Grundlagen der Physikalischen Chemie [Reprint 2010 ed.] 9783110854626, 9783110099416

“A popular textbook containing the key concepts of physical chemistry, which do not become obsolete so quickly.” Prof. D

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Grundlagen der Physikalischen Chemie [Reprint 2010 ed.]
 9783110854626, 9783110099416

Table of contents :
Symbole für Größen, Zustände und Prozesse
1 Dimensionen und Definitionen
2 Aggregatzustände
3 Molekülenergien
4 Quantenniveaus in Molekülen
5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur
6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik – Energie
7 Der zweite und der dritte Hauptsatz der Thermodynamik – Entropie
8 Physikalisches und chemisches Gleichgewicht
9 Ideale Lösungen und verdünnte Lösungen
10 Reale Gase und Lösungen
11 Phasenübergänge und Phasengleichgewichte
12 Statistische Thermodynamik
13 Reaktionskinetik
14 Katalyse
15 Theorie der Reaktionsgeschwindigkeit
16 Elektrochemie: Ionen in Lösung
17 Elektrochemische Zellen
18 Grenzflächen und Kolloide
19 Elektrochemische Prozesse an Elektroden
20 Teilchen und Wellen
21 Spektren und Struktur von Atomen
22 Die chemische Bindung
23 Elektrische und magnetische Eigenschaften von Molekülen
24 Magnetische Resonanz
25 Symmetrie
26 Rotations- und Schwingungsspektren: Mikrowellen-, Infrarot- und Raman-Spektren
27 Elektronenspektren und Photochemie
28 Kristallographie
29 Der feste Zustand
30 Der flüssige Zustand und intermolekulare Kräfte
Tabellenanhang
Register

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Walter J. Moore Grundlagen der Physikalischen Chemie

Walter J. Moore

Grundlagen der Physikalischen Chemie Übersetzt von Wolfgang Paterno

W

Walter de Gruyter G Berlin · New York 1990 DE

Titel der Originalausgabe Walter J. Moore Basic Physical Chemistry Prentice-Hall, Inc. Englewood Cliffs New Jersey 07632 © 1983 by Walter J. Moore

Autor Walter J. Moore University of Sidney

Übersetzung

Dr. rer. nat. Wolfgang Paterno

CIP'-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Moore, Walter J.: Grundlagen der physikalischen Chemie / Walter J. Moore. Übers, von Wolfgang Paterno. Berlin ; New York : de Gruyter, 1990 Einheitssacht.: Basic physical chemistry ISBN 3-11-009941-1

© Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin Einbandgestaltung: Hansbernd Lindemann

Aus dem Vorwort des Verfassers Das Lehrbuch Grundlagen der Physikalischen Chemie wendet sich an Studenten der Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften, für die eine solide und fundierte Kenntnis der Physikalischen Chemie unabdingbar ist. Vorausgesetzt werden Grundkenntnisse der Allgemeinen Chemie, der Physik und der Mathematik. Heutzutage findet sich in jedem Lehrbuch der Allgemeinen Chemie bereits der gleiche, klassische Stoff wieder, der während meiner eigenen Studentenzeit im Lehrbuch der Physikalischen Chemie behandelt wurde. Gespräche und Diskussionen mit fortgeschrittenen Studenten haben aber leider immer wieder gezeigt, daß nur wenige von ihnen die grundlegenden Begriffe der Physikalischen Chemie, wie Entropie, freie Energie, Wellenfunktionen oder Boltzmann-Faktoren wirklich verstanden haben und auch damit umgehen können. Deshalb setze ich bei der Behandlung dieser Themen keinerlei Kenntnisse aus anderen Vorlesungen voraus. Weiterhin habe ich auf die Aufnahme von Themen verzichtet, die in den Anfängerlehrbüchern der Allgemeinen Chemie schon angemessen dargestellt werden. Den Kapiteln über die Hauptsätze der Thermodynamik stelle ich eine Einführung in die Translations-, Rotations- und Schwingungszustände von Molekülen voran. Ich habe nämlich die Erfahrung gemacht, daß man die doch recht unanschaulichen thermodynamischen Begriffe besser versteht, wenn man die dazu korrespondierenden Prozesse auf molekularer Basis kennt. Darum ist es beim Studium der Physikalischen Chemie ein wichtiges Ziel, die Prozesse auf der Ebene des molekularen Geschehens begreifen zu lernen. In den Lehrbuchtext sind zahlreiche Rechenaufgaben mit ausgearbeiteten Lösungen eingefügt. Viele davon sind sehr einfach - oft müssen nur die Zahlenwerte in die vorgegebenen Gleichungen eingesetzt werden. Sinn dieser Aufgaben ist es, ein Gefühl für die verschiedenen physikalischen Größen zu entwickeln, die bei physikalischchemischen Vorgängen eine Rolle spielen. Ist dieses Gefühl erst einmal ausgebildet, so fällt es leichter, sich auch komplizierteren Prozessen zuzuwenden. Ein weiterer Sinn der Rechenbeispiele ist das Einüben der richtigen Anwendung der Einheiten für die Vielzahl der zur Verfügung stehenden physikalisch-chemischen Daten. Hin und wieder wird der Text durch kurze Fragen unterbrochen, die einfach zum Nachdenken über den zuvor behandelten Stoff anregen sollen. Für Kritik und Anregungen - sowohl von Studenten als auch von den Lehrenden bin ich immer dankbar. Sie werden eine wertvolle Hilfe für die Bearbeitung dieses Lehrbuchtextes sein. Walter J. Moore

Inhalt Symbole für Größen, Zustände und Prozesse l Dimensionen und Definitionen 1.1 1.2 l .3 1.4 l .5 l .6 l .7 l .8 1.9 1.10 1.11

Physikalische Größen und Definitionen Die Definition weiterer SI-Basiseinheiten Die Stoffmenge Dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten Der Druck Dimensionsanalyse Physikalische Gleichungen Chemische Reaktionen Systeme Gleichgewichtszustände Zustandsfunktionen

XXI l l 3 4 5 6 7 7 8 9 10 10

2 Aggregatzustände

13

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18

14 14 16 18 19 21 22 23 26 28 29 30 31 32 33 34 35 35

Zustandsgieichungen Die ideale Gasgleichung Gase bei niedrigem Druck Gasmischungen Das molekulare Modell des idealen Gases Die Geschwindigkeit von Molekülen Die Kondensation von Gasen - der kritische Punkt Reale Gase - Virialgleichungen Korrespondierende Zustände Die Van-der-Waals-Gleichung Flüssigkeiten Kompressibilität und Volumenausdehnungskoeffizient Der feste Zustand Phasen Phasengleichgewichte Komponenten Freiheitsgrade Das Phasengesetz

3 Molekülenergien 3.1

Die Interpretation der Thermodynamik auf molekularer Grundlage

37 37

VIII

Inhalt

3.2 3.3

Energieerhaltung Die Energie von Molekülen: Translation, Rotation und Schwingung Die Energie eines Moleküls: Translation Die Energie eines Moleküls: Rotation Die Energie eines Moleküls: Schwingung Normalschwingungen Die klassische Gleichverteilung der Energie Die Wärmekapazität bei konstantem Volumen: experimentelle Bestimmung der mittleren Molekülenergie Experimentelle Wärmekapazitäten von Gasen

3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10

38 41 43 44 48 51 52 53 55

4 Quantenniveaus in Molekülen

59

4.1 4.2

59

Elektromagnetische Strahlung: Teilchen und Wellen Spektroskopie: das experimentelle Fenster zu den Energieniveaus 4.3 Ein Beispiel: das Spektrum von CO 4.4 Welleneigenschaften der Materie 4.5 Translationsenergie 4.6 Die Wellenzahl 4.7 Rotationsenergie 4.8 Schwingungsenergie 4.9 Die Infrarotspektroskopie liefert ein Abbild der Schwingungsund Rotationsniveaus im CO-Molekül 4.10 Elektronenenergie

73 76

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

79

5.1 5.2

79

Die Boltzmann-Verteilung Die Barometerformel - eine einfache Ableitung einer Boltzmann-Verteilung 5.3 Das Sedimentationsgleichgewicht 5.4 Eine allgemeinere Ableitung der Boltzmann-Verteilung 5.5 Die relative Besetzung von Molekülenergieniveaus 5.6 Eine molekulare Interpretation der Temperatur 5.7 Wärmekapazitäten aus molekularer Sicht 5.8 Die Geschwindigkeitsverteilung von Molekülen 5.9 Die Beziehung zwischen der Maxwell-Gleichung und der Gauß-Dichtefunktion 5.10 Die Berechnung von Mittelwerten 5.11 Die dreidimensionale Geschwindigkeitsverteilung

61 62 63 65 69 69 71

81 83 85 88 92 95 96 97 99 100

Inhalt IX 6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

103

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7

103 104 106 108 109 110

6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 6.19 6.20 6.21 6.22

Die Arbeit Volumenarbeit Gleichgewichtswege und reversible Prozesse Isotherme reversible Kompression eines idealen Gases Eine umfassende Definition der Arbeit Der Wärmebegriff Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ein geschlossenes System Vollständige Differentiale und Zustandsfunktionen Die Enthalpie Die Differenz CP - Cv Die Enthalpieänderung bei Phasenumwandlungen Die Änderung der inneren Energie bei chemischen Reaktionen Die Bestimmung der Reaktionsenergie Die Berechnung der Reaktionsenthalpie aus der Reaktionsenergie.... Der Satz von Heß Standardzustände Die Bildungsenthalpie von Verbindungen Die Reaktionsenthalpie in wäßrigen Lösungen Die Bildungsenthalpie von Ionen Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie Bindungsenthalpien Thermochemie und chemisches Gleichgewicht

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz der Thermodynamik Entropie 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Entropie und reversible Wärme Das molekulare Bild der Wärme und der Arbeit Die Entropieänderung eines idealen Gases Die Entropieänderung bei Phasenumwandlungen Die Entropieänderung bei einem irreversiblen Prozeß: Wärmeleitung 7.6 Die Entropieänderung beim Erstarren von unterkühlten Flüssigkeiten 7.7 Wärmekraftmaschinen 7.8 Der Carnotsche Kreisprozeß 7.9 Können wir Energie aus dem Ozean gewinnen? 7.10 Die Entropie und der Pfeil der Zeit 7.11 Die Mischungsentropie 7.12 Die Wahrscheinlichkeit von Mischungen

111 112 113 115 116 117 118 120 121 122 122 123 124 125 127 130

133 134 135 136 138 140 142 143 145 147 148 149 151

X

Inhalt

7.13 Unordnung, Wahrscheinlichkeit und Entropie 7.14 Die Berechnung der Entropie chemischer Verbindungen aus ihrer Wärmekapazität 7.15 Der dritte Hauptsatz der Thermodynamik 7.16 Absolute Entropien 7.17 Die Entropieänderung bei chemischen Reaktionen

153 155 157 158 159

8 Physikalisches und chemisches Gleichgewicht

161

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5

161 162 163 164

8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12 8.13 8.14 8.15 8.16 8.17 8.18 8.19

Entropie und Gleichgewicht Das dynamische Gleichgewicht Freie Energie und freie Enthalpie Die Interpretation der freien Energie Die Ableitung einer Zustandsgieichung aus der freien Energie Die Interpretation der freien Enthalpie Phasengleichgewicht - die Gleichung von Clausius und Clapeyron Die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks Standardzustände und die Änderung der freien Enthalpie bei chemischen Reaktionen Die freie Enthalpie eines idealen Gases Die Abhängigkeit der freien Enthalpie von der Umsatzvariablen Freie Enthalpie und Gleichgewichtskonstante Die Bestimmung der Gleichgewichtskonstanten KP Die Temperaturabhängigkeit der freien Enthalpie Die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten KP Reaktionen zwischen Gasen und festen Stoffen Die Druckabhängigkeit von Gleichgewichtskonstanten Das chemische Potential Chemisches Potential und chemisches Gleichgewicht

166 167 170 172 175 177 178 180 182 183 185 188 188 190 192

9 Ideale Lösungen und verdünnte Lösungen

193

9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8

193 195 199 200 201 203 205 206

Gehaltsangaben Partielle molare Größen: das partielle molare Volumen Andere partielle molare Größen Die Bestimmung partieller molarer Größen Ideale Lösungen: das Raoultsche Gesetz Die Thermodynamik idealer Lösungen Die Löslichkeit von Gasen: das Henrysche Gesetz Der Mechanismus der Narkose

Inhalt

9.9 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15

Die Abhängigkeit des Dampfdrucks von der Zusammensetzung /^-Diagramme Die Abhängigkeit der Siede- und Kondensationstemperatur von der Zusammensetzung - , Ä'-Diagramme Fraktionierte Destillation Lösungen von festen Stoffen in Flüssigkeiten Der osmotische Druck Osmotischer Druck und Dampfdruck Der osmotische Druck von Polymerlösungen

XI

207 209 210 212 215 216 218

10 Reale Gase und Lösungen

221

10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8

221 222 223 225 226 229 229

10.9 10.10 10.11 10.12 10.13 10.14 10.15

Fugazität und Aktivität Reale Gase - chemisches Potential und Fugazität Die Berechnung der Fugazität von Gasen Fugazität und korrespondierende Zustände Verwendung der Fugazität in Gleichgewichtsberechnungen Die Aktivität Standardzustände für Komponenten in Lösungen Bestimmung der Aktivität von Lösemitteln und nichtflüchtigen gelösten Stoffen aus dem Dampfdruck von Lösungen Gleichgewichtskonstanten für Reaktionen in Lösungen Freie Standardbildungsenthalpie biochemischer Verbindungen in wäßriger Lösung Abweichungen vom idealen Verhalten von Lösungen Siedediagramme Gegenseitige Löslichkeit von Flüssigkeiten Destillation von Systemen aus nicht mischbaren Flüssigkeiten Mischungen aus Öl und Wasser

232 235 237 239 241 243 245 247

11 Phasenübergänge und Phasengleichgewichte

251

11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8

251 251 253 255 256 258 260

Bedingungen für Gleichgewicht zwischen Phasen Reine Stoffe - Einkomponentensysteme Thermodynamische Funktionen und Phasenübergänge Schmelzen und Verdampfen Flüssigkristalle Untersuchungen bei hohen Drücken Hochdrucksysteme Annäherung an den absoluten Nullpunkt: Abkühlung durch Entmagnetisierung 11.9 Supraleitung und Supraflüssigkeit 11.10 Zweikomponentensysteme

261 263 266

XII Inhalt

11.11 11.12 11.13 11.14 11.15

Das Gleichgewichtflüssig-fest- einfache eutektische Diagramme Systeme mit Verbindungsbildung Feste Lösungen Systeme mit teilweiser Mischbarkeit im festen Zustand Das System Eisen/Kohlenstoff

12 Statistische Thermodynamik 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 12.7 12.8 12.9 12.10 12.11 12.12 12.13 12.14 12.15 12.16 12.17 12.18 12.19 12.20 12.21 12.22 12.23

266 269 271 272 274 277

Gesamtheiten 278 Mittelwerte über Gesamtheiten 280 Statistische Berechnung der thermodynamischen Energie 282 Statistische Berechnung der Entropie 282 Freie Energie und Zustandsgieichung 283 Bestimmung der Zustandssumme für wechselwirkungsfreie Teilchen .. 283 Zustandssumme der Translation 286 Thermodynamische Funktionen für ein einatomiges Gas 287 Zustandssumme für innere Molekülbewegungen (Rotationen und Schwingungen) 289 Zustandssumme der Rotation für starre lineare Moleküle 289 Rotationsenergie und -entropie linearer Moleküle 291 Berechnung von Trägheitsmomenten 292 Zustandssumme der Rotation für nichtlineare Moleküle 294 Zustandssumme für Schwingungen 295 Schwingungsenergie und -entropie 296 Wärmekapazitäten 299 Schwingungsenergie und Moleküldissoziation 300 Statistische Thermodynamik des kristallinen Zustands 302 Elektronische Zustandssumme 303 Der dritte Hauptsatz in der statistischen Thermodynamik 305 Gleichgewichtskonstanten 306 Die statistische Interpretation von KP 308 Beispiele für die statistische Berechnung von KP 310

13 Reaktionskinetik

313

13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8

313 315 316 318 319 320 321 323

Die Geschwindigkeit von chemischen Veränderungen Experimentelle Methoden der Reaktionskinetik Die Reaktionsordnung Reduzierte Geschwindigkeitskonstanten Reaktionsmolekularität und Reaktionsordnung Reaktionsmechanismen Reaktionen erster Ordnung Reaktionen zweiter Ordnung

Inhalt

13.9 13.10 13.11 13.12 13.13 13.14 13.15 13.16 13.17 13.18 13.19 13.20

Die Bestimmung der Reaktionsordnung Umkehrbare Reaktionen Folgereaktionen Parallelreaktionen Chemische Relaxation Reaktionen in strömenden Systemen Stationäre Zustände und Dissipationsprozesse Kettenreaktionen: die Bildung von Hydrogenbromid Radikalketten Kettenverzweigungen und Explosionen Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit Beispiele für die Temperaturabhängigkeit von Reaktionsgeschwindigkeiten

14 Katalyse 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9 14.10

Katalysatoren beeinflussen die Geschwindigkeit und nicht das Gleichgewicht von Reaktionen Homogene Katalyse bei Gasreaktionen Säure-Base-Katalyse Allgemeine Säure-Base-Katalyse Enzymatische Katalyse Die Struktur eines Enzyms: Carboxypeptidase A Grenzflächenkatalyse Die Langmuirsche Adsorptionsisotherme Adsorption an uneinheitlichen Oberflächen Mechanismen von Grenzflächenreaktionen

XIII

325 326 328 330 331 334 337 339 341 342 343 346 349 349 350 352 354 355 358 360 361 363 365

15 Theorie der Reaktionsgeschwindigkeit

369

15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7

369 372 374 376 377 380

15.8 15.9 15.10 15.11 15.12 15.13

Stoßtheorie der Gasreaktionen: die Stoßhäufigkeit Stoßtheorie der Gasreaktionen: die Geschwindigkeitskonstante Moleküldurchmesser Vergleich zwischen Stoßtheorie und Experiment Potentialflächen: D + H 2 Die Theorie des aktivierten Komplexes Thermodynamische Formulierung der Theorie des aktivierten Komplexes Die Aktivierungsentropie Chemische Dynamik Reaktionen in Molekülstrahlen Theorie der unimolekularen Reaktionen Reaktionen in Lösung Diffusionskontrollierte Reaktionen

383 384 385 386 388 391 393

XIV

Inhalt

16 Elektrochemie: Ionen in Lösung

395

16.1 16.2 16.3 16.4 16.5

395 396 398 400

16.6 16.7 16.8 16.9 16.10 16.11 16.12 16.13 16.14 16.15 16.16 16.17 16.18 16.19

Das elektrochemische Äquivalent Die elektrische Leitfähigkeit von Lösungen Die molare Leitfähigkeit Die Arrheniussche Theorie der Dissoziation Eine große Dielektrizitätszahl des Lösemittels erleichtert die Abtrennung von Ionen Überführungszahlen und Beweglichkeiten Bestimmung der Überführungszahlen nach Hittorf Bestimmung der Überführungszahlen aus der Verschiebung von Grenzflächen Ergebnisse von Überführungsmessungen Die elektrolytische Dissoziation des Wassers Die Beweglichkeiten der Wasserstoff- und Hydroxid-Ionen Diffusion und lonenbeweglichkeit Aktivitäten und Standardzustände lonenaktivitäten Experimentelle Aktivitätskoeffizienten von Elektrolyten Die lonenstärke Die Debye-Hückel-Theorie Die lonenwolke Das Grenzgesetz von Debye und Hückel

402 402 403 405 406 408 409 410 412 414 415 417 418 419 421

17 Elektrochemische Zellen

425

17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6 17.7 17.8 17.9 17.10 17.11 17.12 17.13 17.14 17.15 17.16 17.17

425 427 428 429 430 431 431 432 433 434 435 436 438 440 443 444 445

Metallelektroden Das elektrochemische Potential Kontakt zwischen zwei Metallen Elektrodentypen Einteilung elektrochemischer Zellen Eine elektrochemische Zelle Zellensymbol und Zellenreaktion Gleichgewichtsbedingung in einer galvanischen Zelle Die elektromotorische Kraft einer Zelle Das Weston-Standardelement Reversible Zellen Thermodynamik von Zellenreaktionen Die Standard-EMK von Zellen Standardpotentiale Berechnung der EMK Berechnung von Löslichkeitsprodukten Konzentrationszellen

Inhalt

XV

17.18 pH-Wertmessung 17.19 Biologische Membranpotentiale 17.20 Nervenleitung

446 448 451

18 Grenzflächen und Kolloide

453

l8. l 18.2 18.3 18.4 18.5 18.6 18.7 18.8 18.9 18.10 18.11

453 455 456 459 462 463 465 466 469 470 472

Oberflächenspannung Die Gleichung von Young und Laplace Kapillarwirkung Erhöhter Dampfdruck kleiner Tröpfchen: die Kelvin-Gleichung Die Oberflächenspannung von Lösungen Unlösliche Oberflächenfilme Die Struktur von Oberflächenfilmen Oberflächenaktive Stoffe und Micellen Zellmembranen Kolloidlösungen: die Teilchengrößenverteilung Stabilität von Kolloiden: die elektrische Doppelschicht

19 Elektrochemische Prozesse an Elektroden

475

19.1 Elektrodenkinetik 19.2 Polarisation 19.3 Wie das elektrische Feld die Geschwindigkeit einer Elektrodenreaktion steuert 19.4 Die Tafel-Gleichungen 19.5 Die Kinetik der Entladung von Wasserstoff-Ionen 19.6 Diffusionsüberspannung 19.7 Brennstoffzellen

475 477 478 481 483 484 486

20 Teilchen und Wellen

489

20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7 20.8 20.9 20.10 20.11 20.12

490 491 492 494 495 497 499 500 501 504 505 505

Wellenbewegung Die klassische Wellengleichung Die zeitunabhängige klassische Wellengleichung Die Schrödinger-Gleichung Translationsenergie Die statistische Interpretation von Wellenfunktionen Weitere Eigenschaften von Wellenfunktionen Orthogonalität von Wellenfunktionen Wellenfunktionen für die Translation Die Quantelung der Energie Nullpunktsenergie und Unschärferelation Das freie Teilchen

XVI

Inhalt

20.13 20.14 20.15 20.16

Gewinnung weiterer Informationen aus Wellenfunktionen Operatoren Der Hamilton-Operator Das Modell des freien Elektrons: Farbstoffe mit konjugierten Doppelbindungen 20.17 Das Teilchen im dreidimensionalen Kasten 20.18 Der Tunneleffekt

510 512 513

21 Spektren und Struktur von Atomen

515

21.1 21.2 21.3 21.4 21.5 21.6 21.7 21.8 21.9 21.10 21.11 21.12 21.13 21.14 21.15 21.16

515 516 520 522 523 525 527 529 532 533 534 538 540 542 544 544

Atomspektren Bohrsche Bahnen und lonisierungsenergien Die Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom Die Radialgleichung liefert die Energieniveaus Die Winkelgleichung liefert die Bahndrehimpulse Die Quantenzahlen Die radialen Wellenfunktionen Die Winkelabhängigkeit der Wasserstofforbitale Der Elektronenspin Das Pauli-Prinzip Das Heliumatomspektrum Das Vektormodell des Atoms Die Energie von Atomorbitalen: die Variationsmethode Das Heliumatom Schwerere Atome: das selbstkonsistente Feld Energieniveaus in Atomen: das Periodensystem

506 508 509

22 Die chemische Bindung

549

22.1 22.2 22.3 22.4 22.5 22.6 22.7 22.8 22.9 22.10 22.11 22.12 22.13 22.14

549 551 552 553 554 555 557 563 564 567 571 572 574 577

Einleitung Das Wasserstoffmolekül-Ion H^ Die Born-Oppenheimer-Näherung Die chemische Bindung im H^-Molekül Der Drehimpuls des H 2-Moleküls Einfache Variationstheorie des H^-Moleküls Die kovalente Bindung im H 2 -Molekül Die Valenzbindungsmethode Molekülorbitale für homonukleare zweiatomige Moleküle Das Korrelationsdiagramm Heteronukleare zweiatomige Moleküle Die Elektronegativität Die lonenbindung Mehratomige Moleküle: H 2 O

Inhalt

XVII

22.15 Berechnung von Molekülgeometrien 22.16 Delokalisierte Molekülorbitale: Benzol 22.17 Photoelektronenspektroskopie

579 581 583

23 Elektrische und magnetische Eigenschaften von Molekülen

587

23.1 23.2 23.3 23.4 23.5 23.6 23.7 23.8 23.9 23.10

587 588 590 593 594 597 599 603 604 605

Die Dielektrizitätszahl Die dielektrische Polarisation - Dipolmomente Die Polarisierbarkeit Das lokale Feld Die Orientierung von Dipolen in einem elektrischen Feld Die Frequenzabhängigkeit der Dielektrizitätszahl Dipolmoment und Molekülstruktur Magnetische Eigenschaften von Molekülen Diamagnetismus und temperaturunabhängiger Paramagnetismus Temperaturabhängiger Paramagnetismus

24 Magnetische Resonanz

607

24.1 24.2 24.3 24.4 24.5 24.6 24.7 24.8

Elektrische und magnetische Kerneigenschaften Kernspinresonanz NMR-Spektrometer Spin-Gitter-Relaxation Spin-Spin-Relaxation Die chemische Verschiebung Spin-Spin-Kopplung Dynamische NMR-Messungen - Bestimmung von Reaktionsgeschwindigkeiten 24.9 Fourier-Transform-NMR-Spektroskopie 24.10 Elektronenspinresonanz 24.11 Hyperfeinaufspaltung 24.12 Spektren von freien Radikalen

607 609 611 613 615 615 618

25 Symmetrie

631

25.1 25.2 25.3 25.4 25.5 25.6 25.7 25.8

631 633 634 636 638 639 642 643

Symmetrieoperationen Definition einer Gruppe Weitere Symmetrieoperationen Bezeichnung von Punktgruppen Punktgruppen und Moleküleigenschaften Transformation von Vektoren bei Symmetrieoperationen Matrixdarstellung der Punktgruppe C3v Irreduzible Darstellungen

622 623 626 628 629

XVIII

Inhalt

25.9 Charaktere von irreduziblen Darstellungen 25.10 Chemische Anwendungen der Gruppentheorie Kapitelanhang: Charaktertafeln einiger Punktgruppen

645 647 649

26 Rotations- und Schwingungsspektren: Mikrowellen-, Infrarot- und Raman-Spektren

653

26.1 26.2 26.3 26.4 26.5 26.6 26.7 26.8 26.9 26.10 26.11 26.12 26.13

Typen von Molekülspektren Emission und Absorption von Licht Reine Rotationsspektren - starre Rotatoren Mikrowellenspektroskopie Rotationsspektren mehratomiger Moleküle Inversion und innere Rotation Der harmonische Oszillator Der anharmonische Oszillator Rotationsschwingungsspektren zweiatomiger Moleküle Das Infrarotspektrum von Kohlenstoffdioxid Laser Raman-Spektren Berechnung von Molekülparametern aus spektroskopischen Daten 26.14 Normalschwingungen 26.15 Symmetrie und Normalschwingungen

653 656 658 660 661 662 664 666 668 671 672 673

27 Elektronenspektren und Photochemie

681

27.1 27.2 27.3 27.4 27.5 27.6 27.7 27.8 27.9 27.10 27.11 27.12

681 684 686 688 690 691 694 695 697 699 700 701

Lichtabsorption Elektronenübergänge und Bandenspektren Das Franck-Condon-Prinzip Angeregte Zustände von Sauerstoff Angeregte Zustände mehratomiger Moleküle Grundlagen der Photochemie Abbau der Anregungsenergie in Molekülen Fluoreszenz Dissoziation und Prädissoziation Photochemische Sekundärprozesse Blitzlichtphotolyse Energieübertragung in kondensierten Systemen

676 677 678

28 Kristallographie

703

28.1 Kristallflächen und Kristallebenen 28.2 Kristallsysteme

703 705

Inhalt

28.3 28.4 28.5 28.6 28.7 28.8 28.9 28.10 28.11 28.12 28.13 28.14

Gitter und Elementarzellen Symmetrieeigenschaften und Kristallklassen Kristallstrukturen Raumgruppen Röntgenkristallographie Die Braggsche Analyse der Röntgenbeugung Die Struktur von NaCl und KC1 Die Pulvermethode Drehkristallverfahren Der Strukturfaktor Fourier-Synthese einer Kristallstruktur Neutronenbeugung

XIX

706 709 710 711 712 713 715 721 723 723 727 730

29 Der feste Zustand

733

29.1 29.2 29.3 29.4 29.5 29.6 29.7 29.8 29.9 29.10 29.11 29.12 29.13

Bindungen in Festkörpern Dichteste Kugelpackungen Elektronengastheorie der Metalle Quantenstatistik Die Bindungsenergie in Metallen Eigenhalbleiter Fremdhalbleiter lonenkristalle Die Bindungsenergie in lonenkristallen Die Gitterenergie Punktdefekte Lineare Defekte - Versetzungen Durch Versetzungen bewirkte Effekte

733 737 739 740 742 744 746 747 748 751 752 754 756

30 Der flüssige Zustand und intermolekulare Kräfte

759

30.1 30.2 30.3 30.4 30.5 30.6 30.7 30.8 30.9 30.10 30.11

759 762 763 766 767 769 773 776 778 779 783

Unordnung im flüssigen Zustand Röntgenbeugung an Flüssigkeiten Flüssiges Wasser Kohäsionskräfte in Flüssigkeiten - der Binnendruck Intermolekulare Kräfte Der Ursprung der intermolekularen Kräfte Zustandsgieichung und intermolekulare Kräfte Theorie der Flüssigkeiten Viskosität von Flüssigkeiten Das Gesetz von Hagen und Poiseuille Viskosität von Polymerlösungen

XX

Inhalt

Tabellenanhang

785

Register

793

Symbole Symbole und SI-Einheiten für physikalische Größen N m4 mol"

a a 00 A A A

— ms 2 m m m2 (variiert)

