsicht-

bar fur die Wahrnehmung des Schulers. Dann verstarkst du diese winzige Bewegung mit deinen eigenen „Worten" fur den Schu­ ler. Es war nur eine Bewegung, die der Schu­ ler machte, und wir stehen ihr nur bei der Entbindung bei, wir rufen sie nicht hervor. Ich tue es nur mit einem Schuler der bereit ist, auf sich selbst zu horen, der die Schmer­ zen und Behinderungen auf der Seite las­ sen kann und sich auf das konzentriert, was in seinem Korper geschieht, zu seinem ei­ genen Wohle. Viele Leute, die, die nur die Verpackung se­ hen, behaupten, Moshe sei grob. Ich selber habe dies oft so erfahren. Aber wenn sie Falle wie den „Fall Rivka" betrachten und Moshes Antwort darauf, so sehe ich es am Ende als groGe Riicksichtnahme und sehr feinen Anstand. Vor ein paar Jahrzehnten hatte ich eine Schiilerin - eine junge Frau namens Mirit Cohen eine Malerin. Jahre spater wurde sie beruhmt wegen ihrer speziellen Art zu malen. Sie nannte es „The mind connections". Sie hat­ te in Israel und weltweit viele Ausstellungen. Sie sagte iiber die Alexander Yanai Lektionen:"Ich habe noch nie in einer vorbestimmten Zeit von 40 Minuten in so vielfaltiger Weise soviel Reichtum - emotional, geistig, in Bewegung - erfahren. Ich hatte nie geglaubt, dass eine ganze Welt in 40 Minu­ ten passt, eingerahmt von so viel Logik, dass jemand, der dies erlebt, sich selber besser und anders versteht, als er war, bevor er kam. Dies ist in der Tat ein kiinstlerisches

Erlebnis". Dies waren mehr oder weniger Mirits Worte. Daraus lernen wir, dass die Sprache, die Moshe geschaffen hat, eine Sprache fiir jedermann ist. Sie spricht zu denjenigen, die durch sie auf sich selber horen. Ein anderer Gedanke, der aus Mirits Worten stammt: Moshe wurde als ein Mensch beschrieben, der das Geld liebt. Wie viele Leute kennen wir, die bestandig der Welt etwas geben? Ohne Falschung gab er jedem, was er speziell brauchte. Welcher Reichtum war in der FI enthalten, um den Patienten gliicklicher zu machen? Ist es uberhaupt moglich, fur das zu bezahlen, was Moshe gegeben hat? Meine sofortige Antwort ist Nein! Weil das, was Moshe ge­ geben hat, in jedem eingepragt war, der verstand, es von ihm zu erhalten - fiir im­ mer. In FI, in ATM, in Ratschlagen. Bei uns, die wir bei ihm studiert und viel bezahlt ha­ ben dafiir, hat es unser ganzes Leben verandert und das der Menschen, die um uns leben. Ich selber habe Moshe die ganzen Kosten erst nach meiner Ausbildung bezahlt, aus dem einfachen Grund, weil ich vorher gar nicht in der Lage war dazu. Moshe sagte nichts, als ich meine Schulden bezahlte, und steckte das Geld einfach in seine Tasche. Aus meiner Sicht waren seine GroBzugigkeit und Liebe fur seine Nachfolger grenzenlos. Es ist klar, dass ein solcher Mensch die Grenzen an unkonventionelle Orte verschiebt. Eine andere Geschichte iiber Moshe's kreative menschliche Art: Moshe nannte eine

der Alexander Yanai Lektionen „Die Rivka Lektion" (nach Rivka Ben Sira). Rivka probierte vor den Lektionen immer alle moglichen „Eindruck machenden Ubungen" aus. Moshe sah, wie sie angestrengt versuchte, ihren FuB zu erreichen, den sie in der Art von Charlie Chaplin nach auBen drehte. Moshe grundete eine ganze Lektion auf die­ ser Bewegung, bis die schwierige Bewegung aufhorte schwierig zu sein und moglich wurde. Er hatte die Schwierigkeiten beseitigt, indem er den Korper sich beteiligen lieB und ihn davon abhielt, einfach nurdaneben zu stehen. Und ganz nebenbei lieB er diese dramatische, eindruckliche und zirkusreife Bewegung zu einer selbstverstandlichen werden - einer gewohnlichen und alltaglichen Bewegung. Es erinnert mich an die „Alla Turka" Sonate von Mozart (Piano Sonata No. 11, K.331). Mozart nahm die Grundlagen von der Sallieri-Sonate. Eine einfache graue Sonate, der Mozart Anmut und Leich­ tigkeit anfugte und sie damit unsterblich machte. Der Unterschied zwischen Mozart und Feldenkrais ist, dass Moshe eine Lekti­ on, die zu einem leichten Spaziergang mit einem Lacheln im Gesicht wurde, „Die Rivka Lektion" nannte. Dies ist eine weitere Lek­ tion in Integritat. Wir sind glucklich, dass die Dinge, die Moshe lehrte und unterrichtete - ATM oder FI solche sind, die vielleicht nicht sofort verstanden werden. Ideen, die ihrer Zeit voraus sind, Material, zu dem du zum zweiten oder dritten Mai zuruckkehren wirst, nach

Jahren, wenn du reifer geworden bist, um es besser zu verstehen. Wir sind gliicklich, dass Moshe alles aufgenommen hat, was er offentlich gesagt hat. Jedesmal, wenn ich eines seiner Bucher erneut lese, sehe ich es in einem anderen Winkel, gleich ei­ nem wohlgeschliffenen Diamanten, wo je­ der Einfallswinkel des Lichts bestandig neue erstaunliche Farben hervorruft.

