Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie 9783050050126, 9783050043364

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) zählt zu den vielseitigsten und genialsten Köpfen der Menschheit. Er war nicht nur

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Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie
 9783050050126, 9783050043364

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Gottfried Wilhelm Leibniz

Monadologie

Klassiker Auslegen Herausgegeben von Otfried Höffe Band 34

Otfried Höffe ist o. Professor für Philosophie an der Universität Tübingen

Gottfried Wilhelm Leibniz

Monadologie Herausgegeben von Hubertus Busche

Akademie Verlag

Abbildung auf dem Einband: Leibniz-Büste von Johann Gottfried Schmidt (Hannover 1788), original bronziert © Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landes­biblio­thek –

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-05-004336-4 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2009 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Gesamtgestaltung: K. Groß, J. Metze, Chamäleon Design Agentur Berlin Satz: Veit Friemert, Berlin Druck und Bindung: MB Medienhaus, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany



Inhalt Durchgängig verwendete Siglen . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

1. Einführung Hubertus Busche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2. Simple Substances and Composite Bodies (§§ 1–5) Donald Rutherford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Übernatürlichkeit und Fensterlosigkeit der Monaden (§§ 4–7, 49–52) Hubertus Busche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

4. Innere Prinzipien und Hierarchie der Monaden (§§ 8–29, 82 f.) Hans Poser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

5. Tatsachenwahrheiten und Vernunftwahrheiten (§§ 28–37) Sybille Krämer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

6. Gott und seine Relation zu den Geschöpfen (§§ 38–48) Wilhelm Schmidt-Biggemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7. Gottes Wahl der besten aller möglichen Welten (§§ 46, 53–55, 58 f.) Dirk Evers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 8. Monaden als lebendige Spiegel des Universums (§§ 56 f., 60–63, 83) Ansgar Lyssy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

VI

Inhalt

9. Unendlichkeit, Fülle und Kontinuität als Prinzipien der Natur (§§ 61 f., 65) Philip Beeley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 10. Maschinen der Kunst, Maschinen der Natur (§ 63–76) Stefan Heßbrüggen-Walter / Ansgar Lyssy . . . . . . . . . . . . . . 175 11. Prästabilierte Harmonie (§§ 78–81, 87) Thomas Leinkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 12. Monads, Forces, Causes (§ 80) Catherine Wilson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 13. Vernunft und Freiheit (§§ 82 f.) Thomas Buchheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 14. Die ethische Gemeinschaft der Geister mit Gott (§§ 84–90) Francesco Piro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Auswahlbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Hinweise zu den Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Durchgängig verwendete Siglen Siglen der wichtigsten Werkausgaben von Leibniz A = C = GM = GP =

Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, hg. v. der Preußischen (nunmehr Deutschen) Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1923 ff. Opuscules et fragments inédits de Leibniz. Extraits manuscrits de la Bibliothèque royale de Hanovre, hg. v. Louis Couturat, Paris 1903; Nachdruck Hildesheim 1961. Leibnizens mathematische Schriften, hg. v. Carl Immanuel Gerhardt. 7 Bde., Berlin (später Halle) 1849–1863; Nachdruck Hildesheim 1971. Die philosophischen Schriften von Leibniz, hg. v. Carl Immanuel Gerhardt. 7 Bde., Berlin 1875–1890; Nachdruck Hildesheim 1978.

Siglen häufig zitierter Schriften von Leibniz CD D M NE P SD SN T

= = = = = = = =

Causa Dei Discours de Métaphysique Monadologie Nouveaux Essais Principes de la Nature et de la Grâce Specimen Dynamicum Système nouveau Essais de Théodicée

Vorwort Wer die Philosophie studiert, kommt an Leibniz’ berühmter Spätschrift, der posthum so betitelten Monadologie, nicht vorbei. Das kleine Werk gilt zu Recht als philosophisches Testament oder Vermächtnisschrift des universalen Denkers. Denn es liefert eine Art Summe, die so gut wie alle Lehrstücke der Leibnizschen Metaphysik in hochkonzentrierter Form zusammenfaßt. Diese thematische Breite ist allerdings durch einen Mangel an Tiefe in der argumentativen Begründung erkauft. Wegen ihres knappen Umfangs muß sich die Schrift damit begnügen, oft nur die bloßen Thesen aufzustellen, ohne diese entwickeln und durch Verdeutlichung der wissenschaftlichen Grundlagen rechtfertigen zu können. Deshalb bedarf die Monadologie, noch mehr als andere Texte dieser Art, eines erläuternden und vertiefenden Kommentars. Zu diesem Zweck vereinigt der vorliegende Band vierzehn Originalbeiträge ausgewiesener Leibnizforscher aus dem In- und Ausland zu einem kooperativen Kommentar. Während die Einführung eine Übersicht über Status, Kontext und Aufbau der Monadologie gibt, widmet sich jeder der folgenden Beiträge einem besonderen Lehrstück der Schrift. Die Kommentierung erfolgt dabei stets unter Rückgriff auf andere maßgebliche Texte Leibnizens. Für ihre Unterstützung bei der formalen Vereinheitlichung der Texte danke ich Eva Otto und Horst Mayer, für seine Mitwirkung an der Redaktion sowie an der Bibliographie Ansgar Lyssy.

Hagen, im August 2008

Hubertus Busche

1 Hubertus Busche

Einführung

Welche Schrift von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) sollte man am besten lesen, wenn man einen Zugang zu seiner Philosophie gewinnen will? Schon die Frage führt in die Irre.

1.1. Leibniz als enzyklopädischer Philosoph Leibniz war einer der vielseitigsten Köpfe, die je gelebt haben. Er war gelernter Jurist, Diplomat und Kirchenpolitiker, Logiker, Mathematiker und Naturforscher, Wissenschaftsreformer und Bibliothekar, Historiker und Sprachforscher, Erfinder von Rechenmaschinen und Bergbauförderanlagen sowie nicht zuletzt Theologe und Philosoph. Die Philosophie aber bildet im Leibnizschen Globus der Wissenschaften nicht etwa ein Segment neben anderen Disziplinen, sondern (zugleich mit der Mathematik) gleichsam den Mittelpunkt, der in alle Wissensfelder ausstrahlt. Philosophie ist nämlich für Leibniz in allen Einzelwissenschaften jener rationale Teil, der die ersten Prinzipien der jeweiligen Wissenschaft erforscht und begründet. Entsprechend dieser Grundlegungsfunktion der Philosophie für die Wissensdisziplinen fächert sich auch Leibniz’ Bedeutung als Philosoph in unterschiedliche Kompetenzgebiete auf. Seinen vielfältigen Interessen und Fähigkeiten entsprechend hat er auf vielen dieser Gebiete maßgebliche Grundlegungsschriften verfaßt. Für die Rechtsphilosophie sind das etwa die Elementa juris naturalis, für die Kosmologie die Hypothesis physica nova, für die physikalische Kräftelehre das Specimen Dynamicum, für die Logik etwa die Generales Inquisitiones de Analysi notionum et veritatum, für die Differentialrechnung die Nova Methodus pro Maximis et Minimis, für



Hubertus Busche

die Erkenntnistheorie die Nouveaux Essais sur l’Entendement humain, für die rationale Theologie die Essais de Théodicée, usw. Gerade wegen dieser enzyklopädischen Breite des Philosophierens und wegen der Komplexität seiner wissenschaftlichen Voraussetzungen gibt es keine Schrift von Leibniz, die in seine Philosophie generell einführte, und deshalb kann es auch in der Forschungsliteratur nur schwerlich eine allgemeine Einführung in Leibniz’ Philosophie überhaupt geben. Was wir heute allerdings assoziieren, wenn wir den Philosophen Leibniz eher künstlich vom Juristen, Physiker oder Mathematiker Leibniz abgrenzen, ist vor allem der Schöpfer einer neuen Metaphysik. Denn gerade mit diesem zwar sehr wichtigen, aber nichtsdestoweniger ganz speziellen Teilgebiet der Philosophie verbinden wir Leibniz’ originellste Lehrstücke. Legt man die von Christian Wolff (1679–1754) begründete Einteilung der Metaphysik zugrunde, so gibt Leibniz mit seiner allgemeinen Lehre von den Monaden eine neue Antwort auf die Probleme der Ontologie oder metaphysica generalis. Was dagegen die metaphysica specialis betrifft, so suchen die Lehrstücke von den Monaden als den unvergänglichen und zugleich perspektivisch repräsentierenden Spiegeln des Universums sowie von der Prästabilierten Harmonie Antworten in der rationalen Psychologie; die Lehrstücke von der besten aller möglichen Welten und den beiden sich durchdringenden Reichen der Natur (dem Reich der Notwendigkeit und dem der Weisheit) geben originelle Antworten in der rationalen Kosmologie; und die Lehrstücke von Gott als dem letzten, zureichenden Grund, der als Erfinder und Architekt die Weltmaschine nach der Wahl des Besten erschaffen hat, der als Quell aller Energie die Dinge durch ständige „Ausblitzungen (fulgurations)“ im Sein erhält und der als Monarch einem ethischen Reich der Geister vorsteht, geben in der rationalen Theologie ebenfalls Antworten, die nur beim ersten Anschein traditionell wirken. Es ist in diesem Sinne der Metaphysiker Leibniz, auf den heute der Philosoph Leibniz gerne eingeengt wird. Wenn man also die Ausgangsfrage entsprechend präzisiert und nach derjenigen Leibnizschen Schrift fragt, die am besten speziell in seine Metaphysik einführt, dann fällt die Antwort nicht mehr ganz so schwer. Es zeigt sich, daß die Monadologie zumindest den umfassendsten Überblick über Leibniz’ metaphysisches System präsentiert.

Einführung



1.2. Die Stellung der Monadologie unter den metaphysischen Schriften Leibniz hat zahlreiche Schriften zur Metaphysik hinterlassen. Doch wie das für seine Denk- und Arbeitsweise charakteristisch ist, hat er davon fast gar nichts veröffentlicht. Bei diesen unveröffentlichten Texten sind wiederum zwei Textsorten zu unterscheiden. Die erste besteht aus zahlreichen kleineren und größeren Privatnotizen, die Leibniz nur für sich selbst entworfen hat, um sich vermittels von Problemanalysen und Definitionen immer klarer über die Gedanken seines System zu werden. Diese Gruppe von weithin unbekannten Texten, zu denen etwa das Specimen Inventorum de admirandis naturae generalis arcanis (wahrscheinlich von 1688) gehört, hat für die Rekonstruktion des Leibnizschen Systems den allergrößten Wert, weil Leibniz hier gleichsam geradeaus schreibt, ohne sich von kommunikativen Absichten und diplomatischen Rücksichten gegenüber den Lesern fesseln zu lassen. Allerdings sind diese Texte oft auf sehr spezielle Fragestellungen beschränkt, und nicht wenige sind sogar äußerst spröde und kleinteilige Begriffsklärungen. Deshalb sind diese Texte, so unverstellt sie auch sind, nicht alle im gleichen Maße wichtig. Die zweite Textsorte sind adressatenorientierte Gelegenheitsschriften, die Leibniz eigens für unterschiedliche Personen(kreise) entworfen und auf deren Verstehenshorizont hin zugeschnitten hat, um ihnen bestimmte Zusammenhänge darzulegen, andere dagegen nicht. Von jenen vier größeren Schriften zur Metaphysik, die heute dem akademischen Leserkreis vertraut sind, fallen bereits drei in diese Gruppe: Den Discours de Métaphysique schrieb Leibniz 1686 mutmaßlich im Hinblick auf Antoine Arnauld, dem er allerdings nur eine Kurzfassung zukommen ließ. Die Principes de la Nature et de la Grâces verfaßte Leibniz 1714 in Wien für den Prinzen Eugen von Savoyen. Und auch seine sogenannte Monadologie, die ebenfalls im Wiener Sommer 1714, zwei Jahre vor seinem Tod, und ebenfalls auf Französisch geschrieben wurde, war ebensowenig für ein größeres Publikum bestimmt; vielmehr wurde sie eigens für den Gelehrtenkreis um den Platoniker Nicolas François Rémond (1676–1716) geschrieben, der als Erster Rat des Herzogs von Orleans den Mittelpunkt eines intellektuellen Zirkels in Paris bildete und mit dem Leibniz in seinen letzten drei Lebensjahren korrespondierte. Remond hatte Leibniz darum gebeten, ihm seine Metaphysik im Zusammenhange darzulegen, und daraufhin verfaßte Leibniz sein „Eclaircissement sur les Monades“ (an Remond, Juli 1714, GP III 618). Dieser Erläuterung dienten auch die Verweise auf Parallelstellen in der Theodizee, die Leibniz hinzufügte. Den griffigen Titel „Monadologie“



Hubertus Busche

erhielt die Erläuterungsschrift erst 1720 von Heinrich Köhler, der sie erstmals ins Deutsche übersetzte. Eine der vier Handschriften, in denen das Werk überliefert ist, trägt die Überschrift Les Principes de la Philosophie, par Monsieur Leibniz. Leibniz’ vierte bekanntere Schrift zur Metaphysik, das Système nouveau de la nature et de la communication des substances, gehört bereits zu einer anderen, dritten Textsorte, denn es ist – wenn man einmal von den theologischen Essais de Théodicée absieht – Leibniz’ einzige metaphysische Schrift von Bedeutung, die er selbst hat publizieren lassen. Sie wurde im Juni 1695 im Pariser Journal des Sçavants für das gelehrte Publikum gedruckt, nachdem im März 1694 bereits eine kleine, lateinisch verfaßte Ankündigungsschrift in den Leipziger Acta Eruditorum vorausging, die den Titel trug De Primae Philosophiae Emendatione, et de Notione Substantiae. Weil die Monadologie also zusammen mit den Principes de la Nature et de la Grâces und dem Discours de Métaphysique zu den adressatenorientierten Gelegenheitsschriften zählt, ist sie für einen unverstellten Einblick in die authentische Konzeption der Leibnizschen Metaphysik strenggenommen nur von sekundärem Wert. Sie hat jedoch dafür den großen Vorteil, daß sie in extrem knapper Weise so gut wie alle berühmten Lehrstücke der Leibnizschen Metaphysik in Thesenform zusammenfaßt. Deshalb wurde sie, zusammen mit den genannten Principes, im 20. Jahrhundert öfter als „Summe“ oder „Vermächtnisschrift“ eingestuft. Durch ihr metaphysisches Breitwandpanorama unterscheidet sie sich einerseits von Leibniz’ meist hochspeziellen Privatnotizen, die nur ganz wenige Sachprobleme, diese jedoch sehr tiefgründig und differenziert erörtern, andererseits aber auch vom publizierten Système nouveau; denn dieses bietet zusammen mit seinen Erläuterungen und Zusätzen zwar eine hervorragende Verdeutlichung der Prästabilierten Harmonie, geht jedoch thematisch kaum über den engen Kreis der Leib-Seele-Beziehung hinaus. Dagegen erweist sich die Monadologie sogar unter den drei adressatenspezifischen Gelegenheitsschriften, die sich allesamt um eine breite Darstellung bemühen, als die inhaltlich umfassendste. So ist zwar der Discours de Métaphysique vom Textumfang her mehr als doppelt so lang wie die Monadologie; da er jedoch, im Hinblick auf Arnauld, die theologische Dimension in den Mittelpunkt rückt, werden in ihm weder die internen Eigenschaften der Monaden (Perzeption und Appetition) noch die Hierarchie der Monaden (Geister, Seelen, Entelechien) erörtert. Auch wichtige naturphilosophische Aspekte, die in der Monadologie stark herausgestellt werden, fehlen im Discours entweder ganz, wie die Hinweise auf die unendliche Unterteiltheit der Materie und auf die Körper als Aggregate von

Einführung



Monaden, oder sie werden lediglich angedeutet, wie etwa das Prinzip der Fülle bzw. das „sympnoia panta“ (D § 33). Auch bleibt manches undeutlich; so werden etwa die Wirkursachen und die Zweckursachen als zwei unterschiedliche Arten von „Betrachtung (consideration)“ der Natur erörtert (D § 21 f.), doch daß beide in der Natur selbst als „zwei Reiche“ realisiert sind, die unvermischt miteinander harmonieren, sagt nur die Monadologie (M §§ 79 u. 87). Darüber hinaus hat der Discours den großen Nachteil, daß sein Schlüsselprinzip der „individuellen Substanz“ nicht eindeutig erkennen läßt, ob es mit jener „einfachen Substanz“ identisch ist, die Leibniz erst seit 1696 terminologisch als „Monade“ bezeichnet, oder ob es auch das lebendige körperliche Individuum einschließt, das Leibniz anderenorts „zusammengesetzte Substanz“ nennt. Immerhin skizziert der Discours dafür die in der Monadologie ganz ausgeklammerte Theorie jener vollständigen Begriffe, die Gott von jeder individuellen Substanz besitzt (D § 13). Auch im Vergleich mit den Principes de la Nature et de la Grâce schneidet die Monadologie hinsichtlich ihrer prägnanten Fülle von Themen und Thesen besser ab, wenn auch nur mit knappem Vorsprung. Denn die Principes sprechen fast alle metaphysischen Lehrstücke an, die auch in der Monadologie erörtert werden; weil sie aber fast nur halb so umfangreich sind wie die Monadologie, fällt ihre Darstellung noch komprimierter und skizzenhafter aus. Dieser extremen Kürze fallen auch einige wichtige Pointen zum Opfer, deren Betonung das Gütesiegel der Monadologie ausmacht, wie z. B. die Fensterlosigkeit der Monaden (M § 7), die berühmte Kennzeichnung der kontinuierlichen Erschaffung der Monaden als „ständige blitzartige Ausstrahlungen der Gottheit“ (M § 47) oder auch die explizite Bestimmung des (menschlichen) Geistes als einer „kleinen Gottheit“ (M § 83). Insgesamt läßt sich aus dem kurzen Vergleich der drei Schriften das Fazit ziehen, daß der Leser, der sich mit einem möglichst breiten Überblick über fast alle Lehrstücke der Leibnizschen Metaphysik vertraut machen will, nicht aber die Möglichkeit hat, alle Schriften gleichermaßen zu studieren, mit der Monadologie am besten beraten ist. Ihr thematischer Reichtum bei gleichzeitig anschaulich bildhafter Sprache erklärt auch, warum die Monadologie heutzutage die am meisten gelesene metaphysische Schrift von Leibniz ist und vielen sogar als sein metaphysisches Hauptwerk gilt. Dies darf, wie schon eingangs betont, nicht dahingehend mißverstanden werden, als ob die Monadologie einen Überblick über Leibniz gesamtes philosophisches System gäbe. Das wäre schon deshalb falsch, weil die ganze Erkenntnistheorie und Logik, die naturrechtlich fundierte Ethik und Staatslehre, aber auch weite Teile der Naturphilosophie (wie die Theorie der wohlfundier-



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ten Phänomene und die Theorie von Raum und Zeit) und insbesondere die Lehre vom freien Willen hier ausgeklammert sind. Nahezu flächendeckend ist die Monadologie einzig auf dem Gebiet der Metaphysik. Wie im folgenden zu erläutern ist, wird dieser Vorteil jedoch durch den unleugbaren Nachtteil erkauft, daß ihre Darstellung abstrakt und in gewisser Weise populär und oberflächlich bleibt, da sie ihre Thesen kaum begründet oder erläutert, geschweige denn wissenschaftlich rechtfertigt. Diesen Mangel teilt die Monadologie allerdings mit den anderen genannten Gelegenheitsschriften.

1.3. Rätselhaftigkeit und Fremdartigkeit als Kennzeichen der Monadologie Die Monadologie zeichnet sich durch zwei Charakteristika aus, die zwar auch Leibniz’ anderen Schriften zur Metaphysik eigentümlich sind, in der Spätschrift aber ganz besonders deutlich hervortreten: Rätselhaftigkeit und Fremdartigkeit. Beide Kennzeichen hängen zwar miteinander zusammen, sind aber voneinander zu unterscheiden. Die Monadologie ist erstens ein durchweg rätselhaftes Werk, jedenfalls dann, wenn man sie aufmerksam liest. Sie fasziniert und frustriert zugleich. Obwohl kunstvoll aufgebaut und in 90 kurze, lesefreundliche Paragraphen gegliedert, hinterläßt sie auch beim scharfsinnigsten und gebildetsten Leser eine gewisse interpretatorische Hilflosigkeit. Denn gerade dasjenige, was von Leibniz als die wahre Wirklichkeit präsentiert wird – jene unendliche Vielzahl teils wachender, teils schlafender „Monaden“, aus denen die körperlichen Phänomene der Natur resultieren sollen – wird nicht weiter erläutert. Auch am Ende der Lektüre weiß man weder, wovon bei diesen metaphysischen Entitäten eigentlich die Rede ist, noch wie man sich ihr Verhältnis zu den körperlichen Phänomenen zu denken habe. Es ist, als erklärte Leibniz die ganze Welt aus einem allgegenwärtigen Geheimnis, in das er seine Leser nicht einweiht, sondern um das er gleichsam herumschreibt, indem er es mit der fremdsprachigen Chiffre „Monade“ versiegelt. Auch hinsichtlich der meisten anderen Behauptungen, die der Text einfach aufstellt, bekommt der Leser kaum Erläuterungen, geschweige denn Begründungen. Vielmehr wird er mit einer zunächst deduktiven, später aber nur begrenzt aus einander ableitbaren Abfolge rätselhafter Thesen konfrontiert, die aus allen einzelwissenschaftlichen Erklärungszusammenhängen herausgerissen und argumentativ kaum hinlänglich gerechtfertigt sind.

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Im Unterschied zum Discours de Métaphysique, der mit Gott als dem höchsten Prinzip beginnt, setzt die Monadologie, gleichsam wie aus der Pistole geschossen, mit dem abgeleiteten Prinzip „Monade“ ein, indem sie diese definiert als „eine einfache Substanz, die in die zusammengesetzten eintritt (une substance simple, qui entre dans les composés)“ (M § 1). Unklar bleibt erstens, ob als das fehlende Substantiv zu „composés“ die Körper zu ergänzen sind, die der sinnlichen Beobachtung zugänglich sind und sich nachweislich aus kleineren Körpern zusammensetzen, oder ob vielmehr – wie es der Gegenbegriff der einfachen Substanz assoziieren läßt – jene zusammengesetzten Substanzen gemeint sind, die sich als intelligible Entitäten der Beobachtung entziehen. Von nicht minder großer Reichweite ist zweitens die Unklarheit, in welchem Sinne die Monade in das Zusammengesetzte „eintritt“. Und ganz abgesehen von der Dunkelheit über das Wie des Eintretens scheint auch die Vorstellung, daß die Monade in einen ihr äußerlichen Zusammenhang lediglich eintritt, den Grundgedanken der folgenden Paragraphen zu desavouieren, daß dieser Zusammenhang doch in irgendeiner Weise allererst von den Monaden konstituiert werden soll. Enigmatisch bleiben auch die Paragraphen 2 und 3. Wie können z. B. die zusammengesetzten Dinge „nichts anderes als eine Anhäufung oder ein Aggregat der einfachen (Substanzen)“ sein, wenn doch die Monaden selbst „ohne Teile“ sind und folglich „weder Ausdehnung noch Figur noch Teilbarkeit“ besitzen? Denn ein Element, dessen Ausdehnung gleich null ist, kann man noch so oft anhäufen, ohne daß durch diese Aggregation ein ausgedehnter Körper erzeugt werden könnte. Obendrein ruft noch die Begründung, einfache Substanzen müsse es deshalb geben, „weil es zusammengesetzte gibt“, die gegenteilige, aber ebenso falsche Assoziation wach, als wären die Monaden, wie im antiken Atomismus, letzte Bausteinchen, aus denen sich die Körper ähnlich zusammensetzen wie ein Sandhaufen aus winzigen Sandkörnern. Hierfür müßten die Monaden jedoch minimal ausgedehnt sein und folglich aus Teilen bestehen, was wiederum gegen ihre Definition verstieße. Andererseits, wenn Monaden umgekehrt völlig immaterielle Entitäten wären, vergleichbar mit mathematischen Punkten, wie könnten sie dann die „wahren Atome der Natur“ sein? Hierfür müssen sie doch an der physischen, körperlichen Realität in irgendeiner Weise teilhaben. Und wie könnten sie dann außerdem „lebendige, immerwährende Spiegel des Universums“ sein (M § 56)? Setzt doch alles Perzipieren bzw. Repräsentieren eine Affizierbarkeit, d. h. ein Erleidenkönnen durch äußere Gegenstände und somit eine Teilhabe am Prinzip der Materialität voraus. Außerdem, mit welchem Recht könnte M § 7 von einem „Inneren“ der Monade sprechen, in das „von außen“ nichts hineinkommen kann,



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wenn die Monade nicht grundsätzlich am Ausgedehnten teilhätte? Doch wiederum andererseits, falls die Monaden wirklich an der Materialität teilhätten, warum sollten sie dann „keinen physischen Einfluß“ aufeinander (§ 51) oder, bildlich gesprochen, „keine Fenster“ (M § 7) haben können? Die ganze Monadologie ist eine Kette solcher und weiterer Rätsel. Durch sie wird der denkende Leser veranlaßt, von einer Interpretation zur nächsten zu wechseln, ohne zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Deshalb gewinnt man den Eindruck, daß Leibniz mehr und Genaueres weiß, als er preisgibt, und daß er dem Gelehrtenkreis um Rémond ein Rätsel aufgibt, das der Auflösung harrt. Daß die Thesen der Monadologie weitgehend dunkel und insofern auch argumentativ unzulänglich gerechtfertigt bleiben, liegt jedoch nicht nur an ihrer formalen Rätselhaftigkeit. Es sind auch die Inhalte jener Thesen, die von jeher als phantastisch empfunden wurden, weil sie dem Alltagsrealismus und insbesondere dem mechanistischen Weltbild des 17. und 18. Jahrhunderts fremd zu bleiben scheinen. Hier liegt die Seltsamkeit, Fremdartigkeit oder „aura of strangeness“ (Rescher 1991, 11), die das zweite Charakteristikum der Monadologie bildet. Bedeutet es nicht einen Rückfall in den Animismus einer mentalité primitive, wenn ein Philosoph es zum Zentrum seiner Theorie erklärt, daß überall, in jedem noch so kleinen Teil der Materie, Monaden (M §§ 65–69) und folglich Seelen (M § 19) sind, die allesamt eine Art von „Verspürung (perception)“ und „Streben (appetition)“ besitzen, auch wenn dies nicht immer von „Bewußtsein (conscience)“ begleitet ist (M § 14)? Mehr noch, wenn einige dieser Monaden „Geister (esprits)“ sind, die über „vernunftbegabte Seelen (âmes raisonnables)“ verfügen (M § 82), verkehren wir dann nicht ständig, ohne es zu merken, mit Geistern, auch wenn diese vielleicht nicht gerade bewußt nachdenken oder gar Liebe zu Gott empfinden? Es scheint eine nicht nur ungewohnte, sondern auch eigenwillige Vision der Welt zu sein, die sich in der Monadologie ausspricht. Daß ihr Autor ein nüchterner Jurist und weltgewandter Diplomat war, der nicht im Geruch der Geisterseherei stand, ändert nichts daran, daß er als der Avantgardist einer höchst gewöhnungsbedürftigen Wiederverzauberung der Welt im mechanistischen Zeitalter Newtons gelten muß. Entsprechend empfand etwa schon Immanuel Kant die Leibnizsche Lehre von den überall „schlummernde[n] Monaden“, die irgendwann „zum Erwachen gebracht“ werden und dann bis zur Auferstehung „wieder in den Schlummer“ verfallen, als „eine Art von bezauberter Welt“. Auch beurteilte Kant, der nur wenige Schriften von Leibniz gelesen hatte, das „System der vorherbestimmten Harmonie“ als das „wunderlichste Figment, was je die Philosophie ausgedacht hat“. Kant hielt Leibniz nämlich für den Proto-

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typ eines Vernünftlers, der die sinnliche Erkenntnis nur als verworrenen Modus des intellektuellen Begreifens habe gelten lassen, so daß bei ihm die ganze Welt rein „aus Begriffen erklärt und begreiflich gemacht werden sollte“. Und weil Kant u. a. glaubte, daß „Substanzen schon durch den Begriff von ihnen […] als vollkommen isolirt vorgestellt werden müssen“, unterstellte er Leibniz, die Lehre von der Prästabilierten Harmonie nehme Zuflucht zu einem göttlichen „Künstler“, „der diese an sich völlig isolirte Substanzen […] so modificirt […], daß sie untereinander […] harmonirten“ (Kant 1942, 285, 283 f.; Kant 1973, [KrV B] 322–324). Eine nicht weniger verhängnisvolle Wirkung als in Kants Zerrbild des von den Phänomenen abgewandten Intellektualisten Leibniz brachte die Lektüre der Monadologie bei Bertrand Russell hervor: „I felt – as many others have felt – that the Monadology was a kind of fantastic fairy tale, coherent perhaps, but wholly arbitrary“ (Russell 41951, XIII). Dieses Urteil vom phantastischen und willkürlichen Ammenmärchen der Monadologie wiegt umso schwerer, als Russells Leibniz-Buch in der anglophonen Welt leider immer noch eine der am meisten verbreiteten Interpretationen darstellt. In der Tat, daß die auf 90 Paragraphen verteilten Thesen der Monadologie trotz einer gewissen logischen Abfolge doch erstens in einen Kern von rätselhafter Dunkelheit gehüllt bleiben und daß sie zweitens eine visionäre Welt evozieren, die uns heute auf den ersten Eindruck seltsam und fremdartig anmutet, verleiht der ganzen Schrift etwas Narratives und Willkürliches. Gleichwohl erweist sich der Anschein, als ob die Monadologie das private Glaubensbekenntnis eines zu Spekulationen neigenden Greises wäre, der seine persönlichen Mutmaßungen über das, was die Welt im Innersten zusammenhält, für letzte Wahrheiten ausgibt und sich hierbei zudem noch in Ungereimtheiten verstrickt, als völlig unzutreffend. Vielmehr läßt sich zeigen, daß die Vermächtnisschrift die Umrisse eines Systems skizziert, das wie kaum ein anderes der Philosophiegeschichte aus der intensivsten Durchdringung der zeitgenössischen wissenschaftlichen Beobachtungen und Theorien erarbeitet wurde. Für die Monadologie gilt erst recht, was Leibniz schon über sein Système nouveau verlautbaren ließ: Er habe noch „weitere Beweise“ für seine philosophische Hypothese, doch die seien „tiefgründiger (plus profondes)“ (GP IV 501). Leibniz scheut sich nicht zu behaupten, „daß ich alles dieses beweisen kann; doch für den Augenblick genügt es, dies als eine Hypothese aufrechtzuerhalten, die möglich und zugleich geeignet ist, um die Phänomene zu erklären“ (GP IV 518). Entsprechend „wagt“ Leibniz auch in M § 59 von seiner Hypothese „zu sagen, daß sie bewiesen ist“.

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Leibniz’ verstreute Hinweise auf sein tiefer fundiertes, wissenschaftlich beweisbares System der Metaphysik lassen erkennen, daß einer der Hauptgründe für die Dunkelheit und für die unzulängliche Begründetheit der in der Monadologie aufgestellten Thesen gerade in ihrem Reichtum an wissenschaftlichen Gehalten liegt, deren komplizierte Verflechtung Leibniz unmöglich in einem kleinen Text explizieren konnte. Es ist, nur scheinbar paradox, gerade Leibniz’ Anspruch, mit allen wichtigen zeitgenössischen Entdeckungen und Theorien in der Wissenschaft harmonisierbar zu sein, der seine Metaphysik insgesamt so komplex und folglich so schwierig und unzugänglich macht, erst recht für heutige Leser, die in den wissenschaftlichen Debatten des 17. Jahrhunderts nicht bewandert sind. Und so zeigt sich nicht ohne Tragik, daß ausgerechnet die am Universalgenie Leibniz allseits so sehr gerühmte Stärke, seine philosophisch-enzyklopädische Synthese auf dem fortgeschrittensten und konkretesten Stand der einzelwissenschaftlichen Theorie-Diskussionen seiner Zeit entworfen zu haben, in den bekanntesten seiner Schriften gar nicht zum Tragen kommt. Leibniz’ bekannte Schriften, erst recht seine Monadologie, sind nur abstrakte Skizzen, in denen der konkrete Reichtum an wissenschaftlichen Begründungen und Erklärungen allenfalls in Spuren gegenwärtig ist. Diese Schriften zeigen gleichsam nur die Nasenspitze eines unbekannten Krokodils, das auf tiefen Gewässern schwimmt. Und hier sind wir bei Leibniz’ ungeschriebener Lehre, einem Zug seines Philosophierens, den er mit seinem Vorbild Platon teilt.

1.4. Leibniz’ ungeschriebene Lehre der Metaphysik Die aus der Platonforschung entlehnte Formel der „ungeschriebenen Lehre“ auf Leibniz zu übertragen, scheint zunächst abwegig, denn mit seinem gigantischen Nachlaß von insgesamt rund 75.000 Schriftstücken und 15.000 Briefen dürfte Leibniz zu den Menschen der Weltgeschichte zählen, die am meisten geschrieben haben. Leibniz’ Hinweise auf unveröffentlichte Arbeiten, in denen er wissenschaftliche Beweise für seine Metaphysik geführt zu haben glaubt, zeigen jedoch, daß er sich bei der Veröffentlichung seiner Gedanken, und hier insbesondere seiner Metaphysik, äußerst bedeckt hielt. Von seinen metaphysischen Schriften hat Leibniz nicht einmal ein Promille veröffentlicht, und im Rahmen der Akademieausgabe wurde erst ein Bruchteil dieser Schätze ans Licht geholt. Inzwischen scheint die Leibnizforschung jedoch zu erkennen, daß sich in der Monadologie, aber auch in seinen anderen Schriften, die Grundrisse einer

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philosophischen Hypothese artikulieren, deren Mittelpunkt Leibniz stets geheimhielt – aus Motiven, die hier nicht zu klären sind. Die Befürchtung, daß seine „von der gewöhnlichen Fassungskraft und von den Vorurteilen der meisten derartig weit entfernten Gedanken“ einmal der „unheilvollen Zensur ignoranter und böswilliger Leute“ zum Opfer fallen könnten (an de Volder, Anfang Januar 1699, GP II 162), war gewiß nur ein Grund unter mehreren, der ihn zur Zurückhaltung seiner Lehre bewog. Wichtiger scheint, daß Leibniz, der durch seine eigene metaphysische Hypothese weitgehend die prinzipielle Harmonisierbarkeit der christlich-konfessionellen Kontroversartikel wie etwa zum Abendmahlsstreit beweisen wollte, diese Hypothese selbst den Parteien nicht mitteilen konnte, wenn er nicht alle Fraktionen dadurch verprellen wollte. Und schließlich mag auch das elitäre Moment hinzukommen, daß Leibniz nicht einmal hinsichtlich der Gelehrten für eine große Menge schreiben wollte. „It would seem that he was less concerned about publishing his system for the world than securing the adherence, or at any rate understanding, of a score or two of leading intellects“ (Rescher 1991, 8). Was auch immer die Motive der Zurückhaltung gewesen sein mögen, wir haben massive Indizien dafür, daß sowohl die unleugbare Rätselhaftigkeit als auch die scheinbare Phantastik und Willkür der Monadologie Ausdruck einer von Leibniz bewußt verfolgten literarischen Andeutungspolitik sein dürften. Immerhin hat schon der frühe Leibniz den „ungeheuren Unterschied“ festgehalten zwischen einem „akroamatischen“ oder esoterischen, d. h. für einen kleinen Kreis Eingeweihter bestimmten Philosophieren einerseits, in dem mit „äußerster Strenge“ und „äußerster Exaktheit“ „alles bewiesen wird“, und einem „exoterischen“, d. h. nach außen für die Öffentlichkeit gedachten Stil andererseits, in dem alles „nur topisch vorgebracht“, d. h. in Form allgemein üblicher Vorstellungen und Begriffe gesagt wird (Vorrede zu Nizolius, A VI 2, 416). Da Leibniz die oben zitierten Äußerungen über seine unveröffentlichten „Beweise“ zur Möglichkeit seiner Metaphysik selbst publiziert hat, gab er damit für Kenner der Nizolius-Vorrede öffentlich zu verstehen, daß er mit seiner tieferen Lehre hinter dem Berg hält. Und so gibt es auch bereits seit Lessing die Vermutung, daß Leibniz in Sachen Metaphysik eine „esoterische“ Lehre entwickelt habe, die er in seinen publizierten Schriften nicht expliziere. Auch hat man nicht schlecht gefolgert: „Wo Leibniz eine Dummheit zu machen scheint, da liegt ein Zugang zu seiner strengeren, ‚esoterischen‘ Theorie verborgen“ (Wöhrmann 1980, 78). Obwohl man sich gegen den Mißbrauch verwahren muß, einen „esoterischen“ Leibniz zum Vorwand interpretatorischer Willkür zu nehmen, kann man nicht gut leugnen, daß Leibniz sich über den letzten

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Kern seiner Metaphysik ausgeschwiegen und dies auch einigen Vertrauten gegenüber eingeräumt hat. Wußte er doch, daß die Art, wie seine Philosophie „den Ursprung der Phänomene“ zu erklären sucht, derartig kühn und ungewohnt ist, daß „das Jahrhundert nicht dazu gemacht“ war, „sie aufzunehmen“ (an Varignon, 2. Febr. 1702, GM IV 93 f.). Weil Leibniz den Kern seiner Metaphysik nur seinen privaten Aufzeichnungen anvertraut hat, konnte er resümieren: „Wer mich bloß aus meinen Veröffentlichungen kennt, der kennt mich nicht“ (an Placcius, 21. Februar 1696, Dutens, V 1, 65). Außerdem hat er wenigen vertrauten Briefpartnern gegenüber zugegeben, seine Monadenlehre sei derart „unerwartet“, daß man sich langsam und behutsam an sie gewöhnen müsse. Leibniz’ Postscriptum an de Volder von 1699 verweist nicht nur eindeutig auf eine esoterische Metaphysik, sondern spielt auch bereits zweifach auf jene Lichtnatur der Monaden an, die unten in Kap. 1.5.4. zu erläutern ist. „P. S. Nach den Äußerungen unseres Herrn Bernoulli habe ich verstanden, daß es Euch von großer Bedeutung zu sein scheint, daß die Aktivität der Substanz ins Licht gesetzt werde, ebenso wie daß die Kräfte festgesetzt würden. Ich glaube das allerdings und schätze Euer Urteil, aber mir ist es doch immer so erschienen, daß dies die Tür ist, durch die man von der Sache her zur wahren Metaphysik hindurchschreiten muß, damit man nämlich den Geist allmählich befreit von den falschen Vorstellungen der breiten Masse der Cartesianer auch über die Materie, die Bewegung und die körperliche Substanz, sobald der Geist eingesehen hat, daß man aus jenen Größen nicht die Regeln der Kräfte und Tätigkeiten ableiten kann und daß man geradewegs entweder seine Zuflucht zu einem Deus ex machina suchen muß oder aber ein höheres Prinzip in den Körpern einsehen muß. Wenn man nun den unvorbereiteten Geist in jene innersten Heiligtümer führt, in denen er von den Ursprüngen her eine völlig unerwartete Natur der Substanz und des Körpers schauen kann, so steht zu befürchten, daß der Geist von der Überfülle des Lichtes geblendet wird“ (GP II 195). Daß jenes „höhere Prinzip in den Körpern“, das Leibniz „einfache Substanz“ oder „Monade“ nannte, etwas mit der geheimnisvollen Natur des Lichtes selbst zu tun haben könnte, kommt auch für heutige Leser noch „völlig unerwartet“. Demnach spricht manches dafür, daß Leibniz seine Monadenlehre bewußt in schillernde Mosaiksteinchen zerstreut hat, die vom denkenden Leser selbst zu einer Art Puzzle zusammengesetzt werden müssen. Seine wenigen veröffentlichten Äußerungen zur Metaphysik geben lediglich Winke auf eine niemals im Zusammenhang explizierte Lehre: „The published works are but a window through which one can glance into the various parts of a

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larger structure“ (Rescher 1991, 8 f.). Leibniz’ differenziertes metaphysisches System existiert zwar auf Tausenden von Zetteln, wurde aber nie als zusammenhängendes Ganzes niedergeschrieben. Deshalb scheint die Rede von einer ungeschriebenen metaphysischen Lehre bei Leibniz durchaus angemessen. Will man nun Leibniz’ unveröffentlichte wissenschaftliche Lehre rekonstruieren, die in den exoterischen Darstellungen wie der Monadologie nur ansatzweise zum Ausdruck kommt, so muß man aus dem Fundus seiner Briefe und unveröffentlichten Aufzeichnungen diejenigen heranziehen, die uns Aufschlüsse über Motive und Einzelheiten seiner metaphysischen Konzeption geben. Hierzu zählen vor allem die erstaunlich unbekannten Frühschriften, in denen sich Leibniz erstmals Rechenschaft über seine maßgeblichen Konzepte ablegt. Das Folgende kann nur eine kleine Auswahl solcher Einblicke geben. Weil das größte Rätsel der Monadologie Sinn und Bedeutung der Monaden selbst betrifft, wird sich die Rekonstruktion auf diese Entitäten beschränken.

1.5. „Metaphysische Punkte“ – Was die Monadologie nicht über die Monaden verrät Was die Monadologie nicht einmal andeutet, ist die Tatsache, daß Leibniz den Monaden eine punktuelle Struktur zuschreibt; die Principes dagegen sprechen immerhin in P § 2 f. von „point“ oder „centre“. Anderenorts charakterisiert Leibniz die „Monaden“ – ein Ausdruck, den er erst ab 1696 terminologisch verwendet – als „metaphysische Punkte (points metaphysiques)“ (GP IV 482 f.). Jede Monade ist ein „beseelter Punkt (point animé)“ (GP IV 478)“ oder ein „substantielles Zentrum (centre substantiel)“ (GP VI 306). In Analogie zur Weltkugel bildet jede Monade eine „kleine Welt (petit monde)“ (GP IV 441), eine „eigene Welt (mundus proprius)“ (GP II 436), eine „abgetrennte Welt (mundus separatus)“ (GP II 444, GP IV 439) oder eine „konzentrierte Welt (mundus concentratus)“ (GP II 252). Aufgrund dieser in einem Punkt zu höchster Realität verdichteten „concentration de l’univers“ (GP IV 553) sind die Monaden „metaphysische Atome (Atomi Metaphysicae)“ (GP II 336; GP VII 529) oder „substantielle Atome (Atomes de substances)“ (GP IV 482; ähnlich 511).

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1.5.1. Vier Argumente für die Punktualität des Geistes Fragt man nach den Gründen, warum Leibniz die wahre Wirklichkeit nach dem Muster solcher beseelter Punkte konzipiert, so findet man schon in seinen frühesten Entwürfen der Jugendzeit eine „höchst subtile Betrachtung über die Natur des Punktes oder die unteilbaren Größen (de natura puncti seu indivisibilium), aus der die meisten Wunderwerke in den natürlichen Dingen entspringen“ (an Oldenburg, 28. September 1670, A II 1, 64). Ein wesentlicher Aspekt der hieraus entwickelten „schwehren Doctrinâ de puncto, instanti, indivisibilibus, et conatu“ ist Leibniz’ Lehre vom Bewegungsmoment (conatus), das der Geist innerhalb seines Punktes vollführt, ohne dabei eine linear erstreckte Bewegung (motus) zu vollziehen: „Gleich wie Actiones Corporum bestehen in motu, so bestehen Actiones mentium in conatu, seu motûs […] minimo vel puncto“ (an Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 108). Durch die punktuelle Natur, die Leibniz zunächst nur dem menschlichen Geist, später dann auch den anderen metaphysischen Einheiten in der Natur zuschreibt, werden hauptsächlich vier Postulate erfüllt: 1. die Einheit des Bewußtseins in der Vielheit seiner Gegenstände, 2. die Reflexionsfähigkeit des Geistes und damit seine Freiheit, 3. die Unsterblichkeit der Geistseele und 4. überhaupt die Wirkfähigkeit des Geistes durch seine unmittelbare Einheit mit Gott. Da sich diese vier Probleme um die letzten, metaphysischen „Geheimnisse der Dinge (arcana rerum)“ drehen (De incarnatione Dei, A VI 1, 535), hat der verblüffend frühreife Leibniz vermutlich schon 1663, d. h. mit gerade 17 Jahren, versucht, sich die Zusammenhänge anhand eines Schemas zu verdeutlichen, das als Urfassung der Monadenkonzeption gelten darf (A VI 1, 53–60; lat. Original, Übersetzung und Erläuterungen in Busche, 3–23, 381–404; Interpretation in Busche 1997, 57–91). Leibniz’ Erläuterungen dieses physiologischen Modells lassen erkennen, daß er den Geist als eine im Gehirn zu lokalisierende geometrische Struktur auffasst, die durch eine winzige Sphäre mit einem Mittelpunkt gebildet wird. Den Tätigkeiten des Geistes, wie Urteilen oder Schlußfolgern, korrespondieren innerhalb dieser „sphaera intellectus“ feine Radien, die aus dem mathematischen Mittelpunkt (intellectus agens) in den physischen Punkt ausstrahlen und an dessen Peripherie (intellectus patiens) reflektiert werden. Weil den gedanklichen Ideen also physisch die Winkel entsprechen, die das Zentrum zur Peripherie hin bildet, kann Leibniz zusammenfassen, der Geist (mens) sei „eine kleine in einem Punct begriffene Welt, so aus denen Ideis, wie centrum ex Angulis bestehet, denn angulus ist pars centri, ob gleich centrum indivisibel“ bleibt (an Herzog Johann Friedrich, Oktober [?]

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1671, A II 1, 163). Im Unterschied zu der spontanen, d. h. von innen heraus erfolgenden Tätigkeit gedanklichen Reflektierens bildet die mentale Sphäre in rezeptiver, introverser Richtung den berühmten point de vue oder Blickpunkt, in den von außen die Bewegungen der sinnlich wahrnehmbaren Körper einfallen, um dort zur Apperzeption zu gelangen. Insofern – hier nimmt der frühe Leibniz M §§ 56 und 63 vorweg – „verhält sich jeder Geist wie ein Spiegel“ bzw. ist „gleichsam eine Welt in einem Spiegel […], der die Strahlen der sichtbaren Dinge sammelt“ (Elementa juris naturalis, A VI 1, 464, 438). Durch dieses Konzept vom teils selbstreflexiven, teils rezeptiven mentalen Punkt will Leibniz die vier genannten Probleme folgendermaßen lösen: 1. Die Punktualität des Geistes garantiert zunächst die Unteilbarkeit und Einheit des Bewußtseins im Wahrnehmen, Vorstellen und Denken. Wie schon Aristoteles argumentiert hatte, muß das Organ, das die Einheit des Bewußtseins verbürgt, als unteilbares Zentrum „Eines“ sein, zugleich aber im Akt des Übergreifens auf die wahrgenommene oder gedachte Vielheit mit seinen Schnittlinien eine „Zweiheit“ aufspannen (vgl. De anima III 2, 427 a 9–16; III 6, 430 b 6–21; III 7, 431 a 20–29). Dieses Argument vom Geist (auch „mens“ oder „Gemüth“) als einer Harmonie, d. h. Vielheit in der Einheit, das in M § 13 und § 16 lediglich angedeutet wird, erläutert Leibniz in einem frühen Brief, in dem er die geistige Monade gegen den ausgedehnten Körper abgrenzt und sie als Schnittpunkt der von den externen Gegenständen herrührenden Bewegungen versteht: „Dieweil auch mens selbsten eigentlich in puncto tantùm spatij bestehet, hingegen ein Corpus einen platz einnimbt, welches ich, nur populariter davon zu reden, daher klärlich beweise, die weil das Gemüth sein muß in Loco concursus aller bewegungen die von den objectis sensuum unß imprimirt werden. Dann wann ich schliesen will, daß ein mir vorgegeben Corpus gold sey, so nehme ich zusammen seinen glantz, klang undt gewicht, undt schliese darauß daß es gold sey, muß also das gemüth ahn einem orth sein, da alle diese Linien visûs, auditûs, tactûs zusammen fallen, undt also in einem punct. Geben wir dem Gemüth einen grösern platz alß einen punct, so istß schon ein Cörper, undt hat partes extra partes, ist daher sich nicht selbst intimè praesens undt kann also auch nicht auff alle seine stücke undt Actiones reflectiren, darinn doch die Essentz gleichsamb deß Gemüthß bestehet.“ (An Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 108) 2. Als zweites Argument für die Punktualität des Geistes nennt Leibniz die Notwendigkeit, eine Form selbsttätiger Reflexion zu denken, die zwar nach mechanischen Gesetzen verläuft, nicht jedoch mechanisch determiniert ist. An der Fähigkeit zur Selbstreflexion hängt deshalb nicht weniger

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als die Entscheidungs- oder Willensfreiheit. Indem Leibniz nun die geistige Spontaneität und „Einsichtskraft (virtus intellectiva)“ als jenes Zentrum oder jene „Quelle (fons)“ konzipiert, aus der die „Tätigkeiten und Einsichten“ des Verstandes wie „Bächlein (rivuli)“ herausströmen, so wird diesem geistigen Mittelpunkt „eine unbezwingbare Freiheit“ gesichert. Denn der von innen her operierende Mittelpunkt wird hinsichtlich seiner dem Denken korrespondierenden Wirkradien zur Peripherie hin „durch nichts auf einen von zwei gegenüberliegenden Punkten festgelegt außer durch sich selbst“ (A VI 1, 54). Auf welchen Punkt seiner inneren Sphäre sich der Geist beim Denken richtet, kann durch keine äußere Macht beeinflußt werden. Hier liegt bereits ein Hauptgrund für die in M § 7 formulierte These der Fensterlosigkeit, der zufolge es „keine Möglichkeit gibt zu erklären, wie eine Monade durch irgend­ein anderes Geschöpf in ihrem Innern beeinflußt oder verändert werden könnte“; denn innerhalb der Monade gibt es ja nach der oben erläuterten Unterscheidung „keine innere Bewegung“, sondern nur Bewegungsmomente (conatus). Weil Leibniz keine mentalen Akte ohne feinstoffliche Korrelate einräumt, scheint ihm diese Konzeption des Geistes als eines durch sich selbst auf sich selbst zurückwirkenden Punktes die einzige Möglichkeit zu bieten, zwar generell den unverbrüchlichen Kausalnexus der Natur anzuerkennen, ihn jedoch in diesem einzigen „Punkt“ zu durchbrechen, der gleichsam das Scharnier zwischen Freiheit und Notwendigkeit bildet: „Denn wir handeln nicht vermittels der einfachen Maschine [unseres Leibes], sondern aus jenen Reflexionen heraus, d. h. indem wir auf uns selbst wirken (Agimus enim non per simplicem machinam, sed ex illis reflexionibus, sive actionibus in nos ipsos)“ (De sede animae, A VI 3, 480). Da die „Essenz des Geistes in einem Wirken auf sich selbst (in actione in se ipsum) besteht“ (Demonstratio propositionum primarum, A VI 2, 482), unterscheidet sich der Geist schon rein physisch vom bloßen Körper dadurch, daß er, indem er „auf sich wirkt“, zugleich „durch sich leidet“ (Theoria motus abstracti, A VI 2, 169). 3. Das dritte Argument, weshalb Leibniz den „wahren Ort unseres Geistes (locum verum mentis nostrae)“ in einem „Punkt oder Zentrum“ ansiedelt (an Arnauld, Anfang November 1671, A II 1, 173), ist schließlich die Unzerstörbarkeit des Punktes und somit die Unsterblichkeit des in ihm lokalisierten Geistes. „Gesetzt nun das gemüth bestehe in einem punct, so ist eß unzertheilig undt unzerstörlich“ (an Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 108). „Ein Punkt ist unteilbar, folglich kann er nicht zerstört werden. Der Leib kann also gänzlich verbrannt und in alle Winkel der Erde zerstreut werden. Der Geist hingegen wird in seinem Punkte unbeschadet und unberührt überdauern.“ (Beilage zum Brief an

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den Herzog, ebd. 113, 22–24) „Mentem consistere in puncto seu centro, ac proinde esse indivisibilem incorruptibilem immortalem“ (an Herzog Johann Friedrich, 2. Hälfte Oktober [?] 1671, A II 1, 162 f.). Die These von der Unzerstörbarkeit eines Punktes scheint zunächst anfechtbar, weil Leibniz den Geist jenseits seines mathematischen Mittelpunktes, nämlich zusammen mit seinen eradiierenden Winkeln als ganzes betrachtet, durchaus vom physischen Punkt her versteht. Nun kann aber auch die winzigste Sphäre durch spitze Körper zerteilt werden. Leibniz nimmt jedoch schon früh an, daß die Materie der geistigen Sphäre – wie später auch die Monade – aus einem spirituellen oder ätherischen Fluidum besteht. Deshalb kann zwar ihre äußere Hülle jederzeit zerteilt werden, doch nimmt sie stets eine neue, kleinere Kugelgestalt an, in welcher ihr lebendiger Mittelpunkt stets erhalten bleibt (vgl. an des Bosses, 11. März 1706, GP II 306). Aus diesem Grunde ist die dynamische Einheit von Mittelpunkt und Winkelradien kein physisches, sondern ein metaphysisches Atom. 4. Das vierte Argument schließlich, weshalb Leibniz den menschlichen Geist als einen metaphysischen Punkt konzipiert, folgt aus dem mechanistischen Verständnis seiner Naturphilosophie. Hiernach fallen alle Körper unter das Trägheitsprinzip, dem zufolge kein Körper sich von selbst bewegen kann, sondern seine Bewegung einzig durch Druck oder Stoß anderer Körper mitgeteilt bekommt. Deshalb kann auch kein Körper von sich aus wirken, sondern nur in Reaktion auf andere. Leibniz, der das aristotelische Trägheitsaxiom auf zwei Formeln bringt (quicquid movetur, ab alio movetur, A VI 1, 284; quicquid mouetur, habet caussam motus extra se, A II 1, 11), weiß also sehr genau, daß seine frühe Monadologie, die den Geist aus seinem mathematischen Mittelpunkt heraus absolute Anfänge von Bewegungen vollziehen läßt, ihre Zuflucht zu einem mechanisch schlechterdings nicht erklärbaren Geheimnis nimmt. Weil die „mens“ nicht der Trägheit unterliegt und somit die einzige „real von der Materie abgezogene Form (realiter a materia abstracta forma)“ bildet, „fällt allein in die Geister Freiheit und Selbsttätigkeit (in solas mentes cadit libertas et spontaneum)“ (an Thomasius, 20./30. April 1669, A II 1, 20). Weil Leibniz jedoch andererseits die zum menschlichen Selbstverständnis gehörenden Phänomene der Selbstreflexion und der Freiheit retten will, zieht er, wie schon der Aristotelismus, die einzige mögliche Konsequenz und identifiziert den transmechanischen Quellpunkt geistiger Spontaneität bewußt mit Gott selbst. Nach Leibniz’ mystischer Theologie fallen Schöpfer und (geistiges) Geschöpf im mathematischen Mittelpunkt der mentalen Struktur buchstäblich ineins zusammen, denn jenes Zentrum der Monade, aus dem heraus sie operiert, ist Gott selbst in seiner Allmacht. Gott ist „das ursprüngliche

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Zentrum, aus dem alles übrige hervorgeht (le centre primitif dont tout le reste emane)“ (GP IV 553). Weil Gott – wie später leider nur die Principes formulieren – gemäß einem alten Symbolismus „sein Zentrum überall, seine Peripherie jedoch nirgends“ hat (P § 13), weil er also der in allen Raumstellen allgegenwärtige „Geist des Universums (Mens Universi)“ ist (A VI 1, 499), der jedem endlichen Geist seine Energie mitteilt, kann Leibniz nicht nur später im Discours de Métaphysique schreiben: „Es ist recht schwierig, die Tätigkeiten Gottes von denen der Geschöpfe zu unterscheiden“ (D § 8). Vielmehr erklärt sich hieraus auch, weshalb Leibniz zwischen Gott und dem (menschlichen) Geist keine bloß analoge, sondern eine streng univoke Einheit behauptet: „Der Geist und Gott unterscheiden sich lediglich wie das Endliche und das Unendliche (Mens et Deus non differunt nisi ut finitum et infinitum)“ (Trinitas. Mens, A IV 2, 288). Das bedeutet nichts anderes, als daß jeder menschliche Geist ein kleiner, auf sein „petit departement“ oder seinen „Microcosme“ beschränkter Teil (T § 147, GP VI 197) des großen, in allen Monaden gegenwärtigen Gottes ist. Deshalb wird es in der Monadologie heißen, „jeder Geist“ sei „innerhalb seines Bezirks gleichsam eine kleine Gottheit“ (M § 83). Den Grund für diese „kleine Göttlichkeit (deunculeitas)“ macht schon der frühe Leibniz am „Selbstbewußtsein (conscientia)“ des menschlichen Geistes fest, das seinem „Wirken auf sich selbst (actio in seipsum)“ entspringt (De conatu et motu, sensu et cogitatione, A VI 2, 285). Wie später auch die Monadologie festhält, sind es die in M §§ 29–36 skizzierten, durch die „reflexiven Akte“ des Geistes ermöglichten Fähigkeiten der Abstraktion und des Schlußfolgerns, welche die „Geister“ zur „Selbst- und Gotteserkenntnis“ sowie zu den „ewigen Wahrheiten“ finden lassen und sie, im Unterschied zu den „Seelen“ der Tiere, zu „Ebenbildern der Gottheit (images de la Divinité)“ macht, nicht bloß zu „Abbildern des Universums der Geschöpfe“ (M § 83; vgl. P § 14). Weil Leibniz den mathematischen Mittelpunkt der geistigen Monade in die schöpferische Macht Gottes selbst verlegt, kann er im Discours de Métaphysique die in M § 7 behauptete Fensterlosigkeit der Monaden auch so formulieren, daß es „mit der Strenge der metaphysischen Wahrheit keine äußere Ursache gibt, die auf uns einwirkt, mit der einzigen Ausnahme Gottes; und dieser allein teilt sich uns unmittelbar mit, kraft unserer unaufhörlichen Abhängigkeit von ihm. Daraus folgt, daß es keinen anderen äußeren Gegenstand gibt, der unsere Seele berührt und unmittelbar unsere Perzeption erregt“ (D § 28). Wenn also M § 38 Gott – diesen „letzten Grund aller Dinge“ – als „die Quelle (la source)“ aller Dinge bestimmt und M § 40 ihn als die „höchste Substanz“ auszeichnet, die „einzig“ und „allumfassend“ ist, so daß „es nichts außerhalb ihrer gibt, was von ihr unab-

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hängig wäre“, so zeigt das, daß Leibniz in Gott nicht eine ferne, fremde Macht jenseits der Sterne verehrt, sondern die allgegenwärtige schöpferische Macht, Weisheit und Güte, die in Gestalt einer kontinuierlichen Schöpfung „dauernd in uns jene Energie oder Aktivität hervorbringt oder erhält, die nach meiner Auffassung die Natur der Substanz ausmacht und die Quelle ihrer Modifikationen bildet“. Wegen dieser ständigen Verleihung seiner Energie an die Geschöpfe ist Gott zwar in allen Wirkungen der Natur und Freiheit der letzte Ermöglichungsgrund für die Fähigkeit der Geschöpfe, Wirkungen hervorzubringen; man kann deshalb aber nicht sagen, daß „Gott allein in den Substanzen handelt“ (GP IV 588 f.). Die kontinuierliche Teilhabe der Geschöpfe am schöpferischen Allmittelpunkt hat auch Folgen für Leibniz’ zentralen Begriff der Substanz.