A



A

J Hz

b

m3 mol"1 m -i

B B B

J m"1 Vsm" 2 [T] 1

b molkg^ B(T) m 3 mol" 1 c

ms" 1

c

mol m "3

c c

ms" 1

C C

CV" 1 m" 3

C

JK" 1 JK" 1

Cy

CP

J K -i

Van-der-WaalsKonstante Aktivität Beschleunigung Bohr-Radius Amplitude Fläche präexponentieller Faktor Extinktion (Absorbanz) Elektronenaffinität Kopplungskonstante Kovolumen Adsorptionskoeffizient Lichtabsorptionskoeffizient Rotationskonstante Rotationskonstante Magnetische Flußdichte Molalität zweiter Virialkoeffizient Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum Stoffmengenkonzentration Anzahl der Komponenten mittlere Geschwindigkeit Kapazität Anzahlkonzentration Wärmekapazität Wärmekapazität bei konstantem Volumen Wärmekapazität bei konstantem Druck

C(T) m 6 mol~ 2

dritter Virialkoeffizient

d

m

D

m 2 s'1

De

JmoP 1

Z)0

JmoP 1

Moleküldurchmesser Gitterebenenabstand Diffusionskoeffizient spektroskopische Dissoziationsenergie chemische Dissoziationsenergie Basis des natürlichen Logarithmus Elementarladung

e

C

E

Vm" 1

E

V

E Ek E

J J J

E

Jmol" 1 Jmol" 1

elektrische Feldstärke Elektromotorische Kraft (EMK) Energie kinetische Energie potentielle Energie Aktivierungsenergie Elektronenaffinität

F F F F(hkl)

J N CmoP 1 -

Anzahl der Freiheitsgrade Oberflächendruck Fugazität Oszillatorstärke freie Energie Kraft Faraday-Konstante Strukturfaktor

g g

ms " 2

Erdbeschleunigung g-Faktor des Elektrons g-Faktor des Kerns statistisches Gewicht eines Niveaus j freie Enthalpie

Js m J

Planck-Konstante Höhe Enthalpie

gj

G h h H

XXII

Symbole

I I I

I L

J J

molkg kg m 2

lonenstärke Trägheitsmoment KernspinQuantenzahl lonisierungsenergie Stromstärke Lichtstärke

A cd

RotationsQuantenzahl Stromdichte Spinkopplungskonstante

AnT 2 Hz

k7

m 3 mol 's"

k'r

s'1

K

/ /

m

L L

kg m22 s„-l

m m.

kg kg kg

m M M Mt n n N

Anzahl der Systeme in einer Gesamtheit

Hamilton-Operator

ft

kg mol Am" 1 mol

1

Boltzmann-Konstante Geschwindigkeitskonstante erster Ordnung Geschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung reduzierte Geschwindigkeitskonstante Gleichgewichtskonstante Michaelis-Konstante Säurekonstante Basenkonstante lonenprodukt des Wassers Länge Nebenquantenzahl Avogadro-Konstante Bahndrehimpuls Masse Ruhemasse des Elektrons Ruhemasse des Protons magnet. Quantenzahl Spinquantenzahl molare Masse Magnetisierung Kernspinquantenzahl Stoffmenge Hauptquantenzahl Anzahl (von Teilchen)

P

Nm~ 2 [Pa]

P

Pm

Cm- 2 m3

elektrisches Dipolmoment Anzahl der Phasen Impuls Wahrscheinlichkeit Druck kritischer Druck reduzierter Druck Polarisation molare Polarisation

Q

J C

Wärme elektrische Ladung

r r

m ~3~1 molm~ 3 s

Radius, Abstand Reaktionsgeschwindigkeit elektrischer Widerstand Universelle Gaskonstante Gleichgewichtsabstand Rydberg-Konstante steri scher Faktor Entropie Überlappungsintegral Zeit Überführungszahl Celsius-Temperatur thermodynamische Temperatur kritische Temperatur reduzierte Temperatur Spin-GitterRelaxationszeit Spin-SpinRelaxationszeit

Cm P P

P, &

kgms" 1

R R

m RH

S S t t t T

m -i J K -l

°C K K

ms u U U

J J

v

ms

v

"1

Geschwindigkeitskomponente Ionen beweglichkeit innere Energie potentielle Energie Geschwindigkeit Schwingungsquantenzahl

Symbole XXIII mj m3

w w

Volumen kritisches Volumen reduziertes Volumen

chemische Verschiebung

„1-1 m22 ™ mol

Arbeit Geschwindigkeitskomponente Massenanteil Anzahl der Mikrozustände

ms -i

W

W

Stoffmengenanteil Anharmonizitätskonstante

,-

Z Z

s'1 irr3 K -l

C m2 V ~l

Kompressibilitätsfaktor molekulare Zustandssumme Ladungszahl Stoßhäufigkeit (für ein Teilchen) Kernladungszahl (Ordnungszahl) Zustandssumme (einer kanonischen Gesamtheit) Stoßhäufigkeit (volumenbezogene)

T - llm ~,-l C22J~

n 1

0

y

-

y y

Nm' 1 S -I T -I

mol m

2

Oberflächenbedeckung (Absorption)

Nrn' 1

Kraftkonstante elektrische Leitfähigkeit Wärmeleitfähigkeit

m m

Wellenlänge mittlere freie Weglänge molare Leitfähigkeit Drehimpuls um eine Kernverbindungsachse

/2

kg JmoP 1

Jmor 1

Fugazitätskoeffizient Aktivitätskoeffizient Oberflächenspannung magnetogyrisches (gyromagnetisches) Verhältnis

Am 2 [JT-!]

Am 2 [JT- 1 ] Am 2 [JT- 1 ] m

V

J

Wirkungsgrad dynamische Viskosität Überspannung Beugungswinkel Bedeckungsgrad charakteristische Temperatur

0- 1 m 2 mor 1

Volumenausdehnungskoeffizient Dissoziationsgrad Durchtrittsfaktor Madelung-Konstante Polarisierbarkeit

Mm

-

kg s m

1

V

m 2 N l[Pa l~\ Kompressibilität kg m ~3 Massenkonzentration

y

1

Energie (eines Teilchens) Extinktionskoeffizient (molarer Absorptionskoeffizient) elektrische Feldkonstante Dielektrizitätszahl Fermi-Energie

'1

reduzierte Masse chemisches Potential elektrochemi sches Potential magnetisches Dipolmoment Permeabilität magnetische Feldkonstante Bohr-Magneton Kernmagneton Frequenz Wellenzahl stöchiometrische Zahl

XXIV Symbole

mol

Umsatzvariable 2

Nm~ [Pa]

osmotischer Druck

kgm~3

Dichte

Cm -2

Abschirmungskonstante Ladungsbedeckung Symmetriezahl Stoßquerschnitt

ft'AB

Quantenausbeute 2 2

magnetische Suszeptibilität elektrische Suszeptibilität zeitunabhängige Wellenfunktion zeitabhängige Wellenfunktion

Halbwertszeit Transmissionsgrad

rads

1

mol s""1

Winkel elektrisches Potential

«

-1

Winkelgeschwindigkeit Umsatzrate

Symbole für Zustände g

Gas

l s cd

Flüssigkeit Feststoff kondensierte Phase (Feststoff oder Flüssigkeit) Fluid (Gas oder Flüssigkeit) Flüssigkristall kristalliner Feststoff amorpher Feststoff glasartiger Stoff

fl Ic er am vit

ads mon pol sin aq sin, oo (aq, oo) • o

adsorbierter Stoff monomere Form polymere Form Lösung wäßrige Lösung unendlich verdünnte (wäßrige) Lösung reine Substanz Standardzustand aktivierter Komplex, Übergangszustand

dil r c f

Verdünnung einer Lösung allgemeine chemische Reaktion Verbrennungsreaktion Bildungsreaktion aus den Elementen Zerfall eines Stoffes in die Atome im Gaszustand

Symbole für Prozesse vap sub fus trs mix sol

Verdampfung einer Flüssigkeit Sublimation eines Feststoffes Schmelzen eines Feststoffes Umwandlung einer festen Phase in eine andere Mischung von Fluiden Löseprozeß

at

l Dimensionen und Definitionen Beim Studium der physikalischen Chemie werden wir viele verschiedene Größen und ihre Messung diskutieren. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einer physikalischen Größe, ihrer Dimension und der Einheit, in der sie gemessen wird, zu verstehen. Die Verständigung zwischen den Wissenschaftlern wird viel einfacher, wenn sie alle dieselben Definitionen, Symbole und Einheiten zur Beschreibung ihrer Versuchsergebnisse und Berechnungen verwenden. Deshalb wurde ein internationales System, das Internationale Einheitensystem (SI), entwickelt, das inzwischen allgemein verwendet wird. Im folgenden werden wir uns mit diesem System beschäftigen.

1.1 Physikalische Größen und Dimensionen Wenn in der Naturwissenschaft eine neue physikalische Größe eingeführt wird, muß sie zunächst einmal benannt und definiert werden. Die Definition muß durch eine Vorschrift erfolgen, in der die Messung der Größe exakt beschrieben wird. Manchmal hat eine physikalische Größe in der Entwicklung des menschlichen Geistes eine lange Tradition, so daß bei ihrer Definition ursprünglich physiologische und psychologische Faktoren eine Rolle spielten. So war sicherlich ursprünglich die Größe Kraft mit der körperlichen Erfahrung der Muskelanspannung, die Größe Temperatur mit dem Wärme- und Kälteempfinden der Haut verbunden. Solche Beziehungen sind zwar historisch interessant, für wissenschaftliche Zwecke werden jedoch für physikalische Größen exakte Definitionen benötigt. Bei der Messung einer physikalischen Größe bestimmt man das Zahlenverhältnis zwischen zwei Beispielen dieser Größe. Das eine ist die Größe, deren Wert bestimmt werden soll, das andere irgendein Größenstandard. So könnte die Länge eines Metallstabs durch Vergleich mit einer l m langen Meßlatte nach folgender Arbeitsvorschrift bestimmt werden: (1) Lege den Metallstab parallel zur Meßlatte. (2) Zähle die Anzahl der Markierungen auf der Meßlatte zwischen dem Anfang und dem Ende des Metallstabes ab. (3) Bilde das Verhältnis , Anzahl der Markierungen vom Stabanfang bis -ende Lange des Metallstabes = Gesamtzahl der Markierungen auf der Meßlatte Beachten Sie, daß das Verhältnis eine Kardinalzahl ist. Jede physikalische Messung beruht somit letztlich auf einem Zählvorgang. In dem beschriebenen Beispiel ist die Meßgenauigkeit eingeschränkt durch unsere Fähigkeit, die Markierungen auf der Meßlatte abzulesen und zwischen ihnen zu

2

l Dimensionen und Definitionen

interpolieren, die Meßlatte und den Metallstab exakt parallel auszurichten und schließlich durch die Genauigkeit unseres Standards, der Meßlatte. Eine hölzerne Meßlatte ist ein ziemlich grober Standard. Genauere Ergebnisse könnte man z. B. mit einer Schieblehre erhalten, die ihrerseits mit einem der in verschiedenen nationalen Eichämtern aufbewahrten Meterprototype aus Platin-Iridium-Legierung geeicht werden könnte. Diese nationalen Prototype waren ursprünglich bezogen auf das im Internationalen Maß- und Gewichtsbüro in Sevres bei Paris aufbewahrte Urmeter. Alle diese materiellen Standards sind jedoch von geringer Genauigkeit verglichen mit der Wellenlänge von Spektrallinien, die außerdem in jedem entsprechend ausgestatteten Labor auf der ganzen Welt exakt und unabhängig voneinander reproduziert werden können. Deshalb wurde das Meter als die Basiseinheit der Länge im Jahre 1960 neu definiert; nach dieser Definition war ein Meter das 1650763,73fache der Wellenlänge der sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung, die beim Übergang zwischen den Zuständen 2p10 und 5d5 eines Krypton-86-Atoms ausgesandt wird. Diese Definition wurde 1983 durch die heute gültige ersetzt: Das Meter ist die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von (1/299792458) Sekunden durchläuft. Ein anderes Beispiel für eine physikalische Größe ist die Masse m. Im allgemeinen bestimmen wir die Masse eines Objekts, indem wir es mit der Masse von StandardMassenstücken, wie Analysengewichten, vergleichen. Dieser Vergleich wird auf einer Waage durchgeführt, auf der nicht direkt Massen, sondern Kräfte verglichen werden, nämlich Gravitations- oder Gewichtskräfte; aus der Beziehung F = mg folgt aber, daß die Gewichtskräfte den Massen proportional sind. Der Proportionalitätsfaktor ist dabei die Erdbeschleunigung g. Die Massen von Analysengewichten wurden mit sekundären Standards kalibriert, die ihrerseits mit dem internationalen Kilogrammprototyp geeicht wurden, der in Sevres aufbewahrt wird. Wissenschaftler können an der Messung vieler verschiedener physikalischer Größen interessiert sein. Alle diese Größen können aus wenigen Basisgrößen abgeleitet werden, deren Auswahl bis zu einem gewissen Grad willkürlich erfolgen kann. Wir können aber einen grundlegenden Satz auswählen, in dem alle Größen unterschiedliTabelle 1.1 Die sieben Basiseinheiten des internationalen Einheitensystems Basiseinheit

Einheitenzeichen

Basisgröße

Größenzeichen

Meter Kilogramm Sekunde Ampere Kelvin Mol Candela

m kg s A K mol cd

Länge Masse Zeit Elektrische Stromstärke Thermodynamische Temperatur Stoffmenge Lichtstärke

l m t I T n /v

1.2 Die Definition weiterer SI-Basiseinheiten

3

ehe Dimensionen haben, also nicht durch algebraische Operationen voneinander abgeleitet werden können. Jede dieser voneinander unabhängigen Basisgrößen muß deshalb ihren eigenen primären Standard besitzen. Die Dimensionen aller anderen physikalischen Größen können dann durch Kombination der Basisgrößen erhalten werden. Die Basisgrößen des SI, ihre Symbole und SI-Einheiten sind in Tab. l .1 aufgeführt. Beachten Sie, daß Größensymbole prinzipiell kursiv gesetzt werden, Einheitensymbole dagegen steil (z. B. Meter m, Kilogramm kg) und daß nach den Symbolen keine Punkte stehen.

l .2 Die Definition weiterer SI-Basiseinheiten Die SI-Einheit der Zeit t ist die Sekunde (s). Sie war ursprünglich als 1/86400 des mittleren Sonnentages definiert. Seit die Genauigkeit spektroskopischer Messungen diejenige von astronomischen Beobachtungen übersteigt, ist die Sekunde jedoch als das 9192631 770fache der Periodendauer der Strahlung definiert, die beim Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes des Caesium133-Atoms ausgesendet wird. Die SI-Einheit der thermodynamischen Temperatur ist das Kelvin (K). Ein Kelvin ist der 273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes des Wassers, das ist die Temperatur, bei der flüssiges Wasser, Eis und Wasserdampf nebeneinander im Gleichgewicht vorliegen (s. Abb. 2.8). Die SI-Einheit der elektrischen Stromstärke /ist das Ampere (A). Ein Ampere ist die Stärke des konstanten Stromes, der durch zwei im Vakuum im Abstand von einem Meter parallel angeordnete, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbar kleinem Querschnitt fließt und zwischen diesen Leitern die Kraft 2 · 10 ~ 7 Newton pro Meter Leiterlänge erzeugt. Die SI-Einheit der Lichtstärke 7V ist die Candela (cd). Eine Candela ist die Lichtstärke, mit der 1/600000 Quadratmeter der Oberfläche eines schwarzen Strahlers bei der Temperatur des unter einem Druck von 101 325 Pascal erstarrenden Platins senkrecht zu seiner Oberfläche leuchtet.

4

l Dimensionen und Definitionen

1.3 Die Stoffmenge Die Basisgröße Stoffmenge würden wir nicht brauchen, wenn wir uns nur mit dem Studium der Physik befaßten. Erst wenn wir uns chemischen Veränderungen zuwenden, wird die Einführung dieser Basisgröße notwendig (oder wenigstens sehr wünschenswert). Ein wichtiger Teil der Forschung in der Geschichte der Chemie beschäftigte sich mit der quantitativen Bestimmung der Reaktionsprodukte bei chemischen Umsetzungen. Die Veränderungen bei chemischen Prozessen gehorchen den Gesetzen der Stöchiometrie, die auf den molekularen Strukturen der Reaktionspartner beruht. Die Generalkonferenz für Maße und Gewichte entschloß sich 1971, die für chemische Umsetzungen überaus nützliche Größe Stoffmenge n in den Satz der SI-Basiseinheiten aufzunehmen. Die SI-Einheit der Stoffmenge n ist das Mol (mol). Ein Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das sich aus ebenso vielen Elementarindividuen zusammensetzt, wie Atome in 0,012 Kilogramm des Nuklids Kohlenstoff-12 enthalten sind. Wird das Mol verwendet, so müssen die elementaren Individuen bezeichnet werden. Diese können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen sowie andere Teilchen oder Gruppierungen solcher Teilchen sein.

Beispiele l Mol HgCl entspricht einer Masse von 236,04 Gramm l Mol Hg2Cl2 entspricht einer Masse von 472,08 Gramm l Mol Hg entspricht einer Masse von 200,59 Gramm l Mol Hg2 + entspricht einer Masse von 401,18 Gramm l Mol l/2Ca 2+ entspricht einer Masse von 20,04 Gramm l Mol CuZn entspricht einer Masse von 128,92 Gramm l Mol Cu0 5Zn0 5 entspricht einer Masse von 64,46 Gramm l Mol Fe0 91S entspricht einer Masse von 82,88 Gramm l Mol e~ entspricht einer Masse von 5,4860 x 10 ~ 4 Gramm l Mol einer Mischung von 78,09%(»/«) N 2 , 20,95 %(/i//i) O 2 , 0,93 %(«/«) Ar und 0,03 %(«/«) CO2 entspricht einer Masse von 28,964 Gramm Beachten Sie besonders das letzte Beispiel. Es ist völlig korrekt, von einem Mol Luft oder von einem Mol eines Reaktionsgemisches wie 2Cu + 1/2O2 zu sprechen. Die Angabe %(n/n) bedeutet, daß es sich bei den Zahlenangaben um den Stoffmengenanteil und nicht etwa um den Volumenanteil oder Massenanteil in Prozent handelt (% (Vl V) bzw. % (mim)). Die Stoffmenge ist also ein Maß für die Anzahl der Elementareinheiten in einer Stoffportion. Wenn wir auf dem Markt Äpfel kaufen wollen, können wir eine bestimmte Masse oder eine bestimmte Anzahl verlangen. In gleicher Weise kann der Chemiker einer bestimmten Stoffportion eine Masse, eine Stoffmenge oder ein Volu-

l .4 Dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten

5

men zuordnen. Die Anzahl der Elementareinheiten in einem Mol ist eine experimentell bestimmte Konstante, die Avogadro-Konstante L oder 7VA. Sie hat den Wert L = 6,022-10 23 mor 1 . Bei der Definition der Einheit Mol wurde eine Konzession an die geschichtliche Entwicklung gemacht: Es ist auf der Grundlage von 12g und nicht von 12 kg Kohlenstoff-12 definiert. Deshalb sind die Zahlenwerte der relativen Atom- und Molekülmassen (früher: Atom- und Molekulargewichte) nicht gleich dem Zahlenwert der molaren Masse bei Verwendung der SI-Basiseinheit kgmol" 1 , sondern stattdessen gleich ihrem Zahlenwert bei Verwendung der Einheit gmol" 1 . Wenn wir mit den kohärenten SI-Einheiten rechnen wollen, müssen wir die molare Masse M in der SIEinheit kgmol" 1 verwenden. Auf den Etiketten von Chemikalienflaschen und in Tabellenwerken beziehen sich die Zahlenwerte in der Regel jedoch immer auf die Einheit gmol" 1 .

l .4 Dezimale Vielfache und Bruchteile von Einheiten Vielfache und Bruchteile von Einheiten werden durch Vorsätze bezeichnet:

Multiplikator

Vorsatz

1018 1015 1012 109 106 103 102 101

Exa Peta Tera Giga Mega Kilo Hekto Deka

Vorsatzzeichen

E P T G M k h da

Multiplikator '1 2

' 1(T3 1(T6 '9 1(T12 1(T15 1 0 -ie

Vorsatz

Vorsatzzeichen

Dezi Zenti Milli Mikro Nano Piko Fern to Atto

d c m n P f a

Die Vorsatzzeichen werden den Einheitensymbolen ohne Zwischenraum vorangestellt. Beispiele sind: Nanometer, nm; Mikrosekunde ; Gigasekunde, Gs. Eine gewisse Inkonsequenz bei den Volumeneinheiten besteht darin, daß das Kubikdezimeter auch als Liter (Symbol l oder L) bezeichnet wird, das Kubikzentimeter, cm3, entsprechend als Milliliter (ml oder mL). Obwohl diese Volumeneinheiten keine SI-Einheiten sind, werden sie sicherlich weiterhin angewendet werden, da sie im Handel fast ausschließlich benutzt werden, z. B. für den Verkauf von Getränken und Benzin.

6

l Dimensionen und Definitionen

Einheitenquotienten können entweder als Bruch oder als Potenzprodukt dargestellt werden, Meter durch Sekunde also entweder als m/s oder als ms" 1 . Dabei dürfen niemals zwei Bruchstriche in einem Ausdruck stehen, und die Schreibweise muß eindeutig sein; molcm" 2 s~ 1 könnte also auch als mol/(cm2 s) bzw. mol/(cm2 · s) geschrieben werden, nicht aber als mol/cm 2 /s oder als mol/cm2 s. Wenn Sie sich diese Regeln frühzeitig einprägen, werden sie Ihnen bald in Fleisch und Blut übergehen und Sie werden der Beherrschung der internationalen Sprache der Wissenschaft einen Schritt nähergekommen sein.

1.5 Der Druck Die mechanische Größe Kraft F kann durch die von Newton gefundene Beziehung

F = ma

(1.1)

definiert werden, in der die Beschleunigung bedeutet. Die Dimension der Kraft ist M LT" 2 , ihre SI-Einheit, kg m s"2, heißt Newton. Der Druck ist als der Quotient aus Kraft und Fläche definiert und hat somit die Dimension M LT~ 2 /L 2 = M L" 1 T~ 2 . Die SI-Einheit des Drucks ist demzufolge N m ~ 2 = kg m"1 s"~2. Die Einheit Newton durch Quadratmeter heißt Pascal (Pa). Die früher verwendete Druckeinheit Standardatmosphäre entspricht 101 325 Pa. Oft wird auch das Kilopascal (kPa) verwendet: l kPa = 9,87 · 10~ 3 atm. l atm ist also ungefähr gleich 100 kPa. Die Schwierigkeit bei der Umstellung auf Pascal besteht darin, daß viele thermodynamische Daten auf den Standardzustand eine Atmosphäre bezogen sind. Betrachten Sie z. B. das Gasgleichgewicht CO + ^O 2 = CO2. Die ältere Generation hat gelernt, die Gleichgewichtskonstante für diese Reaktion wie folgt zu formulieren:

Wie wir später sehen werden (s. Abschn. 8.12), sind die Drücke, die in dieser Gleichung auftreten, in Wirklichkeit die Verhältnisse der Gleichgewichtspartialdrücke der Gase in der Mischung zum Standarddruck P° = l atm. Deshalb hat KP in Gl. (1.2) nicht die Dimension P~ 1/2 , sondern die Dimension 1. In unserem Buch benutzen wir denselben Standarddruck1), schreiben aber dafür P° — 101,325 kPa. Für die Gleichgewichtskonstante ergibt sich damit J

) Die lUPAC-Empfehlung, P°= 10 5 Pa(l bar) als Standarddruck einzuführen, hat sich noch nicht allgemein durchgesetzt.

1.7 Physikalische Gleichungen

/wn1'2 Die Vereinfachung, die sich früher mit P° = l atm ergab, besteht also nicht mehr. Ihr Verlust ist jedoch kein zu hoher Preis für die vielen Vorteile des Sl-Systems und die korrekte Dimension der Gleichgewichtskonstante.

1.6 Dimensionsanalyse In einer richtigen physikalischen Größengleichung müssen die Dimensionen auf beiden Seiten gleich sein. Es ist empfehlenswert, dies bei jeder Anwendung oder Ableitung einer Gleichung zu überprüfen. Nehmen Sie z. B. die Gleichung ^ m v2 = f P V, in der v eine Geschwindigkeit und Fein Volumen bedeuten. Für die Dimension der beiden Seiten ergibt sich: M^T'1)2 = (ML~1J-2)L3 oder M L 2 T ~ 2 = M L 2 T ~ 2 . Folglich ist die Gleichung von der Dimension her richtig. Die Dimensionsanalyse sagt uns aber nicht, ob die Gleichung auch physikalisch sinnvoll ist oder ob auftretende Konstanten korrekt sind. In den Gleichungen der physikalischen Chemie kommen häufig Logarithmen und Exponenten vor. Die Argumente von logarithmischen Funktionen oder Exponentialfunktionen müssen prinzipiell die Dimension l haben (sie müssen „dimensionslos" sein), da sie nur in diesem Fall mathematisch definiert sind. Daher kann keine physikalische Größe, die als Logarithmus oder Exponent einer Basisgröße definiert ist, eine Dimension haben, die von l verschieden ist.

1.7 Physikalische Gleichungen Physikalische Gleichungen sind Größengleichungen, und die Größensymbole in einer solchen Gleichung legen in keiner Weise den Gebrauch einer bestimmten Einheit fest. Ihre Gültigkeit hängt also nicht davon ab, welche Einheit für eine Größe verwendet wird. Niemals dürfen im Zusammenhang mit einer Größengleichung bestimmte Einheiten vorgeschrieben werden. In der Gleichung P V = n R /"bedeutet P den Druck, V das Volumen, n die Stoffmenge, die Temperatur und R einen Proportionalitätsfaktor. Formulierungen wie „... in der P Pascal, V Kubikmeter, « M o l und T Kelvin bedeuten" sind falsch. Die Werte von P, V, n und Tkönnen vielmehr in jeder beliebigen Einheit in die Gleichung eingesetzt werden. Natürlich dürfen Sie dabei nicht den

8

l Dimensionen und Definitionen

Überblick über die verwendeten Einheiten verlieren. Oft ist es günstig, bei Berechnungen die Zahlenwerte und die Einheiten getrennt zu schreiben. Nach dem Vorwort finden Sie eine alphabetische Liste der in diesem Buch verwendeten Größen und die zugehörigen SI-Einheiten. Fast alle verwendeten Größensymbole stimmen mit den internationalen Normen überein.

1.8 Chemische Reaktionen Eine chemische Reaktion kann durch die allgemeine Gleichung aA + bE = cC + dO

beschrieben werden; noch allgemeiner ist die Formulierung V! A! + v 2 A 2 = v 3 A 3 + v 4 A 4

(1.4)

Die Großbuchstaben A, B, C und D bzw. A7- stehen dabei für die Ausgangsstoffe (Edukte) und Produkte der Reaktion. Die kleinen Kursivbuchstaben a, b, c und d bzw. Vj sind die stöchiometrischen Zahlen. Sie haben die Dimension 1. Durch Umstellen von Gl. (1.4) folgt 0 = v 3 A 3 + v 4 A 4 - v t A! - v 2 A 2 = £y,A,

(1.5)

Wird eine Reaktionsgleichung in dieser Form geschrieben, gilt die Regel, daß die stöchiometrischen Zahlen der Produkte positiv, die der Edukte negativ sind. Oft ist es notwendig anzugeben, wie weit eine chemische Reaktion fortgeschritten ist. Dies geschieht durch die Umsatzvariable . Zu ihrer Ableitung betrachten wir einen einzelnen Reaktionsteilnehmer A, in Gl. (1.5). Die Stoffmenge zu Beginn der Reaktion sei nj0. Dann ist die Stoffmenge «, in Abhängigkeit vom Reaktionsfortschritt, ausgedrückt durch die Umsatzvariable : «,· = njQ + Vj . Demnach ist

v

j

Da Vj die Dimension l hat, hat die Umsatzvariable einer Stoffmenge (SI-Einheit: mol).

ebenso wie n die Dimension

Beispiel 1.1 Wie groß ist die Umsatzvariable der Reaktion CH4 + 4C12 = CC14 -I- 4HC1, wenn 0,25 Mol C12 umgesetzt wurden? n. -njo

= - 0,25 mol, Vj = - 4; mit Gl. (1.6) folgt

= - 0,25 mol/ -4 = 0,0625 mol.

1.9 Systeme

9

Der Wert der Umsatzvariablen hängt nicht davon ab, welcher Reaktionsteilnehmer zur Berechnung verwendet wird. Wenn wir z. B. in der obigen Reaktion aus der Bildung von CC14 berechnen, erhalten wir «,· — «jO = 0,0625 mol, Vj — l und also ebenfalls = 0,0625 mol/1 = 0,0625 mol.

1.9 Systeme Ein System ist definiert als ein Teil des Universums, der von dessen Rest durch bestimmte Grenzen abgetrennt ist. Diese Grenzen müssen keine physikalische Realität haben, sondern es kann sich dabei um gedachte Begrenzungsflächen handeln. Die Welt außerhalb der Grenzen wird als Umgebung bezeichnet. Betrachten wir z. B. ein Gas in einem durch einen Kolben verschlossenen Zylinder. Wenn wir lediglich das Gas als das System definieren, gehören der Zylinder und der Kolben zur Umgebung. Die Grenze dieses Systems wäre die Grenzfläche zwischen der Behälterwand und dem Gas. Wir könnten aber auch genausogut ein anderes System definieren, welches neben dem Gas auch den Zylinder und den Kolben einschließt. Die Umgebung wäre dann das Universum mit Ausnahme des Gases, des Zylinders und des Kolbens. Ein isoliertes oder abgeschlossenes System steht definitionsgemäß in keinerlei Verbindung zu seiner Umgebung. Seine Grenzen sind sowohl für Materie als auch für Energie vollkommen undurchlässig - Veränderungen in der Umwelt können es deshalb nicht beeinflussen. Völlig abgeschlossenen Systeme gibt es in der Realität nicht, doch als Grenzfall realer Systeme sind sie bei thermodynamischen Betrachtungen von großer Bedeutung. Bei einem geschlossenen System ist kein Stoffaustausch durch die Grenzen möglich, seine Masse ist deshalb konstant. Dennoch kann ein geschlossenes System in vielfältiger Weise mit der Umwelt kommunizieren, sei es durch Expansion oder Kompression oder durch den Austausch von Energie - es ist also keineswegs isoliert. Die Grenzen eines offenen Systems sind sowohl für Materie als auch für Energie durchlässig. Ein chemischer Reaktor, in den auf der einen Seite die Edukte ein- und auf der anderen Seite die Produkte austreten, ist dafür ein Beispiel. Die Eigenschaften eines Systems können experimentell ermittelt werden. Dabei werden die Zahlenwerte physikalischer Größen wie Druck, Dichte, Temperatur oder Brechzahl gemessen.