Moshe war sehr direkt, und er scheute sich nicht, seine klare Meinung zu sagen, wenn er danach gefragt wurde. Einmal las er vor einer Gruppe von Sport-Supervisoren des Israelischen Ministeriums fur Erziehung. Die Zuhorer waren sehr weit von Moshes Ide­ en entfernt. Er war in den 50er Jahren noch nicht sehr beruhmt. Der Respekt, den sie vor einer Person hatten, deren Wege des Denkens verschieden von ihrem war, war nicht groB. Einer der Supervisoren stand auf und sagte Moshe, er hatte ihn vor drei Jah­ ren gehort und seine damals geauBerten Ansichten uber ein bestimmtes Thema seien anders als heute. Moshes Antwort war: „Ich erzahle immer neue Dinge, weil die Welt voll davon ist. Jedes kleine Ding macht mich neugierig und ich lese daruber. Und wie sie wissen, wird stehendes Wasser mit der Zeit giftig". Moshe hat sehr viel gelesen - alles was ihm in die Hande kam. Einmal zeigte er mir das Rote Buchlein von Mao Tse Tung und meinte: „Es ist praktisch alles Wasser, darum habe ich ein oder zwei Kapitel gelesen und werde es wegwerfen". Er hat mir einmal erzahlt:"Welche Frau will wohl ihr Leben mit einer Person verbinden, die jede Nacht liest und jeden Tag arbeitet. Ich lese jede Nacht, denn wenn ich eine Zeile in meinem Buch schreibe und tausende lesen sie, so darf nicht ein einziger sachlicher Fehlerdarin stehen". Und tatsachlich, wenn sie ein Buch von Moshe lesen, so wird es schwierig, mit andern Fachbuchern umzu-

gehen. Sie konnen kein einziges Wort aus einem seiner Bucher entfernen - nichts ist redundant. Eine andere Geschichte aus Moshes Bibliothek: Erwusste, wojedeseinzelne Buch stand. Die Anordnung der Bu­ cher hatte eine gewisse Logik bezuglich der benachbarten Bucher und bezuglich des Ortes wo sie gelagert wurden. Einmal raumte seine Schwester Mlaka die Biblio­ thek auf, um den Staub von den Buchern zu entfernen. Es war zu einer Zeit, als Moshe im Ausland war. Als er nach Hause kam und es bemerkte, war er schockiert. Die Bucher waren zwar sauber, aber am falschen Ort. Er war so wiitend, dass er nicht mehr zu seiner Schwester sprach. Ich fragte ihn „bis wann?" und er sagte:"Bis sie jedes einzelne Buch an seinen Platz zuruck stellt!". Lange Zeit nach diesem Vorfall besuchte ich ihn an einem Freitag mit meiner ersten Tochter Libit, die damals drei Jahre alt war. Meine Frau Irit hatte ihm einen Kuchen gebacken, den er liebte und wir hatten es lustig. Eine Leiter war am Buchergestell angelehnt, und meine Tochter Libit mit der Leichtigkeit einer Gazelle - kletterte hinauf, und begann Bucher zu werfen. Ich wurde steif und wartete - voller Angst auf das was kommen wurde. Meines Lehrers und Meisters Antwort war:"Schau, was fiir wunderbare Bewegungen Libit hat". Meine Versuche, zu verhindern, dass die wertvollen Bucher weiterhin auf uns herab regneten, machten keinen Eindruck auf ihn, und er auBerte einen seiner groBartigen Spruche: „Es gibt Kinder die sich wunder-

bar entwickeln, trotz aller Befurchtungen ihrer Eltern". Welche Umgebung nahrt Bewusstheit? Ich kann nicht sagen, dass das Wort „Bewusstheit" standig im Hintergrund prasent war oder im Raum schwebte, aber ich spurte vom ersten Tag an, dass das Schlusselwort und der Name des Spiels „Lernen" hieB und „Spielende Neugier". Wir kamen immer wieder mit einem neuen zusatzlichen „wow" heraus. Jeden Tag entdeckten wir eine neue und erstaunliche Art die Welt zu sehen, fur uns eroffnet durch Moshe. Wir sammelten uns um unseren Lehrer, der uns nie Wissen vermittelte, sondern immer wieder einen Sack voll uberraschender Spiele offnete, die wir noch nicht kannten. Aber er hat sich uns beim Spielen angeschlossen, und die Athmosphare war fur ihn dieselbe, jeder Tag ist voller Wunder. Ich hatte die Erlaubnis, zu fotografieren, und als Fotograf kann ich sagen, dass Moshe ein fotogener Charakter ist. Eine ganze Bibliothek von Gesichtsausdrucken. Wenn er will, kann er eine Maske aufsetzen. Bei ei­ ner Gelegenheit machte ich Fotos von Moshe wahrend einer FI die er Onika gab einem sehr intelligenten CP-Kind, das, wie alle Kinder - eine sehr gute Chemie zu Moshe hatte. Auf einem der Bilder konnen sie Moshe sehen, wie er mit beiden Han­ den zeigt, wie er den Grad der Spastizitat ihrer Beine vermindern konnte. Er hebt die rechte Schulter mit einem halben Lacheln,