1.5.2. Inwiefern sind die Monaden Substanzen? Ähnlich wie P § 1 die Substanz als „ein der Tätigkeit fähiges Wesen“ definiert, so erläutert bereits der frühe Leibniz den substantiellen Charakter der geistigen Wesen durch ihre Eigentätigkeit: Traditionell ist nämlich die Substanz definiert als „ein Seiendes, das durch sich selbst besteht (ens per se subsistens)“. Nun bestehen aber bloße Körper gerade nicht durch sich selbst, sondern durch andere, da sie aufgrund ihrer Trägheit alle Bestimmtheit wie Größe, Figur, Ausdehnung oder Bewegung durch andere Körper erhalten. Folglich setzt Leibniz die Substanz gleich mit demjenigen Seienden, „das das Prinzip der Tätigkeit in sich enthält (quod habet principium actionis in se)“. Da für den frühen Leibniz zwischen 1668 und 1678 einerseits nur der (menschliche) Geist eine solche Eigentätigkeit besitzt, andererseits aber jede Tätigkeit eines Körpers eine Bewegung darstellt, so folgt daraus: „Kein Körper hat, abgetrennt von einem mitwirkenden Geist, das Prinzip der Tätigkeit in sich“, folglich ist der bloße Körper „keine Substanz“. Umgekehrt bedeutet das: „Substanz ist die Vereinigung mit einem Geist (Substantia est unio cum mente).“ Da nun, wie oben erläutert wurde, zu unterscheiden ist zwischen dem menschlichen Geist, der zwar am göttlichen Allmittelpunkt partizipiert, selbst jedoch Subjekt seiner Gedanken ist, und dem göttlichen Geist selbst, der in allen natürlichen Dingen omnipräsent ist, so gilt: „Die Substanz des menschlichen Körpers ist die Vereinigung mit dem menschlichen Geist; die Substanz derjenigen Körper, die der Vernunft entbehren, ist die Vereinigung mit dem allgemeinen Geist oder Gott“ (De Transsubstantiatione, A VI 1, 508 f.).

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Wie sich leicht erläutern läßt, steckt in diesem Gedankengang bereits die Grundthese der Monadologie, daß die ganze Natur aus einer Unendlichkeit von Monaden besteht. Der originelle, historisch wohl einzigartige Ansatz der Leibnizschen Metaphysik besteht nämlich darin, daß sie zum einen jene obengenannte Vereinigung mit einem Geist, die das Definiens der Substanz ausmacht, ganz platonisch als „Idee“ auffaßt, zum anderen aber die Ideen – gemäß der in Kap. 1.5.1. erläuterten Punkt-Konzeption des Geistes – mit jenen Winkeln identifiziert, die bei der Ausstrahlung des mathematischen Mittelpunktes in die Peripherie gebildet werden. „Die Substanz der Dinge ist die Idee. Die Idee ist die Einheit Gottes und des Geschöpfs, wie ihre Tätigkeit einen einzigen Zusammenhang bildet, zu dem ein Tätiger und ein Leidender gehört“ (A VI 1, 513), wobei hier „Leiden“ einfach nur Passivität meint. Unter der „Idee“ versteht Leibniz also einen schöpferischen Gedanken Gottes, der sich in der Natur dadurch manifestiert, daß er einem wirkfähigen Geschöpf seine Energie mitteilt. Da Gott bei seiner unaufhörlichen Verleihung von „Energie und Tätigkeit“ an die Geschöpfe (GP IV 589) der Tätige ist, das Geschöpf aber das Aufnehmende, sind „die Ideen Gottes und die Substanzen der Dinge dasselbe der Sache nach und verschieden der Beziehung nach, genau wie Tätigkeit und Leiden“ (A VI 1, 513). Diese Teilhabe alles Geschaffenen am schöpferisch eradiierenden Allmittelpunkt Gottes, d. h. die Vereinigung mit dem Geist, welche die Substanz ausmacht, erläutert Leibniz nun durch sein Konzept des geistigen Punktes. Die Erläuterung wirft ein helles Licht auf die Hintergrundvorstellung, die in der ganzen Monadologie nicht einmal angedeutet wird, während in P § 2 f. immerhin die Stichworte „Punkt“ und „Winkel“ genannt werden: „Am geeignetsten“ von allen Vorstellungen, die schöpferische Macht der göttlichen Ideen mit der Naturphilosophie in Einklang zu bringen, scheint Leibniz das Konzept vom allgegenwärtigen Mittelpunkt zu sein, der seine seinsverleihenden Strahlen über die Winkel aussendet; denn „der Winkel gehört“ einerseits „zum Zentrum“, d. h. zu Gott als dem omnipräsenten Mittelpunkt des Universums, andererseits „zu den Schnittlinien“, d. h. zu den Wirkradien, die die Geschöpfe in ihren Körpern erzeugen. Den Ideen oder Substanzen entsprechen also in der wahren Realität die Winkel des metaphysischen Punktes oder der Monade: „Wohlgemerkt werden keine Ideen in Gott eingeräumt, insoweit es nicht auch Dinge außer ihm gibt; so wie ein Punkt keinen Mittelpunkt ohne Schnittlinien bildet. Wenn nun die Substanz der Dinge die Idee ist, und gefragt wird, ob sie überall sei, so antworte ich: Sie ist nicht überall; nicht mehr, als das Geschöpf anderswo ist als im Schaffenden, und nicht mehr als die Tätigkeit Gottes

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im Geschöpf ist, obgleich Gott überall ist. Auch kein Winkel ist ja in allen Schnittlinien, auch wenn der Mittelpunkt in allen Schnittlinien ist. Von daher ist die Substanz der Dinge in den Dingen oder Erscheinungen“ (A VI 1, 513). Man erkennt deutlich, wie Leibniz schon in dieser Urfassung der Monadenlehre versucht, die Einheit von Schöpfer (mathematischem Mittelpunkt) und Geschöpf (bzw. dessen durch ausgedehnte Linien von Partikeln gebildetem Körper) durch eine vermittelnde Größe zu denken, nämlich durch den ontologischen Zwitter der einfachen Substanz oder Monade, der Anteil an beiden Extremen hat. Somit hat die geistige Monade oder genauer der Schnittwinkel, der zwischen dem mathematischen Mittelpunkt (intellectus agens) und der physischen Peripherie (intellectus patiens) gebildet wird, sowohl Form als auch Materie an sich: „In der Idee ist in ideeller Weise sowohl die leidende als auch die tätige Kraft, der tätige wie der leidende Verstand enthalten. Soweit der leidende Verstand mitwirkt, ist Materie in der Idee; soweit der tätige Verstand mitwirkt, ist Form in der Idee.“ (A VI 1, 512) Leibniz erkennt schon früh, daß er mit dieser Konzeption des metaphysischen Punktes eine Hypothese gefunden hat, um das Geheimnis der ständigen Schöpfung und damit das innerste Wesen der Natur zu verstehen, das für ihn zusammenfällt mit der ständigen „Inkarnation Gottes“ (A VI 1, 532–535). Weil er diese bewußt als „Hypothese“ verstandene Hintergrundkonzeption für so geeignet hält, daß er sie zeitlebens beibehalten wird, verteidigt er sie in seinen frühen Privatnotizen, indem er zwei mögliche Einwände gegen sie entkräftet. Erstens könnte es scheinen, als ob durch die Identifizierung der schöpferischen Ideen mit den Winkeln im metaphysischen Punkt auch Gott selbst als teilbar aufgefaßt würde. Diesem Selbsteinwand begegnet Leibniz jedoch durch seine raffinierten Überlegungen zur Natur des Punktes, in denen er die Konzepte von Euklid bis zu Cavalieris Geometrie der indivisiblen Größen verarbeitet: „Ein Punkt ist nicht etwas von kleinster Größe und nicht etwas ohne alle Teile; er ist jedoch unausgedehnt (inextensum), d. h. ohne abstehende Teile (expers partium distantium)“ (an Oldenburg, 11. März 1671, A II 1, 90). „Es gibt Teile des Punktes, die aber keinen Abstand haben (esse partes puncti, sed indistantes)“ (an Arnauld, November 1671, A II 1, 172). Weil folglich die Winkel abstandslose Teile des Unteilbaren sind, wird durch die Identifizierung der Ideen Gottes mit den Winkeln im Punkt nicht etwa Gottes Wesen selbst zerteilt: „Wie die Winkel wohlgemerkt nicht den Punkt teilbar machen, so machen auch die Ideen nicht GOTT bzw. den Geist teilbar. Sie liegen nämlich tatsächlich in einem Winkel, so wie die Geister in einem Punkt“ (Demonstrationum catholicarum conspectus, A VI 1, 494).

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Um den zweiten Selbsteinwand, den der frühe Leibniz sich macht und ebenfalls ausräumt, verstehen zu können, ist zunächst vorauszuschicken, daß Leibniz mit seinem Konzept von den Winkeln, in denen der göttliche Allmittelpunkt mit den in den Geschöpfen ausgesendeten Wirkradien substantiell vereinigt ist, nicht nur die „Ideen“ der Platonischen Tradition, sondern auch die „substantiellen Formen“ der Aristotelischen Tradition verstehbar machen will. „Die Vereinigungen von Geist und Körper sind die Ideen, wie die Winkel die Vereinigungen des Mittelpunktes mit seinen Schnittlinien sind. Die Ideen sind dasselbe wie die substantiellen Formen der Dinge“ (A VI 1, 510). Durch diese Umdeutung im Sinne der neuplatonischen Punktmystik gelingt es Leibniz, dem Aristotelischen „eidos“, das die Scholastiker „forma substantialis“ nannten, einen einsehbaren Sinn abzugewinnen, während er die scholastische Auffassung der substantiellen Formen heftig kritisiert (vgl. A II 1, 11 u. 22 f.). Der zweite Selbsteinwand besagt nun, die Leibnizsche Hypothese vom metaphysischen Punkt laufe darauf hinaus, daß es für alle Körper nur eine einzige Idee und folglich auch nur eine einzige Substanz gebe, wie das Leibniz ja später bei Spinoza tatsächlich kritisiert. Entsprechend entkräftet Leibniz mit dem folgenden Argument den Einwand, „daß doch wohl aus dieser Hypothese folge, alle Körper hätten nur eine substantielle Form, nämlich den mitwirkenden göttlichen Geist. Doch dies folgt nicht aus ihr. Obwohl nämlich der göttliche Geist derselbe ist, so ist er doch nicht als der mitwirkende göttliche Geist derselbe. Der göttliche Geist besteht nämlich aus den Ideen aller Dinge. Weil folglich die Idee einer Sache A eine andere ist als die Idee einer Sache B, so ergibt sich daraus, daß bei der Sache A eine andere Idee des göttlichen Geistes mitwirkt als bei der Sache B. […] Die Idee bei Platon läuft folglich auf dasselbe hinaus wie die substantielle Form bei Aristoteles. Daher leuchtet ein, daß es nicht eine substantielle Form für alle Körper gibt, sondern verschiedene Formen für verschiedene Körper. Denn so wie es eine unterschiedliche Anordnung der Materie gibt, so gibt es auch eine unterschiedliche Form und Idee des Körpers, und daraus fließend seiner Bewegung und Ruhe“ (A VI 1, 511 f.). Das Zitat zeigt deutlich, daß Leibniz schon hier die Platonischen Ideen nicht als abgetrennte Wesenheiten mit abstrakt allgemeinen Bedeutungsgehalten versteht, sondern wie in D § 8 f. als (vollständige) konkret allgemeine Begriffe von unterschiedlichen Individuen, so daß jede von diesen Ideen auch an einer anderen Raum-ZeitStelle, an der Gottes Geist an der Schöpfung regulär mitwirkt, realisiert wird.

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1.5.3. Von der geschlossenen Gesellschaft der Geister zur Wiederbeseelung der mechanistischen Natur Eine der folgenschwersten Selbstkorrekturen, die Leibniz zwischen seiner frühen Konzeption des geistigen Punktes und seiner ausgereiften Monadenlehre vornimmt, betrifft nicht etwa die Auffassung des metaphysischen Punktes selbst. Hier bleibt sich Leibniz erstaunlich treu. Sie betrifft vielmehr die Aufhebung jenes metaphysischen Dualismus der Schule von Descartes, in dem er ungefähr zwischen 1668 und 1678 befangen war. Während dieser Phase hatte er aufgrund eines hypermechanizistischen Reduktionismus alle Wesenheiten aus der Welt verbannt, die nicht entweder an der „Ausdehnung (extensio)“ teilhaben, wie die Körper, oder am „Denken (cogitatio)“ teilhaben, wie die Geister in ihren Punkten. Deshalb schien es ihm unnötig, „unkörperliche Seelen bei Tieren und Pflanzen sowie substantielle Formen bei Elementen und Metallen vorauszusetzen, die ohne Ausdehnung sind“ (A II 1, 22). Die damit verbundene wissenschaftliche Vertreibung aller nichtmenschlichen Seelen aus dem Universum hatte dazu geführt, daß Leibniz nicht nur das Universum zerfallen war in ein lebendiges Reich erhabener Geister und in ein totes Uhrwerk stummer Materie, sondern daß er sich sogar eingeredet hatte, die Tiere seien nichts als seelenlose und empfindungslose Maschinen (vgl. Busche 1994). Auf diese Weise hatte er ein reduziertes Universum konzipiert, das zwar überall metaphysische Punkte enthielt, in denen Gottes allgemeiner Geist gegenwärtig ist, von welchen aber exklusiv den denkenden Geistern jene in M §§ 11–28 skizzierten inneren Eigenschaften der Monade, also Perzeption (erst recht Apperzeption oder Bewußtsein) und Appetition sowie folglich auch die Quelle spontaner, mechanisch nicht erklärbarer Bewegungen vorbehalten blieben. Die um 1678 erfolgende Selbstkorrektur, ja Bekehrung von dieser Jugendsünde bezieht sich folglich nicht auf die spontane, reflektierende Seite des metaphysischen Punktes, sondern auf seine rezeptive Seite. Indem Leibniz nun nicht nur der geschlossenen Gesellschaft erhabener Geister, sondern allen in der ganzen Natur gegenwärtigen metaphysischen Punkten eine Art Perzeption und Appetition zuschreibt, gelangt er zu jener Wiederbeseelung der Welt, die auf den ersten Blick so fremdartig oder phantastisch anmutet. Umgekehrt wirft Leibniz später Descartes und anderen naturphilosophischen Reduktionisten vor, daß sie ohne Not die „Burg des Peripatos“, d. h. die Aristotelische Lehre von den Seelen der Pflanzen und Tiere sowie von den analogen Entelechien „den Gegnern preisgegeben“ hätten (an des Bosses, 2. Februar 1706, GP II 294). Um so dringlicher stellt sich aber dann zum Schluß die Frage: Welche Gründe und welches Recht hatte

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Leibniz nunmehr anzunehmen, „daß in jedem Körper eine Art Empfindung und Begehren ist oder eine Seele, und daß es daher genauso lächerlich ist, allein dem Menschen eine substantielle Form und Wahrnehmung oder Seele zuzuschreiben, wie zu glauben, daß alle Dinge nur um des Menschen willen gemacht worden seien und daß die Erde der Mittelpunkt des Weltalls sei“ (Praefatio ad libellum elementorum physicae, A VI 4 C, 2009). Dies führt auf die Frage nach der spezifischen Materie, in der die Monaden inkarniert sind.

1.5.4. Der Stoff, aus dem die Monaden sind Die Frage nach einem spezifischen Stoff der Monaden mag zunächst abwegig erscheinen, denn nach der herrschenden Meinung auch in der Leibnizforschung sind Monaden völlig immaterielle Entitäten. Schließlich hat doch Leibniz selbst behauptet, seine Monaden seien „substances immaterielles“ (an Lady Masham, 10. Juli 1705, GP III 367; ähnlich an Kurfürstin Sophie, 12. Juni 1700, GP VII 553). Derartige seltene Äußerungen haben jedoch, wie Leibniz mehrfach anderenorts richtigstellt, nicht den Sinn, den Monaden jegliche Materialität abzusprechen, sondern sollen nur betonen, daß Monaden keine ausgedehnten Körper sind, die aus träger Materie bestehen. Die „Lehre von den immateriellen Substanzen“ besage „gar nicht, daß diese Seelen außerhalb der Materie sind, sondern lediglich, daß sie mehr als bloße Materie sind und daß sie durch die Veränderungen, welche die Materie erleidet, weder erzeugt noch zerstört werden“ (Sur ce qui passe les sens et la matiere, GP VI 506; auch 498 f.). Obwohl die Seele selbst bzw. der Geist selbst, der den mathematischen Mittelpunkt der Monade bildet, auch für Leibniz im strengen Sinne immateriell ist, gilt das doch nicht für ihre Tätigkeiten, die durch die Winkel zur Peripherie gebildet werden. Ganz im Gegenteil betont Leibniz immer wieder, daß es „niemals abgetrennte Seelen oder völlig von der Materie losgelöste Intelligenzen“ geben könne, mit Ausnahme Gottes (an Sophie Charlotte, 8. Mai 1704, GP III 344 ; ähnlich 636). Denn gerade die scholastische Philosophie habe den „Schwierigkeiten“, die sich aus der von ihr für den Menschen unterstellten „Natur einer von aller Materie völlig abgetrennten Seele“ ergeben, nicht entrinnen können. Deshalb dürfe man nur „Gott allein“ als eine „tatsächlich von der Materie abgetrennte Substanz“ auffassen (an Wagner, 4. Juni 1710, GP VII 530). Liest man also die einschlägigen Stellen in unveröffentlichten Notizen und Briefen Leibnizens unter der Prämisse, die sich ja aufgrund der

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obigen Erläuterungen der Leibnizschen Punktmystik auch schon von selbst ver­stehen, daß nämlich Monaden zwar einen immateriellen mathematischen Mittelpunkt besitzen, daß ihre Peripherie jedoch aus einer ganz besonderen Materie besteht, so zeigt das Puzzle der Leibnizschen Metaphysik ein erstaunliches Gesicht (zur Rekonstruktion im einzelnen s. Busche 2008). Nur wenigen Briefpartnern vertraut Leibniz an, daß seine Monade, d. h. die „einfache“ und zugleich „vollständige Substanz“, aus den beiden für sich genommen unselbständigen Prinzipien der (substantiellen) Form und der Materie besteht: Während das Formmoment je nach dem Niveau in der Monadenhierarchie mit dem Geist des Menschen, der Seele der Tiere oder der Entelechie der Pflanzen zusammenfällt und identisch mit der „ursprünglichen aktiven Kraft (vis activa primitiva)“ in Leibniz’ Kräftelehre (Dynamik) ist, fällt das Materiemoment, das Leibniz auch „Masse (moles)“ nennt, mit der „Erstmaterie (materia prima)“ zusammen, die in der Dynamik der „ursprünglichen passiven Kraft (vis passiva primitiva)“ entspricht. Der Hauptsatz der Monadenlehre besagt demnach, daß „die eigentümliche Erstmaterie, d. h. die ursprüngliche passive Kraft, von der aktiven unabtrennbar ist“ und daß umgekehrt die „materia prima“ notwendig das aktive Prinzip oder die Seele „ergänzen“ muß, „um eine Monade oder vollständige Substanz zu konstituieren“. Erst aus einer Vielzahl solcher zugleich aktiver wie passiver, immaterieller wie materieller Monaden resultieren sowohl die Körper, die Leibniz auch den „Stoff (massa)“ oder die „Zweitmaterie (materia secunda)“ nennt, als auch das Lebewesen oder der Organismus, der durch die Aktivität einer herrschenden Monade zu einem substantiellen Ganzen vereinigt wird (an de Volder, 1703, GP II 251 f.; an des Bosses, 16. Oktober 1706, GP II 324 f.; an des Bosses, 16. März 1709, 368, De ipsa natura, GP IV 511 f.). Leibniz’ Terminus der „materia prima“ erweist sich nun erstens als gut versteckter Schlüssel zur esoterischen Monadenlehre, denn er steht für jene ganz besondere, „metaphysische Materie“ (De modo distinguendi phaenomena realia ab imaginariis, A VI 4 B, 1504), in der alle Monaden notwendig inkarniert sind. Selbst Gott, der die einzige völlig immaterielle Monade ist, könne „eine geschaffene Substanz nicht ihrer Erstmaterie berauben, obwohl er ihr durch seine absolute Macht ihre Zweitmaterie nehmen kann; denn andernfalls machte er sie zur reinen Tätigkeit (actus purus), dergleichen doch nur er selbst ist“ (GP II 324 f.). Wären außerdem die Geschöpfe „frei oder befreit von aller Materie, so wären sie zugleich abgelöst von der universellen Verknüpfung und gleichsam Deserteure der allgemeinen Ordnung“ (Considerations sur les Principes de vie, GP VI 546). Deshalb besteht die entscheidende Schwierigkeit im Verständnis der Monadentheo-

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rie darin, wie man denn tatsächlich „die Erstmaterie richtig versteht, d. h. das Dynamische, das erste Aufnahmefähige, das erste Substrat, d. h. die ursprüngliche passive Potenz oder das Prinzip des Widerstands, das nicht in der Ausdehnung, sondern im Verlangen nach Ausdehnung besteht und das die Entelechie, d. h. die ursprünglich aktive Potenz, vervollständigt, so daß hieraus eine vollkommene Substanz, d. h. eine Monade entspringt, in der Abwandlungen aufgrund ihrer Kraft enthalten sind. Daß eine solche [!] Materie, d. h. das Prinzip des Erleidens, dauerhaft bestehen bleibt und ihrer Entelechie anhaftet, läßt sich einsehen, und daß aus vielen Monaden die Zweitmaterie resultiert, mit ihren abgeleiteten Kräften, Wirkungen und Erleidungen, welche nichts anderes sind als Seiende durch Anhäufung und somit zur Hälfte vom betrachtenden Geist Abhängiges, wie ein Regenbogen oder andere wohlbegründete Erscheinungen“ (an des Bosses, 11. März 1706, GP II 306). Geht man dieser Leitfrage systematisch nach, so verbirgt sich unter dem Terminus „materia prima“ zweitens auch das Verbindungsstück zwischen Metaphysik und Naturphilosophie; es läßt sich nämlich nachweisen, daß die Erstmaterie bei Leibniz identisch ist mit der „Materie des Lichtes“, die er seit der frühen Hypothesis physica nova mit dem Äther oder Weltgeist (spiritus mundi) gleichsetzt. Die Rekonstruktion dieser Identität von Erstmaterie und Lichtmaterie verläuft über folgende Etappen: Während die ausgedehnten Körper oder die „Zweitmaterie“ eine „bekleidete Materie (materia vestita)“ darstellen, ist die „Erstmaterie“ der Monaden „nackte Materie (materia nuda)“ (An Rudolph Christian Wagner, 4. Juni 1710, GP VII 529). Die „nackte Materie“ aber, die „durch Durchdringungswiderstand (antitypia) und Ausdehnung (extensio) konstituiert wird“, ist nichts anderes als „die Materie als solche betrachtet (materia in se sumta)“ (Zur Seele der Tiere, GP VII 328). Die „Materie für sich genommen (la matiere prise en elle même)“ ist aber die „Materie im Urzustand (la matiere primitive)“ (an Thomas Burnett, GP III 260). Diese aber ist von Natur aus „flüssig, sofern nicht in ihr Bewegungen sind, die durch eine Abtrennung gewisser Teile gestört werden“ (Gegen Descartes, GP IV 388). Und diese Materie im ursprünglichen, flüssigen und homogenen Zustand ist der Stoff, aus dem das Licht erzeugt wird. „Wenn ein zusammengepresster Körper zersprengt wird in Erstmaterie, d. h. Materie, die sich in einem Gleichgewicht oder in einer gleichförmigen Bewegung befindet, so wird die Displosionstätigkeit auf einen Kreis fortgepflanzt durch Radien, die von jedem Punkt auf jeden Punkt geführt werden, d. h. es entsteht Licht“ (Propositiones quaedam physicae, A VI 3, 60). Die Identität von Erstmaterie und Lichtmaterie zeigt sich auch auf einem anderen Weg. Leibniz hat immer wieder gegen Descartes betont,

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daß Ausdehnung nicht etwa eine statische Eigenschaft von Körpern und somit ein „absolutes Prädikat“ sei, sondern „relativ zu dem ist, was sich ausdehnt oder ausbreitet“, so daß man Ausdehnung dynamisch verstehen müsse als „gleichzeitige stetige Wiederholung“ einer bestimmten Natur. Leibniz hat jedoch die Frage, „welches die andere Natur ist, deren Ausbreitung den Körper konstituiert“, immer nur aufgeworfen, ohne sie direkt zu beantworten. Vielmehr hat er stets nur den abstrakten Wink gegeben, dieses mysteriöse „Andere im Körper“ bestehe „im dynamischen Prinzip“, d. h. in den Monaden mit ihrer „aktiven Kraft“ und ihrer „passiven Kraft“ (Gegen Descartes, GP IV 394 f.). Nur in seiner berühmten physikalischen und deshalb für die Metaphysik auf den ersten Blick recht abgelegenen Schrift zur Optik hat Leibniz direkt ausgesprochen, welche spezifische Natur er mit dem passiven Moment des „dynamischen Prinzips“ verbindet. Es ist die Natur des Lichtes! Denn „die Natur des Lichtes strebt danach, sich auszubreiten (luminis natura se diffundere nititur)“ (Unicum Opticae, Catoptricae et Dioptricae Principium, in: Acta eruditorum, Juni 1682, 185–190, hier 189). Weil die Materie, aus der das Licht besteht, für Leibniz identisch ist mit jener Erstmaterie, in der die Monaden inkarniert sind, kann er die immanente Tendenz (den conatus) der monadischen Materie nach Ausbreitung auch folgendermaßen formulieren: „Die Erstmaterie oder das passive dynamische Prinzip […] besteht nicht in der Ausdehnung, sondern im Verlangen nach Ausdehnung“ (an des Bosses, 11. März 1706, GP II 306). Wie sich Leibniz den Aufbau der Körper durch die autodiffusive Natur der Lichtmaterie konkret denkt, deutet er immerhin an: Auch wenn die Monade oder „einfache Substanz in sich keine Ausdehnung besitzt, hat sie doch eine Position, welche das Fundament von Ausdehnung ist; denn Ausdehnung ist die gleichzeitige kontinuierliche Wiederholung der Position, so wie man sagt, daß aus dem Fluß eines Punktes eine Linie entspringt, insofern in dieser Spur des Punktes verschiedene Positionen verbunden werden“ (an des Bosses, 21. Juli 1707, GP II 339). Damit erweisen sich in Leibniz’ esoterischer Metaphysik die Monaden als die beseelten, aktiven und reflexionsfähigen, aber auch passiv perzeptionsfähigen Zentren von Lichtsphären. Leibniz lokalisiert also gewissermaßen die letzten metaphysischen Geheimnisse, insbesondere Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, in der intelligiblen oder metaphysischen Innendimension eines physikalischen Phänomens, das im 17. Jahrhundert genauso geheimnisvoll am lichten Tage ist, wie heute im 21. Jahrhundert. Die theoretische Möglichkeit, dem Licht Perzeption und Streben, d. h. eine Seele zu verleihen, hatte Leibniz durch seine frühe naturphilosophische Hypothese vom Lichtäther grundgelegt, die er später nicht nur „nie

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widerrufen“, sondern sogar „weiter ausgebaut“ hat (Turck 1967, 39 f.). Ihr zufolge wird die Existenz des Äthers, d. h. einer sehr feinen, flüssigen und elastischen Materie postuliert, die alle Körper mit ihrer Zirkulation durchdringt und hierdurch die Ursache für vier Grundeigenschaften ist, die das Systemverhalten aller Körper bedingen: Gravitation, Elastizität, Stoßprozesse (Reflexion und Refraktion) und Lichtausbreitung. Hierbei ist der Äther die „Materie des Lichtes (materia lucis)“ (A VI 2, 346; A II 1, 74, 94, 106, 107, 128, 147), so daß die Termini „lux“ und „aether“ die spezifische Natur des Lichtstoffes bezeichnen. Dagegen heißt die Tätigkeit oder Bewegung des Äthers, insbesondere die Lichtstrahlung, bei Leibniz terminologisch „lumen“ (A VI 2, 344, 346). Sinnlich wahrnehmen können wir nicht die intelligible, „metaphysische Materie“ des Lichtes selbst (lux), sondern nur das ausgesendete Licht (lumen) bzw. das von ihm Erleuchtete (die Phänomene). Weil aber die „Zirkulation des Äthers“ die „allgemeine, überall gegenwärtige Ursache (causa universalis ubique praesens)“ aller Phänomene ist (A VI 2, 238), da der Äther ja „überall“ die Körper „durchdringt“ (A VI 2, 225), so kann Leibniz auch von den Monaden, die ja in der Erstmaterie des Lichtes oder Äthers inkarniert sind, behaupten, daß sie „überall in der Materie (ubique in materia)“ seien (GP II 301). Insofern gewinnt Leibniz’ Wiederbeseelung der vom Mechanizismus entgötterten Welt, die nun überall in der Natur schlafende oder erwachte Monaden kennt, schon durch die hintergründige physikalische Hypothese vom Lichtäther eine gewisse Plausibilität. Damit ist jedoch der theologische Sinn dieser Konzeption noch nicht aufgehellt. In jener noch immer weitgehend unbekannten Tradition der Lichtmetaphysik, die von den Neuplatonikern über Robert Grosseteste und Pseudo-Witelo (Adam pulchrae mulieris) bis in die Neuzeit reicht, nimmt Leibniz nicht nur dadurch eine besondere Stellung ein, daß er die metaphysische Dimension der „lux“ mit der physikalischen Dimension des „lumen“ konkret zu vermitteln sucht, sondern auch dadurch, daß er dem Licht eine überragende theologische Bedeutung beimißt. Denn Leibniz identifiziert den Lichtäther, in dem die Monaden inkarniert sind, vollen Ernstes mit dem im biblischen Schöpfungsbericht (Gen. 1, 2) genannten „Geist des Herrn“, der anfangs „über den Wassern schwebte“ (Hypothesis physica nova, A VI 2, 225; an de Carcavy, 22. Juni [?] 1671, A II 1, 127). Der lebendigmachende Geist (pneuma) Gottes ist für ihn nichts anderes als der „spiritus universalis“, d. h. jener „feine Körper“, „den man ebenso als Äther oder Quintessenz oder Weltseele oder Feinmaterie bezeichnet“ (A II 1, 126). Daß Gott selbst als „mens“ gänzlich immateriell ist, gilt Leibniz als durchaus vereinbar mit der Annahme, daß Gottes schaffender Geist,

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d. h. sein „spiritus“, materiell sein muß, da er andernfalls nicht die natürlichen Dinge stetig hervorbringen und erhalten könnte. Der durch die Weltkörper zirkulierende Lichtäther ist deshalb das primäre Instrument der lenkenden Mitwirkung Gottes bei seiner Schöpfung. Weil Leibniz den wirkenden Geist Gottes mit der Lichtmaterie identifiziert, scheut er sich auch nicht, wie schon Kepler, affirmativ die Vokabel „Aura“ zu benutzen, die in der Kabbala für den Lichtglanz Gottes steht. So formuliert er um 1669 in der frühen Privatnotiz für den großen Plan einer systematischen Apologie des Christentums folgendes Erklärungsziel: „Der Ursprung des ersten menschlichen Geistes, erklärt durch ein der göttlichen Aura entrissenes Teilchen“ (A VI 1, 496; ähnlich GP IV 515 f.). Die Notiz verrät, daß es keineswegs nur eine poetisch-metaphorische Rede ist, wenn Leibniz in einem deutschen Gedicht formuliert, Gott sei „der andern Liechter Quell, die von ihm Mass empfangen“ (auf den Tod der Königin Sophie Charlotte, Februar 1705, Pertz 1843, I, IV, 111). Leibniz begreift Gott hinsichtlich seines schaffenden Geistes (spiritus) vielmehr im strengsten Sinne der Metaphysik als jenes Urlicht, das die Quelle aller übrigen Monaden oder beseelten Lichter bildet. Auch die berühmte Stelle in M § 47, der zufolge Gottes kontinuierliche Erschaffung der Monaden durch „blitzartige Ausstrahlungen (fulgurations) der Gottheit“ geschieht, ist in dem wörtlichen Sinne zu nehmen, daß die Energie, die Gott den Monaden fortwährend durch seine Ideen verleiht, aus den Anfängen von Lichtradien bestehen, welche die Winkel innerhalb des metaphysischen Punktes bilden. Weil Leibniz den Lichtäther mit dem lebendigmachenden Geist Gottes identifiziert, der die ganze Natur durch seine „Schwingung“ und seinen „Zufluß beseelt“ (A VI 1, 229, 232) und den Körpern „Leben und Bewegung verleiht“ (A II 1, 122), kann er vielmehr umgekehrt die biblischen Metaphern für Gott völlig wörtlich verstehen: „Licht ist dein Kleid, das du anhast“ (Ps. 104, 2). „In deinem Lichte werden wir das Licht erblicken“ (Ps. 36, 10). „Das Licht scheinet in der Finsternis“ (Joh. 1, 5). „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm“ (1. Joh. 5). „Er wohnt in einem unzugänglichen Licht“ (1. Tim. 6, 16). Ganz zu schweigen vom apokryphen Buch Weisheit, dessen Kosmogonie aus dem „Abglanz des ewigen Lichtes“ (Weish. 7, 26) durch die Monadenlehre gleichsam kommentiert wird. Die geheime Identität von Äther, Geist (spiritus), Erstmaterie und Licht zeigt sich auch in Leibniz’ deutschsprachiger Theologia mystica von 1695: „Gott ist das Leichteste und Schwerste, so zu erkennen; das Erste und Leichteste in dem Lichtweg, das Schwerste und Letzte in dem Weg des Schattens. […] Die leiblichen Dinge sind nur Schatten, so dahin fließen, Blicke, Gestalten, wahrhafte Träume. Die wesentliche Wahrheit ist

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allein im Geist“. Hierbei geht es nicht nur um „das inwendige Licht, so Gott selbst in uns anzündet“, d. h. um das Licht des Verstandes (lumen naturale), sondern generell um den in der Natur schaffenden göttlichen Spiritus oder Lichtäther (Guhrauer, I 410, 412). Denn der Äther ist in dem doppelten Sinne am ersten und leichtesten zu erkennen, daß er leicht und a priori aus Vernunft als die Erstmaterie und als Ursache der Gravitation, mithin als das Schwerelose begreifbar ist; im Gegensatz zur schweren Zweitmaterie der schattenhaften Körper oder Phänomene ist der Äther das lichte und leichte Medium. Daß es sich bei Leibniz’ mystischdualistischer Weltentstehung aus Licht und Schatten um den Prozeß von Erst- und Zweit­materie handelt, zeigt auch jene deutsche Parallelschrift, in der Leibniz die „Erschaffung aller Dinge aus Nichts durch die Allmacht Gottes“ erläutert durch die Dyadik von 0 und 1, die damit zum „Vorbild des Geheimnisses der Schöpfung“ gemäß Gen. 1, 2 dient: „Finsterniß war auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht, und es ward Licht. Und kommt solches um so mehr zu Passe. Weilen die leere Tiefe und wüste Finsterniß zu Null und Nichts, aber der Geist Gottes mit seinem Lichte zum allmächtigen Eins gehöret“ (Guhrauer, I 401, 403, 404; vgl. A VI 1, 538). Leibniz identifiziert demnach Gottes lebendigmachenden Geist mit der Erstmaterie des Lichtäthers und der schöpferischen Eins; die unter mechanischen Gesetzen stehende Zweitmaterie der Körper hingegen kann er insofern mit dem Nichts und der wüsten Finsterniß gleichsetzen, als die Zweitmaterie anfänglich, d. h. vor dem Zirkulieren des Lichtäthers, ein chaotischer, finsterer und nichtiger Stoff ist, der weder Gravitation noch Elastizität noch tatsächliche Lichtstrahlung besitzt. Deshalb kann Leibniz resümieren: „Alle Geschöpfe sind von Gott und Nichts; ihr Selbstwesen von Gott, ihr Unwesen von Nichts“ (Guhrauer, 411). Diese stets nur angedeuteten Entsprechungen zwischen Metaphysik bzw. Theologie und Naturphilosophie zeigen nicht bloß, daß man in Leibniz’ exoterischen Schriften weit mehr wörtlich nehmen darf, als es scheint; so z. B. auch die Rede im Discours de Métaphysique: „Gott ist die Sonne und das Licht der Seele“, nämlich „jenes Licht“, das gemäß Joh. 1, 9 „jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt“ (D § 28). Oder man denke an die Formulierung im Système nouveau, daß die Geister „einen Strahl des Lichtes der Gottheit in sich tragen“ (GP IV 479). Sie zeigen vielmehr auch, daß die mit der Naturphilosophie verbundenen Lehrstücke der Monadologie ebenfalls vor dem Hintergrund der Hypothese des zirkulierenden Lichtäthers zu interpretieren sind. Das gilt insbesondere für die Lehre von den „zwei natürlichen Reichen“ (M §§ 79 u. 87): „Alles in der Natur

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kann auf zweifache Weise erklärt werden, durch das Reich der Macht oder die Wirkursachen, und durch das Reich der Weisheit oder die Zweckursachen […]; wobei sich beide Reiche überall gegenseitig durchdringen, während doch beider Gesetze unvermischt bleiben“ (SD, Dosch, 78 f.; ähnlich 28 f.). Leibniz erklärt demnach die Möglichkeit des Theologumenons der beiden Reiche durch die Ätherhypothese: Das Reich der körperlichen Zweitmaterie, in der alles blind nach der „Macht“ der mechanischen Gesetze durch Druck und Stoß geschieht, wird „überall durchdrungen“ vom fließenden Lichtäther der Gottheit, in dem ja die Monaden mit ihren seelischen Strebungen inkarniert sind, so daß aus dem Inneren ihrer metaphysischen Punkte „Zweckursachen“ realisiert werden. Zugleich bildet der zirkulierende Lichtäther auch insofern das im phänomenalen Reich der sichtbaren Natur verborgene „Reich der Weisheit“, als er der Garant der finalen, zweckmäßigen Einrichtung und Ökonomie des mechanischen Weltsystems ist, das sich damit als „Uhrwerk Gottes (horologium Dei)“ auffassen läßt (an Jakob Thomasius, 20./30. April 1669, A II 1, 23). Auch ist der Lichtäther gleichsam eine intelligente oder „weise“ Materie, da sich das Licht bei seiner Strahlung durch die Körper stets den schnellsten Weg des geringsten Widerstands, d. h. der maximalen Ökonomie bahnt (Unicum Opticae, Catoptricae et Dioptricae Principium, in: Acta eruditorum, Juni 1682, 186). Während alle Körper durch Druck und Stoß kausal-mechanisch aufeinander einwirken, besteht zwischen den Fluida jener „feineren“ und „dynamischen“ Lichtmaterie, die Leibniz „nicht zum Körper rechnet“ (GP IV 395), eine nicht-mechanische Form der Konspiration, bei der die Erstmaterie der einen Monade die Erstmaterie der anderen Monaden „involviert“ (an des Bosses, 16. Oktober 1706, GP II 324 f.). Beide Reiche unterstehen damit völlig unterschiedlichen Arten von Kausalität, so daß es zwischen ihnen keine physische Beeinflussung geben kann: „Die Natur hat gleichsam ein Reich im Reich und bildet sozusagen ein zweifaches Gebiet, eines der Vernunft und eines der Notwendigkeit, eines der Formen und eines der Partikeln von Materie; denn wie von Seelen, so ist auch alles von organischen Körpern erfüllt. Diese Reiche werden, unvermischt miteinander, ein jedes nach eigenem Recht regiert. […] Aber jene höchste Substanz, die die allgemeine Ursache aller Dinge ist“, – und dies ist der Lichtäther als Geist Gottes – „bewirkt vermöge ihrer unendlichen Weisheit und Macht, daß beide höchst verschiedenen Reihen sich in derselben körperlichen Substanz aufeinander beziehen und vollkommen übereinstimmen, ebenso als ob die eine durch den Einfluß der anderen regiert würde“ (Gegen Descartes, GP IV 391).

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Von daher erweist sich auch die Einrichtung der Zirkulationsdynamik des Lichtäthers als jenes „vorgreifende göttliche Kunstwerk (artifice divin prevenant)“, das Leibniz zum Erklärungsprinzip der Präetablierten Harmonie macht (GP IV 501, 499; zur Erläuterung s. Busche 2007). Es ist der kreisende Lichtäther oder spiritus universalis, der nicht etwa „vor“ Erschaffung der Welt, sondern „vor“ allem konkreten Körpergeschehen so zweckmäßig von Gott „eingerichtet“ wurde, daß er den psychophysischen Parallelismus erzeugt, ohne daß Seele und Körper direkt aufeinander einwirken: „Gott hat es durch Hinzufügung des Äthers, d. h. des allumfassenden Geistes, so eingerichtet, daß im Körper der Geschöpfe alles genauso wie in ihrem Geist abläuft“ (Elementa juris naturalis, A VI 1, 480). Offenbart sich damit das Leibnizsche „Reich der Weisheit“ als jenes intelligible Lichtreich, in welchem Gott vermöge seines lichthaften Äthers unmittelbar mit allen seinen Geschöpfen vereinigt ist, so wird auch plausibel, warum Leibniz so viel daran gelegen ist, nicht nur die Monaden im „moralischen Reiche der Gnade“ (M § 87), d. h. in jenem Teilreich innerhalb des Reiches der Weisheit, das von den selbstreflexiven und daher moralisch verantwortlichen Geistern gebildet wird, sondern auch die bewußtlosen Monaden in der Natur scheinbar so animistisch, ja anthropomorph zu beschreiben, daß er allen nicht nur „Perzeption“ und „Streben“, sondern sogar einen perspektivischen „Blickpunkt (point de vue)“ zuschreibt. Leibniz bringt durch diese virtuelle Vergeistigung auch der schlafenden Monaden, in Verbindung mit der These, daß alle Monaden von ihrer Erschaffung an unvergänglich sind, seine präsentische Eschatologie zum Ausdruck, der zufolge nicht nur „die Gegenwart mit der Zukunft schwanger geht“ (M § 22), sondern alle Lebewesen und Geister, die jemals existiert haben und jemals existieren werden, in der Welt gegenwärtig sind. In diesem Lichtreich gibt es strenggenommen kein Entstehen und Vergehen, sondern nur ewige Gegenwart. Alle Akteure im großen Mysterium des Welttheaters sind jederzeit gegenwärtig, und deshalb kann man auch allen prinzipiell eine wenn auch noch so schwache Perzeption und einen einzigartigen Blick auf das ganze Universum zuschreiben. Das ist auch der Grund, warum die Natur in metaphysischer Hinsicht nicht eine bloße Anhäufung, sondern eine Gesellschaft von Monaden ist. Jene „Stadt“ aber, die jede Monade aus ihrer individuellen Perspektive spiegelt (M § 57), ist nichts anderes als das himmlische Jerusalem, in dem alle Akteure jederzeit füreinander präsent sind. Durch diese theologisch-soziale Deutung gewinnt am Ende die ganze Natur eine unerhörte, sprechende Tiefe zurück. Auf dieser Spitze der metaphysischen Schau gibt es „überall Leben“ (P § 4), „nichts Ödes, nichts Unfruchtba-

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res, nichts Totes im Universum“, „kein Chaos“ und kein einziges sinnloses Phänomen (M § 69). Die so rekonstruierten Zusammenhänge zeigen, daß die (subjektiv-)idealistische Leibnizdeutung, der zufolge die Körper nichts anderes als bloße Vorstellungen in der isolierten Monade sind, nicht aufrechtzuerhalten ist. Die Körper sind für Leibniz nicht etwa Phantasmen, sondern vielmehr Phänomene, d. h. Erscheinungen, die ihr Fundament in einer Sache haben, die selbst nicht erscheint. Daß Leibniz dieses zugrunde liegende Ding an sich mit dem Licht selbst identifiziert, das alles zur Erscheinung bringt, ohne selbst zu erscheinen, ist nicht paradox, sondern genial. Die idealistische Leibnizdeutung hingegen weiß bereits mit dem Kerngedanken der Präetablierten Harmonie nichts anzufangen, dem „vollkommenen Parallelismus zwischen dem, was in der Seele geschieht, und dem, was sich in der Materie ereignet“ (GP VI 533). Sie übersieht zudem, daß die körperlichen Phänomene nach Leibniz nicht etwa nur aus der jeweils perzipierenden Monade resultieren, ähnlich wie sich ein innerer Film abspult, sondern daß sie aus einer (unendlichen) Vielzahl von Monaden entspringen. Die „Phänomene der angehäuften Dinge“ resultieren „aus der Wirklichkeit der Monaden“ (an de Volder, Juni 1703, GP II 250), nämlich „aus zahllosen Monaden“ (an des Bosses, Januar 1710, GP II 399), und zwar deshalb, weil „aus einer Vielzahl von Monaden die Zweitmaterie resultiert, zusammen mit den abgeleiteten Kräften“ (an des Bosses, 17. März 1706, GP II 306). Vollends aber versagt eine idealistische Leibnizdeutung, welche die Monaden mit immateriell-egoiden Subjekten verwechselt, an den massiv realistischen Äußerungen, die sich in den publizierten wie unveröffentlichten Texten finden: Daß „überall in die Materie versenkt“ (SN, GP IV 479) bzw. „überall in der Materie Monaden oder Prinzipien von substantieller Einheit sind“ (an des Bosses, 14. Februar 1706, GP II 301), daß die Monaden ein „Innen“ und ein „Außen“ haben (M § 7), daß die im Organismus gegenüber der je herrschenden Monade „untergeordneten Monaden in den Organen [!] gelegen sind“ (an de Volder, 20. Juni 1703, GP II 252) oder daß bis auf die herrschende Monade „die übrigen Monaden in einem ständigen Fluß [!] sind“ (an des Bosses, 23. August 1713, GP II 481 f.), daß die Monade das „Zentrum“ eines Tieres bildet und „von einer Masse umgeben“ ist (P § 3) – dies alles und noch viel mehr wäre hochgradig absurd, wenn Monaden solipsistische oder auch nur transzendentale Subjekte wären.

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Hubertus Busche

Literatur Leibnizsche Schriften Busche = Gottfried Wilhelm Leibniz, Frühe Schriften zum Naturrecht, lateinisch-deutsch, hrsg. v. Hubertus Busche, Hamburg 2005. Dosch = Gottfried Wilhelm Leibniz, Specimen Dynamicum, lateinisch-deutsch, hrsg. v. Hans Günter Dosch (u. a.), Hamburg 1982. Dutens = G. G. Leibnitii Opera Omnia […], 6 Bde., hrsg. v. Louis Dutens, Genf 1768; Nachdruck Hildesheim 1990. Guhrauer = Gottfried Wilhelm Leibniz, Deutsche Schriften, 2 Bde., hrsg. v. Gottschalk Eduard Guhrauer, Berlin 1838 u. 1840; Nachdruck Hildesheim 1966. Pertz = Leibnizens Gesammelte Werke, Erste Folge: Geschichte, 4 Bde., hrsg. v. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1843–1847; Nachdruck Hildesheim 1966.

Andere Autoren Busche, Hubertus 1994: Leibniz’ kurzlebige These von der Empfindungslosigkeit der Tiere – Ein Werk des europäischen Verstandes. In: Leibniz und Europa. VI. Internationaler Leibniz-Kongreß, Vorträge. I. Teil, Hannover, 105–112. Busche, Hubertus 1997: Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung, Hamburg. Busche, Hubertus 2007: Prästabilierte Harmonie – Skizze einer neuen, naturphilosophischen Interpretation. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner, (Hrsg.): Einheit in der Vielheit. VIII. Internationaler Leibniz-Kongreß 2006, Nachtragsband, Hannover, 27–38. Busche, Hubertus 2008: Monade und Licht. Die geheime Verbindung von Physik und Metaphysik bei Leibniz. In: Carolin Bohlmann, Thomas Fink, Philipp Weiss (Hrsg.): Lichtgefüge des 17. Jahrhunderts. Rembrandt und Vermeer. Spinoza und Leibniz, München/Paderborn, 125–162. Kant, Immanuel 1942: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, hrsg. v. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1804. In: Kants Gesammelte Schriften, hrsg. v. d. Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. XX, Berlin. Kant, Immanuel 1973: Kritik der reinen Vernunft, Zweite Auflage, B (1789). In: Kants Gesammelte Schriften, hrsg. v. d. Preußischen Akademie der Wissenschaften Bd. IV, Berlin. Rescher, Nicholas 1991: G. W. Leibniz’s Monadology. An Edition for Students, London. Russell, Bertrand 41951: A critical Exposition of the Philosophy of Leibniz, London. Turck, Dieter 1967: Die Metaphysik der Natur bei Leibniz, Phil. Diss. masch., Bonn. Wöhrmann, Klaus-Rüdiger 1980: Die Unterscheidung von Exoterik und Esoterik bei Leibniz. In: Albert Heinekamp, Dorothea Kalisch, Ingeborg von Wilucki, Hans-Joachim Zacher (Hrsg.), Theoria cum praxi. Akten des III. Internationalen Leibniz-Kongresses, Bd. 3; Studia Leibnitiana, Suppl. 21, Wiesbaden, 72–82.

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Simple Substances and Composite Bodies (§§ 1–5)

The opening sections of Leibniz’s Monadology present the spare foundations of an elaborate metaphysical system. That Leibniz is able – or believes he is able – to build so much from so little makes it one of the most ambitious undertakings in the history of Western philosophy. Whether he succeeds in this endeavor is far from clear. Nevertheless, the constellation of concepts and arguments that he musters in formulating the foundations of his Monadology offer considerable insight into the character of his metaphysics and its links to earlier and later theories.

2.1. Starting Points The Monadology begins with a basic dichotomy between the simple and the composite. The monad itself is defined as a „simple substance, which enters into composites.“ And its simplicity is explained by the fact that it is „without parts“ (M § 1). The lack of parts is said to imply the impossibility of extension, shape and divisibility (M § 3). So, we are immediately led to conclude that the monad is an immaterial substance, which lacks the extensive properties of a body. Accordingly, the contrast between the simple and the composite can be equated with the contrast between the immaterial and the material, or, given the identity of the immaterial and the  See Leibniz’s letter to Varignon of 20 June 1702: „simples substances (that is, those which are not beings by aggregation) are truly indivisible, but they are immaterial, and are only principles of action“ (GM IV 110); and his Fifth Paper for Clarke, § 24: „I don’t admit simple bodies. There is nothing simple, in my opinion, but true monads, which have neither parts nor extension“ (GP VII 394/AG 333–4).

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mental, between the monad as a mind-like simple substance and anything composed of material parts. Several transitional texts raise the possibility that Leibniz may initially have wavered in limiting the class of monads to immaterial, simple substances. In the Monadology, however, this assumption is explicit. Not every monad is a mind, possessing the full complement of psychological powers that this term implies, but every monad is mind-like, endowed with essential properties of perception and appetite (M §§ 14 f., 19). Leibniz is adamant that a monad’s simplicity, or lack of parts, does not imply that it lacks all qualities – it could not while remaining a distinct individual. However, the qualities it has must be internal to it („intrinsic denominations“), as all the affections of a mind or soul are (M §§ 9–13). In one sense, it is true to say that a monad is endowed with matter; however, Leibniz is careful to distinguish this as „primary matter,“ or „primitive passive power,“ which he identifies with a monad’s propensity for confused perceptions, or its representation of material things. The immateriality of the monad is taken by Leibniz to support two further crucial claims: lacking parts, a monad can neither begin by composition nor end by dissolution. Equating these with the modes of natural birth and death, he goes on to say that there is no way that a monad can begin naturally or perish naturally (M § 4 f.). It can only begin by creation and end by annihilation, acts which require the infinite power of God. Accepting that it is Leibniz’s intention to limit the class of monads to simple, mind-like substances, we come to the relation of these substances to composites. In M § 2, Leibniz adumbrates a brief argument for the ex­istence of monads:  The first dated occurrence of the term is in a 1695 letter to the Marquis de l’Hospital, where Leibniz identifies the monad with „what is properly a real unity“ (GM II 294–95). In several contemporary texts, he appears to extend this designation to embodied creatures: „What I call a complete monad or individual substance is not so much the soul, as it is the animal itself, or something analogous to it, endowed with a soul or form and an organic body“ (GM III 542/AG 168; see also GM III 552/L 512). Later writings, however, are clear in restricting the class of monads to mind-like, simple substances. See, in particular, his letters to De Volder of 1704–06 (GP II 252–83).  By definition, perception is „the passing state which involves and represents a multitude in the unity or in the simple substance“ (M § 14). Leibniz emphasizes that in the case of created monads, their perceptions always involve some degree of confusion. „Since all monads (except the primitive one) are subject to passions, they are not pure forces; they are the foundation not only of actions but of resistance and passivity, and their passions are found in their confused perceptions. It is in this that matter or the numerically infinite is involved“ (GP III 636/L 659). „God alone is a substance truly separated from matter, since he is pure act, endowed, with no passive power, which, wherever it is, constitutes matter“ (GP VII 530). See also M § 60.

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There must be simples, because there are composites; for the composite is nothing other than a mass or aggregate of simples (les composé n’est autre qu’un amas, ou aggregatum des simples). The form of the argument appears to be this: (1) There exist composites. (2) Any composite is a mass or aggregate of simples. (3) Therefore, there exist simples. The two premises of the argument both demand comment. Premise (1) appears straightforward. Experience presents us with composites of many sorts, that is, things composed of parts. In a 1704 letter to Burcher de Volder, Leibniz writes that „reality itself shows that the world is an aggregate, like a herd or a machine“ (GP II 271). Here Leibniz uses the technical term „aggregate“ to refer to the composite character of the world: the world is composed of many, mutually related things, like a herd or a machine. The scope of the term „aggregate“ is noteworthy: an aggregate can be a highly ordered composite with a specific function, like a clock, or it can be a loosely organized composite like a herd, whose unity is determined solely by relations of spatial proximity. (See Leibniz’s letter to Arnauld of 30 April 1687, GP II 101–2.) In M § 2, Leibniz claims that a composite is nothing but a mass or aggregate of simples. We might wonder whether he equates being a mass and being an aggregate, or whether these are presented as two distinct ways of being a composite. The latter might seem more plausible: while the constituents of a mass, such as a heap of sand, must be related in some way, we are apt to focus in this case on the mere co-location of many things, in contrast to the highly structured arrangement of parts found in a clock. In fact, however, Leibniz holds that these different kinds of things – heaps, herds, and clocks – fall on a continuum: they are all many things whose relations support the denomination of the many as one. The spatial proxi­ mity of grains of sand allows us to call them one heap, just as the mechanical arrangement of pendulum, gears and dials allows us to call them one clock. Metaphysically, heaps, collections, assemblies and mechanisms are on a par: they are all, in Leibniz’s technical sense „aggregates,“ or entia per aggregationem. One further subtlety, though, should be noted. On the face of it, an aggregate is not just a multitude, or many. It is many things denominated as one, by virtue of the relations that hold among those things. One question we need to ask is whether Leibniz has a way of marking the distinction between a mere multitude or many and a multitude conceived as one: a composite unity. The lexical contrast of „mass“ and „aggregate“

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might be thought to pick out this distinction, but it is not obvious that Leibniz is consistent in this usage (Rutherford 2008). The argument’s second premise, which asserts the identity of any composite and some mass or aggregate of simples, raises deeper problems. The examples of composites that we have so far been considering – heaps of sand, flocks of sheep, clocks, and even the „world“ – are all collections of material things, that is, things composed of extended parts. Yet, with (2), Leibniz seems to claim that such things are, in some sense, also masses or aggregates of simple substances. Why should we accept this as true? Any composite material thing can be divided into smaller parts, and those into smaller parts again. Physics might decree that at some point we will reach smallest material things: atoms (or quarks or superstrings). Metaphysics might contest this conclusion and assert instead, with Leibniz, that any material thing, however small, is further divided (or at least divisible) by virtue of being spatially extended. If this were so, then we should conclude that composite material things are aggregates of parts in infinitum. At no point does the resolution of a composite into its constituent parts come to an end. Consequently, there are no ultimate parts, or elements, from which it can be said to be composed. Yet this is exactly what Leibniz propounds in (2): any composite is a mass or aggregate of simples – a point he reinforces in M § 3, when he declares that „monads are the true atoms of nature and, in a word, the elements of things.“ For ease of reference, I will refer to this as the Analysis Problem: On what grounds does Leibniz hold that any composite is, in fact, a mass or aggregate of simples? The Analysis Problem is paired with a second puzzle, which I will call the Construction Problem (Levey 2007). Suppose that reality consists ultimately of simple, mind-like substances. How do these substances and their relations explain the apparent existence of material things? Simple substances are mind-like entities that lack extended parts. Given this, how can any aggregation of such substances determine the existence of an extended material thing, whether that thing be a corporeal substance (the living body of a plant or animal) or merely a mass of inorganic matter? The Analysis Problem and the Construction Problem are two of the deepest problems posed by Leibniz’s metaphysics. In the next section I will examine the way in which these problems arise in an important companion text to the Monadology. Thereafter, I will consider in greater detail the arguments that support Leibniz’s answers to them.