10

l Dimensionen und Definitionen

1.10 Gleichgewichtszustände Die Messung und mathematische Behandlung der physikalischen Eigenschaften eines Systems werden vereinfacht, wenn die Zeit als Variable ausgeschlossen werden kann. In der physikalischen Chemie unterscheiden wir zwischen zeitabhängigen und zeitunabhängigen Problemen. Chemische Reaktionen, Diffusionsvorgänge, die Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen, die Strömung von Flüssigkeiten und Gasen - bei allen diesen Prozessen spielt die Zeitabhängigkeit physikalischer Größen eine wichtige Rolle. Bei vielen anderen Problemstellungen ist dies jedoch nicht der Fall. Wenn ein System abgeschlossen ist und seine Eigenschaften nicht von der Zeit abhängen, sagen wir, es befinde sich im Gleichgewichtszustand. Die Abgeschlossenheit ist hierbei eine notwendige Bedingung. Zwar können auch geschlossene oder offene Systeme in Zuständen existieren, in denen ihre Eigenschaften zeitlich konstant sind, doch bezeichnen wir diese nicht als Gleichgewichtszustände, sondern als stationäre Zustände. Hält man z. B. das eine Ende eines thermisch isolierten Metallstabes auf einer konstanten Temperatur 7\ und das andere Ende auf der niedrigeren Temperatur T2, stellt sich in dem Stab ein stationärer Zustand ein, bei dem die Wärme gleichmäßig von einem Ende zum anderen fließt. Jeder Punkt des Stabes hat dabei eine konstante Temperatur, die zwischen , und T2 liegt. Ein anderes Beispiel wäre eine chemische Reaktion in einem Rohrreaktor, dem ein konstanter Strom der Edukte zugeführt wird und den ein konstanter Strom der Produkte verläßt. In einem solchen System ist die Zusammensetzung des Reaktionsgemisches zeitlich konstant, so lange die Temperatur gleich bleibt. Veränderungen in einem System, das nicht im Gleichgewicht ist, können unendlich langsam erfolgen. Deshalb ist es unmöglich, allein durch Beobachtung über einen längeren Zeitraum hinweg zu entscheiden, ob sich ein System im Gleichgewicht befindet oder nicht. Eine Mischung aus Methan und Sauerstoff kann z. B. bei 25 °C jahrelang in einem Glaskolben aufbewahrt werden, ohne daß sie sich erkennbar verändert; in Gegenwart eines Katalysators kommt es dagegen unverzüglich zur heftigen Reaktion CH4 + 2O 2 = CO2 + 2 H2O. In solchen Fällen sagt man, daß sich die Systeme in einem metastabilen Gleichgewicht befinden. Um den Begriff Gleichgewichtszustand genau zu definieren, müssen wir die Theorie der chemischen Thermodynamik benutzen, die wir in Kap. 8 behandeln werden.

1.11 Zustandsfunktionen Ein wichtiger Erfolg der physikalischen Chemie war es, daß sie zeigen konnte, was genau den Gleichgewichtszustand ausmacht und welche Beziehungen zwischen bestimmten Eigenschaften eines Systems im Gleichgewicht gelten. Die Eigenschaften

1.11 Zustandsfunktionen

11

von Systemen im Gleichgewicht sind Zustandsfunktionen, d. h. sie hängen in keiner Weise von der Vorgeschichte des Systems ab. Zwei Proben reinen Methanols mit gleicher Masse, gleicher Temperatur und gleichem Druck haben auch das gleiche Volumen, die gleiche Dichte, die gleiche thermische und elektrische Leitfähigkeit usw. Die Tatsache, daß die eine Probe vielleicht 1980 in Frankreich und die andere 1985 in Kanada hergestellt wurde, spielt dabei für die genannten Eigenschaften überhaupt keine Rolle - diese hängen nur und ausschließlich von dem gegenwärtigen Zustand des Methanols ab. Nicht alle Eigenschaften von Stoffen sind jedoch Zustandsfunktionen. Die Magnetisierung eines Eisenklotzes z. B., der zuvor neben einem Permanentmagneten gelagert wurde, wird sich von der eines anderen Eisenklotzes, der zuvor bei 1000 K ausgeglüht wurde, stark unterscheiden. Diese beiden Systeme haben also Eigenschaften, die sehr wohl von ihrer Vorgeschichte abhängig sind, und zwar auch dann, wenn Masse, Druck und Temperatur gleich sind. Eigenschaften, die nicht von der Masse bzw. der Stoffmenge eines Systems abhängen, heißen intensive Größen. Beispiele dafür sind der Druck und die Temperatur. Wird ein im Gleichgewicht befindliches System geteilt, behalten alle Teile den gleichen Druck und die gleiche Temperatur wie vorher. Im Gegensatz dazu nennt man Größen, die von der Masse eines Systems abhängen, extensive Größen. Zu ihnen gehören die Masse selbst, die Stoffmenge und das Volumen. Zur vollständigen Beschreibung eines Systems ist mindestens die Angabe einer extensiven und einer intensiven Größe notwendig. Ein System, das aus reinem flüssigen Methanol besteht und in dem Gleichgewicht herrscht, wird z. B. durch die Angabe der Masse und der Temperatur vollständig beschrieben. Anstelle der Masse könnte man auch die Stoffmenge oder das Volumen und anstelle der Temperatur den Druck angeben. Diese wenigen Variablen genügen aber nur, so lange wir bestimmte Einflüsse wie magnetische und elektrische Felder ausschließen oder als konstant betrachten.

2 Aggregatzustände In diesem Kapitel werden die verschiedenen Aggregatzustände der Materie - der gasförmige, der flüssige und der feste Zustand - eingeführt. Reine Stoffe können normalerweise einem dieser drei Zustände eindeutig zugeordnet werden, doch lassen sich mit ihnen keineswegs sämtliche Gegenstände klassifizieren. Gehört ein Grashalm z. B. zu den Feststoffen? Ist eine Fensterscheibe eine Flüssigkeit? Ein Stern ein dichtes Gas? Was ist ein Gummiband? Wenigstens am Anfang ignoriert der Physikochemiker solche irritierenden Fragen und wendet sich Stoffen wie Stickstoff, Wasser oder Diamant zu, die eindeutig einem der drei Aggregatzustände angehören. Bevor wir die Eigenschaften der Aggregatzustände besprechen können, müssen wir einige Regeln und Definitionen kennenlernen. Eines der Ziele dieses Kapitels ist die Schaffung von Grundlagen für die naturwissenschaftliche Behandlung chemischer Systeme, wie wir sie im Laboratorium, in unserer Umgebung oder in unserem eigenen Körper antreffen. Einen breiten Raum wird dabei die Besprechung der Gase einnehmen. Wir behandeln sowohl die experimentell aus ihren Eigenschaften ableitbaren Beziehungen als auch die Theorien, die, auf einfachen molekularen Modellen aufbauend, viele der experimentell gefundenen Tatsachen erklären können. In erster Näherung sind die Moleküle eines Gases so weit voneinander entfernt, daß seine Eigenschaften einfach die Summe der Eigenschaften der einzelnen Moleküle sind. In realistischeren Modellen werden Kräfte zwischen den Molekülen mit einbezogen. Die Informationen über die Stärke dieser intermolekularen Kräfte erhalten wir aus Experimenten. Der Grund dafür, daß wir zuerst den gasförmigen Zustand behandeln, liegt darin, daß eines der Hauptthemen dieses Buches die Theorie des chemischen Gleichgewichts und der Eigenschaften von Systemen im Gleichgewicht ist. Dieses Gebiet ist eine Domäne der chemischen Thermodynamik, einer Wissenschaft, die sich auf sehr vielfältige Vorgänge und Erscheinungen anwenden läßt. Um ihre Prinzipien zu erläutern, ist es aber nützlich, zuerst solche Prozesse zu besprechen, die sich durch einfache mathematische Gleichungen beschreiben lassen. Die idealen Gase (bei denen die intermolekularen Kräfte vernachlässigt werden) liefern uns viele Beispiele für solche Prozesse. Das Modell des idealen Gases gestattet uns Vorhersagen über das Verhalten von Gasen, die mit ihrem tatsächlichen Verhalten bei den Temperaturen und Drükken auf der Erdoberfläche sehr gut übereinstimmen. Die Abweichungen von den experimentellen Werten betragen dabei nur wenige Prozent.

14

2 Aggregatzustände

2.1 Zustandsgieichungen Die vier grundlegenden physikalischen Größen, die wir zur Beschreibung des Gleichgewichtszustandes eines Systems verwenden werden, das nur aus einem einzigen Stoff besteht, sind «, F, P und T. Da zwischen diesen Größen eine Beziehung der Form F(n,V,P,T) = Q

(2.1)

existiert, genügt zur Zustandsbeschreibung die Angabe des Wertes von nur drei Variablen. F kann in manchen Fällen als explizite mathematische Funktion formuliert werden. In anderen Fällen können die Werte der Variablen für verschiedene Zustände tabelliert werden, ohne daß die Funktion F explizit geschrieben wird. Gl. (2.1) besagt, daß, wenn wir in einem System, das eine bestimmte Stoffmenge n eines reinen Stoffes enthält, zwei der drei Variablen V, P, T kennen, der Wert der dritten Variablen eindeutig festgelegt ist. Gleichungen wie (2.1), die Beziehungen zwischen Zustandsvariablen herstellen, heißen Zustandsgieichungen. Man kann sie zum einen erhalten, indem man die Konstanten empirischer Gleichungen an experimentelle Werte von n, P, V, anpaßt. Zum ändern kann man aus Modellvorstellungen von Gasen, Flüssigkeiten oder Feststoffen theoretische Zustandsgieichungen ableiten, wobei die Grundlagen hierfür für Gase viel besser entwickelt sind als für Flüssigkeiten oder Feststoffe.

2.2 Die ideale Gasgleichung Ein ideales Gas ist ein Gas, das der folgenden Zustandsgieichung gehorcht: PV=nRT

(2.2)

R = 8,314 J K"1 mol"1 ist die universelle Gaskonstante. Dieser Wert muß verwendet werden, wenn in Gl. (2.2) der Druck in Pascal und das Volumen in Kubikmeter eingesetzt wird. Das Produkt P V hat die Dimension einer Energie (Druck ist gleich Kraft durch Fläche; Multiplikation mit dem Volumen ergibt Kraft mal Länge gleich Energie. Es gilt also U = lNm = lPam 3 ). Beispiel 2.1 Welchen Druck übt l mol eines idealen Gases bei 273,15 K in einem Volumen von I m 3 aus? _ (lmol)(8,314JK- 1 mol" 1 )(273,15K) ? = 2271 I

= 2271 Pa

j

=

=

z

= Pa

2.2 Die ideale Gasgleichung

ία)

Temperatur

(b)

(0

Abbildung 2.1 (a) P, V, Γ-Oberfl che eines idealen Gases. Die durchgezogenen Linien sind Isothermen, die lang gestrichelten Linien Isobaren und die kurz gestrichelten Linien Isochoren, (b) Projektion der P, V, Γ-Oberfl che auf die P, F-Ebene, die die Isothermen zeigt, (c) Projektion der P, V, Γ-Oberfl che auf die P, Γ-Ebene, die die Isochoren zeigt.

15

16

2 Aggregatzustände

Die ideale Gasgleichung (2.2) schließt zwei wichtige, experimentell gefundene Gasgesetze ein, die auch von realen Gasen bei niedrigen Drücken ziemlich gut befolgt werden. Robert Boyle stellte 1660 fest, daß das Volumen einer bestimmten Gasmenge bei konstanter Temperatur dem Druck umgekehrt proportional ist, und zwischen 1802 und 1808 konnte Joseph Gay-Lussac zeigen, daß das Volumen eines Gases bei konstantem Druck der Temperatur direkt proportional ist. Ein ideales Gas ist definiert als ein Gas, das diesen beiden Gesetzen gehorcht. Bei konstanter Temperatur gilt das Gesetz von Boyle:

P V = const,

und bei konstantem Druck das Gesetz von Gay-Lussac:

/ = const.

Dieses Verhalten eines idealen Gases ist in Abb. 2.1 graphisch dargestellt. Die Kurven, die die Änderung von P mit V bei konstantem zeigen, heißen Isothermen des Systems. Die Kurven, die die Änderung von Fmit bei konstantem P wiedergeben, sind die Isobaren.

2.3 Gase bei niedrigem Druck Mit sinkendem Druck nähert sich das P VT- Verhalten realer Gase dem durch die ideale Gasgleichung geforderten immer mehr an. Bei genügend kleinem Druck gehorchen alle Gase der idealen Gasgleichung. Die Dichte ist als der Quotient aus Masse und Volumen definiert:

m

nM

M ist die molare Masse (Masse durch Stoffmenge). Mit Gl. (2.2) erhalten wir für ein ideales Gas

Beispiel 2.2 Welche Dichte hat N2 bei 200 K und 100 kPa, wenn ideales Verhalten vorausgesetzt wird? Q

= mjV= PMJRT _ (100 · IQ 3 Pa)(28,0 · IQ" 3 kg mol'1) _ _3 1 ö K m (8,314 J K-'mor 0(200 K) - ' » S

2.3 Gase bei niedrigem Druck

17

Wenn wir für ein reales Gas gegen P auftragen, ergibt sich bei genügend kleinen Drücken entsprechend Gl. (2.4) eine Gerade mit der Steigung MjRT. Sind M und T bekannt, läßt sich auf diesem Weg die Gaskonstante R experimentell bestimmen. R hat für alle idealen Gase den gleichen Wert. Kennen wir also einmal R, können wir mit Gl. (2.4) aus der Dichte eines Gases seine molare Masse M berechnen.

Beispiel 2.3 Die auf den Druck P = 0 extrapolierte Steigung der Funktion (P) beträgt für Luft bei 0°C 1,274 · 10 5 kg m" 3 Pa"1. Wie groß ist die molare Masse von Luft? Aus Gl. (2.4) folgt: M= RTQJP = (8,314 m 3 Pa K" 1 mol"1)(273,15 K)(l,274 · l (T5 k g m ~ 3 Pa" 1 ) = 28,93-10~ 3 kg

Die Standardwerte des Drucks und der Temperatur (Normzustand, engl.: STP, Standard Temperature and Pressure) sind T° = 273, 1 5 K (0°C) und P° = 103,32 kPa (l atm). Das Volumen von l mol eines idealen Gases in diesem Normzustand ist nach Gl. (2.2): nRT°

l -8,3143-273,15

ioi.32.io·

, , , 022415 m mo

- °'

Wenn wir dieses molare Normvolumen des idealen Gases mit den molaren Volumina von realen Gasen in Tab. 2.1 vergleichen, stellen wir schon beim Normzustand Abweichungen fest.

Tabelle 2.1 Molare Volumina von Gasen in m im Normzustand (273,15 K und 101,32 kPa) Ethin Ammoniak Argon Kohlenstoffdioxid Chlor Ethan

0,022085 0,022094 0,022390 0,022263 0,022063 0,022172

Ethen Helium Wasserstoff Methan Stickstoff Sauerstoff

0,022246 0,022396 0,022432 0,022377 0,022403 0,022392

18

2 Aggregatzustände

2.4 Gasmischungen Die Zusammensetzung einer Mischung kann z. B. durch die Angabe der Stoffmengen HJ der in ihr enthaltenen Stoffe spezifiziert werden. Die gesamte Stoffmenge aller Bestandteile der Mischung ist

n = «! +n2 + ... =X>; j

Eine geeignete Größe zur Beschreibung der Zusammensetzung ist der Stoffmengenanteil X (früher als Molenbruch bezeichnet) jedes Bestandteils:

Eine andere Möglichkeit ist die Angabe der Konzentration c: C

J =7

(2-6)

Mit Konzentration ist immer die durch Gl. (2.6) definierte Stoffmengenkonzentration gemeint, nicht die Massen- oder Volumenkonzentration. Die SI-Einheit der Konzentration ist Mol durch Kubikmeter (mol m~ 3 ); verbreiteter ist aber die Angabe Mol durch Kubikdezimeter (mol dm~ 3 ) oder Mol durch Liter (mol/L). Das Liter ist definiert als 10 ~ 3 m 3 oder 1dm 3 . Eine Lösung beispielsweise der Konzentration 1,63 mol/L wird häufig als 1,63 molar (1,63 M) bezeichnet. In einer Gasmischung können wir für jedes Gas den Partialdruck Pj angeben. Der Partialdruck eines bestimmten Gases in einer Gasmischung ist gleich dem Druck, den dieses Gas ausüben würde, wenn es das ganze Volumen des Systems allein einnähme. Kennen wir die Konzentration des Gases, können wir seinen Partialdruck aus PVTWerten oder aus der Zustandsgieichung berechnen. Als ideale Gasmischung definieren wir eine Gasmischung, in der der Gesamtdruck gleich der Summe der Partialdrücke ist: (2-7)

Viele Gasmischungen gehorchen dieser Gleichung genausogut wie viele reale Gase der idealen Gasgleichung. Wenn für eine Gasmischung Gl. (2.7) und für den Partialdruck jeder Komponente Gl. (2.2) gilt, also eine ideale Gasmischung vorliegt, ist Pj = (RT/V)nj, und aus Gl. (2.5) und (2.2) folgt Pj = XjP

(2-8)

Der Partialdruck eines Gases in einer idealen Gasmischung ist danach gleich dem Produkt aus dem Gesamtdruck und dem Stoffmengenanteil. Gl. (2.7) und Gl. (2.8) sind zwei Formen des Partialdruckgesetzes von Dalton.

2.5 Das molekulare Modell des idealen Gases

19

2.5 Das molekulare Modell des idealen Gases Bei nicht zu hohen Drücken können wir uns ein Gas als einen im wesentlichen leeren Raum vorstellen, in dem Moleküle sehr schnell herumfliegen und dabei häufig miteinander und mit den Behälterwänden zusammenstoßen. Ein als starre Kugel betrachtetes H 2 -Molekül hat z. B. ein Volumen von ungefähr 0,11 nm 3 . Ein Mol dieser Kugeln hätte demnach das Volumen (6,02 · 1023 mol^HU · 10"28 m3) = 6,6 · 10"5 m3. Im Normzustand würde also nur der (6,6 · 10"5/22,4 · 10"3)te Teil oder 0,3% des gesamten Volumens von den Wasserstoffmolekülen beansprucht. Der Druck, den ein Gas ausübt, entsteht durch die Zusammenstöße der Moleküle mit den Behälterwänden. Druck ist gleich Kraft durch Fläche, und nach den Regeln der Newtonschen Mechanik ist die Kraft, die auf einen Körper wirkt, gleich der Änderung seines Impulses mit der Zeit. Betrachten wir hierzu in Abb. 2.2 ein Molekül, das sich in positiver x-Richtung mit der Geschwindigkeit u einer Wand nähert. Hat das Molekül die Masse m, beträgt sein Impuls mu und seine kinetische Energie \mu2. Die Zusammenstöße mit der Wand sind vollelastisch; das bedeutet, daß beim Stoß keine Energie auf die Wand übertragen wird. Nach dem Stoß ist der Betrag der Geschwindigkeit also unverändert, aber das Vorzeichen hat gewechselt: die Geschwindigkeit des Moleküls ist jetzt — u, sein Impuls — mu und seine kinetische Energie nach wie vor^mu2. Die Impulsänderung beim Stoß beträgt —2mu. Auf die Wand wurde der Impuls 2mu übertragen. Um den Druck berechnen zu können, müssen wir den Impuls je Flächeneinheit, der je Zeiteinheit durch die Gesamtheit aller Stöße übertragen wird, ermitteln. Da das Gas in dem Behälter insgesamt ortsfest ist, müssen sich die Gasmoleküle statistisch in alle Richtungen bewegen. Nehmen wir einmal an, die Hälfte aller Moleküle habe dieselbe Geschwindigkeit u senkrecht zu einer Wand mit der Fläche A; dann stoßen je Zeiteinheit die Hälfte aller Moleküle im Volumen Au mit dieser Wand zusammen. (Die andere Hälfte bewegt sich von der Wand weg.) Befinden sich N Moleküle in einem Gasvolumen V, beträgt die Anzahl der Zusammenstöße mit der Wandfläche A je Zeiteinheit (N/V) Au/2. Bei jedem Zusammenstoß wird der Impuls 2mu übertra-

Wand (Fläche A)

·+£> Abbildung 2.2 Zusammenstoß von Gasmolekülen, die in ^-Richtung fliegen, mit einer Wand der Fläche A, die senkrecht auf der Ä^Achse steht. Der Druck des Gases ist gleich dem in der Zeiteinheit auf die Wand übertragenen Impuls (der Kraft), geteilt durch die Fläche der Wand.

·*£>

-udt-

20

2 Aggregatzustände

gen. Die gesamte Impulsübertragung je Zeiteinheit auf die Fläche A ist also (N l V}(Au)(mu); dieser Ausdruck ist gleich der auf die Fläche A wirkenden Kraft F. Für den Druck P = F/A folgt P = Nmu2IV. In Wirklichkeit haben natürlich nicht alle Moleküle dieselbe Geschwindigkeit u. Deshalb müssen wir den Mittelwert von u2 benutzen und erhalten damit

P=

Nmu7

(2.9)

Dabei ist u2 das mittlere Geschwindigkeitsquadrat, also der Mittelwert der Quadrate der Einzelwerte von u. In einem realen Gas bewegen sich die Moleküle in allen Richtungen und nicht nur senkrecht zu einer bestimmten Wandfläche, wie wir bei unserer Berechnung angenommen haben. In Abb. 2.3 ist dargestellt, wie sich die Geschwindigkeit eines Moleküls in die drei Komponenten u, v und w in x-, y- bzw. z-Richtung aufspalten läßt. Der Betrag und die Richtung der Molekülgeschwindigkeit wird dabei durch einen Vektor vom Ursprung zum Punkt (u, v, w) repräsentiert. Das Quadrat des Betrags der Geschwindigkeit ist c2 = u2 + v2 + w2 (Leiten Sie diese Beziehung ab).

Abbildung 2.3 Geschwindigkeitskomponenten u, v, w in Richtung der Achsen des kartesischen Koordinatensystems.

Y

Befindet sich ein Gas im Gleichgewichtszustand, ist keine bestimmte Bewegungsrichtung bevorzugt; es gilt also u2 — v2 — w2 sowie u2 —\c2. Damit folgt aus Gl. (2.9):

P=

Nmc2 3V

(2.10)

Mit der kinetischen Energie Ek = N(^mc2) der Gasmoleküle erhalten wir daraus: :f£k

(2.11)

2.6 Die Geschwindigkeit von Molekülen

21

Das Produkt P V ist also ein Maß für die kinetische Energie der Gasmoleküle. Beispiel 2.4 Wie groß ist die kinetische Energie der Moleküle in l mol eines idealen Gases im Normzustand? Für n = l ist im Normzustand K= 0,22415 m3; P° = 101,32 kPa. Nach Gl. (2.11) beträgt die kinetische Energie = (f) (l 01,32 · l O3 Pa) (0,022415 m3) = 3406 Pa m = 3406 J Mit dem molekularen Modell des idealen Gases erhielten wir die Beziehung £k = \PV. Experimentell gefunden wurde die Gleichung P V'= nRT. Wenn wir davon ausgehen, daß unser kinetisches Modell des idealen Gases dessen Verhalten im Experiment exakt vorhersagt, gilt also: Ei=\Nmci = lnRT

(2.12)

Demnach ist die Temperatur ein Maß für die mittlere kinetische Energie der Gasmoleküle, und über die Beziehung zwischen T und Ek liefert uns das verwendete Modell die Zustandsgieichung des idealen Gases.

2.6 Die Geschwindigkeit von Molekülen Gleichung (2.12) ermöglicht uns eine Aussage über die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle in einem Gas. Mit M = Nm/n folgt -2_3nRT_lRT C ~ Nm ~ M

(

Für die Wurzel des mittleren Geschwindigkeitsquadrats (root mean square, rms) ergibt sich s

=

1/2 JA7 /3/?7 \

M

(2

^

Die mittlere Geschwindigkeit c der Moleküle läßt sich mit Hilfe der kinetischen Theorie (s. Abschn. 5.11) berechnen:

22

2 Aggregatzustände

Tabelle 2.2 Mittlere Geschwindigkeiten von Gasmolekülen bei 273,15 K Gas

Ammoniak Argon Benzol Kohlenstoffdioxid Kohlenstoffmonooxid Chlor Deuterium

c/m s

1

582,7 380,8 272,2 362,5 454,5 285,6 1196,0

Gas

Helium Wasserstoff Quecksilber Methan Stickstoff Sauerstoff Wasser

c/m s

1

1204,0 1692,0 170,0 600,6 454,2 425,1 566,5

Sie unterscheidet sich nur wenig von crms. In Tab. 2.2 sind die mittleren Geschwindigkeiten einiger Gasmoleküle bei 273,15 K angegeben. Bei dieser Temperatur ist die mittlere Geschwindigkeit eines Methanmoleküls ungefähr genauso groß wie die Höchstgeschwindigkeit der Concorde.

2.7 Die Kondensation von Gasen - der kritische Punkt 1877 gelang Louis Cailletet die Verflüssigung von Sauerstoff und Stickstoff durch schnelle Expansion der kalten komprimierten Gase. Für jedes Gas gibt es eine kritische Temperatur 7^, oberhalb welcher es nicht mehr durch Kompression verflüssigt werden kann. Der Druck, der für die Verflüssigung bei Tk gerade ausreicht,, ist der kritische Druck Pk. Das Volumen bei Pk und Tk heißt kritisches Volumen V^. Der Zustand des Gases bei Pk, Vk und 7^ wird als kritischer Punkt des Gases bezeichnet; die Werte von Tk, Pk und V^ sind seine kritischen Konstanten. Die kritischen Konstanten einiger Gase sind in Tab. 2.3 angegeben. Das Verhalten von Gasen in der Nähe des kritischen Punktes wurde zuerst 1869 von Thomas Andrews am Beispiel des Kohlenstoffdioxids untersucht. Abb. 2.4 zeigt die Ergebnisse neuerer Untersuchungen der P, K-Isothermen von CO2 in der Umgebung der kritischen Temperatur von 304,163 K (31,013°C). Wir betrachten in dieser Abbildung die Isotherme bei 303,559 K (30,409 °C), die dicht unterhalb 7^ liegt. Wenn das Gas komprimiert wird, ergibt sich zuerst die P, VKurve AB, die ungefähr den durch das Gesetz von Boyle geforderten Verlauf hat. Am Punkt B hat die Kurve einen Knick. Hier setzt die Kondensation des Gases ein, und Gas und Flüssigkeit liegen nun nebeneinander im Gleichgewicht vor. Der Druck P = 7268 kPa ist der Druck des gasförmigen CO2, das bei 303,559 K mit flüssigem CO2 im Gleichgewicht steht. Diesen Gleichgewichtsdruck bezeichnet man als den Dampfdruck des CO2 bei 303,559 K. Bei weiterer Kompression nimmt das Volumen bei

2.8 Reale Gase - Virialgleichungen

23

Tabelle 2.3 Kritische Daten und Van-der-Waals-Konstanten (s. Abschn. 2.10) Formel

r k /K

PJMPa

K/cm 3 m

He H2 N2 CO 02 C2H4 CO2 NH 3 H2O Hg

5,3 3,33 126,1 134,0 154,3 282,9 304,2 405,6 647,2 1735,0

0,229 1,30 3,39 3,51 5,04 5,16 7,38 11,37 22,06 105,0

61,6 69,7 90,0 90,0 74,4 127,5 94,2 72,0 55,44 40,1

'

/m6 mPa mol

3,45 24,7 141 151 138 453 364 422 553 820

2

b/cm3 mol ' 23,7 26,6 39,1 39,9 31,8 57,1 42,7 37,1 30,5 17,0

diesem konstantem Druck bis zum Punkt C ab, bei dem der gesamte Dampf in Flüssigkeit umgewandelt ist. Der folgende Kurvenast CD ist die 303,559-K-Isotherme des flüssigen Kohlenstoffdioxids. Wegen der geringen Kompressibilität von Flüssigkeiten verläuft sie sehr steil. Bei den höheren Isothermen rücken die beiden Knickpunkte B und C immer näher zusammen, bis sie schließlich bei 304,163 K (31,013°C), der kritischen Temperatur, zusammenfallen. Ab dieser Isotherme kommt es auch bei höchsten Drücken nicht mehr zur Bildung einer zweiten Phase. Der Zustand oberhalb der kritischen Temperatur wird alsfluider Zustand bezeichnet. Vom flüssigen über den fluiden zum gasförmigen Zustand finden wir eine Kontinuität der Zustände. Diese Tatsache soll durch Verfolgen des Weges EFGH in Abb. 2.4 erläutert werden. Das Gas wird im ersten Schritt von E, unterhalb 7^, nach F, oberhalb 7^, gebracht, wobei das Volumen konstant gehalten wird. Es wird dann isotherm komprimiert (von Fnach G) und schließlich bei konstantem Volumen von G nach H abgekühlt. Am Punkt H, unterhalb 7^, liegt Kohlenstoffdioxid nun als Flüssigkeit vor, obwohl es in keinem Abschnitt unseres Weges EFGH vom gasförmigen zum flüssigen CO2 zur Bildung zweier Phasen kam!