wie wenn er sagen wollte: „Wer kann sonst solche Wunder vollbringen?". Seine Art erstaunte taglich, und was er oft in den FI und ATM ersann, war fur mich auGerste Bewusstheit. In einer solchen Atmosphare erreichst du jede Person in FI und jede Gruppe in ATM, du schaust mit neuen frischen Augen und gehst auf jeden Fall ein, wie wenn er gerade vom Mond gefallen ware - auch wenn du fest mit den FuBen auf dem Boden stehst. In einer solchen Atmosphare lernst du, in Betracht zu ziehen, zu schauen, zu versuchen, zu wagen, zu erfinden, nicht Angst zu haben vor einem Versagen, auf die Wirklichkeit zu reagieren mit Augen, die fur die Zukunft offen sind. Diese Augen machen sich lustig uber das „Unmogliche" und jene, die es Realitat nennen. Sie machen es moglich, leicht und

manchmal sogar bequem. In einer solchen Realitat gibt es nichts Unmogliches. Es ist sehr leicht Cliches zu benutzen wie „Zauberer" oder „Wundertater". Es ist tatsachlich sehr aufriihrerisch, da uns Moshe nie lehrte, in Schubladen herumzuschnuffeln und magische Formeln fur Scoliosis, CP, IVP usw. hervorzuziehen. Ich fragte ihn einmal um seine Meinung uber ein neues Buch uber Atmung, das ich da­ mals in Deutschland gekauft hatte. Er legte es mit einer Geste der Verachtung auf die Seite. Ich fragte ihn warum, und er antwortete: „Wie kann man lernen, „richtig" zu atmen? Der Korper muss so organisiert sein, dass die Bewegung in Einklang ist mit verschiedenen Arten des Atmens bei Anstrengung, Entspannung, Angst, Liebe, Ge­ hen mit Steigung, Gehen auf einer Ebene, leichtem Rennen, langem Rennen, Wetter, Krankheit, frischer Luft, einem Raum voller Rauch... Jeder Zustand des Korpers muss sich auf einen unterschiedlichen und sich andernden Atem einstellen konnen. Jemandem zu sagen, wie er richtig atmen soil, ist ein betrugerischer Schwindel. Es ist, wie wenn man eine bruchige Wand nur mit Farbe uberstreicht, statt sie richtig zu festigen. Moshe war nie mit Kompromissen einverstanden, wenn ervon einer Sache uberzeugt war. Er unternahm alle Anstrengungen, um eine intelligente Frage zu beantworten, die ihm gestellt wurde, und machte eine verachtliche Geste, wenn eine an­ dere Art Frage gestellt wurde. Ein Beispiel:

Moshe hatte Nora (oder Doris, im Fall Do­ ris) behandelt (was fur ein unpassendes Wort). Ich saB neben ihm, und sah ihn ihr rechtes Ohr massieren. Ich fragte ihn, was er tat, und er antwortete, „Geh und lies das Buch". Ich kaufte ein Buch iiber Aurikulotherapie und fand, dass das Ohr eine ganze Welt fiir sich ist, und dass seine Sensibilitat und Zuganglichkeit es zu einem irregularen Kommunikationsweg zum Nervensystem machte, zum Gehirn und zu jedem andern Teil des ganzen Korpers. Wenn wir die Person als Ganzes sehen sollen, so konnen wir nicht eine ganze Welt von die­ ser Person fernhalten. Moshe bat mich einmal, Doris (das ist ihr richtiger Name) eine FI zu geben. Natiirlich hatte ich 1001 Griinde, Angst zu haben und nicht zu wissen, wo ich beginnen sollte, nachdem mein Lehrer, der groBe Meister, die Welt auf den Kopf gestellt hat, um et­ was Ordnung in ihre auf dem Kopf stehende Welt zu bringen. Ich sagte ihm „Moshe, ich weiss doch nicht, wo ich beginnen soil!". Seine Antwort war: „Du musst etwas wis­ sen. Beginne damit und achte auf ihre Reaktionen". Was ich dabei lernte war, dass Moshe, auch wenn er 1000 Lampen hatte, die ihm Licht gaben, im Dunkeln stand, als er mit Doris zu arbeiten begann. Auch wenn ich nicht eine einzige Lampe habe - nur ein Streichholz, so muss ich eine Kerze suchen, diese anziinden und sie benutzen, um meinen Weg in der Dunkelheit zu suchen. Wenn sich die Augen daran gewohnt haben, so