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2.2. Parallels in the Principles of Nature and of Grace The Principles of Nature and of Grace, Founded on Reason is contemporaneous with the Monadology, and like the latter document it aims to offer a comprehensive overview of Leibniz’s philosophical system. For the most part, the Principles offers a similar account of the foundations of the system. Once again, Leibniz introduces the monad as a „simple substance,“ defined as „that which has no parts.“ A monad’s lack of parts implies that it lacks all extensive properties, and that it can neither begin nor end naturally. In the Principles, Leibniz also explicitly comments on the origin of the term: „Monas is a Greek word signifying unity, or what is one“; and he indicates that among these unities are included „lives (les Vies), souls, and minds.“ Finally, he sketches a closely related argument for the existence of monads: „There must be simple substances everywhere, because, without simples, there would be no composites“ (P § 1, GP VI 598/AG 207). Whether this terse sentence encapsulates exactly the same argument as that extracted from the Monadology is unclear. In the Monadology, the argument hinges on a premise asserting the identity of any composite and some aggregate of simples. Here, by contrast, Leibniz appears to advance only the weaker premise that any composite presupposes the existence of simples. I shall return to the significance of this point shortly. While tracking closely the contents of the Monadology, the Principles diverges in one important respect from it. The work opens with Leibniz acknowledging the possibility of two distinct kinds of substances: A substance is a being capable of action. It is simple or composite. A simple substance is that which has no parts. A composite substance is a collection (l’assemblage) of simple substances, or monads. (P § 1, GP VI 598/AG 207) The recognition of a class of composite substances, in additions to simple substances or monads, finds no parallel in the Monadology, although the terminology appears in a handful of other late writings. An example of this is the late unpublished text on the „fundamental principle of reasoning“: „A substance is either simple, such as a soul, which has no parts, or it is composite, such as an animal, which consists of a soul and an organic body“ (C 13/MP 175). A composite substance is defined as a „collection of monads,“ which raises a question about the relation between composite substances and bodies in general, that is, things which are composites by virtue of possessing a multitude of extended parts. Later in the Principles, Leibniz clarifies that only some material things, the living bodies of animals and plants, warrant the title of „composite substances“: „[E]ach distinct simple substance or monad, which makes up the center of a composite substance

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(an animal, for example) and is the principle of its unity, is surrounded by a mass composed of an infinity of other monads, which constitute the body belonging to this central monad.“ (P § 3, GP VI 598–9/AG 207) In the Principles, in contrast to the Monadology, Leibniz seems to take a firm stand on an issue that remains unresolved through much of his career: Is the class of substances limited to mind-like entities, such as monads, or does it include also corporeal substances, composed of a soul and a suitably organized body? In some works, Leibniz appears willing to countenance the existence of embodied living creatures as a distinct class of substances, irreducible to souls or simple substances. The Monadology is usually read as a work in which Leibniz eliminates any uncertainty on this question. The only genuine substances are monads, and all other things are merely aggregates of substances, which lack the per se unity of a substance. On the face of it, the Principles offers a different answer. It, too, postulates monads as a fundamental type of entity, whose existence is presupposed by the existence of other kinds of things. However, the Principles breaks with the Monado­logy in supposing that some collections of monads – those corresponding to the combination of a soul and the monads of its organic body – constitute substances in their own right, namely, „composite substances.“ The apparent divergence between the Monadology and the Principles on this issue bears on our understanding of both the Analysis Problem and the Construction Problem. The two texts agree that any composite, or body, exists by virtue of the prior existence of monads. Where they appear to disagree is in the status they assign to certain collections of monads. According to the Monadology, collections (or aggregates) of monads have a fundamentally different ontological status from individual monads: they are not substances, but wholes that owe their existence to extrinsic relations among monads. According to the Principles, by contrast, some collections of monads qualify as substances in their own right, either because of the identity of their constituents (a soul and the monads of its body) or because of the special nature of the relations among them. This, I suggest, accounts for the difference in the way in which Leibniz frames his analysis in the two texts. In the Monadology, he claims to reduce any composite entity to a mass or aggregate of simple substances. In the Principles, he is satisfied with a weaker claim. The existence of any composite presupposes the ex­istence of simple substances, but not all composites are reducible to simple substances, for some composites themselves possess the per se unity of a substance. Not all commentators have been convinced that the two most famous summaries of Leibniz’s philosophy should be distinguished in this way. Although Leibniz does not use the terms „composite substance“ or „corpo-

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real substance“ in the Monadology, it has been urged that later sections of the work offer evidence of his ascribing a robust reality to the living bodies of plants and animals (Phemister 2005; Hartz 2007). From the other direction, it has been pointed out that the language of „composite substance“ is a late addition to drafts of the Principles, and that in any case, other late writings spell out clearly Leibniz’s scepticism concerning the reality of composite substances (Adams 1994; Rutherford 1995, 281–2). I shall elaborate on this evidence when we take up the Construction Problem.

2.3. The Analysis Problem The opening sections of the Monadology advance the view that there must be monads, because there are composites and a composite is nothing other than a mass or aggregate of simples. The thrust of Leibniz’s reasoning is that any composite is resolvable into simples, and that it owes its existence to those simples, as the „elements“ from which it is composed. Yet the force of the argument is far from clear. How exactly does Leibniz support the move from the existence of composites to the existence of simples, whose prior existence explains that of the composites? One of Leibniz’s most explicit attempts to defend this inference appears in a pair of letters written in 1704 to the Dutch Cartesian Burcher de Volder. The letters are dated 21 January 1704 (GP II 261–65) and 30 June 1704 (GP II 267–72). Here I refer only to the first of the letters. (For a fuller discussion, see Rutherford 1990.) In his first letter Leibniz tells De Volder that he has undertaken to prove that there are „true and real unities, from the fact that otherwise there would be nothing in bodies“ (GP II 261). On behalf of this conclusion he offers the following argument: (4) Things which can be divided into many things (plura) consist of many things, or are aggregates. (5) Whatever is an aggregate of many things is one only on account of the mind and has no reality except that which is borrowed from, or of, the things from which it is aggregated. (6) Therefore, things which can be divided into parts have no reality unless there are in them things which cannot be divided into parts; indeed, they have no other reality except that of the unities which are in them. (GP II 261)

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Leibniz’s argument turns on a claim about what is necessary for the existence of an aggregate. Aggregates are entities whose existence is explained in terms of the relations that hold among a plurality of parts or constituents. However, it is Leibniz’s long-held view that relations as such are merely „ideal.“ No relation is an existing thing in its own right. In and of themselves, relations are merely entia rationis, which owe their existence to a mind’s representation (in thought or perception) of the unity of some set of individuals (GP II 486; GP II 517; GP VII 401; A VI 6, 145, 227; see Mates 1986, ch. 12; Mugnai 1992). For this reason, he asserts in (5) that whatever is an aggregate is one only on account of the mind and has no reality except that which is borrowed from the things from which it is aggregated. The reality of an aggregate thus must be explained in terms of the reality of the things from which it is composed. Only in this way are we able to account for the aggregate existing, or being something real. This, however, leaves us on the verge of a regress: If the parts of an aggregate are themselves aggregates, then the reality of the latter must be accounted for in terms of prior parts, and so on. Leibniz blocks this regress in (6) with the claim that the reality of aggregates – or, more generally, any multitude or plurality of things – must ultimately be accounted for in terms of their composition from things which are not aggregates, but rather true unities, or substances. Here Leibniz appropriates a pattern of reasoning with deep roots in the history of philosophy. We can disentangle two, closely related ideas underlying the argument. The first is that an aggregate (or ens per aggregationem) is by nature a derivative being, whose existence presupposes the existence of things which are not derivative but per se. Things that exist per se are substances; thus, if aggregates exist, or are real, their existence must be explained in terms of the prior existence of substances that constitute them. Secondly, any aggregate is by nature many things, or a multitude; and any multitude presupposes the existence of unities, since a multitude can come to be only through the multiplication of unity. Both of these lines of thought find support in Leibniz’s principle of sufficient reason: „there is no true or existent fact […] without there being a sufficient reason why it is so and not otherwise“ (M § 32). Among created things, only substances exist in such way that they require nothing for their existence except God’s creative power. The existence and properties of all other things, therefore, must be explained in terms of the existence of substance, which is both an ens per se and an unum per se. On the equivalence of these attributes, see Leibniz’s letter to des Bosses of 11 March 1706 (GP II 304).

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Leibniz presents his argument to de Volder as supporting the conclusion that „true and real unities“ exist in bodies. On closer examination, however, it is clear that the argument at best supports only the weaker conditional assertion that, if an aggregate is real, then its reality must be explained in terms of the prior reality of monads. Any body, by virtue of its division into parts, is an aggregate; and we might think it obvious that any such aggregate must be real. Yet this conclusion comes too quickly for Leibniz. In principle, a body might be divisible into parts ad infinitum, with no ultimate resolution into monads. In that case, Leibniz believes, the aggregate would be a „mere phenomenon“ – something imaginary or illusory – precisely because its existence could not be explained in terms of the prior existence of „true and real unities.“ This possibility is well established in Leibniz’s writings prior to 1700. In a 1687 letter to Antoine Arnauld he writes: „I believe that where there are only beings by aggregation, there will not even be real beings; for every being by aggregation presupposes beings endowed with a true unity, because it obtains its reality only from that of the things from which it is composed, so that it will have no reality at all if each being from which it is composed is still a being by aggregation; or one must yet seek another basis for its reality, which in this way, if one must constantly go on searching, can never be found.“ (GP II 96/LA 120) Leibniz appears to acknowledge here that there could be things that prima facie have the form of aggregates, but in fact lack any basis for their reality. This reading of Leibniz’s position is consistent with the observation that in his writings from the late 1670s and 1680s, we find considerable uncertainty concerning the reality of material things. If matter is as Descartes conceives of it, mere res extensa, then a material thing will be nothing more than parts divided into parts, ad infinitum. In this case, Leibniz believes, the thing will lack any ground in the reality of substance, and therefore it will be only a phenomenon: an object of thought or perception. In the study which the Akademie edition entitles An corpora sint mera phaenomena and tentatively dates to 1678–79, Leibniz, after rehearsing the consequences of the Cartesian conception of body, concludes: „Hence it follows that either bodies are mere phenomena, and not real entities, or there is something other than extension in bodies.“ (A VI 4 B, 1464/LOC 259). Throughout Leibniz’s career, the phenomenality of matter remains one possible explanation of the ontological status of body, even if it is not the explanation that he ultimately favours. In a text contemporary with An corpora, he considers the Platonic idea that the whole of one’s life is a wellordered dream, and rejects it (as he does later) on the basis of considerations

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of harmony (or divine wisdom) (A VI 4 B, 1396–7). To Arnauld, in enumerating the various ways of accounting for the reality of body, Leibniz explicitly includes the possibility that „no reality can be found in bodies,“ that is, that they are mere phenomena (GP II 96/LA 120). And we find the same pattern repeated in Leibniz’s later writings, where he pits a phenomenalist account of the material world, which he praises as the simplest hypo­thesis, against various forms of realism. In the end, I believe, Leibniz does favor a version of realism, but it is not because he finds the phenomenalist alternative absurd. Realism about the material world is supported at best by proba­ bilistic arguments, premised on the presumptive ends of divine wisdom. That is, a world in which corporeal phenomena are grounded in an external reality of monads is ontologically richer and more harmonious than one in which they are „mere phenomena.“ (I develop these points in greater detail in Rutherford 1995 and 2008.) Given this, we must be cautious in our interpretation of M § 2. The first premise of the argument, „There exist aggregates,“ should be read as the claim that there exist aggregates that are real, or have a stake in a mindindependent existence. This, I suggest, is a largely undefended assumption for Leibniz. The argument’s second premise summarizes the line of reasoning he advances to de Volder and Arnauld: if aggregates exist, then their reality must be explained in terms of the prior reality of „true and real unities,“ for only in this way do we have an explanation of their existence that satisfies the principle of sufficient reason. From these two premises, Leibniz infers that monads exist.

2.4. „True Unities“ and the Construction Problem Let us suppose that Leibniz is correct in concluding that if there are real aggregates, then there must be „true unities.“ It might still be objected that he has not established that those true unities must be monads. To be a monad, recall, is to be a simple, mind-like substance. Yet where has Leibniz proven that only such entities count as true unities? Why shouldn’t we think, instead, that certain bodies also qualify as true unities? Granted, no purely extended thing could have this property, for any such thing is di­visible into parts ad infinitum. (I pass over here Leibniz’s reasons for rejecting the possibility of material atoms; see GP III 500, 519–20; GP IV 478, 482; and Arthur 2003.) But why couldn’t there be other kinds of bodies – for example, the ensouled bodies of living things – that have the requisite property of unity? Such bodies would be one by virtue of their form and not simply

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by virtue of the relation of their parts. If such bodies existed, then they could fill the role of the true unities demanded by Leibniz’s analysis of the concept of an aggregate. And in that case, the argument of M § 2 would fail: the reality of aggregates must be explained in terms of their composition from „true unities,“ but those unities might be corporeal substances, rather than monads. An adequate response to this objection requires that we consider briefly Leibniz’s response to the Construction Problem. At the outset it is helpful to distinguish two ways in which commentators have attempted to defend the reality of corporeal substance in Leibniz’s philosophy. One reading, focusing on texts from the 1680s and 1690s, characterizes the living bodies of plants and animals as primitive substantial unities, which are not reducible to any more basic type of substance. Another reading, focusing on texts from the 1700s, acknowledges that Leibniz regards monads as the most basic type of substantial existence, but nonetheless claims that another type of substance – „composite substance“ – can be assembled (by God) from monads and that living bodies are to be identified with these composites (Garber 1985, 2004). Here I concentrate on the latter reading, which starts from the minimalist ontology of the Monadology, but then goes on to posit an additional class of substantial beings that result from relations among monads. Although there are, as we have seen, late texts in which Leibniz employs the language of „composite substance,“ there is a larger and more carefully argued body of philosophical writing in which he examines, and answers in the negative, the question of the reality of composite substance. In his extended correspondence (1706–1716) with the Jesuit Bartholomew des Bosses, Leibniz affirms that, if one begins with a commitment to the existence of monads – simple, mind-like substances – the reality of corporeal or composite substance would require positing the existence of a sui generis „substantial bond“ (vinculum substantiale), which would be both a substance in its own right and a principle of unity for a plurality of monads. Leibniz does not claim that the existence of such a „substantial bond“ is impossible; however, he makes it clear that the coherent development of his metaphysical system does not lead him to this conclusion, and that a commitment to the existence of the vinculum is supported by religious faith alone. As discussed in the des Bosses correspondence, the main argument offered on behalf of the vinculum is that it is required in order to uphold the Roman Catholic doctrine of transubstantiation. Leibniz presents the vinculum to des Bosses under this description, while indicating his own reluctance to travel down that path. (For an extended defense of this interpretation, see the editors’ Introduction to LDB.)

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While the textual evidence is not entirely unambiguous, the bulk of Leibniz’s late writings support the implicit position of the Monadology as against the Principles of Nature and Grace: the only „true unities,“ or substances, are mind-like monads. Any composite entity, such as a material thing, is reducible to monads alone. Although there are compelling reasons for seeing this as Leibniz’s final metaphysical position – a conclusion that is reinforced by the reception of his philosophy by later German philosophers – such an interpretation has not been universally accepted among Leibniz scholars. Some commentators continue to see the repeated references to „compo­ site“ and „corporeal substance,“ or even „organism“ and „living thing,“ as counting against the reductive interpretation. In this vein, it has been argued that Leibniz cannot consistently uphold the doctrine that the only true unities are monads, since the concept of the monad is a generalization of the idea of an immaterial soul or form, which is the principle of unity of some corporeal substance. Thus, if monads exist, there must exist corporeal substances, whose souls the monads are (Levey 2007). This last objection highlights the importance of distinguishing claims about the historical development of Leibniz’s thought from claims about the logical structure of his metaphysics. Careful study of the development of his thought shows that he arrived at the position that the only true unities are monads as the result of a protracted period of rumination. Early on, Leibniz had reached certain definitive conclusions about the nature of substance: that any substance is an unum per se and a principle of action; that its individual nature is „complete“ and that its states „express“ those of every other substance. Yet this set of doctrinal beliefs was insufficient to fix the reference of the term „substance“ for Leibniz. In particular, it failed to establish whether the term applied both to simple, mind-like substances and to animate „corporeal substances.“ Leibniz’s writings from the 1680s and 1690s contain many attempts to understand how a corporeal thing might qualify as a true substance. For a long period, he may simply have assumed that this had to be case, while lacking any convincing explanation  Kant, in particular, affirms this reading of Leibniz: „As object of the pure understanding […] every substance must have inner determinations and forces that pertain to its inner reality. Yet what can I think of as inner accidents except for those which my inner sense offers me? – namely that which is either itself a thinking or which is analogous to one. Thus because he represented them as noumena, taking away in thought everything that might signify outer relation, thus even composition, Leibniz made out of all substances even the constituents of matter, simple subjects gifted with powers of representation, in a word, monads“ (Kant 1998, A 265–6/B 321–2). For more extensive discussion of the reception of Leibniz’s monadology among later German philosophers, see Rutherford 2004; Watkins 2006.

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of how it could be so. By the turn of the eighteenth century, presumably as a consequence of his failure to find sufficient clarity on this question, Leibniz settled on the view that the only conceivable „true unities“ are monads. This is the position we find clearly expressed in the de Volder and des Bosses correspondences, and in many other works (Rutherford 1995). With this view in place, the argument of the Monadology acquires persuasive force. In his letters to Arnauld and de Volder, Leibniz maintains that anything that is by nature many, or an aggregate, presupposes the existence of „true and real unities.“ Only under this condition is the existence of a multitude intelligible to reason. Leibniz further is committed to an underlying realism about the physical world: there exist material aggregates over and above our perceptions of them. If we now add the premise that the only true unities are unextended simple substances, we have the conclusion of M § 2: material things exist as aggregates; the existence of aggregates presupposes the existence of true unities; the only true unities are monads; therefore, monads exist. The opening sections of Leibniz’s Monadology support the thesis that, however they may appear to our senses, material things are just monads. This, to be sure, is an extraordinary claim. What we took to be a world of extended, material things, bearing a motley of sensible qualities, is really a world of simple, mind-like substances. Leibniz is adamant that we cannot see this world, or even imagine it, but we can contemplate it in thought, as an object of understanding. Leibniz commented that the philosopher with whom he most closely identified was Plato (GP III 605, 611, 637; GP VI 502–3). Readers of the Monadology should keep this point in mind.

 A striking expression of this view appears in the New Essays: „It is necessary to consider that matter […] is only an aggregate of things, or what results from it, and that every real aggregate presupposes simple substances or real unities; and if one bears in mind what constitutes the nature of these real unities – that is, perception and its consequences – one is transported into another world, so to speak; from having existed entirely amongst the phenomena of the senses, one comes to occupy the intelligible world of substances. And this knowledge of the inner nature of matter shows well enough what it is naturally capable of“ (A VI 6, 378–9).

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Donald Rutherford

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3 Hubertus Busche

Übernatürlichkeit und Fensterlosigkeit der Monaden (§§ 4–7, 49–52)

Die Paragraphen 4 bis 7 der Monadologie formulieren zwei Thesen, die eng miteinander zusammenhängen. Sie markieren das Zentrum der Leibnizschen Metaphysik und zugleich große Schwierigkeiten, die sich dem Verständnis der Monadenlehre entgegenstellen. Die erste These besagt, daß Monaden oder einfache Substanzen weder „auf natürlichem Wege entstehen“ (M § 5) noch „auf natürlichem Wege vergehen“ können (M § 4), sondern „nur durch Schöpfung“ erzeugt und „nur durch Vernichtung“ zerstört werden können (M § 6). Dies wird später dahingehend erläutert, daß „das Tier und die Seele überhaupt nur mit der Welt entstehen und auch nur mit ihr vergehen können“ (M § 82). Die erste These formuliert demnach die Übernatürlichkeit der Monaden, denn alles Natürliche entsteht und vergeht. Die These mag zwar für metaphysisch „unmusikalische“ Geister anstößig sein, da sie implizit auf Gott als den übernatürlichen Grund der Erschaffung und Vernichtung der Monaden verweist. Sie enthält aber keine derartige gedankliche Zumutung wie die zweite These, die berüchtigt ist und folgendes besagt: „Die Monaden haben keine Fenster, durch die etwas in sie hinein- oder aus ihnen heraustreten kann“; es gebe „keine Möglichkeit zu erklären, wie eine Monade durch irgendein anderes Geschöpf in ihrem Innern beeinflußt oder verändert werden könnte“ (M § 7). Die Metapher der fehlenden Fenster steht wohlgemerkt nicht etwa für den theoretischen Aspekt, daß eine Monade der anderen nicht ins Innere der Seele schauen kann, sondern für die praktische Unmöglichkeit eines Einwirkens der Substanzen aufeinander. Unsere Seele habe „keine Löcher“ (GP VII 554), keine „Türen und Fenster“, durch die sie „irgendwelche Nachrichten übermittelnde Bilder empfangen“ könne (D § 26; vgl. GP III 341; V 100). Erst recht die rigorose Formulierung, daß eine geschaffene „Einzelsub-

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stanz niemals auf eine andere Einzelsubstanz einwirkt“ (D § 14), scheint auf den ersten Blick die aberwitzige Vorstellung eines kausalen Solipsismus zu behaupten. Um beide Thesen in ihrer tatsächlichen Bedeutung verstehen und ihre tiefere Begründung erkennen zu können, bedarf es vorab einer Erläuterung jener besonderen (Über-)Natur der Monaden, die Leibniz in seinen kommunizierten Schriften stets nur angedeutet hat. Hierfür ist zunächst (Kap. 1) die punktuelle Struktur der Monade zu präzisieren, die in der Einführung zu diesem Band nur grob umrissen werden konnte. Erst auf dieser Grundlage können die These der Übernatürlichkeit (Kap. 2) und abschließend die These der Fensterlosigkeit (Kap. 3) angemessen erläutert werden.

3.1. Die punktuelle (Über-)Natur der Monade Leibniz erklärt die Monaden deshalb zum Inbegriff der wahren Wirklichkeit, weil in ihnen die intelligible göttliche Realität (zu der Geist, Seele und Spontaneität gehören) und die phänomenale weltliche Wirklichkeit (zu der Körper und mechanische Kausalität gehören) vereint sind. Einerseits werden sie als übernatürlich qualifiziert, da sie weder entstehen noch vergehen können und überdies eine Selbsttätigkeit besitzen, vermöge deren sie von sich aus „der Tätigkeit fähig“ sind (P § 1), was bloße Körper nicht können; andererseits werden sie jedoch als „die wahren Atome der Natur“ (M § 3) und als jeweiliges „Zentrum einer zusammengesetzten Substanz“ (P § 3) qualifiziert, so daß sie in gewisser Weise auch zur Natur gehören müssen. Monaden sind offensichtlich auch deshalb „mundi concentrati“ (vgl. GP II 252, IV 553), weil sich in ihnen beide Seinsbereiche verdichten. Damit die Monaden an beiden Welten gleichermaßen teilhaben können, müssen sie gleichsam ontologische Zwitter sein, die einerseits etwas Übernatürliches besitzen, andererseits aber zur Natur gehören. Wie in der Einführung zu diesem Band erläutert, sucht Leibniz diesen übernatürlich-natürlichen Doppelstatus der Monade seit seinen Frühschriften durch ihre punktuelle Struktur zu erklären. Deshalb ist seine Kennzeichnung der Monaden als „metaphysischer Punkte“ (GP IV 482 f.) oder „beseelter Punkte“ (GP IV 478) nicht bloß metaphorisch gemeint, sondern ein wörtlich zu nehmender Ausdruck für die wahre Beschaffenheit der Monade. Allerdings ist die Rede vom „Punkt“ mehrdeutig, da Leibniz, ebenfalls schon sehr früh, den „mathematischen Punkt“ vom „physischen Punkt“ abgrenzt. Daß die Monaden indes weder

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das erste noch das zweite sind, zeigt schon ihre Spezifizierung als „metaphysische“ Punkte. Monaden sind einerseits keine bloßen „mathematischen Punkte“, die nur die abstrakte Grenze zwischen Körpern markieren, d. h. ohne jeden Bezug zur Ausdehnung und damit ohne physische Realität sind (GP IV 478). Sie sind andererseits aber auch keine „physischen Punkte“, d. h. keine Sphären, die zwar aufgrund ihrer Kleinheit für uns kaum wahrnehmbar sind, an sich jedoch ausgedehnte Größen sind. Die Pointe jener lebendigen, dynamischen Punkte, die Leibniz „Monaden“ nennt, besteht vielmehr darin, daß sie gewissermaßen größer sind als mathematische Punkte, aber kleiner als physische Punkte. Sie enthalten nämlich einerseits den „mathematischen Punkt“ als ihr Zentrum oder ihren „Gesichtspunkt (point de veue)“ (SN, GP IV 482 f.), bilden jedoch andererseits die Schnittstelle zum physischen Punkt, ohne selbst eine ausgedehnte Sphäre zu sein: Es ist die ursprüngliche aktive Kraft (vis activa primitiva), d. h. die mit Spontaneität begabte Seele oder Entelechie, die Leibniz im unräumlichen Mittelpunkt der Monade lokalisiert, der ein exaktes „punctum mathematicum“ bildet. Dieser aktive Mittelpunkt, in dem das Geschöpf mit Gott koinzidiert, macht die übernatürliche Dimension der Monade aus. Demgegenüber bildet das materielle „Instrument und gleichsam Vehikel der Seele“, vermittelst dessen die Seele in die Natur eingreifen kann, ein „punctum physicum“, d. h. eine Sphäre von winziger Größe (an Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 109). Dieser „Punkt, dem der Geist [bzw. die Seele] eingepflanzt ist (punctum illud cui mens implantata est)“ (ebd. 116), macht die natürliche Dimension der Monade aus, denn er besteht aus der ursprünglichen oder ersten Materie (materia prima), die der Monade ihre ursprüngliche passive Kraft (vis passiva primitiva) verleiht. Die Monade erweist sich als die dynamische Vereinigung des mathematischen Mittelpunktes (der Seele) mit seiner umgebenden Hülle (ihrer Erstmaterie). Sie hat zwar an der Materialität teil, nimmt jedoch selbst keine bestimmte Gestalt noch eine bestimmte Größe ein, sonst wäre sie ausgedehnt, folglich teilbar und zerstörbar. Sie besteht vielmehr, geometrisch betrachtet, im Schnittpunkt von Winkeln, die vom mathematischen Punkt aus in den physischen Punkt auseinanderlaufen. Physisch betrachtet ist die Monade gleichsam ein Strahlenbüschel, in dem das Zentrum mit  Daß Leibniz später die Lokalisierung der „Seele“ in einem wohlgemerkt teilbaren und somit multiplizierbaren „Punkt“ als Kategorienfehler kritisiert (an des Bosses, April 1709, GP II 372; drittes Schreiben an Clarke 12, GP III 365 f.), ändert nichts daran, daß er sie zeitlebens als Zentrum der im Punkt bestehenden Monade auffaßt.

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den aus der Peripherie kommenden Einfallslinien bzw. mit jenen in die Peripherie ausgesendeten Ausfallslinien (den schöpferischen Ideen Gottes) vereinigt ist. Was der frühe Leibniz deshalb vom Geist (mens) behauptet, das verallgemeinert er später zum Wesensmerkmal aller einfachen Substanzen: Die Monade ist „eine kleine in einem Punct begriffene Welt, so aus denen Ideis, wie centrum ex Angulis bestehet, denn angulus ist pars centri, ob gleich centrum indivisibel“ (an Herzog Johann Friedrich, Oktober [?] 1671, A II 1, 163). Weil Leibniz mit seiner Monade also einen lebendigen, winkelbildenden Punkt konzipiert, ist dieser Punkt weder „etwas von kleinster Größe“ noch „etwas ohne alle Teile“, denn die Schnittwinkel sind ja die Teile dieses Punktes. Trotz der mit den Winkeln gegebenen Beziehung zur materiellen Ausdehnung bleibt dieser Punkt jedoch „unausgedehnt, d. h. ohne abstehende Teile (inextensum, seu expers partium distantium)“ (an Oldenburg, 11. März 1671, A II 1, 90). Denn die Winkel sind „Teile des Punktes, die aber keinen Abstand haben (partes puncti, sed indistantes)“ (an Arnauld, November 1671, A II 1, 172). Weil die Winkel, die in geometrischer Betrachtung das Strahlenbündel der Monade bilden, nicht räumlich von einander abstehen, ist die Monade auch kein Körper. Denn ein Körper ist dadurch definiert, daß er „Teile außerhalb anderer Teile (partes extra partes)“ hat (an Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 108). Und weil die zum lebendigen Punkt gehörigen Schnittwinkel keine von einander abstehenden Teile darstellen, bildet auch der Punkt ein unteilbares Ganzes, das die Struktur der Einheit in der Vielheit besitzt: „Wie die Winkel wohlgemerkt nicht den Punkt teilbar machen, so machen auch die Ideen nicht Gott bzw. den Geist teilbar. Sie liegen nämlich tatsächlich in einem Winkel, so wie die Geister in einem Punkt“ (Demonstrationum catholicarum conspectus, A VI 1, 494). Auf diese zwischen mathematischem und physischem Punkt liegende Dynamik der monadischen Punktualität geht die Monadologie mit keiner Silbe ein. Die Principes machen immerhin eine Anspielung auf Leibniz’ hintergründige Konzeption, denn sie vergleichen die Monade – deren interne „Vielfalt unterschiedlicher Zustände“ der „Mannigfaltigkeit ihrer Beziehung zu den äußeren Dingen“ korrespondiere – mit einem „Zentrum bzw. einem Punkt“, „bei dem, so einfach er auch ist, sich eine unendliche Anzahl von Winkeln findet, die durch die in ihm zusammenlaufenden Linien geformt werden“ (P § 2). Obwohl die Monadologie die punktuelle (Über-)Natur der Monade unerwähnt läßt, gibt sie aufmerksamen Lesern aber Winke in diese Richtung. Denn einerseits spricht sie den Monaden „Ausdehnung“ und „Gestalt“ ab (M § 3), andererseits kennzeichnet sie die Monaden in einer massiv realistischen Semantik wie Kapseln oder Kugeln,

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die ein „Inneres“ haben, in das „von außen“ nichts eindringen kann (M § 7, § 51), und spricht zudem von einer „Vielheit in der Monade“ (M § 16). Mit dem Wissen, daß Leibniz stets von wirklichen Schnittpunkten spricht, die in ihrem Inneren Tätigkeiten vollziehen und nach außen von einer besonderen Materie (materia prima) umgeben sind, erschließen sich nun Bedeutung und Begründung beider Thesen.

3.2. Inwiefern haben Monaden kein natürliches Entstehen und Vergehen? Die Begründung, die Leibniz in der Monadologie für seine erste These gibt, lautet: Weil Monaden ohne Teile sind, können sie weder in diese Teile aufgelöst werden, d. h. vergehen, noch aus diesen Teilen sich zusammensetzen, d. h. entstehen. Der Text formuliert das folgendermaßen: Da Monaden „keine Teile“ und folglich „keine Ausdehnung“ besitzen, sei bei ihnen auch keine „Teilbarkeit (divisibilité) möglich“ (M § 3); deshalb sei auch „ihre Auflösung nicht zu befürchten“, und es sei „völlig unbegreiflich, wie eine einfache Substanz auf natürlichem Wege vergehen könnte“ (M § 4). Umgekehrt sei ebenso „unbegreiflich, wie eine einfache Substanz auf natürlichem Wege entstehen könnte, da sie sich ja nicht durch Zusammensetzung bilden kann“ (M § 5). Die Quintessenz des Argumentes formuliert Leibniz auch so: Nur das aus Teilen „Zusammengesetzte entsteht aus Teilen und vergeht in Teile“ (M § 6). Da nun aber „die Monaden keine Teile haben, so können sie weder erzeugt noch vernichtet werden“ (P § 2). Das Argument läßt sich demnach als Syllogismus auffassen: P1: Nur das, was Teile hat, kann auf natürliche Weise aus diesen zusammengesetzt werden (entstehen) und in diese aufgelöst werden (vergehen). P2: Nun hat aber die Monade keine Teile. Folglich kann die Monade auf natürliche Weise weder entstehen noch vergehen. Die Argumentation läßt sich logisch nicht beanstanden. Gleichwohl bleibt die Begründung zweifach unbefriedigend. Denn in formaler Hinsicht argumentiert Leibniz hier rein abstrakt-begrifflich, ohne der realen, punktuellen Natur der Monade Rechnung zu tragen. Und auch in materialer Hinsicht erweist sich die zweite Prämisse angesichts der in Kap. 1 erläuterten Zusammenhänge als stark vereinfachend, denn die Monade hat ja sehr wohl Teile, wenn auch keine körperlichen, die von einander abstehen.

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Daß Leibniz in der Monadologie nicht die abstandslosen Teile der Monade (Winkel) von den abständigen Teilen (Korpuskeln) der Körper unterscheidet und nur die letztgenannten von den einfachen Substanzen ausschließt, ist einer von vielen Belegen dafür, daß Leibniz in dieser Spätschrift eine überaus abstraktive Zusammenfassung gibt, die sich – wohl um den Text nicht zu umfangreich werden zu lassen –, auf die differenzierten Einzelprobleme des Systems gar nicht erst einlassen kann. Die in der Monadologie fehlende materiale Begründung der ersten These findet sich insbesondere in den Frühschriften, in denen allerdings nur die geistige Monade („Gemüt“ oder „mens“) thematisch ist. „Gesetzt nun das gemüth bestehe in einem punct, so ist eß unzertheilig undt unzerstörlich“ (an Herzog Johann Friedrich, 21. Mai 1671, A II 1, 108). „Ein Punkt ist unteilbar (indivisibile), folglich kann er nicht zerstört werden. Der Leib kann also gänzlich verbrannt und in alle Winkel der Erde zerstreut werden. Der Geist hingegen wird in seinem Punkte unbeschadet und unberührt überdauern“ (ebd. 113). Freilich verstehen sich auch diese Begründungen nicht von selbst, sondern setzen Leibniz’ Differenzierung unterschiedlicher Arten von Punkten voraus. Daß Leibniz hier nicht von einem bloß „mathematischen Punkt“ ohne jede physische Realität spricht, leuchtet ein, denn schon die Frage, ob ein solch abstrakter Punkt zerstört werden könnte, ist widersinnig. Andererseits wäre aber das Argument von der Unzerteilbarkeit eines Punktes nicht stichhaltig, wenn es sich hier um einen „physischen Punkt“, d. h. eine kleine, unsichtbare Sphäre handelte. Denn es wäre nicht einzusehen, weshalb eine noch so kleine Kugel nicht durch winzige harte und spitze Korpuskeln bei großem Druck zerteilt werden könnte. Daß Leibniz hier weder an den bloß mathematischen noch an den physischen, sondern vielmehr an den lebendigen, beiden Extreme vereinigenden Schnittpunkt mit seinen Winkeln denkt, bezeugt seine Qualifizierung dieses Punktes als „Zentrum“; denn zu einem Zentrum oder Mittelpunkt gehört per definitionem auch die Schneidung der aus der Peripherie kommenden Linien. Deshalb argumentiert Leibniz, „daß der Geist in einem Punkt oder Zentrum besteht und deshalb unteilbar, unzerstörbar und unsterblich ist (Mentem consistere in puncto seu centro, ac proinde esse indivisibilem incorruptibilem immortalem)“ (an Herzog Johann Friedrich, 2. Hälfte Oktober [?] 1671, A II 1, 162 f.). Der eigentliche Grund dafür, warum zwar ein physischer Punkt entstehen und vergehen kann, nicht aber ein materieller Schnittpunkt, obwohl die zahllosen Schnittwinkel als abstandslose Teile zu ihm gehören, liegt darin, daß ein realer Schnittpunkt gegen unendlich verkleinert werden kann, ohne daß dadurch sein Wesen als Schnittpunkt beeinträchtigt würde. Deshalb kann der den mathematischen Punkt umhüllende physische Punkt

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noch so stark zerstört werden, stets wird der mathematische Mittelpunkt in seiner Vereinigung mit dem realen, materiellen und winkelbildenden Schnittpunkt in einem kleineren physischen Punkt weiterexistieren. So erweist sich als der wahre Grund für die Unvergänglichkeit der Monade nicht etwa, daß sie gar keine Teile habe, sondern dies, daß ihre Teile (die Schnittwinkel), da sie nicht räumlich von einander abstehen, relativ zu jeder beliebigen Größe des physischen Punktes ist, an dem sie teilhaben. Diese materiale Begründung aus der Größenrelativität des Schnittpunktes, dessen Winkel stets relational zu jeder noch so kleinen Peripherie sind, gibt Leibniz allerdings an nur wenigen Stellen. Die deutlichste Erläuterung der im Hintergrund stehenden Konzeption gewährt Leibniz seinem Briefpartner des Bosses. Der „Tropfen“, von dem er im folgenden, scheinbar harmlosen Vergleich spricht, steht für nichts anderes als für jenes Quantum aus Erstmaterie (nach Leibniz’ Kosmologie aus dem flüssigen Lichtäther), in dem die Seele inkarniert ist und mit dem zusammen sie eine Monade bildet (zur Erläuterung s. Einführung, 25–32): „Man stelle sich vor, daß das Lebewesen sich verhalte wie ein Tropfen Öl und seine Seele wie ein Punkt in diesem Tropfen. Wenn nun der Tropfen in Teile zerteilt wird, so wird, da jeder beliebige Teil erneut in einen kugelförmigen Tropfen übergeht, auch jener Punkt in einem der neu gebildeten Tropfen weiterexistieren. In derselben Weise wird das Lebewesen in demjenigen Teil fortbestehen, in dem die Seele bleibt und der der Seele selbst am meisten entspricht. Und wie die Natur des Flüssigen in einem anderen Flüssigen nach runder Form drängt, so drängt die Natur der vom höchst weisen Urheber konstruierten Materie stets nach einer Ordnung oder Organisation. Deshalb können weder die Seelen noch die Lebewesen zerstört werden, obgleich sie verkleinert und eingehüllt werden können, so daß ihr Leben nicht mehr in Erscheinung tritt“ (an des Bosses, März 1706, GP II 306). Monaden sind also deshalb unvergänglich, weil ein zwischen mathematischem und physischem Punkt liegender Schnittpunkt prinzipiell nicht zerteilt oder zerschnitten werden kann; was zerteilt werden kann, ist stets nur der physische Punkt, so daß ein neuer Schnittpunkt entsteht. Mit dieser materialen Begründung leuchtet jetzt zwar ein, weshalb die Monaden auf natürliche Weise weder entstehen noch vergehen können, aber noch nicht geklärt, was es bedeutet, daß sie nur durch Gott, d. h. auf dem übernatürlichen Weg seiner „Schöpfung (creation)“ bzw. „Vernichtung (annihilation)“ entstehen bzw. vergehen können (M § 6), und weshalb Monaden ferner „ebensolang dauern wie das Universum“ (P § 2), oder andersgesagt, weshalb „das Tier und die Seele überhaupt nur mit der Welt entstehen und auch nur mit ihr vergehen können“ (M § 82). Die in den letzten beiden

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Zitaten enthaltene These, daß die Existenz der Monaden an die Koexistenz der Welt gebunden ist, läßt sich so verstehen, daß Monaden existierende Erstmaterie voraussetzen, in denen ihre Seele inkarniert ist; denn ohne diese „materia prima“, die jeder Monade eigentümlich ist, wäre sie „actus purus“ und folglich kein Geschöpf, sondern Gott selbst (an des Bosses, 16. Oktober 1706, GP II 324 f.). Die andere hier enthaltene These, nämlich daß Monaden nur mit Beginn der Welt erschaffen und nur mit Ende der Welt vernichtet werden könnten, ist dagegen schwieriger zu verstehen. Im einzelnen würde ihre Erläuterung eine Entfaltung der Leibnizschen Kosmologie und ihrer Hypothese vom Lichtäther (der monadischen Erstmaterie) erfordern, was hier aus Raumgründen nicht möglich ist. Es muß genügen daran zu erinnern (vgl. die Einführung, s. o. 25–32), daß Leibniz die Monaden als beseelte Zentren von Lichtsphären auffaßt und daß er den Beginn des Lichtes – entsprechend dem „fiat lux!“ in Gen. 1, 3 – als Verwandlung des Chaos zur gesetzmäßig geordneten Welt infolge des präetablierten „göttlichen Mechanismus“ der Ätherströmung interpretiert (GP VII 344), durch dessen „bewundernswürdiges Kunststück“ (A VI 2, 229) die Körper allererst eine Ordnung gemäß Gravitation, Elastizität und Stoßgesetzen erhalten (s. u. 66–70). Ist das Licht einmal erschaffen, so kann auch die im Licht zu lokalisierende aktive Kraft (Seele) und passive Kraft (Erstmaterie) nicht mehr vergehen. Deshalb kann Leibniz von der Monade reden, wie man sonst nur vom Licht redet: „Die Monade ist unauslöschlich (Monas est inextinguibilis)“ (GP VII 502). Die These, daß die Monaden, sobald sie einmal geschaffen sind, kontinuierlich weiterexistieren, scheint auf den ersten Blick anderen Behauptungen zu widersprechen, nach denen die Monaden gerade nicht dauerhaft fortexistieren, sondern von Gott ständig neu erschaffen werden. Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf mit der Einsicht, daß diese creatio continua nur die theologisch-metaphysische Tiefeninterpretation der Schöpfung ist. Mit metaphysischer Strenge betrachtet hat die Schöpfung gar keinen dauerhaften Bestand. Gott „erzeugt“ vielmehr die Substanzen „kontinuierlich durch eine Art von Emanation“ (D § 14), und die Monadologie erläutert diesen Emanationstyp durch die „kontinuierlichen blitzartigen Ausstrahlungen (Fulgurations) der Gottheit“, durch die alle geschaffenen Monaden „sozusagen von Augenblick zu Augenblick entstehen“ (M § 47). Das wird sich im folgenden etwas erläutern.

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3.3. Was besagt die „Fensterlosigkeit“ der Monaden? Die Natur der Monaden als realer Schnittpunkte von Wirkradien erschließt nun auch die These von ihrer Fensterlosigkeit. Weil sie ohne die anderen Lehrstücke der Leibnizschen Metaphysik nicht verständlich ist, muß die Rekonstruktion weit ausholen. Die These besagt, „daß eine besondere Substanz niemals auf eine andere besondere Substanz einwirkt und ebensowenig etwas von ihr erleidet“ (D § 14). Die Seele, die den mathematischen Mittelpunkt einer Monade bildet, habe keine „Türen und Fenster“, durch die sie von außen „irgendwelche Nachrichten übermittelnde Bilder empfangen“ könne (D § 26). Die These ist derart dunkel, daß sich bis heute zahlreiche Vorurteile halten, die sowohl ihre Bedeutung als auch ihre Begründung betreffen. So glaubte etwa Kant, Leibniz habe aus dem bloßen Begriff der Substanz, nach dem sie angeblich „als vollkommen isolirt vorgestellt“ werden müsse, auf die faktische Isoliertheit der Monaden gefolgert (Kant 1942, 283). Noch weiter von Leibniz entfernt ist die Ansicht, Leibniz habe mit der Fensterlosigkeit nicht nur die „Ausschließung“ jeglicher „realer Beziehungen“ zwischen Monaden, sondern sogar der „Denkbarkeit“ jeder „intersubstantialen Beziehung“ behauptet, da er am Paradigma der „Substanz ‚Bewußtsein‘“ orientiert gewesen sei (Craemer 1975, 298, 306 f., 310 f.). Bevor man sich zu derartigen Deutungen versteigt, sollte man lieber den genauen Wortlaut der einschlägigen Leibnizschen Texte beachten. Diese zeigen nämlich, daß Leibniz mit der Fensterlosigkeit nicht etwa jegliche kausale Beziehung zwischen den Monaden ausschließen will, sondern lediglich eine bestimmte Art von Einfluß, den er den realen, natürlichen oder physischen nennt; dagegen billigt er den einfachen Substanzen sehr wohl einen wechselseitigen idealen Einfluß zu. Die These besagt, daß „eine geschaffene Monade keinen physischen Einfluß (influence physique) auf das Innere der anderen nehmen kann“, sondern daß es bei den einfachen Substanzen „nur einen idealen Einfluß einer Monade auf eine andere“ geben kann, der seinerseits „nur wirksam wird durch Vermittlung Gottes“ (M § 51). Die Fensterlosigkeit besagt, „daß eine geschaffene Substanz nicht auf eine andere einwirkt, jedenfalls nicht in metaphysischer Strenge, d. h. mit einer realen Beeinflussung (influence reelle)“ (an Arnauld, 14. Januar 1888, GP 133). Vielmehr sind „die Modifikationen einer Monade die idealen Ursachen der Modifikationen einer anderen […], sofern in der einen Monade die Gründe zum Vorschein kommen, die Gott von Anbeginn der Dinge dazu bewogen haben, Modifikationen in der anderen Monade vorzunehmen“ (an des Bosses, 24. Januar 1713, GP II 475). Hinsichtlich „Verkehr

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oder Wechselwirkung“ wird demnach die „wechselseitige Abhängigkeit der Monaden als eine ideale verstanden“ (an des Bosses, 5. Februar 1712, GP II 438). Noch anders formuliert besagt die These, „daß der Verkehr (commercium) zwischen den Substanzen oder Monaden nicht durch Einwirkung entsteht, sondern durch eine Übereinstimmung, die der göttlichen Vorformung entspringt (non per influxum, sed per consensum ortum a divina praeformatione)“ (De ipsa natura, GP IV 510). Die Monaden stehen somit in keiner „Abhängigkeitsbeziehung (commercium dependentiae) außer mit Gott“ (an des Bosses, 5. Februar 1712, GP II 436). Im folgenden soll zum einen dargelegt werden, worin überhaupt „jenes schwierige Problem der wechselseitigen Wirkung der Substanzen aufeinander (illud problema difficile, de substantiarum operatione in se invicem)“ besteht (De primae philosophiae emendatione, GP IV 470). Zum anderen soll gezeigt werden, daß Leibniz mit seiner Lösung eines bloß „idealen Einflusses“ nicht etwa eine bloß vorgestellte, gedachte, intellektuelle oder gar bloß scheinbare Kausalität befürwortet, sondern eine echte Kausalität, auch wenn diese keine physische, sondern eine metaphysische ist, die gleichsam aus zwei Komponenten besteht. Leibniz hätte sich gewiß kein derart ausgetüffteltes Konzept vom „metaphysischen Punkt“ erarbeitet, wenn er einen kausalen Solipsismus vertreten und die Übereinstimmung zwischen Monaden in einer rational nicht nachvollziehbaren Weise einer dritten Größe namens Gott überantwortet hätte. Er hätte gewiß nicht soviel Wert darauf gelegt, daß Monaden aus den beiden Prinzipien Seele und Erstmaterie bestehen, und er hätte erst recht nicht betont, daß jede Monade aufgrund ihrer materia prima leidensfähig oder rezeptiv ist, wenn er andererseits hätte leugnen wollen, daß eine Monade von außen affiziert werden kann. Das alles wäre vielmehr ein eklatanter Widerspruch in seiner Konzeption. Wird er doch nicht müde zu betonen, daß jede Monade eine aktive Kraft (Seele) und zugleich eine passive Kraft (Erstmaterie) besitzt. „Jede geschaffene Substanz ist zusammengesetzt aus einem aktiven und einem passiven Prinzip, und es genügt, daß sie aufgrund ihres passiven Prinzips leidet“ (an Königin Sophie Charlotte, GP VI 522). Folglich gilt: „Jede geschaffene Substanz wirkt und leidet, hierin besteht nicht im geringsten ein Widerspruch, und ich bin der Meinung, daß es überhaupt nichts gibt, was von aller Materie abgetrennt ist“ (an Jaquelot, 22. März 1703, GP III 457). Aber mehr noch, die Leugnung einer kausalen Verbindung zwischen den Monaden über ihre materia prima widerspräche auch dem Kerngedanken der Präetablierten Harmonie, daß es eine strenge Korrespondenz „zwischen den Perzeptionen der Monade und den Bewegungen der Körper“ gibt (P § 3). „Gott hätte jeder Substanz ihre Phäno-

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mene unabhängig von denen der anderen geben können, doch auf diese Weise würde er sozusagen ebensoviele Welten ohne Verknüpfung geschaffen haben, wie es Substanzen gibt“; dies ist jedoch eine „metaphysische Fiktion“, die „gegen die Ordnung der Dinge verstößt“ (Eclaircissement des difficultés, GP IV 519). Die Verknüpfung und Ordnung der Dinge hängt gerade an der Materialität der Monaden: „Wären die Geschöpfe frei oder befreit von der Materie, so wären sie zugleich abgekoppelt von der universellen Verbindung und gleichsam Deserteure der allgemeinen Ordnung“ (Considerations sur les principes de vie, GP VI 546). Das alles sind erste Indizien dafür, daß der tiefere Gedanke, der mit der Fensterlosigkeit verbunden ist, einerseits die Unveränderbarkeit des inneren, seelischen Zustands einer Monade von außen, andererseits aber eine Affizierbarkeit der Monade von außen enthalten muß, die mit ihrer Erstmaterie gegeben ist. Leibniz drückt sich daher sehr exakt aus, wenn er der Königin Sophie Charlotte entgegnet, er bezweifle, ob man sagen könne, „daß eine Seele auf eine andere Seele bzw. auf das aktive Prinzip einer anderen Substanz wirkt“ (GP VI 521). Genau hier liegt eine Pointe zum Verständnis der Fensterlosigkeitsthese: Es ist unmöglich, daß der mathematische Mittelpunkt einer Monade, d. h. der Quell ihrer seelischen Spontaneität, auf den einer anderen Monade wirkt, denn dieser seelische Mittelpunkt ist gänzlich immateriell und birgt die reine Tätigkeit in sich, die mit Gott selbst zusammenfällt. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Erstmaterie, die den seelischen Mittelpunkt einer Monade umgibt, sehr wohl von außen und das heißt mittelbar von den Wirkungen anderer Monaden affiziert wird. Ja, diese Affektion von außen ist sogar die notwendige Bedingung dafür, daß die Monade überhaupt ein lebendiger Spiegel des Universums sein kann; denn die Bewegungen jenes mit Sinnesorganen ausgestatteten „eigenen Körpers“ oder Leibes, „dessen Affektionen gemäß [!]“ eine herrschende Monade, „wie in einer Art Zentrum, die außer ihr sich befindenden Dinge repräsentiert“ (P § 3), müssen ja irgendwie an die Monade weitergeleitet werden, und dies geschieht, indem die leibliche Bewegungskette sich weiter ins Körperinnere fortpflanzt, um schließlich auch die Erstmaterie der Zentralmonade zu affizieren; hier kommt die Kausalkette zum Abschluß, indem der monadische Mittelpunkt oder die Seele, die Leibniz als einen „spirituellen“ oder „immateriellen Automaten“ bezeichnet (GP IV 485 u. 522 f.; VI 131 u. 356), die Affektionen der Erstmaterie spontan in genuin seelische Tätigkeiten, nämlich Perzeptionen, übersetzt. Dies ist kein Einfluß von außen nach innen, sondern eine von innen heraus erfolgende Beantwortung eines externen Reizes in Gestalt einer „Expression“ oder „Repräsentation“. Diese Deutung, die im folgen-

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den zu erläutern ist, wird auch durch die Begründung in der Monadologie gestützt: Es gebe „keine Möglichkeit zu erklären, wie eine Monade in ihrem Inneren (dans sans interieur) durch ein anderes Geschöpf beeinflußt oder verändert werden könnte, da man nichts in sie hinein übertragen und auch keine innere Bewegung in ihr begreifen kann, die in ihr wachgerufen, gelenkt, vermehrt oder vermindert werden könnte“. Zugleich aber zeigt die nicht wegzudiskutierende räumliche Verwendungsweise der Begriffe „innen“ und „außen“ in diesem Paragraphen, daß der metaphysische Punkt, in den „von außen“ nichts „eintreten“ kann, durchaus in einer Beziehung zur Außenwelt steht (M § 7). Mit der wohlverstandenen Fensterlosigkeitsthese verbinden sich fünf Teilthesen: Erstens weist sie ein stark verbreitetes Konzept von intersubstantialer Kausalität zurück, nicht aber alle Kausalität zwischen Monaden. Zweitens wirkt eine Monade nicht unmittelbar auf eine andere, sondern zum einen vermittelst der beiden Körper, die zu den betreffenden Monaden gehören, zum anderen vermittelst des göttlichen Spiritus oder Äthers. Drittens wirkt auch bei der körpervermittelten Kausalität zwischen zwei Monaden nicht etwa die Seele der tätigen Person A unmittelbar auf deren Körper, und umgekehrt wirkt nicht etwa der affizierte Körper der rezipierenden Person B unmittelbar auf die Seele von B; vielmehr erfolgen bei beiden Monaden die psychophysischen Prozesse gemäß dem Prinzip der Präetablierten Harmonie. Die beiden letztgenannten Punkte tragen der Tatsache Rechnung, daß Leibniz mit der Fensterlosigkeit nur die „dependance physique“ zwischen Monaden sowie zwischen Seele und Leib leugnet, die in einer wechselseitigen „influence immediate“ besteht (NE, GP V 163). Abgelehnt wird also nur der „unmittelbare Einfluß“ zwischen Leib und Seele und somit zwischen Monaden (NE, GP V 297, 373; auch III 354; VI 569, 571; VII 357), nicht aber ihre mittelbare wechselseitige Beeinflussung. Viertens wird durch die beschriebene Kausalkette (von Seele A zu Körper A und von Körper B zu Seele B) im Ergebnis der Monade B nichts von seiten der Monade A eingeflößt oder mitgeteilt. Weil der aus der Mechanik stammende Begriff der Kommunikation für eine Mitteilung oder Übertragung von Eigenschaften steht, muß man vielmehr sagen, daß die Monaden „keinerlei Kommunikation miteinander“ haben (SN, GP IV 486). Vielmehr verändert Monade B ihre inneren Zustände spontan, wenn auch veranlaßt durch die vorangehende, von Monade A initiierte Kausalkette. Fünftens aber ist es gerade die zur Monade gehörende Erstmaterie (materia prima), in der, wie zu zeigen ist, die eigentümlichen Vermittlungsleistungen in den beschriebenen Kausalketten liegen. Berücksichtigt man diese fünf Punkte, so kann man nach Leibniz durchaus angemessen

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von einem wechselseitigen Wirken der Substanzen aufeinander sprechen. „Unter der Voraussetzung, daß man das wohlversteht“, ist es „sehr richtig zu behaupten, daß die Substanzen wechselseitig aufeinander wirken, sofern man begreift, daß die eine Substanz die Ursache der Veränderungen in der anderen infolge der Gesetze der Harmonie ist“ (Eclaircissement zum SN, GP IV 495). Hierbei geht es vor allem um den wohlverstandenen Begriff des „Einflusses (influxus)“, den schon der frühe Leibniz als einen meist unbedacht verwendeten Tropos kritisiert, der nicht nur „metaphorisch“, sondern oft auch „barbarisch genug und dunkel“ verwendet werde (Vorrede zu Nizolius, A VI 2, 418). Verstehe man das Wort „influence“ jedoch „in gesunder Weise“, so könne man sehr wohl von einem „Einfluß“ sprechen, „den alle Dinge des Universums wechselseitig aufeinander ausüben“ (NE, A VI 6, 290). Deshalb ist im folgenden zu sehen, wie das von Leibniz nicht bestrittene „commercium […] substantiarum“ (De ipsa natura, GP IV 510) im Sinne einer conspiratio substantiarum inter se (De arte characteristica, A VI 4 B, 911) richtig zu verstehen ist.