2.8 Reale Gase - Virialgleichungen Für reale, d.h. nicht ideale Gase wurden viele verschiedene Zustandsgieichungen vorgeschlagen. Diese wurden aus unterschiedlichen Modellvorstellungen entwickelt oder basieren auf unterschiedlichen Vorstellungen über die Anpassung empirischer Gleichungen an die P VT- Werte realer Gase. Der allgemeinste Weg der Anpassung

24

2 Aggregatzustände

7.2

32

36

40

44

48 Volumen

52

56

60

64

Abbildung 2.4 Isothermen von Kohlenstoffdioxid in der Umgebung der kritischen Temperatur von 31,013 °C. Das Zweiphasengebiet Flüssigkeit/Gas ist gerastert. [A. Michels, B. Blaisse und C. Michels, Proc. R. Soc. Lond. A 160, 367 (1937)].

einer Gleichung an experimentelle Daten ist die Verwendung einer Potenzreihe. Da Abweichungen vom idealen Verhalten von der Gasdichte abhängen, scheint es vernünftig, die Zustandsgieichung als Potenzreihe von «/ V darzustellen und so viele Potenzglieder zu verwenden, daß die Anpassung an die experimentellen PFT-Werte mit der gewünschten Genauigkeit erfolgt. Die Gleichung, die man auf diese Weise erhält, nennt man eine Virialgleichung (lat. vir, Kraft): PV _ — nRT

n2C(T)

nB(T) l H

77

l

77

n3 D (T) r

,.·,

"T ...

(2.16)

Die temperaturabhängigen Koeffizienten B(T), C(T) usw. sind die zweiten, dritten usw. Virialkoeffizienten.

2.8 Reale Gase - Virialgleichungen

25

Virialkoeffizienten werden auch in anderen Bereichen der physikalischen Chemie benutzt, und zwar besonders in der Theorie der Lösungen. Die Virialgleichung (2.16) dient auch als Grundlage für theoretische Berechnungen mit Hilfe des statistischen Modells der nichtidealen Gase; dabei stellt sich heraus, daß B (T) die Abweichung vom idealen Verhalten repräsentiert, die auf der Wechselwirkung zwischen Molekülpaaren beruht. Inwieweit die Virialgleichung eine gute Anpassung an das Experiment liefert, zeigen die folgenden Ergebnisse für Argon bei 298 K.

nRT 2 3

10 104 10s

'

'

1' n\ "\V)

1 1 1 1

-

0,00064 0,00648 0,06754 0,38404

hh Cci n Y + \v) -h -h -h -h

0,00000 0,00020 0,02127 0,68788

+ +

D

*

tvcSl

0,00000 0,00007 0,00036 0,37232

Bei l O5 kPa genügen die ersten drei Glieder offensichtlich nicht mehr für eine gute Anpassung. In Abb. 2.5 sind die zweiten Virialkoeffizienten B(T) einiger Gase in Abhängigkeit von der Temperatur aufgetragen. Wir erkennen, daß sich die Gase bezüglich dieser Werte, die ein Maß für ihre Abweichung vom idealen Verhalten sind, beträchtlich voneinander unterscheiden.

+ 20

+ 10 O

E o E o 03

Abbildung 2.5 Die zweiten Virialkoeffizienten B einiger Gase als Funktion der Temperatur.

-10

100

200

300

400

500

600

700

26

2 Aggregatzust nde

2.9 Korrespondierende Zust nde Die Quotienten aus den aktuellen Werten von P, V und T und den entsprechenden kritischen Werten Pk, Vk und Tk werden als reduzierter Druck, reduziertes Volumen bzw. reduzierte Temperatur bezeichnet:

P 1Γ' Mt

V

V ——

K

R ~~ i/ K k

τ r„ = 4

(2.17)

J. H. van der Waals konnte 1881 zeigen, da bei m igen Dr cken alle Gase in recht guter N herung ein und derselben Zustandsgieichung gehorchen, die auf diesen

1.0 0.9

0.8

0.7 Ο ^—' Ιο 0.6

.-9 0.5 ert über. Die Quantelung der Energie ist nicht auf Energieübergänge durch elektromagnetische Strahlung beschränkt. Wir finden sie auch beim Zusammenstoß von Gasmolekülen oder beim Wärmeübergang zwischen Festkörpern oder Flüssigkeiten. Moleküle können nur in ganz bestimmten, diskreten Energiezuständen existieren. Energien, die dazwischenliegen, sind verboten.

62

4 Quantenniveaus in Molek len

4.3 Ein Beispiel: das Spektrum von CO Das in Abb. 4.2 gezeigte Spektrum von Kohlenstoffmonoxidgas ist eine Demonstration der gequantelten Wechselwirkung zwischen Licht und Molek len. Die Abbildung zeigt die Lichtabsorption von CO in einem schmalen Frequenzbereich des infraroten Lichtes. Betrachten Sie zuerst die Absorption im Teil (a) der Abbildung. Im Gebiet v = 6,4 · l O 13 Hz (λ = 4,7 μηι) liegt ein Bereich mit ausgepr gter Absorption, eine sogenannte Bande. Verursacht wird diese Bande durch die Zunahme der Schwingungsenergie der CO-Molek le. Davon ausgehend k nnen wir den Abstand zwischen zwei Schwingungsenergieniveaus in CO berechnen: ε2-εί = Δεν = Λν = (6,63 · l (Γ34 Js)(6,4 · ΙΟ 1 3 s"1) = 4,2 · ΙΟ" 2 0 J

Wellenl nge λ/μπ\ 5 4 3 2

2000 250030004000 Wellenzahl, v"/cm~ 1 (a)

Abbildung 4.2 Rotationsschwingungsbanden von gasf rmigem CO im Infrarot-Spektrum: (a) bei geringer Aufl sung zeigt das Spektrum zwei Absorptionsbanden; (b) die st rkere dieser Banden bei h herer Aufl sung, die die Rotationsfeinstruktur zeigt. [Pure Appl. Chem. /, 537 (1961)].

2200

2100 I

I

CO 44 46

c o

o

V) .Q

Wellenzahl, v/cm (b)

1

4.4 Welleneigenschaften der Materie

63

In den Bereichen höherer und tieferer Energie finden wir keine wesentlichen Absorptionen. Offenbar gibt es in CO keine entsprechenden Energieniveaudifferenzen. Lediglich bei v = 12,8 · 1013 Hz ( = 2,3 ) erkennen wir eine schwache Absorptionsbande. Ihre Frequenz entspricht der zweifachen Photonenenergie der starken Bande. Im CO-Molekül gibt es demnach auch Schwingungsenergieniveaus mit einem Abstand von 8,4-10" 2 0 J. Untersuchen wir die Bande bei 4,7 bei höherer Auflösung (Abb. 4.2b), können wir ihre Feinstruktur erkennen. Diese rührt daher, daß die Lichtabsorption neben der großen Änderung der Schwingungsenergie auch kleine Änderungen der Rotationsenergie bewirkt. Das Auftreten vieler Linien in diesem Spektrum zeigt uns, daß sowohl die Schwingungen als auch die Rotationen gequantelt sind. Die Natur der Quantelung und die Feinstruktur des Spektrums werden wir verstehen, wenn wir später in diesem Kapitel die quantenmechanische Gleichung für die Rotationsenergie eines Moleküls kennenlernen. Bei den Absorptionen in Abb. 4.2 ändern sich die Schwingungs- und die Rotationsenergie der CO-Moleküle, nicht aber ihre Translationsenergie und Elektronenenergie (die potentielle und kinetische Energie der Elektronen im Molekül). Spektren im Mikrowellenbereich (v Ä 1 1 Hz) zeigen Banden, die ausschließlich durch Änderungen der Rotationsenergie von CO erzeugt werden. Die Absorptionen, die hauptsächlich Änderungen der elektronischen Energie zuzuordnen sind, liegen dagegen im ultravioletten Bereich, also bei vergleichsweise hohen Frequenzen (v l O 15 Hz). Wir wollen uns nun mit den Molekülenergieniveaus beschäftigen, die uns die Quantenmechanik vorhersagt. In vielen Fällen konnten diese Vorhersagen durch die Analyse von Spektren wie in Abb. 4.2 bestätigt werden.

4.4 Welleneigenschaften der Materie In Abschn. 4.1 haben wir bereits den Dualismus Welle-Teilchen von Licht angesprochen. Dieses Konzept wurde im Jahre 1923 von dem französischen Physiker Louis de Broglie auf Materie wie Elektronen, Protonen, Neutronen, Atome und Moleküle ausgedehnt. De Broglie nahm an, daß Gl. (4.4), = h/p, nicht nur für Photonen, sondern prinzipiell für alle Teilchen gültig sei. Teilchen, die sich langsamer als das Licht bewegen, haben den Impuls p = mv, wobei t; die Teilchengeschwindigkeit bedeutet. Analog Gl. (4.4) gilt nach de Broglie für ein Materieteilchen

=— mv

(4.6)

Die Broglie-Beziehung (4.6) stellt die Verbindung zwischen einer Welleneigenschaft

64

4 Quantenniveaus in Molekülen

eines Teilchens - seiner Wellenlänge - und einer mechanischen Eigenschaft - seinem Impuls - her. Beispiel 4.1 Ein Elektron wird in einem elektrischen Feld auf die Geschwindigkeit l O6 m s"1 beschleunigt. Wie groß ist seine Wellenlänge? Die Masse des Elektrons beträgt me = 9,11 · 10~ 3 1 kg. Nach Gl. (4.6) ist 6,63 · IQ" 3 4 J s ~ (9,11·10- 3 ^)(1,00·10 6

8-') ~ 728 ' 10

m

~ 728 Pm

Die Wellenlänge des Elektrons in Beispiel 4. l hat also dieselbe Größenordnung wie die Atomabstände in Molekülen oder Kristallen. Deshalb wurde vorausgesagt, daß Elektronenstrahlen beim Durchgang durch Materie Streuungseffekte zeigen müßten. Dies wurde später experimentell bestätigt. Abb. 4.3 zeigt das Beugungsmuster eines Elektronenstrahls beim Durchgang durch eine dünne Goldfolie.

Abbildung 4.3 Elektronenbeugung an einer Goldfolie (G. P. Thomson, 1928). Durch solche Aufnahmen konnte die Wellennatur der Elektronen nachgewiesen werden.

Durch solche Experimente wurde bewiesen, daß Elektronen tatsächlich Welleneigenschaften haben. Aus den Abständen der Beugungsmaxima läßt sich - vorausgesetzt, die Abstände der Goldatome voneinander sind bekannt - die Wellenlänge der Elektronen ableiten. Sie stimmt mit der nach Gl.(4.6) berechneten genau überein. Teilchenstrahlen aus geladenen Partikeln wie Elektronen oder Protonen können durch elektrische oder magnetische Felder genau wie Lichtstrahlen durch optische Linsen gebündelt werden. Mit Elektronenmikroskopen lassen sich sehr viel höhere Auflösungen als mit Lichtmikroskopen erzielen. Abb. 4.4 zeigt die elektronenmikroskopische Aufnahme von Molekülen in einem Kristall - fürwahr eine eindrucksvolle Demonstration der Welleneigenschaften von Elektronen!

4.5 Translationsenergie

65

Abbildung 4.4 Auf dieser elektronenmikroskopischen Aufnahme eines Phthalocyaninchlorid-Kristalls sind einzelne Moleküle zu erkennen. [N. Uyeda, Institute for Chemical Research, University of Kyoto]

4.5 Translationsenergie Auch die kinetische Energie der Translation ist gequantelt. Die Abstände zwischen den Translationsenergieniveaus sind aber so klein, daß die Translationsenergie für praktische Zwecke als Kontinuum behandelt werden darf. Dennoch ist die Theorie der Translationsenergiezustände interessant und wichtig wegen der Einblicke, die sie in die Grundlagen der Wellenmechanik und die Quantelung der Energie bietet. Die Tatsache, daß Teilchen nur in ganz bestimmten Energiezuständen existieren können, hängt eng mit ihren Welleneigenschaften zusammen. Abbildung 4.5 zeigt ein eindimensionales Beispiel einer Translationsbewegung, bei dem die Bewegung eines Teilchens auf die Strecke zwischen zwei Wänden bei = 0 und = a beschränkt ist. Wenn wir das Teilchen als Welle auffassen, muß die Amplitude der Materiewelle bei = 0 und = a verschwinden, da das Teilchen ja nicht in die Wand eindringen kann. Eine Welle, die dergestalt auf einen bestimmten Raum fixiert ist, heißt stehende Welle. Solche stehenden Wellen können nur ganz bestimmte Wellenlängen aufweisen. In

66

4 Quantenniveaus in Molekülen

Abbildung 4.5 Stehende Wellen, die erlaubten Energiezuständen eines Teilchens in einem eindimensionalen Kasten entsprechen.

n= 1

dem Beispiel der Abb. 4.5 muß die Bedingung a = n ( /2) erfüllt sein, in der n eine ganze Zahl ist. Es passen also genau n = l, 2, 3,..., oo Halbwellen in den Kasten. Die Zahl n ist eine Quantenzahl. Nur wenn die obige Bedingung erfüllt ist, kann dem Teilchen eine stehende Welle zugeordnet werden. Die Wellenlängen von Teilchen, die sich in einem eindimensionalen Kasten der Länge a bewegen, müssen wie bereits gesagt der Bedingung n (A/2) = a genügen. Nach Gl. (4.6) ist A = h/mv und damit nh/mv = 2a. Die Teilchengeschwindigkeit kann demnach nur die Werte v — nh/mv haben, und die erlaubten Beträge der kinetischen Energie ek hängen somit quadratisch von der Translationsquantenzahl n ab: 2 n21,2 h

(4.7)

Die entsprechende Gleichung für ein Teilchen in einem dreidimensionalen, quaderförmigen Kasten mit den Seitenlängen a, b, c kann mit Hilfe der Quantenmechananik leicht abgeleitet werden (s. Kap. 20). Das Ergebnis ist (4.8)

Da für die Translation in den drei Raumrichtungen drei Freiheitsgrade existieren, werden zur Festlegung der erlaubten Energiezustände drei Quantenzahlen n1,n2,n3 benötigt. Diese können ganze Zahlen zwischen l und oo sein. Wenn a — b — c ist, der Behälter also ein Würfel, sind die erlaubten Energieniveaus 8k = (h2l%ma2)(n\ + n2 + n2). Mit dem Würfelvolumen V = a3 folgt daraus 8mV213

(4.9)

Der Abstand der Energieniveaus nimmt also mit steigendem Volumen ab. Bei unendlich großem Volumen wird er schließlich Null und die Energie damit zum

4.5 Translationsenergie

67

Kontinuum. Sie ist dann nicht mehr gequantelt. Anders ausgedrückt: Wenn der Aufenthalt des Teilchens nicht auf einen begrenzten Raum beschränkt ist, gelten die Gessetze der klassischen Mechanik; erst die räumliche Beschränkung führt zur Energiequantelung und damit zu diskreten Energiezuständen. Die Quantelung der Energie ist eine notwendige Konsequenz aus der Wellennatur des Teilchens und der Bedingung, daß in abgegrenzten Räumen nur stehende Wellen mit ganz bestimmten Wellenlängen existieren können. Der niedrigste erlaubte Energiezustand des Teilchens im dreidimensionalen Kasten mit den Quantenzahlen nv = «2 = n3 — \ wird mit (111) bezeichnet. (Kann eine Quantenzahl auch Null sein?) Der nächsthöhere Zustand ist (211), doch haben in einem würfelförmigen Kasten die drei Zustände (211), (121) und (112) die gleiche Energie. Das Energieniveau ist entartet und besitzt das statistische Gewicht oder die Entartung g = 3. Beachten Sie, daß nur Niveaus, nicht aber Zustände entartet sein können. Die Entartung gibt die Anzahl der Quantenzustände mit gleicher Energie an. Sie hat wichtige Konsequenzen für die Berechnung der Mittelwerte von Moleküleigenschaften. [Wie groß ist g für den Zustand (123)?] Beispiel 4.2 In Kap. 3 haben wir gesehen, daß die mittlere Translationsenergie eines Moleküls bei klassischem Verhalten den Wert \kT hat. Wie groß ist die mittlere Quantenzahl eines Energieniveaus in O2 , dessen Energie gleich dem Wert von f k Tbei T = 300 K ist, wenn das Volumen l l beträgt? Es gelte die Beziehung n\ , + n\ + n\ = 3«2, so daß wir eine mittlere Quantenzahl berechnen können. Nach Gl. (4.9) ist 8mV213 _ 4kTmV213 h2 n ^4,5-10 9 2

(4)(1,4 ·

" 23 J K~ 1 )(300 K) (5,3 · 1(T26 kg)(l(T 3 m 3 ) 2 / 3 (6,6-10- 3 4 Js) :

Beispiel 4.3 Wie groß ist die kleinste erlaubte Translationsenergie eines O2Moleküls in einem Behälter mit einem Volumen von 1,0dm 3 ? Aus Gl. (4.9) folgt mit «! = /i 2 = tv

3

= l:

(6,6-10- 3 4 Js) 2 (l + l + l ) ' (8)(5,3-10- 2 6 kg)(l,0-10- 3 m 3 ) 2 / 3 = 3,1-10- 4 0 J

(Erinnern Sie sich daran, daß !J = l k g m 2 s ~ 2 ist.)

68

4 Quantenniveaus in Molekülen

Die Translationsquantenzahlen von Molekülen liegen bei Raumtemperatur in der Größenordnung 109 (s. Beispiel 4.2). Bei 300 K hat \kT ungefähr den Wert 6 - 1 0 ~ 2 1 J . Der Abstand zwischen zwei Niveaus beträgt somit nur ungefähr 10~ 20 /10 9 = 10~ 29 J, ist also verglichen mit A: sehr klein. Die Konsequenz daraus ist, daß die Moleküle viele sehr dicht beeinanderliegende Energieniveaus besetzen, weswegen die Quantelung normalerweise nicht nachzuweisen ist. Die Translationsenergie erscheint uns daher genau wie in der klassischen Mechanik als Kontinuum. Wie sich in Kap. 3 gezeigt hat, stimmen ja auch die experimentellen molaren Wärmekapazitäten der einatomigen Gase (bei denen nur Translation auftritt) völlig mit dem klassisch berechneten Wert von \R überein. Dieses klassische Verhalten der Translationsenergie ist ein Beispiel für eine allgemeingültige Regel, das sogenannte Korrespondenzprinzip. Es besagt, daß bei sehr großen Quantenzahlen die klassische Mechanik und die Quantenmechanik übereinstimmende Ergebnisse liefern. In diesem Sinne ist die klassische Mechanik ein Spezialfall der Quantenmechanik, der bei großen Quantenzahlen angewendet werden darf. Unter bestimmten Umständen ist die Quantelung der Translationsenergie infrarotspektroskopisch nachweisbar. Dazu müssen die Translationsquantenzahlen genügend klein und die Abstände zwischen den Energieniveaus genügend groß sein. Letzteres ist nach Gl. (4.9) der Fall, wenn sowohl die Teilchenmasse als auch das zur Verfügung stehende Volumen klein sind. Die Molekülenergien (und damit die Quantenzahlen) sind umso kleiner, je tiefer die Temperatur ist. Wollen wir also die Quantelung der Translationszustände nachweisen, untersuchen wir am besten möglichst leichte Moleküle bei möglichst niedriger Temperatur in einem möglichst kleinen Volumen. Gut geeignet sind natürlich Wasserstoffmoleküle. Ein kleines Volumen läßt sich erzeugen, indem die Moleküle bei tiefen Temperaturen in den Hohlräumen einer Flüssigkeit eingeschlossen werden. Unter solchen Bedingungen kann man die Anregung von H 2 von einem Translationsniveau auf ein anderes durch Lichtabsorption im Bereich des fernen Infrarot beobachten (v Ä 6 · 12 Hz). Abb. 4.6 zeigt das Absorptionsspektrum von isolierten, in Lösemittelkäfigen eingeschlossenen H2-Molekülen.

Abbildung 4.6 Absorptionsspektrum von isolierten H 2 -Molekülen in flüssigem Argon bei 90 K. Die Bande entsteht durch Anregung von H 2 -Molekülen auf höhere Translationsniveaus. [M. O. Bulanin und M. V. Tonkov, Phys. Lett. 26, 120 (1968)].

o S < ------

4.7 Rotationsenergie

69

4.6 Die Wellenzahl Für die Energie von Quantenzuständen in Molekülen könnte man wie für andere Energien auch die SI-Einheit Joule verwenden. In der Spektroskopie ist jedoch eine andere Größe, die Wellenzahl v = ~ viel gebräuchlicher, die in der Regel in der Einheit cm"1 angegeben wird. Die Photonenenergie bei der Absorption oder Emission von Strahlung ist gleich dem Abstand zweier Energieniveaus des Moleküls: hv = £ 2 — gj = . Mit v = C/A (c — Lichtgeschwindigkeit) folgt = hv = hc(\jÄ) = hcv. Die Wellenzahl v = l// ist also der Quantenenergie proportional. Der Proportionalitätsfaktor ist hc. Für die Umrechnung von J in cm" 1 gilt: Energie in J = (1,986- 10~ 2 3 J cm)(Wellenzahl in cm" 1 ) Die SI-Einheit der Frequenz v ist das Hertz (Hz), l Hz ist die Frequenz einer Schwingung mit der Periodendauer l Sekunde. Die Einheit erhielt ihren Namen nach Heinrich Hertz, der als erster die Existenz elektromagnetischer Wellen experimentell nachwies (1888).

4.7 Rotationsenergie Mit der klassischen Theorie der Rotation haben wir uns bereits in Abschn. 3.5 beschäftigt. Jetzt wollen wir untersuchen, welche Energieniveaus aus der quantenmechanischen Behandlung resultieren. In Abb. 4.7 ist schematisch eine stehende Welle dargestellt, die einer erlaubten Rotation eines Teilchens mit der reduzierten Masse und dem Abstand r vom Ursprung entspricht. Das Trägheitsmoment des Teilchens beträgt 7 = /·2. Hat die reduzierte Masse die Lineargeschwindigkeit u, beträgt ihre Winkelgeschwindigkeit = v/r und ihre kinetische Energie = % 2. Eine stehende Welle kann sich nur ausbilden, wenn eine ganzzahlige Anzahl J von Wellenlängen auf den Bahnumfang 2nr paßt; es muß also die Beziehung J — 2nr

Abbildung 4.7 Stehende Welle, die einem erlaubten Energiezustand eines Teilchens auf einer Kreisbahn entspricht. Wenn die Bedingung = 2nr nicht erfüllt ist, wird die Welle durch Interferenz ausgelöscht (gestrichelte Linie).

70

4 Quantenniveaus in Molekülen

oder = 2nr/J erfüllt sein. J ist die Rotationsquantenzahl. Sie kann die Werte J = 0,1,2,... haben. Nach der Broglie-Beziehung gilt = . Hieraus folgt v — hJ/2 r und \ 2 = = J2h2/8n2I. (Warum darf / im Gegensatz zur Translationsquantenzahl n den Wert null haben?) Die Rotation in Abb. 4.7 ist auf zwei Dimensionen beschränkt. Ein reales Molekül rotiert dagegen im dreisimensionalen Raum. Man kann zeigen, daß sich in diesem Fall der Faktor J2 in der Energiegleichung zu /(/ + 1) ändert. Somit sind die erlaubten Rotationsenergieniveaus im dreidimensionalen Fall

Nach Gl. (4.10) entspricht ein kleines Trägheitsmoment einem großen Rotationsquant. Da = | / 2 ist, folgt aus dieser Gleichung außerdem, daß die Rotationsfrequenz mit der Rotationsquantenzahl /zunimmt. Die Gültigkeit von Gl. (4.10) läßt ssich experimentell durch die Messung der Absorption von Mikrowellen oder von IR-Strahlung an Molekülen überprüfen. Beispiel 4.4 Der Kernabstand im 16O2-Molekül beträgt 120,80 pm. Wie groß ist der Abstand zwischen den Rotationsenergieniveaus mit 7 = 0 und 7=1? Das

16

O,-Molekül hat die reduzierte Masse - = l,33-10- 2 6 kg. / = 2 = (1,33 - ( 26 kg)(121 · 10~ 12 m)2 = 19,4-10- 4 7 kgm 2

Für 7= 0 ist er = 0. Für 7= l folgt mit Gl. (4.10): (6,63-lQ- 3 4 Js) 2 (2)

= 5 ?5

1Q_23 j =

Beispiel 4.5 Wie groß ist bei 350 K ungefähr die Quantenzahl / eines 16O2Moleküls, dessen Rotationsenergie ungefähr gleich dem klassischen Mittelwert k T ist? kT= (H2/8n2r)(J(J+ 1)) « (/ 2 /8 2 /)(/ 2 ) (8 2 ) 1/2 (19,4 · IQ" 47 kgm 2 ) 1/2 (l,38 · IQ" 2 3 JK" 1 · 350K) 1/2 6,63-10" 3 4 Js

4.8 Schwingungsenergie

71

Wie die beiden Beispiele zeigen, ist die Energie von Rotationsquanten zwar um viele Zehnerpotenzen größer als die Energie von Translationsquanten, aber bei Raumtemperatur immer noch klein verglichen mit der mittleren klassischen Energie (kT= 4 · 10~ 21 J bei 300 K). Sie ist jedoch groß genug, um Quanteneffekte ohne Schwierigkeiten nachweisen zu können. Bei Raumtemperatur sind die Rotationsquantenzahlen aber-oft schon so groß, daß auch die klassische Mechanik richtige Mittelwerte der Rotationsenergie liefert. Bei tiefen Temperaturen kann die klassische Behandlung dagegen zu ganz falschen Ergebnissen führen. In Abb. 4.8 ist die Abfolge der Rotationsenergieniveaus dargestellt. Da ihre Energie proportional J(J + 1) ist, nimmt der Abstand zwischen den Niveaus mit wachsender Quantenzahl /zu. Anders ausgedrückt: Rotationsenergiequanten sind umso größer, je größer J ist. Die Entartung gj eines Energieniveaus mit der Quantenzahl J beträgt gj = 2 J + 1, was wir hier nicht ableiten wollen.

3

2

1

Abbildung 4.8

Energieniveaus eines starren linearen Rotators.

0

12

6

2

/8

2

2

2

/8

2

/

/



4.8 Schwingungsenergie Bei der quantenmechanischen Behandlung von Molekülschwingungen dient das Modell des harmonischen Oszillators als erste Näherung. Der quantenmechanische Ausdruck für die Energieniveaus eines harmonischen Oszillators ist ev = M» + i)

(4.11)

Hierin bedeuten v die Schwingungsfrequenz und v die Schwingungsquantenzahl mit den erlaubten Werte v = 0,1,2,... Gl. (4.11) gibt die Schwingungsenergie eines zweiatomigen Moleküls oder einer bestimmten Normalschwingung eines mehratomigen Moleküls an. Nach Gl. (4.11) haben alle Energieniveaus eines harmonischen Oszillators den

72

4 Quantenniveaus in Molekülen

Abbildung 4.9 Äquidistante Energieniveaus eines harmonischen Oszillators (v = Schwingungsquantenzahl).

gleichen Abstand hv zum nächsten Niveau (s. Abb. 4.9). Wenn die Quantenzahl zunimmt, nimmt daher zwar die Schwingungsenergie, nicht aber die Grundschwingungsfrequenz zu. (Im Gegensatz dazu nimmt bei der Rotation die Drehfrequenz mit der Rotationsquantenzahl zu). Gl. (4.11) unterscheidet sich insofern von der ursprünglichen Planckschen Hypothese, daß sie statt des Faktors v den Faktor (v + 1) enthält. Auch das tiefste Schwingungsniveau mit v = 0 hat deshalb nicht die Energie Null, sondern immer noch die sogenannte Nullpunktsenergie e 0 0> = 0) = iÄv

(4.12)

Selbst am absoluten Nullpunkt der Temperatur, wenn in einem Kristall sämtliche Translations- und Rotationsbewegungen aufgehört haben, schwingen die Atome daher noch um ihren Gleichgewichtsabstand /?e. Die Nullpunktsenergie ist keineswegs vernachlässigbar klein. (Berechnen Sie die Nullpunktsenergie für die Frequenz 1013 Hz und vergleichen Sie sie mit kT bei 300 K.) Die Schwingungsfrequenz v eines zweiatomigen Moleküls in Gl. (4.11) ist klassisch durch den Ausdruck (4.13) gegeben (s. Beispiel 3.5), in der die Kraftkonstante und die reduzierte Masse bedeuten. Gl. (4.13) wird zur Berechnung von Kraftkonstanten aus spektroskopischen Daten verwendet. (Berechnen Sie für die Schwingung von O2 mit der Frequenz v = 4,1'4- l O 13 Hz.) Schwingungsfrequenzen bzw. -energien können spektroskopisch mit großer Genauigkeit bestimmt werden (s. Kap. 26 und 27). Im Beispiel des CO in Abb. 4.2 be-

4.9 Das Infrarotspektrum von CO

73

trug die Energiedifferenz zwischen zwei Schwingungsniveaus ungefähr 4,2 · 10 ~ 2 0 J. In Kap. 26 werden wir zeigen, daß Schwingungsübergänge zwischen benachbarten Niveaus erfolgen, wobei sich die Quantenzahl v jeweils nur um den Betrag 1 ändert, d.h. es ist v' — v" = = 1. Ein Schwingungsquant in CO hat also die Größe h\ 20 = 4,2· 10" J, was einer Wellenzahl der Absorption von v = 2100cm" 1 entspricht. Die mittlere (klassische) Schwingungsenergie eines zweiatomigen Moleküls hat den Wert kT. Bei 300 K entspricht das der Wellenzahl v = 200 cm"1. Das Schwingungsquant von CO ist ungefähr zehnmal so groß. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein CO-Molekül bei 300 K auch nur ein einziges Quant an Schwingungsenergie enthält, ist daher fast null. Dies ist der Grund, warum die klassische Behandlung von Molekülschwingungen bei mäßigen Temperaturen so kläglich versagt. Klar ist auch, daß bei 300 K so gut wie alle CO-Moleküle Niveaus mit kleinen Schwingungsquantenzahlen besetzen (v = 0 oder 1). Während wir also aufgrund des Korrespondenzprinzips die Translation und bis zu einem gewissen Grad auch die Rotation nach klassischem Konzept behandeln dürfen, eignet sich zur Beschreibung von Schwingungen nur die Quantentheorie. In der Quantenmechanik kann die Zerlegung der Schwingungsbewegung mehratomiger Moleküle in Normalschwingungen, die in Kap. 3 bereits erwähnt wurde, beibehalten werden. Danach haben mehratomige Molekülen entweder 3 N — 5 (lineare Moleküle) oder 3 N — 6 (nichtlineare Moleküle) Normalschwingungen, die jeweils die Energie ,· = ,· ( ;,· + ^) besitzen (/bezeichnet die jeweilige Schwingung). Die Normalschwingungen unterscheiden sich in ihrer Frequenz v, bzw. in der Energie ihrer Schwingungsquanten h v,·. Die Wellenzahlen der verschiedenen Normalschwingungen zin mehratomigen Molekülen liegen zwischen 100 und 3000 cm"1. Schwingungsquanten sind im Vergleich zu A; so groß, daß Rechnungen, die die Quantelung nicht berücksichtigen, zu ganz falschen Resultaten führen. Das Versagen der klassischen Mechanik bei der Vorhersage der Wärmekapazität von Ethan (s. Abschn. 3.10) hat seine Ursache fast ausschließlich darin, daß die Schwingungen bei mäßigen Temperaturen so gut wie keinen Beitrag zur Gesamtenergie leisten.