hort auch die Dunkelheit auf, das zu sein, was sie war. Das ist Lernen, das von Bewusstheit her kommt, auch wenn dieses Wort bisher noch nicht benutzt wurde. Moshe kam aus Japan zuruck, mit unzahligen Geschichten uber seine dortigen Erlebnisse. Neoguchi war der groBte Star in diesen Geschichten. Moshe war beeindruckt wie ein kleines Kind von derTatsache, dass Leu­ te aus der ganzen Welt zu ihm kamen, fur 3-Minuten-Lektionen, die ein Vermogen kosteten. Aber neben seinem Erstaunen uber eine Person, die auf eine sehr verschiedene Art denkt und handelt als er selber, war Moshe auch sehr kritisch. Die Kritik kam wie ublich in Form von Geschichten. Neoguchi wurde ein Boxstadion fur eine ganze Nacht mieten und hatte eine monatliche Sitzung mit 3000 Menschen. Die Sitzung behandelte ein Thema, begann um drei Uhr morgens und endete um acht Uhr morgens (die Miete war am billigsten um diese Zeit). Neoguchi hatte 100 Assistenten, die die Menge beobachteten und Bemerkungen machten. Neo­ guchi gab eine Bewegung, die im FuG be­ gann, und nach Tausenden von Bewegun­ gen am Morgen im Kopf endete. So war es eigentlich eine FuB-zum-Kopf-Bewegung, aber Neoguchi begann mit einer Bewegung und lieB sie durch den ganzen Korper flieBen. Moshe war von der Sitzung beeindruckt und benannteein paar seiner Alexander Yanai Lektionen nach Neoguchi. Moshe bat Neoguchi, ihm die Moglichkeit zu geben, der Menge im Stadion eine ATM

zu geben. Moshe gab in der Tat eine reiche Lektion, und viele Leute kamen anschliessend, um ihm die Hand zu schutteln. Neoguchi sagte kein Wort. Beim Fruhstuck im Palast in dem Neoguchi lebte, fragte Moshe Neoguchi nach seinen Eindrucken von der Lektion. Neoguchis Antwort war:"Ich nehme das Pferd, zeige ihm Futter und Wasser, und das Pferd muss seinen Weg zum Futter gehen, um zu essen und zu trinken. Du, Moshe, nimmst das Pferd, fuhrst es zum Heustock, streichelst es, drehst sei­ nen Kopf zum Heu, bewegst seinen Kiefer damit es isst, anschliessend massierst du seinen Bauch, um ihm bei der Verdauung zu helfen". Neoguchi fugte noch an (gemaB Moshe): Ich behandle Leute drei Mi­ nuten. Ich will meine Krafte nicht in Leute investieren, die selber keine Kraft aufbieten konnen. Von mir aus sollen sie sterben. Ich investiere nur in Leute, die leben wollen, und dafursind drei Minuten genug. AnschlieBend erlauterte Moshe seine entgegengesetzte Ansicht, dass es nicht schwierig sei, Leute zu uberzeugen, die das Leben kraftig im Griff haben. Ich bin interessiert an Leuten, die nicht die Kraft haben, um mit dem Le­ ben fertig zu werden. Ich richte sie auf und sende sie dann auf ihren Weg. Dafur sind drei Minuten nicht genug. Fur dies ist es wert, meine Kraft einzusetzen. Zur ATM-Lektion: derwestliche Mensch hat mit Sicherheit weniger Selbstbewusstheit als der ostliche. Aus diesem Grund muss die Bewusstheit auf einem langen und geschickten Weg zuruckgebracht werden, weil die-

ser Weg, den wirverloren haben, lang, kurvenreich und uberwachsen ist. Darum ist es so kompliziert. In dieser Geschichte kon­ nen wir die Unterschiede zwischen diesen beiden Personen sehen - diesen zwei Kulturen. Neoguchi behandelte durch kurze Instruktionen, wie wenn es sich um eine disziplinierte Armee handeln wurde. Moshe geht in Details und baut alle Einzelheiten wieder auf, investiert in die Leute und ermoglicht ihnen, sich durch sich selber zu finden. Die Ironie ist, dass Moshe immer noch lebendig ist in jeder Umgebung, in der man ihn studiert hat. In Japan ist er viel bekannter als Neoguchi. Ich fiihle, dass wir als seine Schuler und spater als seine Assistenten, die mit ihm zusammen arbeiteten, von ihm gelernt ha­ ben zu experimentieren und andere zu befahigen, in Versuch und Irrtum zu leben und sich zu wundern. Ich habe einmal meine Tochter Libit gefilmt - sie hatte gerade ihre ersten Schritte gemacht - wie sie auf eine Schiene kletterte und im Gleichgewicht dariiber ging. Meine Frau war in Aufregung und wutend auf mich, weil ich, anstatt ihr die Hand zu reichen, einfach weiter filmte. Ich machte es bewusst, weil in meinen Augen Fallen (aus einer ungefahrlichen Hohe) Lernen bedeutet. Eine kleine Schramme zu bekommen und es weiter zu versuchen das ist Lernen. Eine ruhige und ungestorte Athmosphare zu haben - das ist Lernen; das Kind lernt, sich selber zu vertrauen. Moshe beklagte sich immer iiber Eltern, die sich Sorgen machen iiber ihr Kind, das auf