3.3.1. Interaktion unter den Prämissen der Präetablierten Harmonie Daß Leibniz mit der Fensterlosigkeitsthese nicht die Phänomene leugnen will, zeigt schon M § 49 f., wo er die gewöhnliche Vorstellung vom Wirken und Leiden der Geschöpfe mit seiner strengen, metaphysischen Auffassung in Einklang bringt. Jene „Vollkommenheit“, an die man für gewöhnlich das „Wirken nach außen“ knüpft, interpretiert Leibniz als willentliches Handeln aufgrund „deutlicher Perzeptionen“, d. h. primär Gedanken, jene Unvollkommenheit dagegen, die man mit dem Leiden verbindet, als ein Rezipieren „konfuser“, d. h. primär sinnlicher Eindrücke. Die Seele ist nämlich „vom Körper abhängig“ (im wohlverstandenen Sinne) „in ihren unfreiwilligen Tätigkeiten“, während sie bei willentlichen Handlungen „unabhängig ist und den Körper von sich abhängig macht“ (NE, GP V 162 f.). Folglich können die Probleme, welche die Fensterlosigkeitsthese lösen soll, an der Interaktion zweier Individuen illustriert werden, bei der eine Person A aufgrund rationaler Überlegungen eine Handlung vollzieht, z. B. eine Frage artikuliert, die eine Wirkung auf Person B ausübt, indem sie die empfangenen Schallwellen sinnlich erleidet und diese als Worte mit der Aufforderung zu einer Antwort versteht. Leibniz erkennt, daß in dieser Kausalreihe Aporien stecken, die dem alltäglichen Verständnis nicht bewußt sind. Problematisch ist sowohl, wie die seelische Entscheidung von A, eine Frage zu stellen, in körperliche Bewegungen umgesetzt werden

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kann, als auch umgekehrt, wie das Empfangen von Geräuschen im Ohr von B in geistige Bedeutungen umgesetzt werden kann. Daß Monaden nicht direkt, sondern nur mittels ihrer Körper aufeinander wirken können, erkennt schon der frühe Leibniz. Ein geschaffener oder „unvollkommener Geist wirkt nur über seinen Körper nach außen (mens imperfecta extra se non agit nisi per Corpus)“ (De incarnatione Dei, A VI 1, 533). Entsprechend schreibt Leibniz noch am 26. Mai 1716 an des Bosses: „Die Monaden sind nicht das Prinzip der Wirkungen nach außen (Monades non sunt principium operationum ad extra“ (GP II 518). Was nach außen, nämlich mechanisch durch Druck und Stoß wirkt, sind vielmehr nur Körper. Deshalb gliedert sich eine interindividuelle Kausalreihe in zwei Phasen, in denen jeweils eine problematische intraindividuelle Kausalität zum Tragen kommt, die das Leib-Seele-Problem betrifft. Leibniz deutet sie als eine Folge von „Repräsentationen“ oder „Expressionen“: Bei den willentlichen Handlungen aufgrund von deutlichen Perzeptionen drückt die Seele von Monade A ihre Tätigkeit in Bewegungen des zu ihr gehörigen Körpers aus; der Leib repräsentiert hier das seelisch-mentale Geschehen. „Die Taten eines jeden repräsentieren seine Gesinnung (facta cuiusque repraesentant ejus animum)“ (Quid sit idea, A VI 4 B, 1371). „Und es steht fest, daß dasselbe, was in der Seele geschieht, sich auch im Körper ausdrückt (Ratumque est quod in anima, idem et in corpore exprimi)“ (an de Volder, 1703, GP II 251). Vorsätzliche Handlungen enthalten also „die Veränderungen, die im Körper als Folge der Modifikationen der Seele stattfinden (les changemens, qui se font dans le corps en consequence des modifications de l’ame)“ (Eclaircissement zum SN, GP IV 497). Aber auch umgekehrt repräsentiert die Seele von Monade B beim Wahrnehmen die Bewegungen ihres durch den Leib von A affizierten Körpers. Es ist „die besondere Aufgabe der Seele, ihren Körper auszudrücken“ (an Jacquelot, nach Sept. 1704, GP VI 570). Die Seele ist nämlich „fähig, die Dinge außerhalb ihrer durch die Beziehung zu ihren Organen [im Körper] auszudrücken“ (SN, GP IV 484). Dieses Konzept der wechselseitigen Repräsentation von Seelischem im Körper (bei Handlungen) und von Körperlichem in der Seele (bei Wahrnehmungen) vermeidet die Aporien der anderen philosophischen Systeme zum Leib-Seele-Problem. Allerdings bietet es noch keine erklärende Theorie. Diese gibt vielmehr erst die Präetablierte Harmonie. Sie ist eines von insgesamt „drei Systemen, um den Verkehr zu erklären, der sich zwischen Seele und Körper findet (trois systemes pour expliquer le commerce qu’on trouve entre l’ame et le corps)“ (GP IV 520). Bevor die Präetablierte Harmonie erläutert werden kann, sind zunächst Leibniz’ Einwände gegen

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die ersten beiden Positionen zu analysieren, die „zu erklären“ beanspruchen, „warum das, was im Körper vor sich geht, eine Veränderung in der Seele hervorruft“, und umgekehrt (Eclaircissement des difficultés de M. Bayle, GP IV 519). Es handelt sich um den Influxionismus und den Okkasionalismus. Leibniz’ Kritikpunkte gegen beide Ansätze zeigen, welche Fehler er bei seinem eigenen, dritten Weg vermeiden will. 3.3.1.1. Leibniz’ Kritik von Influxionismus und Okkasionalismus Der Influxionismus ist eine spezielle Erklärung zur psychophysischen Kausalität, die Leibniz der ganzen Tradition bis Descartes zuschreibt; sie sei im Laufe der Jahrhunderte zur „l’opinion commune“ (GP IV 483), ja zur „philosophie vulgaire“ (GP IV 498) herabgesunken. (Zur historischen Identifizierung vgl. O’Neill 1993; Busche 1990.) Sie besagt zunächst, daß Körper und Seele direkt oder unmittelbar, d. h. ohne Vermittlung einer dritten, zwischengeschalteten Größe aufeinander wirken. Deshalb nennt Leibniz sie nicht nur das System der „influence physique“ (GP VI 45, 135, 289, 416; VII 420) der „influence naturelle“ (GP IV 498) und der „influence reelle“ (GP II 94; III 122; VII 313), sondern genauer das System der „influence (physique) immediate“ (GP VI 568 f.; V 163, 206, 297, 373; VII 357), da es einen „commerce immediat“ zwischen Leib und Seele annehme (GP II 57). Hiergegen erhebt Leibniz vor allem vier Einwände. Der erste, erklärungstheoretische Kritikpunkt besagt: Ein unmittelbares Wirken des Körpers auf die Seele, und umgekehrt, ist schlechterdings „unbegreiflich (inconcevable)“ (GP IV 483, 497), denn körperliche Bewegungen und seelische Regungen haben nichts miteinander gemeinsam; vielmehr sind die unräumlichen Größen der psychischen Erlebniswelt und die ausgedehnten Größen der physikalischen Ereigniswelt absolut heterogen. Hier wird man Leibniz nur Recht geben können, denn es ist nicht einsehbar, wie bewegte Materieteilchen auf Emotionen oder Gedanken direkt einwirken können sollen, oder wie umgekehrt mentale Größen, z. B. Absichten oder Vorstellungen, als solche in die Prozesse des Gehirns eingreifen könnten. Der zweite, ordnungstheoretische Kritikpunkt besagt: Außerdem verstieße ein direktes Eingreifen seelischer Qualitäten oder Kräfte („Willenskraft“, „Vorstellungskraft“ usw.) in den physischen Kausalnexus auch gegen den Satz von der Erhaltung des Gesamtquantums der bewegenden Kräfte, und die hieraus resultierende okkultistische, spiritistische Welt wäre das Ende jeder gesetzmäßig strukturierten Natur (GP IV 497 f.).

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Über diese zwei schlechten Konsequenzen des Immediatismus hinaus kritisiert Leibniz am Modell der direkten psychophysischen Wechselwirkung aber auch, daß es das Paradigma der mechanischen Einwirkung unzulässig auf die Psyche überträgt. Der dritte, psychologische Kritikpunkt besagt: Die Annahme, daß körperliche Bewegungen unmittelbar seelische Perzeptionen bewirken, mißachtet die Eigengesetzlichkeit (Autonomie) des Seelischen, d. h. les „propres loix“ de l’ame (GP IV 484), unter mindestens drei Aspekten. Erstens übersieht sie, daß die Perzeptionen der Seele auch „von denen abhängen, die sie zuvor gehabt hat“ (GP IV 579); schon einfache identifizierende Wahrnehmungen, erst recht Gefühle, insbesondere Ressentiments, beruhen auf früheren seelischen Lern- und Gedächtnisleistungen und können folglich nicht hinreichend aus der aktuellen Affektion der leiblichen Sensorien erklärt werden. Zweitens ist der Influxionismus blind für das „Ordnungsgesetz bei den Perzeptionen (loy d’ordre dans les perceptions)“, das nicht nur bei den willentlichen Vorstellungen geprägt ist durch „Finalursachen (causes finales)“ (GP IV 580); auch die Zweckmäßigkeit oder Finalität z. B. von Träumen und Phantasien, von selektiver Wahrnehmung oder auch von bestimmten Gefühlen ist nicht erklärbar durch die korrespondierenden Bewegungen im Körper. Drittens kann der influxus physicus erst recht nicht den spontanen Charakter interpretierender Bewußtseinsleistungen erklären, wie er z. B. beim Erkennen sinnlicher Merkmale als Zeichen für Bedeutungen vorliegt. Damit hängt schließlich Leibniz’ vierter, kausaltheoretischer Kritikpunkt zusammen: Der Influxionismus kann die nicht-mechanischen Formen von Kausalität, in denen spontane Wirkungen auftreten, weder erklären noch zulassen. Wenn die Wirkung des Körpers auf die Seele nach dem mechanistischen Typ als Einflößen aufgefaßt wird, ist dies unvereinbar mit Spontaneität (Selbsttätigkeit) und erst recht mit menschlicher Freiheit, da Freiheit als „Selbsttätigkeit eines einsichtsfähigen Wesens (spontaneitas intelligentis)“ aufzufassen ist. Denn „Selbsttätigkeit ist Kontingenz ohne Zwang, d. h. selbsttätig ist das, was weder notwendig noch erzwungen ist“ (GP VII 108). Im Unterschied zum unreflektierten Vulgärmodell des Influxionismus ist die zweite Erklärungsweise zum Leib-Seele-Zusammenhang, der Okkasionalismus oder das „systeme des causes occasionelles“ (GP IV 499), ein künstliches Theologumenon. Seine These, die von den „Neucartesianern (les nouveaux Cartesians)“ (GP VII 410) wie Malebranche oder Geulincx vertreten wird (vgl. de Vleeschauwer 1974), besagt folgendes: Daß wir z. B. Farben sehen oder Geräusche hören, sobald die optischen oder akustischen Sensorien unseres Körpers affiziert werden, aber auch umgekehrt, daß unser Arm sich hebt, sobald wir den geistigen Entschluß hierzu gefaßt haben,

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erklärt sich nicht etwa aus einer natürlichen Wechselwirkung zwischen Körper und Seele, sondern nur vermittelst des übernatürlichen Beistandes Gottes, der jedesmal bei Gelegenheit einer körperlichen Bewegung in die Natur eingreift, um eine korrespondierende seelische Regung hervorzurufen, und umgekehrt. Das Charakteristische dieser zweiten Erklärungsart liegt somit in der Ohnmacht aller Geschöpfe, d. h. in der Alleinwirksamkeit des Schöpfers: „La creature [est] sans pouvoir aucun“; „le Createur [est] seul puissant et agissant“ (GP IV 586). Nötig ist deshalb ein ständiges Eingreifen der übernatürlichen Erstursache in die Natur, d. h. theologisch eine ständige außergewöhnliche Mitwirkung Gottes bei den gewöhnlichsten Dingen. Darum nennt Leibniz die okkasionalistische Erklärungsart auch den „Weg des Beistandes (la voye de l’assistance)“ (GP IV 499). Leibniz’ Einwände gegen dieses zweite Modell (zu ihrer Entstehung vgl. Rutherford 1993) lassen sich ebenfalls auf vier Punkte bringen. Der erste, innertheologische Kritikpunkt besagt: Das ständige Eingreifenmüssen Gottes in sein eigenes Werk ist seiner vollkommenen Macht und Weisheit unwürdig; denn „wie niemand einen solchen Uhrmacher loben würde, der täglich dazu gezwungen wäre, etwas an seinem Werk zu verbessern“, so könnte man auch den Schöpfer einer mangelhaften Weltmaschine nicht als vollkommenes Wesen anbeten (A II 1, 74; ähnlich GP IV 586). Das okkasionalistische System „eines dauernden Überwachers (d’un surveillant perpetuel)“, der Seele und Leib gleichsam durch immer neue Eingriffe synchronisieren muß, wie zwei ungenau ablaufende Uhren (GP IV 520), „setzt“ daher systematisch „die Gottheit herab, die zum Sklaven ihres eigenen Werkes gemacht wird“ (GP IV 577). Der zweite, methodische Kritikpunkt besagt: Statt die psychophysische Verbindung aus ihren natürlichen Zweitursachen zu erklären, rekurriert der Okkasionalismus ständig ohne Not auf Gott als Erstursache, so daß er, wie das antike Theater, „einen Deus ex machina in eine natürliche und gewöhnliche Sache eingreifen läßt (faire venir Deum ex machina dans une chose naturelle et ordinaire)“ (GP IV 499; auch 501). Insofern gehört der Okkasionalismus als Theorietyp zum pathologischen Formenkreis der philosophie paresseuse. Der dritte, ordnungstheoretische Kritikpunkt besagt: Durch die ständige Intervention der übernatürlichen Erstursache in den Kausalnexus der Zweitursachen wird die gesetzmäßige Ordnung der Natur zerstört und durch „ein ständiges Wunder (un miracle perpetuel)“ ersetzt (GP IV 520). Damit aber verwandelt der Okkasionalismus den rational geordneten Kosmos in ein anarchisches Chaos, in dem die Natur nicht durch Gesetze, sondern durch Wunder regiert wird. „Folglich wären das Natürliche und das Wunderbare nicht an ihnen selbst unterschieden“ (GP IV 587). Der vierte, ethi-

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sche Kritikpunkt besagt schließlich: Die Alleinursächlichkeit Gottes führt in den Fällen zum „verworrendsten […] System“, „wenn die willentlichen Handlungen“ der Geschöpfe „böse sind“ (GP IV 580); denn dann ist Gott direkter Verursacher des Bösen. Und ähnlich verstößt der Okkasionalismus gegen die „Ehre Gottes (l’honneur de Dieu)“, sobald er bei den Menschen „unwillkürliche Verirrungen“ infolge von „Verrücktheit“ erklären will; dann fällt die Verrücktheit auf Gott selbst zurück (GP IV 583, 581). 3.3.1.2. Die Präetablierte Harmonie als Effekt des zirkulierenden Lichtäthers Leibniz’ dritter Weg vermeidet nun einerseits die im Influxionismus unterstellte unmittelbare Wechselwirkung von Leib und Seele, indem er zwischen beiden die flüssige materia prima des Lichtäthers postuliert; umgekehrt stimmt er dem Influxionismus jedoch darin zu, daß nur ein in der Natur selbst zu findender Erklärungsgrund überhaupt etwas erklärt. Indem Leibniz den alle Körper durchdringenden Äther aber zugleich mit dem lebendigmachenden Geist Gottes identifiziert, der die Erhaltung der Welt garantiert, gibt Leibniz andererseits dem Okkasionalismus darin Recht, daß alle Kausalität zwischen Monaden (und somit auch zwischen Leib und Seele) durch Gott vermittelt sei; umgekehrt vermeidet er jedoch das vom Okkasionalismus angenommene ständige mirakulöse Eingreifen Gottes in die Gesetze der Natur; denn das von Leibniz postulierte Zirkulieren des göttlichen Äther-Spiritus fällt ja zusammen mit der regulären Mitwirkung Gottes an seiner Schöpfung. Daß Leibniz mit seiner Präetablierten Harmonie eine derartige Vermittlungsposition einnimmt, wird selten erkannt, denn traditionell wird dieses berühmte Lehrstück in dem Sinne verstanden, daß Gott, als der gleichsam perfekte Uhrmacher der Welt, Leib und Seele wie zwei Uhren von vornherein synchronisiert habe, ohne daß es hierfür einen natürlichen Grund gebe. Nach diesem Klischee bestünde die Leibnizsche Erklärung allein in der dogmatischen Behauptung, daß der göttliche Wundermann, weil er ja alles kann, auch dieses übernatürliche Kunststück per Dekret, also durch seine absolute Macht vollbracht habe. Ausgerechnet Leibniz, der den Okkasionalisten Wunderglauben vorwarf, hätte selbst die psychophysische Harmonie zu erklären beabsichtigt durch ein unerklärliches göttliches Wunder! Diese traditionelle Lesart ist jedoch falsch und widerspricht den Quellen (vgl. Busche 2006). Zugegeben, auch die Präetablierte Harmonie ist ein dunkles Theorem, da es den Erklärungsgrund der leiblich-seelischen Harmonie in etwas setzt, das Gott „im vorhinein etabliert“ habe, ohne daß erläutert würde, wann dies erfolgt ist, und ohne daß deutlich wäre, von welcher Art diese Einrichtung

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sein könnte, damit sie etwas erklären könnte. Liest man die Texte jedoch genau, so zeigt sich, daß Leibniz die „vollkommene Harmonie zwischen den Perzeptionen einer Monade und den Bewegungen der Körper“ (P § 3) keineswegs erklären will über ein göttliches Wunder, sondern durch einen in der Natur zu findenden Mechanismus. Sein dritter „Weg der Harmonie“ rekurriert nämlich auf etwas, das „präetabliert“ wurde durch „ein vorgreifendes göttliches Kunstwerk (préétablie par un artifice divin prevenant)“ (GP IV 501; ähnlich 499). Diese kunstvolle Einrichtung erweist sich aber im folgenden als der kreisende Lichtäther. Die Erklärung, die die Präetablierte Harmonie für den psychophysischen Zusammenhang gibt, muß sich „aus der Ordnung der Zweitursachen ableiten lassen“ (GP IV 483), d. h. aus der von Gott geschaffenen Natur, und nicht direkt aus Gott als der Erstursache. Die Präetablierte Harmonie rekurriert folglich auf „ein natürliches Mittel“, nämlich auf „die Natur, die Gott den Dingen verliehen hat“ (GP IV 520). Es geht um eine „vorgreifende Übereinstimmung, die Gott eingerichtet hat in den natürlichen Dingen“ (GP III 354). Deshalb ist auch die „Beziehung“ zwischen Leib und Seele, „nichts weniger als übernatürlich“, d. h. natürlich (GP IV 572). „Ich habe versucht zu erklären, wie diese Übereinstimmung sich natürlicherweise vollzieht“ (GP IV 532). Diesen natürlichen Grund qualifiziert Leibniz näherhin als Kunststück oder Kunstgriff, so daß die Natur teleologisch als Kunst, die physis als technê gedeutet wird, welche die Weisheit und Ökonomie ihres Schöpfers bezeugt. Die Harmonie erfolgt demnach „durch ein von Gott in den Dingen vorab eingerichtetes Kunststück“ (GP VII 339). Fragt man nach der Art dieses geheimnisvollen „Kunststücks (artifice)“, das dem „Urheber der Natur“ zukomme (GP IV 494), so gibt Leibniz den Wink, daß es sich um den „Kunstgriff eines göttlichen Mechanismus (mechanismi divini artificium)“ (GP VII 344) handle, dem zufolge die „Natur insgesamt“ als ein „Kunstwerk Gottes (artificium Dei)“ aufzufassen sei (GP IV 504 f.). Überraschend ist, daß dieser kosmische Mechanismus nicht etwa von Gott abgekoppelt ist, wie z. B. ein Uhrwerk nach seiner Herstellung vom Uhrmacher abgetrennt ist. Vielmehr bleibt der Leibnizsche Gott an dem von ihm geschaffenen Mechanismus aktiv beteiligt. Es ist also ein „bewundernswürdiger Mechanismus, den Gott ausübt (mechanisme admirable que Dieu exerce)“ (GP IV 584). Daß die Welt das „Uhrwerk Gottes (horologium Dei)“ sei (A II 1, 23), besagt somit, daß der weise Uhrmacher durch sein unaufhörliches Wirken seinem Werk immanent bleibt. Es ist also Gott selbst, der diese Technik ausübt, denn „Gott verfügt über alles, was er braucht, um sich dieses vorgreifenden Kunststücks bedienen zu können“ (GP IV 501; ähnlich 499). Deshalb könnte es

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so scheinen, „als ob Gott“ – wie im Okkasionalismus – „ständig die Hand im Spiel hätte, über seine allgemeine Mitwirkung hinaus“ (GP IV 494). Den Zeitpunkt der Präetablierung dieses von Gott selbst ausgeübten Mechanismus legt Leibniz in die „erste Schöpfung“, d. h. nach Gen. 1–4 in die Phase zwischen der Erschaffung von Himmel und Erde und der Scheidung von Licht und Finsternis. Es sei anzunehmen, „daß die Vereinigung der Seele mit dem Körper, ja sogar das Wirken einer Substanz auf die andere, in nichts anderem besteht als in dieser vollkommenen Übereinstimmung, die ausdrücklich gemäß der ersten Schöpfung eingerichtet wurde“ (GP II 136). Spricht Leibniz also von einer „Harmonie zwischen Körper und Seele, die von Anfang an durch Gott präetabliert wurde (harmonia inter corpus et animam ab initio a Deo praestabilita)“ (GP VI 455), so bezeichnet das „prae“ hier nicht etwa eine Zeit vor der Welterschaffung, sondern den Zeitpunkt von Gottes ausdrücklichem Wort „Fiat lux!“, mit dem nun der Geist Gottes auf den Wassern zu wirken beginnt. Und in der Tat gibt Leibniz zu erkennen, daß der kosmische Mechanismus jener „geistigen Substanz (substantia spiritualis)“ (GP IV 505; GP II 307), um die sich seine ganze Metaphysik dreht, identisch ist mit der Zirkulation des von ihm schon früh hypothetisch zugrunde gelegten Äthers oder des allumfassenden Geistes (spiritus universalis) oder der Erstmaterie (materia prima): Gott oder „der erste Geist (prima mens) hat, seiner Weisheit gemäß, die Sache am Anfang so eingerichtet, daß er nicht leicht für die Erhaltung der Dinge eine außerordentliche Mitwirkung (extraordinarius concursus) braucht; genau so, wie niemand einen solchen Uhrmacher loben würde, der täglich dazu gezwungen wäre, etwas an seinem Werk zu verbessern. Dies vorausgesetzt, kam mir eine einzige umfassende Bewegung auf unserer Erde in den Sinn, aus der alle Phänomene, die wir in ihren Erscheinungsarten als viele und wunderbare empfinden, auf ihren Grund zurückgeführt werden können. […] Weil ich nämlich nicht an der Kreisdrehung der Erde um ihr eigenes Zentrum zweifle, so folgt daraus eine ständige richtungsgegensätzliche Drehung des Äthers (perpetua quaedam contraria circulatio aetheris), d. h. eines höchst feinen Körpers, in dem auch das Licht besteht, und es erleuchtet diesen von der Sonne mitbewegten durchsichtigen Körper. Denn während die Erde durch ihre tägliche Drehung von West nach Ost bewegt wird, wird der Äther mit dem Sonnenlicht von Ost nach West kreisen. Diese Zirkulation durchdringt, auch wenn sie unmerklich ist, die Poren aller wahrnehmbaren Körper und ist die Ursache der meisten Phänomene“ (an Jakob Thomasius, 19./29. Dezember 1670, A II 1, 74 = GP I 33). Für Leibniz ist der fließende Äther insofern die „allgemeine, allgegenwärtige Ursache (causa universalis ubique praesens)“ (A VI 2, 238), als sein

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Zirkulieren durch die Poren aller Körper die Ursache für vier Grundeigenschaften ist, die ihrerseits das Systemverhalten aller Körper bedingen. Der Äther ist nämlich Ursache a) der Gravitation, b) der Elastizität, c) der Phänomene von Reflexion und Refraktion beim Stoß und d) der Lichtausbreitung (zur Erläuterung vgl. Busche 1997, 404–448). Deshalb bildet die Zirkulation des Äthers jenes göttliche Kunststück, vermöge dessen das Universum überhaupt allgemeinen wie besonderen Naturgesetzen gehorcht. Der kreisende Äther ist somit der erklärende Grund aller kosmischen Harmonie und auch des Lebens: „Aber durch ein bewundernswürdiges Kunststück [!] des Schöpfers, d. h. eine für das Leben notwendige Wohltat, sind gemäß unserer Hypothese alle Körper aufgrund der Ätherzirkulation [!] elastisch, und folglich haben alle Körper Rückstoß und Rückprall“ (A VI 2, 229). Damit erweist sich der kosmische Ätherstrom als eigentlicher Erklärungsgrund (Explanans) der Universalharmonie. Doch inwiefern fällt „die harmonische Kreisdrehung […] einer ätherischen Materie“ (A VI 4 C, 2074) bzw. die „harmonisch zirkulierende ätherische Materie“ (ebd. 2042) mit Gottes allgemeiner Mitwirkung an der Welt zusammen? Leibniz gibt eine verblüffende Antwort: „Der ÄTHER ist wohl“ jener in Gen. 1, 2 genannte „Geist des Herrn, der über den Wassern schwebte (AETHER … fortasse est Spiritus Domini, qui super aquis ferabatur)“ (A VI 2, 225; auch A II 1, 127 u. GP VI 530 f.). Weil Leibniz also den lebendigmachenden Geist Gottes durchaus als materiell auffaßt und sogar das Bestreben der späteren Kirchenväter, ihn „für etwas Unkörperliches auszugeben“, als „höchst ungereimt“ tadelt, bereitet es ihm keine Schwierigkeiten, das heilige pneuma theou zu identifizieren mit dem antiken aether, der quinta essentia, der anima mundi und sogar der materia subtilis des Descartes (an de Carcavy, 22. Juni [?] 1671, A II 1, 126). Und weil „unsere Erde überall vom höchstfeinen Äther durchdrungen wird“ (A VI 2, 225), ist auch Gott überall gegenwärtig in Form seines Spiritus oder Äthers. Und weil dieser als universales Medium der göttlichen Welterhaltung überall alle Körper durchdringt, sind Schöpfer und Geschöpf unabtrennbar verbunden, und es ist „sehr schwer, die Tätigkeiten Gottes von denen der Geschöpfe zu unterscheiden“ (D § 8). Vielmehr gilt, „daß Gott alles in allem ist, daß er mit allen Geschöpfen, freilich nach ihrem Vollkommenheitsgrad, im Innersten vereinigt ist, und daß allein er es ist, der sie durch seinen Einfluß bestimmt“ (D § 22). Weil der Lichtäther zum einen der Geist Gottes ist, zum anderen aber das universale Fluidum, dessen Zirkulation die Phänomene von Gravitation, Elastizität, Stoß und Lichtausbreitung, d. h. die Grundphänomene der Natur erzeugt, kann man also sagen, daß Gott selbst vermittelst seines Spiritus jenen mechanischen Kunstgriff „ausübt“, der den präetablierten

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Grund der allgemeinen, kosmischen Harmonie ausmacht. Doch inwiefern ist der göttliche Äther auch der Erklärungsgrund für die besondere, psychophysische Harmonie? Daß Leibniz im hypothetisch postulierten Äther oder Universalspiritus schon sehr früh eine Möglichkeit sah, die psychophysische Übereinstimmung zu erklären, belegt eine Notiz von 1671: „GOTT hat es durch Hinzufügung des Äthers, d. h. des allumfassenden Geistes (addito aethere seu spiritu universali), so eingerichtet, daß im Körper der Geschöpfe alles genauso wie in ihrem Geist abläuft“ (A VI 1, 480). Will man den Grund für diese denkwürdige These ermitteln, so muß man sich vergegenwärtigen, daß Leibniz den Äther-Spiritus, zumindest in einem bestimmten Spektrum von Feinheitsgraden, mit jenen körpereigenen Lebensgeistern (spiritus) identifiziert, die in der zeitgenössischen medizinischen Physiologie vorausgesetzt wurden: „Ich möchte geglaubt haben, daß es […] eine ätherische Substanz (aetheria substantia) gibt, die durch den ganzen Körper verbreitet und zusammenhängend ist, und daß die Seele durch diese ätherische Substanz hindurch empfindet, welche in die Nerven hineinströmt, sie zusammenzieht und zersprengt. […] Ferner scheint es, daß ein jeder Kreislauf in den Hirnhöhlen durchgeführt wird und die Seele ihren Wirbel bewahrt“ (De unione animae et corporis, A VI 3, 480). Weil die flüssige Feinmaterie des Lichtäthers somit als Medium zwischen der im mathematischen Punkt bestehenden Seele einerseits und den ausgedehnten Körpern andererseits angesetzt wird, bildet sie zugleich auch die besondere, höchste Substanz, deren kosmische Zirkulation mit Gottes regulärer Mitwirkung und Welterhaltung zusammenfällt und zwischen den beiden Reichen der Natur vermittelt: „Aber jene höchste Substanz, die die allgemeine Ursache aller Dinge ist, bewirkt vermöge ihrer unendlichen Weisheit und Macht, daß beide höchst verschiedenen Reihen“ – d. h. die Perzeptionen der Seele im Reich der Vernunft einerseits und die Bewegungen der Körper im Reich der Notwendigkeit andererseits (vgl. M § 78 f.) – „sich in derselben körperlichen Substanz aufeinander beziehen und vollkommen übereinstimmen, ebenso als ob die eine durch den Einfluß der anderen regiert würde“ (GP VI 455). Damit sind wir nun ins Zentrum der Fensterlosigkeitsthese vorgestoßen.

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3.3.2. Die Vermitteltheit der psychophysischen wie intermonadischen Kausalität durch Gott Die Erläuterung der Präetablierten Harmonie durch ihr Explanans, den fließenden Äther, zeigt zweierlei. Zum einen beweist das obige Zitat von der „ätherischen Substanz“, durch welche hindurch die Seele empfindet, einmal mehr, daß der Leibnizsche Lichtäther identisch mit der prima materia ist, die zusammen mit der Seele eine vollständige Monade bildet. Und da sich der „göttliche Mechanismus“ des zirkulierenden Äthers als der Erklärungsgrund der Präetablierten Harmonie erweist, leuchtet ein, weshalb das Leibnizsche Gegenkonzept zum Influxionismus, dessen Vorstellung einer „influence immediate“ zwischen Leib und Seele als „unbegreiflich“ zu kritisieren war (s. o. Kap. 3.1.1.1.), umgekehrt ein Medium zwischen beiden Größen annehmen muß. Gerade deshalb betont Leibniz auch so stark die Materialität der Monade, obwohl der metaphysische Schnittpunkt durch sie nicht ausgedehnt wird. Daß der Äther grundsätzlich diese Vermittlung zwischen Seele und Körper leisten kann, liegt daran, daß diese feine Materie „nicht zum Körper gerechnet wird (corpori non computatur) [!]“. Weil der zirkulierende Lichtäther (als Reich der Weisheit) nämlich die systemische Bedingung für die mechanische Ordnung der Körper (das Reich der Macht) ist, „folgt“ seine Materie „weder der Bewegung des Körpers noch verzögert sie diese“ (Gegen Descartes, 1702, GP IV 395). Folglich kann man trotz der kausalen Vermittlung, die der Lichtäther als materia prima zwischen Seele und Körper leistet, nicht angemessen sagen, daß der Äther auf die Körper wirkt. Zutreffender ist es zu sagen, daß durch Veränderungen der Äther­strömung das konkrete Wirkgefüge der Körper verändert wird. Der späte Leibniz hat diese Zusammenhänge in seiner Theorie des „vinculum substantiale“ immerhin angedeutet; denn dieses „vinculum metaphysicum animae et corporis“ (an des Bosses, 1712, GP II 438 f.) ist ja nichts anderes als der Ätherstrom, den Leibniz schon früh das substantielle geistige „Band“ nennt (an von Guericke, 17. August 1671, A II 1, 144 f.). Zum anderen wird klar, inwiefern die Vermitteltheit der psycho­physischen Prozesse durch den Lichtäther identisch ist mit der These, daß alle kausalen Beziehungen zwischen Monaden durch Gott vermittelt sind. Denn während die erste Person Gottes, der allmächtige Vater, mit dem inneren Mittelpunkt oder Quell jeder Monade zusammenfällt, wird der Lichtäther ja von Leibniz explizit mit der dritten Person Gottes, dem pneuma oder Geist des Herrn identifiziert. Somit fällt Gottes reguläre Gegenwart und Mitwirkung an der Welt (concursus generalis) mit dem präetablierten Mechanismus der Ätherzirkulation zusammen. Weil folglich alle Monaden

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in diesem göttlichen Lichtäther zu einem corpus mysticum verbunden sind, kann Leibniz in Übereinstimmung mit Malebranche betonen, daß strenggenommen „Gott das einzige unmittelbare äußere Objekt unserer Seele ist, da er allein auf uns wirken kann“ (an Coste, 16. Juni 1707, GP III 392; ähnlich 561; auch GP I 383; II 14; III 660; VI 577). Daß „allein Gott bzw. dasjenige, was in ihm ist, unser unmittelbares Objekt ist, welches außerhalb von uns ist“ (an Foucher, 1686, GP III 383), ist durchaus so zu verstehen, daß „Gott allein das unmittelbare Objekt unserer Perzeptionen ist, welches außerhalb von uns existiert, und er allein ist unser Licht“ (Kurzfassung des Discours de Métaphysique, GP II 14). Daß allein Gott es ist, der „auf die Geister wirkend operieren kann“ (GP VI 577), bedeutet hierbei, daß nur er dasjenige „außerhalb der Seele“ ist, was „unmittelbar [!] auf die Seele wirkt“ (GP VI 593). Gott ist es, „der einzig auf uns unmittelbar [!] wirkt kraft unserer fortdauernden Abhängigkeit“ von ihm (GP III 383). Es ist Gott im Sinne des alles beseelenden Lichtäthers, von dessen ständigem Zustrom die Erhaltung aller Dinge abhängt. Kraft seiner „repletiven“ Allgegenwart im Universum „wirkt er unmittelbar auf alle Geschöpfe“, indem er sie „kontinuierlich erzeugt“; dagegen können „die endlichen Geister keinerlei unmittelbaren Einfluß oder Operation ausführen“ (NE, GP V 206). Die Erhaltung aller Dinge besteht in Gottes „influence immediate perpetuelle“ (T 1, § 27, GP VI 119; vgl. VI 560). Folglich ist es auch der göttliche Geist allein, der „unsere Seele berührt und unmittelbar [!] unsere Perzeption erregt“ (D § 28). Durch die Gleichsetzung der gewöhnlichen Mitwirkung Gottes mit dem zirkulierenden Licht einerseits und durch die kausale Umsetzung der körperlichen Wirkradien in seelische Perzeptionen vermittels des Lichtes andererseits erklärt sich auch Leibniz’ Anverwandlung des augustinischen Illuminationsgedankens, nach der „Gott die Sonne und das Licht der Seelen“ ist, so daß wir „alle Dinge durch ihn sehen“ (D § 28). Für die Fensterlosigkeitsthese bedeutet dieses Ergebnis der kausalen Allvermittlung durch Gott, daß Leibniz keineswegs die mittelbare Wirkung aller Dinge aufeinander leugnen will. „Die äußeren sinnlichen Objekte sind nur mittelbare, weil sie nicht unmittelbar auf die Seele wirken können. Gott ist unmittelbares äußeres Objekt“ (NE, GP V 99). Da bei der sinnlichen Wahrnehmung die von den Gegenständen erzeugten Wirkradien schließlich im beseelten Ätherpunkt konzentriert werden, dieser Punkt jedoch den mathematischen Mittelpunkt der Monade, in dem die Seele besteht, lediglich umhüllt, bleiben die dem Ätherpunkt eingeprägten Radien zwar für die Monade ein externes Objekt; gleichwohl ist dieses Objekt uns „näher“ als die umgebenden Körper. Weil Gottes lichter Geist also für jede Monade das buchstäblich nächste Objekt ist und somit alle psychophysi-

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schen wie intermonadischen Beziehungen durch Gott vermittelt sind, wird im Hinblick auf die Fensterlosigkeit schon abstrakt klar, daß zwar unmittelbar weder geschaffene Substanzen aufeinander noch körperliche Objekte auf die Seele und umgekehrt wirken können, sehr wohl aber mittelbar, d. h. „durch Vermittlung Gottes“ (M § 51). Insofern gibt es „nur einen einzigen Fall einer Substanz, die unmittelbar [!] auf eine andere wirkt, nämlich der unendlichen Substanz, die auf die endlichen wirkt“ (an de Volder, 21. Januar 1704, GP II 264). Man sieht, daß Leibniz mit dieser Vermitteltheit aller Dinge durch Gott zwar nahe bei der okkasionalistischen Lösung liegt, jedoch mit den beiden großen Unterschieden, daß Gott weder das Subjekt aller Tätigkeiten ist noch daß er von außen durch ein ständiges Wunder in die Natur eingreift; vielmehr handelt er „auf eine Weise, die der Natur konform ist“ (an Jacquelot, um 1703, GP III 462), d. h. er „interveniert“ überall „gemäß den allgemeinen Gesetzen“ und „keineswegs auf außerordentliche Weise“ (Eclaircissement des difficultés, GP IV 533). Ist doch der Lichtäther die allgegenwärtige, immanente Ursache der Naturordnung. Wie sich Leibniz die Vermittlung des göttlichen Spiritus oder Lichtäthers zwischen Seele und Körper und somit auch zwischen den Monaden konkret denkt, ist angesichts des diesbezüglichen Schweigens der Quellen schwer zu bestimmen. Doch lassen sich für das im Hintergrund stehende Konzept folgende Mosaiksteinchen zusammensetzen.

3.3.3. Seelische Eigenkausalität, äußere Bedingungen und idealer Einfluß Bei der Rekonstruktion bietet die extroverse Wirkrichtung, bei welcher der metaphysische Punkt der Monade handlungsproduktiv wird und seine Gedanken nach außen in körperlichen Bewegungen ausdrückt, weniger Schwierigkeiten als die introverse Wirkrichtung, bei welcher die Monade als Spiegel des Universums die Prozesse in den Organen des zugehörigen Körpers in seelischen Perzeptionen ausdrückt. Denn Bewegungen nach außen sucht Leibniz zu erklären durch die Ausdehnung des elastischen Lichtäthers (materia prima), in dem die Seele inkarniert ist. Allerdings bleibt bei Leibniz, der sich seit frühester Jugend erstaunlich gut in den Diskussionen über die Natur des Lichtes auskennt, offen, ob für ihn die Ausdehnung des Lichtes in Gestalt von Wellen oder Teilchen erfolgt: Die Erstmaterie der Monade „besteht nicht in der Ausdehnung, sondern im Verlangen nach Ausdehnung (in extensionis exigentia)“ (an des Bosses, 11. März 1706, GP II 306). Damit sich dieser conatus extensionis in eine

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Bewegung nach außen umsetzen kann, muß die Lichtmaterie der handlungsproduzierenden Monade auf die Lichtmaterie anderer, untergeordneter und schlafender Monaden im Körper übergreifen. Insofern „schließt die Erstmaterie einer jeden Substanz, die in einem ihr zugehörigen organischen Körper existiert, die Erstmaterie einer anderen Substanz ein, jedoch nicht als einen ihr wesentlichen Teil, sondern als eine unmittelbare notwendige Bedingung, wenn auch bloß auf Zeit“ (an des Bosses, 16. Oktober 1706, GP II 324 f.). Weil alles Handeln nach außen also kausal über Gottes Lichtäther vermittelt ist, muß man strenggenommen sagen, daß „jede Substanz (Gott allein ausgenommen) nur die Gelegenheitsursache ihrer Tätigkeiten ist, die auf eine andere Substanz übergehen“ (A VI 4 B, 1640 f.). Denn selbst „bei beliebig großer Kraft“ könnte eine Substanz keine Tätigkeit ausüben, „wenn Gott seine Mitwirkung entzöge“ (an des Bosses, 2. Februar 1706, GP II 295). Umgekehrt gilt jedoch, daß die Wirktendenz der Monaden keine bloße „Möglichkeit (facultas)“ ist; vielmehr „folgt aus der Entelechie die Tätigkeit, wenn nur Gottes ordentliche Mitwirkung hinzutritt“ (ebd.). Das bedeutet, daß „jede Substanz tätig ist, soviel sie kann, falls sie nicht gehindert wird“; „gehindert aber“ wird sie „auf natürliche Weise nur im Innern von sich selbst“ (an des Bosses, 29. Mai 1716, GP II 516). Während der konkrete Modus dieser extroversen Tätigkeit (Handlung) bei Leibniz lediglich dunkel bleibt, wird die Rekonstruktion der introversen Richtung (Wahrnehmung) zusätzlich dadurch erschwert, daß Leibniz ein scheinbar rein internalistisches Konzept der Entstehung von Perzeptionen zugrunde legt. Nach einer Argumentation, die er seit dem Briefwechsel mit Arnauld oft vorträgt, entspringt die Folge der Perzeptionen einer Monade einzig und allein ihrem vollständigen Begriff oder ihrer eigenen Natur, die sich nach einem inneren, individuellen Gesetz entfaltet. Demnach ist alles, was einer Monade „geschieht, nichts als die Folge ihrer Idee bzw. ihres vollständigen Begriffes“, der sämtliche Prädikate enthält. Somit sind „alle unsere Phänomene, d. h. alles, was uns je widerfahren kann, nichts als Folgen unseres eigenen Seins“, so daß wir uns „nicht darum zu bekümmern brauchen“, ob die Phänomene „auch außerhalb von uns sind und ob sich auch andere ihrer bewußt sind“ (D § 14). Diese These soll zum einen die Eigendimension des Seelischen wahren: Unsere „inneren Empfindungen“ sind „in unserer Seele selbst und nicht im Gehirn“; deshalb „müssen diese inneren Perzeptionen in der Seele selbst kraft deren eigener ursprünglicher Konstitution auftreten“ (SN, GP IV 484). Daher gilt strenggenommen, daß „eine Perzeption auf natürliche Weise nur aus einer anderen Perzeption entstehen kann“ (M § 23). Zum anderen soll die These auch die Selbst-

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tätigkeit, „Unabhängigkeit oder Spontaneität“ der seelischen Tätigkeit in den Substanzen betonen (GP IV 475 f., 458, 519, 586). Die These wird aber oft so mißverstanden, als ob die Seele oder innere Natur der Monade ihre Perzeptionen bzw. Phänomene einfach abspulte, ohne daß sie hierzu durch extern korrespondierende Gegenstände veranlaßt wäre. Diese internalistische Interpretation des Leibnizschen Wahrnehmungsprinzips, durch welche die Fehldeutung der Fensterlosigkeit als eines kausalen Solipsismus begünstigt wird, ist aber ein hartnäckiges Mißverständnis. Sie übersieht erstens, daß im Begriff einer Substanz auch ihre Beziehungen auf externe Gegenstände und somit andere Substanzen enthalten sind. Sie widerspricht zweitens der Semantik des „Per-zipierens“, die ja ein „Erfassen“ von etwas „durch“ ein Medium meint. Sie zerstört drittens die Pointe, daß Monaden Spiegel des Universums und nicht etwa bloß ihres je eigenen Gesetzes sind. Vor allem aber widerspricht sie viertens der Logik der wechselseitigen Repräsentation von Seelischem und Körperlichem und verstößt somit gegen die „doctrine du parallelisme de l’ame et du corps“, nach der es „einen vollkommenen Parallelismus gibt zwischen dem, was in der Seele geschieht, und dem, was sich in der Materie ereignet“ (GP IV 533). Sie widerspricht dem Grundsatz der Präetablierten Harmonie, daß die Seele „auf exakte Weise die Materie repräsentiert“ (an des Bosses, 4. August 1710, GP II 409), indem „dasjenige, was sich in der Seele ereignet, dasjenige repräsentiert, was in den Organen [des zur Zen­tralmonade gehörigen Körpers] geschieht“ (M § 25). Die internalistisch-solipsistische Deutung der Perzeption mißachtet den Kerngedanken, daß „die Folge der Repräsentationen, die die Seele hervorbringt, auf natürliche Weise [!] der Folge der Veränderungen des Universums selbst entspricht“ (GP IV 485; VI 538). Und so gilt ihr gerade dasjenige als die „Ordnung der Dinge“, was Leibniz nur als „metaphysische Fiktion“ behandelt (GP IV 519): Daß nämlich „die Seele, auch wenn es nur Gott und sie allein auf der Welt gäbe, doch all jenes empfinden würde, was sie jetzt wirklich empfindet“, sei eine „Fiktion“, die etwas annimmt, „das auf natürliche Weise niemals geschehen kann“ (ebd. 517). Will man die internalistische Fehldeutung vermeiden, so muß man außer der Eigenkausalität, mit der jede Monade ihre Wahrnehmungen spontan hervorbringt, zugleich jene äußeren Bedingungen berücksichtigen, welche die Monade zur Erzeugung bestimmter Perzeptionen veranlassen. Die Monade selbst ist nur die „unmittelbare reelle Ursache“ ihrer Perzeptionen (an Foucher, GP I 391; ähnl. VI 354 u. II 116); es kommen aber mittelbare hinzu. Da diese äußeren Bedingungen nur die externen Stimuli bilden, die der Monade nichts von außen einflößen, stellt Leibniz richtig: „Was wir Ur­sachen

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(causae) nennen, sind lediglich begleitende Erfordernisse (requisita concomitantiae), wenn man mit metaphysischer Strenge urteilt“ (Principia logica-metaphysica, A VI 4 B, 1647). Zu solchen notwendigen Bedingungen, welche die Bestimmtheit der Perzeptionen bedingen, zählt Leibniz aber erstens die „Affektionen“ des zur Monade gehörigen Leibes (P § 3 f.; M § 62 f.). Ohne solche Reizungen der körperlichen Sinne könnte auch die Monade keine Perzeptionen im Sinne von Wahrnehmungen haben. Diese Körpergebundenheit ist auch der Grund, weshalb Leibniz, den optischen Sinn stellvertretend für alle Sinne hervorhebend, den jeweiligen „Gesichtspunkt der Seele“ so stark betont; da er „in der organisierten Masse“ des Leibes zu lokalisieren ist (GP IV 484), kann in ihm nur dasjenige repräsentiert werden, was ihm vonseiten der Augen im perspektivischen Sehfeld entsprechend ihrer Lage zu den umgebenden Körpern übermittelt wird. Leibniz legt sogar Wert auf die Feststellung, daß die wahrnehmungsbezogenen Perzeptionen qualitativ abhängig sind von der Beschaffenheit der Sinnesorgane: Je differenzierter z. B. die Augen eines Tieres sind, desto differenzierter bzw. stärker auch die entsprechenden Perzeptionen in der Zentralmonade (P § 4). Nach den bisherigen Erläuterungen erklärt sich diese Korrespondenz daraus, daß die Reizungen der Sensorien zunächst von der Peripherie des Leibes nach innen an jene Sphäre aus Lichtäther fortgepflanzt werden, welche die aktive „Zentralmonade“ des Leibes (P § 3) umhüllt. Diese Sphäre aus Licht oder Erstmaterie ist für Leibniz das Medium, in dem die Umsetzung körperlicher Bewegungen in seelische Regungen erfolgt. Es ist ja dieser göttliche Spiritus, der allein „unsere Seele berührt und unmittelbar unsere Perzeption erregt“ (D § 28). Deshalb nennt Leibniz auch als zweite notwendige Bedingung zur externen Regulierung der psychischen Eigenkausalität, „daß man die Mitwirkung Gottes hinzufügt“ (an Arnauld, 9. Oktober 1687, GP II 126). Daß „jede wahre, d. h. einfache Substanz […] eine höchste Spontaneität besitzt und alles aus ihren eigenen Gesetzen ableitet“, ist folglich nicht rein internalistisch zu verstehen, sondern gilt nur unter der Bedingung, daß von außen „die reguläre Mitwirkung Gottes hinzukommt“ (an Bourguet, um 1709, GP III 545; auch I 391). Wie sich Leibniz nun die Verbindung zwischen der Spontaneität der Seele und der Rezeptivität ihrer Erst- oder Lichtmaterie konkret denkt, läßt sich anhand zweier Stichworte rekonstruieren. Zum einen wird die Seele, die der lebendige „Quell der Ideen (fons idearum)“ sei (an de Volder, 23. Juni 1699, GP II 184), als ein „spiritueller“ oder „immaterieller Automat“ (GP IV 485 u. 522 f.; VI 131 u. 356) qualifiziert. Auch werden die Monaden als ganze, d. h. jene metaphysischen

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Schnittpunkte, die aus dem seelischen Zentrum und den Winkeln zur Licht- oder Erstmaterie bestehen, „unkörperliche Automaten“ genannt, da sie „die Quellen ihrer inneren Tätigkeiten“ sind (M § 18). Nun kann aber das tertium comparationis zwischen Leibnizschen Seelen bzw. Monaden einerseits und selbsttätigen Maschinen andererseits nur darin bestehen, daß sie bestimmte Leistungen nach einer exakt geregelten input-outputRelation von sich aus erbringen. Bezüglich der Wahrnehmungen besteht die Leistung der Monaden darin, daß sie die externen Eindrücke, die von den umgebenden Körpern über jene die Monade umhüllende Lichtsphäre rezipiert werden, gemäß einer „exakten Beziehung jedes Punktes zu jedem Punkt“ repräsentieren (T 3, § 357, GP VI 327). In der Tat versteht Leibniz die Perzeption als die „in einem bestimmten Gesichtspunkt exakt ausgedrückte“ (SN, GP IV 484) und somit zentralisierte „Repräsentation der Vielheit im Einfachen“ (GP III 574 f., 622; vgl. M § 13 f. u. 16), und diese faßt er als perspektivische Projektion (an Arnauld, 9. Oktober 1687, GP II 112; an Foucher, 1686, GP I 383 f.) nach dem Prinzip der Kegelschnitte (Principium quoddam generale, GM VI 129 f.). Vgl. Gurwitsch 1974, 34– 45 u. 240–246. In seinem Brief an die Kurfürstin Sophie vom 12. Juni 1700 hat Leibniz diese Projektion externer Wirkradien im perspektivischen „Zentrum“ der Seele sogar durch ein geometrisches Schema erläutert (GP VII 552–555). Zum anderen gibt Leibniz das Stichwort des „idealen Einflusses“ (M § 51) bzw. der „idealen Abhängigkeit“ (GP II 438) zwischen Monaden. Man ist zunächst geneigt, die Kennzeichnung „ideal“ im selben Sinne aufzufassen, wie Leibniz den Raum, die phänomenale Kontinuität oder die Einheit des Körpers als choses ideales bezeichnet (z. B. GP III 595; II 282; VII 564), nämlich als bloß vorgestellt und insofern als von der wahren Realität scheinhaft abweichend. Diese Interpretation widerspricht aber nicht nur anderen Texten, sondern erweist sich auch als sinnwidrig. Dort nämlich, wo Leibniz etwa von einer „nature ideale de la creature“, von einer „nature ideale“ der Seele oder von einer „cause ideale du mal“ spricht (T 1 § 20, GP VI 114 f.; § 323, VI 308), meint er keineswegs eine bloß imaginäre Natur des Geschöpfs bzw. der Seele und keine bloß vorgestellte Ursache des Bösen, sondern gerade jene wahrhaft wirkliche Natur bzw. Ursache, die mit der Fähigkeit der geistigen Monaden zur Ideenbildung verbunden ist. Entsprechend bedeutet der „ideale Einfluß“ zwischen Monaden – ganz abgesehen davon, daß er im Sinne des bisher Erläuterten kein unmittelbarer ist, sondern über Körper und über Gottes Lichtäther vermittelt ist – den Einfluß, der über die Ideen der Monaden vermittelt ist. Mit diesem Gedanken kann Leibniz nicht nur den Phänomenen des Alltags Rechnung

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tragen; denn zu einer hinreichenden Erklärung der Kausalbeziehung etwa zwischen zwei Personen gehören auf der einen Seite die ideellen Motive der handlungsproduktiven Monade A, auf der anderen Seite aber auch die Ideen, die in der perzipierenden Monade B wachgerufen werden. Die Vermittlung der intermonadischen Kausalität durch Ideen auf beiden Seiten erweist sich vielmehr auch als Schlüssel zur Lösung des Rätsels, wie sich die Spontaneität der Seele mit der Rezeptivität der sie umhüllenden Erst- oder Lichtmaterie vereinbaren läßt. Mehrfach gibt Leibniz auf sein hintergründiges Konzept folgenden Wink, der auch am Ende von P § 2 angedeutet wird: „Man fragt, wie das Zusammengesetzte im Einfachen repräsentiert werden kann, oder die Vielheit in der Einheit? Ich antworte, daß dies beinahe so ist, wie eine Unendlichkeit von Strahlen zusammenlaufen und die Winkel in einem Zentrum bilden, so einfach und unteilbar dieses auch ist. Und diese Strahlen bestehen nicht allein in den Einfallslinien, sondern außerdem in gewissen Tendenzen oder Wirkungen gemäß den Linien, welche sich schneiden, ohne sich zu vermengen, wie uns die Bewegung von Flüssigkeiten erkennen läßt“ (an Kurfürstin Sophie, 6. Februar 1706, GP VII 566). Es gibt keine guten Gründe zu bezweifeln, daß dies immer noch das leitende Konzept ist, das schon der frühe Leibniz entwickelt hatte, als er schrieb, der Geist (mens) sei „eine kleine in einem Punct begriffene Welt, so aus denen Ideis, wie centrum ex Angulis bestehet, denn angulus ist pars centri, ob gleich centrum indivisibel“ (A II 1, 163). Nach dem in der Einführung, s. o. 14–24, erläuterten Konzept sind es aber die im metaphysischen Schnittpunkt gebildeten Winkel, d. h. die abstandslosen „Teile des Punktes“ (A II 1, 90 u. 172), die das Korrelat der Ideen bilden (A VI 1, 494; 510; 512; 513). Entsprechend ist auch für den späten Leibniz die Idee das „unmittelbare innere Objekt“ der Seele beim Denken wie beim Wahrnehmen (GP III 162; V 21 u. 99). Nimmt man alle diese Gedankenelemente zusammen, kann es keinen Zweifel daran geben, daß Leibniz die bewußte Wahrnehmung oder „Apperzeption“ (M § 14), die „aus mechanischen Gründen, d. h. aus Figuren und Bewegungen nicht erklärbar ist“ (M § 17), sehr wohl durch die Tendenzen oder Bewegungsmomente (conatus) erklären will, die beim Einfallen der Wirkradien in die Lichtsphäre, welche die Monade umhüllt, durch die Winkel im Mittelpunkt gebildet werden. Das spekulative Herz der Präetablierten Harmonie besteht also in dem Gedanken, daß diesem Zusammenlaufen der Radien zum Zentrum der Monade hin das psychische Phänomen der Perzeption korrespondiert. Insofern muß man zwar sagen, daß die Lichtsphäre „Türen und Fenster“ zur Außenwelt hat, durch die sie „Nachrichten übermittelnde Bilder empfangen“ kann (D § 26; GP III 341; V 100).

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Dies gilt aber nicht von der Monade selbst, die das beseelte Zentrum einer Sphäre aus Lichtäther bildet. Sie wird dadurch nicht „in ihrem Innern beeinflußt oder verändert“. Denn in den Mittelpunkt hinein, der durch die Schnittwinkel gebildet wird, kann „nichts übertragen“ werden, weil dort „keine innere Bewegung“ mehr stattfinden kann (M § 7). Vielmehr erzeugt die Monade, wenn auch in Korrelation zu den Einfallsradien ihrer Lichtsphäre, wie ein Automat spontan ihre Perzeptionen. Weil in der Monade selbst keine Bewegungen (motus), sondern nur noch Bewegungsmomente (conatus) stattfinden (A II 1, 108), die Perzeptionen also nach ihrem „inneren Prinzip“ erfolgen, kann „eine äußere Ursache keinen Einfluß auf ihr Inneres haben“ (M § 11). Demnach ist es also nicht jenes „Materielle, das über die Sinne ins Gehirn eindringt“, welches (metaphorisch gesprochen) „in die Seele eintritt“; was in der Seele auftritt, ist vielmehr die spontan erzeugte „Idee oder Repräsentation“, auch wenn diese mittelbar „eine Wirkung oder Reaktion“ auf körperliche Bewegungen ist (GP VII 552). Leibniz’ Modell der wahrnehmungsbezogenen Perzeption vereinbart somit einen der Monade externen, vom Körper herrührenden Stimulus, der intern, vom seelischen Mittelpunkt der Monade, spontan mit Perzeptionen beantwortet wird. Der Monade bzw. Seele wird nichts von außen eingeflößt. Vielmehr übersetzt der winkelbildende Schnittpunkt von innen heraus jene Bewegungstendenzen (conatus), die von der Erstmaterie rezipiert werden, spontan in seelische Perzeptionen. Folglich kommt es hier auch nicht zu einer „Emission“, „Transplantation“ oder „Transmission“ informationstragender Entitäten (Species) von einer Monade auf die andere (GP IV 486, 495 f.). Nach diesem Konzept ist die perzipierende Seele „ein Echo der äußeren Dinge, und doch ist sie von den äußeren Gegenständen unabhängig“ (an des Bosses, 29. Mai 1716, GP II 516). Die Seele ist „ein immaterieller Automat, weil ihre innere Konstitution eine Konzentration oder Repräsentation eines materiellen Automaten ist“ (GP IV 549). In dieser „repräsentierenden Natur“ der Seele (ebd. 484), die „gemäß ihren eigenen Gesetzen“ und unter Vermittlung des göttlichen Lichtäthers dasjenige darstellt, „was sich in den Organen [ihres zugehörigen Körpers] ereignet“ (ebd. 519), sieht Leibniz auch den entscheidenden Dissenspunkt gegenüber dem Okkasionalismus. Während Gott im okkasionalistischen System den Seelen „unmittelbar“ die Perzeptionen eingibt, werden die Perzeptionen in Leibniz’ „neuem System“ dadurch erzeugt, daß Gott „die Eindrücke nur mittelbar produziert“, nämlich „durch die Kraft, die er jeder Substanz verliehen hat“ (SN, GP IV 578), auch wenn seine reguläre Mitwirkung über den Lichtäther hinzukommen muß. Nach diesem Versuch, Bedeutung und Begründung der berüchtigten Fensterlosigkeit zu erschließen, läßt sich vielleicht besser erkennen, daß

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Leibniz mit dieser These ein ganz bestimmtes, wenn auch immer nur angedeutetes metaphysisches Lehrstück verbindet, dem zufolge alle Wesen kausal mit Gott vereinigt sind. Diese Lehre will die Weisheit Gottes und die Spontaneität der Seele vor dem oberflächlichen Blick profaner Geister retten, aber sie will keineswegs leugnen, daß es im wohlverstandenen Sinne einen „Einfluß […] aller Dinge des Universums aufeinander“ gibt (NE, A VI 6, 290). Vielmehr erweist sich, daß Monaden überhaupt nur deshalb lebendige Spiegel sein können, die „das ganze Universum ausdrücken“, weil letztlich „alle Dinge mit den übrigen mittelbaren oder unmittelbaren Verkehr haben“ (Specimen inventorum, GP VII 316 f.). Deshalb sagt Leibniz mit Hippokrates: „Alles ist miteinander spirituell verbunden (sympnoia panta)“ (M § 61; auch GP V 48 u. 627).