4.9 Die Infrarotspektroskopie liefert ein Abbild der Schwingungs- und Rotationsniveaus im CO-Molekül Die Quantenmechanik lehrt, daß sich bei der Emission oder Absorption von Strahlung die Quantenzahlen nicht beliebig ändern können, sondern nur nach bestimmten Auswahlregeln (s. Kap. 26). Die Auswahlregel für die Rotationsquantenzahl J von CO bei der Infrarotabsorption in Abb. 4.1 lautet 7 = ± 1. Bei jeder Absorption

74

4 Quantenniveaus in Molekülen

oder Emission von Licht durch CO muß J also entweder um l zu- oder um l abnehmen. / ist durch die Konvention

/ = /(größer) - /(kleiner) W - J" definiert, wobei sich größer und kleiner oder ' und " auf Zustände höherer bzw. tieferer Energie beziehen. Im Rotationsschwingungsspektrum (Infrarotspektrum) der Abb. 4.2 erfolgt die wesentliche Energieänderung des Moleküls beim Übergang zwischen zwei Schwingungsniveaus mit der Auswahlregel u = 1. Im betrachteten Fall ändert sich die Schwingungsquantenzahl von v" = 0 nach v' — \. Die gleichzeitige Änderung der Rotationsenergie (Auswahlregel / = ± 1) erfolgt durch Übergänge zwischen Rotationsniveaus J" im Zustand v" = 0 und /' im Zustand v' — l.

^=3

v =1

J'=2 J'=0

11 v=0 J"=2

H—h

J"= 1 I

P-Zweig

8

I

/?-Zweig

60 4S 2B 28 4S 6 — Energie—»-



Abbildung 4.10 Schema der unteren Rotationsniveaus in den Schwingungsniveaus = 0 und = l eines zweiatomigen Moleküls. Die erlaubten Absorptionen bilden eine Serie von Übergängen mit zunehmender Energie ( -Zweig, .7 = +1) und eine Serie mit abnehmender Energie (P-Zweig, / = —1). Die Energieskala zeigt die Stellen, an denen diese Übergänge im Absorptionsspektrum zu finden wären. Die Skala ist in Einheiten von 2 B unterteilt (B = 2/8 2/), ausgehend von der Energie des verbotenen Übergangs J" = 0 -»· J' — 0 in der Mitte.

4.9 Das Infrarotspektrum von CO

75

Im Energieniveaudiagramm der Abb. 4.10 sind einige der erlaubten Übergänge eingezeichnet. Bei allen Übergängen ändert sich v von 0 nach l . Die Auswahlregel verbietet alle Übergänge mit .7 = O 1 ). Folglich muß jede Änderung von v mit einer Änderung von J verbunden sein. Ein Übergang, der nicht durch die Auswahlregeln erlaubt ist, heißt verbotener Übergang. J kann sich auf zweierlei Weise ändern. Es kann entweder um l größer oder um l kleiner werden. Die Übergänge mit / = + l bilden den R-Zweig des Spektrums, die Übergänge mit / = — l den P-Zweig. Für jeden Zweig sind vier mögliche Übergänge eingezeichnet. Die Berechnung der Photonenenergien ist einfach: Sie setzen sich aus einem konstanten Betrag hv aufgrund der Änderung von u um +1 (v ist in diesem Fall die Grundschwingungsfrequenz) und einem Beitrag der Rotation zusammen, der zu der Grundenergie hv hinzugezählt oder von ihr abgezogen wird. Für die Berechnung des Rotationsbeitrags schreiben wir zuerst Gl. (4.10) in etwas geänderter Form: l) Hierin ist B = / 2 /8 2 /^ Rotationskonstante. Für die Differenz einzelnen Niveaus gilt dann:

(4.14) zwischen den

Asr = e; - < = B[_J'(J' + 1) - J"(J" + 1)] Für den /?-Zweig (AJ = + 1) ist J' = J" + l und damit

Für den P-Zweig ( J = - 1) ist /' = J" - l und folglich = - 2BJ"

Die Energie der Rotationsschwingungsübergänge von CO beträgt somit im -Zweig: Aeabs = + 2B(J" +1) im P-Zweig: Aeabs = /zv v - 2BJ"

(4.1 5) (4.16)

Hierin ist B die aus dem Trägheitsmoment / = /?2 berechnete Rotationskonstante und vv die Schwingungsfrequenz von CO. Sehen wir uns an, wie aufgrund dieser einfachen quantenmechanischen Formeln das Spektrum von CO aussehen sollte: l . Der /?-Zweig sollte aus einer Serie von äquidistanten Linien mit dem Abstand 2 B bestehen; die Absorption mit der kleinsten Energie sollte bei Aeabs = hvv + 2 B (für J" = 0) liegen. 2. Auch der P-Zweig sollte aus einer Serie von äquidistanten Linien mit dem Abstand 2 B bestehen; die Absorption mit der größten Energie sollte bei Aeabs = hvv — 2 B (für J" = 1) liegen. (Warum kann hier nicht J" — 0 sein?) Bei zweiatomigen Molekülen mit ungerader Elektronenzahl (Beispiel: NO) sind auch Übergänge mit / = 0 erlaubt.

76

4 Quantenniveaus in Molekülen

3. Zwischen dem P- und dem /?-Zweig sollte eine Energielücke der Breite 4 B klaffen; die Mitte dieser Lücke markiert die Lage des verbotenen Übergangs J" = 0 -> J' = l mit der Energie Asabs = hv. Vollziehen Sie diese quantenmechanische Voraussagen sorgfältig nach und vergleichen Sie sie mit dem experimentellen Spektrum in Abb. 4.2. Eine bessere Übereinstimmung von Vorhersage und Experiment kann man wohl schwerlich erwarten! Zwei Punkte im Spektrum des CO wurden bisher noch nicht angesprochen. Der eine Punkt ist die unterschiedliche Intensität der Banden. Diese wird durch den Anteil der CO-Moleküle in den verschiedenen Rotationsniveaus J" = 0, l, 2,... des tieferen Schwingungsniveaus v = 0 bestimmt, aus dem heraus die Anregung erfolgt. Die relativen Bandenintensitäten werden in Abschn. 5.5 besprochen. Der zweite Punkt scheint auf einen Fehler in unserer Theorie hinzuweisen. Im Gegensatz zu den Aussagen von Gl. (4.15) und Gl. (4.16) sind nämlich die Abstände zwischen den einzelnen Linien nicht völlig konstant, sondern nehmen im P-Zweig etwas zu und im /?-Zweig etwas ab. Der Grund dafür ist, daß die Rotationskonstante B = /2 2 /8 2 / den beiden Schwingungsniveaus nicht genau den gleichen Wert hat, und zwar wegen der Zunahme der Bindungslänge Re beim Übergang von v = 0 nach v = l. Re beeinflußt das Trägheitsmoment / und damit die Rotationskonstante B. Die Zunahme von Re beträgt zwar nur weniger als l %, aber schon diese kleine Veränderung des Moleküls wirkt sich auf das Spektrum aus. Die Abhängigkeit der Bindungslänge von v werden wir in Kap. 26 noch ausführlicher besprechen. Dort werden wir sehen, daß dieser Effekt hauptsächlich darauf beruht, daß Moleküle nicht streng harmonisch schwingen.

4.10 Elektronenenergie Neben Translations-, Rotations- und Schwingungsenergie enthalten Atome und Moleküle eine vierte Energieart, die in Kap. 3 noch nicht behandelt wurde. Allen Lesern ist hoffentlich das Energieniveauschema des Wasserstoffatoms vertraut, in dem die einzelnen Niveaus die Atomorbitale repräsentieren, die von dem Elektron dieses Atoms besetzt werden können und die wir als l s-, 2s-, 2p-, 3s-... Orbitale bezeichnen. Die Elektronenenergie des Wasserstoffatoms hängt davon ab, in welchem dieser Orbitale sich das Elektron aufhält, d. h. auf welchem Elektronenenergieniveau sich das Atom befindet. Solche elektronischen Niveaus gibt es sowohl in Atomen als auch in Molekülen. Im allgemeinen gibt es für ihre Berechnung keine einfachen Formeln das Wasserstoffatom bildet eine Ausnahme. Die Abstände zwischen Elektronenniveaus sind meistens recht groß; sie liegen im Bereich von 100 k T oder höher und sind damit 10- bis lOOmal größer als die typischen Abstände zwischen Schwingungsniveaus. Es ist deshalb klar, daß für die mathematische Behandlung der Elektronen-

4.10 Elektronenenergie

77

energie ausschließlich die Quantenmechanik verwendet werden muß. Experimentell können Elektronenniveaus spektroskopisch untersucht werden. Die Absorption oder Emission liegt meistens im sichtbaren Bereich (VIS) oder im ultravioletten Bereich (UV) des Spektrums. Unterhalb 1000 K befinden sich die Moleküle eines Stoffes fast ausschließlich auf dem tiefsten Elektronenniveau. Aus diesem Grund haben wir die Elektronenenergie bei der Behandlung der inneren Energie und der Wärmekapazität in Kap. 3 ignoriert. Nur ganz selten findet man nämlich einen Beitrag der Elektronen zur Wärmekapazität eines Moleküls. Deshalb wollen wir die Diskussion der Elektronenenergie bis zum Kap. 12 zurückstellen.

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur Nachdem wir die allgemeinen Eigenschaften der Energiezustände in isolierten Atomen kennengelernt haben, wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie die Moleküle eines Gases auf die einzelnen Zustände verteilt sind. Dies ist eine der wichtigsten Probleme in der physikalischen Chemie. Wenn wir es lösen können, sind wir in der Lage, die Gleichgewichtseigenschaften eines idealen Gases zu berechnen. Es ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache, daß sämtliche makroskopischen Eigenschaften eines idealen Gases, wie Energie, Wärmekapazität oder Gleichgewichtskonstanten, aus der Verteilung der Moleküle auf ihre Energiezustände abgeleitet werden können. Wir gehen so vor, daß wir zuerst die Lösung des Verteilungsproblems angeben und dann zwei Wege zu ihrer Ableitung in Verbindung mit einer historisch wichtigen Anwendung behandeln. Schließlich zeigen wir mit Hilfe des Verteilungsgesetzes, wie wir mit unserer Kenntnis der Energieniveaus die Temperatur und die Wärmekapazität auf molekularer Grundlage interpretieren können.

5.1 Die Boltzmann-Verteilung Wir betrachten eine Ansammlung von sehr vielen Molekülen, z. B. ein Gas bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck.

Beispiel 5.1 Berechnen Sie die Anzahl N der Moleküle in l m 3 O 2 bei 101 kPa und 298 K. (101-10 3 Pa)(lm 3 ) _ 1 1 v (8,31JK" mor )(298K) ' = 2,46 · 1025

1Q

Wir nehmen an, daß sich die Moleküle bei konstanter Temperatur T in einem Behälter mit dem Volumen V im thermischen Gleichgewicht befinden. Dies können wir z. B. erreichen, indem wir einen gasgefüllten Behälter mit starren, aber wärmedurchlässigen Wänden in ein sehr großes Flüssigkeitsbad mit der Temperatur eintauchen und abwarten, bis alle Teile des Gases diese Temperatur haben. Wenn wir die Anzahl der Moleküle auf dem niedrigsten Energieniveau 0 mit N0 bezeichnen, dann ist die Anzahl N{ der Moleküle, die sich auf irgendeinem anderen Energieniveaus ; befinden, durch die folgende Beziehung gegeben:

80

5 Boltzmann- Verteilung und Temperatur

^LL — KL e -(«i-eo)/kT NO

(5,1)

SO

Hierin istg0 bzw. g{ das statistische Gewicht oder die Entartung des Niveaus ε0 bzw. ε,, also die Anzahl der energiegleichen Quantenzust nde in den Niveaus. Gl. (5.1) nimmt Bezug auf den niedrigsten Energiezustand, jedoch gilt eine analoge Beziehung auch f r alle anderen Zust nde mit den Energien ε, und ε^: Ϊ5ί = !ί.β -(«·-«;>/"N J S;

(5.2)

Gleichung (5.1) wurde im Jahre 1868 von Ludwig Boltzmann aufgestellt. Sie wird als Boltzmannsches Energieverteilungsgesetz bezeichnet und ist eine der wichtigsten Gleichungen der physikalischen Chemie. (Ein Gasmolek l hat zwei Energieniveaus gleicher Entartung mit dem Abstand ε,· — EJ = kT. Wie gro ist das Besetzungsverh ltnis der beiden Niveaus in Abh ngigkeit von Γ?) Der Anteil der Molek le auf einem bestimmten Energieniveau bezogen auf ihre Gesamtzahl N kann wie folgt berechnet werden. Nach Gl. (5.1) ist

Die Gesamtzahl N der Molek le ist gleich der Summe von Nt ber alle Energieniveaus /:

N = ΣΛΓ, = — '

§0

«

tilkT

Daraus folgt ff.

N

y s-Q~

(5 3)

'

i=0

Die Summe ber die Energieniveaus im Nenner wird als molekulare Zustandssumme bezeichnet. Die Molek le sind auf die verschiedenen Energieniveaus verteilt, und jedes Glied der Zustandssumme ist der Anzahl Nt der Molek le proportional, die sich in einem bestimmten Niveau εί aufhalten. Wenn wir f r die Zustandssumme das Symbol z einf hren: 00

2= Σ*ιβ-* /Η ' i=0

(5-4)

vereinfacht sich Gl. (5.3) zu ΑΓ

£LI = !i N

p-£i/kT

z

(5.5)

5.2 Die Barometerformel

81

Die Zustandsumme z nimmt in der statistischen Thermodynamik eine Schlüsselrolle ein. Sie ist das Bindeglied zwischen den mikroskopischen molekularen Energien und den makroskopischen Variablen eines Systems. In Kap. l2 werden wir sehen, wie z für die Berechnung von Molekülenergien, Entropien, Wärmekapazitäten, freien Energien, Gleichgewichtskonstanten und anderen thermodynamischen Funktionen verwendet werden kann.

5.2 Die Barometerformel - eine einfache Ableitung einer Boltzmann- Verteilung Es gibt allgemeine Ableitungen der Boltzmann- Verteilung und solche, die auf bestimmten experimentellen Situationen beruhen. In diesem Abschnitt wird die Ableitung anhand eines Problems behandelt, nämlich der Abhängigkeit des Luftdruckes von der Höhe, das experimentell bereits 1648 von Blaise Pascal gelöst wurde, der hierzu ein Barometer auf den Berg Le Puy de Dome schaffen ließ. Stellen Sie sich einen zylinderförmigen Ausschnitt aus der Erdatmosphäre mit dem Querschnitt A vor, der sich vom Meeresspiegel (h — 0) bis zur Höhe h erstreckt (s. Abb. 5.1). Die Temperatur in dieser Luftsäule soll sich mit der Höhe nicht ändern (eine Annahme, die für die Atmosphäre natürlich nicht zutrifft). In der Höhe h betrage der Luftdruck P und die Dichte der Luft . Das Gewicht mg einer Masse m ist gleich der Gravitationskraft, die auf die Masse wirkt, und der Druck ist definiert als die Kraft, die auf eine Einheitsfläche ausgeübt wird. Die Druckdifferenz dP zwischen den Niveaus h und h + dh ist daher gleich dem Gewicht der Luftscheibe mit der Dicke ah geteilt durch den Querschnitt A dieser Scheibe:

(5.6) Für ein ideales Gas ist - PM/RT (Gl. (2.4)). Damit folgt

dh .*.

Abbildung 5.1 Skizze eines zylindrischen Ausschnitts aus der Erdatmosphäre zur Ableitung der Barometerformel.

82

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

Die Integration ergibt In P = - (gM/RT)h + const. Für h = 0 ist P = P0 (der Druck in Meereshöhe) und somit const. = \nP0. Also ist \n(P/P0) = - MghjRT oder (5 8)

"o

Mit R = Lk und M = Lm folgt

Der Term mgh im Exponenten von Gl. (5.9) ist die potentielle Energie eines Moleküls in der Höhe h in einem Gravitationsfeld: = mgh. Gl. (5.9) ist somit ein Beispiel für die Boltzmann-Verteilung (5.1) in der Formulierung — =e~ £ ' / f c r ^*o

(5.10)

Dabei wird vorausgesetzt, daß für die N0 Moleküle in Meereshöhe = 0 ist und daß alle statistischen Gewichte g gleich groß sind. Das D ruck Verhältnis P/P0 in den dünnen, volumengleichen Luftscheiben mit der Dicke ah ist genausogroß wie das Teilchenzahlverhältnis N/NQ in diesen Scheiben, weil der Druck der Teilchenzahl proportional ist (P = nRT/V= NkT/Vmit k,T,V= const.) Die Barometerformel ist also ein Spezialfall des Boltzmannschen Verteilungsgesetzes, in dem die Energieniveaus die potentiellen Energien von Molekülen im Gravitationsfeld der Erde darstellen. Weil die verschiedenen Formen der potentiellen Energie ineinander umgewandelt werden können, kann Gl. (5.10) aber auf alle Arten der potentiellen Energie angewendet werden, auch wenn sie speziell für die potentielle Energie im Gravitationsfeld entwickelt wurde. Da weiterhin auch potentielle und kinetische Energie ineinander umgewandelt werden können, sollte die Gleichung für alle Energieformen gültig sein.

Beispiel 5.2 Wie groß ist der Luftdruck in 700 m Höhe, wenn der Druck in Meereshöhe bei 300 K 100 Pa beträgt? Das gesuchte Ergebnis folgt aus Gl. (5.8). Da Luft zu ungefähr 20% aus O2 und zu 80% aus N 2 besteht, beträgt ihre molare Masse M = (0,20) (0,032) + (0,80) (0,028) = 0,0288 kg mor1. (0,0288kgmor1)(9,80ms-2)(1700m)1 = Q ^

Der Luftdruck in 1700 m Höhe beträgt P = (0,825) (l00 kPa) = 83 kPa.

5.3 Das Sedimentationsgleichgewicht

83

5.3 Das Sedimentationsgleichgewicht Die Barometerformel wäre von geringem praktischem Nutzen, wenn sie nur auf die Erdatmosphäre beschränkt wäre. Sie kann aber auch für andere Probleme, wie z. B. für die exakte Beschreibung der Sedimentation mikroskopisch kleiner Teilchen in einem fluiden Medium, verwendet werden. Im Jahre 1909 veröffentlichte Jean Perrin eine interessante Serie von Experimenten über ein solches Sedimentationsgleichgewicht. Diese Experimente vermittelten ein anschauliches Bild der Boltzmann-Verteilung und lieferten außerdem eine Möglichkeit zur Bestimmung der Avogadro-Konstante. Die zur Herstellung von Wasserfarben verwendete getrocknete Milch des vietnamesischen Gummibaums Garcinia morella wird als Gummigutt bezeichnet. Wird ein Stück Gummigutt unter Wasser zerrieben, bildet sich eine leuchtendgelbe Emulsion, die unter dem Mikroskop als ein Schwärm gelber Teilchen von perfekter Kugelgestalt erscheint. Die Kugeln haben unterschiedliche Größe, aber alle dieselbe Dichte von l ,207 g cm~ 3 bei 20 °C. Durch vorsichtige Zentrifugation können sie nach ihrer Größe sortiert werden. Auf diese Weise erhält man Suspensionen von gleichgroßen Kugeln. Zur Bestimmung der Verteilung der Kügelchen in einer solchen Suspension, die sich in einem Gravitationsfeld befindet, diente der folgende Versuchsaufbau. In eine ungefähr 100 dicke Glasplatte wurde ein Loch gebohrt, und die Glasplatte wurde dann auf eine plane Glasunterlage gekittet. Die Gummiguttemulsion wurde in die entstandene zylindrische Vertiefung eingefüllt. Für die Beobachtung benutzte man ein Mikroskop. Die Schärfentiefe war so klein, daß bei einer bestimmten Fokussierung jeweils nur die Teilchen in einer ungefähr l dünnen Schicht zu erkennen waren. Weil ein Wasserimmersionsobjektiv verwendet wurde, brauchte keine Korrektur für die Brechzahl durchgeführt werden. Die Niveauhöhe der beobachteten Schicht konnte mit einem Fehler von weniger als 0,25 direkt an der Skala der Mikrometerschraube für die Höhenverstellung des Mikroskops abgelesen werden. Die Teilchenzahl je Flächeneinheit auf den einzelnen Niveaus wurde in Abständen von 15s ausgezählt und aus den erhaltenen Ergebnissen für jedes Niveau der Mittelwert gebildet. Der Radius der Kügelchen wurde mit mehreren unterschiedlichen Methoden bestimmt. Das Gewicht eines Teilchens in Wasser ist%na3(Qg — Qw)g. Die Boltzmann-GIeichung kann für diesen Fall folgendermaßen geschrieben werden:

N

—|

3

(

— Qw)gh

Abb. 5.2 zeigt das Ergebnis eines dieser Experimente. Das Bild entstand, indem die zeichnerischen Darstellungen der Teilchenzahl je Flächeneinheit auf fünf verschiede-

84

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

·. ·' »".· *· '' ."s ··':·*. -V '· :···'

Abbildung 5.2 Verteilung von Gummigutt-Kügelchen in einem Gravitationsfeld.

nen Niveaus, die jeweils den Abstand 10 voneinander hatten, senkrecht übereinandermontiert wurden; die Verteilung der Teilchen in Abhängigkeit von der Höhe ist darauf gut zu erkennen. Bei einem der mit der größten Sorgfalt ausgeführten Experimente, bei dem 1 3000 Kugeln ausgezählt wurden, ergab sich ein Teilchenradius von a = 0,212 . Die relative Anzahl W der Teilchen auf den verschiedenen Niveaus war: HöheA/ N

5

35

65

95

100

47

22,6

12

Wenn In 7V entsprechend Gl. (5.11) gegen h aufgetragen wurde, ergab sich die Steigung der Ausgleichsgeraden zu

= 2.42- 10* m-' Einsetzen der Werte < z = 0,212 Qg= 1,207 -10 3 kg m ~ 3 £w=l,00-103kgnr3

g =9,8067 m s~ 2 R= 8,3143 J K" 1 mol"1 T= 293,15 K

lieferte für die Avogadro-Konstante den Wert L = 7,3 · 1023 mol"1. In Anbetracht der relativ großen Meßunsicherheit ist die Übereinstimmung mit den Ergebnissen

5.4 Eine allgemeinere Ableitung der Boltzmann-Verteilung

85

anderer Methoden gut. Aus dem Verhältnis der Faraday-Konstante F zur elektrischen Elementarladung e (s. Abschn. 16.1) folgt z.B. 6 0222 1023 ^^^o^r.o-^c'· -'·1 e 1,602192 - 1 0 C ·

Vor den Perrinschen Versuchen zweifelten einige Wissenschaftler, darunter auch Wilhelm Ostwald, der Doyen der Physikochemiker, immer noch an der „realen Existenz" von Molekülen und Atomen. Der Wert von L, den Perrin aus seinen Gummiguttkügelchen ableiten konnte, stimmte mit dem für die Anzahl der Teilchen in einem Mol eines idealen Gases berechneten Wert gut überein. Die Philosophen konnten daher einräumen, daß mikroskopisch kleine Teilchen und Moleküle den gleichen ontologischen Rang haben (Die Ontologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Natur des Seins und des Seienden beschäftigt). Sie argumentierten nun folgendermaßen: Wenn Gummiguttkügelchen reale Gebilde sind, dann müssen die Moleküle eines Gases ebenfalls real sein. Wenn dagegen Moleküle lediglich gedankliche Konzepte darstellen, dann muß das auch für die Gummiguttkügelchen zutreffen. (Finden Sie dieses Argument überzeugend?)

5.4 Eine allgemeinere Ableitung der Boltzmann-Verteilung Die Boltzmann-Verteilung (5.3) läßt sich auch durch eine Ableitung gewinnen, die auf der Analyse von Wahrscheinlichkeiten beruht. Wir betrachten dazu ein System aus einer sehr großen Anzahl von Teilchen mit konstanter Temperatur T in einem Behälter mit dem konstanten Volumen V. Jedes Teilchen i habe eine bestimmte Energie ( . Die Teilchen sollen bei Zusammenstößen Energie austauschen können, und ihre potentielle Energie aufgrund von zwischen den Teilchen wirkenden Kräften soll im Mittel vernachlässigbar klein sein. Die Möglichkeit des Energieaustausches muß gegeben sein, damit sich Energie, die an irgendeiner Stelle zugeführt wird, gleichmäßig auf das ganze System verteilen kann. Nur dann kann sich das thermische Gleichgewicht einstellen, bei dem die Temperatur an jedem Ort des Systems gleich ist. Jetzt entnehmen wir dem Behälter eines der Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit, daß es die Energie besitzt, betrage pa. Da sich die Teilchen in dem Behälter in nichts anderem unterscheiden als in dem Energieniveau, auf dem sie sich zufälligerweise befinden, muß/?a irgendeine Funktion der Energie sein, d. h.pa ( ). Nun entnehmen wir ein weiteres Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit, daß es die Energie eb besitzt, beträgt pb(£b). Die kombinierte Wahrscheinlichkeit, daß das eine der entnommenen Teilchen die Energie und das andere die Energie eb hat, ist das Produkt/7 ( )/?6( ,)

86

5 Boltzmann- Verteilung und Temperatur

der voneinander unabhängigen Einzelwahrscheinlichkeiten. Die Energie des Teilchenpaares beträgt eab = t,a + eb. Da nichts außer seiner Energie Bab dieses Paar von irgendeinem anderen Paar unterscheidet, ist die Wahrscheinlichkeit für die Entfernung eines solchen Paares p(eab). Es gilt also: P (£ab) =P&a + 6ft) = P a (£a)Pb

fo)

(5-12)

Wir kommen nun zur Schlüsselfrage: Was ist die mathematische Konsequenz aus Gl. (5.12)? Die Antwort darauf ist, daß die Einzelwahrscheinlichkeiten/?7-(£y) in dieser Gleichung die Form ^

(5.13)

haben müssen; hierin sind A und Konstanten und j steht für a oder b. Dies läßt sich folgendermaßen beweisen. Gl. (5.12) ist der Beziehung f(w) = g(x)h(y)

(5.14)

äquivalent, mit w = x +y

(5.15)

Gl. (5.14) gilt für alle möglichen Wertepaare von zieren die beiden Seiten der Gl. (5.14) nach x:

und y und für alle w. Wir differen-

,

d*

dw dx

(y)

dx

Nach Gl. (5.15) ist aber dw/dx = 1. Wir teilen die linke Seite durch /(w) und die rechte durch g(x)(h(y) = /(H>) und erhalten \df l dg 7-7— = -f dw g dx

oder

dln/ ding —dw i— = —3dx —

(5.16)

Wenn Gl. (5.16) für alle Werte von je und von w gelten soll, muß jede Seite gleich ein und derselben Konstante sein, die wird — nennen wollen: dln/ = dw

. = ding dx

Somit ist ln/(w) = - ßw + const.

f(w) = Ae~ßw

Ing(jc) = — ßx + const.

g(x) = A'e~ßx

und

Mit den Symbolen für die Wahrscheinlichkeiten in Gl. (5.12) sind diese Beziehungen derinGl. (5. 1 3) angegebenen allgemeinen Form/) ( ) = Ae~ߣ, äquivalent. Der Wert der Konstante A folgt aus der Bedingung, daß die Summe aller Einzelwahrscheinlichkeiten p( gleich eins sein muß:

5.4 Eine allgemeinere Ableitung der Boltzmann-Verteilung

87

(5.17) A-

Aus Gl. (5.13) folgt damit p,(£{) = e'^'Xe"^ 1 . Wenn wir postulieren, daß die Entnahmewahrscheinlichkeit für alle Teilchen unabhängig von ihrer Energie gleich groß ist, gilt: f

Q~ßEi

N-I

\

/,

Hierin ist TV, die Anzahl der Teilchen mit der Energie , und N = die gesamte Teilchenzahl. Abgesehen von den in Gl. (5.18) fehlenden statistischen Gewichten sind Gl. (5.18) und Gl. (5.3) identisch, wenn die Beziehung/? = 1/ATerfülltist. Dies ist der Fall, wenn Gl. (5.18) unter Zugrundelegung der behaupteten Beziehung experimentell bestätigt werden kann. Ein geeignetes Experiment haben wir schon kenngelernt. Es ist die Bestimmung der Wärmekapazität einatomiger Gase wie Neon oder Helium. In Kap. 3 hat sich gezeigt, daß die Wärmekapazität ein Maß für die mittlere Molekülenergie darstellt. Zur Energie einatomiger Gase trägt nur die Translation bei. Die Messung der Wärmekapazitäten ergab, daß die mittlere molekulare Translationsenergie je Freiheitsgrad \k T, insgesamt also , = f ^Tbeträgt. Wir wollen nun , nach Gl. (5.18) berechnen und mit diesem experimentellen Ergebnis vergleichen. Für die mittlere Energie gilt (5-19)') i

Aus Gl. (5.18) und Gl. (5.19) folgt = U'-·..