alien Vieren kriecht und sich dabei die Kleider schmutzig macht. Was ubrigbleibt ist ein Kind, das aufwachst zu einem sauberen, aber erfahrungslosen Erwachsenen. Fiir einen Lehrer war Moshes Leben mei­ ner Meinung nach zu kurz. Wenn Gott ihm 20 Jahre mehr gegeben hatte, ware er mit jedem Jahr besser geworden. Er hatte sei­ nen vielen Schulern das Privileg gegeben, ihren eigenen Weg zu gehen. Er hatte ih­ nen auf die Schulter geklopft, wenn sie ih­ ren eigenen Weg gefunden hatten, als Antwort auf ihre Welt, die sich ihnen taglich immer weiter geoffnet hatte. Er wurde ih­ nen erklaren, auf eine ruhige Art, dass man sich manchmal von einer ATM entfernen muss, um sie ein anderes mal wieder neu zusammenzusetzen.

Er wurde weiter erlautern, dass es nur in einer Athmosphare des Lernens, in welcher alle Optionen offen sind, moglich ware, dass sich Leute zu dem entwickeln, was sie ein­ mal als Kinder waren: Versuchend, spon­ tan, und ohne Furcht vor Unsinn, Fehlern und Fallen. Moshe hatte ihnen mit Sicherheit erzahlt, dass es unmoglich ist, ein guter Lehrer dieser Art zu sein, ohne seinen Weg in Anatomie, Physiologie, Neurologie, Pathologie und all den andern ,,-logien" in der Welt zu kennen. Eine letzte Geschichte gibt es noch uber Moshe. Nach seiner Operation am Kopf, nach der Entdeckung des Blutgerinnsels in seinem Gehirn. Der weltbekannte turkische Neurochirurg hatte die Bucher gelesen, die er von Moshe bekommen hatte und sagte ihm: „Dr. Feldenkrais, in Anbetracht ihres Wissens uber das Gehirn und die menschliche Bewegung, ihre Art zu denken ist so speziell, dass sie aufhoren mussen zu ar­ beiten und alles aufschreiben sollten, bevor es zu spat ist. Kein Hirnforscher auf der Welt sieht das Gehirn auf diese spezielle Weise wie sie es tun, und darum ist es sehr wich­ tig, dass sie schreiben". Moshe sagte mir: "Er konnte nicht verstehen, dass ich in der gleichen Minute, in der ich aufhore zu ar­ beiten, sterben wurde". Mein Verstandnis von dem, was Moshe da­ mit gemeint hat, ist, dass fur ihn seine Ar­ beit das Lernen war, das ihn dazu trieb, all diese Bucher zu offnen, die er las, nur um eine Antwort zu finden auf alle die Fragen,

die er sich selber wahrend seiner Arbeit stellte. Die Vielfalt der Bucher, die er las, waren die tausende von Fackeln, die er in seine Arbeit brachte und deren Lichter taglich benutzte, um in die dunkeln Ecken zu leuchten, die seine Neugierde anfachten - um das Leben so vieler Menschen zu retten, die ihre Hoffnung verloren hatten. Wenn sie hinausgingen, hatten sie ein Werkzeug bekommen, das ihre Augen wieder zum Leuchten brachte. Fiir uns - seine Schuler und Nachfolger, schlage ich vor, dass wir anderen beibringen wer­ den, was wir von Moshe gelernt haben und was nun Teil unseres Charakters ist, aber der groBte Teil muss von unserer eigenen personlichen Erfahrung kommen - von der wir nie aufhoren durfen zu lernen. Ein Lehrer der nur lehrt, endet damit, dass er sich nur noch wiederholt und vergangenes Material verwendet statt neues. Und es gibt noch einen anderen Grund, war­ um man die eigene Praxis nicht verlassen und nicht beim Lehren alleine stecken bleiben sollte. Leute, die zu uns kommen, um die Methode zu erlernen, sind ihrem Kor­ per zugetan und an seinen Wundern interessiert. Leute, die zu uns kommen und Hil­ fe suchen fur ihre Schwierigkeiten, sind meistens solche, deren Korpersprache fur sie selbst fremd ist. Unsere Aufgabe ist es, sie wieder mit ihrem Korper vertraut zu ma­ chen und mit seinen unendlichen Wahlmoglichkeiten, die sich verbergen, wenn die Zeit vergeht.

Wie konstruiere ich eine ATM-Stunde?

Wahrend meinen professioneiien Lektionen, die ich in Europa oder in Israel am Wingate Institut halte, werde ich haufig gefragt: „Wie konstruierst du deine ATM-Stunden? Gibt es da eine spezielle Formel, die uns helfen kann? Diese Frage kommt immer und im­ mer wieder, da es ein Charakteristikum der Feldenkrais Methode ist, dass sich keine Stunde wiederholt. Die Moglichkeiten in den Lektionen sind so reich und so vielfaltig, dass die einfachen Studenten uberrascht sind. Und mehr noch diejenigen, die ein professionelles Studium besuchen, da sie noch empfindsamer auf den Reichtum des ihnen wahrend des Jahres im Kurs prasentierten Materials reagieren.