Literatur Busche, Hubertus 1990: Fensterlosigkeit – Leibniz’ Kritik des Cartesianischen „Influxus Physicus“ und sein Gedanke der energetischen Eigenkausalität. In: Ingeborg Marchlewitz, Albert Heinekamp (Hrsg.), Leibniz’ Auseinandersetzung mit Vorgängern und Zeitgenossen, Stuttgart (Studia Leibnitiana, Suppl. 27), 100–115. Busche, Hubertus 1997: Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung, Hamburg. Busche, Hubertus 2006: Prästabilierte Harmonie – Skizze einer neuen, naturphilosophischen Interpretation. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner (Hrsg.), Einheit in der Vielheit. VIII. Internationaler Leibniz-Kongreß 2006, Nachtragsband, Hannover, 27–38. Craemer, Heiner 1975: Über die Bestimmung der materialen Substanz in Analogie zum Bewußtsein bei Leibniz – Warum schließt Leibniz reale intersubstantiale Beziehungen aus? In: Akten des II. Internationalen Leibniz-Kongresses Hannover, Juli 1972, Bd. 3, Metaphysik, Wiesbaden (Studia Leibnitiana, Suppl. 14), 297–316. Gurwitsch, Aron 1974: Leibniz. Philosophie des Panlogismus, Berlin, New York. Kant, Immanuel 1942: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, hrsg. v. Friedrich Theodor Rink, Königsberg 1804. In: Kants gesammelte Schriften, hrsg. v. d. Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. XX, Berlin. O’Neill, Eileen 1993: Influxus Physicus. In: Steven Nadler (Hrsg.), Causation in Early Modern Philosophy. Cartesianism, Occasionalism, and Preestablished Harmony, University Park, Pennsylvania, 27–55. Rutherford, Donald P. 1993: Natures, Laws, and Miracles: The Roots of Leibniz’s Critique of Occasionalism. In: Steven Nadler (Hrsg.), Causation in Early Modern Philosophy. Cartesianism, Occasionalism, and Preestablished Harmony, University Park, Pennsylvania, 135–158. Vleeschauwer, Herman Jan de 1974: Occasionalisme et Harmonie Préétablie – Geulincx et Leibniz. In: Albert Heinekamp, Dorothea Kalisch, Ingeborg von Wilucki, Hans-Joachim Zacher (Hrsg.), Theoria cum praxi. Akten des II. Internationalen Leibniz-Kongresses Hannover, Juli 1972, Bd. 3: Metaphysik, Wiesbaden (Studia Leibnitiana, Suppl. 14), 279–292.

4 Hans Poser

Innere Prinzipien und Hierarchie der Monaden (§§ 8–29, 82 f.)

4.1. Einleitung: Die individuelle Substanz Die Monadologie beginnt mit einer ausgrenzenden, negierenden Kennzeichnung der Monade als das, was keine Teile hat. Von der Einfachheit der Monaden abgesehen beruhen auch die folgenden auf Negationen: Unteilbarkeit, Unzerstörbarkeit, Unausgedehntheit, Figurlosigkeit, Zeitlosigkeit, Unbeeinflußbarkeit und Fensterlosigkeit. Leibniz hat zwar von ihnen als „metaphysischen Punkten“ gesprochen (SN, GP IV 483; vgl. 478); was aber sind ihre tatsächlichen Eigenschaften? Irgendwelche, schreibt er, müssen sie doch haben (M § 8)! Seine Begründung zeigt, daß er mit seiner negativ umrissenen metaphysischen Konzeption keineswegs den Boden der Realität unter den Füßen verloren hat: Hätten die einfachen Substanzen keine solchen Qualitäten, so wären sie (betont er) nicht einmal etwas Seiendes; mehr noch, es muß sich bei ihren Eigenschaften um je unterschiedliche Qualitäten handeln, denn sonst ließe sich keine Veränderung an den Dingen bemerken. Nun ist Ding (chose) ein sehr allgemeiner Ausdruck, der nicht zwingend eine materielle Körperlichkeit bezeichnen muß; sicher ist nur, daß es sich um Zusammengesetztes handelt, das ein Plenum bildet und in dem es Bewegung gibt. Das aber würde auch für Plotins materielose Weltseele gelten, die sich in sich bewegt, oder für Leibniz’ Möglichkeiten (possibilia) im Ideenreich, von denen er sagt, sie strebten nach Existenz (GP VII 289). Zugleich allerdings wird man daran erinnert, daß Leibniz den Materiepunkten schon früh einen ‚conatus‘, eine Bewegungstendenz zuschreibt (z. B. A VI 2, 266); zudem wird seit Descartes der Gedanke punktförmiger Massen entwickelt, denen eine Geschwindigkeit und damit, modern gesprochen, ein Impuls zugeschrieben wird. Die Redeweise von

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metaphysischen Punkten soll also einerseits die Analogie zu Massepunkten, andererseits die Differenz betonen, ohne daß bislang gesagt wäre, worin diese inhaltlich besteht, um mit Monaden als Atomen zu einem metaphysischen Atomismus zu gelangen. Wie man sich die Zusammensetzung und die Bewegung vorzustellen hat und was den Dingcharakter ausmacht, bleibt also vorerst in der Schwebe. Zunächst geht es Leibniz an dieser frühen Stelle der Monadologie um Fundamentaleres: Er sucht den Nachweis, daß es unterschiedliche Qualitäten geben muß, weil sie die Verschiedenheit der Monaden begründen und damit deren Individuierung sichern – schließlich sollen die Monaden als individuelle Substanzen die Grundlage des ganzen Universums bilden. In dieser unendlichfachen Individuierung der Substanz besteht der entscheidende Schritt, denn weder Descartes’ noch Spinozas Substanzbegriff erlauben es, das Individuum als je Einzelnes in die herausragende und tragende Stellung zu heben, die Leibniz ihm zuweist und mit der er eine gänzlich neue, moderne Philosophie des Subjekts eröffnet. Betrachten wir sein Argument. Unter Voraussetzung eines Plenums (le plein), also eines homogen gefüllten Kontinuums, in dem es keinerlei qualitative Unterschiede gibt, würde ein Ort bei einer Bewegung eines Dinges „immer nur ein Äquivalent dessen enthalten, was er innegehabt hat, und ein Zustand der Dinge wäre von anderen nicht zu unterscheiden“ (M § 8). Die als gegeben genommene Unterscheidbarkeit der Dinge und ihrer Orte in unserer Lebenswelt setzt deshalb die Unterschiedlichkeit der Monaden als deren letzte Basis voraus. Es muß also in jeder Monade differenzierende und individuierende Qualitäten geben. In diese Argumentation gehen zwei für Leibniz tragende Prinzipien ein: Zum ersten das Kontinuitätsprinzip, das besagt, daß jede Bewegung, alle Veränderungen (selbst die Möglichkeiten im Reich der Ideen) einen lückenlosen Zusammenhang (so ein Vorschlag, um die Bedeutung von „Kontinuum“ zu erklären) bilden (vgl. NE Préface, A VI 6, 56). Dieses wird ausdrücklich für die innere Veränderung der Monaden herangezogen (M § 9). Das Plenum – es gibt nichts Leeres – ist auch eine Form des Kontinuums; es besagt hier, daß es kein absolutes Vakuum geben kann, ‚Vakuum‘ nicht im Sinne dessen, was Torricelli mit seiner Quecksilber-gefüllten Barometer-Glasröhre vorzuführen vermochte, oder dessen, was Physiker heute  Die Bezeichnung ‚metaphysischer Atomismus‘ geht auf Leibniz’ Ausdruck „Atomes de substance“ (SN, GP IV 482) und auf M § 3 zurück. Sie wird heute vielfach für die Monadentheorie verwandt und dem physischen Atomismus entgegengestellt. Wie sich zeigen wird, ist ein ‚logischer Atomismus‘ Teil der Leibnizschen Begründung seines metaphysischen Atomismus.

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mit einer Hochvakuumpumpe zu erzeugen suchen, sondern als jene totale Leere, die mit dem horror vacui der Tradition gemeint war, also ein totales Nichts: Derlei ist im Existierenden unmöglich. So macht Leibniz mit dem Kontinuitätsprinzip – hier zunächst als Hypothese – von einem Prinzip Gebrauch, das für die Qualitäten der Monade und damit für die inneren Zustände eines jeden Individuums wie schließlich für die äußeren Veränderungen in der Natur von fundamentaler Bedeutung ist; denn würde sich die Monade sprunghaft in ihren inneren Zuständen ändern, wäre die Einheit der Substanz zerstört (an de Volder, 21. Jan. 1704, GP II 264). Das zweite ist das Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren (principium identitatis indiscernibilium, in der englischen Forschung oft Leibniz’ law genannt): Was sich in keiner Weise unterscheiden läßt, muß identisch sein. Bis heute wird gestritten, ob es sich hierbei um ein allgemeines logisches Prinzip handelt, das aus dem Prinzip der Identität oder des Widerspruchs (M § 31) folgt, oder ob es nur für das von Gott geschaffene Universum als beste der möglichen Welten gemäß dem Prinzip des zureichenden Grundes (M § 32) und dem Prinzip des Besten (M § 46) gilt, wie Leibniz dies in seinem Briefwechsel mit Clarke nahe legt (5. Schreiben, § 21; GP VII 393 f.). Entscheidend für den Aufbau der Monadologie ist seine Funktion, sicherzustellen, daß es nie und nirgends verschiedene, aber vollkommen ununterscheidbare äußere Zustände gibt, weil es keine vollkommen ununterscheidbaren inneren Zustände der Individuen und damit auch keine vollkommen identischen Monaden geben kann. Selbst die zwei sprichwörtlich ununterscheidbaren Eier sehen zwar gleich aus, aber sie liegen nicht nur an verschiedenen Stellen (was für Kant ausreicht; aber für Leibniz wäre das ein bloß äußerlicher Unterschied), sondern sie haben eine verschiedene Geschichte, gerade so wie eineiige Zwillinge: Die Geschichte eines Individuums aber ist eine innere, wesensmäßige Differenz (M § 9) gegenüber derjenigen eines anderen Individuums. Den Hintergrund bildet dabei für Leibniz die Vorstellung, daß jedes Individuum im Reiche der Ideen durch seinen vollständigen Begriff der individuellen Substanz gekennzeichnet ist, der die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des jeweiligen Individuums als dessen inneres individuelles Gesetz enthält. Dieser vollständige Begriff beruht seinerseits wieder auf einer logischen Konstruktion aus absolut einfachen Begriffen, die Leibniz erwähnt (M § 35) – eben dieses ist mit der heutigen, auf Russell zurückgehenden Bezeichnung ‚logischer Atomismus‘ gemeint. Schon in D § 8 (A VI 4 B, 1539 f.), also drei Jahrzehnte früher, hat Leibniz diesen Gedanken zusammen mit seinen logischen Ansätzen der Generales Inquisitiones § 74 (A VI 4 B, 769) entwickelt. Darum kann er sagen, daß es innere wesensmäßige Qualitäten gibt, die die Individualität

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der Monaden gewährleisten. Die gesuchten qualitativen Unterschiede der Substanzen müssen also in den immateriellen Monaden liegen, nicht etwa in ihrer Körperlichkeit, die in der Monadologie erst an späterer Stelle hinzutritt. Hier gilt, was zu den Fundamenten der Leibnizschen Substanztheorie gehört: Der Körper selbst kann keine Substanz sein (A VI 4 B, 1637), auch wenn der Fortgang der Monadologie zeigen wird, daß Körper als Aggregate von Substanzen zu sehen sind und jeder Monade ein solches Aggregat als ihr Leib zugeordnet ist. Vielmehr zeigt sich als erste Basis der Monadentheorie: Die substantielle Einheit wird zunächst als begriffliche, dann als ideelle Einheit allein durch die Monade gestiftet. Das Bisherige betrifft nur etwas Statisches, Begriffliches. Als wesentliche Erweiterung tritt nun (M § 10) das zentrale Element der Veränderung (changement) der Monade hinzu; so lautet der erste Satz der Principes, der zugleich die zweite Basis der Monadentheorie kennzeichnet: „Die Substanz ist ein der Tätigkeit fähiges Wesen.“ (P § 1) Die daraus resultierende Veränderung beruht auf einem „inneren Prinzip“ (M § 11). Ein inneres Prinzip muß es sein, weil einer Substanz traditionell die Unbeeinflußbarkeit von außen – oder in Leibniz’ Bild: die Fensterlosigkeit – zukommt; es geht also ausschließlich um eine innere, überdies kontinuierliche Veränderung, die in keiner Weise von außen verursacht ist. Ein Prinzip, ein Erstes, muß es sein, weil es bei der Veränderung um ein Grundsätzliches und Allgemeines geht. Doch worin das verbindende Allgemeine der Veränderung der Monade besteht, wird zunächst nicht gesagt; vielmehr wird aus der Annahme eines solchen Allgemeinen hergeleitet, daß es dann auch „ein Besonderes in dem sich Ändernden“ (M § 12) geben müsse. Was so selbstverständlich klingt, hat eine tiefe Bedeutung, denn dieses jeweils Besondere im sich Ändernden setzt voraus, daß dahinter die Einheit des Individuums erhalten bleibt. Im Briefwechsel mit Arnauld hebt Leibniz hervor: „Was nicht ein Wesen ist, ist auch nicht wahrhaft ein Wesen“ (an Arnauld, April 1687, GP II 97). Hierbei bleibt die Einheit über alle Zeit hinweg bestehen: Weil nichts die Monade von außen zu verändern vermag und sie bei aller inneren Veränderung erhalten bleibt, ist sie unsterblich (M §§ 4–6). Leibniz schließt folgerichtig einen Gedanken an, der die besondere Stellung der Monade hervorhebt: Als Verbindendes des sich Verändernden muß die Monade eine Einheit solcher Vielheit sein (M § 13), inhaltlich garantiert durch ihr individuelles Gesetz. Dieses Verbindende erfahren wir selbst, weil jeder einzelne unserer Gedanken eine Vielheit zur Einheit zusammenschließt (M § 16). Einheit in der Vielheit ist aber die traditionelle, von Leibniz durchgängig verwendete und hervorgehobene Kennzeichnung der Harmonie (z. B. Elementa verae pietatis, A VI 4 B, 1358). Ohne dies in der Monadologie eigens

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zu sagen, wird damit die Monadenwelt in eine Perspektive der Harmonieverwirklichung gerückt, die in M § 78 als prästabilierte und in M § 87 f. als universelle Harmonie entwickelt werden wird.

4.2. Perzeptionen als nichtbewußte und bewußte Monadenzustände Es gilt nun aufzuzeigen, worauf sich die Monadenaktivität gründet, was also verändert wird und wodurch das geschieht. In den Principes wird bereits zu Beginn ausgesprochen, worin diese inneren Qualitäten und Tätigkeiten (und nur solche inneren kann es geben) ausschließlich bestehen – nämlich in den „Perzeptionen (sozusagen die Repräsentationen des Zusammengesetzten […]) und den Appetitionen (sozusagen den Strebungen von einer Perzeption zur anderen)“ (P § 2). Zunächst seien die Perzeptionen betrachtet. In der Monadologie spricht Leibniz zunächst von „Affektionen“ (M § 13) – ein sehr offener Begriff; Übersetzungen mit ‚Affekt‘ legen schon zu viel fest; Leibniz hat ursprünglich „une pluralité des accidens“ geschrieben (Robinet 1954, 74), was die Weite deutlich werden läßt. Erst in M § 14 bezeichnet er alles, was den augenblicklichen und vorübergehenden inneren Zustand einer Monade ausmacht, als Perzeption. Damit wird vollends klar, daß Substanzen keine Körper sein können, sondern allein geist-artige, seelenhafte Entitäten, die das ontologische Fundament bilden; deshalb gilt: Perzeptionen als einzige innere Zustände konstituieren die Monade als Individuum (P §§ 2, 4, M § 12). Mittelstraß (1970, 187) hat dies treffend den Perzeptionensatz der Monadentheorie genannt. ‚Perzeption‘ wäre mit ‚Wahrnehmung‘ oder ‚Vorstellung‘ ebenfalls zu eng übersetzt, darum hat sich ‚Perzeption‘ als Fachbegriff eingebürgert, geht es doch um alle inneren Zustände aller Monaden. Mehr noch – eine Wahrnehmung setzte ein davon verschiedenes Wahrzunehmendes voraus; davon jedoch kann keine Rede sein, denn „eine Perzeption kann natürlich nur von einer anderen Perzeption herrühren“ (M § 23). Wieso Leibniz dennoch in P § 2 von der „Repräsentation des Zusammengesetzten“ spricht – nicht zufällig hat er „sozusagen“ (c’est-à-dire) hinzugefügt –, wird noch zu klären sein. Da nun jedem Individuum – ob Mensch, Tier oder Pflanze – eine Monade als der seelenhafte Teil eines jeden Organismus korrespondiert, liegt mit dem Perzeptionsbegriff eine überaus bedeutsame Erweiterung des neuzeitlichen Individuenbegriffes vor; denn Leibniz vertritt ausdrücklich die gänzlich neue und bahnbrechende Auffassung, daß Perzeptionen keineswegs auf Bewußtes begrenzt sind, sondern daß es innere Zustände

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der Monade – auch der menschlichen Monade – gibt, deren sie sich nicht bewußt ist. Damit wird nicht nur die Enge der cartesischen res cogitans als denkende Substanz überwunden (vgl. Savile 2000, 106 ff.), sondern ein gänzlich neues Feld eröffnet: Es wird möglich, vom Nichtbewußten beim Menschen zu sprechen (etwa im Zustand des Schlafs oder der Ohnmacht) und gleichzeitig – wie schon Aristoteles – auch Tieren und Pflanzen, die keiner bewußten Zustände fähig sind, aber nicht-bewußte Zustände haben, eine Art Seele zuzusprechen. Man verdeutliche sich dies an einer Blume, die ihre Blüten öffnet, wenn die Sonne scheint; sie muß also eine Art ‚Wahrnehmung‘, eben eine Perzeption von der Sonne haben. Die umwälzende, sich hierauf gründende neue Sichtweise öffnet zum einen die spätere Theorie des Unterbewußten (vgl. Horn 1962, 55), zum zweiten die erste Grundlage für heutige Theorien des Biotischen, die zwar nicht von Perzeptionen, wohl aber von einer Informationsaufnahme sprechen; zum dritten reicht sie von der Leibnizschen Auffassung, alles im Universum sei organismisch, sei beseelt, zu heutigen ökologischen Überlegungen bis hin zur Vorstellung, die Erde als ein Quasi-Lebewesen Gaia zu sehen.

4.3. Appetitus: Die innere Dynamik der Substanzen als Strebung Was zu den Perzeptionen hinzutreten muß, ist eine Grundlage für deren kontinuierliche Veränderung, und diese, wie Leibniz deshalb betont, ist graduell (M § 13). Das verlangt zum einen eine innere Dynamik, zum anderen ist Zeit vorauszusetzen, da doch jede Veränderung in der Zeit erfolgt. Auf die Zeitproblematik geht Leibniz in der Monadologie nicht ein, doch verfügt er längst über eine bedeutsame neue Auffassung, die vor allem im Briefwechsel mit Samuel Clarke (dem Newton die Hand führen sollte) ihre breitenwirksame Darstellung fand. Danach ist die Zeit ebenso wie der Raum keine Substanz, wie dies Descartes von der Ausdehnung als res extensa annahm, auch kein göttliches Attribut, wie Newton es im Anschluß an Henry More sah, sondern eine Ordnungsstruktur – im Falle der Zeit des Früher und Später, im Falle des Raumes im Sinne der euklidischen Geometrie. Diese Ordnung ist rein relational (3. Schreiben an Clarke, §§ 4–6, GP VII 363 f.): Leibniz hat bei der Zeit Strukturen wie die Ordnung der natürlichen Zahlen oder der Glieder einer mathematischen Reihe vor Augen, die unabhängig von der Zeit sind und in einer Formel angegeben werden können. Für die inneren Zustände der Monaden bedeutet diese Sicht, daß sie eine Aufeinanderfolge im Sinne des erwähnten individuellen inneren

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Gesetzes bilden. Der metaphysische Hintergrund ist folgender: Wenn Gott unter ganzen Weltläufen als möglichen Welten die beste Welt auswählt (wie dies in der Theodizee entwickelt wird), so kann es in den möglichen Welten ja keine Zeit geben, existieren sie doch nur als Möglichkeiten; es kann sich also nur um eine innere Ordnungsstruktur handeln. Wird die Welt geschaffen, so muß sich diese zunächst nur formale Ordnungsstruktur als eine Abfolge entfalten. Genau dazu bedarf es der inneren Dynamik, die im göttlichen Schöpfungsakt einer jeden Monade als vis primitiva mitgegeben ist. Dargestellt wird dies in Leibniz’ Specimen Dynamicum (GM VI 236), und auf die Monaden bezogen im Brief an de Volder, 20. Juni 1703 (GP II 251). In der Monadologie schrieb Leibniz zunächst: „die Kraft (force) ist nichts anderes als das Prinzip der Veränderung“ (gestr. § 12, Robinet 1954, 74); statt dessen wird die Kraft nun direkt als Appetitus (appetition) eingeführt (M § 15), was, wie wir sahen, „sozusagen das Streben von einer Perzeption zur nächsten“ bezeichnet (P § 2). Auch dieser Begriff ist so allgemein, daß Übersetzungen mit Streben, Begehren, Verlangen oder Trieb jeweils nur Akzente treffen, denn Leibniz nimmt mit dem Appetitus den conatus-Begriff auf und bildet ein nicht-materiebezogenes Analogon, das ihm erlaubt, den aristotelischen Entelechie-Begriff mit einem neuzeitlichen Inhalt zu füllen. Aristoteles sah, daß in jedem Lebewesen Möglichkeiten als Formen angelegt sein müssen, die es sicherstellen, daß etwa aus einem Kirschkern ein Kirschbaum und nichts anderes wächst. Dazu muß diese innere inhaltliche Möglichkeit zugleich mit einer Dynamik verbunden sein, welche die Entfaltung – im Beispiel das Wachsen – bewirkt. All das vereint Leibniz, wenn er von der Monade als Entelechie spricht (M § 18 f.): Ihr individuelles inneres Gesetz wird durch den Appetitus selbsttätig (autonom) von Perzeption zu Perzeption führend verwirklicht. Doch all dieses darf nicht mechanistisch mißverstanden werden, denn es geht Leibniz um eine Form zielgerichteten Strebens, um eine Finalität. Wenn in der Theodizee (I § 87, GP V 150) die Entelechie als „ursprüngliche Kraft“ ganz im Sinne der gerade erwähnten gestrichenen Passage der Monadologie bezeichnet wird, sodaß Leibniz Monaden als „unkörperliche Automaten“ sehen kann (M § 18), so kommt darin ein Zweck und Ziel zum Ausdruck, wie dies für jede Maschine gilt. Die Monadenwelt ist darum stets zielgerichtet-dynamisch, wenngleich mit größten Unterschieden, da doch keine zwei Monaden identische Zustände haben können, sondern sich gerade durch die Art ihrer Perzeptionen und die Intensität der Appetitus-bedingten Veränderung unterscheiden. Darüber hinaus bildet die Selbsttätigkeit als Autonomie jeder Monade die Grundlage der Freiheit menschlicher Monaden, die sich Zwecke und Ziele selbst zu setzen vermögen.

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4.4. Die Grade der Erkenntnis als Grade der Perzeption Da die Perzeptionen und ihre vom Appetitus bewirkten Veränderungen die einzigen inneren Zustände einer Monade sind, bilden sie zugleich die Grundlage von deren Individuierung und Unterscheidbarkeit. Deshalb muß es gelingen, Differenzierungen einzuführen. Dieses verlangt ein vertieftes Verständnis dessen, was angedeutet wird, wenn Leibniz schreibt, in der Perzeption werde eine Vielheit „repräsentiert“ (M § 14). ‚Repräsentieren‘ (auch ‚ausdrücken‘ (exprimer) (M §§ 56, 59, 62) oder ‚spiegeln‘ (M §§ 56, 63)) ist ein Leibnizscher Schlüsselbegriff, sieht er doch solche Formen der Repräsentation oder des Abbildens vielfach gegeben: Unsere Sprache repräsentiert das Gedachte in Phonemen, unsere Schrift in Zeichen bis hin zu mathematischen Formeln, während unser Denken Ideen repräsentiert; all unsere Erkenntnis, also alles Denken, beruht auf solchem Repräsentieren oder Ausdrücken – und natürlich auch das, was wir als Wahrnehmen zu bezeichnen pflegen; so wird Leibniz später sagen, jede Monade spiegele in ihren Perzeptionen jede andere Monade und damit das ganze Universum (M § 56 f.). (Zur Problematik des exprimere mit Bezug auf Perzeptionen vgl. Brandt Bolton, 2006). Doch zunächst geht es wiederum um Fundamentaleres, weil ja noch gar nichts äußeres Wahrnehmbares gegeben ist: Die Perzeption vollbringt eine Syntheseleistung des Mannigfaltigen des inneren Zustandes – genau das, was Kant bezüglich des Materials der Anschauung als eine transzendentale Bedingung der Erkenntnis bezeichnen sollte; doch Leibniz sieht dies allgemeiner, beruht doch jeder Begriff und mit ihm jede rationale Erkenntnis auf einer einenden Synthese. Tatsächlich ist in Leibniz’ Theorie der Erkenntnis der Schlüssel zum Verständnis der Monaden-Repräsentation zu sehen. Dem gilt es nachzugehen. In M § 14 unterscheidet Leibniz die Perzeption scheinbar als unbewußten Zustand von der Apperzeption als einem bewußten Zustand; doch in späteren Abschnitten wird deutlich, daß ‚Perzeption‘ als Oberbegriff für bewußte und unbewußte Zustände der Monade Verwendung findet. Dies ist umso wichtiger, als Leibniz Perzeptionen Grade zuschreibt, die er sowohl als Erkenntnisgrade als auch als ontische strukturelle Ordnung der Monade auffaßt. Beides ist neu und belangvoll. Die cartesische Unterscheidung von dunkler, verworrener, klarer und distinkter Erkenntnis wird von ihm aufgegriffen und präzisiert (1684 in den Meditationes de Cognitione, Veritate et Ideis, A VI 4 A, 587 f.), um sie nun zugleich als Differenzierung von Monadenzuständen zu sehen, also die ontologische Seite mit der epistemischen zu verflechten – nicht im Kantischen Verständnis von Erkenntnismöglichkeit als transzendentaler Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnisgegenstände, sondern

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in einem fundierenden wechselseitigen Bezug. Die Präzisierung besteht in folgendem: Eine Erkenntnis ist dunkel (cognitio obscura), wenn sie nicht ausreicht etwas wiederzuerkennen; sie ist dagegen klar (clara), wenn dieses gelingt. Die klare Erkenntnis ist entweder verworren (confusa) oder distinkt (distincta); letzteres dann, wenn sich zureichende begriffliche Unterscheidungen angeben lassen, die ihrerseits klar sind. Als oberster Grad tritt die in allen Teilen distinkte Erkenntnis hinzu, die Leibniz adäquat nennt. Auf die Monaden bezogen, also in ontologischer Deutung, ergibt sich damit folgende Monaden-Hierarchie: Ganz unten angesiedelt sind die Monaden mit völlig dunklen Perzeptionen (den petites perceptions), welche, wenn sie allein vorliegen, einem Tiefschlaf oder einer Ohnmacht vergleichbar sind (M § 20), sie kennzeichnen eine „einfache“ (M § 20), „ganz nackte“ (M § 24) oder „schlummernde“ Monade; man mag etwa an Pflanzen oder Amöben denken. Für sie reiche „die allgemeine Bezeichnung Monaden und Entelechien“ (M § 19). Doch dunkle Perzeptionen zu haben, ist nicht auf einfache Monaden beschränkt, sondern auch in allen anderen Monaden gegeben. Darüber erheben sich Monaden mit „herausgehobenen Perzeptionen“ (perceptions revelées) (M § 25), Monaden, die sehr wohl Unterscheidungen zu machen vermögen, also dank eines Gedächtnisses (M §§ 19, 26) etwas wiedererkennen, mithin unterscheiden können im Sinne einer klaren Erkenntnis – man mag auf einen Hund verweisen, der seinen Herren nicht verwechselt, ohne dabei doch auf Begriffe angewiesen zu sein. Leibniz nennt sie Seelen – ames (M § 19, P § 4). Damit ist zugleich die Struktur der Perzeptionen komplexer geworden, denn das Gedächtnis „liefert eine Art Verknüpfung, welche die Vernunft nachahmt“ (M § 26), ohne sie jedoch schon zu erreichen. Leibniz erweitert so den Horizont der Monade, weil, wie er es ausdrückt, die Erinnerung an frühere ähnliche Perzeptionen eben diese oder ähnliche Gefühle wachruft, also repräsentiert. Noch höher angesiedelt sind Monaden, deren Perzeptionen „distinkter und von Gedächtnis begleitet“ sein können (M § 19). Solche distinkten Perzeptionen sind Apperzeptionen und stets mit Bewußtsein, nämlich mit Selbstbewußtsein (connoissance de nous memes) verbunden (M § 29). Für diese Monaden gilt, daß sie nicht nur über Gedächtnis verfügen, sondern  Es mag offen bleiben, ob man mit Kulstad (1991) und gestützt auf NE II 21, § 5, A VI 6, 173 unterscheiden muß zwischen Tieren, die nur perzipieren, und solchen, die auch der Apperzeption, aber im Gegensatz zu Menschen nicht der Reflexion fähig sind. Da von mir als Kriterium für Apperzeption die Distinktheit herangezogen wurde, die sich auf „aussagbare Kennzeichen“ stützt, folge ich hier der traditionellen Grenzziehung, wonach apperzipierende Monaden Geister sind.

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auch über die Fähigkeit zur Reflexion auf ihre eigenen inneren Zustände, so daß sie „das betrachten können, was man Ich, Substanz, Seele, Geist nennt, kurz, die immateriellen Dinge und Wahrheiten“ (P § 5). In der Apperzeption erfahre ich mich als ein perzipierendes Ich (vgl. Cramer 1992, 35–37). Dieses ist der Ort des cartesischen cogito und dessen varia a me cogitantur. Genau das zeichnet die menschlichen Monaden aus, die sich erstens als ein Ich begreifen können (M § 30), zweitens „für die Wissenschaften und beweisbare Erkenntnisse geschaffen“ (P § 5) und drittens auf dieser Grundlage der Gotteserkenntnis fähig sind (M § 29). Dies sei der Grund, sie als Geister (esprits) oder „vernünftige Seelen“ zu bezeichnen (M § 29). Das bedeutet jedoch keineswegs, alle Geister hätten nur distinkte Perzeptionen: Zum einen geht es allein um die Fähigkeit, von Zeit zu Zeit zu apperzipieren; zum anderen – und eben dieses macht Leibniz’ Theorie so neuartig – sind solche distinkten Perzeptionen zugleich mit einer unendlichen Vielfalt niedriger, auch dunkler Perzeptionen verbunden (A VI 6 15, ebenso NE II 19, § 4, A VI 6, 161 f.). – Da Leibniz die Kontinuität in der Veränderung der Perzeptionen betont, mag es müßig sein zu fragen, ob er einen Gradunterschied in der Apperzeption zwischen Bewußtsein, Selbstbewußtsein und Reflexion macht (vgl. McRae 1976, 31) – entscheidend ist das Vermögen dazu, das er mit dem Bewußtsein gegeben sieht. Hingegen ist es für ihn von allergrößter Bedeutung, daß die vernünftigen, also der Apperzeption fähigen Seelen in der Lage sind, verworrene Perzeptionen zu klären und selbst dunkle aufzuhellen, so daß es gelingt, Instinkte zu überwinden (NE I 2, § 9, A VI 6, 92 f.) und dank der Reflexion über die Wissenschaft hinausgehend eine Erkenntnis Gottes zu erlangen. Doch mehr noch, die Geister sind nicht nur – wie alle Monaden – „lebende Spiegel oder Bilder des Universums“, sondern zugleich „Bilder der Gottheit selbst“, denn jeder Geist ist „fähig, das System des Universums zu erkennen und davon etwas in architektonischen Mustern nachzuahmen“; damit aber ist der Mensch „in seinem Bereich eine kleine Gottheit“ (M § 83): Eben dieses bildet den entscheidenden Unterschied gegenüber Tieren. Leibniz geht erkenntnistheoretisch gesehen in seiner Ausdehnung der Perzeptionen auf Tiere und einfachere Organismen sehr wohl vom Menschen aus, denn im Entwurf zum Specimen Dynamicum (GP IV 473) weist er ausdrücklich darauf hin, daß es auf einer Analogie zu unserer Ich-Erfahrung als Einheit beruht, auch jene als Monaden – und damit als seelenhaft-perzipierend – zu verstehen (vgl. Belaval 1976, c. „La perception“, 147). An der Spitze der Monadenhierarchie steht schließlich die göttliche (und als einzige körperlose) Monade, deren Erkenntnis stets distinkt ist (vgl. M § 47). Damit kommt allein Gott eine adäquate Erkenntnis zu. Leib-

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niz spricht übrigens nicht von einer göttlichen Monade, sondern nur von der „ursprünglichen Einheit“ und „einfachen Ursubstanz“ (M § 47) – den Ausdruck monas monadum hat Hegel der Tradition entnommen und auf Leibniz bezogen (Hegel 1994, Vorlesungen Bd. 6, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, III.2.1.3: Leibniz, 134.) Diese Hierarchie läßt auch Raum für Geistwesen wie Engel, die nicht nur durch einen sehr sublimen Materiekörper gekennzeichnet sind, sondern vor allem durch einen höheren Grad an distinkten Perzeptionen (vgl. Geretto 2005). Heute mag es überflüssig erscheinen, dafür einen Platz in der Ontologie zu finden – doch ist es charakteristisch für Leibniz, einem für das beginnende 18. Jahrhundert selbstverständlichen Glaubensinhalt Raum geben zu können. Insgesamt zeigt sich so eine geschlossene Konzeption einer epistemisch-ontologischen Hierarchie der Monaden als Entelechien von den nackten Monaden über die verworren perzipierenden Seelen zu den Geistern bis zu Gott. Mit dieser Konzeption sind nun einige Besonderheiten und Schwierigkeiten verbunden, die es Schritt für Schritt zu behandeln gilt.

4.5. Die petites perceptions und die Gründe für ihre Existenz Leibnizens Annahme kleinster, unmerklicher Perzeptionen ist eine bedeutsame Erweiterung des Erkenntnisbegriffs – aber wie kann man begründen, daß es derlei gibt, wenn es sich doch um Unmerkliches handeln soll? Die Begründung ist vielschichtig. In den NE argumentiert Leibniz von der Erfahrung ausgehend, daß wir wohl das Meeresrauschen, nicht aber das Geräusch jedes einzelnen Tropfens zu vernehmen vermögen – nicht zu mißdeuten als Hörschwelle, sondern im Sinne eines unzureichenden geistigen Auflösungsvermögens innerer Zustände (NE, Préface, A VI, 6, 54). In der Monadologie beginnt Leibniz mit dem Hinweis, daß uns allen sowohl der Tiefschlaf wie eine Ohnmacht vertraut sind (M §§ 20–24) – also Zustände ohne Bewußtsein unserer selbst. Doch Leibniz zielt auf anderes ab: Wenn es in einem solchen Zustand nicht ein Restvermögen gäbe Perzeptionen zu haben, könnte uns kein Kanonendonner aus dem Schlaf wecken. Oder auch: Wenn man aus der Ohnmacht erwacht, bemerkt man seine Perzeptionen – „also muß man unmittelbar vorher welche gehabt haben; […] denn eine Perzeption kann natürlicher Weise nur aus einer anderen Perzeption hervorgehen“ (M § 23). Das aber ist keine empirische Begründung mehr, sondern sie stützt sich auf das Kontinuitätsprinzip, auf

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das Prinzip des zureichenden Grundes und auf die Voraussetzung, daß es allein Perzeptionen als innere Zustände der Monade gibt. Die metaphysische Begründung, die in den Principes skizziert wird, greift noch weiter aus: Erstens verlangt eine göttliche Wahl eines ganzen Weltlaufs, daß darin alles aufeinander abgestimmt ist – was der Spiegelung des Universums in jeder Monade korrespondiert. Zweitens muß diese Spiegelung um der Individualität willen perspektivisch sein – was wiederum nur in den Graden der Distinktheit, Klarheit oder Dunkelheit der Perzeptionen seinen Niederschlag finden kann. Drittens verlangt das Kontinuitätsprinzip in Verbindung mit der Leibnizschen Vorstellung, die beste Welt müsse die reichhaltigste an Existenzen sein, daß alle diese Erkenntnisgrade in ihrer ontischen Entsprechung in der Welt gegeben sein müssen. So kann Leibniz sagen, daß selbst eine Monade mit Apperzeption, also mit Bewußtsein, zugleich unendlich viele dunkle Perzeptionen hat (P § 12 f.). Damit zeichnet sich allerdings eine weitere Schwierigkeit ab: Wie soll man sich den Übergang beispielsweise von der dunklen zur distinkten Erkenntnis, also von den kleinen Perzeptionen zu bewußten vorstellen, wenn zugleich eine Kontinuität angenommen wird? Nun haben Perzeptionen unterschiedliche Grade (M § 60; vgl. M §§ 13, 19, 54, 82), so daß das Kontinuitätsprinzip zusammen mit der Unendlichkeit gleichzeitiger Perzeptionen einer jeden Monade eine Antwort erlaubt. Denn im Lichte der Leibnizschen Infinitesimalrechnung ergibt sich aus der unendlichen Fülle von Perzeptionen veränderbarer Höhe der Erkenntnis das Bild kontinuierlicher Veränderungen, das es verbietet, Stufen einzuziehen Die gelegentlich zu beobachtende Übersetzung von „degrée“ mit „Stufe“ ist also irreführend. Die Erkenntnisgrade sind vielmehr unser begriffliches Mittel, mit den Perzeptionen umzugehen und einen allmählichen Übergang in der einen oder in der anderen Richtung zu bezeichnen – wie beim Verhältnis von Bewegung und Ruhe, wobei letztere nur vermeintlich ein Stillstand ist, oder beim Tod, der nur scheinbar das Lebensende ist, tatsächlich aber das Zurückgleiten der Seele in den Stand einer schlummernden Monade; ebenso sind die künftig der Vernunft fähigen Geister im Zustand der „Samentierchen“ „lediglich gewöhnliche oder sensitiven Seelen“, die erst „durch eine wirkliche Empfängnis zur menschlichen Natur gelangen“ (M § 82). All diese empirischen Elemente zeigen so in ihrer Verwebung mit Reflexion, daß Leibniz verdeutlichen möchte, eine theoretische Grundlage für ein Verständnis des Individuums geradeso wie der Welt und ihres Schöpfers entwickelt zu haben.

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4.6. Die Repräsentationsfunktion der Perzeptionen Oben wurde betont, daß Perzeptionen nicht als Wahrnehmungen verstanden werden dürfen, weil es ja wegen der Fensterlosigkeit (genauer: wegen des Substanzcharakters) der Monaden für sie gar keinen von ihnen wahrzunehmenden äußeren Gegenstand geben kann. Was aber wird dann repräsentiert oder ausgedrückt? Bei Gedächtnisinhalten ist Erinnerung eine Form der Repräsentation – aber woher stammt der Gedächtnisinhalt und was repräsentiert er? Mit aller Klarheit verwirft Leibniz „mechanische Gründe“ (M § 17), also eine kausale Beeinflussung der Monade etwa durch ihren Körper und dessen Sinnesorgane, wenngleich er in M § 25 von ihnen beispielhaft bezüglich des Erkenntnisvermögens der Tiere spricht. Er hat dazu ein Bild geprägt, das bis in die heutige Diskussion um das Verhältnis von Denken und neurophysiologischem Apparat als Schlüsselproblem gilt – das Gedankenexperiment von einer Perzeptionsmaschine (M § 17), die zu den Ausmaßen einer Mühle vergrößert ist: In ihr finden wir, in die Gegenwart übersetzt, Neuronen und Synapsen, Transmittersubstanzen und elektrochemische Vorgänge – aber doch keine einzige Wahrnehmung, keinen einzigen Gedanken! Wegen dieser Passage ist Leibniz angesichts der Monaden als Substanzen immer wieder als ontologischer Idealist gesehen worden – und dies, obwohl er oft genug auch vom Körper, gar von der „körperlichen Substanz“ spricht (an Arnauld, 30. April 1687, GP II 91, 93 u. 98; an de Volder, 20. Juni 1703, GP II 252). Tatsächlich besteht bei den Perzeptionen ein Repräsentationsverhältnis, das folgendermaßen zu sehen ist: Wenn alle Individuen einer Welt schon als Möglichkeiten – nämlich in Gestalt vollständiger Begriffe der individuellen Substanzen – aufeinander abgestimmt sind, muß jeder dieser Begriffe implizit alle anderen Individualbegriffe berücksichtigen. Deshalb enthält jeder solche Begriff – und entsprechend jede ihm korrespondierende Monade – nicht nur die vollständige Vergangenheit und Zukunft dieses Individuums (s. o.), sondern trägt virtuell das ganze Universum in sich (vgl. M § 56). In genau diesem Sinne läßt sich nun sagen, daß jede Perzeption, von den dunkelsten bis zu den distinkten, eben diese Einheit des Kosmos in sich trägt und auf ihre je individuelle Weise repräsentiert. Zugleich erlaubt dies Leibniz davon zu sprechen, daß in der geschaffenen Welt jede Monade das nichtmaterielle Zentrum ihres zugehörigen Organismus ist, dergestalt daß deren Perzeptionen in einem sehr allgemeinen Sinne auch als Wahrnehmungen bezeichnet werden können – nämlich erstens von den nicht-bewußten Perzeptionen bis zur Apperzeption, zweitens bezogen auf innere Wahrnehmungen wie Affekte, drittens bezogen auf äußere Sinneswahrnehmungen, und schließlich

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viertens unter Einbeziehung des Gedächtnisses und der Reflexion, die sich ja beide allein auf Inhalte von Perzeptionen richten können und müssen. Im Akt der Schöpfung wird zugleich jene Kraft übertragen, die die Grundlage des die Perzeptionen voran treibenden Appetitus ist, eine Kraft, der in der raum-zeitlichen Welt die abgeleitete Kraft (vis derivativa) in ihrer Kausalität korrespondiert. Damit umfaßt die Schöpfung beides, die Monaden und die ihnen zugeordneten Körper als deren Aggregate; und deshalb ist es zulässig und zutreffend, Perzeptionen auch als Wahrnehmungen der Körperwelt zu verstehen. So erweist sich gerade die Perzeptionentheorie der Monadologie als ein geschlossener Entwurf von großer Tragfähigkeit und Tragweite, der bis heue in neuen Monadologien seine Aufnahme findet.

Literatur Editionen Leibnizscher Schriften Horn = G. W. Leibniz, Grundwahrheiten der Philosophie – Monadologie, frz.-dt., übertragen u. kommentiert von Joachim Christian Horn, Frankfurt/M. 1962 Robinet = G. W. Leibniz, Principes de la Nature et de la Grace fondés en raison – Principes de la Philosophie ou Monadologie, éd. André Robinet, Paris 1954 [krit. Edition]

Andere Autoren Belaval, Yvon 1976: Études leibniziennes, Paris. Brandt Bolton, Martha 2006: Leibniz and the Limits of Perception. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner (Hrsg.), Einheit in der Vielheit. VIII. Internationaler LeibnizKongreß, Hannover, 94–100. Cramer, Konrad 1992: Einfachheit, Perzeption und Apperzeption. Überlegungen zu Leibniz’ Theorie der Substanz als Subjekt. In: Renato Cristin (Hrsg.), Leibniz und die Frage nach der Subjektivität, Stuttgart (Studia Leibnitiana, Sonderheft 29), 19–45. Geretto, Mattia 2005: Angeli e monadi. In: Bianca Maria d’Ippolito, Aniello Montano, Francesco Piro (Hrsg.), Monadi e monadologie: Il mondo degli individui tra Bruno, Leibniz e Husserl, Rubbettino, 269–280. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1994: Vorlesungen, Bd. 6, Hamburg. Kulstad, Mark 1991: Leibniz on Apperception, Consciousness, and Reflection, München. McRae, Robert 1976: Leibniz. Perception, Apperception, and Thought, Toronto. Mittelstraß, Jürgen 1970: Monade und Begriff. Leibnizens Rekonstruktion des klassischen Substanzbegriffs und der Perzeptionensatz der Monadentheorie. In: Studia Leibnitiana 2, 171–200. Savile, Anthony 2000: Leibniz and the Monadology, London. Schepers, Heinrich 2006: Perzeption und Harmonie. In: Herbert Breger, Jürgen Herbst, Sven Erdner (Hrsg.), Einheit in der Vielheit, VIII Internationaler Leibniz-Kongreß, Nachtragsband, Hannover, 200–216.

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Tatsachenwahrheiten und Vernunftwahrheiten (§§ 28–37)

5.1. Kaum eine erkenntnistheoretische Unterscheidung war so folgenreich wie Leibnizens Idee der Unterscheidbarkeit von Tatsachenwahrheiten und Vernunftwahrheiten. Mit unübertroffener Deutlichkeit wird hier die Einsicht ausgesprochen, daß wir bei wahren Aussagen zu unterscheiden haben zwischen solchen, die aposteriorisch-wahr, mithin durch Erfahrung zu gewinnen und alleine für unsere faktische Welt gültig sind und solchen die apriorisch-wahr, damit notwendig wahr sind und dies in allen möglichen Welten. Wenn wir Tiefe und Reichweite dieser Leibnizschen Unterscheidung ausloten wollen, ist es gut, diese Unterscheidung innerhalb des Netzes weiterer erkenntnistheoretischer Äußerungen zu untersuchen, die in den Paragraphen 28–36 hochkonzentriert und – eben das macht ihre Schwierigkeit aus – weitgehend argumentationsfrei entfaltet werden. Verschaffen wir uns in einem ersten Schritt ein Bild von der Abfolge der Gedanken in diesen Abschnitten. Drei Themenkomplexe kristallisieren sich dabei heraus.

5.2. (1) Die Abgrenzung zwischen Wissen aus Erfahrung und Wissen durch Vernunft als Unterscheidungsmerkmal zwischen Tier und Mensch: Es gibt eine Dimension, in der Mensch und Tier für Leibniz übereinstimmen: in ihrem praktischen Tun sind beide geleitet von Erfahrungen. In den meisten ihrer Handlungen verhalten Menschen sich als Empiriker, deren

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Vorbild das ärztliche Handeln (practique sans théorie) abgibt. Mithin ist es also die Leistung unseres Gedächtnisses (de la memoire), daß etwas immer schon so gewesen ist und nicht etwa die vernünftige Einsicht, welche unser praktisches Verhalten leitet, das somit in empirischem Wissen fundiert ist (M § 28). Und doch gibt es eine entscheidende Demarkationslinie zwischen Tier und Mensch. Sie besteht in jener Erkenntnisform, die sich auf „notwendige“ und damit auf „ewige Wahrheiten“ (verités necessaires et éternelles) bezieht. Es ist der Besitz der Vernunft (raison), und damit der Wissenschaften wie auch der Selbst- und der Gotteserkenntnis, die ausmachen, was „Geist“ (esprit) bedeutet. Notwendige Wahrheiten sowie auch reflexive Akte, mit denen wir uns nicht einfach auf die Welt, sondern auf uns selbst beziehen, stecken also ab, was man „Vernunfterkenntnis“ nennen kann und die von der Erfahrungserkenntnis wohl zu unterscheiden ist (M § 29 f.). (2) Über zwei Prinzipien, auf denen menschliche Erkenntnis basiert: Die Domäne der Vernunfterkenntnisse zehrt von zwei Prinzipien: Einmal vom „Prinzip des Widerspruchs“ (principe de la contradiction), kraft dessen falsch ist, was einen Widerspruch einschließt. Zum andern vom „Prinzip des zureichenden Grundes“ (principe de la raison suffisante), das gewährleistet, daß es für jede Tatsache auch eine Ursache bzw. einen Grund gibt, warum es sich so und nicht anders verhält – auch wenn wir diesen Grund (noch) nicht wissen (M § 31 f.). (3) Über Vernunft- und Tatsachenwahrheiten: Die Vernunft- und die Tatsachenwahrheiten (vérités de raisonnement, vérités de fait) können nun auf die folgende Weise unterschieden werden: Das Gegenteil einer Vernunftwahrheit ist unmöglich, daher bildet sie eine „notwendige Wahrheit“; das Gegenteil einer Tatsachenwahrheit ist möglich, also ist sie „kontingent“. Das Beweisverfahren für Vernunftwahrheiten beruht auf der Analyse, durch welche diese in immer einfachere Wahrheiten zerlegt werden, bis zuletzt eine nicht weiter auflösbare Wahrheit (vérité primitive) gefunden ist. Vorbild dieses analytischen Verfahrens ist die Mathematik, die ihre theoretischen Lehrsätze auf Axiome und Postulate zurückführt, die keines Beweises mehr bedürfen. Diese analytische Zurückführung ist auch so zu interpretieren, daß diese letzten Sätze als „identische Sätze“ (énonciations identiques) gelten können, deren Gegenteil einen Widerspruch birgt. Das Prinzip des Widerspruchs bildet die Geltungsbasis der Vernunftwahrheiten. Doch auch Tatsachenwahrheiten sind begründbar und zwar durch das Prinzip des zureichenden Grundes.

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Das analytische Verfahren geht dann allerdings ins Unendliche (à l’infini), weil für jede Tatsache wiederum eine andere Tatsache als Ursache aufzufinden ist (M §§ 33–36) und das ad infinitum. Daher muß der ‚letzte Grund‘ also außerhalb dieser infinit fortsetzbaren Reihe immer neuer, zufälliger Gründe liegen.

5.3. Versuchen wir nun diese sehr thetisch gehaltene Gedankenfolge dadurch nachzuvollziehen, daß wir ihre metaphysischen und epistemologischen ‚Anschlussstellen‘, aber auch ihre argumentativen Grundlagen uns verdeutlichen. Zu (1): Zuerst einmal zur Abgrenzung von Erfahrungs- und Vernunftwissen, die Leibniz – und das ist vielleicht unerwartet – parallel führt mit der Abgrenzung zwischen Tier und Mensch. Leibniz konstatiert eine Gleichgerichtetheit im Tun von Mensch und Tier, die darin besteht, daß beide Seelen haben, insofern sie „perzipieren“, also durch Wahrnehmung und Gedächtnisbildung geleitet werden. Diese Perzeptionsfähigkeit ist an Körperlichkeit gebunden, insofern ‚perzipieren‘ für Leibniz zum einen heißt, innere, distinkte Spuren äußerer Mannigfaltigkeiten in Gestalt einheitlicher Repräsentationen bilden zu können und zugleich auch bedeutet, das Bestreben (appetit) zu haben, von einer Perzeption zur nächsten überzugehen. (Zu dieser doppelten Bestimmung des Seelischen siehe an Bourguet, Dez. 1714, GP III 575; Entwurf eines Schreibens an Remond, Juli 1714, GP III, 622). Kursorisch ausgedrückt: ‚Perzipieren‘ ist die Fähigkeit, Erfahrungen machen zu können. Wer Erfahrungen machen kann, wird erwarten, daß der Lauf der Dinge auch in Zukunft demjenigen in der Vergangenheit gleichen wird (P § 5, GP VI 600 f.; T § 65, GP VI 87; NE GP V 44, 130, 385).Wir erwarten, daß morgen die Sonne aufgehen wird, weil wir sie bisher jeden Tag haben aufgehen sehen. Während noch die Cartesianer die Tiere kategorisch aus der Domäne des Seelischen (l’âme) ausgeschlossen haben, plädiert Leibniz auf der Grundlage seiner Verknüpfung des Seelischen mit der Gedächtnisbildung, für ein Kontinuum zwischen Tier und Mensch. (Zu Leibnizens Verständnis von Tieren und ihrer Einbeziehung in das Erfahrungswissen vgl. Kulstad 1991, Kap. 1). Das – im Horizont der gegenwärtigen Debatte um tierische Kognition (Perler/Wild 2005) – Zukunftsweisende daran ist seine Bereitschaft, eine ‚körperfundierte‘ und Selbstbewußtsein nicht einschließende

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Form von Erkenntnis in Gestalt empirischen Wissens auch den Tieren zuzuschreiben. Allerdings läßt Leibniz dieser Kontinuität in der Kette der Lebewesen eine scharfe Diskontinuität auf dem Fuße folgen und darin trifft er sich wiederum mit Descartes: Was den menschlichen Geist von der tierischen Seele unterscheidet ist, daß er nicht nur durch Erfahrung, sondern auch durch die Vernunft geleitet wird. Nun ist den Menschen als animal rationale anzusehen keineswegs neu und seit Aristoteles unser Wesen als zoon logon echon bestimmte (Aristoteles, 1995a, 1253 a 10), ist das auch philosophisches Gemeingut. Spezifisch neuzeitlich bzw. erst mit Descartes aufgekommen ist allerdings die Idee, daß die Vernünftigkeit des Menschen nicht einfach in seiner ‚Logikfähigkeit‘ wurzelt, vielmehr in seiner Selbstreflexivität – damit allerdings greifen wir vor. Erwähnenswert ist an dieser Stelle nur, daß Leibniz mit seiner Diskontinuitätsbetrachtung sein sonst nahezu universell gültiges Prinzip der Kontinuität – die Natur macht keine Sprünge (an de Volder, 24.3./3.4. 1699, GP II 168; NE, A VI 6, 56 – genau dann außer Kraft setzt, wenn es um die Erklärung des mensch­ lichen Geistes geht. Schauen wir uns diese Erklärung genauer an: Leibniz führt in einem ersten Schritt (M § 29) die „notwendigen und ewigen Wahrheiten“ als dasjenige an, was uns in den Besitz der Vernunft setzt. Wir haben also nicht erst die Vernunft und dann kommen wir kraft ihrer auch in den ‚Besitz‘ notwendiger Wahrheiten, sondern es verhält sich gerade umgekehrt. Und eben nicht nur das: Durch die Erkenntnis der notwendigen Wahrheiten sind wir überhaupt erst zu reflexiven Akten in der Lage, also zum erkennenden Selbstbezug, der darin liegt, daß wir nicht nur etwas wissen, sondern zugleich wissen, daß wir etwas wissen. Eben dies bezeichnet Leibniz an anderer Stelle als ‚Apperzeption‘. (Zur Bedeutung der Apperzeption in der leibnizschen Theorie des Geistes vgl. McRae 1976.) Während Leibniz die Perzeption charakterisiert als „qui est l’état intérieur de la Monade représentant les choses externes“, wird die Apperzeption beschrieben als „qui est la conscience, ou la connaissance réflexive de cet état intérieur, laquelle n’est point donnée à toutes les âmes, ni toujours à la même âme“ (GP VI 600). Leibniz unterscheidet also zwischen Erfahrungswissen (das wir mit den Tieren teilen) und Vernunftwissen (das alleine Menschen zukommt),  Leibniz hat das Kontinuitätsprinzip – nach den Prinzipien des Widerspruchs und des zureichenden Grundes – ebenfalls als ein Wahrheitsprinzip gekennzeichnet. Vgl. C 528; GP III, 52; dazu: Poser 2005, 51 ff.

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und die Scheidelinie zwischen beiden wird durch die Vernunftwahrheiten gebildet. Interessant hieran ist, daß Leibniz mit dieser Charakterisierung des Erfahrungswissens, dem er einen großen Geltungsbereich in unserem alltäglichen Verhalten zugesteht, zugleich die Grundlinien einer empiristischen Erkenntnistheorie erfaßt: eine Form des Erkennens, die kein Selbstbewußtsein voraussetzt und in gewisser Weise David Hume vorwegnimmt, der das Ich bzw. das Selbst als „a bundle or collection of different perceptions“ bestimmt (Hume 2007, I, IV, sect. VI). Es ist also die Existenz der ‚Vernunftwahrheiten‘, welche die Erfahrungserkenntnis in ihre Schranken weist. Ihnen kommt ein ontologisches wie erkenntnistheoretisches Gewicht zu, das kaum hoch genug veranschlagt werden kann, da unsere Vernunft im Allgemeinen wie unsere Selbstreflexivität im Besonderen durch eben dieses Verfügen über Vernunftwahrheiten bedingt ist und auch erklärt werden kann. Wenn wir also verstanden haben, was den Kern dieser Art von Wahrheit ausmacht, so haben wir zugleich verstanden, worin die ausgezeichnete Stellung des Menschen besteht.