(5-20)

Die quantenmechanische Energie einer eindimensionalen Translation in einem Niveau mit der Quantenzahl n beträgt nach Gl. (4.7) h2

n22 = cn2

(5.21)

mit c = A 2 /8wa 2 . Diese Beziehung verwenden wir für die Berechnung von ,. !

)

E

?7V''£i

Ni

E ist die Gesamtenergie des Systems aus N Teilchen.

88

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

In Gl. (5.20) wird über Energieniveaus summiert, für die Gl. (5.21) gilt. Die Summen schließen sehr viele Energieniveaus ein, und die Energie jedes Niveaus unterscheidet sich nur sehr wenig von der Energie der benachbarten (s. Abschn. 4.5). Unter diesen Voraussetzungen kann die Quantenzahl n als kontinuierliche Variable behandelt werden und die Summen in Gl. (5.20) können durch die entsprechenden Integrale ersetzt werden. Dann folgt durch Kombination von Gl. (5.20) und (5.21) oo

2 ßc 2 c Jf n/re - " dn ^-

(5-22)

Da die Beiträge zu den Integralen wegen des Faktors e~ßc"2 bei großen Werten von n verschwinden, stellt es kein Problem dar, daß die obere Grenze n = oo ist. Die Lösung der beiden Integrale im Zähler und im Nenner kann z. B. mathematischen Tabellenwerken entnommen werden: J x2e-bx2dx = $y^/b*

und

0

f 0

Mit diesen Lösungen folgt aus Gl. (5.22): 1

fl\f-lß„\l \2)(n/PC)

2

"> R ^P

Das Ergebnis der Berechnung von , mit Hilfe von Gl. (5.18) stimmt also mit dem experimentellen Wert £t = ^kT überein, wenn die Beziehung = 1/kT

(5.23)

gilt. Mit dieser Gleichsetzung geht Gl. (5.18) in die Boltzmann-Verteilung (5.3) über. Lediglich die statistischen Gewichte g{ fehlen. Sie tauchen bei der Ableitung nicht auf, weil die verwendeten Energieniveaus nicht entartet sind. Jedes dieser Niveaus enthält nur einen einzigen Quantenzustand mit der Quantenzahl n.

5.5 Die relative Besetzung von Molekülenergieniveaus Die Boltzmann-Gleichung (5.2) gibt die relative Besetzung zweier Molekülenergieniveaus an. Mit = ; — ,· kann sie wie folgt formuliert werden: (5.24)

N

J

Sj

5.5 Die relative Besetzung von Molekülenergieniveaus

89

Da die Frage nach der relativen Besetzung von Molekülenergieniveaus sehr häufig gestellt wird, gehört Gl. (5.24) zu den wichtigsten Gleichungen der physikalischen Chemie. Wesentlichen Einfluß auf die Besetzung hat der Exponentialfaktor in Gl. (5.24), der als Boltzmann-Faktor e~* bezeichnet wird. In Tab. 5.1 sind die Werte von e~* für einige Werte von = /kT aufgeführt. Tabelle 5.1 Zahlenwerte für den Boltzmann-Faktor e~x

0 1 2 3 4 5

l 0,37 0,14 0,05 0,02 0,007

Das Produkt fc ist so etwas wie ein „Maßstab für Molekülenergien", denn bei der Abschätzung von relativen Besetzungen müssen wir immer auf die Größe von relativ zu Brachten. Für kT, geht der Anteil der Moleküle auf höheren Niveaus gegen null. Bei 300 K ist kT = 4,1 · l (T 21 J. Dies entspricht der Wellenzahl 1/x = 200 cm"1. Werden molare Energien E verwendet, muß Gl. (5.24) etwas modifiziert werden: _L _ £/_ „- £/ 7·

JN· V

j

s öj

Bei 300 K ist RT = 2,5 kJ moP1. Mit Hilfe von Gl. (5.24) können wir die relative Besetzung von Energieniveaus in Ansammlungen von Molekülen berechnen, die sich im thermischen Gleichgewicht befinden. Die relative Besetzung der Translationsniveaus ist von der Besetzung der Rotations- und Schwingungsniveaus unabhängig. Dies folgt wegen e*+y = exe>> direkt aus der Unabhängigkeit der Molekülenergien und der exponentiellen Form von Gl. (5.24). Zuerst wollen wir die Energieverteilung bei 300 K abschätzen, indem wir die Größe der Energiequanten mit dem Wert von kTbei dieser Temperatur vergleichen.

Translation. In Abschn. 4.5 haben wir die Energie des niedrigsten Translationsniveaus (111) von O 2 berechnet. In ähnlicher Weise können wir die Energie des dreifach

90

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

entarteten nächsthöheren Niveaus (211) bestimmen, das aus den energiegleichen Zuständen (211), (121) und (112) besteht. Das Ergebnis zeigt, daß die beiden Niveaus durch eine Energielücke = 211 — = 9 · " 40 J voneinander getrennt sind. Der Vergleich zwischen und kT = 4 · 10 ~ 2 1 J ergibt, daß ein Translationsquant bei T = 300 K ungefähr die Größe 2 · 10 "19 &That, weswegen der Boltzmann-Faktor exp(—10" 19 ) sehr nahe bei eins liegt. Das Besetzungsverhältnis für die beiden Niveaus ist somit gleich dem Verhältnis ihrer Entartung, nämlich l : 3. Da die Translationsquanten verglichen mit k T so klein sind, ist es klar, daß die Moleküle eines Systems auf sehr viele Translationsniveaus verteilt sein müssen. Rotation. Der in Abschn. 4.7 berechnete Wert = 6 · 10~ 23 J für ein Rotationsquant von O 2 ist für viele kleinere Moleküle typisch. Im Vergleich zu kT = 4 · 10" 2 1 J ist also ziemlich klein. Die Moleküle in einem System verteilen sich daher auf relativ viele Niveaus - bei 300 K auf ungefähr zehn bis hundert. (Im Abschn. 4.7 haben wir gezeigt, daß sich ein O2-Molekül mit einer Rotationsenergie von kT bei 350 K im Niveau mit J = 13 aufhält.) Schwingung. Schwingungsquanten sind bei 300 K ungefähr 2- bis lOmal so groß wie kT. Beim O2-Molekül ist die Energie der Schwingungsquanten bei der Schwingung mit der Wellenzahl 1580 cm"1 z. B. fast 8mal größer als kT. Der Boltzmann-Faktor für das Besetzungsverhältnis ist daher sehr klein (jVj/7V 0 = ~ /* = e ~ 1580/20 ° = 4 · l O"4), und fast sämtliche Moleküle befinden sich auf dem tiefsten Schwingungsniveau mit v = 0. Diese Situation ist typisch für die meisten zweiatomigen Moleküle. Vielatomige Moleküle weisen dagegen oft einige energiearme Schwingungen mit Wellenzahlen < 500 cm"1 auf. Wie die Boltzmann-Faktoren in Tab. 5.1 zeigen, ist bei 300 K ein kleiner Teil dieser Moleküle (einige Prozent) auf das Niveau v = l dieser Schwingungen angeregt. Elektronen. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, ist das Grundniveau vom ersten angeregten Niveau durch eine Energielücke von wenigstens 100 kT getrennt, so daß der Boltzmann-Faktor nahe bei null liegt; bei 300 K befinden sich deshalb so gut wie alle Moleküle im elektronischen Grundzustand. Eine typische Verteilung sieht also etwa folgendermaßen aus: Die Moleküle in einem Liter Sauerstoff verteilen sich bei 300 K auf eine riesige Anzahl von Translationsniveaus - in der Größenordnung von l O30; die Rotationsenergie ist auf eine wesentlich kleinere Anzahl von Niveaus verteilt - in der Hauptsache auf die ersten 50; über 99 % aller Moleküle befinden sich auf dem niedrigsten Schwingungsniveau und so gut wie alle im elektronischen Grundzustand. Abb. 5.3 zeigt die relative Besetzung der drei untersten Schwingungsniveaus in C12 bei drei verschiedenen Temperaturen. In Abb. 5.4a ist die Besetzung der Rotationsniveaus in CO bei 298 K dargestellt. Das niedrigste Niveau (/ = 0) ist nur schwach besetzt. Das Maximum der Besetzung liegt bei J =1. Dieses Maximum tritt auf, weil

5.5 Die relative Besetzung von Molekülenergieniveaus 100 r-

91

300 K s 500 K

>

80

1000 K S 60 CO

14° QC 20

0L

· 2 v=

U

tr-1

Abbildung 5.3 Relative Besetzung der Schwingungsniveaus in C12 bei drei verschiedenen Temperaturen.

8 5 10

O)

c

4

3

12

c o

2

m

14

^ _to 2

o

.8

16 18||

0

. . i i9il illll

2240

(a)

2200 (b)

2160 cm-1

Abbildung 5.4 Vergleich des (b) -Zweigs (J" = 0 -» /' = l, 7" = l ->· J' = 2, usw.) des Absorptionsspektrums von CO (Schwingungsübergang u" = 0 -n/ = 1) mit (a) der für 298 K berechneten relativen Besetzung der Rotationsniveaus, von denen aus die Anregung erfolgt. Die Zahlen über den Strichen sind die Quantenzahlen J". Bedingt durch die Meßmethode sind die Bandenintensitäten der Anzahl der absorbierenden Moleküle nur ungefähr proportional. Führt man entsprechende Korrekturen durch, dann ergibt sich aber eine ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen den relativen Intensitäten der Banden und der relativen Besetzung der Rotationsniveaus.

in der Boltzmann-Gleichung zwei Faktoren miteinander konkurrieren, nämlich der Exponentialfaktor, der der Besetzung höherer Niveaus entgegenwirkt, und die Entartung gj = (2J + 1), die sie begünstigt. Wenden wir uns jetzt noch einmal einem schon in Abschn. 4.9 angesprochenen Problem zu, nämlich den Linienintensitäten im IR-Absorptionsspektrum von CO (Abb. 4.4). Warum ändern sich diese Intensitäten im P- und /?-Zweig? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Boltzmann-Verteilung. Das Intensitätsverhältnis von Absorptionslinien wird in erster Näherung durch die relative Besetzung der

92

5 Boltzmann-Verteilung und Temperatur

Energieniveaus bestimmt, die die Absorptionen verursachen. Die Intensitäten der IR-Spektrallinien spiegeln also die relative Besetzung der Rotationsniveaus im COMolekül direkt wieder. In Abb. 5.4 sind die nach Gl. (5.24) mit gj = (2J + 1) berechnete Besetzung der Rotationsniveaus (Abb. 5.4a) und der /?-Zweig des IR-Spektrums von CO (Abb. 5.4b) einander gegenübergestellt. Die Übereinstimmung zwischen den experimentellen und den berechneten Werten ist ein weiterer Beweis für die Gültigkeit des Boltzmannschen Verteilungsgesetzes. Beispiel 5.3 Die Grundschwingungsfrequenz von O 2 beträgt 4,738 · 1013 Hz. Welcher Anteil der O2-Moleküle enthält bei 1000 K zwei Schwingungsquanten h v? hv = (6,26 · 10"34 J s)(4,738 · 1013 s'1) = 3,139 · 10~ 20 J kT= (1,381 •1„= F-A

(6.3)

Hierin ist Fdie auf den Kolben wirkende Kraft, die z. B. durch dessen Eigengewicht oder durch aufgelegte Massenstücke erzeugt wird. Im Gleichgewicht ist der Gasdruck gleich dem Außendruck, P' = ,Pe'x; die Resultierende der angreifenden Kräfte ist dann null und der Kolben verharrt in Ruhe. Legen wir ein zusätzliches Gewichtsstück auf, wird Pex > P' und der Kolben bewegt sich solange in Richtung der Schwer-

6.2 Volumenarbeit

105

v System

Abbildung 6.1 Ein System, das aus einem gasgefüllten Zylinder und dessen Umgebung besteht.

Umgebung

kraft und komprimiert dabei das Gas, bis dessen Druck P = Pejl beträgt und wieder Gleichgewicht herrscht. Während sich der Kolben nach unten bewegt, wird an dem Gas Arbeit verrichtet:

(6.4)

Far = -Adr = A

A ist der Kolbenquerschnitt und d V = A dr die differentielle Volumenänderung. Beachten Sie, daß das Volumen des Gases abnimmt, wenn sich der Kolben um die Strecke dr bewegt: d V ist daher bei positivem dr negativ. In Gl. (6.4) muß d V mit negativem Vorzeichen eingesetzt werden, damit die am System geleistete Arbeit dw positiv ist. Wenn der äußere Druck während einer Volumenänderung von Vv auf V2 konstant gehalten wird, können wir die Arbeit durch Integration von Gl. (6.4) berechnen:

(6.5)

w =-

Beispiel 6.2 Berechnen Sie die an 10 m 3 eines Gases verrichtete Arbeit, wenn es bei einem konstanten Druck von l O3 kPa auf 5 m 3 komprimiert wird. = (-10 3 -10 3 Pa)(-5m 33) =

= 5-106J.

Wird eine Volumenänderung in der Weise durchgeführt, daß der äußere Druck in jedem Stadium des Prozesses bekannt ist, können wir Kais Funktion von Pex in einem Diagramm darstellen. Abb. 6.2a zeigt ein Beispiel für ein solches P, F-Diagramm. Die bei der Kompression an dem System verrichtete Arbeit ist gleich der gerasterten Fläche unter der Kurve. Selbstverständlich hängt der Betrag der auf dem Weg von Punkt A nach Punkt B in Abb. 6.2a verrichteten Arbeit vom Verlauf des Weges ab. In Abb. 6.2b sind zwei verschiedene Wege dargestellt. Auf dem Weg ADB wird offensichtlich mehr Arbeit als

106

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie (b)

(a)

äußerer Druck

fe » = -/Ja P» dV

Volumen

Abbildung 6.2 P, F-Diagramme (a) für einen allgemeinen Übergang von A nach B und (b) für einen Kreisprozeß ADBCA; die gerasterten Flächen geben die Volumenarbeit an.

auf dem Weg ACB verrichtet, da die Fläche unter der Kurve ADE größer ist. Wenn wir von A über D nach B und weiter über C zurück nach A gehen, haben wir einen Kreisprozeß durchgeführt. Die dabei insgesamt verrichtete Arbeit ist die Differenz der Flächen unter den beiden Kurven. Sie entspricht dem gerasterten Feld in Abb. 6.2b.

6.3 Gleichgewichtswege und reversible Prozesse In der physikalischen Chemie unterscheidet man streng zwischen einer Änderung und einem Prozeß. Bringt man ein System von einem Zustand A in einen ändern Zustand B, unterliegt es einer bestimmten Zustandsänderung A -»· B. Zu ihrer Definition genügt die Angabe des Anfangs- und des Endzustandes. Die Änderung irgendeiner Zustandsfunktion Z bei der Änderung von A nach B beträgt Z = ZA — ZB (Endwert von Z minus Anfangswert von Z). Ein System kann auf vielen verschiedenen Wegen von A nach B gelangen. Jeder dieser verschiedenen Wege entspricht einem Prozeß. Für die Beschreibung eines Prozesses ist die genaue Angabe der Zustände entlang des Weges von A nach B notwendig (d. h., der Weg muß angegeben werden), während eine Zustandsänderung durch die Angabe des Anfangszustandes A und des Endzustandes B bereits vollständig beschrieben wird.

6.3 Gleichgewichtswege und reversible Prozesse

107

Wenn jeder Punkt auf der Pex, F-Kurve eines Systems einen Gleichgewichtszustand angibt, liegt der - sehr spezielle - Fall vor, daß den Außerdruck /*ex immer gleich dem Druck des Gases P ist. Eine solche Kurve ist eine Gleichgewichtskurve des Systems. Abb. 6.3 zeigt dafür ein Beispiel.

Abbildung 6.3 P, F-Diagramm für die an einem System verrichtete Arbeit (gerasterte Fläche); das System besteht aus einem Gas im Gleichgewichtszustand (P = Pex).

VA

Die Berechnung der Arbeit aus den Zustandsfunktionen P und V ist nur für den Fall möglich, daß ein System bei Zustandsänderungen immer im Gleichgewicht ist, d. h. wenn die Änderung von A nach B über eine kontinuierliche Folge von Gleichgewichtszuständen erfolgt. Ist dies der Fall, dann sprechen wir von einem reversiblen Prozeß; dabei spielt es keine Rolle, ob der Prozeß mit endlicher Geschwindigkeit abläuft oder ob seine Geschwindigkeit null ist. Um ein Gas entsprechend Abb. 6.3 reversibel zu expandieren, muß der äußere Druck so langsam vermindert werden, daß er in jedem Moment gleich dem Gasdruck ist. Wenn der Druck um einen verschwindend kleinen Betrag unter den Gleichgewichtsdruck P gesenkt wird, dehnt sich das Gas um d Faus; wird der Druck um einen infinitesimalen Betrag über den Gleichgewichtsdruck P hinaus erhöht, nimmt das Volumen um d V ab. Grundsätzlich ist der Gleichgewichtsweg also ein reversibler Weg. Ein reversibler Prozeß kann jedoch immer nur der idealisierte Grenzfall eines realen Prozesses sein, da völlig reversible Zustandsänderungen unendlich lang dauern würden. Im Gleichgewicht gilt Pex = P; mit Gl. (6.4) folgt = — Pd V (reversibel)

(6.6)

108

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

6.4 Isotherme reversible Kompression eines idealen Gases Gleichung (6.6) ist besonders einfach für ein ideales Gas bei konstanter Temperatur zu lösen. In diesem Fall ist P = nRT/V; durch Einsetzen in Gl. (6.6) folgt

(6.7)

v

Integration von Gl. (6.7) ergibt w= { -nRTdlnV Bei einer Volumenänderung von Vl nach V2 ist die Volumenarbeit w = — nRT(\n V2 — In V^) = — nRTln—

(6.8)

l

Da für ein ideales Gas Pv Vv — P2 V2 ist, gilt auch w = nRT\n-^

(6.9)

Beispiel 6.3 Welche Arbeit ist erforderlich, um l mol eines idealen Gases bei 300 K reversibel von 100 kPa auf 400 kPa zu komprimieren? w = (1 mol)(8,314 J K'1 mol^KSOO K)In = 3460 J Die Kompression eines Gases kann isotherm durchgeführt werden, indem der gasgefüllte Zylinder mit dem beweglichen Kolben in ein sehr großes Wasserbecken mit konstanter Temperatur eingetaucht wird. Wird das Gas im Zylinder reversibel komprimiert, dann wird an ihm entsprechend Gl. (6.9) die Arbeit w verrichtet. Wie wir bei der Behandlung der Translations-, Rotations- und Schwingungsenergie gesehen haben, hängt die innere Energie eines idealen Gases lediglich von seiner Temperatur ab, ändert sich also nicht, wenn es bei konstanter Temperatur T von Ft auf V2 komprimiert wird. Bei der Verdichtung wird zwar die makroskopische Bewegung des Kolbens in die mikroskopische Bewegung der Gasmoleküle umgewandelt und infolgedessen sollte die innere Energie und damit die Temperatur des Gases ansteigen; da

6.5 Eine umfassende Definition der Arbeit

109

jedoch durch Zusammenstöße der Gasmoleküle mit der Behälterwand Energie auf den Behälter und von diesem wiederum auf das große Wasserbad übertragen wird, welches das System umgibt, bleibt die Temperatur praktisch konstant - vorausgesetzt, das Wasserbad ist genügend groß.

6.5 Eine umfassende Definition der Arbeit Jede Arbeit in mechanischen Systemen kann als das Produkt aus einem intensiven Faktor - einer Kraft - und einem extensiven Faktor - einer Verschiebung - formuliert werden. In ähnlicher Weise lassen sich auch die anderen Formen der Arbeit darstellen. In der physikalischen Chemie interessieren wir uns z. B. häufig für Vorgänge in elektrochemischen Zellen. Im Falle der elektrischen Arbeit müssen wir zur Berechnung anstelle der Kraft die elektromotorische Kraft (EMK) feiner Zelle verwenden und anstelle der differentiellen Verschiebung dr die ausgetauschte elektrische Ladung dQ (bei der Entladung einer Zelle ist dQ < 0). Die differentielle Arbeit ist dann dw = EdQ.

Tabelle 6.1 Verschiedene Formen der Arbeit Intensiver Faktor

Extensiver Faktor

Differentielle Arbeit dw

Spannung F Oberflächenspannung Druck P Elektromotorische Kraft E Magnetische Flußdichte B

Länge / Fläche A Volumen V Ladung Q Magnetisierung M

Fdl yaA -PdV EdQ BdM

In Tab. 6.1 sind verschiedene Formen der Arbeit zusammengestellt [Warum tritt nur im Falle der Volumenarbeit ein negatives Vorzeichen auf?].

Beispiel 6.4 Die Oberflächenspannung von flüssigem Quecksilber bei 273 K beträgt y = 4,70 N m"1. Berechnen Sie die Arbeit, die mindestens erforderlich ist, um l kg Quecksilber in Kügelchen von l Durchmesser zu zerteilen. Die Dichte von Quecksilber bei 273 K beträgt = 13,6 · l O3 kg m3. dw = ydA,w = (

2

— AI)

2.

Die Anzahl der Kügelchen ist gleich dem Volu-

110

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

men von l kg Quecksilber (m/ ), geteilt durch das Volumen eines Quecksilbertröpfchens A2 = ( = 6(1,00 kg)/(13,6 · 103 kg m.-3)(l,00 · 10~ 6 m) = 441 m 2 w = (4,70 N m~ 1 )(441 m2) = 2070 N m = 2070 J

6.6 Der Wärmebegriff Die gleichen experimentellen Beobachtungen, die zum Temperaturbegriff führten, führten auch zum Begriff der Wärme. Über viele Jahrhunderte hinweg unterscheiden die Naturphilosophen jedoch nicht klar zwischen den beiden Begriffen und gebrauchten oft für beide die gleiche Bezeichnung color. Joseph Black of Edinburgh war gegen Ende des achtzehnten Jahrhundert - einer der ersten, die den Unterschied zwischen der extensiven Größe Wärme und der intensiven Größe Temperatur deutlich machten. Er zeigte, daß zwei Körper a und b im thermischen Gleichgewicht die gleiche Temperatur haben müssen (Ta — Tb). Angenommen, zwei Körper a und b mit T" > Tb werden miteinander in Kontakt gebracht. Dann fließt solange Wärme von a nach b, bis das thermische Gleichgewicht T" = Tb erreicht ist. Wärme kann, wie in diesem Beispiel, durch Leitung von einem System auf ein anderes übergehen, aber auch durch Strahlung (als elektromagnetische Energie) oder durch Konvektion (in Verbindung mit einem Materiestrom). Es ist falsch, zu sagen, ein System enthalte Wärme. Die Wärme ist eine Art des Energietransports, die auftreten kann, wenn zwischen zwei Systemen ein Temperaturgradient besteht oder ein Stoffaustausch abläuft. Nach dem Energieübergang dürfen wir uns lediglich auf die Energie eines Systems und niemals auf die Wärme in dem System beziehen. Schon die Menschen in der Steinzeit kannten den Zusammenhang zwischen Wärme und makroskopischer Bewegung, der bei Reibungsvorgängen evident ist. Den Philosophen war ein Zusammenhang zwischen Wärme und mikroskopischer Bewegung selbstverständlich. So schrieb Francis Bacon im Jahre 1620: Heat itself, its essence and quiddity, is motion and nothing else... Heat is a motion of expansion, not uniformly of the whole body together, but in the smaller parts of it... The body acquires an alternating motion, perpetually quivering, striving, and struggling, and initiated by repercussion, whence springs the fury of fire and heat. Wenn auch das Verständnis der Wärme als Bewegung keine Schwierigkeiten machte, so bereitete doch das Herausfinden des richtigen Zusammenhangs zwischen War-

6.7 Der erste Hauptsatz für ein geschlossenes System

111

me und Arbeit erhebliche Schwierigkeiten. Ursprünglich nahm man irrtümlich an, die Wärme sei ein masseloses, unzerstörbares fluides Medium, während man die Arbeit als eine von Menschen oder Zugtieren geleistete, mit Schweiß und Mühsal verbundene Tätigkeit betrachtete. 1798 untersuchte Benjamin Thompson in München die beim Bohren von Kanonenrohren mit Pferdekraft auftretende Wärme und berechnete ein mechanisches Wärmeäquivalent J= w/q = 5,46 J cal"1 (in unseren, nicht in seinen Einheiten). Im Jahre 1852 berechnete Julius Robert Meyer aus der Temperaturerhöhung von Wasser, die durch die Änderung der potentiellen Energie von Gewichtsstücken bewirkt wurde, den Wert J = 3,56 J cal"1. Heute ist die Kalorie (cal) keine selbständige Einheit mehr; nach internationaler Übereinkunft ist l J = 4,1868 cal.

6.7 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ein geschlossenes System Die Grenzen eines geschlossenen Systems sind für Energie, nicht aber für Materie durchlässig. Die Umgebung kann Arbeit w am System verrichten und durch seine Wände kann Wärme q fließen. Sowohl die Arbeit w als auch die Wärme q tragen zur Änderung U der inneren Energie des Systems bei. Ist UB die Energie am Ende und £/A die Energie am Anfang, dann gilt I/B- U^ = &U = q+w

(6.10)

Gl. (6.10) ist ein mathematischer Ausdruck für den ersten Hauptsatz der Thermodynamik, der auf den ersten Blick eigentlich recht einleuchtend erscheint. Warum bedurfte es wohl dennoch der Anstrengung so erleuchteter Geister wie Joule und Helmholtz, um ihn während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts im Bewußtsein der Wissenschaft zu verankern? Die Bedeutung von Gl. (6.10) liegt darin, daß durch sie eine Zustandsfunktion mit Größen, die keine Zustandsfunktionen sind, verknüpft wird. U ist die Änderung einer Zustandsfunktion des Systems, also eine Größe, die nicht von der Geschichte des Systems oder von Einzelheiten des Weges zwischen zwei Zuständen abhängt, sondern einfach und ausschließlich vom Anfangs- und Endzustand. Die Größen q und w sind dagegen keine Zustandsfunktionen. In Abb. 6.2 haben wir z. B. gesehen, daß die an einem System verrichtete Volumenarbeit vom Weg zwischen dem Anfangsund Endzustand abhängt. Aus Gl. (6.10) ergibt sich aber die wichtige Tatsache, daß die Summe q + w eine Zustandsfunktion ist, obwohl weder q noch w Zustandsfunktionen sind.

112

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

6.8 Vollständige Differentiale und Zustandsfunktionen Ist die Änderung der inneren Energie infinitesimal klein, können wir Gl. (6.10) in der Form dU=dq + dw

(6.11)

schreiben. Wenn die Ausdrücke d U, dq und dw auch formal gleich aussehen, besteht zwischen ihnen mathematisch doch ein Unterschied. Wir müssen nämlich zwei Arten von Differentialen unterscheiden. Die Differenzierung von Zustandsfunktionen ergibt vollständige Differentiale. Beispiele dafür sind d t/, d V und d T. Für die Integration eines vollständigen Differentials genügt die Kenntnis des Anfangs- und des Endzustandes des Systems. Nehmen wir z. B. das Differential d U der inneren Energie. Die Änderung der inneren Energie zwischen den Zuständen A und B ist B

AU = J(dU = UO R-UAA A

Den Weg, der von A nach B führt, brauchen wir nicht zu kennen. Dies gilt nicht für die Größe dw, die ein unvollständiges oder unbestimmtes Differential ist, d.h. nicht das Differential einer Zustandsfunktion. Wir können die Integration von d w zwischen den Grenzen A (Anfangszustand) und B (Endzustand) nur durchführen, wenn wir den genauen Weg von A nach B kennen. Dies ist im P, VDiagramm der Abb. 6.2 anschaulich gezeigt. Die am System verrichtete Arbeit hängt von der Form der Kurve im Diagramm ab. Wir können jetzt die Bedeutung von Gl. (6.11) erkennen. Zwar ist weder dq noch dw ein vollständiges Differential, wohl aber ihre Summe dq + dw, die gleich dem vollständige Differential dU ist. Dies ist eine mathematische Folgerung aus dem Energieerhaltungssatz, wenn dieser auf Zustandsänderungen durch Wärmeübergang und Arbeit angewendet wird. Gl. (6.11) ist eine wichtige Form des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik. Ist eine Zustandsfunktion eine Funktion von zwei oder mehr unabhängigen Variablen, dann kann ihr vollständiges Integral immer als eine Summe von Gliedern geschrieben werden, die jeweils die Änderung in Abhängigkeit von einer der Variablen angeben. Ist z.B. U eine Funktion von V und , also U (V, T), lautet das vollständige Integral von U:

Die Funktion (dU/dV)T ist die partielle Ableitung von U nach V bei konstanter Temperatur . Sie gibt die Änderung von U in Abhängigkeit von Fan, wenn dabei T konstantgehalten wird. Die Funktion (dU/dT)v ist die partielle Ableitung von U

6.9 Die Enthalpie

113

Steigung-^--

Abbildung 6.4 Die innere Energie U als Funktion von V und T und die geometrisch( Bedeutung der partiellen Ableitungen und (dU/dT)y.

nach T bei konstantem Volumen V (Wir haben diese Funktion schon als Wärmekapazität bei konstantem Volumen, Cv, kennengelernt). In Abb. 6.4 ist Gl. (6.12) anschaulich dargestellt. Die Funktion U (V,T) repräsentiert eine Fläche im C7, V,TRaum. Die partiellen Ableitungen sind Kurven auf dieser Fläche, und zwar entweder bei einem konstanten Wert von V oder von T.