Ich werde versuchen zu antworten und meine Gedanken und Ideen, die mich auf meinem professionellen Weg motivieren, zu erlautern: Als erstes mochte ich in aller Fairness betonen, dass Moshe Feldenkrais alien, die in seine FuGstapfen getreten sind, ein vielfaltiges, reiches, grundlegendes Ma­ terial in seinen aufgezeichneten Lektionen, Biichem und Vorlesungen, hinterlassen hat. Vor allem stehen zehn Jahre gemeinsamer Arbeit, einschlieGlich drei Jahre taglicher Studien in seinem ersten Kurs, wo ich das Privileg hatte, zu seinen 13 Schulern zu gehoren. Wahrend zehn Jahren erkampfte und erarbeitete ich mein Wissen in Moshes Arbeits-Gruppen in der Alexander-YanaiStraGe sowie mit meinen FI-Lektionen in der Nachmani-StraGe. Die zehn Jahre ATM- und FI-Arbeit in seiner Anwesenheit pragten mich derart, dass sich alles was ich tue - meine Ideen, mein Nachdenken uber neue Pfade und Losungen in meiner Arbeit, alles was ich sehe, in der Ar­ beit, auf der StraGe, in der Kunst, in der Musik, in der Natur, in der Erziehung mei­ ner Kinder und in meiner Familie - vermischte und verband und zu einem dominierenden Teil meines Lebens wurde. Was ich heute bin, ist im Wesentlichen die Metamorphose von all dem, was ich in der „Arbeit" erfahren habe, ich wurde, was ich heute bin. Ich betrachte meinen Weg nicht bloG als Quelle finanzieller Belohnung oder als aufregenden Beruf, sondern eher als eine umfassende Erfahrung, die das „Heim" meines Gehirns

und meines Korpers ist, aus der ich auftauche zu meinen taglichen Fahrten, sei es zu meiner Praxis in der Rembrandt-StraBe oder nach Wingate, oder zu meinen ATM-Gruppen oder zu irgendeinem anderen Ort auf der Erde. Auch wenn ich nach Hause zuruckkomme, ziehe ich keinen Vorhang zu, um „die Arbeit" von meinem Heim zu trennen. Denn selbst die Entwicklung mei­ ner Kinder ist Quelle der Inspiration und endloser Suche nach immer mehr Ideen. Vor allem mochte ich unterstreichen, dass wir durch das Studium bei Moshe, bei der Arbeit in seiner Gegenwart, durch die Mog­ lichkeit, ihn zu beobachten, mit sehenden, fragenden und beobachtenden Augen ausgerustet wurden. Etwas, das viel mehr Wert hat, als das Lernen durch Uben irgendeiner Technik. Ich lernte zu sehen, taglich, jede Sekunde, mit einem frischen Blick fur die jeweiligen Bedurfnisse jedes Einzelnen, ohne in gewohnheitsmaBige Routine zu geraten. Das ist es, was ich meinen Schulern zu vermitteln versuche: aufmerksam zu beob­ achten und hinzuhoren, statt routinemaBig zu sehen und zu horen. Ich verstehe die wiederholten Fragen vieler meiner Kursteilnehmer sehr gut, die nach Anleitungen und Abkurzungen fragen, angesichts ihrer Frustration, wenn sie die unvermeidbaren Vergleiche ziehen zwischen meinen reichen und uberraschend prazisen Lektionen, die sie von mir erhalten, und ihren eigenen, die manchmal sehr„dunn" und betrublich sind. Ich behandle ihre Frage ernsthaft und mit

Respekt, da es die gleiche Frage ist, die ich jeweils Moshe zu stellen pflegte, als ich begann, Lektionen an seiner Stelle zu geben. Nicht via Kassettengerat, sondern diejenigen, die er mir erlaubte, personlich zu ge­ ben. Ich fragte ihn: „Moshe, wie gelingt es dir immer wieder, solche reiche, uberraschende und zweckmaBige Lektionen zu schaffen? Seine Antwort war: „Beobachte mei­ ne Lektionen, nach und nach werden sie zu einem Teil von dir, und dann wirst du unzahlige eigenen Lektionen entwickeln. Die­ se Antwort befriedigte mich damals natur­ lich nicht. Aber heute, wo ich ein „Augenpaar" besitze, das anders ist als es damals war, ist seine Antwort in meinen Augen ein gesamtes Universum. Als ich Moshe mit einer graphischen Skizze einiger Bewegungen auf einem vergilbten Papier sah und wie er daraus eine dieser perfekten Kreationen schuf, da war ich noch mehr frustriert, alles sah so geheimnisvoll und total unerreichbar aus. Und heute komme ich gewohnlich mit einem Umriss von einer oder zwei Bewegungen in meinem Kopf in jede Lektion. Aus diesem Umriss baue ich dann die gesamte Lektion auf. Vergessen Sie nicht, dass es fast 30 Jahre ler­ nen durch Arbeit sind, was viel mehr ist als gewohnliche Routineerfahrung. Ich fange jede Lektion mit einer bestimmten Bewe­ gung an, so wie wir es von Moshe gelernt haben. Die Bewegung wird viele zusatzliche Kreise um sich herum erzeugen, und