5.4. Zu (2): Es läge im Textfortgang nun nahe, zur Erläuterung der Vernunftwahrheiten überzugehen, doch das geschieht (noch) nicht, denn Leibniz führt statt dessen die Prinzipien des Widerspruchs und des zureichenden Grundes ein, und wir können daraus schließen, daß diese Prinzipien offensichtlich unabdingbar sind, um verstehen zu können, was eine Vernunftwahrheit ist. Leibniz hat immer wieder herausgestrichen, daß diese beiden Prinzipien das Fundament aller spezifisch menschlichen Erkenntnisfähigkeit bilden (auch: an Clarke II, GP VII 355, E 748a). Versuchen wir uns Klarheit über diese grundlegende Rolle zu verschaffen. Was also haben wir unter dem ‚Prinzip des Widerspruchs‘ zu verstehen? Leicht zu übersehen, jedoch entscheidend ist, daß dieses Prinzip sich auf Aussagen, auf Sätze also bezieht, wie die Wortbildung ‚wider-sprechen‘ ja auch deutlich macht. Eine Aussage, die sich widerspricht, ist gemäß diesem Prinzip falsch. Anders ausgedrückt: Von zwei sich widersprechenden Sätzen muß der eine wahr, der andere aber falsch sein. Diese beiden Formulierungen finden sich bereits in der Metaphysik des Aristoteles (Aristoteles 1995b, 1006a 1; 1011b 13 f.): „Daß ein und dasselbe (Prädikat) ein und demselben (Subjekt) nach derselben Hinsicht gleichzeitig zukommt und nicht zukommt, ist unmöglich“ (ebd. 1005b 19 f.). Und bei Aristoteles auch finden sich Hinweise, warum der Umstand wesentlich ist, daß das Prinzip

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des Widerspruchs, welches wir genau genommen als ‚das Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs‘ kennzeichnen müßten, sich auf Äußerungen und nicht etwa auf die Welt bezieht, gerade wenn wir seinen Geltungsgrund verstehen wollen. Daß wir ein und denselben Sachverhalt nicht zugleich bejahen und verneinen können, scheint uns so selbstverständlich, daß weder in der Logik, noch in der Philosophie überhaupt intensiv erörtert wurde, warum dieses Prinzip gültig ist. Und da auch Leibniz hier nur konstatiert, daß dieses Prinzip fundamental ist, ohne eine Begründung dafür zu geben, warum dies so ist, kann uns der Rückbezug auf Aristoteles tatsächlich weiter helfen. Denn Aristoteles ‚entdeckt‘ nicht nur den Satz vom Widerspruch, sondern versucht auch anzugeben, warum es unmöglich ist, daß ein und dasselbe Prädikat einem Subjekt sowohl zukommen wie nicht zukommen kann (ebd. 1005b 19 ff.). Zwar können wir diesen Satz vom Widerspruch – so Aristoteles – nicht direkt beweisen (ebd. 1006a, 5 ff.), wohl aber indirekt: Um etwas zu behaupten, müssen wir prädizierende, also bestimmende Begriffe gebrauchen, anders ist eine wahrheitsfähige Rede gar nicht möglich. Das bedeutet aber: Jemand, der behauptet, daß etwas zugleich und in derselben Hinsicht sei und nicht sei, sagt damit gar nichts Bestimmtes mehr aus. Damit hat Aristoteles einen wichtigen Horizont eröffnet, vor dem auch Leibnizens Widerspruchsprinzip seine Signatur gewinnt. Es geht dabei – modern gesprochen – um Voraussetzungen des Sprechaktes des Behauptens: Das Widerspruchsprinzip markiert die Bedingung der Möglichkeit assertorischer Rede. Das ist übrigens eine Art von ‚transzendentalem Argument‘ (vgl. Tugendhat/Wolf 1983, 64), das wir mit Strawson noch ein Stück weiter konkretisieren können (Strawson 1952, Kap 1, §§ 1–8): Prädikate haben die Eigenschaft, Gegenstände zu klassifizieren; sie ziehen gleichsam eine Linie und ordnen den Gegenstand dann der einen Seite, nicht aber der anderen zu. Wenn wir nun ein Prädikat so verwenden, daß ein Gegenstand sowohl auf der einen, wie auch auf der anderen Seite verortet wird – so ist der Informationswert dieser Aussage gleich Null. Wir geben dann nichts mehr zu verstehen und machen gar keine Behauptung. Kommen wir nun zum zweiten Prinzip: demjenigen des zureichenden Grundes. Um Mißverständnissen gleich zuvorzukommen: Auch dieses Prinzip zählt Leibniz zu den „principia prima a priori“ (A VI 4 A, 530/C 515), es ist also nicht etwa zurückführbar auf das Widerspruchsprinzip und auch nicht weniger fundamental für die Möglichkeit des Erkennens. Bei der Erläuterung dieses Prinzips fällt auf, daß Leibniz von Anbeginn hier zweigleisig, also logisch-ontologisch verfährt: Nichts existiert, ohne daß es

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eine kausale Ursache dafür gibt und zugleich auch: keine Aussage ist richtig, ohne daß es einen Grund dafür gibt. Diese Äquivalenz von Logischem und Ontologischem ist charakteristisch für Leibniz, für den das Universum „realisierte und inkarnierte Logik“ ist (Gurwitsch 1974, 15; auf dieser Logizität des Universums gründet Gurwitsch seine Leibnizinterpretation, durch die ein Streit um die Priorität zwischen Metaphysik und Logik bei Leibniz gegenstandslos wird). Ursachen (causae) und Gründe (rationes), das Reich der Natur und das Reich der Zwecke stehen im Verhältnis einer Harmonie zueinander, deren Sonderfall übrigens die prästabilierte Harmonie (vgl. M § 79) zwischen Leib und Seele bildet. (Zum Leibnizschen Harmoniegedanken vgl. Belaval 1988.) Wir können hier die mit der Annahme einer – von Gott eingerichteten – ursprünglichen Harmonie zwischen Denken und Wirklichkeit verbundenen Probleme nicht behandeln, doch sei zumindest angedeutet, daß die Bedeutung dieser uns heute merkwürdig anmutenden Idee darin liegt, daß Leibniz sich so den Spielraum für eine strikte Beschränkung des menschlichen Erkenntnispotentials eröffnet, ohne dadurch die Idee eines beständigen Erkenntnisfortschrittes verspielen zu müssen. Leibniz verweist in der Erläuterung des zureichenden Grundes erkenntniskritisch sofort auf unsere beschränkte Erkenntnissituation: Es gibt für jede Tatsache eine Ursache, auch wenn diese uns in den meisten Fällen nicht bekannt ist, wir also keinen Grund angeben können, warum sich etwas so und nicht anders verhält. Die Domäne dieser kausal verursachten Tatsachen ist weit und umfaßt im Grunde alles außer den mathematischen Sachverhalten, für die alleine das Widerspruchsprinzip gilt. Das Prinzip vom zureichenden Grund reicht von der Physik, für die schon Archimedes ein ähnliches Prinzip formulierte, indem er annahm, daß eine Waage im Ruhezustand verbleibt, wenn beide Seiten gleich gewichtet sind (an Clarke II 1,GP VII 356), über das menschliche Handeln, bei dem es einen Grund gibt, daß ich mit dem linken und nicht mit dem rechten Fuß ein Zimmer betrete (T § 46, GP VI 128), bis hin zu dem armen Esel Buridans, der verhungert, weil er sich zwischen zwei gleichen Heuhaufen nicht entscheiden kann (T § 49, GP VI 129). Interessanterweise nimmt Leibniz auch Gott nicht aus von dem Prinzip des zureichenden Grundes, geht es hier doch um eine Geltung, die „ganz und gar keine Ausnahme […] leidet“ (T § 44, GP VI 127). Diese Auffassung impliziert übrigens – und das ist so bemerkens- wie erwähnenswert – daß damit ausgeschlossen ist, Gott habe die Welt zu einem bestimmten endlichen Zeitpunkt geschaffen, denn dann hätte es vorher einen leeren, völlig homogenen Raum geben müssen, der dem Prinzip des zureichenden Grundes noch gar nicht unterlag.

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Fragen wir uns nun, ob es für die Geltung dieses Prinzip Plausibilitätsüberlegungen gibt. Im 18. Jahrhundert gibt es lebhafte Auseinandersetzungen über seine Begründbarkeit oder Unbegründbarkeit. Christian Wolff (Wolff 2005, § 70) und sich darauf stützend Alexander Baumgarten (Baumgarten 1900, XVII, 31) versuchten es zu beweisen, Crusius hält es für ein unbeweisbares Prinzip (Crusius 1753, § 31). Für Hume (Hume 1961, 39, 45), der um die Bedeutung des Kausalverständnisses für eine Naturwissenschaft weiß, die eben nicht nur singuläre Tatsachen feststellt, sondern daraus auch auf Vergangenheit und Zukunft schließt, ist nicht nur eine apriorische, sondern auch eine aposteriorische Gültigkeit des Kausalprinzips unmöglich gegeben. Jeder dieser Versuche verfange sich in Zirkularität. Kant folgt Hume, wenn er das Kausalitätsprinzip als ‚Organisationsprinzip‘ der Natur ablehnt, es zugleich aber und anders als Hume als Bedingung „möglicher Erfahrung, nämlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Ansehung des Verhältnisses derselben in Reihenfolge der Zeit“ (Kant 1998, A 201/B 246) rehabilitiert. Tatsächlich fällt von Kant ein Licht zurück auf Leibniz und kann erhellen, in welcher Weise wir auch bei Leibniz die Gültigkeit dieses Prinzips deuten können. Denn für Leibniz steht die apriorische Geltung, also die Erfahrungsunabhängigkeit dieses Prinzips außer Frage. An anderen Stellen hat er es auch unter die eingeborenen Ideen gezählt. Ohne daß wir hier das Konzept eingeborener Ideen ausführlich behandeln können, ist für unseren Zusammenhang aufschlußreich, daß Leibniz diese eingeborene Vorausstattung des menschlichen Geistes unter anderem in kritischer Auseinandersetzung mit John Lockes Konzept des Geistes als ‚tabula rasa‘ entwickelt und er damit also auf das Eigengewicht und vor allem auch – denn „Ideen handeln nicht“, sondern nur „der Geist handelt“ (zu Spinozas Ethik, A VI 4, 1713, FN 21) – auf die Eigenaktivität des Geistes verweisen will. „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist, ausgenommen der Verstand selbst.“ Die eingeborenen Ideen sind eine ‚Chiffre‘ für die rationalistische Einsicht in die Vorstrukturierung wie auch in die ‚Selbstorganisation‘ des Geistes. Wenn wir also das Prinzip vom zureichenden Grund in den Horizont der epistemischen Funktionen eingeborener Ideen rücken, so zeichnet sich darin latent eine transzendentale Signatur ab, indem das Verursachtsein als eine innere Dynamik, als eine dem Geist inhärente Bedingung von Erfahrungserkenntnis erscheint.

 NE II 1 § 2, A VI 6, 111; jedoch auch 1669 schon in den Randbemerkungen zu Becher (A VI 2,396, 26; den Hinweis verdanke ich Hubertus Busche).

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Mit diesen beiden Prinzipien hat Leibniz die Voraussetzungen gelegt, um nun die Unterscheidung einzuführen, auf die alle bisherigen Erörterungen zulaufen: Die Einteilung der Wahrheiten in Vernunft- und Tatsachenwahrheiten.

5.5. Zu (3): Fragen wir uns ganz elementar: Was ist ‚Wahrheit‘? Einen immer noch wegweisenden Aufsatz zu Leibnizens Wahrheitsvorstellung gibt Hacking 1982. Für Leibniz gibt es keinen Zweifel, daß die Wahrheit keine Eigenschaft von Dingen ist, sondern vielmehr von Gedanken. Es gilt ihm als ausgemacht, „daß […] die Wahrheit den Gedanken und nicht den Dingen zukommen muß“ (Dialog über die Verknüpfung zwischen Dingen und Worten, GP VII 191). Nun sind aber Gedanken für Leibniz unabdingbar an symbolische Repräsentation in einem wahrnehmbaren Medium gebunden: „Omnis humana ratiocinatio signis quibusdam sive characteribus perficitur“ (GP VII 204; vgl. Krämer 1991, 220–367). Folglich ist Wahrheit letztlich eine Eigenschaft von Sätzen. Damit kann die Frage nach der Wahrheit gestellt werden als Frage nach der Beschaffenheit genau jener Aussagen, die als wahr gelten. Und wir wollen hier, bevor wir auf die Gedanken in der Monadologie eingehen, Leibniz‘ allgemeinste Antwort auf diese Frage wiedergeben, die uns überdies in mannigfaltigen Versionen quer durch Leibnizens Schriften überliefert ist (vgl. auch Broad 1949): „Eine wahre Aussage ist diejenige, deren Prädikat im Subjekt enthalten oder in diesem ist“ (an Arnauld, GP II 52). Oder, um eine andere Wendung zu zitieren: „[…] so ist in jedem wahren bejahenden notwendigen oder zufälligen, universalen oder singulären Satz der Begriff des Prädikats auf irgendeine Art im Begriff des Subjekts enthalten“ (C 16–7, Schmidt 426). Wir werden gleich unter dem Stichwort ‚analytische Definition der Wahrheit‘ diese Wahrheitsdefinition genauer zu untersuchen haben, hier kommt es uns mit dieser alle Arten wahrer Sätze betreffenden Aussage nur darauf an zu verdeutlichen, daß – auch wenn Leibniz die Vernunftwahrheiten von den Tatsachenwahrheiten abgrenzt – dies alles im Horizont seiner Überzeugung geschieht, daß in beiden Fällen die ‚analytische Natur‘ der Wahrheit gegeben, bzw. ein analytisches Wahrheitskriterium erfüllt ist. Und wir betonen dies, weil die praedicatio-inest-subjecto Version der  Davon zu unterscheiden ist, daß manchmal Leibniz auch ‚Aussagen‘ und ‚Wahrheiten‘ synonym gebraucht, z.B: „Alle Wahrheiten sind Aussagen“ (GP VII 158).

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Wahrheit allgemeines Lehrgut der Scholastik war (vgl. Burkhardt 1980, 244) – und Leibniz wußte dies (GP VII 300) – und somit die Originalität seines Beitrags also weniger in dem analytischen Wahrheitskriterium per se liegt, sondern darin, daß Leibniz dieses auch auf die kontingenten Aussagen erweitert hat (Burkhardt 1980, 244). Doch nun zum Unterschied zwischen (i) notwendigen und (ii) kontingenten Wahrheiten. (i) Die ‚Notwendigkeit‘, die den Vernunftwahrheiten (vérités de raison, veritates intellectuales seu rationes) eigen ist, wurzelt darin, daß ihr Gegenteil unmöglich ist: Nimmt man das Gegenteil einer Vernunftwahrheit an und zergliedert diesen Satz, ergibt sich ein Widerspruch, wie umgekehrt, wenn man einen notwendig wahren Satz analytisch zergliedert, daraus dann ein identischer Satz resultiert. Leibniz begründet hier also die ‚Notwendigkeit‘ eines wahren Satzes mit der Selbstwidersprüchlichkeit seines Gegenteils. Damit ist klar, daß das Widerspruchsprinzip für die Überzeugungskraft dieses Arguments das Fundament bildet. Wichtiger aber noch ist, daß, ob ein Widerspruch nun in einer Aussage verborgen ist oder nicht, dieser Aussage gewöhnlich nicht anzusehen ist, sondern eine Aktivität verlangt, die Leibniz als ‚analytisches Verfahren‘ kennzeichnet und so charakterisiert (vgl. Lenders 1971): Eine Aussage wird in „einfachere Ideen und Wahrheiten auf(ge)löst“, bis man schließlich zu einem identischen Satz (a = a) gelangt. (Zur Identität bei Leibniz vgl. Angelelli 1967.) Wir haben bei unserer Erörterung des Widerspruchsprinzips vernachlässigt, daß wir dieses Prinzip ebenso gut auch als ‚Prinzip der Identität‘ bezeichnen können; und daß seit Aristoteles unangefochten die Einsicht gilt, daß ‚a = a‘ eine wahre Aussage ist. Aber wie haben wir das von Leibniz anvisierte Zergliederungsverfahren genauer zu verstehen, welches schließlich auf eine Identität führt? Leibniz bleibt uns eine Erklärung dafür in der Monadologie schuldig, und wir können hier nur in äußerster Lakonik über die konzeptuellen Grundlagen des analytischen Verfahrens aufklären. Da aber letztlich das analytische Verfahren auch für die kontingenten Wahrheiten anwendbar ist – theoretisch jedenfalls, wenn auch nicht praktisch – führt an dieser Vergewisserung kein Weg vorbei. Für Leibniz ist nahezu jeder uns geläufige Begriff zusammengesetzt, d. h. eine „notio composita“ (z. B. GP VII 355), und folglich zerlegbar, so etwa wie ‚homo‘ in ‚animal rationale‘ aufzuspalten ist. Wie weit können wir nun gehen in solcher Zerlegung? Unendlich weit oder kommt die Zergliederung an ein Ende? Für Leibniz steht außer Frage, daß wir – im Prinzip

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– in endlich vielen Schritten auf einen nicht weiter zerlegbaren Grundbegriff treffen müssten (T § 44, GP VI 127, E 515b). Wenn dann dieses letztlich erreichte Grundreservoir einfacher Begriffe als eine vollständige Liste gegeben wäre – Leibniz nennt dies auch: „Gedankenalphabet“ – dann könnten alle möglichen Begriffe durch Kombination dieser Grundbegriffe synthetisch gebildet werden (Krämer 1991, 226 ff.). Und wenn es im Horizont der Möglichkeit solcher vollständigen Analyse und Synthese überdies gelänge, die Grundbegriffe – ähnlich den Zahlen der Arithmetik – mit den Symbolen eines Kalküls eindeutig zu bezeichnen, dann müßte es möglich sein, durch algorithmische Zeichenformationen und -transformationen alle wahren Sätze zu erzeugen und zugleich von jedem vorliegenden Satz zu entscheiden, ob er wahr oder falsch ist (vgl. Burkhardt 1980, 320 ff.; Scholz 1988, 134 ff.). Dieses Projekt eines Universalkalkül des Denkens, eines calculus ratiocinator, kommt in der Monadologie nicht zur Sprache. Gleichwohl müssen wir erkennen, daß Leibnizens Überzeugung, notwendige Wahrheiten könnten durch Analyse auf identische Sätze zurückgeführt werden, von der Supposition eines ‚Gedankenalphabets‘ Gebrauch macht und zugleich Bestandteil jener Radikalversion einer ‚mechanisierbaren Geistestätigkeit‘ ist, die Leibniz zeit seines Lebens nicht los ließ und von deren logischer Unmöglichkeit wir – streng genommen – erst seit Gödel wissen (Gödel 1931). Doch zurück zur Monadologie: Wenn also, wie Leibniz annimmt, die Subjekt- und Prädikatbegriffe in einfachere Begriffe zerlegbar sind, dann ist eine Aussage genau dann wahr, wenn die im Prädikatbegriff angelegten einfacheren Begriffe in dem Subjektbegriff enthalten sind (GP VII 44; GP I 392). (ii) Doch nun zu den kontingenten Wahrheiten (vgl. Adams 1982, Curley 1972), die Leibniz unterteilt in Wahrheiten, die sich auf die moralische Welt menschlicher Entscheidungen oder auf die physische Welt natürlicher Zustände beziehen (etwa 5. Brief an Clarke, §§ 4–7; NE II, XXI; D § 23, T  Augenfällig ist, daß Leibniz für seine späteren metaphysischen Gedanken nirgends eine Art von Kalkülisierung anstrebte, daß also sein formalisiertes Wahrheitsideal einerseits und seine faktische philosophische Praxis andererseits auseinanderfallen und von einer Ausrichtung der Metaphysik am mathematischen Beweisideal bei ihm gar keine Rede sein kann. Bei Rutherford (1996, 181 ff.) gibt es eine interessante Interpretation dieses Sachverhalts: Leibniz’ ethische Position trieb ihn dazu, die Aussöhnung zwischen religiösen, politischen und auch philosophischen Streitkulturen anzuzielen; doch dieser harmonisierende und aussöhnende Gestus stand in Widerspruch zu dem auf das Rechthaben fokussierenden Kern kalkülisierter Erkenntnis, in der sich durch bloße Rechenprozedur entscheiden lassen sollte, welche Position richtig und welche falsch ist.

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§ 2). Wird das Gegenteil einer Tatsachenwahrheit angenommen, so führt dies nicht – wie bei den Vernunftwahrheiten – auf einen Widerspruch; ihr Gegenteil ist also möglich (D §§ 8, 13). Zugleich betont Leibniz, daß in diesem Falle das Prinzip des zureichenden Grundes fundamental sei. Wie haben wir das zu verstehen? Wir finden eine Antwort darauf durch zwei unterschiedlich gelagerte Überlegungen. Einmal können wir davon ausgehen, daß auch für zufällige Wahrheiten nach Leibniz das analytische Wahrheitskriterium gilt. Auch bei ihnen muß also der Begriff des Prädikats in demjenigen des Subjekts enthalten sein. Zu wirklich existierenden Substanzen, also zu Individuen, gehören jeweils „vollständige Begriffe“ oder „Individuenbegriffe“ (Mittelstraß 1969, ders. 1970). Ein vollständiger Begriff enthält keine Unbestimmtheiten mehr: Nichts kann ihm mehr hinzugefügt werden, ohne daß ein Widerspruch entstünde (Kauppi 1960, 168 u. 231). So gehört zu jedem real existierenden Individuum sein ‚Individualbegriff‘, dem alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Handlungen und Zustände des Individuums ablesbar sind (Grua 1948, 311; GP VII 311; GP II 249). Da aber diese Handlungen und Zustände konkret raum-zeitlich indexikalisierbar sind, hängen sie mit der Beschaffenheit des gesamten Universums zusammen, welches es zu berücksichtigen gilt. Der Subjektbegriff in kontingenten Aussagen setzt sich somit aus unendlich vielen Teilbegriffen zusammen: „Contingentia radix est infinitum“ (Bodemann 121). Und das wiederum hat zur Folge, daß das analytische Verfahren der Begriffszergliederung, mit der das Enthaltensein des Prädikats im Subjekt zu zeigen ist, sich bei kontingenten Wahrheiten als ein unendlicher, unabschließbarer Prozeß herausstellt. Wir können das nun auch aus der Perspektive des Prinzips des zureichenden Grundes erläutern, welches Leibniz in der Monadologie selbst anführt, womit er sich weniger dem Problemzusammenhang der Analyse von Begriffen, sondern der Analyse von Kausalzusammenhängen zuwendet. Wenn ein Grund für irgendeinen Zustand aufgedeckt wird, so gibt es dafür wiederum einen Grund, so daß sich bei kontingenten Sachverhalten eine unendliche Reihe von Gründen auftut. Zur Erklärung jeder Tatsache müßte also die unendliche Reihe der Gründe in ihrer Gesamtheit herangezogen werden (M § 36). Damit aber ergibt sich in der Perspektive der Kausalzusammenhänge das gleiche Resultat, auf das schon die Begriffsanalyse kontingenter Wahrheiten führte (C 18, GP IV 521). Der Vollzug solcher infinit fortsetzbaren Handlungen ist dem menschlichen Geist nicht möglich. Wir haben somit eine Definition gewonnen: Als Tatsachenwahrheiten können genau jene Aussagen gelten, bei denen das analytische Verfahren nicht zu einem Abschluß kommt. „So auch gelangt man bei einer

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zufälligen Wahrheit niemals zu einem Beweis, wie sehr man die Begriffe auch auflöse“ (C 17 , Schmidt 427). Diese Ablösung der Wahrheit von ihrer faktischen – also für Menschen möglichen – Beweisbarkeit ist bemerkenswert. Leibniz bricht also mit dem Aristotelischen Wissenschaftsideal der vollständigen Demonstrierbarkeit von Wahrheiten. Da er zugleich am analytischen Wahrheitskriterium auch für die Tatsachenwahrheiten festhält – ja, darauf zu plädieren geradewegs die Originalität seiner Unterscheidung ‚ewiger‘ und ‚zufälliger Wahrheiten‘ ausmacht – hat er mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, daß in die Domäne unserer Erkenntnis eben nicht nur das Allgemeine (Vernunftwahrheiten) fällt, sondern auch das Individuum und das individuelle Geschehen. Allerdings bleibt auf diesem Gebiet dem menschlichen Geist allein die Erfahrung (GP VII 44) – einmal mehr relativiert sich daran die viel zu kategorisch getroffene Unterscheidung von ‚Rationalismus‘ und ‚Empirismus‘. Nur die göttliche Erkenntnis besitzt jene „visio infallibilis“, die schlagartig das Unendliche zu überblicken vermag. Gott alleine kommt eine Erkenntnis a priori vom Kontingenten zu: „Omnia intelliguntur a Deo a priori et per modum aeternae veritatis“ (GP VII 296; auch C 388; GP VII 309). Menschliche Erkenntnis dagegen ist defizient (vgl. Krämer 1991, 328 ff.). Und es ist übrigens die perspektivische Standortbezogenheit der menschlichen Erkenntnis, die den Darstellungen (representationes) aller körpergebundenen Monaden eigen ist und eine der weitreichendsten Erkenntnisse der Leibnizschen Metaphysik verkörpert, welche den Grund abgibt für die Beschränktheit menschlichen Wissens. Insofern muß die Unterscheidung von Vernunft- und Tatsachenwahrheiten bei Leibniz auch als ein Kommentar zu den Schranken menschlicher Erkenntnismöglichkeiten gelesen werden und birgt damit eine interessante Implikation: Wenn der epistemische Status der Tatsachenwahrheiten damit zusammen hängt, daß wir – und zwar notwendig – in Unkenntnis der ‚vollständigen Begriffe sind‘, die den Einzeldingen korrespondieren, dann ist genau dies der Grund für die menschliche Freiheit. (Diesen Zusammenhang von Kontingenz und Willensfreiheit haben mehrere Autoren betont, z. B. Gurwitsch 1974, 154.) Zweifellos ist es für Leibniz so, daß jedem Menschen auch ein vollständiger Begriff entspricht, in welchem u. a. alle unseren zukünftigen Handlungen ‚vorbestimmt‘ sind. Da wir jedoch im Augenblick der Entscheidung keine Kenntnis haben von diesem unserem ‚Individuenbegriff‘, sind wir ‚frei‘: Ein epistemisches Defizit zeigt sich uns als moralischer Gewinn. Denn wir können erst nach der getroffenen Entscheidung, also erst a posteriori – mithin durch Erfahrung

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– erkennen, welcher Weggabelung unterschiedlicher Möglichkeiten wir den Vorzug gaben. Deshalb sind wir verantwortlich für das, was wir tun, und können nicht unsere ‚Vorbestimmtheit‘ ins Felde führen, um uns eben dieser Verantwortung zu entziehen (D § 30, Le Roy 67; T I § 55 und 58, GP VI 132 f., 134).

5.6. Kant hat in seiner Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen in einer den Kantinterpreten und auch den Wissenschaftstheoretikern oft gar nicht bewußten Weise von Leibnizens Unterscheidung zwischen Vernunft- und Tatsachenwahrheiten Gebrauch gemacht. Denn auch für Kant gilt: „Analytische Urteile sagen im Prädikat nichts, als das, was im Begriffe des Subjekts schon wirklich gedacht war. Wenn ich sage: alle Körper sind ausgedehnt, so habe ich meinem Begriff vom Körper nicht im mindesten erweitert, sondern ihn nur aufgelöst, indem die Ausdehnung von jenem Begriffe schon vor dem Urteile, obgleich nicht ausdrücklich gesagt, dennoch wirklich gedacht war; das Urteil ist also analytisch. Dagegen enthält der Satz: einige Körper sind schwer, etwas im Prädikate, was in dem allgemeinen Begriffe vom Körper nicht wirklich gedacht wird, er vergrößert also meine Erkenntnis, indem er zu meinem Begriffe etwas hinzutut, und muß daher ein synthetisches Urteil heißen“ (Kant 2001 § 2 a; auch 1998, B 10 f.). Die analytischen Urteile beruhen nach Kant auf dem Satz des Widerspruchs und werden auch Kenntnisse ‚a priori‘ genannt; die synthetischen Urteile sind empirischen Ursprungs und werden ‚a posteriori‘ genannt (Kant, 2001 § 2 b; auch 1998 B 11 f.). Wir vernachlässigen hier Kants problematische Idee der ‚synthetischen Sätze a priori‘, denn es geht uns hier nur darum, auf das Nachleben und die Durchschlagskraft der Leibnizschen Unterscheidung zwischen logischer und faktischer Wahrheit zu verweisen. Es war erst Wiliard van Orman Quine, der die scharfe Trennung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, zwischen Vernunft- und Tatsachenwahrheiten grundsätzlich in Frage stellte und auch verwarf (Quine 1953, 24 ff.). Warum? Im Gefolge des logischen Empirismus hatte sich eine Auffassung von ‚analytisch‘ durchgesetzt, bei der die Geltung eines analytischen Satzes allein von der Definition der darin enthaltenen Symbole abhängt (so z. B. bei Ayer 1972, IV, 102). Damit sind alle Sätze analytisch, sofern sie sich durch die Substitution synonymer Ausdrücke in logisch wahre Sätze verwandeln lassen. Aber eine solche Ersetzung syno-

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nymer Ausdrücke – und das ist das Argument Quines – macht ja immer schon Gebrauch von einer Konzeption eines ‚wahren Satzes‘, die es ihrerseits ja erst zu begründen gilt. Damit öffnet sich die Fallgrube einer Zirkularität, welcher in der Perspektive der empiristischen Auffassung von dem, was die ‚analytische Wahrheit‘ eines Satzes ausmacht, nicht zu entkommen ist. Die strikte Disjunktion zwischen logischen und empirischen Aussagen ist somit nach Quine unhaltbar und wird von ihm letztlich aufgelöst zugunsten der empirischen Aussagen: Quine führt also die logische Wahrheit auf die faktische Wahrheit zurück. Spätestens hier fällt eine merkwürdige Parallele zu Leibniz – allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen – auf. Wir erinnern uns: Für Leibniz sind auch kontingente Wahrheiten genau besehen analytischer ‚Natur‘, nur daß sich deren Logizität allein Gottes Auge, nicht aber menschlichen Beweispraktiken eröffnet, insofern diese ins Unendliche ausgreifen müßten. Das aber heißt, daß Leibniz, wiewohl er die erkenntnistheoretische Unterscheidung von Vernunft- und Tatsachenwahrheiten sehr klar trifft, dann doch – in letzter Instanz, d. h. dann für ihn: sub specie aeternitatis, also in Gott – die Zurückführbarkeit von faktischer Wahrheit auf logische Wahrheit zugesteht. Wir können dieser Einsicht, die sich in den in umgekehrtem Verhältnis zueinander stehenden Relativierungen von Leibniz wie von Quine andeutet, eine moderne Interpretation geben: Wo überhaupt die Unterscheidung von logischer und faktischer Wahrheit zu treffen ist, kann das nur so gemeint sein, daß der analytische oder synthetische Charakter von wahren Sätzen lediglich relativ zu dem historisch eingebetteten, ‚endlichen‘ Gesprächszusammenhang besteht, in dem solche Sätze jeweils als Äußerungen auftreten. Das zu entfalten machte einen neuen Aufsatz nötig; doch vielleicht hat zumindest hervortreten können, daß diese weittragende Einsicht bereits bei Leibniz keimhaft angelegt ist.

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Gott und seine Relation zu den Geschöpfen (§§ 38–48)

6.1. Zusammenfassung der §§ 38–48 Im Anschluß an die sehr knappe Darstellung des Satzes vom Widerspruch und des zureichenden Grundes im Bezug auf Vernunft- und Tatsachenwahrheiten führt Leibniz im M § 38 etwas unvermittelt den Gottesbegriff ein, den er zunächst als notwendigen substantiellen Grund hinter der unendlichen Reihe der „contingences“ (Möglichkeiten, die wirklich werden können), vorstellt. M § 39: Diese göttliche Substanz ist die raison suffisante (der zureichende Vernunftgrund), die alle Dinge bis ins Einzelne bestimmt. M § 40: Die höchste Substanz sei einzig, universal und notwendig, alles außerhalb ihrer sei von ihr abhängig, sie sei eine einfache Folge des möglichen Seins „une suite simple de l’être possible“ – das heißt eine Folge einfacher Prädikate, die selbst einfach und unbegrenzt sein muß und dabei alle Realität in sich enthält. M § 41: Aus dieser Prädikation Gottes folgt, daß er absolut perfekt ist, denn er hat positive Prädikate; und da seine Prädikation nicht anders bestimmt werden kann als positiv, ist seine Perfektion absolut. M § 42: Ebenso wie der Gottesbegriff ist auch die Schöpfung aller Einzelwesen nach dem Satz vom Widerspruch und vom zureichenden Grund zunächst konzipiert und dann verwirklicht. Daraus folgt: Jedes Geschöpf ist in sich so gut wie möglich. Die Geschöpfe sind nur in einer Beziehung notwendig unvollkommen: sie sind im Gegensatz zu Gott immer begrenzt. M § 43: Gott konzipiert die Geschöpfe durch seine ewigen Ideen in ihrer logisch-metaphysischen Möglichkeit – d. h. in ihrem Wesen als seine Gedankendinge. M § 44: Die als logische Gedankendinge konzipierten möglichen individuellen Wesen werden zu aktuell existierenden Wesen,

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indem Gott, der notwendig existiert, sie als abhängige Wesen realisiert. Der M § 45 enthält in nuce die gesamte Leibnizsche Modalitätsmetaphysik. Der Kernsatz lautet: Wenn Gott möglich ist, dann ist er wirklich. Die Argumentation geht hier auf den Begriff der Unendlichkeit: Nichts kann die Möglichkeit dessen einschränken, was keine Grenzen umfaßt. Wenn das Unendliche also keine Grenzen nach innen und nach außen kennt, kann es auch keinen Widerspruch geben, denn ein Widerspruch setzt Grenzen, d. i. Differenzen voraus. Dieses Argument reiche, um die Existenz Gottes a priori zu erkennen. Aber Gottes Existenz lasse sich auch a posteriori erweisen, denn die kontingenten geschöpflichen Dinge könnten ihre Existenz nur aus der notwendigen Existenz bekommen, die ihre raison d’être in sich selbst hat. M § 46: Hier setzt sich Leibniz von jeder Form des göttlichen Voluntarismus ab und betont, daß alle ewigen Wahrheiten göttliche Prädikate seien, die nicht von seinem Willen abhängen. M § 47: Diese göttlichen ewigen Wahrheiten werden nun als die Geistes-Blitze (Leibniz weiß um die Metaphorik) beschrieben, die den geschaffenen oder „derivativen“ Monaden ewig mitgeteilt werden, weil diese durch ihre geschöpfliche Rezeptivität wesentlich begrenzt sind. Diese Abhängigkeit der Monaden wird in M § 48 wie folgt beschrieben: In Gott gibt es eine Kraft, die die Quelle von allem ist, aus dieser Kraft kommt zunächst die Erkenntnis, dann der Wille. Der Wille bewirkt die Veränderungen oder die Schöpfungen nach dem Prinzip des Optimismus. Dieser Kraft Gottes entsprechen die Monaden, deren Wesensgrund (fond) darin besteht, sich auf diese Formung durch die göttliche Kraft zu beziehen. In diesem Formungsprozeß nimmt die Monade die göttliche Perfektion auf und wird zur Entelechie. Diese Entelechie ist Imitation (im Konzept steht auch Limitation) der göttlichen Perfektion.

6.2. Die logisch-metaphysischen Grundlagen: Der Satz vom Widerspruch und das Prinzip des zureichenden Grundes im Bezug auf Gott und die Geschöpfe. 6.2.1. „Cur potius aliquid quam nihil“ und der Monotheismus Monotheismus, d. h. das Problem des einen Gottes, ist für Leibniz ein ganz zentrales, nicht nur theologisches, sondern metaphysisches resp. ontologisches Problem Es läßt sich bei der Rede von Gott das Verknäueln von metaphysischen, logischen und theologischen Fragen gar nicht vermeiden.

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Leibniz ist, wie überhaupt, so auch in diesem Punkt ein radikaler Idealist. Er geht davon aus, daß die eigentliche Realität die der Ideen ist. Man kann sich den leibnizschen theologischen Idealismus klarmachen, wenn man versucht, sich seine genial kurze metaphysische Zentralfrage neu zu stellen; diese Frage lautet: Cur potius aliquid quam nihil (De rerum originatione radicali, GP VII 303). Schelling hat sie, leicht erweitert, so übersetzt: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ In dieser Fassung ist die leibnizsche Frage später auch bei Heidegger behandelt worden. Das Schlüsselwort dieser Frage ist „cur (warum)?“. Fragen, warum etwas ist, heißt: Man darf die Frage nach dem Grund in Bezug auf die Existenz von etwas stellen. Das impliziert, daß die Begründung als Bedingung der Existenz von etwas verstanden wird. Für den hier in Frage stehenden Zusammenhang bedeutet das, daß die Frage „Warum?“ in Bezug auf Gott und seine Existenz gestellt wird. In diesem Sinne fragt das „cur“ nach der Möglichkeit der Existenz Gottes. Leibniz unterscheidet zwei Begriffe von Möglichkeit. Der erste Begriff von Möglichkeit ist der von Kompossibilität. Kompossibilität bedeutet, daß nur dasjenige als Einheit denkbar ist, das Begriffe miteinander verbindet, die sich nicht widersprechen. Wenn Gott von einer in sich selbst widerspruchsvollen Art wäre, daß sich z. B. Gerechtigkeit und Liebe nicht vereinbaren ließen, könnte er keine Existenz haben, weil er in sich selbst logisch widersprüchlich und deshalb als Einheit nicht denk-möglich wäre. Die zweite Entgegensetzung, die Leibniz bedenkt, ist die von Möglichkeit und Wirklichkeit. Diese beiden Entgegensetzungen haben für den Gottesbegriff folgende Implikationen: Wenn Gott als Einheit denkbar ist, dann existiert er als eine solche Einheit notwendig. Das heißt: Im Bezug auf die geistige Existenz gibt es zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit keinen Unterschied. Es kommt also bei der Frage danach, was und wer Gott ist, formal und metaphysisch zunächst nur darauf an festzustellen, ob Gott möglich ist. Und hier hängt alles von den göttlichen Prädikaten ab, die zusammen passen müssen. Das heißt: Es gilt, Definitionen der göttlichen Prädikate, also Güte, Größe, Macht, Schönheit, Gerechtigkeit und Liebe – die Reihe ist prinzipiell nicht zu schließen – zu finden, von denen man sagen können muß, sie seien kompossibel. Die Hauptschwierigkeiten entstehen in diesem Argument bei der Zusammenstellung der beiden göttlichen Prädikate Gerechtigkeit und Liebe. Die entscheidende Frage ist, ob die Gerechtigkeit, die als Straf- oder Belohnungsgerechtigkeit auftaucht, mit der verzeihenden Liebe zusammen paßt. Normalerweise entstehen hier die Hauptschwierigkeiten, die die rationale Theologie mit den Gottesprädikaten hat.

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Deshalb hat Leibniz gejubelt, als er den Kernbegriff seiner Rechtsphilosophie gefunden hat; nämlich daß iustitia caritas sapientis (De justitia et jure, A VI 4 C, 2777), daß die Gerechtigkeit wohlwollende Zuwendung (caritas) des Weisen sei. Wenn in diesem Sinne zutrifft, daß Justitia und Caritas kompossibel sind, dann gilt, so Leibniz’ Argument aus M § 45: Wenn Gott möglich ist, dann ist er auch notwendig. Leibniz sagt nicht: Gott existiert, sondern er behauptet die göttliche Existenz sub conditione – deshalb das cur „Warum“. Unter der Bedingung, daß Gott als widerspruchslose Entität denkbar ist, ist er nötig. Mit seinem Gottesbegriff hat Leibniz folgendes erreicht: Erstens: Dieser Gott ist in seinem Wesen rational, denn sonst würde seine Existenz nicht dem cur „warum“ entsprechen. Dieser Gott ist der, der durch seine Existenz die Geltung des Satzes des Widerspruchs bestätigt: schließlich existiert er wegen der Kompossibilität seiner Prädikate notwendigerweise. Insofern bestätigt Gottes Existenz den Satz des Widerspruchs. Leibniz geht an keiner Stelle seiner Philosophie davon aus, daß der Satz vom Widerspruch nur quoad nos, nur im Bezug auf den Menschen gelte und nur aus der menschlichen Beschränktheit des Denkens stamme. Er betont im Gegenteil immer, daß die universale Geltung der widerspruchsfreien Vernunft die Bedingung dafür ist, daß wir vernünftig von Gott reden können, daß wir ihn auch in seinem vernünftigen Wesen erfassen. Das vernünftige menschliche Denken und die Existenz einer universalen Vernunft, die durch Gott repräsentiert ist, sind für Leibniz die Bedingung des wahrheitsfähigen Denkens überhaupt. Deshalb ist die erste Frage „Cur potius aliquid quam nihil (Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?)“ zunächst mit dem philosophischen Gottesbegriff beantwortet.

6.2.2. Das Prinzip des Optimismus und die Schöpfung Die Festlegung des Gottesbegriffs auf die Bedingungen einer logischen Metaphysik hat Konsequenzen für die Konzeption der Schöpfung. Denn auch die Schöpfungstheologie muß innerhalb des Rahmens eben dieser ratio­nalen Metaphysik begriffen werden. Man muß jetzt die Frage „cur potius aliquid quam nihil“, nicht nur im Bezug auf den Gottesbegriff, sondern auch im Bezug auf die Schöpfung stellen. Diese Schöpfung ist nach Leibniz die beste aller möglichen. Den berühmten Kernsatz des leibnizschen Optimismus, die Welt sei die beste aller möglichen, deduziert Leibniz aus seinem Gottesbegriff, der ja Liebe und Gerechtigkeit, Allwissen und Allmacht

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miteinander verband. Dieser Gott ist allwissend nicht nur in Bezug auf die Faktizität der Welt, sondern, weil er war, ehe die Welt geworden ist, auch in Bezug auf ihre Möglichkeit. In seinem Allwissen stellte er sich eine unendliche Anzahl von möglichen Welten vor und rechnete sie je nach ihrer Kompossibilität durch; er wählte dann als guter Gott die metaphysisch und moralisch beste der logisch möglichen Welten aus, diese wurde wirklich. Darin besteht für ihn der Prozeß des „Fiat“, „Es werde“. Wenn Gott gut, allwissend und allmächtig ist, konnte gar nicht anders als diese beste Welt schaffen. Wenn Gott in diesem Sinne, also in metaphysisch notwendiger Weise, das Beste, was möglich ist, schafft, dann kann die Welt nur die beste aller möglichen sein. Gegenüber einem Erfahrungswissen, von dem aus auf eine schlechte Welt geschlossen werden könnte, sind diese apriorischen Optimismus-Argumente völlig immun. Die Frage, die sich im Bezug aufs Konzept der besten aller möglichen Welten stellt, ist eine doppelte. Erstens: War Gott aufgrund seiner Prädikate gezwungen, diese Welt zu machen? Denn wenn er ein logisch verläßlicher, guter Gott ist, bleibt ihm gar nichts anderes übrig als diese beste aller möglichen Welten zu schaffen. Wenn das aber der Fall ist, dann ist er selber Gefangener seiner eigenen Notwendigkeit und eo ipso nicht mehr frei. Ist er hingegen frei, dann ergibt sich notwendig das Problem des voluntaristischen Gotteskonzepts. Leibniz versucht immer wieder, die Frage dadurch zu entschärfen, daß er sagt, es sei in Gottes Wesen, daß er die beste aller möglichen Welten schaffe. Aber diese Formulierung ändert das Argument nicht, das dann wirksam wird, wenn die Allmacht zum leitenden göttlichen Prädikat erklärt wird: Wenn Gott wirklich allmächtig wäre, dann könnte er auch eine andere als die beste aller möglichen Welten schaffen. Aus dem Labyrinth dieser Frage, daß Gott in Bezug auf die Schöpfung nicht frei ist, aus dieser Frage danach, daß die Welt, wie Leibniz mit einem lateinischen Kunstwort sagt, existituriert (GP VII 289), also zur Existenz kommt und notwendig zur Existenz kommt, daß Gott, wenn er denn rational ist, die Welt so, wie sie ist, hat schaffen müssen und im Bezug auf seine Schöpfung also unfrei ist, aus dieser logisch-metaphysischen Konsequenz kommt Leibniz nicht wieder heraus. Die zweite Hauptfolgerung, die Leibniz aus dem Konzept des Satzes vom Widerspruch und vom zureichenden Grunde zieht, besteht darin, daß alle Geschöpfe Individuen sind. Gott präkonzipiert jedes Geschöpf nach den Kriterien von Kompossibilität und zureichendem Grund. Er bestimmt jedes Ding in allen Prädikaten nach seinen Möglichkeiten, vergleicht diese mit ähnlichen präkonzipierten Dingen und wählt als guter Gott das beste Einzelding aus, um es so, in seinem Wesen vollständig und optimal

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bestimmt, in die Existenz zu entlassen. Ein solches Wesen ist eine Monade, in sich selbst vollständig bestimmt und ein Abbild Gottes.

6.2.3. Die begrifflichen Risiken des Optimismus-Konzepts 1. Wenn alles auf eine unterschiedslose Einheit zurückgeführt werden kann, dann hebt diese Einheit die Unterschiede von Identität und Differenz in sich auf; sie ist deren Bedingung, ohne ihnen unterworfen zu sein. Die Einheit aller Einheiten, die göttliche Monade, erfüllt diese Kriterien. Auf der anderen Seite wird Leibniz nicht müde zu betonen, daß Gott selbst in seiner universalen Berechenbarkeit die Kriterien des zureichenden Grundes und des Satzes vom Widerspruch erfüllt. In M § 45, wo er von der Unendlichkeit Gottes redet, die logischerweise keinen Widerspruch zulasse, und in M § 48, wo Gott als „puissance“ beschrieben wird, die zunächst der „connaissance“ und dann der „volonté“ zugrunde liege, wird diese Frage virulent. 2. Weil Leibniz’ Philosophie konsequent idealistisch ist, hat sie die Aufgabe, den Unterschied von Idealität und Realität zu beschreiben. Allerdings kann Leibniz diesen Unterschied nicht klar fassen: Wenn nämlich alle Existenz eigentlich Geistigkeit ist, dann ist die aus Kraftpunkten bestehende physikalische Wirklichkeit ihrerseits nur geistig. Die Körperlichkeit ist schwer faßbar, denn Raum und Zeit sind nur Ordnungsverhältnisse: Der Raum ist die Ordnung der Gleichzeitigkeit und die Zeit die der Folge. (Folge und Negation sind hier nebeneinander gestellt, die Negation der Folge definiert den Raum. Die Frage, ob Folge und Zeit identisch sind, wird in dieser Definition nicht gestellt). Jedenfalls bleiben Raum und Zeit Phänomene (oder Akzidentien?), sie haben keine wie auch immer bestimmte „wirkliche“ Realität. Unter diesen Bedingungen ist aber das Kalkül der besten aller möglichen Welten, das mit der Entgegensetzung von Möglichkeit und Wirklichkeit arbeitet, gefährdet, denn ohne eine Zusatzannahme, die die Materialität der Welt betrifft, ist nicht klar, worin denn der Unterschied zwischen beiden, das „complementum possibilitatis“, besteht (Christian Wolff: Ontologie § 173 f.). 3. Die Frage nach der Paßform des Gottesbegriffs der Monadologie im Bezug auf die christliche Dogmatik bleibt problematisch. Weder die Personalität des Gottesbegriffs, die christlich gefordert wird, noch die Frage nach der Trinität können mit Leibniz’ Philosophie gefaßt werden.

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6.3. Kommentierung der §§ 38–48 M § 38: Der letzte Grund der Dinge muß in einer notwendigen Substanz liegen, in der das Detail der Veränderungen nicht anders sein kann als eminent (Entwurf: virtute, formâ), wie in einer Quelle (comme dans la Source), verborgen liege. Diese nennen wir Gott. Leibniz hat bei der Wahl des Begriffs „eminent“, den er am Ende gewählt hat, um die Existenz Gottes mit der Metapher der Quelle zu beschreiben, offensichtlich Probleme gesehen. Er hat, wie das Manuskript zeigt, auch die Begriffe „virtute“ und „formâ“, nach Fähigkeit und der Form nach, erwogen. Diese beiden Begriffe verweisen auf das Verhältnis der beiden Prinzipien des zureichenden Grundes und der Kompossibilität der Prädikate, die für den Gottesbegriff Leibniz’ zentral sind. Er hat sich für den scholastischen Begriff der „eminentia“ entschieden. Dieser Begriff allegiert den ontologischen Gottesbeweis, den zuerst Anselm von Canterbury (1033–1109) im „Proslogion“ (1077/78) beschrieben hatte: Wenn Gott alle Prädikate in höchster Vollendung (eminentia) enthält, dann darf ihm das Prädikat „Sein“ nicht abgesprochen werden. Die Metapher, daß Gott die erste Quelle aller Dinge sei, vermeidet hier offensichtlich den Begriff „Grund“ (cause, causa). Stattdessen verweist diese Metapher auf die Vorstellung der Emanation, nach der im Ursprung virtualiter alle Dinge enthalten sind, ohne daß die Quelle ihre Kraft verströme. Mit der Metapher will Leibniz ein wesentliches Erfordernis des rationalen Gottesbegriffs erfüllen: Gott darf selbst nicht veränderlich sein, muß aber als Grund aller Dinge gelten können. Insofern entspricht dieser M § 38 der aristotelischen Formulierung vom unbewegten Beweger (Metaphysik XII, 8) ebenso wie dem Konzept des ersten Grundes (Proklos: Elemente der Theologie, § 20; Liber de Causis, § 5). Allerdings läßt sich Leibniz auch hier nicht auf die proklische Dialektik des ersten Grundes ein. M § 39: Dieser Gott ist der zureichende Grund von allem; er ist einer und er genügt. Die Metapher der Quelle wird hier durch den Satz vom zureichenden Grunde präzisiert: Gott ist die raison suffisante aller kontingenten Einzeldinge, insofern und wie sie existieren. Das Prinzip des Optimismus läßt einen Polytheismus nicht zu: Wenn es mehrere zureichende Gründe gäbe, gäbe es konkurrierende Logiken; eine Wahrheit wäre dann unmöglich. Deshalb gibt es nur eine Vernunft, die a priori die Optimalität der Dinge kalkuliert, die dann außerhalb der göttlichen Substanz als kontingente Existenzen real werden. Gäbe es konkurrierende Instanzen des Vernunft-

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kalküls des Optimalen, wäre das Prinzip des rationalen Optimums und damit die raison d’être aller Dinge aufgehoben. M § 40: Die höchste, göttliche Substanz, die einzig, universal und notwendig (unique, universelle et necessaire) ist, hat nichts außer sich, was unabhängig von ihr ist. Sie ist eine einfache Folge möglichen Seins (une suite simple de l’être possible), kann sie keine Grenzen kennen und muß so viel Realität wie möglich enthalten. Zunächst geht es um die göttlichen Prädikate „unique“, „universelle“ und „nécessaire“. Gott ist einzig und universal. Damit kann dann nur gemeint sein, daß er, wenn ihm diese Prädikate zugesprochen werden müssen, keine Grenzen haben kann. Die Definition dieser Substantialität ist, daß sie Grund ihrer selbst ist und daß sie folglich nichts zu ihrer Existenz braucht als sich selbst (vgl. Spinoza Ethik I,1). Wenn Gott in diesem absoluten Sinne eins und alles ist, kann es nichts außerhalb von ihm geben – in diesem Sinne ist er unendlich. Freilich ist die Formulierung: „suite simple de l’être possible“ erklärungsbedürftig. Offensichtlich handelt es sich bei Gott um eine zusammengesetzte Einheit aus einfachen Prädikaten – diese zusammengesetzte Einheit ist als substantielle All-Einheit nicht begrenzbar, als in sich selbst durch die göttlichen Prädikate differenzierte Einheit ist sie aber zugleich zusammengesetzt. Diese Zusammensetzung unterliegt dem Prinzip des Widerspruchs; insofern muß Gott als „être possible“ begriffen werden, das, sofern es möglich ist, die höchste Realität darstellt. Die Möglichkeit des höchsten Wesens ist durch die Einfachheit und Positivität aller seiner Prädikate gerechtfertigt. Wenn sich in Gott eine unendliche, das heißt im Prinzip unbegrenzbare, Reihe positiver Prädikate vereinigt, dann ist er möglich und folglich notwendig. Wenn die Prädikate Gottes positiv und einfach sind, also vom Charakter a,b,c,d, etc. sind, dann gibt es keine Möglichkeit, daß sie sich untereinander widersprechen. Ein Widerspruch wäre nur möglich, wenn eine Reihe von Prädikaten den Charakter a,b,c,d, non-a hätte; dann gäbe es eine widersprüchliche Prädikation, weil ein Element einer Einheit sowohl affirmativ als auch negativ auftauchte: Ein innerer Widerspruch definiert die Unmöglichkeit einer Einheit. Heikel bleibt in diesem Kalkül freilich die Dialektik, die Leibniz eigentlich vermeiden will, daß nämlich die Prädikate Eines und Alles äquivok auftauchen: einmal als schlechterdings differenzlose unendliche Einheit, zum andern als die Bedingung aller Zusammensetzung von komplexen Einheiten, die dann sowohl eines als auch vieles sind.

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M § 41: Gott muß perfekt sein, denn er umfaßt nur positive Prädikate. Da seine Prädikation nicht bestimmt werden kann außer daß sie positiv ist, ist seine Perfektion absolut. Leibniz beschreibt seinen Gott als zusammengesetzte Einheit einfacher positiver Prädikate. Wenn Gott der Inbegriff aller Qualitäten ist, dann gibt es keinen Sinn, ihm Privationen zuzuschreiben, das widerspräche dem Begriff der einfachen Qualitäten, die als Bestimmungen nur positiv sein können. Die Privation oder Negation von Prädikaten in Gott paßt nicht zum zureichenden Grund und zum Satz des Widerspruchs, dem Gott als absolute Verwirklichung als Möglichkeiten entsprechen muß. Alle Prädikate, die a priori dem Gottesbegriff nicht entsprechen, etwa das Böse, dürfen keine positiven Qualitäten sein, sondern müssen als Mangel an Gutem, Gerechtem, Wahren etc. erklärt werden. Das ist der Grund, weshalb Leibniz nur positive Größen in seiner Metaphysik zuläßt. Kant hat später diese Voraussetzung in seinem „Versuch, die negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen“ (1763) kritisiert. M § 42: Ebenso wie der Gottesbegriff ist auch die Schöpfung nach dem Satz vom Widerspruch und vom zureichenden Grund konzipiert und verwirklicht; d. h. jedes Geschöpf ist in sich so gut wie möglich. Die Geschöpfe sind nur in einer Beziehung notwendig unvollkommen: sie sind im Gegensatz zu Gott immer begrenzt. Das Optimismuskonzept, daß die Welt die beste aller möglichen ist, bedient die Sätze vom Widerspruch und vom zureichenden Grund. Diese Grundsätze gelten für die Welt insgesamt ebenso wie für die einzelnen Geschöpfe: Jedes Individuum ist im Gedanken Gottes in allen seinen Prädikaten präkonzipiert und aus der Fülle möglicher, d. h. als kompossibel gedachter ähnlicher Konzepte als das beste befunden und deshalb realisiert worden. In diesem Sinne ist jedes Geschöpf ein Individuum. Die Frage, ob es ein Individuum einer Gattung ist, stellt sich für Leibniz nicht eigentlich, weil die individuelle Konzeption jedes Einzeldings die Frage nach dem Verhältnis von Gattung, Art und Individuum gar nicht gestattet. Die notwendige Begrenztheit der Geschöpfe, ihre begrenzte Einfachheit als Individualität, ist zwar die beste mögliche, aber zugleich ist sie im Verhältnis zu Gottes einmaliger Unendlichkeit ihre „imperfection“. Diese Unvollkommenheit ist zugleich die Struktur, die Leibniz als Übel und Böses interpretiert. M § 43: Gott konzipiert die Geschöpfe durch seine ewigen Ideen in ihrer logisch-metaphysischen Möglichkeit, d. h. in ihrem Wesen, als seine

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Gedankendinge. Die Essenz der individuellen Geschöpfe besteht in der Kompossibilität aller ihrer Prädikate im Gedanken Gottes. Die einzelnen Elemente dieser Prädikate sind die ewigen göttlichen Ideen, aus deren Kombination das Wesen jedes Einzeldings hervorgeht. Schon im Gedanken Gottes existieren die Wesen als geistige Essenzen; die Kompossibilität und Optimierung aller Prädikate gibt ihnen eine Art essentiale Präexistenz, die als geistige Existenz ihrer logischen Möglichkeit beschreiben wird. Die elementaren Einzelprädikate des so konzipierten Wesens sind ewige göttliche Prädikate, aber sie sind für jedes Einzelwesen individuell und vollständig zusammengestellt. Hinter dieser Theorie der vollständigen Prädikation der Individuen steckt die Idee der lingua universalis. Diese Konzeption einer vollständig durchlogisierten Sprache ging davon aus, daß sich durch die Kombination einfacher apriorischer Begriffe widerspruchslos individuelle Einheiten präkonzipieren lassen, die die Wesenheiten der Dinge sind. Ob solche Wesenheit aber grundsätzlich apriorisch konstruiert werden können oder ob die Sprache, die notwendig mit Abstrakta arbeitet, überhaupt Individuen konzipieren kann, ist fraglich. Im Prinzip ist jede Kombination von abstrakten Begriffen wieder abstrakt, sie kann dann höchstens ein Wesen, aber nicht ein Individuum fassen. In diesem Sinne ist jedes Individuum ineffabile, sofern es in seiner Eigenheit unaufhebbar ist. Diesen Gedankengang akzeptiert Leibniz für seine Monaden aber gerade nicht. M § 44: Die als logische Gedankendinge konzipierten möglichen individuellen Wesen werden zu aktuell existierenden Wesen, indem Gott, der notwendig existiert, sie als abhängige Wesen realisiert. Der Paragraph ist insgesamt von einer bemerkenswerten Unklarheit. Leibniz arbeitet in M § 43 f. mit seinem doppelten Möglichkeitsbegriff: Kompossibilität und Kontingenz. Die Kompossibilität und die Optimierung der Prädikate eines Wesens bedienen den Begriff der logischen Möglichkeit. Die Antwort auf die Frage, worin die geistige Realität eines solchen möglichen besten Individualwesens besteht, ist keineswegs deutlich. Ist es als ein Wesen, das aus einfachen göttlichen Prädikaten zusammengesetzt und also unsterblich ist, eine eigenständige oder eine abhängige geistige Existenz? Wenn es eine abhängige ist, ist es immer schon im Gedanken Gottes präkonzipiert? Aber worin unterscheidet es sich dann von der göttlichen Substanz, die ebenfalls ein Wesen ist, das aus ewigen Prädikaten besteht? Der Unterschied besteht möglicherweise darin, daß Gott eine unendliche Einheit ist, die Schöpfungswesen hingegen endliche Einheiten. Ewig sind beide.