6.9 Die Enthalpie Die innere Energie U ist eine sehr nützliche Zustandsfunktion für Prozesse, bei denen das Volumen konstant bleibt. Die meisten Messungen im chemischen Labor werden jedoch nicht bei konstantem Volumen, sondern bei konstantem Druck ausgeführt. In diesem Fall ist es günstig, den Druck P und die Temperatur T als unabhängige Variable zu benutzen. Für den Gebrauch dieser Variablen wurde eine neue Zustandsfunktion, die Enthalpie H, wie folgt definiert: H=U+PV

(6.13)

[Warum ist H eine Zustandsfunktion?] Beim Übergang eines Systems vom Anfangszustand (1) in den Endzustand (2) ist

(H2 - H,) = (U2 - U,) + (P2 V2 - P, V,) (6.14) Betrachten Sie den Versuchsaufbau in Abb. 6.5. Er gleicht dem in Abb. 3.11 gezeigten, doch wird jetzt der Druck P und nicht das Volumen V konstant gehalten. Nur ein Teil der dem Gas durch den Heizdraht zugeführten elektrischen Energie wird nun zur Erhöhung der inneren Energie des Systems verwendet, der andere Teil dagegen zur Leistung von Arbeit — dw = PaV für die Expansion des Gases bei konstantem Druck. Aus Gl. (6.13) folgt bei konstantem Druck die Beziehung dH = dU + PaV.

114

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

Abbildung 6.5 Bestimmung von CP durch Zufuhr von elektrischer Energie bei konstantem Druck P (C = Heizspirale, S = Rührer, T = Thermometer, W = Isolierung).

Der Temperaturkoeffizient von H bei konstantem P beträgt (6.15)

Cp =

Cp ist die Wärmekapazität bei konstantem Druck. Wir können sie bestimmen, indem wir die Energiezufuhr und die daraus resultierende Temperaturerhöhung messen. Bei bekanntem CP können wir die Enthalpieänderung mit der Temperatur bei konstantem Druck berechnen: (6.16)

Beispiel 6.5 Zwischen 1 80 und 3 1 0 K gilt für CP (in J K bei 100 kPa die folgende empirische Gleichung: Cp = 77,28 - 2,07 ·

l

mol ) von flüssigem CS2

" 2 + 5,15 · 10~ 5 T2

Wie groß ist die Enthalpieänderung AH, wenn l mol CS2 bei 100 kPa von 180 auf 310 K erhitzt wird? Nach Gl. (6.16) gilt bei konstantem Druck 310

310

# = \ (A+BT+CT2)dT=\ 180

" 3

L

2 07·10~ = 77,28(310 - 180) - -— 515 10

'

5

(3103-1803)

= 10050 - 660 + 410 = 9800 J

180 2

(3102 - 1802)

6. 10 Die Differenz CP - Cv

115

6.10 Die Differenz CP - Cv Die Wärmekapazität bei konstantem Druck, CP = (dH/dT)P., ist normalerweise größer als die Wärmekapazität bei konstantem Volumen, Cv = ( d U / d T ) y , da bei konstantem P in der Regel ein Teil der zugeführten Wärme für die Verrichtung von Volumenarbeit anstatt zur Erhöhung der Temperatur verbraucht wird, was bei konstantem V nicht möglich ist. Eine Gleichung für die Differenz CP — Cv erhält man wie folgt.

-

~-**

~™

M i t / / = U + PV folgt

Aus Gl. (6.12) ergibt sich nach Division durch dTbei konstantem P:

id_u\ _ fdu\ fd_v\ (dTjP ~ \dV)T (dTjP

idu\ +

(dTv

Substitution dieses Ausdrucks in die obere Gleichung liefert

(6,7)

Das Glied P(öVjd T}P ist der Beitrag zu CP durch die Volumenänderung des Systems bei konstantem äußeren Druck P. Das andere Glied (dU/d V}T(d VjdT)P ist der Beitrag zu Cp durch die Energie, die erforderlich ist, um das Volumen gegen die inneren Kohäsionskräfte der Substanz zu vergrößern. Der Term (dUjdV}T wird als Binnendruck bezeichnet. Bei Flüssigkeiten und Feststoffen, bei denen die Kohäsionskräfte relativ groß sind, ist der Binnendruck normalerweise groß, bei Gasen dagegen klein im Vergleich zum Druck P. Für ideale Gase ist (dUjd V}T = 0, da zwischen den Molekülen keine Kräfte existieren. Außerdem folgt für ideale Gase mit V= nRT/P, (öV/dT)P = nR/P aus Gl. (6.17) die Beziehung Cp - Cv = nR (ideales Gas) [Für l Mol Argon ist Cv = l R. Wie groß ist CP7]

(6.18)

116

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

6.11 Die Enthalpieänderung bei Phasenumwandlungen Vorgänge wie das Schmelzen oder das Sublimieren eines festen Stoffes, die Verdampfung einer Flüssigkeit oder den Übergang eines festen Stoffes von einer Kristallstruktur in eine andere bezeichnen wir als Phasenumwandlungen oder als Änderungen des Aggregatzustandes. Die Phasenumwandlung eines Stoffes ist mit einer Änderung der inneren Energie U und der Enthalpie H verknüpft. Betrachten wir z. B. die Umwandlung flüssiges Wasser -»· Wasserdampf AH (Verdampfung) = #(H2O, g) - //(H20,1) Die kinetische und potentielle innere Energie der Wassermoleküle in den beiden Aggregatzuständen ist sehr verschieden. In einer kondensierten Phase sind die intermolekularen potentiellen Energien viel negativer als in einem Gas (d.h. die Anziehungskräfte sind größer). Diese Kohäsionsenergie ist für die Kondensation eines Gases verantwortlich, wenn es unter die Siedetemperatur der korrespondierenden Flüssigkeit abgekühlt wird. Wird ein Stoff von 7\ auf T2 erwärmt und findet dabei eine Phasenumwandlung statt, muß die Enthalpieänderung bei dieser Umwandlung in der Berechnung der gesamten Enthalpieänderung AH berücksichtigt werden. Abb. 6.6 zeigt die Enthalpie eines Mols H 2 O in Abhängigkeit von T. Beachten Sie die sprunghafte Änderung von H bei der Schmelz- und Siedetemperatur. Enthalpieänderungen bei Phasenumwandlungen werden manchmal auch als latente Wärmen bezeichnet. Dieser Name geht auf die historische Terminologie von Joseph Black (1860) zurück.

Abbildung 6.6 Die molare Enthalpie H° von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur T. Bei den Phasenübergängen fest-flüssig (Schmelzen) und flüssig-gasförmig (Verdampfung) ändert sich die Enthalpie sprunghaft (A//fus = Schmelzenthalpie, A//vap = Verdampfungsenthalpie).

-250

200

300

250 TlK

350

400

6.12 Die innere Energie bei chemischen Reaktionen

117

Beispiel 6.6 Wie groß ist die Enthalpieänderung //, wenn l mol Wasser bei 101 kPa von 353 auf 393 K erwärmt wird? Die folgenden Werte sind verfügbar: CP(1, H2O) = 7 5 , O J K ~ 1 //'vap = 47,3 kJ mol" 1 bei 373 K CP(g, H2O) = 35,4 J K" 373

393

//= f 75,0 d T + 4 7 300 + f 35,4dT= 49500J. 353

373

6.12 Die Änderung der inneren Energie bei chemischen Reaktionen Wir wollen uns jetzt mit der inneren Energie und der Enthalpie von Systemen beschäftigen, in denen chemische Reaktionen ablaufen. Dieses Gebiet heißt traditionell Thermochemie. Wird eine chemische Reaktion in einem isolierten System durchgeführt, bleibt dabei die innere Energie U konstant, doch kann chemische Energie in thermische oder intermolekulare Energie umgewandelt werden oder umgekehrt. Betrachten wir als Beispiel die Reaktion 2H 2 + O2 = 2H 2 O. Die innere Energie des Produktes H 2 O bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck ist nicht dieselbe wie die innere Energie der Edukte 2 H 2 + O 2 bei derselben Temperatur und demselben Druck. Wir definieren als Reaktionsenergie [/(Reaktion) = U (Produkte) - U (Edukte) , 7\, ,

(6.19)

Bei Berücksichtigung der stöchiometrischen Zahlen der Reaktionspartner ergibt sich *U=2U„20-2UH2-U02 (6.20) Hierin bedeutet i/,· die molare innere Energie der Reaktionspartner (/= H 2 O, H 2 , O2). Die Angabe einer chemischen Formel (als Index oder in Klammern) in Verbindung mit einer extensiven thermodynamischen Größe bedeutet immer, daß die Größe auf die Stoffmenge bezogen ist (stoffmengenbezogene oder molare Größe). t/Hz oder t/(H2) ist also die molare innere Energie von H 2 ; sie wird in der SI-Einheit Joule durch Mol (Jmol" 1 ) angegeben. Für die Reaktionsenthalpie gilt entsprechend:

118

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

Ganz allgemein bedeutet bei chemischen Reaktionen das Symbol immer „Wert von X für die Produkte minus Wert von X für die Edukte", nicht umgekehrt. Für eine allgemeine chemische Reaktion ist ZVjUj

und

=

]

]

(6.21)

Darin sind y, die stöchiometrischen Zahlen der Reaktionspartner, die für die Produkte positiv und für die Edukte negativ gezählt werden. Da v,· die Dimension eins hat und die SI-Einheit von Vj und //, Joule durch Mol ist, ist die SI-Einheit von v,//, und VjUj ebenfalls Joule durch Mol. Das gleiche gilt auch für die Reaktionsenergie £7 und die Reaktionsenthalpie //. Die Frage ist aber, auf die Stoffmenge welchen Reaktionsteilnehmers U und 7/ bezogen werden. Man könnte sie z. B. auf einen Formelumsatz der Reaktionsgleichung beziehen, in unserem Beispiel also auf die Reaktion von l Mol (2H 2 + O2). Eindeutiger ist jedoch die Definition von AU und // über die Umsatzvariable (s. Abschn. 1.8) durch die Beziehungen A.U U (Reaktion) = — und

AH H (Reaktion) = — -

Auch nach dieser Definition ist die SI-Einheit der Reaktionsenergie und -enthalpie das Joule durch Mol (J mol"1).

6.13 Die Bestimmung der Reaktionsenergie Die Reaktionsenergie i/ kann in einem Bombenkalorimeter (Abb. 6.7) bestimmt werden. Das Reaktionsgefäß besteht aus einer widerstandsfähigen Legierung. Es ist mit elektrischen Anschlüssen und einem Zünddraht zum Starten der Reaktion ausgerüstet. Die Bombe wird von einem Wassermantel umgeben, in dem sich eine Heizspirale und der Fühler eines Temperaturmeßgerätes befinden. Das Wasserbad ist gut wärmeisoliert, weshalb die während einer Messung vom Kalorimeter an die Umgebung abgeführte Wärme vernachlässigt werden kann. In vielen Fällen ist die untersuchte chemische Reaktion eine Verbrennung. Die Probe wird dazu in ein Schälchen gegeben und der Zünddraht mit ihr in Berührung gebracht. Dann wird die Bombe mit Sauerstoff unter erhöhtem Druck gefüllt. Nach völligem Temperaturausgleich in der Apparatur wird die Verbrennung durch elektrisches Erhitzen des Zünddrahtes eingeleitet. Sie erfolgt schnell und vollständig. Die Temperaturerhöhung des Wassermantels wird registriert. Nachdem sich die Apparatur wieder auf die Ausgangstemperatur abgekühlt hat, wird ihr mit der Heizspirale solange elektrische Energie I2Rt zugeführt, bis die dadurch erzeugte Temperaturerhöhung genausogroß ist wie vorher durch die Ver-

6.13 Die Bestimmung der Reaktionsenergie

119

Abbildung 6.7 Bombenkalorimeter (A = rhodiumbeschichteter Kupferbeh lter, B = zweiteilige zylinderf rmige Abschirmung aus rostfreiem Stahl (einem schlechten W rmeleiter), C = Dichtung zwischen den beiden Teilen von B, D = R hrer, E = R hrerlager, F = Bombe, G = elektrische Heizung, H = Platin-Widerstandsthermometer, J = Neopren-Dichtring, K = l-Dichtung). [H.A. Gundry, D. Harrop, A.J. Head, J.B. Lewis, J. Chem. Thermodynamics l, 321 (1969)].

brennung. W hrend des Experimentes k nnen Wasserbad, Bombe und Reaktionsgemisch zusammen als abgeschlossenes System angesehen werden, weswegen die Beziehung Δ(/ = 0 erf llt sein mu . Die Reaktionsenergie mu daher genau den gleichen Betrag, aber das entgegengesetzte Vorzeichen haben wie die nderung der inneren Energie des Kalorimeters bestehend aus Wassermantel und Bombe. Mit der Umsatzvariablen ξ (deren Wert durch Analyse der Reaktionsprodukte ermittelt wird) ergibt sich Δί/ = Ο = £ Δ (/(Reaktion) + Δ (/(Kalorimeter) , . , Λ T ,„ Δ (/(Reaktion) =

Δ (/(Kalorimeter)

(6.22)

Die dem Kalorimeter im zweiten Teil der Bestimmung zugef hrte elektrische Energie ist gleich Δ (/(Kalorimeter); somit ist Δ (/(Reaktion) = Δ(/Γ = - Ι2Κί/ξ. Die Reaktionsenergie Δί/ Γ h ngt von der Temperatur ab, bei der die Reaktion abl uft. Betrachten wir z. B. die Knallgasreaktion 2H 2 + O2 = 2H 2 O, Δ(/ Γ (Γ). Da Δ Ur nur vom Anfangs- und Endzustand abh ngt, d rfen wir die Annahme machen, da die Reaktion zuerst bei einer konstanten Temperatur Γ durch gef hrt wird

120

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

und anschließend die Reaktionsprodukte durch die entstandene Wärme auf die Temperatur T+ erhitzt werden. Im zweiten Schritt ist AU = Cv (Produkte) . Die Reaktionsenergie Ur(T), die wir bei der beschriebenen Bestimmungsmethode messen, ist also diejenige bei der Ausgangstemperatur T der Edukte. In Tabellenwerken ist die Reaktionsenergie normalerweise für 25 °C (298,15 K) angegeben.

6.14 Die Berechnung der Reaktionsenthalpie aus der Reaktionsenergie Mit dem Bombenkalorimeter können wir die Reaktionsenergie U bestimmen; häufig interessiert uns aber nicht diese, sondern vielmehr die Reaktionsenthalpie AH, Nach Gl. (6.13) ist H = U + P V und somit AH = AU + A(PV)

(6.23)

Hierin ist (PF) die Differenz PF(Produkte) - PF(Edukte). Bei Reaktionen, an denen nur flüssige und feste Stoffe beteiligt sind, ist A(PV) so klein, daß es fast immer vernachlässigt werden darf. Bei Reaktionen mit gasförmigen Partnern muß (P F) dagegen berücksichtigt werden. Dies soll am Beispiel der allgemeinen Gasreaktion aA + bB = cC + dD

(6.24)

gezeigt werden. Für die stöchiometrischen Zahlen gilt = c + d— a — b; im Falle idealer Gase ist PF = n R T und bei konstanter Temperatur somit je Formelumsatz (PF) = (Av)RT. Für Reaktionen idealer Gase ergibt sich also aus Gl. (6.23) die Beziehung AHr = AUr + (Av)RT

(6.25)

Der Beitrag flüssiger und fester Reaktionspartner zu (P K) kann im Vergleich zum Beitrag von Gasen vernachlässigt werden. Bei Reaktionen, an denen sowohl Gase als auch feste und flüssige Stoffe beteiligt sind, brauchen für die Berechnung von in Gl. (6.25) daher nur die stöchiometrischen Zahlen der gasförmigen Reaktionspartner berücksichtigt werden. Viele kalorimetrische Untersuchungen werden in Reaktionskalorimetern bei konstantem Druck durchgeführt, die Reaktionsenthalpien AH werden also direkt bestimmt. In diesem Fall können wir, falls erforderlich, U nach Gl. (6.25) berechnen. Beispiel 6.7 Für die Reaktion S (rhombisch) + O2 = SO2 ist - 298 kJ moP1. Berechnen Sie AHr.

(/ (298 ) =

6.15 Der Satz von He

121

Wenn wir die st chiometrische Zahl des festen Reaktionsteilnehmers S (rhombisch) nicht ber cksichtigen, ist Δ v = 0 und daher nach Gl. (6.25) AHT = Δί/ Γ .

Beispiel 6.8 F r die Reaktion - 43,5 kJ mol"1. Wie gro ist Δ//Γ?

|H 2 +^N 2 = NH 3

ist

Δί/ Γ (298Κ) =

Δν = -1. Nach Gl. (6.25) ist = Δ£/Γ-ΛΓ = - 43500 - (8,314 J K' 1 ηιοΓ1)(298 K) = - 46,0 kJ ποΓ1

6.15 Der Satz von He Die direkte Konsequenz des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik ist, da Δι/ oder Δ// einer beliebigen chemischen Reaktion vom Reaktionsweg unabh ngig sind. Es spielt also keine Rolle, ob die Reaktion direkt oder ber irgendwelche Zwischenprodukte abl uft. Dieses Prinzip wurde 1 840 von G. H. He experimentell gefunden. W re es nicht g ltig, k nnte man eine Reaktion in einem isolierten System ber einen Weg (1) mit der Reaktionsenergie AU{ ablaufen lassen und dann die R ckreaktion ber einen anderen Weg (2) mit der Reaktionsenergie Δ t/2 und dabei die Energie Δ U = i/! — t/2 erzeugen oder vernichten. Mit Hilfe des Satzes von He lassen sich Reaktionsenthalpien indirekt bestimmen, z.B. (1) COCl2(g) + H2S(g) = 2HCl(g) + COS(g) (2) COS + H2S = H2O(g) + CS2(1)_ (3) COC12 + 2H 2 S - 2HC1 + H2O(g) + CS2(1)

Δ//(298Κ) = A77(298K)= 3420Jmor 1 Δ//(298Κ) = - 75285 JmoP 1

Die Reaktionsenthalpie von Reaktion (3) wurde dabei aus den Reaktionsenthalpien der Reaktionen (1) und (2) ermittelt (anstatt 298,1 5 K (25 °C) schreiben wir oft etwas weniger genau 298 K). Mit dem Satz von He lassen sich z. B. die Reaktionsenthalpien sehr vieler Reaktionen aus den experimentell relativ leicht zug nglichen Verbrennungsenthalpien ihrer Edukte und Produkte berechnen.

122

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

6.16 Standardzustände Reaktionsenthalpien und -energien müssen auf eine definierte Reaktionsgleichung und einen definierten Zustand aller Edukte und Produkte bezogen werden. Der thermodynamische Zustand einer reinen Substanz ist durch ihren Druck und ihre Temperatur festgelegt. Beispiele für vollständige Angaben sind (P° = 101,32 kPa = l Standardatmosphäre): C02(/>°) + H2(P°) = CO(P°) + H20(g, P°), AH° (298,15 K) - 41160 J moP1 AgBr(s, P°) + iC!2(/>°) = AgCl(s, F>) + ±Br 2 (l, P°), //°(298,15 K) = 28670 J moP1 Der Standardzustand von Stoffen zum Zwecke der Angabe thermodynamischer Daten wurde international vereinbart als ihr Zustand bei P° = 101,32 kPa; ist der Stoff ein Gas, ist der Standardzustand außerdem der Zustand des idealen Gases. (Die thermodynamischen Daten im Zustand eines idealen Gases können aus der Zustandsgleichung des Gases berechnet werden). Die Marke ° an einem Symbol bedeutet, daß der Wert für den Standarddruck P° und (bei Gasen) für ideales Verhalten gilt; sie legt jedoch keine bestimmte Temperatur fest.

6.17 Die Bildungsenthalpie von Verbindungen Es gibt keine chemischen Reaktionen und keine thermodynamischen Prozesse, bei denen sich die Identität der beteiligten chemischen Elemente ändert. Daher ist es sinnvoll - und wurde auch international vereinbart - die Enthalpie der stabilsten Modifikation aller chemischen Elemente bei P° = 101,32 kPa und T= 298,15 K gleich null zu setzen. Dieser Zustand ist der Standard-Referenzzustand für Enthalpiewerte. Der Standard-Referenzzustand von Sauerstoff ist also O2 als ideales Gas bei P° und 298,15 K. In diesem Zustand ist H19K(Q2} = 0 JmoP 1 . Dagegen ist die Standardenthalpie H° von Ozon (O3) oder von atomarem Sauerstoff (O) bei P° und -278,15 K nicht gleich null. Das Element Kohlenstoff kommt bei P° und 298,15 K in zwei Kristallstrukturen vor. Die stabile Modifikation ist der Graphit; deshalb ist //298 (Graphit) = 0. Für den weniger stabilen Diamant gilt: //298 (Diamant) = 1900 J moP1. [Je l mg Diamant und Graphit werden in einem Bombenkalorimeter verbrannt. In welchem Fall wird mehr Wärme erzeugt?] Für andere Temperaturen als 298,15 K ist die Enthalpie eines Elements im Referenzzustand von null verschieden und kann mit Hilfe von CP berechnet werden. Liegt das Element in derselben Form wie im Referenzzustand, d.h. in seiner stabilsten Modifikation, vor, gilt

6.18 Die Reaktionsenthalpie in wäßrigen Lösungen

123

= { C° 98 (r)dr 298

Die Integrationsvariable wird mit T' bezeichnet, um sie von der oberen Integrationsgrenze T zu unterscheiden [Gilt diese Gleichung für Br2(g)?]. Die Standardbildungsenthalpie AHf (standard enthalpy of formation) einer Verbindung ist definiert als die Standardreaktionsenthalpie AH° ihrer Bildungsreaktion aus den Elementen (Edukte und Produkte haben den Druck P°). Da wir Standardbildungsenthalpien für beliebige Temperaturen angeben können, muß die Reaktionstemperatur jeweils angegeben werden. Die Elemente befinden sich in ihrem Referenzzustand; Kohlenstoff z. B. liegt also als Graphit und nicht als Diamant vor. Die Definition des Standardzustandes in Abschn. 6.16 ist nur auf reine Stoffe anwendbar. Später werden wir auch Definitionen für Standardzustände in Lösungen kennenlernen. Zwei Beispiele für Standardbildungsenthalpien bei 298,15 K (25 °C) sind: S (rhombisch) + O2 = SO2 2 AI + f O2 = A12O3

A//f°(298 K) = - 296,9 kJ moP1 A//f°(298 K) = - 1669,8 kJ moP1

Im Anhang A. l sind die Standardbildungsenthalpien vieler Verbindungen tabelliert. Mit ihnen kann man die Standardreaktionsenthalpie einer Reaktion berechnen, indem man - unter Beachtung der stöchiometrischen Zahlen - die Differenz zwischen den AHf-Werten der Produkte und Edukte dieser Reaktion bildet. Viele thermochemische Daten wurden aus Verbrennungsenthalpien berechnet. Sind die Bildungsenthalpien sämtlicher Verbrennungsprodukte einer Verbindung bekannt, kann die Bildungsenthalpie der Verbindung über ihre Verbrennungsenthalpie berechnet werden. Die Bildungsenthalpie AHf von Ethan folgt z. B. aus den Verbrennungsenthalpien AH° von Ethan, Graphit und Wasserstoff: (1) (2) (3) (4)

-l[C 2 H 6 +fO 2 = 2CO 2 + 3H2O(l)] 2[C(Graphit) + O2 = CO2] 3[H 2 +iO 2 = H2O(l)] 2C + 3H 2 = C 2 H 6

A//c° = - 1560,1 kJ 1 AH; = -393,5 kJ (2) AHl = - 285,8 k AH? = -84,3 kJ mol -i

6.18 Die Reaktionsenthalpie in wäßrigen Lösungen Für chemische Reaktionen in wäßrigen Lösungen, zu denen viele anorganische und biochemische Reaktionen zählen, können die //f°-Werte der reinen gasförmigen, flüssigen oder festen Partner nicht direkt verwendet werden. Die Enthalpieänderung

124

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

beim Auflösen eines Stoffes in Wasser (bzw. in einem anderen Lösemittel) hängt von der sich ergebenden Konzentration ab. Die am häufigsten tabellierten, mit A//f°(aq) bezeichneten Werte gelten für „unendliche Verdünnung" und können in der Praxis für Konzentrationen bis ungefähr 0,01 moll" 1 verwendet werden. Man erhält sie durch Kombination der Standardbildungsenthalpie der reinen Verbindungen mit ihrer Lösungsenthalpie in einem großen Überschuß an Wasser, z. B. iH2(g) + ±Cl 2 (g) = HCl(g) _ HCl(g) = HCl(aq) _ ~

iH 2 (g)-iCl 2 (g) = HCl(aq)

1 A//°98 = - 92,31 kJ A7/°98 = - 75,14 Umol" 1

Äff? (298 K, aq) = -167,45 kJ mol'1

Der Wert — 167,45 kJ mol"1 ist als die Standardbildungsenthalpie von HC1 in wäßriger Lösung (bei unendlicher Verdünnung) tabelliert. Durch Kombination von Hf(aq)- Werten erhält man die Reaktionsenthalpien für Reaktionen in wäßriger Lösung (vgl. Abschn. 6.17).

6.19 Die Bildungsenthalpie von Ionen Elektrolyte sind in verdünnter wäßriger Lösung vollständig in Ionen dissoziiert, z. B. HCl(aq) = H+ (aq) + Cr(aq) Na2SO4(aq) = 2Na + (aq) + SO|~(aq) Es würde eine Menge Platz sparen, wenn Werte von AHf (aq) für die einzelnen lonensorten tabelliert werden könnten; diese könnten dann zu den A//f°(aq)-Werten der Verbindungen kombiniert werden. Es gibt nun allerdings kein Experiment, mit dem 7/ beim Auflösen eines Mols gasförmiger Ionen, die alle gleichsinnig (positiv oder negativ) geladen sind, direkt bestimmt werden könnte. Deshalb setzen wir willkürlich AHf (aq) für das H+-Ion gleich Null und beziehen die Werte für alle anderen Ionen darauf. Für HC1 ist z. B. A//f(HCl, aq) = A// f (H + ) + A// f (CP) Aus dem experimentellen Wert A//f(HCl, aq) = — 167,4 kJ mol"1 und der Konvention A#f(H+, aq) = 0 folgt A#f°(Cr, aq) = - 167,4 kJ mol"1. Mit dem experimentellen Wert A//f°(NaCl, aq) = — 407,1 kJ mol"1 und dem soeben für Cl~ berechneten Wert ergibt sich wiederum A//f°(Na+, aq) = — 239,7 kJ mol"1. Auf diese Weise können wir eine Tabelle aufstellen, die die Werte für alle gewünschten lonenarten enthält (s. Anhang A.3).

6.20 Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie

125

Beispiel 6.9 Berechnen Sie die Enthalpie (bei 198,15 K) der Reaktion CaSO4(s) = Ca2 + (aq) + SC>4~(aq) aus Tabellenwerten. = A// f °(Ca 2+ ) + A//f°(SOD - A//f°(CaSO4) = - 543,0 - 907,5 - (-1432,7) = - 17,8 kJ moP1

6.20 Die Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie Oft kennen wir die Reaktionsenthalpie bei einer anderen Temperatur als derjenigen, für die wir uns interessieren; dann müssen wir diesen Wert auf die gewünschte Temperatur umrechnen. Dazu differenzieren wir die Gleichung A// = //(Produkte) — //(Edukte) bei konstantem P nach T: d

An^-( , , = - (^\ ,- fPm (Produkte) - l -ä\ - ,, V oT Jp \oTJp \oTJp

(6.26)

\ST JP-Diese Gleichung wurde im Jahre 1858 von R. R. Kirchhoff abgeleitet. Sie besagt, daß die Änderung der Reaktionsenthalpie mit der Temperatur gleich der Differenz der Wärmekapazitäten CP der Produkte und der Edukte ist. Die Wärmekapazitäten sind allerdings keine Konstanten, sondern hängen ihrerseits von der Temperatur ab. Für viele Ansprüche genügt es jedoch, mit den mittleren Wärmekapazitäten im betrachteten Temperaturbereich zu rechnen.

Beispiel 6.10 Die Reaktionsenthalpie der Reaktion H2O(g) = H 2 +jO2 beträgt //° = 241 750 J mol"1 bei 291 K. Berechnen Sie //° bei 308 K. Die mittleren molaren Wärmekapazitäten im betrachteten Temperaturbereich sind CP(H2O, g) = 33,56, C P (H 2 ) = 28,83 und CP(O2) = 29,12 J K' 1 mol"1. = CP(H2) + ·(02) - CP(H20, g) = 28,83 + 14,56 - 33,56 = 9,83 J K' 1

1

126

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

Aus Gl. (6.26) folgt damit: 308

308

308

} d(A#°) = f AC P dr=9,83 J dT

291

291

291

A/T(308 K) - A/P(291 K) = 9,83(17) = 170 J mol"1 A//°(308 K) = 241 920 J mol'1 Mit Hilfe von bei verschiedenen Temperaturen experimentell bestimmten Wärmekapazitäten können Potenzreihen für CP als Funktion von T abgeleitet werden: CP = a + bT+cT2

(6.27)

Einige Beispiele sind in Tab. 6.2 angegeben. Die danach berechneten Werte weichen zwischen 273 K und 1 500 K um weniger als 0,5 % von den experimentellen Werten ab. Substituiert man CP in Gl. (6.26) durch die Reihenentwicklung (6.27) und integriert, folgt für die Änderung der Standardenthalpie bei konstantem Druck P°: = AC P dr= (A + BT+ CT2)aT Hierin bedeuten A, B und C die Summen der einzelnen Koeffizienten a, b und c in Gl. (6.27). Die Integrationskonstante ^ ist die Standardreaktionsenthalpie bei T = 0 K. Sie kann nach Gl. (6.28) aus dem Wert von ° bei einer beliebigen Tempe-

Tabelle 6.2 Wärmekapazitäten von Gasen bei P° = 101,32 kPa (273 K bis 1500 K) Gas H2 02 C12 Br2 N2 CO HC1 HBr H2O CO2

Benzol «-Hexan CH4

CP = a + bT+cT+ cT2 (CP in J K'1 mo!'1) a b/W~3 c/10~7 29,07 25,72 31,70

35,24 27,30 26,86 28,17

27,52 30,56 26,00

-0,836 12,98 10,14

4,075 5,23 6,97 1,82 4,00 9,61 43,5

30,60

326,0 438,9

14,15

75,5

-1,71

20,1 -38,6 -2,72 -14,9 -0,04 -8,20 15,5 6,61 11,8

-148,3 -1100 -1355 -180

6.21 Bindungsenthalpien

127

ratur /"berechnet werden. Dies gilt auch für die Standardreaktionsenthalpie bei allen anderen Temperaturen im Gültigkeitsbereich der Potenzreihe für die Wärmekapazität.