so wird die Lektion in Gang gesetzt. Die Bewegung existiert in meiner Vorstellung, bevor meine Schuler sie verwirklichen. Ich biete die Bewegungen der Klasse an. Ich sehe mit meinen ausgebildeten Augen auf eine systematische Weise, wo die Hauptschwierigkeit liegt. Ich verfuge iiber unzahlige Losungen, die in der Form einzelner, aufeinander folgender Bewegungsschritte erscheinen, bis die ganze Klasse einen Schritt weiterkommt, ein jeder entsprechend seinen Fahigkeiten. Ich bin sehr erfreut, wenn die Gruppe nicht unisono, wie ein gut disziplinierter Chor ar­ beitet, sondern eher so, dass jeder seinen eigenen Rahmen fiir seine Gesten und Be­ wegungen findet, jeder nach seinem besten Empfinden, und so, dass er mit feinen Nuancen seine eigenen Losungen entdeckt. Sobald ich bemerke, dass eine Anzahl von Leuten sich gegenseitig anschauen, weil3 ich, dass ich ein semantisches Problem in mei­ ner Sprache verursacht habe und ich nach einer zusatzlichen Erlauterung suchen muss. Eigentlich konnte man sagen, dass 80% des Rohstoffes einer Lektion in den Bewe­ gungen meiner Kursteilnehmer gefunden werden kann, in der Art wie sie nach einer Losung suchen, um die Bewegung tatsachlich auszufiihren. Ich „stehle" und borge mir die Losung von einigen von ihnen, zugunsten aller. Ich suche sogar nach einer fehlerhaften Losung fiir sie, um ihnen die leistungsfahigere, angemessenere und natiirlichere Losung deutlich zu machen.

Ich nehme an, dass eine Bewegung, die schwierig erscheint, fur uns leicht machbar ware, wir aber ihre Ausfuhrung durch gleichzeitige antagonistische und grundlose Be­ wegungen verhindern. Und da wir die Hindernisse „entfernen mussen", die durch unsere Gewohnheiten und durch Mangel an Empfindlichkeit auf unseren Weg gelegt werden, konzentriere ich mich auf diese spezifische Bewegung. Und kehre nach je­ der Gruppe von Bewegungen zu ihr zuriick, sodass sie zum Marker fur das Hauptthema der Lektion wird. Hunderte, ja tausende von FI-Lektionen, die ich in den fast 30 Jahre Arbeit gegeben habe, geben mir die Moglichkeit, mit meinem Korper genau zu spiiren, was ich meinen Kursteilnehmern anbiete: Losungen zu den verschiedenen Storungen aus der personlichen Vertrautheit mit dem Korper und eine Vielzahl von Losun­ gen, die ich in der letzten Dekade erfahren habe und die zu reicheren Losungen fuhren, von welchen ich das Gefiihl habe, dass sie okonomisch und spezifisch sind. Wah­ rend der Lektion selbst „fotografiere" ich innerlich und mache mir ein systematisches Bild von verschiedenen Schiilern. * Ich mache eine Pause um mir eine Be­ wegung eines erfahrenen Kursteilnehmers zu „borgen", der mit schonen, genauen, wirkungsvollen und mit Leichtigkeit ausgefiihrten intelligenten Bewegung arbeitet. ■ Ein neuer Kursteilnehmer, dem es an Vertrauen in sich selbst und seinen Korper fehlt, schaut umher und zu seinen Nachbarn, um

sie nachzuahmen. Korpersprache ist fremd fur ihn, und es braucht viel Geduld, um diejenige Sprache wieder hervorzubringen, die einst in seiner Kindheit seine Muttersprache war. ■ Ich beobachte die Person, die Schmer­ zen hat. Ihr Kopf und ihre Aufmerksamkeit sind zu weit weg, um zu horen. Sie konzentriert sich vor allem auf den Schmerz, und wegen ihrer Unfahigkeit unter diesen Bedingungen zuzuhoren, behauptet sie, meine Sprache nicht zu verstehen. ■ Ich beobachte denjenigen, der wie ein Automat arbeitet, der, mit einem erschrekkenden Mangel an Empfindlichkeit fur sei­ nen Korper, mit viel Kraft und unverhaltnismaBiger Geschwindigkeit arbeitet. ■Ich betrachte die Person, die in bestimmten Teilen ihres Korpers sehr beweglich ist, wahrend sie in anderen steif ist, und, um diese Steifigkeit auszugleichen, ubertrieben groBe und theatralische Bewegungen macht, als ware sie in einem Gymnastikwettbewerb. Die Resultate davon sind schmerzhaft und nicht padagogisch und werden sich anschlieBend an die Lektion durch einen Mangel an Wohlbefinden und Schmerz ausdrucken. ■Ich beobachte denjenigen, der wegen ei­ nes Vorurteils der Meinung ist, eine bestimmte Bewegung sei nicht gut fur ihn (zum Beispiel auf den Knien zu stehen) und der deshalb diese Bewegung verweigert, weil sie ihn „schadigen" konnte.