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Ebenso unklar ist das Verhältnis von Essenz und Existenz. In der philosophischen Tradition besteht die Aktualisierung einer Möglichkeit darin, daß sich dieser Prozeß in Raum und Zeit oder zumindest in irgend einer Materialität, bzw. einer potentia passiva, vollzieht. Für Leibniz sind Raum und Zeit nur geistige Ordnungen, die Materialität besteht für ihn aus Kraftpunkten. Indem Leibniz die individuierte Realität und damit die geistige Existenz der präkonzipierten Schöpfungsdinge behauptet, verliert mit dieser Theorie die Möglichkeit, zwischen Möglichkeit und Aktualität zu unterscheiden. Die Aktualität jedes Dings besteht in seiner Individualität; aber diese Individualität ist ja geistig präkonzipiert. Auf der anderen Seite setzt Leibniz mit seinem Konzept des zureichenden Grundes für jede Existenz die Differenz von Möglichkeit und Wirklichkeit, Essenz und Existenz voraus. Im Gegensatz zur scholastischen, besonders zur thomistischen Philosophie hat er aber kein Konzept von Materialität; so kann er eben nicht behaupten, der Sprung von der Möglichkeit zur Wirklichkeit, vom Wesen und Existenz vollziehe sich als der von der geistigen zur körperlichen Existenz. Auch die Behauptung, es handele sich um extramentale Existenz, scheitert an der Idealität von Raum und Zeit. Die Frage nach der apriorischen Vernünftigkeit der geschaffenen Sinnenwelt kann also keineswegs als vollständig beantwortet betrachtet werden. M § 45 enthält in nuce die gesamte Leibnizsche Modalmetaphysik. Der Kernsatz lautet: Wenn Gott möglich ist, dann ist er wirklich. Die Argumentation geht hier auf den Begriff der Unendlichkeit: Nichts kann die Möglichkeit dessen einschränken, was keine Grenzen umfaßt Wenn das Unendliche also keine Grenzen nach innen und nach außen kennt, kann es auch keinen Widerspruch geben, denn ein Widerspruch setzt Grenzen, d. i. Differenzen voraus. Dieses Argument reiche, behauptet Leibniz, um die Existenz Gottes a priori zu erkennen. Aber er wolle Gottes Existenz auch a posteriori erweisen, denn die kontingenten geschöpflichen Dinge könnten ihre Existenz nur aus dem notwendig existierenden Wesen bekommen, das seine raison d’être in sich selbst habe. Das Argument, das Leibniz hier für die notwendige Existenz Gottes anführt, ist das folgende: Wenn es im Unendlichen keine Grenzen gibt, gibt es auch keinen Widerspruch. Der Begriff Unendlichkeit kann zweierlei bedeuten: 1. Unendlichkeit nach außen, das heißt, es gibt nichts, was die unendliche Einheit, die dann als Allheit begriffen wird, begrenzt. Gott kann also nicht von seinen Grenzen her definiert werden. 2. Der Begriff Unendlichkeit bedeutet auch, daß es keine inneren Aufteilungen gibt, daß Gott also in sich schlechterdings einer ist, ohne Differenzen in sich zu

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dulden. Dieser Begriff der absoluten Einheit, der das schlechterdings in sich Indifferente (nach der Terminologie Schellings) meint, kann keinen Widerspruch enthalten, weil es nichts gibt, was sich widersprechen könnte, denn zum Widerspruch ist Differenz erforderlich. Angesichts dieser Prämissen ist allerdings unklar, wie Leibniz schlußfolgern kann, es folge aus ihnen notwendig die Existenz Gottes. Wenn es keine Differenzen in Gott gibt, kann auch zwischen Sein und Nicht-Sein nicht unterschieden werden, ebenso wenig wie zwischen positiv und negativ. Es ist ein altes Argument der negativen Theologie, daß man über Gottes Existenz dann nichts aussagen könne, wenn man seine absolute Einheit betont. In diesem M § 45 wird erneut deutlich, daß Leibniz’ Metaphysik von der Positivität der göttlichen Prädikate abhängt, und als ein solches positives Prädikat betrachtet er auch den Begriff „sein“. Die kontingente Existenz der Geschöpfe habe, so Leibniz’ These, ihren Grund in Gottes notwendiger Existenz. Die Frage des logischen Verhältnisses von göttlicher und geschöpflicher Existenz wird hier offensichtlich als gelöst vorausgesetzt und auf das modale Verhältnis von notwendig und zufällig übertragen. M § 46: Hier setzt sich Leibniz von jeder Form des göttlichen Voluntarismus ab und betont, daß alle ewigen Wahrheiten göttliche Prädikate seien, die nicht von seinem Willen abhängen. Die Frage nach dem modalen Verhältnis von notwendiger und zufälliger Existenz ist bislang nur in Ansätzen geklärt; ein wesentlicher Punkt bleibt die Frage, ob die göttliche notwendige Existenz im Verhältnis zur geschöpflich zufälligen als Wille Gottes interpretiert werden könne, der die göttliche Vernunft bestimme. Das Verhältnis von göttlicher Puissance und Raison/Connoissance ist keineswegs schon geklärt. Denn wenn Gott , wie alle Monaden, in seinem letzten Ursprung Kraft bzw. Puissance ist, wie Leibniz im M § 48 noch einmal erläutern wird, dann kommt es darauf an, diese Kraft nicht als Willen, sondern als Vernunft zu erklären, die sich in ewigen Wahrheiten zeigt. Eine letzte Begründung dafür, daß sich die göttliche Kraft nicht zunächst als Wille, sondern als Vernunft zeigt, läßt sich freilich nicht finden. So bleibt es bei Leibniz’ Behauptung gegen Descartes, Poiret und implizit auch gegen Luther und Calvin, daß ein voluntaristischer Gottesbegriff für rationale Philosophen inakzeptabel sei. Wenn, so Leibniz’ Argument, Gott die Wahrheit von seinem Willen abhängig mache, dann könne weder die Vernunft noch die Moral zum wahren und verläßlichen Maßstab menschlichen Denkens und Handelns werden. Gott werde zum Willkürgott, und die Frage nach der Vernunft der Welt müsse

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als sinnlos verworfen werden. Deshalb sei es unerläßlich, daß die göttlichen Gedanken als Prädikate und nicht als Willensäußerungen Gottes betrachtet würden. Allerdings bleibt die Behauptung, die göttlichen Prädikate seien dem Menschen als ewige Wahrheiten zugänglich, ein unbeweisbarer frommer Wunsch des Rationalisten Leibniz. M § 47: Die so antivoluntaristisch stabilisierten göttlichen ewigen Wahrheiten werden nun als die von Gott, der „Unité primitive ou la Substance simple originaire“, ausgehenden Geistes-Blitze (Leibniz weiß um die Metaphorik) beschrieben, die den geschaffenen oder „derivativen“ Monaden ewig mitgeteilt werden, weil diese durch ihre geschöpfliche Rezeptivität wesentlich begrenzt sind. Hier werden zunächst wichtige Begriffe von Einheit und Ursprung für den Gottesbegriff zusammengestellt: Unité primitive, Substance simple originaire. Die Terminologie „Grund – cause – causa“ taucht aber nicht auf. Es ist auffällig, daß Leibniz sie zu vermeiden versucht. Möglicherweise liegt das daran, daß er großen Wert darauf legt, daß sein Gottesbegriff nicht in die Nähe des spinozistischen gerät. Spinozas pantheistischer Gottesbegriff war wesentlich durch „causa“ bestimmt worden. Für Leibniz produziert die göttliche „Substance simple“ die „geschaffenen“ oder „derivativen“ Monaden. Das ist eine interessante Doppelung von Attributen. Es ist nämlich nicht ganz klar, ob es sich bei den Monaden um Schöpfungen handelt oder ob das „derivativ“ eher auf Emanation zielt – und in der Tat hat Leibniz’ Schöpfungstheorie genau diese Ambivalenz. Jedenfalls sind Gedanken Gottes die ewigen Wahrheiten, die als andauernde Erleuchtungen – Leibniz’ Metapher ist „ständige Blitze“ – den Monaden, die jetzt völlig als potentia passiva erscheinen, mitgeteilt werden. Wenn die Monaden denken, tun sie das, indem sie am göttlichen, ewig einen Denken teilhaben. Diese Gedanken sind dann der aktuelle Vollzug der ewigen Wahrheiten, die für alle gleich und in ihrer Wahrheit für alle verbindlich sind. Die Idee einer einheitlichen Weltseele und Wahrheit, die für alle dieselbe ist, galt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als häresiegefährdet; als „averroistisch“. Eine einheitliche Weltseele gefährde die Individualität der Einzelseelen. Leibniz sieht diese Gefahr für sich nicht, denn durch die vollständige Prädikation jedes Individuums im Geist Gottes ist die Unsterblichkeit der Einzelseele garantiert. Allerdings bleibt die Frage offen, wie sich die Passivität des Denkens der Monaden, die in diesem Paragraphen behauptet wird, mit der Definition verträgt, daß Monaden zugleich Kraftpunkte sein sollen. Die Lösung kann

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nur in der Idee der vollständigen Definition der Monade durch Gott liegen: Gott teilt den individuellen Monaden im Moment ihrer Konzeption alle seine Wahrheiten mit, diese bleiben ihnen erhalten – so sind sie zugleich absolut passiv in ihrer Dependenz vom Absoluten und absolut aktiv in ihrer kontingenten Eigenexistenz. M § 48: Dieser Abhängigkeitsprozeß der Monaden wird wie folgt beschrieben: In Gott gibt es eine Kraft, die die Quelle von allem ist, aus dieser Kraft kommt zunächst die Erkenntnis, dann der Wille. Der Wille bewirkt die Veränderungen oder die Schöpfungen nach dem Prinzip des Optimismus. Dieser Kraft Gottes entsprechen die Monaden, deren Wesensgrund (fond) darin besteht, sich auf die Formung durch die göttliche Kraft zu beziehen. In diesem Formungsprozeß nimmt die Monade die göttliche Perfektion auf und wird zur Entelechie. Diese Entelechie ist Imitation (im Konzept steht auch „Limitation“) der göttlichen Perfektion. Hier geht es um den Kraftbegriff, den Leibniz so faßt, daß er den göttlichen Eigenschaften Vernunft und Wille zugrunde liegt. Leibniz hatte sich auf diesen Begriff schon im Zusammenhang seiner Diskussion des cartesischen Dualismus zwischen res cogitans und res extensa gestützt (De primae Philosophiae emendatione et de Notione Substantiae, 1694, GP IV 469). Er nimmt zunächst noch einmal die Quellenmetaphorik auf: Die Kraft sei die Quelle von allem (source de tout); vorher hatte er erwogen, sie sei Quelle der Existenz (source de l’existence), aber diesen Gedanken hat er nicht weiterverfolgt. Aus dieser göttlichen Kraft erwächst für Leibniz zunächst die Vernunft, die die einzelnen Ideen (le détail des Idées) enthält, und dann, an zweiter Stelle, der Willen. „Dieser Wille bewirkt die Veränderungen nach dem Prinzip des Optimismus.“ Das Wollen, das sich nach einem Prinzip richtet, ist der Vernunft unterworfen; Wille ist hier die Kraft der Realisierung des Möglichen, keine Kompetenz zu alternativen Entscheidungen. Die Korrespondenz von göttlicher vernünftiger Realisierungskraft und passiven Monaden ist hier ganz nach dem Muster des aristotelischen Hylemorphismus gestaltet, die Monaden entsprechen der materia. Ihnen wird die potentia passiva zugesprochen, die darin besteht, sich nach der Formung zu sehnen. Das ist das alte Motiv der Leidens- und Informationssehnsucht der Materie nach dem Geist, eine Idee, die Avicebrol (Ibn Gabirol, †1058/59) in der Fons Vitae formuliert hatte. Das Ergebnis dieses Informationsprozesses sind die Monaden, deren Perfektion Leibniz mit dem aristotelischen Begriff „Entelechie“ beschreibt. Der Begriff Entelechie, den Leibniz auch in De primae Philosophiae emen-

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datione et de Notione Substantiae (GP IV 469) verwendet, ist ein Schlüsselbegriff Leibnizens für die Monadologie. Der griechische Begriff bedeutet, daß ein Ding seine Vollendung in sich hat. Leibniz fügt auch die lateinische Übersetzung des Renaissance-Aristotelikers Hermolaus Barbarus (1454– 1493) an: „perfectihabies“. Während Aristoteles den Begriff Entelechie ganz biologistisch und naturphilosophisch verwendet, daß nämlich jedes Lebewesen seinen Bauplan in sich habe und ihn in seinem Leben erfülle, theologisiert Leibniz diesen Begriff durchaus in der Tradition der christlichen Schöpfungslehre. Entelechie ist dann Imitation (im Konzept steht auch „Limitation“, Begrenzung) der göttlichen Perfektion. Die Doppeldeutigkeit von Limitation und Imitation ist für die Theologisierung des Begriffs durchaus kennzeichnend: Die Entelechien sind der begrenzte, endliche Spiegel der göttlichen Unendlichkeit.

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Gottes Wahl der besten aller möglichen Welten (§§ 46, 53–55, 58 f.)

Leibniz gliedert sein in den Paragraphen 46, 53–55 und 58 f. behandeltes berühmtes Lehrstück von Gottes Wahl der besten aller möglichen Welten in mehrere Fragestellungen: Wie verhält sich der Wille Gottes zu den ewigen und zufälligen Wahrheiten? Wie trifft Gott seine Wahl in Bezug auf die Schöpfung? Wie ist diese Wahl im Wesen Gottes begründet? Was zeichnet die beste aller möglichen Welten vor allen anderen möglichen Welten aus? Inwiefern herrscht in ihr vollkommene Harmonie? Der folgende Kommentar hält sich an diese Einteilung und folgt der Reihenfolge ihrer Erörterung in der Monadologie. Deshalb wird (1.) Leibniz’ Kritik von Voluntarismus und Nezessitarismus dargestellt, (2.) das Konzept der in den Ideen Gottes residierenden möglichen Welten und ihrer Vollkommenheitsgrade erörtert und (3.) dieses dann auf Gottes eigene Vollkommenheiten bezogen. Daraus ergibt sich (4.) Leibniz’ Charakterisierung der besten aller möglichen Welten, die (5.) in seinem Begriff der universellen Harmonie zusammengefaßt ist. Dabei werden wir am jeweiligen Ort auch den Hinweisen Leibniz’ nachgehen, mit denen er sich von alternativen Entwürfen seiner Zeit absetzt.

7.1. Notwendige und kontingente Wahrheiten – Leibniz’ Kritik von Voluntarismus und Nezessitarismus (M § 46) Leibniz’ Philosophie ist ohne ihre theologische Komponente nicht zu verstehen. „Ich beginne als Philosoph, aber ich ende als Theologe“ (Bodemann 1966, 58), behauptet Leibniz von sich selbst. Denn in Gott als dem

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einzigen Wesen, das allein aus sich selbst notwendigerweise existiert und bei dem entsprechend Existenz und Wesen nicht auseinander fallen (vgl. M §§ 38, 45), ist alles, was überhaupt existiert, gegründet. Doch ist Leibniz andererseits Philosoph genug, um auch noch die Differenz zwischen dem ens necessarium (vgl. GP VII 261 ff.) und der kontingenten Schöpfung in seiner Philosophie wieder einzuholen. Denn mit seiner Unterscheidung von Gott und Welt soll sich der „letzte Grund aller Dinge“ (M § 38) gerade nicht in einem unzugänglichen theologischen Mysterium verlieren. Zugleich aber muß es darum gehen auszuschließen, daß die Schöpfung aus derselben Notwendigkeit heraus existiert wie Gott selbst, denn für sie gilt, daß sie auch nicht und auch anders sein könnte, als sie ist. Um also weder den Grund der Wirklichkeit voluntaristisch in einer unzugänglichen potentia Dei absoluta auflösen noch die Schöpfung nezessitaristisch als notwendige Folge der Existenz Gottes auffassen zu müssen, unterscheidet Leibniz in M § 46 die Abhängigkeit, in der die ewigen Vernunftwahrheiten von Gott stehen, von der Abhängigkeit der zufälligen Tatsachenwahrheiten. Damit bezieht Leibniz Stellung in einem in der zeitgenössischen Philosophie des 16. und 17. Jahrhunderts neu aufgeflammten Streit um die Frage, nach welchen Vernunftgründen Gott die Welt geschaffen hat und wie sich diese Vernunftgründe zu seinem als schlechthin frei zu fassenden Willen verhalten. Die scholastische Theologie hatte die Differenz zwischen Können und Wollen Gottes als den Grund dafür bestimmt, daß die Welt in ihrem Dasein und Sosein weder grundlos noch unvermeidlich ist, sondern sie auf eine freie, aber absichtsvolle Handlung des Schöpfers zurückgeführt werden muß. Insofern Gott Allmacht zugeschrieben werden muß, kann er alles, was er will. Doch wenn man daran festhalten will, daß Gott nicht notwendigerweise das schaffen mußte, was er konnte, muß darüber hinaus gesagt werden, daß Gott nicht alles will, was er kann. Die Kontingenz der Welt ist so begründet durch die Differenz von Wollen und Können des Schöpfers, von velle und posse. (Zur Systematik von Verstand (Wissen), Wille (Wollen) und Macht (Können) s. u. unter 7.3.) Diese Differenz wird zugunsten des velle gesteigert durch den Voluntarismus der spätmittelalterlichen Scholastik, die die Voraussetzungslosigkeit des göttlichen Wollens betont. Dagegen erhebt die spanische Barockscholastik im 16. Jahrhundert Einspruch und eröffnet damit eine neue Debatte der alten Fragen, die auch Leibniz wohl vertraut ist (vgl. Knebel 1991). Gegen eine voluntaristische Auffassung der notwendigen Wahrheiten wird betont, daß deren Gültigkeit in ihrer Wahrheit selbst begründet ist und nicht auf einen willkürlichen, unableitbaren Schöpferratschluß zurückgeführt werden darf. Es gibt ewige

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Wahrheiten, an die jeder Verstand, auch der göttliche, gebunden ist. Nicht nur, weil Gott sie so will, kommt ihnen ewige Wahrheit zu, sondern durch sich selbst. Diese Debatte, ob und in wieweit die ewigen Wahrheiten der göttlichen Allmacht und ihrem freien Willensentschluß vorgegeben seien, wird nun von Descartes und seinen Anhängern aufgegriffen, die – und dies ist in seiner Radikalität ein spezifisch neuzeitlicher Ansatz – die Geltung aller Wahrheiten auf den unbedingten Willen Gottes zurückführen und damit gegenüber aller menschlichen Bedingtheit sichern wollen. So schreibt Descartes schon 1630 an Mersenne, daß selbst „die mathematischen Wahrheiten, die Sie ewige nennen, von Gott gestiftet worden sind und gänzlich von ihm abhängen, ebenso wie alles übrige Geschaffene“ (AT I 145). Denn „die ewigen Wahrheiten […] sind wahr oder möglich, weil Gott sie als wahr oder möglich kennt. Sie werden dagegen nicht deshalb von Gott als wahr erkannt, weil sie gleichsam unabhängig von ihm wahr wären“ (AT I 149). Sie sind also ganz und gar auf die Existenz Gottes bezogen, so daß, „wenn es Gott nicht gäbe, es auch keine von diesen Wahrheiten gäbe“ (AT I 150). Für uns als geschaffene endliche Wesen allerdings gilt in der Tat, daß die von Gott festgesetzten Vernunftwahrheiten ewige Gültigkeit haben, weil Gott sie als für uns unhintergehbar für alle Ewigkeit festgesetzt hat. Sie sind also „deshalb unabänderlich und ewig, weil Gott es so gewollt und so angeordnet hat“ (AT VII 380). Ihre für uns geltende Notwendigkeit und Ewigkeit gründet sich in Gottes Willen, ohne daß dieser dazu genötigt wäre: „Und wenn Gott auch gewollt hat, daß einige Wahrheiten notwendig seien, so heißt das nicht, daß er sie notwendigerweise gewollt hat; denn es ist etwas ganz anderes, zu wollen, daß sie notwendig seien, und es notwendigerweise zu wollen oder genötigt zu sein, es zu wollen“ (AT IV 118 f.). An dieser voluntaristischen Theorie der ewigen Wahrheiten hält Descartes bis zum Ende seines Lebens entschieden fest, wenn er noch 1648 an Arnauld schreibt, „daß jeder Grund der Wahrheit oder des Guten von seiner [Gottes] Allmacht abhängt“, so daß Gott sogar bewirken könnte, daß eins und zwei nicht drei seien, auch wenn das „einen Widerspruch in meinem Denken mit einschließt“ (AT V 224), aber eben nur in meinem Denken. Der von Descartes beeinflußte, sich dann aber auch der Mystik seiner Zeit intensiv zuwendende reformierte Theologe und Geistliche Pierre Poiret (zu Poiret vgl. Schneider 2003; Schmidt 1961) ist der zweite Opponent, den Leibniz in M § 46 erwähnt. Leibniz bezieht sich wohl auf die 1687 erschienene, sechsbändige „L’Œconomie divine“ (Poiret 1687).

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Daß er dieses Werk und die für die Frage nach den ewigen Wahrheiten einschlägigen Passagen kannte, zeigt schon sein Brief an Th. Burnett vom 29. Dezember 1707 (GP III 315), in dem Leibniz seine Wertschätzung Poirets zum Ausdruck bringt, aber auch kritisch auf Band I, Kap. 3, 11 des Werkes und damit auf eine für die Frage nach den ewigen Wahrheiten einschlägige Stelle verweist. Poiret argumentiert gegen die Auffassung, es gebe ewige Ideen und Wahrheiten, die mit dem Wesen Gottes gleich ursprünglich und deshalb auch für Gott selbst unveränderlich seien. „Diese Überlegungen sind alle falsch, und sind auf falschen Prinzipien und auf der Unkenntnis Gottes gegründet“ (Poiret 1687, 58). Die einzige ewige Idee ist die Idee, die Gott von sich selbst hat und in der er sich selbst erkennt. Alles andere hat nicht an seiner Essenz Teil, sondern ist von ihm in souveräner Freiheit gesetzt. Und wie Descartes betont Poiret, daß die durch die Beschlüsse Gottes festgesetzten Wahrheiten nur in dem Sinne ewig sind, daß sie für uns unhintergehbar gelten, weil ihnen keine Zeit vorhergeht und sie kein Ende haben. An der „reinen Ewigkeit des göttlichen Wesens“ aber haben sie keinen Anteil (Poiret 1687, 60). Poiret bezeichnet deshalb die ewigen Wahrheiten als ein „concept arbitraire“, denn sie entstehen „auf eine zufällige Weise, die allein von der Verfassung und dem Wohlgefallen der Freiheit Gottes abhängt“ (Poiret 1687, 62). Gegen diesen Voluntarismus cartesischer Prägung, der auch die ewigen Wahrheiten als Dekrete der göttlichen Willkür versteht, bringt Leibniz seine modallogisch präzisierte Unterscheidung von Vernunft- und Tatsachenwahrheiten in Anschlag (vgl. M § 33), wobei er durchgängig für Vernunftwahrheit auch notwendige oder ewige Wahrheit, für Tatsachenwahrheit auch mögliche oder zufällige (kontingente) Wahrheit als Synonym gebrauchen kann (vgl. z. B. GP VII 309). Er definiert die Vernunftwahrheiten als diejenigen Wahrheiten, die deshalb notwendig sind, weil ihr Gegenteil einen Widerspruch erzeugen würde, so daß ihre Verneinung unmöglich ist. Ihr gemeinsames Merkmal ist es, daß sie durch formale Analyse auf basale Axiome, Prinzipien und Identitätsaussagen zurückgeführt werden können. Es handelt sich dabei vornehmlich um die Gesetze des Verstandes und der Logik, die ihrerseits nicht wieder unter Berufung auf die Vernunft bestritten werden können (M §§ 33–35). Darüber hinaus gilt, daß die Vernunftwahrheiten gleichursprünglich mit Gott als die Ideen seines Verstandes existieren, sie also nicht auf die Seite der Geschöpfe gehören. Ihnen stehen die kontingenten Tatsachenwahrheiten gegenüber, die sich auf „das Universum der Geschöpfe“ (M § 36) beziehen. Ihr Gegenteil ist

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stets ohne Widerspruch denkbar und deshalb möglich, da alles, was tatsächlich existiert, auch anders oder gar nicht existieren könnte, ohne daß ein logischer Widerspruch auftritt. Die Tatsachenwahrheiten können wir nicht a priori durch begriffliche und logische Verstandesoperationen ergründen, sondern nur a posteriori als Tatsachenwissen verifizieren. Insofern sie etwas kontingent Wirkliches bezeichnen, das Existenz mit einschließt, kann sich ihre Verneinung auch nur auf dessen tatsächliche Existenz beziehen und führt damit nicht in den Raum des Unmöglichen, sondern in den Bereich des Möglichen, das aber nicht wirklich ist. Damit ist die entscheidende Frage in Bezug auf die Tatsachenwahrheiten die, warum gerade das verwirklicht wurde, was unsere Wirklichkeit in ihrem Sosein ausmacht, und nicht die dazu alternativen Möglichkeiten. Die Welt, wie wir sie sehen und erfahren, ist kontingent, denn alles, was ist, könnte auch nicht sein und müsste nicht so sein, wie es ist (M § 37 ff.). Für Leibniz ist es „offensichtlich, daß Zeit, Raum und Materie, die in sich selbst eins und gleichförmig und gegen alles andere gleichgültig sind, auch ganz andere Bewegungen und Gestalten in einer ganz anderen Ordnung hätten annehmen können“ (T § 7, GP VI 106). Es muß deshalb der zureichende Grund für die konkrete Existenz der Gestalten der Wirklichkeit außerhalb der Reihe dieser Gestalten liegen. Die Frage nach dem Grund des Seienden ist deshalb immer die Frage nach dem zureichenden Grund (principium reddendae rationis sufficientis, vgl. M § 32), der den jenseits der Schöpfung in sich selbst begründeten Schöpfer bestimmt hat, angesichts einer Vielzahl von Möglichkeiten genau diese Reihe der Dinge wirklich werden zu lassen, die unsere Wirklichkeit ausmacht. Während Leibniz die ewigen Vernunftwahrheiten dem Verstand Gottes zuschreibt, dessen innerer Gegenstand sie sind, so daß sie mit Gott gleichursprünglich existieren, sind die kontingenten Tatsachenwahrheiten Gottes Willen zuzuordnen, weil in ihrem Fall nicht der Intellekt des vollkommenen Wesens durch rein logische und deshalb alternativlose Zusammenhänge bestimmt ist, sondern sein Wille aus der Fülle der möglichen Alternativen konkreter Existenz diejenigen auswählt, die als Gegenstand seiner Schöpfungsabsicht in Betracht kommen. Und während ein Verstand durch Wissen und Weisheit gekennzeichnet ist, wird ein Wille durch moralische Gründe bestimmt und ist dadurch ausgezeichnet, daß er sich auf das Gute richtet. Und wie das Wissen um alles Mögliche die Vollkommenheit des göttlichen Verstandes ausmacht, so macht das ausschließliche Streben nach dem Guten die Vollkommenheit des göttlichen Willens aus. Diese Bestimmung des göttlichen Willens, die ihn in vollkommener Weise auf das Gute und nichts als das Gute als dem Ziel des göttlichen

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Handelns ausrichtet, nennt Leibniz auch das Prinzip der Angemessenheit (principe de la convenance oder principium convenientiae, z. B. GP VI 444) oder die Wahl des Besten (le choix du meilleur, T § 351, GP VI 323). Während es in der Kategorie der notwendigen Wahrheiten keine Freiheit geben kann, weil hier ein strenges Entweder-Oder zwischen dem Widerspruchsfreien und dem Widersprüchlichen statthat, gibt es im Bereich des Möglichen, das rein formal gleichberechtigte Alternativen umfaßt, eine freie Wahl (deliberatio), die das Mögliche nach Gründen seiner Angemessenheit gewichtet. Dabei aber gilt, daß „auch diese Angemessenheit ihre Regeln und ihre Gründe“ (T § 2, GP VI 50) hat, die allerdings komplex und für unsere Vernunft nur in ihren Grundzügen nachvollziehbar sind.

7.2. Mögliche Welten und Gottes Schöpfungsratschluß (M § 53 f.) Die Klasse der Gegenstände, zu denen sich der Wille des Schöpfers wählend verhält, bezeichnet Leibniz mit dem Begriff der möglichen Welten (vgl. zum Folgenden Evers 2006, 24 ff.), der in der Monadologie an dieser Stelle eingeführt wird. Leibniz definiert eine Welt als die „Ansammlung endlicher Dinge“ (GP VII 302) und als „das ganze Universum der materiellen und immateriellen Geschöpfe zusammen vom Anfang der Dinge an“ (GP VII 406). Als mögliche Welten residieren alle vollständigen Ansammlungen von möglichen Geschöpfen seit Ewigkeit in den Ideen des göttlichen Verstandes und erhalten dadurch eine eigene Form von Realität: „possibilia ab aeterno sunt in ideis Divini Intellectus“ (GP VI 440). Dabei gehört es für Leibniz zu den Bedingungen der Existenz der von Gott zu schaffenden Geschöpfe, daß sie nicht in eine bloße Vielheit von getrennten Dingen zerfallen, sondern ein Universum bilden, in dem alles mit allem in Beziehung steht und alles mit allem verträglich sein muß. Von daher gilt, daß alles das, „was existiert, alles das mit einschließt, was mit ihm koexistiert“ (AA VI/4A 875), so daß in dieser universellen Harmonie jede individuelle Substanz durch ihre Beziehungen zu allen anderen Substanzen das Ganze in einer bestimmten perspektivischen Weise ausdrückt (M § 57) Deshalb kann nicht alles schlechthin Mögliche wirklich werden, denn um tatsächlich in Existenz treten zu können, hat jede mögliche Entität Rücksicht zu nehmen auf die Bedingungen der Ko-Existenz, d. h. konkret auf das Zusammensein mit anderen möglichen Geschöpfen in einer möglichen Welt. Leibniz nennt diese Bedingung der Möglichkeit tatsächlicher gemeinsamer Existenz finiter Geschöpfe ihre Kompossibilität und

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warnt davor, sie mit der schlechthinnigen Möglichkeit zu verwechseln (GP III 573). Gott kann nicht alles schlechthin Mögliche Wirklichkeit werden lassen, sondern nur dasjenige, was zugleich, miteinander und auf wechselseitig geordnete Weise möglich ist. Die Grundform geschöpflicher Ko-Existenz ist aber das Zusammensein in Raum und Zeit unter den Bedingungen körperlicher Existenz. Leibniz hat bekanntermaßen den Newtonschen Behälterraum abgelehnt und Raum und Zeit im Unterschied dazu bestimmt als das Relationsgefüge der geschaffenen Dinge. Raum und Zeit sind für ihn „etwas rein Relatives“, wobei der Raum „eine Ordnung des Miteinanders der Existenzen, so wie die Zeit eine Ordnung ihres Nacheinanders ist“ (GP VII 363). Zugleich besteht die Körperbezogenheit der Monaden darin, daß sie zwar wegen des Zusammenhangs von jedem mit jedem jeweils wie in einem Spiegel das ganze Universum darstellen, zugleich aber dasjenige, mit dem sie in besonderer Beziehung stehen, auch besonders deutlich und manches davon als ihren Körper empfinden, über den sie mit dem ganzen Universum in Kontakt stehen (vgl. M § 61 f.). Die Variabilität dieser Universen oder möglichen Welten besteht nun darin, daß eine je unterschiedliche Fülle von Geschöpfen in bestimmter Ordnung realisiert werden könnte. Zwar wäre es grundsätzlich auch vorstellbar, daß Gott reine, miteinander in keiner Verbindung stehende und also raum-, zeit- und körperlose Geister geschaffen hätte (vgl. T § 120, GP VI 172 f.), doch wäre eine solche Schöpfung keine, die Ordnung aufwiese und in der Harmonie möglich wäre. Es gibt also eine Unendlichkeit von möglichen Universen, doch nur diejenigen kommen für den auf das Gute und Geordnete zielenden Schöpfer eigentlich in Betracht, die einen maximal erfüllten und in Weisheit und Harmonie geordneten Gesamtzusammenhang von miteinander, gleichzeitig und in unendlich abgestufter Vielfalt existierenden Wesen darstellen. Die möglichen Welten unterscheiden sich dann untereinander nach Maßgabe der Fülle der Geschöpfe, die sie enthalten, und der Einfachheit, die in ihren Prinzipien herrscht. (Zur Begründung, weshalb gerade Fülle und Einfachheit die Bestheit der Welt ausmachen, s. u. unter 7.4.) Es sind diese nach Vollkommenheitsgraden („degrés de perfection“, M § 54) geordneten möglichen Welten, die den Gegenstand von Gottes Schöpfungswillen bilden. Aus ihnen wählt er diejenige aus, die ihm einem zureichenden Grund dafür liefert, sie ins Dasein treten zu lassen. Denn in seinem Schöpfungsratschluß ist Gott zwar frei, aber eben, wie M § 46 feststellte, nicht unbestimmt. Er folgt in seiner Wahl der Regel des Besten. Gilt schon für den Menschen, daß er immer nur aus Gründen handelt,

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und seien diese ihm auch verborgen, so gilt dies erst recht und in vollkommener Weise für Gott, daß sein Wille als ein aus zureichenden Gründen bestimmter zu denken ist. Freiheit darf auch im Falle des Schöpfers für Leibniz nicht mit Willkür verwechselt werden. Es wäre geradezu vernunftwidrig und unerträglich, einen grundlosen Willen Gottes anzunehmen, der sich als „unbedingt unbedingter Entschluß“ („décret absolument absolu“, T § 338, GP VI 315) äußern würde. Denn dann würde man als Grund aller Existenz nicht „die weiseste Ordnung oder die Vorsehung […], sondern eine Fatalität oder blinde Notwendigkeit“ (GP VII 365) annehmen. Wenn Gott anders könnte, als stets das Beste zu wählen, dann wäre das nicht Ausdruck seiner Freiheit, sondern seiner Unvollkommenheit, dann würde er „ebenso unvollkommen sein wie der Gegenstand seiner Wahl […] und die Weltregierung würde dann gewissen Kartenspielen gleichen“ (GP VI 387). Zum vollkommenen Wissen Gottes, mit dem er in den Ideen seines Verstandes die Fülle aller möglichen Welten unmittelbar erkennt, muß also die vollkommene Güte hinzutreten, die seinen Willen bestimmt. Von daher gibt es so etwas wie eine moralische Notwendigkeit, mit der der Wille Gottes immer das Beste wählt (zum Konzept einer necessitas moralis Dei ad optimum vgl. Knebel 1991), doch diese nur „par analogie“ (GP VII 386) so genannte Notwendigkeit darf eben keinesfalls mit der logischen Notwendigkeit verwechselt werden. Die moralische oder hypothetische Notwendigkeit (vgl. Evers 2006, 42–45), von der ein guter Wille bestimmt ist, schließt nicht aus, daß das ihr Widersprechende möglich ist und bleibt, verwirft es aber als das den guten Gründe Unangemessene. Deshalb kann hier von einer echten Wahl geredet werden, denn auch wenn Gott mit Notwendigkeit das Beste will, so wird dennoch dadurch das Beste selbst nicht notwendig. Es ist wiederholt bemerkt worden (vgl. Axelos 1973, 293–300; Liske 1993, 17–23; Ramelow 1997, 132, 190), daß Leibniz bei diesen Überlegungen zur Freiheit des göttlichen Schöpferhandelns nicht auf die scholastische und bis ins 18. Jahrhundert von aller Schulphilosophie gepflegte Unterscheidung von libertas contradictionis s. exercitii und specificationis s. contrarietatis zurückgreift, die nicht nur für die Erörterung der menschlichen Willensfreiheit einschlägig war, sondern mit deren Hilfe auch die Willensfreiheit Gottes in seinem Schöpfungshandeln differenziert wurde. Leibniz waren diese Distinktionen vom Studium sicher vertraut, finden sie sich doch auch in dem von Leibniz’ Lehrer Johann Adam Scherzer (1628– 1683, Professor der Theologie in Leipzig) kompilierten „Vade mecum sive Manuale philosophicum“ (Scherzer 1996), einem seit 1654 in mehreren Auflagen verbreiteten Lehrbuch der aristotelisch-scholastischen Philoso-

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phie. Leibniz hatte ab 1661 in Leipzig unter Scherzer studiert, besaß seine Lehrbücher (Scherzer 1996, VIII) und nennt ihn in seiner philosophischen Dissertation „meinen Lehrer: Praeceptor meus“ (GP IV 21). Die Freiheit wird bei Scherzer wie auch in den gängigen theologischen Lehrbüchern (vgl. z. B. König 2006, 160 ff.) eingeteilt in die libertas a coactione (Freiheit von äußerer Gewalt) und die libertas a necessitate (Freiheit von innerem Zwang) sowie weitere Freiheitsarten, die in unserem Zusammenhang nicht von Belang sind. Die libertas a necessitate, auch als libertas indifferentiae bezeichnet, wird bestimmt als die „Fähigkeit zu handeln und das Gegenteil zu unterlassen: facultas agendi, & non agendi contrarium“ (Scherzer 1996, 375). Sie gliedert sich in eben die zwei Unterbegriffe der libertas contradictionis und der libertas contrarietatis. Dabei ist die libertas contradictionis zu bestimmen als die auf einander entgegengesetzte Akte bezogene Freiheit, z. B. die Freiheit etwas zu wollen oder nicht zu wollen („velle, & non velle“, ebd.). Es handelt sich also um eine ausschließliche Alternative, so daß sie eben als kontradiktorisch zu bestimmen ist. Die libertas contrarietatis hingegen bezieht sich auf zwei oder mehrere mögliche konträre Handlungsalternativen, die gegeneinander abgewogen werden, so daß der Wille das eine oder andere wollen und die anderen ablehnen kann („velle, & nolle“, ebd.). Insofern sie auf eine bestimmte Handlung zielt, wird sie oft auch libertas specificationis genannt. Auf Gott, den Schöpfer, übertragen bedeutet dies, daß ihm zum einen die schlechthinnige Freiheit (libertas contradictionis) zugesprochen werden muß, nach der es ihm freistand, überhaupt eine Schöpfung ins Dasein zu rufen und er dazu durch keinerlei in ihm vorfindliche Notwendigkeit genötigt wurde. Zum anderen kommt Gott auch die libertas specificationis zu, die Gottes Freiheit bezeichnet, diese oder eine andere Welt mit solchen oder anderen Geschöpfen zum Gegenstand seines Schöpfungsratschlusses zu machen. Für Leibniz dagegen gilt, daß schon die libertas a necessitate, die als libertas indifferentiae eine Indifferenz gegenüber Wollen und Nicht-Wollen voraussetzt, undenkbar ist: „Eine Freiheit der Indifferenz ist unmöglich“ (GP VII 109 u. ö.). Und deshalb gilt sowohl für das Geschöpf als auch für Gott, daß absolute Indifferenz und Unbestimmtheit dem Begriff des Willens widersprechen: „Ein bloßer Wille ohne irgendeinen Beweggrund […] ist eine Erfindung, die nicht nur im Widerspruch zur Vollkommenheit Gottes, sondern auch chimärisch, widersprüchlich und mit der Definition des Willens unverträglich ist“ (GP VII 371 f.). Wahre Freiheit steht nicht im Gegensatz zu Determiniertheit, sondern impliziert im Gegenteil ein Höchstmaß an Bestimmtheit: „Je mehr Substanzen aus sich selbst heraus bestimmt und je weiter sie von der Indifferenz entfernt sind, um so voll-

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kommener sind sie“ (GP VII 109, vgl. auch GP VII 304). Kann Leibniz also schon den Oberbegriff einer libertas a necessitate vel indifferentiae nicht zugestehen, so auch nicht ihre beiden Unterarten. Würde Gott eine libertas contradictionis zugeschrieben, so könnte er sich noch einmal zum eigenen Wollen willentlich verhalten und so in einen unendlichen Regreß der Unbestimmtheit geraten, der ihn zum Inbegriff des Willkürlichen, nicht aber zum Inbegriff des Vollkommenen machen würde. Auch für Gott gilt die von Leibniz seit seinen frühesten Schriften vertretene Einsicht: „Es steht in niemandes Macht zu wollen, was er will“ (A II 1, 117). Würde Gott darüber hinaus eine libertas specificationis zukommen, so stünde es ihm frei, in seiner Schöpfung das Optimum zu unterbieten. Für Leibniz gilt vielmehr, daß der Ausführungsentscheid der Schöpfung direkt abhängig ist vom Spezifikationsentscheid, so daß auch und gerade im Falle Gottes kein mehrstufiges Wollen unterstellt werden darf, mit dem er sich noch einmal von seiner Einsicht in das Gute distanzieren könnte. Weder Leibniz’ Unterscheidung von Intellekt und Willen Gottes und noch die zwischen logischer und moralischer Notwendigkeit läßt deshalb sich auf die Unterscheidung von libertas contradictionis und contrarietatis abbilden. Die Wahl Gottes, mit der er die beste aller möglichen Welten zum Dasein bestimmt, markiert den Übergang von der bloßen Möglichkeit in die tatsächliche Existenz. Denn „sobald Gott etwas zu schaffen beschlossen hat, entsteht ein Streit zwischen all den Möglichkeiten, die allesamt nach Dasein verlangen“ (T § 201, GP VI 236). Leibniz spricht wie hier in M § 54 des Öfteren davon, daß die möglichen Geschöpfe mit Recht zum Dasein drängen: „Alles Mögliche strebt nach Existenz und existiert daher, wenn nicht etwas anderes, das auch zur Existenz strebt, es daran hindert und mit dem ersten unverträglich ist, woraus folgt, daß immer diejenige Verbindung der Dinge existiert, in der am meisten existiert“ (GP VII 194; vgl. auch GP VII 304). Dieses Streben in die Existenz kommt den Ideen der möglichen Welten jedoch nur insofern zu, als sie ihren Seinsgrund im Verstand Gottes haben. Als bloße Ideen haben sie keine Eigentätigkeit, denn hier gilt der Grundsatz: „ideae non agunt. Mens agit“ (GP I 150). Erst in Bezug auf Gott als den, der dafür verantwortlich ist, daß eher etwas existiert als nichts (Leibniz nennt ihn auch den „Existentificans“), wird der Satz „Alles Mögliche drängt in die Existenz: Omne possibile Existurire“ verständlich, denn Gott „macht auch, daß alles Mögliche einen Drang in die Existenz (conatum ad Existentiam) hat“ (alle Zitate GP VII 289). Dieser Drang aber richtet sich nach dem „Maß der Vollkommenheit“ (M § 54), das einer möglichen Welt zukommt und das unter 7.4. näher erläutert wird.

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7.3. Gottes Vollkommenheiten: Verstand – Wille – Macht (M § 55) In den bisherigen Erläuterungen sind schon die drei wesentlichen Bestimmungen des Schöpfers auf dem Plan gewesen, die ihn zum ersten Grund der Dinge machen. Er überschaut erstens die Fülle der Möglichkeiten als das gesamte Reich aller möglichen Welten, die als Ideen seines durch vollkommene Weisheit bestimmten Verstandes in die Existenz drängen. Gott bewertet zweitens die so durchschaute Fülle des Möglichen nach den Regeln des Besten und will als Folge daraus in seinem durch seine Güte bestimmten Willen das Dasein einer, nämlich der besten dieser möglichen Welten, eher als das der anderen. Und drittens kommt ihm die Macht zu, eben diese Welt ins Sein treten zu lassen (vgl. auch M § 48). Diese Trias der göttlichen Eigenschaften wird von Leibniz, im Sinne der theologischen Lehre von den Appropriationen, auf die göttliche Trinität bezogen: Für Leibniz ist die Allmacht insbesondere dem Vater zuzuschreiben, die Allwissenheit (Weisheit) dem Sohn, die Allgüte (Liebe) dem Heiligen Geist (A VI 1, 156, Anm. 22–24). Die Dreiheit von Wissen, Wollen und Können faßt T § 7 auf konzise Weise zusammen, der hier als Kommentar zu diesem Kapitel zitiert werden kann: „denn da die bestehende Welt kontingent ist und eine Unzahl anderer Welten ebenso möglich waren und sozusagen ebenso nach dem Dasein strebten wie sie, so muß die Ursache der Welt auf alle diese möglichen Welten Rücksicht oder Bezug genommen haben, um eine von ihnen zum Dasein zu bestimmen. Diese Rücksicht […] kann nichts anderes als der Verstand sein, der die Vorstellungen von ihnen hat, und die Erwählung einer von ihnen kann nichts anderes als die Tat des Willens sein, der wählt. Aber erst die Macht dieser Substanz macht ihren Willen wirksam. Die Macht geht auf das Sein, die Weisheit oder der Verstand auf das Wahre und der Wille auf das Gute. Ferner muß diese verständige Ursache in jeder Weise unendlich sein und unbedingt vollkommen an Macht, Weisheit und Güte, da sie auf alles geht, was möglich ist. […] Ihr Verstand ist die Quelle der Wesenbeschaffenheiten, ihr Wille der Ursprung der Existenzen. Das ist in wenigen Worten der Beweis für einen einzigen Gott mit seinen Vollkommenheiten und des Ursprungs der Dinge durch ihn“ (T § 7, GP VI 106 f.).

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7.4. Die beste aller möglichen Welten (M § 58) Die Güte Gottes, die seinen Willen beim Schöpfungsratschluß vollkommen bestimmt, ist also auf die Schaffung der besten aller möglichen Welten und damit derjenigen Welt aus, die die größtmögliche Vollkommenheit aufweist. Es ist für das Verständnis entscheidend, diese Vollkommenheit als Eigenschaft der Gesamtwelt zu verstehen (vgl. zum Folgenden Evers 2006, 45 ff.). Die Vollkommenheit einer Welt besteht in ihrer Harmonie und Ordnung und ist jedenfalls etwas anderes als die bloße Addition der Vollkommenheiten der Einzelgeschöpfe. Leibniz bestimmt nun diejenige als die beste aller möglichen Welten, in der eine Ordnung nach einfachen Prinzipien zugleich die größtmögliche Fülle unterschiedlicher Geschöpfe hervorbringt, so daß sie „zu gleicher Zeit die einfachste den Hypothesen nach, aber die reichste den Erscheinungen nach ist“ (D § 5, GP IV 431). Einfachheit und Fruchtbarkeit (T § 208, GP VI 241: „la simplicité et la fécondité“) sind dann die beiden Hauptbedingungen für die Hervorbringung der größtmöglichen Vollkommenheit, der universellen Harmonie. Von daher begründet sich nach Leibniz die Fülle der geschöpflichen Gestalten von der unbelebten Natur über Pflanzen und Tiere bis hin zum Menschen. Denn, so sein Beispiel in T § 124 (GP VI 179), wie tausend identische Kopien des Vergil keine Bibliothek machen, so wäre auch z. B. die bloße Ansammlung unfehlbarer Geistwesen keine Schöpfung, der Ordnung und Harmonie zugesprochen werden könnten. Und der höchstmöglichen quantitativen Steigerung der Geschöpfe und des Reichtums ihrer Formenvielfalt korrespondiert zugleich der andere Grundsatz, daß diese Fülle dann auf die vollkommenste Weise erreicht wird, wenn dies mit Hilfe eines möglichst geringsten Aufwands geschieht. Zur größtmöglichen Mannigfaltigkeit muß deshalb die größtmögliche Ordnung hinzutreten, und das ist diejenige, die mit möglichst wenigen Grundprinzipien eine möglichst große Fülle von Geschöpfen erzeugt. Der Plan der besten aller möglichen Welten mußte also derjenige sein, „bei dem es die größte Vielfalt im Rahmen der größten Ordnung gab, bei dem Raum, Ort und Zeit am besten genutzt, die größte Wirkung mit den einfachsten Mitteln hervorgebracht […] würde“ (P § 10, GP VI 603). Zu dieser allgemeinsten Vollkommenheit der Schöpfung in ihrer Verbindung von Fülle und Ordnung, die Leibniz mitunter auch das metaphysische Gute nennt (T §§ 118, 209, 247; CD § 29, GP VI 168, 242, 264, 443), tritt in der besten aller möglichen Welten dann noch das moralische und physische Wohlergehen der vernünftigen Geschöpfe, das moralische und physische Gute, durch das Gott „den Geschöpfen die meiste Macht, die höchste Erkenntnis, das

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größte Glück und die größte Güte“ (P § 10, GP VI 603) soweit zuteilt, wie es die allgemeine Vollkommenheit und Harmonie der Schöpfung zuläßt.

7.5. Prästabilierte Harmonie (M § 59) Aus der Vorstellung eines solchen universellen Zusammenhangs, in dem alles mit allem abgestimmt ist, folgt für Leibniz auch eine Lösung des LeibSeele-Problems vermittelst der prästabilierten Harmonie, der zufolge alle inneren Entwicklungen einer Monade mit denen aller anderen in Korrelation stehen. Zwar haben Monaden keine Fenster (vgl. M § 7), so daß sie allein ihrem inneren Prinzip folgen (vgl. M § 11) und nicht direkt aufeinander einwirken können. Doch aufgrund der von Gott bei seinem Schöpfungsratschluß durch die allgemeinen Ordnungsprinzipien etablierten Harmonie vollziehen sich die Entwicklungen aller Monaden so aufeinander abgestimmt, daß auch das Reich des Seelischen, d. h. der Perzeptionen und Apperzeptionen (vgl. M § 19), mit dem Reich des Körperlichen vollkommen übereinstimmt bis dahin, daß auch das Reich der Natur und das Reich der Gnade vollkommen miteinander harmonieren (vgl. M § 87). Diese Auffassung, die Leibniz unter dem Titel „Système nouveau“ 1695 in zwei Teilen im Pariser Journal des Savants veröffentlicht hatte (GP IV 477 ff.), war von dem französischen Schriftsteller und Philosophen Pierre Bayle in dessen 1697 erschienenen Dictionnaire historique et critique kritisiert worden (Bayle 2003). In der Anmerkung H zum Artikel Rorarius stellte Bayle Leibniz’ Lösung der Verbindung von Leib und Seele grundsätzlich in Frage und erweiterte seine Kritik noch in der der zweiten, verbesserten Auflage des Dictionnaire zugefügten Anmerkung L. Auf beide Kritiken reagierte Leibniz mit ausführlichen Erwiderungen (GP IV 517 ff. und 554 ff.). Bayle, als Hugenottischer Protestant aus Frankreich nach Holland geflohen, suchte in seinen von einem breiten gebildeten Publikum rezipierten Schriften jegliche Form von dogmatischem Systemdenken in Frage zu stellen und durch historische Analyse der einander widersprechenden Meinungen skeptisch aufzulösen. Mit diesem Vorgehen war er von großer Bedeutung für die frühe Aufklärung, und auch Leibniz hat sich viel und intensiv mit ihm auseinandergesetzt. Nicht zuletzt ist Leibniz’ Hauptwerk, die Theodizee, der Auseinandersetzung mit Bayle geschuldet. Bayles Haupteinwand ist der, daß eine in der Schöpfung erfolgende Abstimmung aller Geschöpfe „die Macht und die Weisheit der göttlichen Kunst über alles Vorstellbare hinaus erhebt“ (Bayle 2003, 331). Denn es widerspre-

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che der Natur geschöpflicher Gegenstände, wenn ihnen auf wunderbare Weise von Gott eingeprägt würde, daß sie ohne äußere Einflüsse rein aus sich selbst heraus eine Mannigfaltigkeit von komplexen Veränderungen zeigen. Außerdem wendet Bayle gegen Leibniz ein, daß, wenn Monaden nicht zusammengesetzt sind und nicht aufeinander wirken können, sie sich auch nicht entwickeln können, sondern immer denselben Zustand zeigen müssten. Damit bestreitet er, daß die vollkommene Bestimmung der Schöpfung zum Guten, wie Leibniz sie entworfen hatte, überhaupt konsistent gedacht werden kann. Leibniz hält dagegen daran fest, daß für den unendlichen Geist Gottes die Möglichkeit besteht, alles in vollkommener Ordnung und Harmonie aufeinander abzustimmen, ist doch schon für einen menschlichen Ingenieur im Prinzip anzunehmen, daß er z. B. das Verhalten eines von einem Seemann gesteuerten Schiffs, das in einen Hafen einläuft, mechanisch nachbauen könnte, ja, daß er „sogar einen Körper bilden könnte, der imstande wäre, einen Menschen nachzumachen“ (GP IV 556). Um wie viel mehr muß dann der Schöpfer in der Lage sein, den Einheiten des Seins, den Monaden ein solches Gesetz einzuprägen, das alles enthält, was ihnen zustößt. Zugleich lehrt uns aber die innere Erfahrung, daß unsere Perzeptionen und Apperzeptionen „so vonstatten gehen, als ob es keinen Körper gäbe“ (GP IV 560), so daß sie aus uns selbst hervorgehen und doch immer mit den Verläufen der körperlichen Phänomene zusammenstimmen. Es ist nicht nur denkbar, daß diese inneren Vorgänge und alles übrige Geschehen des Universums von Gott vor aller Schöpfung harmonisch aufeinander abgestimmt wurden, es ist unter der Voraussetzung der Vollkommenheit des Schöpfers unvermeidlich. Wegen dieser prästabilierten Harmonie aber stehen alle Monaden jeweils mit dem ganzen Universum in Verbindung, so daß sie so etwas wie unter einem perspektivischen Gesichtspunkt konzentrierte Universen, Welten in geraffter Form (vgl. GP IV 562) darstellen. Das entfalten die folgenden Kapitel (M § 60 ff.).

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Literatur AT = Descartes, René: Œuvres de Descartes Bd. I–X, hrsg. v. Charles Adam, Paul Tannery, Paris 1982–1989. Axelos, Christos 1973: Die ontologischen Grundlagen der Freiheitstheorie von Leibniz, Berlin. Bayle, Pierre 2003: Historisches und kritisches Wörterbuch. Eine Auswahl, übers. und hrsg. v. Günter Gawlick u. Lothar Kreimendahl, Darmstadt. Bodemann, Eduard 1966: Die Leibniz-Handschriften der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Hannover, Hannover 1889; Nachdruck Hildesheim. Evers, Dirk 2006: Gott und mögliche Welten. Studien zur Logik theologischer Aussagen über das Mögliche, Tübingen. Knebel, Sven K. 1991: Necessitas Moralis ad Optimum. Zum historischen Hintergrund der Wahl der besten aller möglichen Welten. In: Studia Leibnitiana 28.1, 3–24. König, Johann F. 2005: Theologia positiva acroamatica (Rostock 1664), hrsg. und übers. v. Andreas Stegmann, Tübingen. Liske, Michael-Thomas 1993: Leibniz’ Freiheitslehre, Hamburg. Poiret, Pierre 1687: L’Œconomie divine, ou Système universel et démontré des œuvres & des desseins de Dieu envers les homme. Tom. I+II: L’œconomie de la création de l’homme. Où, après les démonstrations de l’existence & de la nature de Dieu, l’on découvre l’origine & les propriétés des idées & de tous les estres et particulièrement de l’homme …, Amsterdam. Ramelow, Tilman 1997: Gott, Freiheit, Weltenwahl, Leiden, New York, Köln. Russell, Bertrand 21937: A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz, London. Scherzer, Johann 1996: Vade mecum sive Manuale philosophicum, hrsg. u. mit einer Einl. vers. v. Stefan Meier-Oeser; photomech. Nachdruck d. Ausg. Leipzig 1675, Stuttgart-Bad Cannstatt. Schmidt, Martin 1961: Art. Poiret, Pierre, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl. 1961, Bd. V, hrsg. v. Kurt Galling, Tübingen, 424 f. Schneider, Hans 2003: Art. Poiret, Pierre, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. VI, hrsg. v. Hans Dieter Betz, Tübingen, 1437 f.