6.21 Bindungsenthalpien Oft ist es in guter Näherung möglich, die Bildungsenthalpie oder -energie eines Moleküls durch Addition von Teilbeträgen, den Bindungsenthalpien bzw. Bindungsenergien, zu berechnen. Betrachten wir als Beispiel die Reaktion A — B -> A + B, bei der eine Bindung A — B zwischen zwei Atomen A und B aufgebrochen wird. Die Bindungsenthalpie oder -energie von A — B ist in unterschiedlicher Weise definiert worden als: 1. die Reaktionsenergie am absoluten Nullpunkt, [/°(0 ) 2. die Reaktionsenthalpie am absoluten Nullpunkt, //°(0 ) 3. die Reaktionsenthalpie bei 298,15 K, //°(298,15 ) Die ersten beiden Definitionen sind bei der Diskussion von Molekülstrukturen nützlich, denen häufig spektroskopische Daten über die Dissoziation von Molekülen bei 0 K zugrundeliegen, doch werden wir die dritte Definition verwenden, weil sie für thermodynamische Berechnungen am besten geeignet ist. A und B können Atome oder Atomgruppen sein. Die Bindungsenthalpie ° für die C — C-Bindung in Ethan entspräche nach unserer Definition z. B. der Reaktionsenthalpie //298 der Reaktion Für eine bestimmte Bindung A — B hängt die Bindungsenthalpie 7/° (A — B) von dem Molekül, in dem die Bindung vorliegt, und von der Bindungssituation in diesem Molekül ab. Für die schrittweise Abspaltung der vier H- Atome von Methan, CH4, findet man z. B. (1) (2) (3) (4)

CH4 CH3 CH2 CH

- CH3 + H, = CH2 + H, - CH + H =C + H,

#° « 422 kJ moP1 / « 364 kJ mol"1 1 / « 385 kJ A/ysiSSSkJmor 1

Für viele Zwecke genügen weniger genaue Angaben. So sind alle vier C—H-Bindungen im Methanmolekül gleichwertig, und wenn wir die Dissoziation von CH4 in ein C-Atom und vier -Atome betrachten, können wir ein Viertel der Enthalpie der Reaktion CH4 = C(g) + 4 H als die mittlere Bindungsenthalpie der C—H-Bindung in CH4 ansetzen. Zur Berechnung der mittleren Bindungsenthalpien benötigen wir die Enthalpien für die Bildung der Moleküle aus den Atomen. Die Standardatomisierungsenthalpie

128

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

eines Elements ist die Enthalpie nderung bei der berf hrung des Elements im Standardzustand in die Atome im Standardzustand. Mit den Standardatomisierungsenthalpien der Elemente k nnen wir die Bindungsenthalpien aus den Standardbildungsenthalpien berechnen. Die Bestimmung der Standardenthalpie f r die Umwandlung der Elemente in einatomige Gase ist in den meisten F llen ohne Schwierigkeiten m glich. F r Metalle ist sie gleich der Sublimationsenthalpie A//°ub zu einatomigem Dampf, z.B. #s°ub(298 K) = 150,2 kJ moP1 #°ub(298 K) = 298,2 kJ ιηοΓ1

Mg(cr) -> Mg(g) Ag(cr) -> Ag(g)

Bei zweiatomigen Gasen entspricht sie der Dissoziationsenthalpie: Δ//°(298Κ) = 111,9 kJmor 1 Δ#°(298 K) = 249,2 kJ moP1

|Br2(g) -> Br(g) iO2(g) -+ O(g)

Besonders wichtig ist die Atomisierungsenthalpie von Graphit, weil von ihr die Bindungsenthalpien aller organischen Molek le abh ngen: Δ7/° (298 K) = 716,68 kJ mol -i

C (Graphit) -» C(g)

Tabelle 6.3 Molare Standardatomisierungsenthalpien einiger Elemente bei 298 K Element H O F Cl Br I S

ΔΤ/298/kJ mol

1

Element

Δ/^/kJmor 1

N P C Si Hg Ni Fe

217,97 249,17 78,99 121,68 111,88 106,84 278,81

472,70 333,8 716,68 455,6 60,84 425,14 404,5

In Tab. 6.3 sind die Atomisierungsenthalpien einiger Elemente zusammengestellt. Mit ihrer Hilfe wollen wir die mittlere Bindungsenthalpie der beiden O—H-Bindungen im Wassermolek l berechnen. H 2 = 2H, O2 = 2O, H 2 + iO2 = H2O,

Δ//°(298Κ) = Δ/Ρ(298 K) =

Δ//°(298 K) = -241,8 kJ ιηοΓ1

Daraus folgt f r die Reaktion O = H2O

436,0 kJmoP 1 498,3 kJ mol"1

6.21 Bindungsenthalpien

129

Dies ist der Wert für die Bildung von zwei O— -Bindungen. Die mittlere Standardbindungsenthalpie für die O— -Bindung in H 2 O beträgt also 927,2/2 = 463,6 kJ mol" 1 . Dieser Wert ist ziemlich verschieden von der Standardenthalpie der Reaktion HÖH -> H + OH mit 498 kJ mol" 1 . Die Bindungsenthalpie einer bestimmten Bindung A—B ist in ähnlichen Verbindungen ungefähr gleich. Daher können tabellierte Bindungsenthalpien zur Abschätzung von Reaktionsenthalpien herangezogen werden. Natürlich muß dabei zwischen unterschiedlichen Bindungstypen unterschieden werden, z.B. zwischen Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen im Falle von KohlenstofTbindungen. Die in Tab. 6.4 aufgeführten Werte gelten für Einfachbindungen. In Tab. 6.5 wurden einige individuelle Werte für ausgewählte Moleküle aufgenommen.

Tabelle 6.4 Mittlere molare Bindungsenthalpien von Einfachbindungen (kJmol ')

H C N O F Cl Br I Si

s

s

Si

I

Br

Cl

F

O

N

C

H

339 259

339 290

299 240

366 276

391 292 161

413 348

436

258 210 178 151

237 219 193

563 441 270 185 153

463 351

369 541 359 289 213 177

432 328 200 203 254 243

250

227 213

139

Nach L. Pauling, Nature of the Chemical Bond, 3rd ed. (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1960).

Tabelle 6.5 Molare Bindungsenthalpien von Einfach- und Mehrfachbindungen (kJmol ) DreifachBindungen HC^CH HC^N C^O

/

DoppelBindungen

/

EinfachBindungen

946 962 937 1075

CH2=CH2 CH2=O 0=0 HN=O HN=NH CH 2 =NH

682 732 498 481 456 644

CH3— CH3 H 2 N— NH 2 HO— OH F— F CH3— Cl NH 2 — Cl HO— Cl F— Cl

°

368 243 213 159 349 251 251 255

EinfachBindungen

/

CH3— H NH 2 — H OH— H F— H CH3— NH 2 CH3— OH CH3— F CH3— I F— I

435 431 498 569 331 381 452 234 243

130

6 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik - Energie

Beispiel 6.11 Schätzen Sie die Standardbildungsenthalpie von C 2 H 5 OH mit Hilfe der Bindungsenthalpien ab (s. Tab. 6.4). H H l l H-C-C-O-H H H

Bindungen i c— ;C_C

348 ^348

l C—O l O—H

2C(g) + O(g) + 6H(g) -* C2H5OH(g),

351 463 3227kJmol" 1

7/°(298 K) = - 3277 kJ moP1

Die Atomisierungsenthalpien betragen nach Tab. 6.3: 2 C (Graphit) —» 2C(g) iO2 —> O 3H 2 —»· 6H

2 · 717 = 1434 249 6 - 2 1 8 - 1308 2991kJmor 1

Damit ist für die Reaktion 2C(Graphit) + iO2 + 3H 2 —> C2H5OH(g) //°(298 K) = - 236 kJ moP1 1 Der experimentelle Wert ist / (298 K) = - 237 kJ , der Fehler beträgt also weniger als 0,5%. Um die Standardbildungsenthalpie zu erhalten, müssen wir noch berücksichtigen, daß Ethanol im Standardzustand flüssig ist. Für den Phasenübergang C2H5OH(1) = C2H5OH(g) ist A//v°ap(298 K) = 43,5 kJmol" 1 . Die Standardbildungsenthalpie // °(298 K) vonflüssigemEthanol beträgt daher -236 - 43,5 = - 279,5 kJ mol"1.

6.22 Thermochemie und chemisches Gleichgewicht Eines der Hauptziele der physikalischen Chemie ist das Verständnis des chemischen Gleichgewichts. Prinzipiell sollten wir die Gleichgewichtskonstante für jede chemische Reaktion aus den Eigenschaften der Produkte und Edukte berechnen können. Früher glaubte man einmal, daß die Kenntnis der Reaktionsenthalpie dafür genüge. Marcelin Berthelot und Julius Thomsen, die beiden großen Thermochemiker des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, wurden durch ihren Glauben, daß die Enthalpie einer Reaktion deren Gleichgewichtslage bestimme, zu einer breitangelegten Serie thermochemischer Messungen angeregt.

6.22 Thermochemie und chemisches Gleichgewicht

131

Heute wissen wir, daß sie unrecht hatten; die Existenz spontaner endothermer Reaktionen genügt, um sie zu widerlegen. Richtig ist allerdings, daß Gleichgewichtskonstanten aufgrund thermischer Messungen an Edukten und Produkten berechnet werden können. Neben den Enthalpiewerten benötigen wir aber noch die Wärmekapazitäten Cp sämtlicher Reaktionspartner vom absoluten Nullpunkt bis zur Reaktionstemperatur. Im nächsten Kapitel werden wir lernen, daß wir die Enthalpie (bzw. Energie) mit einer weiteren wichtigen thermodynamischen Funktion, der Entropie, kombinieren müssen, um das Problem des chemischen Gleichgewichts lösen zu können.

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz der Thermodynamik - Entropie Der erste Hauptsatz der Thermodynamik sagt aus, daß Energie zwar von einer Form in eine andere umgewandelt, aber bei keinem Prozeß erzeugt oder vernichtet werden kann. Über die Richtung, in der ein Prozeß abläuft, erfahren wir aus diesem Satz nichts. Wir wissen jedoch aus Erfahrung, daß natürliche Prozesse in einer ganz bestimmten Richtung verlaufen. Wärme fließt von heißeren zu kälteren Stellen, Gase vermischen sich durch Diffusion, und bei chemischen Reaktionen entstehen aus einer Reaktionsmischung wohldefinierte Produkte. Bringen wir z.B. zwei Metallblöcke unterschiedlicher Temperatur miteinander in Berührung, dann fließt solange Wärme vom heißeren Block zum kälteren, bis beide die gleiche Temperatur haben. Der erste Hauptsatz sagt über diesen Vorgang lediglich aus, daß die von dem heißeren Block als Wärme abgegebene Energie genauso groß wie die von dem kälteren Block aufgenommene ist - thermische Isolation der Blöcke von der Umgebung vorausgesetzt. Es würde dem ersten Hauptsatz überhaupt nicht widersprechen, wenn Wärme vom kälteren auf den heißeren Metallblock überginge, wenn dabei nur die Gesamtenergie konstant bliebe; wir wissen aber aus der Erfahrung, daß dies freiwillig niemals geschieht. Um die Richtung physikalischer oder chemischer Prozesse vorhersagen zu können, brauchen wir eine thermodynamische Funktion, die uns diese Vorhersage, ausgehend vom Anfangszustand des Systems und dem Zwang, der darauf ausgeübt wird, ermöglicht. Die Energiefunktion ist dafür nicht geeignet, denn sie ist in einem abgeschlossenen System oder im Universum immer konstant. Abgeschlossene Systeme streben, wenn sie im Ungleichgewicht sind, dem Gleichgewichtszustand spontan zu. Die gesuchte Funktion muß sich also mit dem Zustand des Systems ändern und sie muß konstant sein, wenn sich das System im Gleichgewicht befindet. Eine geeignete Funktion wurde im Jahre 1850 von Rudolf Clausius gefunden und von ihm als Entropie bezeichnet (nach dem griechischen Ausdruck „en tropos" für „im Wechsel"). So wie die Energiefunktion U durch den ersten Hauptsatz der Thermodynamik definiert wird, wird es die Entropiefunktion S durch den zweiten. In diesem Kapitel führen wir den Entropiebegriff ein und zeigen, wie die Entropie durch Messung der Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur bestimmt werden kann. Aufbauend auf der Originalarbeit von Stefan Boltzmann entwickeln wir die molekulare Interpretation der Entropie. In Kapitel 8 lernen wir dann, wie die Gleichgewichtskonstanten chemischer Reaktionen durch Kombination von Energieund Entropiewerten berechnet werden können.

134

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz - Entropie

7.1 Entropie und reversible Wärme Sämtliche Prozesse, die in der Welt ablaufen, können entweder als reversibel oder als irreversibel eingestuft werden. Stellen wir uns vor, irgendein Prozeß werde gefilmt und der Film dann rückwärts abgespielt. Wenn das, was wir dabei auf der Leinwand sehen, auch in der Natur abläuft, liegt ein reversibler Prozeß vor; ist das nicht der Fall, dann war der gefilmte Vorgang irreversibel. Die (reibungsfreie) Schwingung eines Pendels oder eines Moleküls ist z. B. ein reversibler Prozeß, das Herunterfallen einer Teetasse auf den Fußboden, bei dem sie in tausend Scherben zerbricht, dagegen ein irreversibler. Makroskopische Vorgänge sind niemals völlig reversibel; wir können aber dennoch Berechnungen über reversible Prozesse durchführen, indem wir diese als Grenzfälle realer Prozesse ansehen, bei denen das System sich niemals merklich von einer Folge von Gleichgewichtszuständen entfernt. Eine der möglichen Formulierungen des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik ist die in Gl. (6.11), dt/ = dq + dw. Diese Gleichung gilt für alle Übergänge von Wärme oder Arbeit in ein geschlossenes System, seien diese nun reversibel oder irreversibel. Bei reversiblen Übergängen können wir schreiben: dU = dqrev + dwrev

(7.1)

In Abschn. 6.3 haben wir gesehen, daß die diiferentielle reversible Volumenarbeit durch die Gleichung dw rev = - P d F

(7.2)

beschrieben wird. Sie ist das Produkt aus einem Intensitätsfaktor P und dem Differential d V eines Kapazitätsfaktors V, einer Zustandsfunktion. Durch Umformung von Gl. (7.2) folgt

= dV

(7.3)

Die Division von dw rev , das kein vollständiges Differential ist, durch — P, eine intensive Zustandsfunktion, ergibt d V, das vollständige Differential der extensiven Zustandsfunktion V. (— l/P) wird daher auch als der integrierende Faktor für die diiferentielle reversible Arbeit bezeichnet. Wenn wir Gl. (7.1) und (7.2) kombinieren, erhalten wir dU=-PdV+dqrev

(7.4)

Wie steht es nun mit der differentiellen reversiblen Wärme d#rev? Gibt es auch für sie einen integrierenden Faktor? Der Intensitätsfaktor für Wärmeübergänge ist offensichtlich die Temperatur T. In Analogie zu Gl. (7.3) schreiben wir = dS

(7.5)

7.2 Das molekulare Bild der Wärme und der Arbeit

135

und behaupten, dS sei das gesuchte vollständige Differential und S eine Zustandsfunktion, die Entropie. Der integrierende Faktor für die reversible Wärme ist dann l JT. Durch Gl. (7.5) wird außerdem Tals die thermodynamische Temperatur definiert. Da wir Gl. (7.5) nicht abgeleitet haben, ist die Existenz der in ihr definierten Zustandsfunktion S lediglich ein Postulat. Die Definition einer neuen Zustandsfunktion, der Entropie, durch Gl. (7.5) ist die fundamentalste Aussage des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. Genauso wie im ersten Hauptsatz die Zustandsfunktion U durch ihr vollständiges Differential d(7 = dq + dw definiert wird, wird dies im zweiten Hauptsatz die Zustandsfunktion S durch ihr vollständiges Differential dS -d 9rev /r. Beachten Sie ganz besonders, daß für die Berechnung von Entropieänderungen die Änderung der reversiblen Wärme verwendet werden muß. Wir können nicht einfach schreiben dS = dq/T, sondern müssen unbedingt die genauere Beziehung dS = dqrev/ T verwenden. Von dieser leiten sich eine ganze Reihe weiterer Formulierungen des zweiten Hauptsatzes ab. Wir werden uns insbesondere damit beschäftigen, wie mit Hilfe dieses Hauptsatzes die Richtung chemischer Reaktionen und allgemein aller Vorgänge im ganzen Universum vorhergesagt werden kann. Wenn wir dg rev in Gl. (7.4) durch TdS substituieren, erhalten wir die äußerst wichtige Beziehung dU=-PdV+TdS

(7.6)

Hier sind der erste und der zweite Hauptsatz der Thermodynamik in einer einzigen Gleichung zusammengefaßt. Wir werden aus ihr viele nützliche Beziehungen ableiten, die alle experimentell bestätigt wurden und niemals zu falschen Vorhersagen geführt haben.

7.2 Das molekulare Bild der Wärme und der Arbeit In Abschn. 5.6 haben wir gesehen, daß sich die Moleküle in einem System bei der Zufuhr von Wärmeenergie auf die erlaubten Energieniveaus neu verteilen (Boltzmann-Verteilung). Die Lage der Energieniveaus bleibt dabei unverändert; größer wird lediglich die Wahrscheinlichkeit, Moleküle auf höheren Niveaus anzutreffen. Wird dagegen an einem System Arbeit verrichtet, ändert sich die Lage der Energieniveaus. Bei einem Gas können wir das z. B. an den Translationsniveaus erkennen, für die Gl. (4.9) gilt: = (h2/8m V2'^(n\ + n\ + n23). Wird Arbeit an dem Gas verrichtet, dann wird es dabei komprimiert, sein Volumen nimmt ab, und nach Gl. (4.9) nimmt die Energie der Translationsniveaus zu. Im Prinzip gilt das auch für Flüssigkeiten und Festkörper. In Abb. 7.1 ist die molekulare Interpretation der Wärme und der Arbeit anschaulich dargestellt.

136

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz - Entropie Besetzung der Energieniveaus

n

n

JL

n

JL

Abbildung 7.1 Die molekulare Interpretation der Wärme q und der Arbeit w.

7.3 Die Entropieänderung eines idealen Gases Bevor wir uns allgemeinen Anwendungen der Entropiefunktion zuwenden, wollen wir die Entropieänderung 5 bei Volumen- und Temperaturänderungen idealer Gase berechnen. Dabei lernen wir an einfachen Beispielen die Messung von AS kennen. Aus Gl. (7.6) und Gl. (6.12) folgt

(7.7)

Bei konstanter Temperatur ist d T = 0 und (d U/d V)T = - P a V + TdS. Für ein ideales Gas ist (dUldV)T = 0 und daher PaV

(7.8)

Die Integration von Gl. (7.8) ergibt die Entropieänderung eines idealen Gases bei einer Volumenänderung von Vt nach V2:

AS =

nR

= nR\n

(7.9)

7.3 Die Entropieänderung eines idealen Gases

137

Beispiel 7.1 Berechnen Sie die Entropiezunahme von l mol eines idealen Gases bei dessen Expansion von 1001 auf 2001. Nach Gl. (7.9) ist 200 5 = (l mol)(8,314 J K' 1 mol"1) In 100 = 5,76JK~ 1

Die Entropie hat die Dimension Energie durch Temperatur; ihre SI-Einheit ist J K ~'. Die Wärmekapazität hat zwar die gleiche Dimension, doch bedeutet dies keineswegs, daß es sich dabei um die gleiche physikalische Größe handelt.

Um AiS bei nderung der Temperatur, aber konstantem Volumen zu berechnen, setzen wir in Gl. (7.6) aV = 0: d7= CvdT=TdS V

dT ~ = CvdlnT

(7.10)

Die Integration von Gl. (7.10) ergibt die Entropieänderung bei einer Temperaturerhöhung von Tj auf T2: (7.11) Diese Beziehung gilt für Temperaturänderungen bei konstantem Volumen. Da wir bei ihrer Ableitung keinen Gebrauch von den Eigenschaften idealer Gase gemacht haben, gilt sie nicht nur für ideale Gase, sondern auch für alle anderen Stoffe. Die entsprechende Gleichung für konstanten Druck ist T2

AT

T2

T i

-*

Tl

= J Cp— - = = J CpdlnT

(7.12)

Um die Integration in Gl. (7.1 1) durchführen zu können, müssen wir Cv als Funktion von kennen. Am einfachsten ist die Integration, wenn Cv im Temperaturintervall zwischen 7"i und T2 als konstant angesehen werden kann.

Beispiel 7.2 Wie groß ist die Entropiezunahme von l mol Argon, das bei konstantem Volumen von 300 K auf 600 K erwärmt wird?

138

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz - Entropie

Argon ist ein einatomiges Gas mit Cv = n(%R), unabhängig von T. Nach Gl. (7.11) ist AS= ( l m o l - f ·8, Der Vergleich dieses Ergebnisses mit dem von Beispiel 7.1 ergibt, daß die Verdoppelung von T die Entropie eines idealen Gases etwas stärker erhöht als die Verdoppelung von V. Die Beispiele 7.1 und 7.2 zeigen, daß S tatsächlich eine Zustandsfunktion ist. Gl. (7.7), die wir zur Berechnung von AS benutzt haben, wurde für einen reversiblen Prozeß zwischen einem Anfangs- und einem Endzustand abgeleitet; ist das Ergebnis von AS aber erst einmal bekannt, dann hängt es nur vom Anfangs- und Endzustand und nicht vom Weg zwischen den beiden Zuständen ab. Nimmt das Volumen eines Gases zu, dann nimmt die räumliche Beschränkung der Gasmoleküle ab und die Entropie des Gases wird größer. Nimmt die Temperatur zu, dann nimmt die Beschränkung der Gasmoleküle bezüglich ihrer Geschwindigkeit (bzw. ihres Impulses) ab und die Entropie wird ebenfalls größer.

7.4 Die Entropieänderung bei Phasenumwandlungen Interessiert uns die Änderung der Entropie bei konstantem Druck, ist es zweckmäßig, Gl. (7.6) so umzuformen, daß die innere Energie U durch die Enthalpie H ersetzt wird. Das vollständige Integral von H= U + PVistdH = dU + PdV + VaP. Mit Gl. (7.6) folgt (7.13)

dH = VaP + TdS

PJ

1



,

Abbildung 7.2 Eine Flüssigkeit im Gleichgewicht mit ihrem Dampf beim Druck P und der Temperatur T. Reversible Wärmezufuhr in das System führt zur Umwandlung von Flüssigkeit in Dampf.

Dampf

- -;- - - -> - - -> - PgS-_-_-_- p, -_-_-_r - J*"

· keit

·

H

7.4 Die Entropieänderung bei Phasenumwandlungen

139

Mit dieser Gleichung lassen sich die Entropieänderungen bei Phasenumwandlungen berechnen. Betrachten wir z. B. eine reine Flüssigkeit, die bei ihrer Siedetemperatur Tb (boiling temperature) und dem Druck P mit ihrem Dampf im Gleichgewicht steht (Abb. 7.2). Wenn dem System über den Heizdraht Energie zugeführt und dabei der Druck konstantgehalten wird, verdampft ein Teil der Flüssigkeit. Bei konstantem Druck vereinfacht sich Gl. (7.13) zu dH = TdS bzw. dS - dS = dH/T. Wird dem System bei konstantem Druck eine endliche Energie zugeführt, wird Flüssigkeit bei konstanter Temperatur Tb in Gas umgewandelt. Die Integration der Gleichung für dS" liefert -f* — H1

S*-S> = ASvap = ^ = ^

(7.14)

//g und H1 sind die Enthalpien des Gases und der Flüssigkeit. Die Differenz 7/g — //' ist die Verdampfungsenthalpie A// vap der Flüssigkeit. Da sich Dampfund Flüssigkeit bei ^Jederzeit im Gleichgewicht befinden, ist A// vap die dem System reversibel zugeführte Wärme. Auf dem gleichen Weg erhält man für das Schmelzen von Festkörpern bei ihrer Schmelztemperatur 7^us (fusion temperature) die Schmelzentropie

•"fus

Bei der Schmelztemperatur sind Schmelze und fester Stoff im Gleichgewicht; deshalb ist A// fus die dem System bei Tfus reversibel zugeführte Wärme. Beispiel 7.3 Die Verdampfungsenthalpie von Ethanol beim Siedepunkt unter P°, Tb = 351,5 K, beträgt 43,5kJmol~ 1 . Wie groß ist die Verdampfungsentropie bei dieser Temperatur? Aus Gl. (7.14) folgt K" 1 moP1

Beispiel 7.4 Die Schmelzenthalpie von Ethanol beim Schmelzpunkt r fus = 156 K beträgt 4,60 kJ mol"1. Wie groß ist die molare Schmelzentropie bei 156 K? Nach Gl. (7.15) ist

140

7 Der zweite und der dritte Hauptsatz - Entropie

Beachten Sie, daß Ä5vap viel größer als AS(us ist. Dies ist ein typisches Ergebnis. Offensichtlich ist die Entropiezunahme bei der Verdampfung viel größer als beim Schmelzen. Unsere Erkenntnis (s. Abschn. 7.3), daß die Entropie eines Systems beim Wegfall von Einschränkungen zunimmt, wird durch die Tatsache, daß die Entropie beim Schmelzen und Verdampfen größer wird, gestützt. Wenn ein fester Stoff schmilzt, können sich die Atome, Moleküle oder Ionen in der Schmelze freier und ungeordneter bewegen. Die Einschränkungen bezüglich ihres Ortes und ihrer Geschwindigkeit nehmen ab und die Entropie nimmt deshalb zu. Wenn eine Flüssigkeit verdampft, steht den Molekülen sehr viel mehr Raum für ihre Bewegung zur Verfügung, und dem entspricht eine große Zunahme der Entropie. Im Jahre 1884 fand Trouton eine interessante Regel für ASv.dp. Er stellte fest, daß die Verdampfungsentropie vieler Flüssigkeiten beim Standarddruck (berechnet als A//vap/rb°) im Bereich von 90 bis 100 J K "1 mol~1 liegt. Diese Regel ist recht nützlich, obwohl es von ihr viele Ausnahmen gibt, wie Wasser und Salzschmelzen. Ist die Siedetemperatur (in Kelvin) einer Flüssigkeit beim Standarddruck bekannt, kann man daraus mit der Regel von Trouton ihre molare Verdampfungsenthalpie in der Einheit J/mol zu ungefähr 100 T£ abschätzen. Die Verdampfungsenthalpie ist stark temperaturabhängig. Sie nimmt mit steigender Temperatur ab und geht bei der kritischen Temperatur Tk gegen null.

7.5 Die Entropieänderung bei einem irreversiblen Prozeß: Wärmeleitung Mit Gl. (7.5) verfügen wir über eine Beziehung für die Berechnung von AS bei reversibler Prozeßführung. Wie können wir nun A S für irreversible Prozesse ermitteln? Dazu erinnern wir uns, daß S eine Zustandsfunktion ist und somit die Entropieänderung A5 = SB — SA bei einer Änderung von A nach B nur vom Anfangs- und Endzustand, nicht aber vom Weg abhängt. Wir wollen deshalb einen reversiblen Weg zwischen A und B entwerfen und S entlang dieses Weges berechnen. Ein Paradebeispiel für einen irreversiblen Prozeß ist der Wärmeübergang von einem wärmeren auf einen kälteren Körper. Wenn wir den Übergang mit Hilfe eines idealen Gases durchführen, gelingt es uns, ihn reversibel zu gestalten und die Entropieänderung dabei zu berechnen. In Abb. 7.3a ist dieser reversible Prozeß dargestellt, der wie folgt abläuft: l. Das Gas wird mit dem wärmeren Reservoir bei T2 in Berührung gebracht und solange isotherm reversibel expandiert, bis es die Wärmemenge q aufgenommen hat. Zur Vereinfachung der Argumentation nehmen wir an, daß der Wärmeinhalt der Reservoirs so groß ist, daß die Temperaturänderungen bei der Zufuhr oder dem Entzug von Wärme vernachlässigbar klein sind.

7.5 Die Entropieänderung bei der Wärmeleitung

1 . Isotherme reversible Expansion bei T2

2. Adiabatische reversible Expansion: T2—» , (7 = 0

141

3. Isotherme reversible Kompression bei ,

(a)

(b)

Abbildung 7.3 (a) Reversibler Wärmeübergang von T2 nach 7\; (b) irreversibler Wärmeübergang von T2 nach ,.

2. Der Kontakt des Gases mit dem wärmeren Reservoir wird unterbrochen und das Gas adiabatisch reversibel expandiert, bis es die Temperatur 7^ des kälteren Reservoirs angenommen hat. 3. Nun wird es mit dem kälteren Reservoir mit , in Berührung gebracht und solange isotherm komprimiert, bis es die Wärmemenge q an dieses abgegeben hat. Die Entropieabnahme im wärmeren Reservoir beträgt q/T2, die Entropiezunahme im kälteren Reservoir q/^ . Insgesamt beträgt die Entropieänderung beider Reservoirs 51 =