Dies sind naturlich nur die Hauptcharaktere, denn es gibt alle moglichen Kombinationen von Verhaltensweisen oder „Bewegungspersonlichkeiten" in einer ATM-Gruppe. Ich fuhle wie ein Hirte mit seiner Herde und werde keinen wegen einer Schwierigkeit stehen lassen und auch keinen wegen einer besonderen Fahigkeit bevorzugen, da ich jeden dazu motivieren muss, vom anderen zu lernen. Jeder wird genug Platz erhalten fur seine Entwicklung und seinen Selbstausdruck. Jeder wird die Stunde entspannt, gelockert, erfrischt und vor allem mit einem erweiterten Repertoire an einfachen alltaglichen Bewegungen verlassen und den Eindruck haben, dies geschehe auf Grund eines Lernvorganges. Ich muss auf diese Weise fur jeden einen Weg ebnen, mindestens am Anfang, von dem aus er zusatzliche Pfade zu seinem Nutzen finden wird. Man konnte auch sagen, dass ich jede Lek­ tion als eine harmonische Kreation betrachte und die Schuler der Gruppe als ein Orchester mit einer Vielzahl von einzelnen Instrumenten. Ich bin der Dirigent des Orchesters, die Komposition jedoch wird erst wahrend der Ausfuhrung geschaffen. Ich komme jedoch mit einem spezifischen Thema, vielleicht der Wirbelsaule, wahrend dem ich die Teile davon, die Wirbel, die Gelenke, die Muskeln, die Adern, die Glieder, die Haut, den Gesichtsausdruck und die Korpersprache, den Leuten vor mir entnehmen muss, mit ihrer Hilfe, mit ihrer Einsicht und ihrem vollen Einverstandnis.

Ich darf nicht von A bis Z vorbereitet zu einer Lektion kommen, meine Ideen durchsetzen und sie den Leuten aufsetzen, sonst wird es nur ein „Maskenball". Wenn ich jedoch zu einer Lektion komme mit allem was in mir ist und alle und jeden Einzelnen mit einem empfindsamen Auge beobach­ te, jede Bewegungssequenz aufnehmend, dann wird jede Lektion, die ich gebe, maBgeschneidert auf jeden einzelnen und auf die Gruppe passen und wird nie ein Massenprodukt. Folglich ist jede Lektion fur mich ein aufregendes Abenteuer und fur meine Kursteilnehmer eine Lernerfahrung, aus der sie lachelnd auftauchen werden. Diese Begegnung zwischen einem empfindlichen Lehrer, der jede Sekunde seines Lebens lernt, wach und bewusst, und seinen Schulern, jeder von ihnen eine ganze und spezielle Welt, ermoglicht die Schaffung einer unbegrenzten Zahl von neuen, anregenden und vielfaltigen Lektionen. Aus diesem Grund ist es unmoglich, eine Formel fur das Gestalten einer ATM-Lektion anzugeben. Jeder Lehrer muss fur sich seinen eigenen Weg ebnen, damit seine Schuler durch seine Lek­ tionen lernen konnen, zu erweitern, was moglich ist. Zusammengefasst betrachte und schaffe ich jede Lektion als eine eigenstandige Kreation. Sie enthalt ein Hauptthema und eine Grundbewegung, die dieses begleitet, eine Bewegung, die sich mit Variationen und in verschiedene Richtungen wiederholt. Die

Lektion hat eine bestimmte Richtung und als Ziel die spontane Benutzung im taglichen Leben mit all den daraus entstehenden Bewegungen. Diese Bewegungen sind keine zufallige Ansammlung von hubschen und ahnlichen Bewegungen. Jede Bewegung ist von der vorhergehenden abhangig und dient als Grundlage fiir die daraus erneut folgende Bewegung. In dem Sinne wie ich mich mit der Entstehung einer Kreation befasse, sind meine Schuler die Musikanten, jeder mit seinem eigenen Instrument, durch welches ich ihm die Moglichkeit gebe, sich selbst auszudrucken, damit er zuerst seine inneren Noten lernen wird, und dies wird ihn davon abhalten, nur auBerliche Noten zu kopieren. Ich muss jedem Schuler die Moglichkeit geben, sein Potenzial auszuschopfen, ohne frustrierende Gefuhle, als jemanden, der seine Jugend und seine damaligen Bewe­ gungen wieder erneuert. Ein Erwachsener, dem es „plotzlich" gelingt, schon lange vergessene Bewegungen wieder zu machen, dem sie jetzt ohne irgendwelche Anstrengungen gelingen, der gewinnt wieder Vertrauen in seinen Korper, seine Gesundheit und in sich selbst. Wir beschaftigen uns mit Kunst, und es ist schwierig zu erklaren wie man ein Lied schreibt, weil hier Worte ver­ suchen, etwas zu erklaren, das sich eigentlich durch Worte gar nicht erklaren lasst. Folglich ist eine wertvolle Lektion in meinen Augen eine solche, bei der es gelingt, sich soweit als moglich von einer reinen „Ubung"

zu entfernen. Fur mich stellt eine harmoni sehe Kontinuitat einer Bewegung das Gan ze dar, von der Sohle bis zum Scheitel.

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