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Monaden als lebendige Spiegel des Universums (§§ 56 f., 60–63, 83)

8.1. Einleitung Leibniz bezeichnet die Monade in zahlreichen Texten als einen lebendigen Spiegel des Universums. Diese Metapher durchzieht das gesamte reife Werk von Leibniz, angefangen vom Discours de Métaphysique bis zu den Briefen an Clarke. In der Monadologie verwendet er diese Bezeichnung in dieser oder ähnlicher Form sogar vier Mal (M §§ 56, 63, 77, 83). Dieser Ausdruck soll hier im folgenden als Leitfaden der Untersuchung dienen und mit verschiedener Akzentsetzung zur Formulierung der Fragestellung dienen: Was heißt es, daß die Monade ein Spiegel der Welt ist? Inwieweit ist sie ein Spiegel der Welt und nicht etwa nur der unmittelbar betrachteten Gegenstände? Und wie ist es zu verstehen, daß die Monade ein lebendiger Spiegel ist? Da Leibniz diese Metapher in der Monadologie selbst weder erläutert noch herleitet, müssen andere Texte zum Verständnis herbeigezogen werden. Dabei fällt auf, daß Leibniz dort mindestens vier verschiedene Begründungen anführt: Erstens folgert er die These, daß die Substanz ein Spiegel der Welt sei, aus der Fülle der Welt selbst, in der alles mit allem anderen in Verbindung steht (etwa M § 56; P § 3, GP VI 599; GP IV 558); zweitens resultiert sie aus der Annahme des perfekten Schöpfergottes (P § 12, GP VI 603; fünfter Brief an Clarke, GP VII 411); drittens folgt diese These daraus, daß jeder Körper eine Vielheit ist, jede Substanz jedoch eine wirkliche Einheit ist, bzw. daß eine wirkliche Vielfalt nur in Bezug auf eine substantielle Einheit denkbar ist (an des Billettes, 4./14. December 1696, GP VII 452; an die Kurfürstin Sophie, 4. November 1696, GP VII 542 f.); und viertens sieht er sie gelegentlich als Konsequenz daraus,

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daß die Substanzen Spiegel Gottes sind (D § 9; GP VII 543; GP VI 604, 626; während es dagegen in der Monadologie nur heißt, daß nur die Geister (esprits) genannten Substanzen auch die Spiegel Gottes sind, M § 83). Zudem wird die These immer wieder in Zusammenhang damit gebracht, daß Gott die gesamte Welt direkt ausdrückt (SN, GP IV 476; an Bayle, Dezember 1702, GP III 72). Leibniz folgert daraus, daß die Substanz die Welt je aus ihrer eigenen Perspektive ausdrückt, daß jede Substanz gewissermaßen je ein eigenes und „kleines“ Universum für sich ist (bspw.: GP II 457; GP IV 480; GP VI 616; GP VII 566 f.). Alle diese Punkte sollen im folgenden noch aufgegriffen werden. Damit bringt Leibniz die Spiegel-Metapher mit einigen der wichtigsten Thesen seiner Philosophie in unmittelbarem Zusammenhang; jedoch wird sie meistens ohne weitere Begründung postuliert. Zudem erläutert Leibniz diese Metapher oft anhand zweier weiterer immer wiederkehrender Analogien: Erstens anhand eines Betrachters, der dieselbe Stadt aus unterschiedlichen Perspektiven verschieden wahrnimmt (etwa D § 9; M § 57; A VI, 3 524;); zweitens anhand eines Kreises, der um einen Mittelpunkt gezogen und durch diesen bestimmt ist (an die Kurfürstin Sophie, 6 Februar 1706, GP VII 566; an dies., 4. November 1696. GP VII 542. Zur Monade als Punkt siehe den Beitrag von Busche in diesem Band 13–22; 50–55; 71–79). Generell kann man sagen, daß die Metapher eine Doppelfunktion hat und einerseits auf epistemologischer Ebene einen bestimmten Wissensbegriff illustrieren soll – die Subjektivität der Substanz, deren weltumfassendes, gewissermaßen also „totales“, aber zugleich unvollständiges Wissen und ihre sinnliche Wahrnehmung; andererseits auf metaphysischer Ebene einen Aspekt der Substanz beleuchtet, die wesenhaft schon immer weltbezogen ist. (Zu einer weiteren Deutung der Spiegel-Metapher als Ausdruck genuiner Subjektivität siehe Kaulbach 1966.) Die Metapher selbst ist alt und geht in variierender Form und Interpretation bis in die Antike zurück. Für Leibniz mag die neuplatonische Idee, daß die Welt ein Spiegel Gottes ist, ausschlaggebend gewesen sein, die wiederum von Cusanus dahingehend aufgenommen und transformiert wurde, daß der Spiegel bei ihm zur Illustration der Teilhabe des Einzelnen am Einen durch Imitation benutzt wird. Dabei wird die Metapher heute anders verstanden als im 17. Jahrhundert: „Da Glasspiegel bis ins 17. Jahrhundert hinein in aller Regel konvex geformt sind, bezeichnet speculum den Anspruch auf originalgetreue, aber verkleinerte und konzentrierte Reproduktion. Offensichtlich hat auch Leibniz konvexe Spiegel vor Augen, wenn er die Monaden Spiegel des Universums nennt“ (Konersmann 1991, 136).

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8.2. Das Kontinuum und die universelle Harmonie Die Spiegel-Metapher wird in M § 56 wie folgt eingeführt: „Diese Verknüpfung nun oder diese Anpassung aller erschaffenen Dinge an jedes einzelne von ihnen und jedes einzelnen an alle anderen bewirkt, daß jede einfache Substanz in Beziehungen eingeht, die alle anderen ausdrücken und daß sie folglich ein dauernder Spiegel des Universums ist.“ Die Perspektivität, die im nächsten Paragraphen eingeführt wird, soll hier erst einmal außer Acht gelassen werden. Wie ist es zu verstehen, daß jedes Ding mit jedem anderen verknüpft ist? Der Leser wird in der Monadologie wenig überzeugende Antworten finden. In den vorhergegangenen Paragraphen §§ 53–55 begründet Leibniz, daß die Welt insgesamt zur Vollkommenheit strebt. Dies entspricht einer Stelle in den Prinzipien der Natur und der Gnade, P § 12, in denen Leibniz den Spiegelcharakter der Substanzen aus der Vollkommenheit des Schöpfers hergeleitet, doch weder aus dem einen noch aus dem anderen folgt die Verknüpftheit, die Leibniz hier so scheinbar ganz vertraut erwähnt. Wer aber die früheren naturphilosophischen Schriften von Leibniz kennt, der kann eine Argumentation rekonstruieren, die auf zwei miteinander verknüpfte Annahmen zurückgeht: Auf das materielle Kontinuum, also die Ausgefülltheit des Raumes durch Materie, in dem jeder Körper immer unmittelbar und ohne Zwischenglied oder -raum an einen anderen angrenzt (die sogenannte „Kontiguität“ der Materie); und auf die Konstanz der Kraft im Ablauf des Kausalnexus, in dem jeder Effekt immer gleichmächtig (also „äquipollent“) mit der Ursache ist, so daß die Kraft (heute würde man dazu „Energie“ sagen) konstant bleibt im Universum. Die Idee des räumlichen Kontinuums – Leibniz erwähnt bereits in M § 8, daß der Raum ausgefüllt ist, doch auch dort fehlt jede Erläuterung – stammt aus Leibniz früheren Überlegungen zum Kontinuumsproblem, aus seiner Ablehnung des Atomismus und der Möglichkeit eines Vakuums. Ein Grund dabei ist die Überzeugung, daß es nicht möglich ist, ein physisches und mithin ausgedehntes Ding zu denken, daß nicht teilbar ist. Leibniz entwickelt deshalb eine Theorie der Materie, die in einer Kontinuumsphysik resultiert und nach der die Materie bis ins Unendliche hin teilbar ist, ohne daß man auf unteilbare Teilchen oder Leerräume stößt (siehe dazu ausführlicher Beeley in diesem Band). Dadurch allerdings wird die Realität der physischen Welt gewissermaßen „abgewertet“, da jede Materie immer als Zusammengesetztes seine bloß derivative Realität aus dem Einfachen erhält und jede Einheit materieller Körper im Kontinuum also nur eine gedachte bzw. funktionale Einheit ist, ein unum per accidens,

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im Vergleich zu den Monaden, denen wirkliche Einheit zukommt, die also je ein unum per se sind. Auf diese Tatsache, daß jeder Körper eine Vielheit ist, den Monaden dagegen immer Einheit zukommt, wird noch zurückgegriffen. Dieser Entwurf einer Kontinuumsphysik führt zu der Annahme, daß jeder Effekt sich in seine unmittelbare Umgebung fortsetzt und so bis in die letzten Winkel des Universums spürbar ist – Leibniz stellt sich das offenbar wie einen Stein vor, der ins Wasser geworfen eine Welle auslöst, die auch an den entlegensten Stellen des Sees noch ankommt, wenn auch nur in winzig kleiner, kaum bemerkbarer Form. Dies führt dazu, daß jedes Ding mit jedem anderen wortwörtlich verknüpft ist, denn eine jede Veränderung wird eine über die Entfernung schwächer werdende, aber nie absterbende Auswirkung haben (vgl. M § 61). Zudem trägt jeder Effekt die Züge seiner Ursache in sich – er ist durch sie bedingt und geprägt, so wie etwa die Welle im See in ihrem Zustandekommen und in ihrer Form, Größe und Ausbreitungszentrum auch durch den geworfenen Stein bestimmt ist. Wer also eine Wirkung genau beobachtet, der kann wenigstens prinzipiell von dieser auf die Ursache schließen, auch wenn die Komplexität der Natur, welche die Endlichkeit des menschlichen Geistes weit übersteigt, dies faktisch nicht immer zuläßt. Leibniz beschreibt diesen grundsätzlich einsehbaren Ursache-Wirkung-Nexus auch so, daß in jedem physischen Effekt „Spuren“ (traces, etwa D § 8) der Ursache verborgen sind. Da der spurentragende Kausalnexus sich aber nicht nur zwischen zwei Ereignissen, sondern schlichtweg über die gesamte Kette allen weltlichen Geschehens überhaupt erstreckt und jedes Ereignis so durch alle anderen Ereignisse geprägt ist, kann die Substanz in jedem Ereignis die Spuren der gesamten Welt erblicken – und sie somit prinzipiell in toto perzipieren. Kein Ereignis kann „verloren gehen“, nichts wird endgültig zerstört, sondern bleibt wenigstens als Spur im Geiste erhalten (A VI, 3, 393). Analog enthält jede Ursache ihren Effekt bereits „virtuell“ (vgl. an Thomas Burnett, 29. Dezember 1707, GP III 315), so daß uns auch die Zukunft nie völlig verborgen bleibt, ist sie doch virtuell schon in der Gegenwart impliziert (vgl. A VI, 3, 511): „Auf solche Weise kann derjenige, der alles sieht, in jedem das lesen, was überall geschieht und sogar das, was geschehen ist oder wird, indem er im Gegenwärtigen das wahrnimmt, was – ebenso in der Zeit wie dem Orte nach entfernt ist.“ (M § 61). Dies erklärt auch, wieso Leibniz den Spiegel-Charakter der Substanzen für den Grund dafür hält, „daß die Dinge nicht anders laufen könnten“ (M § 60). Denn wenn die Spiegelung der Welt durch die Substanz nicht auf das unmittelbar Wahrgenommene begrenzt ist, sondern sowohl räumlich

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als auch zeitlich unbegrenzt darüber hinausgeht, dann steht die Kette der Ereignisse stets schon fest und kann nicht spontan verändert werden – es kann schließlich kein kausal wirksames Ereignis geben, daß nicht selbst wieder kausal vollständig bestimmt ist. Daß dies auch für den höchst ausdifferenzierten leibnizschen Freiheitsbegriff bedeutsam ist, steht auf einem anderen Blatt, hier soll nur angemerkt werden, daß solche Überlegungen Leibniz nicht daran hindern, dennoch an die Freiheit der Lebewesen zu glauben (ausführlichere Erörterungen zur Freiheitsproblematik finden sich u. a. in der Theodizee). Leibniz bezeichnet diese von Gott vorgegebene Ereignisfolge und den lückenlosen Zusammenhang aller Ereignisse auch als „universelle Harmonie“. Aus dieser Tatsache folgert er, „daß jede Substanz genau alle anderen durch die Beziehungen, die es in ihr gibt, ausdrückt“ (M § 59), wobei „ausdrücken“ (exprimere) hier nichts weiter als eine Zuordungsrelation zwischen monadischen und physischen Zuständen bedeutet – die Sustanzen drücken nicht die je internen Zustände der anderen Substanzen aus, sondern die ihnen zugeordneten Körper. Bei dieser Harmonie handelt es sich insoweit um eine „universelle Harmonie“ (M § 59), als es keine radikalen Brüche im Geschehen geben kann – jede Wirkung ist ihrer Ursache ähnlich und die Natur macht keine Sprünge (natura non facit saltus). Diese Facette der prästabilierten Harmonie erlaubt es, daß das Universum immanent auf sich bezogen ist, intern harmonisch strukturiert ist und so erst die insgesamt größtmögliche Perfektion erreichen kann. Gewissermaßen ist die Harmonie des Universums als Ganzes als Möglichkeitsbedingung der Welt zu verstehen, da Gott erst so einen wirklichen Grund dafür hat, die Welt überhaupt zu erschaffen. Es zeichnet den Menschen aus, daß er die Perfektion und Harmonie der Welt erkennen und deshalb Gott loben kann; als Geschöpf verfügt er der Struktur nach über dieselbe Vernunft wie der Schöpfergott selbst, auch wenn nur auf eine endliche und beschränkte Weise. Jetzt wird auch verständlich, warum die Geister, also die vernunftbegabten Substanzen, ein Bild Gottes sind (M § 83): Sie können kraft ihres Geistes die Harmonie des Universums erkennen und daraus auf Gott schließen; und sie erkennen sich selbst als Geschöpfe, die als Wirkungen immer auch Spuren ihrer Ursache in sich tragen.

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8.3. Perzeption und Perspektive Leibniz verfolgt bereits seit den 1670er Jahren die Idee, daß jede Substanz mit wenigstens primitivsten Perzeptionsfähigkeiten ausgestattet sein muß und daß jede zudem an Perfektion gewinnt, je mehr sie von der Welt perzipieren kann. Daraus folgert er später, daß mit der Annahme einer bestmöglichen Welt auch die Reichweite der Substanzen größtmöglich sein müsse. In der Monadologie heißt es dann: „Weil Gott, indem er das Ganze regelte, auf jeden Teil und besonders auf jede Monade achtete, und da es deren Natur ist, die Welt dazustellen, könnte nichts sie darauf beschränken, nur einen Teil der Dinge darzustellen“ (M § 60). Deswegen kann Leibniz die unbegrenzte Reichweite der Perzeptionen durch die größtmögliche Vollkommenheit der Welt begründen, welche wiederum aus der absoluten Perfektion des Schöpfers folgt. Damit kommt es zu einem offenkundigen Problem: Unsere Erfahrung legt uns das genaue Gegenteil nahe, daß wir nämlich nur einen kleinen Ausschnitt der Welt perzipieren. Dies löst Leibniz durch die Unterscheidung zwischen unterschiedlich klaren bzw. bewußten Perzeptionen. Wenn er etwa davon spricht, daß eine Substanz das ganze Universum perzipiert, dann illustriert er das oft mit dem berühmten Beispiel der Perzeption der Wellen am Strand: Diese hören wir nur als verworrenes Rauschen, das zwar nichts als eine „Akkumulation“ der Geräusche von unzähligen einzelnen Wellen ist, die wir aber dennoch nicht einzeln, sondern nur insgesamt wahrnehmen (vgl. in diesem Zusammenhang: D § 33; an Arnauld, 30. April 1687, GP II 91; an Arnauld, 9. Oktober 1687, GP II 113; uvm.). Er bezeichnet solche Perzeptionen als „komplex“ und geht davon aus, daß sie sich aus „kleinen Perzeptionen“ (petites perceptiones) zusammensetzen, die wir zwar prinzipiell einzeln wahrnehmen könnten, würden sie nicht stets in einer für uns verwirrenden und nicht auf ein Mal wahrnehmbaren Vielzahl auftreten oder von „größeren“ Perzeptionen „verdunkelt“ (GP V 121). Die Spiegel-Metapher ist also gerade nicht so zu verstehen, als ob die Substanz stets und unentwegt die gesamte Welt bewußt und klar und deutlich wahrnimmt – ansonsten, so heißt es ganz ausdrücklich in M § 60, wäre die Substanz ja selbst von göttlicher Natur. Dabei unterscheiden sich die Substanzen in ihrer Weise, wie sie die Dinge betrachteten – nicht so, als ob sie über gänzlich andersartige Wahrnehmungen verfügten, sondern so, daß sie sich hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Betrachtungsweise und den Graden der Klarheit voneinander unterscheiden. Diese Differenz der Klarheit der Ausdrucksgehalte der Substanzen ermöglicht die Vorstellung, daß alle Substanzen das Universum als „Ganzes“ (M § 60) darstellen,

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während ihre eigentliche bewußte Wahrnehmung auf die Reichweite ihrer körperlichen Sinne beschränkt ist. Zudem führt Leibniz den Begriff des Gesichtspunkts (point de vue) ein und behauptet, daß jede Substanz quasi ein Universum perzipiert: „Und wie eine und dieselbe Stadt, die von verschiedenen Seiten betrachtet wird, als eine ganz andere erscheint und gleichsam auf perspektivische Weise vervielfacht ist, so geschieht es in gleicher Weise, daß es durch die unendliche Vielheit der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedene Universen gibt, die jedoch nur die Perspektiven des einen einzigen gemäß den verschiedenen Gesichtspunkten jeder Monade sind“ (M § 57). Dieses Beispiel des Betrachters in einer Stadt benutzt Leibniz schon seit den späten 1660er Jahren. Die betrachtete Stadt bleibt stets dieselbe, auch wenn, je nach Position des Betrachters, sich ihre Erscheinung ändert. Dabei ist es hier ganz wörtlich zu verstehen, daß es sich um einen Blick-Punkt handelt, von dem aus die Welt perzipiert wird: Leibniz schreibt ausdrücklich, daß er „in der organisierten Masse“ (des Kopfes) liegt (SN § 14). Die Monade benutzt schließlich ihren eigenen Körper, um die Welt zu perzipieren (M § 62): „Obgleich somit jede geschaffene Monade das ganze Universum vorstellt, so stellt sie doch mit besonderer Deutlichkeit denjenigen Körper vor, der ihr speziell angewiesen ist und dessen Entelechie sie ausmacht“. Die Position des Körpers bestimmt die Perspektive auf die Welt und damit die Deutlichkeit der Perzeptionen. Die einzelnen Sinnesorgane dienen dazu, die Dinge in spezifischer Weise wahrzunehmen: Die Organe der Monade sind so beschaffen, „dass es durch sie hervorgehobene und wohlunterschiedene Gehalte in den Eindrücken, die von den Organen empfangen werden, und folglich in den Perzeptionen, welche diese Eindrücke darstellen, gibt (so wie z. B. vermöge der Gestalt der Augensäfte die Lichtstrahlen konzentriert werden und mit größerer Stärke wirken), so kann das bis zur bewußten Empfindung gehen […]“ (P § 4). Der Körper dient also auch dazu, die Eindrücke der Welt zu selektieren, hervorzuheben und naturgemäß auch zu verdunkeln, er dient als eine Art „Distinktionsmaschine“, als Wahrnehmungsinstrument und -filter. Man kann sagen, daß die Monade zuallererst und am deutlichsten ihren eigenen Körper wahrnimmt und daß die Wahrnehmung des eigenen Körpers epistemologischen Vorrang hat und am deutlichsten erfolgt (M § 62), doch dort enden die Perzeptionen nicht: Durch den Körper ist jedes affizierende Ereignis perzipierbar; und anhand der Spuren, die jedes Ereignis von seiner Ursache in sich trägt, wird die Kette der Perzeptionen in einem vollständig ausgefüllten Universum über den eigenen Körper unendlich weit ausgedehnt (M § 61).

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Die verschiedenen Sinne und ihre je spezifische Deutlichkeit tragen dazu bei, daß wir die Welt unterschiedlich klar oder dunkel (obscure) wahrnehmen. Je weniger klar eine Vorstellung von etwas ist, um so mehr spart sie von dem Ding aus – etwa nehmen wir in einer Temperaturwahrnehmung keinesfalls die einzelnen Schwingungen der Teilchen wahr und wir erkennen auch nicht, so Leibniz, daß ein grüner Gegenstand in Wirklichkeit aus winzigen blauen und gelben Teilchen zusammengesetzt ist (vgl. T § 356). In einer bewußten Vorstellung wird also mehr repräsentiert, als wirklich bewußt wahrgenommen wird (vgl. auch die Darstellung bei Puryear 2008, 244). Die Perspektivität der Betrachtung bezieht sich also nicht nur auf die relative Anordnung der verschiedenen Dinge in der Welt, sondern auch auf die selektive Bewußtwerdung ihrer Eigenschaften, je nach dem, mit welchen Sinnen wir wahrnehmen und welchen Aspekten wir unsere Aufmerksamkeit widmen. Dem Gesichtssinn ist hierbei die wichtigste Rolle zuzugestehen, liefert er doch gewissermaßen den Überblick über die Dinge: „Denn der Gesichtssinn scheint sich zur betrachteten Sache zu verhalten wie derjenige, der eine Stadt von der Spitze eines Turmes herab betrachtet. Das Gehör ist auf derselben Höhe dem von außen Betrachtenden ähnlich. Der Tastsinn gleicht demjenigen, der die Gassen der Stadt im Durchkriechen von nahem berührt.“ (An Thomasius, 26. September 1668, A II 1, 1, 2–8. Für den Hinweis auf diese Textstelle und die Bedeutung der Sinnesorgane für die Spiegel-Metapher danke ich Hubertus Busche.) Leibniz fährt an dieser Stelle damit fort, daß das Akzidens von der Sache selbst lediglich in Hinsicht auf den Wahrnehmenden unterschieden ist, ausgenommen der ersten Qualitäten, wie Größe, Figur und Bewegung. Es gibt also jenseits der Modalitäten der Sinneswahrnehmung noch quasi objektive Eigenschaften der Dinge, wie eben die unreduzierbaren ersten Qualitäten, Größe, Figur und Bewegung. Diese machen die notwendig objektive Grundlage des Strukturmoments der Welt aus, auf das später noch eingegangen wird. Doch diese Perspektivität hat für Leibniz vor allem eine entscheidende Konsequenz: Durch sie wird die Vielfalt der Erscheinungen in der Welt nur noch mehr vergrößert, ohne daß die grundlegende Struktur der Dinge bzw. deren Ordnung sich verändert (M § 58) – und dadurch wird, nach dem leibnizschen Harmoniebegriff, die Harmonie der Welt und somit deren Perfektion erhöht. Die Perspektivität ist als eine Bedingung für die größtmögliche Formenvielfalt auch ein Auswahlkriterium für diese Welt, der besten aller möglichen, und damit wieder eine ihrer Möglichkeitsbedingungen. Perzeptivität ist zudem ein Merkmal der Lebendigkeit: Zuerst gibt es eine in der Monade selbst verankerte Kraft, die Leibniz Appetition nennt

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(oder Appetitus) und die den Übergang von einer Perzeption zur nächsten bewirkt. In anderen Texten bezeichnet er diese Kraft auch als conatus und als primitive aktive Kraft (vgl. etwa GP VII 489; GP II 275). Diese Kraft ermöglicht es, daß der statische vollständige Begriff, welcher die Perzeptionen als Modifikationen der Substanz bestimmt, in einen zeitlich-prozessualen Vorgang des innerweltlichen Erlebens verwandelt werden. Er wird auch mit dem Willen identifiziert (etwa GP VII 330; voluntas, welcher wiederum vom singulären Willensakt zu unterscheiden ist), der die Geistesaktivität ausmacht und damit die, wie man heute sagen würde, Intentionalität von Handlungen mit den kontrollierten oder unkontrollierten Bewegungen des Körpers zu vereinbaren versucht. Die Übereinstimmung der Veränderungen in der körperlichen Substanz ist gleichsam mit den Veränderungen in den Perzeptionen auf ein und dieselbe grundlegende ontologische Entität, nämlich die ursprüngliche primitive Kraft, zurückzuführen. Betrachtet man die ursprüngliche Kraft der Substanzen bzw. ihr dynamisches Moment in Bezug auf den Grundlegungscharakter den Dingen gegenüber (so wie das Zusammengesetzte durch das Einfache bestimmt ist) und klammert dabei den Phänomencharakter der Körper aus der Betrachtung aus, dann nennt man diese Kraft conatus; betrachtet man die Monade als perzipierenden Geist und die Körper als bloße Phänomene, dann wird die Kraft als Appetitus bezeichnet. Jedenfalls liegt in ihr sowohl die Quelle für die zeitliche Prozessualität der Perzeptionen als auch für das physische Geschehen der Welt, was insoweit nachvollziehbar ist, als die Perzeptionen eben vor allem die Welt ausdrücken und die Übergänge von einer Perzeption zur anderen dem ereignis- und geschehnishaften physikalischem Geschehen entsprechen. Diese ursprüngliche, unreduzierbare und als Wille stets auch zielgerichtete Aktivität der Substanz ist für Leibniz ein Aspekt des Lebens. Diese Aktivität bewirkt, daß die Zeitlichkeit ins Spiel kommt und daß Welt nicht etwa in einem statischen Bild repräsentiert wird, wie man es gerade in Anbetracht der Begründungsfunktion des vollständigen Begriffes der Substanz annehmen könnte; sondern daß die Welt gerade in einem kontinuierlichen Wechsel von Ereignissen perzipiert wird, welcher wiederum dem göttlichen Plan für die Welt folgt. Damit stellt Leibniz die Monade als „lebendigen Spiegel“, also als dynamisches und autoaktives (spontanes) Repräsentationssystem anderen, statischen und also „toten“ Systemen wie Tabellen, Graphiken, Texten etc. gegenüber. Und er kann so erklären, warum ich mit meiner willentlich gesteuerten, physischen Bewegung durch die Welt auch die Perzeptionen der Welt ändern kann, weil ich eben das deutlicher wahrnehme, worauf ich meine Aufmerksamkeit richte.

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Doch der oben zitierte § 57 enthält noch einen anderen, aufschlußreichen Ansatz. Leibniz behauptet dort, „daß es durch die die unendliche Vielfalt der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedene Universen gibt“. Die plurale Perspektivität der Welt vervielfacht entsprechend auch die Anzahl der perzipierten Universen. Doch Leibniz macht durch den Ausdruck „gleichsam“ (comme) deutlich, daß es sich hierbei nur um eine Metapher handelt, da es, streng ontologisch gesehen, nur diese eine Welt gibt. Doch wir lernen hier etwas über die Welt, deren Spiegel die Monade ja sein soll: Die Welt wird nicht nur als eine präfigurierte Totalität objektiver Gegenstände gedacht, sondern ist auch als eine Struktur innerhalb der Phänomene zu verstehen. Leibniz verwendet den Begriff der Welt auf zwei verschiedene Weisen: Erstens ist die Welt die Gesamtheit der Erscheinungen bzw. der Modifikationen einer Substanz und damit die Ordnung der Tatsachen und insoweit hat jede Substanz eine eigene Welt (bspw. D § 14). Zweitens ist die Welt die allen Monaden gemeinsame, je isomorphe (also aufeinander abbildbare) Struktur der individuellen Ausdrucksgehalte, also die interindividuell identische Welt, wie sie durch die Modifikationen aller Substanzen ausgedrückt wird (vgl. auch die Darstellung von Herring 1966). Dem liegt die Idee einer Perspektive zugrunde, in der sich die Anordnung der Dinge relativ zum Betrachter zeigt und die es dennoch erlaubt, die eigene Struktur der Wahrnehmungen unter Beibehaltung aller Ding- und Ereignisverknüpfungen auf die anderen Perspektiven je zu übertragen. Leibniz folgert an anderer Stelle (D § 14) aus dem Gelingen der menschlichen Interaktion, daß die Erscheinungen in allen Substanzen zwar jeweils individuell gegeben sind, sich aber gegenseitig entsprechen. Der Bezug der Wahrnehmungen ist derselbe in den Wahrnehmungen der verschiedenen Substanzen, wenn auch die subjektive Erscheinungsweise (Apparenz) jeweils unterschiedlich strukturiert und unterschiedlich deutlich ist: Die Welt als Struktur der Erscheinungen ist kraft der prästabilierten Harmonie zwischen den Substanzen sozusagen intermonadisch identisch. Die Perspektivität jedoch erhöht die Vielzahl der konkreten Formen und damit die Perfektion der Welt. Eine von Fabrizio Mondadori (1994) vorgeschlagene Interpretation von Leibniz’ Spiegelmetapher, die der Substanz einen in gewissem Maße solipsistischen Weltbezug zuspricht, beruft sich auf solche Textstellen, in denen Leibniz die einzelne Substanz als ein kleines Universum, „unabhängig von allen Dingen außer Gott“ bezeichnet (D § 14). Doch dabei gilt es hervorzuheben, daß die je von jeder Substanz perzipierte Welt in sich strukturell identisch ist mit den Welten der anderen Substanzen und daß andere Substanzen zwar nicht je Teile der je eigenen Welt, wohl aber

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Konstituentien dieser sind, da weder die Materialität der Dinge gewährleistet wäre ohne die unendliche Anzahl an körperlichen Substanzen, die sie ausmachen; noch wäre die Möglichkeitsbedingung für die größtmögliche Perfektion erfüllt, so daß eine wirklich solipsistische Welt schlichtweg gar nicht wirklich wäre. Leibniz diskutiert die Möglichkeit eines solchen Solips­ ismus tatsächlich selbst (in GP IV 530), wo er den spekulativ angenommenen Fall betrachtet, daß außer einer Substanz und der von ihr perzipierten Welt alles zerstört sein könnte, ohne daß sich dies auf die Perzeptionen der Substanz auswirken würde. Leibniz lehnt jedoch dort diesen Solipsismus ab mit der Begründung, er würde sich nicht mit den Plänen Gottes und der prästabilierten Harmonie vertragen, die ja gerade die Formenvielfalt in der Welt sichern soll, welche wiederum durch die Perspektivenpluralität zu voller Geltung gelangt. Diese Stelle begünstigt jedoch eine idealistische Lesart der Spiegelmetapher, nach der nicht eine im Sinne des Realismus zu verstehende, präexistente äußere Welt perzipiert wird, sondern nach der die Welt erst durch die Perzeptionen der Substanzen an Sein gewinnt.

8.4. Vielheit in der Einheit – die logischen Grundlagen der Perzeptionen Auch wenn die Substanz die Welt vermittels ihres Körpers perzipiert, so ist doch dieses Perzipieren oder „Ausdrücken“ von einer bewußten Wahrnehmung (apperception) zu unterscheiden – Leibniz definiert: Der „vorübergehende Zustand, der eine Vielheit in der Einheit […] einschließt oder darstellt, ist nichts anderes als das, was man die Perzeption nennt“ (M § 14). Dabei betont er die Bedeutung der gerade nicht bewußten Perzeptionen, die eine wichtige Rolle spielen, wenn es um schlafende Monaden geht – diese perzipieren nämlich immer noch die Welt, allerdings auf eine Weise, die wesentlich undeutlicher ist als die der Wahrnehmungen. Auch Empfindungen sind „mehr“ als bloße Perzeptionen (M § 19), nämlich bewußte und auf den Körper bezogene Perzeptionen. Schließlich ist es die Seele, die die Welt perzipiert und nicht der Körper – sie wird auch (in M § 63) als das „Darstellende“ gegenüber der Welt als dem „Dargestellten“ bezeichnet! Und gerade weil die Monade einen Körper hat, der stets auch vor allem ein Teil der Welt ist, bleibt dieser ihr selbst zwar zugeordnet, aber auch immer bloß äußerlich – und wenn es (in P § 4) heißt, daß die Perzeption „der innere Zustand der die äußeren Dinge darstellenden Monade ist“, dann wird deutlich, daß gerade nicht gemeint sein kann, daß die Perzeptionen etwas Körperliches oder ein Teil des Körpers sein können, sondern

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daß jeder Körper der einzelnen Monade äußerlich ist und selbst wiederum perzipiert wird. Doch wenn der Körper selbst perzipiert wird, wie vermag es denn dann die Seele, die Welt gerade vermittels ihres Körpers zu perzipieren? Hier stoßen wir also an die Grenzen der unter Rückgriff auf die Körperlichkeit erfolgenden Erklärung der Spiegel-Metapher: Während für Leibniz unsere sinnliche Wahrnehmung dezidiert durch die Mechanik (oder vielmehr gewissermaßen durch die Naturwissenschaft im weiteren Sinne) erklärbar ist, so ist dies bei den Perzeptionen gerade nicht mehr der Fall: „So muß man die Perzeption in der einfachen Substanz und nicht in dem Zusammengesetzten oder in der Maschine [die unser Körper ist] suchen“ (M § 17). Und: Selbst wenn man den Körper vergrößern würde, so daß man seine Struktur en detail nachvollziehen könnte, so würde man doch nirgends im Körper die Perzeptionen vorfinden und nichts, was sie erklären könnte (ebd.). Wenn die Substanz also die gesamte Welt perzipiert, dann handelt es sich um ein Verhältnis, das auch auf einer metaphysischen Ebene angesiedelt ist und ohne diese nicht vollständig zu verstehen ist, in dem Verhältnis nämlich zwischen Einheit (in diesem Fall der einfachen Substanz) und Vielheit (Welt). Der Körper nämlich ist selbst als ein Teil der Welt ein perzipiertes Ding: „unsere Sinneswahrnehmungen sind in Wahrheit Seinsweisen der Seele, aber solche, die die [d. i. Seinsweisen] des Körpers darstellen“ (Zusatz zu der Erklärung des Neuen Systems, GP IV 576). Der Körper hat zwar gleichwohl den Sonderstatus, daß sich die Substanz vermittels seiner durch die Welt bewegt und die Perzeptionen der äußeren Dinge stets auf die Perzeptionen der inneren Dinge bezieht – doch der letzte bzw. vollständige Grund der Perzeptionen kann nicht in der welt­lichen Kausalkette liegen, sondern muß außerhalb ihrer, also in der Substanz liegen. Die Körperlichkeit als Medium der Wahrnehmung erklärt das Wie der konkreten Perzeptionen, aber nicht, wie es sein kann, daß die Substanzen überhaupt perzipieren. Die Sinnlichkeit bzw. Körperlichkeit der Substanz als Erklärungsinstanz heranzuziehen hilft uns noch nicht zu verstehen, wie Leibniz die Unterscheidung und die Beziehung zwischen Monade und Welt konzipiert, da der Körper selbst nichts als ein Teil der Welt ist. Erinnern wir uns daran, daß die Monade vor allem über ihre Einheit und Einfachheit definiert wurde (M §§ 1–7). Diese Einheit, die in diesem Zusammenhang relevant ist, kann keine physische Einheit sein, da alles Materielle notwendigerweise ausgedehnt und damit teilbar ist. Sie ist also vor allem auf der begrifflichen Ebene anzusiedeln: Es handelt sich dabei um die Einheit des vollständigen Begriffs, der aus der dritten-Person-

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Perspektive alle Eigenschaften der Substanz bezeichnet, zudem alles, was ihr widerfährt und ebenso alles, zu dem sie in Relation steht – kurz, die ganze Welt in Bezug auf diese eine Substanz (zur weiteren Klärung der grundlegenden monadischen Einheit und ihrem Verwiesensein auf die Vielheit siehe etwa Poser 2001, Rutherford 1995 und Schepers 2001). Dies hat für Leibniz schon immer eine große Rolle gespielt. Im Discours de Metaphysique schließt Leibniz unmittelbar von der Feststellung der Möglichkeit einer a priorischen Einsicht in die Prädikate eines Subjektes auf die Tatsache, daß die Seele des entsprechenden Lebewesens nicht nur Überreste (restes) und Zeichen (marques) all seiner vergangenen oder zukünftigen Widerfahrnisse enthalte, sondern sogar Spuren von allem, was sich im Weltall ereignet („traces de tout ce qui se passe dans l’univers“, D § 8). Ebenso sieht er die Tatsache, daß die Substanz das ganze All auf ihre Weise ausdrückt, als eine Konsequenz der Tatsache, daß jede Substanz durch einen vollständigen Begriff bezeichnet wird (D § 8, 9). Aus einer Bemerkung über die nominale Struktur der Substanz wird so zwei Mal auf deren ontologische Struktur geschlossen, ohne daß Leibniz dies dort für weiter erläuterungsbedürftig hielte. Solche Begründungen müssen meiner Ansicht nach aufgegriffen werden, will man die Thesen der Monadologie nachvollziehen können. Diese Vollständigkeit des vollständigen Begriffs, dem vor allem für die sogenannten „mittleren Jahren“ des leibnizschen Schaffens eine sehr große Bedeutung zugemessen werden muß, bezieht sich nun nicht nur auf die eineindeutige Identifizierbarkeit eines beliebigen Lebewesens aus den unendlich vielen Möglichkeiten aller denkbaren Individuen. Sondern damit ist die auch radikale Vollständigkeit aller Prädikate gemeint: Da ich als Substanz zu jedem Ding in einer raum-zeitlichen Relation stehe, gehören mir alle Prädikate zu, die eben diese Relation bezeichnen – und damit werden auch alle anderen weltlichen Dinge als Prädikate in meinem vollständigen Begriff erfaßt. Die Substanz enthält alle Phänomene schon immer in sich, entweder gegenwärtig-aktuell oder bloß virtuell; nicht als Teile, sondern als unablösbare Modifikationen ihrer selbst, entsprechend der im vollständigen Begriff begründeten Identität der Substanz (siehe für eine in diese Richtung weiterführende Interpretation Mercer, Sleigh 1995 und Mondadori 1994). Innerhalb der Perzeptionen der Welt muß es also eine interne Verweisstruktur geben, die den eigenen Körper als etwas Besonderes auszeichnet. In Anbetracht dessen liegt der Schluß nahe, daß bei Leibniz die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkörper durch das Subjekt gesetzt wird, zumindest was den Bereich der Perzeptionen angeht. Tatsächlich können wir bei Leibniz Hinweise finden, daß kausale

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Einflußnahme und erhöhte Deutlichkeit die Kriterien für eine solche Unterscheidung sind, etwa wenn er in D § 14 schreibt, daß wir uns die Handlungen unseres eigenen Körpers „zuschreiben“ (attribuons). Und da wir kraft seiner die Welt perzipieren und mit ihr agieren können, bekommt der eigene Körper als Teil der Welt die Sonderstellung. Er ist das uns, repsektive dem uns zugeordneten Betrachterpunkt der Perspektive, Nächste und Deutlichste, wird aber selbst nur von der Substanz ausgedrückt wie alle anderen Dinge auch. Soweit die Perzeptionen der Welt den Prädikaten der Substanz entsprechen, ist ihre Identität und Individualität durch das Principium identitas indiscernibilium bestimmt: Keiner Substanz können alle Prädikate einer anderen in derselben Weise zukommen. Damit entspricht jeder Monade exakt ein Relationengefüge und somit genau eine Perspektive auf die Welt. Auch ein praktischer Wechsel der Perspektive etwa durch Ortswechsel ändert nichts daran, da die je eingenommene Perspektive stets meine eigene ist und dadurch ihre Einheit erhält. Dies begründet schließlich auch die berühmte „Fensterlosigkeit“ der Monade, deren Perzeptionenfolge nicht von Außen, sondern vollständig von Innen bestimmt ist – damit geht einher, daß alle Phänomene letztlich nicht aus einer physisch-externen Ursache folgen, sondern aus uns selbst (D § 14). So kann die Substanz nicht im engeren Sinne mit anderen Monaden interagieren – sie beziehen sich zwar auf dieselbe Welt, sind jedoch aufgrund ihrer Perspektive unreduzierbar getrennt. Die innerindividuellen Beziehungen und Eigenschaften stehen in direktem Bezug zu den interindividuellen Beziehungen und Eigenschaften: Dies erklärt, warum Leibniz schreibt, daß „jede Monade, jedes substantielle Zentrum seine Perzeptionen und Strebungen auf die beste Weise geregelt haben muß, so daß es mit allen übrigen verträglich ist“ (P § 12). Und wenn man sich bewußt hält, daß mit „Perspektive“ gerade auch prädikativ ausgedrückte Modifikationen und Relationen gemeint sind, können wir auch begreifen, warum keine zwei Substanzen dieselbe Perspektive auf die Welt haben können: In diesem Fall würden ihnen auch dieselben Prädikate zukommen und also wären sie identisch. In letzter Instanz konstituiert diese Unmöglichkeit, die Perspektive anderer Substanzen einzunehmen, auch die Undurchdringlichkeit des Raum-Punktes, dem die Monade zugeordnet wird: Könnten sich zwei Substanzen in demselben Punkt befinden, dann hätten sie (zumindest für diesen Moment) dieselbe Perspektive und damit dieselben Prädikate und wären folglich miteinander identisch. Der point de vue, von dem aus die Monaden die Welt repräsentieren, ist begriffslogisch betrachtet das je individuelle Gesetz (der vollständige

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Begriff also), das die Abfolge der Perzeptionen regelt, durch welche die Welt ausgedrückt wird; metaphysisch gesehen die Identität der jeweiligen Substanz und ihre Besonderheit in Abgrenzung zu den anderen Substanzen; und realistisch-physisch betrachtet die Situation des menschlichen Körpers in der Welt, wie ihn sich die Monade zuschreibt (vgl. die in der Druckfassung gelöschte Stelle aus D § 14). So drückt die logisch-begriffliche Ebene die physische Situation der Substanz aus, zu der eben auch alle temporalen und spatialen Relationen des Individuums zu letztlich allen weltlichen Dingen gehören. Die Einheit der Substanz besteht auf phänomenologischer Ebene aus der speziellen Folge der Perzeptionen (GP II 372), deren Gesetz wiederum durch den vollständigen Begriff vorgegeben wird (GP II 43). Die Welt ist deswegen nicht nur die Summe all dessen, was der Fall ist; sondern zugleich auch das, was von einem Individuum perzipiert wird. Die Totalität der Perzeptionen resultiert also aus der Einheit des Begriffs – jede Substanz ist eine Welt, für eine Welt, da es das Wesen der Substanzen ist, die Welt zu perzipieren; ebenso wie die Welt für die Substanz ist.

8.5. Schluß Insgesamt ist festzustellen, daß die Spiegel-Metapher ein von der Forschung bislang weitgehend vernachlässigter Aspekt des leibnizschen Denkens ist, der schwierige Fragen aufwirft und die vor allem im Kontext der gegenwärtigen Debatte um die Interpretation Leibnizens als Realisten oder Idealisten zu diskutieren wäre. Die Fragen, die dabei aufgeworfen werden, beziehen sich auf den Status, der im leibnizschen Denken der Materie und der körperlichen Substanz zukommt. Auf der einen Seite betont Leibniz durchgängig, daß nur Monaden die einzig wirklichen Grundelemente des Seins sind und daß diese immateriell und unkörperlich sind, womit jedem Körper nur derivative oder gar nur phänomenale Realität zukäme; auf der anderen Seite aber kennt er auch eine körperliche Substanz, die, wie der Begriff schon sagt, die Substantialität auch auf die Körper überträgt und diesen einen unreduzierbaren ontologischen Status zuzusprechen scheint. Wer den erstgenannten Aspekt für ausschlaggebend hält, der wird eine idealistische Deutung der Monadenlehre vorziehen, wie beispielsweise Adams 1994 oder Rutherford 1995; wer dagegen die These der körperlichen Substanz in den Mittelpunkt seiner Interpretation rückt, wird Leibniz eher in einer als realistisch zu bezeichnenden Lesart zu verstehen suchen, wie

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etwa Hartz 2007 oder Phemister 2005; oder man bemüht sich schließlich um eine übergreifende und beide Positionen vereinende Interpretation, wie beispielsweise Di Bella 2005 oder Robinet 1986. Eine weitergehende Interpretation der Spiegel-Metapher wird besonders vor dem Hintergrund dieser Debatte begründet werden müssen. Doch dies kann in einem Kommentar zur Monadologie nicht geleistet werden.

Literatur Adams, Robert M. 1994: Leibniz. Theist, Determinist, Idealist, Oxford. Di Bella, Stefano 2005: The Science of the Individual: Leibniz’s Ontology of Individual Substance, Dordrecht. Hartz, Glenn 2007: Leibniz’ Final System, New York. Herring, Herbert 1966: Über den Weltbegriff bei Leibniz. In: Kantstudien 57, 142–154. Kaulbach, Friedrich 1966: Subjektivität, Fundament der Erkenntnis und lebendiger Spiegel bei Leibniz. In: Erich Hochstetter, Georgi Schischkoff (Hrsg.): Zum Gedenken an den 250. Todestag von Gottfried Wilhelm Leibniz, Meisenheim, 471–497. Konersmann, Ralf 1991: Lebendige Spiegel. Die Metapher des Subjekts, Frankfurt/M. Mercer, Christia; Sleigh Jr., Robert 1995: Metaphysics: The early period to the Discourse on Metaphysics. In: Nicholas Jolley (Hrsg.): Cambridge Companion to Leibniz, Cambridge, 67–123. Mondadori, Fabricio 1994: Mirrors of the Universe. In: Renato Cristin (Hrsg.): Leibniz und die Frage nach der Subjektivität (= Studia Leibitiana Sonderheft 22), Stuttgart, 83–106. Phemister, Pauline 2005: Leibniz and the Natural World : Activity, Passivity and Corporeal Substances in Leibniz’ Philosophy, Dordrecht. Poser, Hans 2000: Ens et unum convertuntur. Zur Leibnizschen Einheit der Monade. In: Antonio Lamarra, Roberto Palaia (Hrsg.), Unità e molteplicità nel pensiero filosofico e scientifico di Leibniz, Florenz, 271–283. Puryear, Stephen 2008: Leibniz über Begriffe und ihr Verhältnis zu den Sinnen. In: Dominik Perler; Markus Wild (Hrsg.), Sehen und Begreifen. Wahrnehmungstheorien in der Frühen Neuzeit, Berlin, 235–265. Robinet, André 1986: Architectonique disjonctive, automates systémiques et idéalité transcendentale dans l’œuvre de G. W. Leibniz, Paris. Rutherford, Donald P. 1995: Leibniz and the Rational Order of Nature, Cambridge. Schepers, Heinrich 2000: Die Polaritäten des Einen und des Vielen im Begriff der Monade. In: Antonio Lamarra, Roberto Palaia (Hrsg.): Unità e molteplicità nel pensiero filosofico e scientifico di Leibniz, Florenz, 171–185.

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Unendlichkeit, Fülle und Kontinuität als Prinzipien der Natur (§§ 61 f., 65)

9.1. Einleitung Nachdem sich Leibniz in den vorausgehenden Kapiteln der Monadologie ausführlich mit der Bestimmung der Monaden selbst befaßt hat, wendet er sich im M § 61 der auf diesen substantiellen Einheiten aufbauenden körperlichen Welt zu. Der zentrale Gedanke seiner Philosophie, daß jede Monade aus ihrer eigenen Perspektive das ganze Universum wahrnimmt – wenngleich in verschiedenen Abstufungen – , wird hier durch die Beschaffenheit der diese Welt füllenden Materie erklärt. Werden die Monaden gleich zu Anfang der Monadologie im M § 3 als „die wahrhaften Atome der Natur“ und als „die Elemente der Dinge“ (M § 3, GP VI 607) charakterisiert, so nur deshalb, weil sie der körperlichen Welt als solcher entrückt sind: sie konstituieren die Materie metaphysisch über den Begriff der Kraft und sie sind perspektivisch in ihr aufgrund des ihnen zugehörenden Körpers enthalten, aber sie sind keine Bestandteile der Materie selbst. Dennoch sind viele Aspekte der Monadologie erst von der körperlichen Welt her zu verstehen. Auf der Basis seines ontologisch begründeten Begriffes der Fülle sowie seiner mechanistischen Auffassung der Körper, derzufolge diese allein durch die Größe, Gestalt und Bewegung der sie zusammensetzenden Teile bestimmt werden, argumentiert Leibniz dafür, daß jeder Körper alles, was sich im Universum ereignet auf irgendeine Weise verspürt. Da der gegenseitigen Verschiebung von ständig in Bewegung befindlichen materiellen Teilen im Sinne des Mechanismus eine gewisse mathematische Notwendigkeit innewohnt, insofern als sich die Ergebnisse dieser Verschiebungen anhand der Bewegungs- oder Naturgesetze prinzipiell voraussagen ließen,

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stellt Leibniz ferner die (später unter dem Stichwort „Leibniz-Laplacescher Geist“ laufende) These auf, daß ein sehr scharfsinniger Geist in jedem einzelnen Körper prinzipiell alles, was bereits geschehen ist, und alles, was noch geschehen wird, zu erkennen vermag. Die Grenzen dieser Erkenntnis sind lediglich diejenigen unseres eigenen Erkenntnisvermögens. Die Monade bzw. Seele vermag ihre ganze Entwicklung deswegen nicht auf einmal vorherzusehen, weil diese Entwicklung aufgrund der Verknüpfung des ihr zugehörenden Körpers mit dem ganzen Universum zeitlich wie räumlich ins Unendliche verläuft. Aufgrund der allgemeinen Verknüpfung der Dinge im Universum lassen sich, so Leibniz, nicht nur in jeder Monade, sondern auch in jedem Körper Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erkennen. In Leibniz’ System hängt alles miteinander zusammen und harmoniert, wie er dies mit Hinweis auf Hippokrates’ Formel σύμπνοια πάντα zum Ausdruck bringt. In dieser Hinsicht bildet, wie Leibniz es im M § 61 formuliert, das Zusammengesetzte das Einfache symbolisch nach. Es handelt sich hier um eine fundamentale Entsprechung zwischen der Monade und jenem ihr zugehörenden Körper, den die Monade in distinkterer Weise als alle anderen Körper vorstellt und durch den sie zu jedem Zeitpunkt das ganze Universum perzipiert. Die Bestimmung der Monade als „Spiegel des Universums“ in M § 63 erhält daher ihre Begründung durch den Gedanken der durchgehenden Verknüpfung der Materie und d. h. der gegenseitigen Bewegung und Verschiebung von materiellen Teilen im erfüllten Raum, den Leibniz im M § 62 präsentiert. Im M § 65 stellt Leibniz eine weitere These auf, mit der er begründet, daß die einzelnen Körper alles verspüren, was im Universum geschieht. Jeder noch so kleine Teil der Materie, heißt es hier, sei nicht nur ins Unendliche teilbar, sondern auch ohne Ende wirklich geteilt. Mit diesem Begriff der durchgehenden Teilung der Materie bezieht Leibniz eine in der Philosophiegeschichte einzigartige Position. Zwar beruft er sich indirekt auf die schon von Aristoteles formulierte Auffassung, daß jedes Kontinuum wie eine geometrische Linie oder eine ausgedehnte Fläche potentiell ins Unendliche teilbar ist – zwischen zwei beliebigen Punkten oder Schnitten auf einer Linie lassen sich stets weitere Punkte oder Schnitte bestimmen, zwischen denen sich wiederum weitere Punkte oder Schnitte bestimmen lassen usw. bis ins Unendliche –, aber im Unterschied zu dieser Tradition geht Leibniz von der Wirklichkeit und nicht nur von der Möglichkeit der Teile aus. In jedem Teil der Materie befinden sich nach seiner Auffassung unzählige Teile, die jeweils ihre eigene Bewegung haben. Infolgedessen ist das Universum überall nicht nur einfach von Materie erfüllt, sondern

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auch von einer sich stets bewegenden Materie. Und dies gilt auch durchgehend: würde man die Materie schrittweise analysieren, so ließe sich bei dieser fortschreitenden Analyse keine qualitative Veränderung feststellen, bei jedem weitergehenden Schritt würde man stets auf sich bewegende, sich gegenseitig verschiebende Teile stoßen. Noch wichtiger, die Analyse könnte aufgrund der Weiterteilung bis ins Unendliche niemals zu Ende kommen; keine letzten Bestandteile, keine irgendwie gearteten Elemente der Materie ließen sich jemals ans Licht bringen. Leibniz’ einzigartige Auffassung der Materie ist nur zu verstehen als Teil seiner Lösung des Problems der Zusammensetzung des Kontinuums, das Denker seit der Antike zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht hatten und das der belgische Philosoph und Theologe Libert Froidmont in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit dem kretischen Labyrinth ver­glich. Leibniz selbst verwendet die Bezeichnung „Labyrinthus continui“. Im nächsten Abschnitt unserer Ausführungen wird zunächst Leibniz’ Lösung des Kontinuumsproblems kurz geschildert und sein Materiebegriff als Teil dieser Lösung präsentiert. Wir werden argumentieren, daß es für Leibniz zur Lösung des Problems des Kontinuums unerläßlich war, die Monaden selbst nicht als Bestandteile der Materie, sondern vielmehr als dieser ontologisch entrückt zu begreifen. Dies wirft jedoch die Frage nach der räumlichen Bestimmung der Monaden auf, mit dem sich der darauffolgende dritte Abschnitt befaßt: inwiefern nämlich läßt sich von der Monade behaupten, daß sie sich überhaupt im Körper befindet? Im vierten Abschnitt gehen wir dann näher auf den Begriff des Körpers, und insbesondere auf dessen ontologischen Status als Phänomen ein. Es wird erklärt, daß die Phänomenalität des Körpers nicht nur als Antwort auf Descartes’ SubstanzDualismus, sondern auch und vor allem als zwingendes Ergebnis aus dem Begriff der wirklichen Teilung der Materie ins Unendliche anzusehen ist. Zum Schluß unserer Ausführungen wird die Bilanz gezogen werden, daß sich im Leibnizschen Begriff der Materie sowohl rationalistische als auch religiöse Vorstellungen treffen. Die Unendlichkeit der materiellen Teilung paart sich insbesondere mit der Vorstellung, daß alles in der Natur den Stempel Gottes in sich trägt.

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9.2. Die Unterscheidung des Idealen und des Realen bei der Lösung des Kontinuumsproblems Wie ein roter Faden zieht sich das Problem der Zusammensetzung des Kontinuums und somit das Problem des Unendlichen durch die Leibnizsche Philosophie hindurch. Dabei hat Leibniz wohl niemals an der fundamentalen Wahrheit der aristotelischen Auffassung von der unendlichen Teilbarkeit des Kontinuums gezweifelt. Während schon in der Antike Atomisten wie Leukipp und Demokrit geometrische Linien, ausgedehnte materielle Körper, die Zeit und sonstige Kontinua aus einer endlichen Zahl von letzten Bestandteilen wie Punkten, Atomen oder Augenblicken zusammensetzten, argumentierte Aristoteles im Buch VI der Physik gegen solche Elemente und hielt umgekehrt dafür, daß jedes Kontinuum der Größe, der Zeit und der Bewegung in Teile geteilt werden kann, die stets weiter teilbar sind. Gleichzeitig verwarf Aristoteles jegliche Form des mathematischen Atomismus. Daher vermag seiner Auffassung nach eine geometrische Linie ebensowenig in letzte unausgedehnte und unteilbare Elemente aufgelöst zu werden, wie sie nicht aus solchen zusammengesetzt werden kann. Nach Aristoteles können weder Punkte eine Linie noch aufeinanderfolgende Augenblicke eine Zeitspanne konstituieren. Noch im 17. Jahrhundert wurden an den Universitäten die aus dem Hochmittelalter stammenden Lehren und Argumentationsmethoden der Scholastik, die sich auf die Gedanken des Aristoteles gründete, unterrichtet. Die Anhänger der neuen mechanistischen Philosophie grenzten sich zunächst dadurch von der bis dahin vorherrschenden Lehrmeinung ab, indem sie von sich behaupteten, den Aristotelismus ebenso wie die Scholastik überwunden zu haben. In der Tat läßt sich die mechanistische Philosophie des 17. Jahrhunderts am ehesten mit der antiken Tradition von Leukipp und Epikur und nicht mit der Begriffswelt von Aristoteles vereinbaren. Die kleinen materiellen Teile oder Körperchen, auf denen die meisten Vertreter der neuen Philosophie ihre Theorien aufbauten, waren, selbst wenn sie nicht explizit als Atome bezeichnet wurden, in irgendeiner Weise als letzte physikalische Bestandteile der Materie konzipiert. Dies gilt auch für die erste und zweite Materie in Descartes’ Principia philosophiae (1644). Andere Mechanisten wie Pierre Gassendi und Daniel Sennert verstanden sich als Erneuerer der antiken atomistischen Tradition. Aus Leibniz’ Sicht aber konnte das Postulat von solchen letzten Bestandteilen weder ontologisch noch physikalisch gerechtfertigt werden, da sich kein Grund für die angenommene Unteilbarkeit angeben läßt – und vom Problem der Begründung der Leere in der göttlichen Schöpfung ganz zu

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schweigen. Zudem ließen sich beweiskräftige Argumente anführen, daß keine Linie aus Punkten, keine Fläche aus Linien und keine Zeitspanne aus Augenblicken zusammengesetzt werden könnte. Der Atomismus führt seiner Meinung nach zu unentwirrbaren Problemen, zu einem Labyrinth eben, wenn es um die Begründung von kontinuierlichen Strukturen geht. Die ursprüngliche aristotelische Auffassung der unendlichen Teilbarkeit des Kontinuums allein bot Leibniz aber keine Lösung hinsichtlich der Struktur der Materie, der Zeit oder des Raums an, weil sie in eine Metaphysik einbettet war, die er so nicht übernehmen konnte oder wollte. Leibniz’ entscheidende Einsicht bei der Überwindung des Labyrinths des Kontinuums besteht in der Unterscheidung zwischen der wirklichen, wenngleich phänomenalen Ebene der Körper und der idealen Ebene der Mathematik. Sieht man zunächst ab von den Konzepten der Bewegung, des Raums und der Zeit, so besteht diese Unterscheidung im Wesentlichen darin, daß das mathematische Kontinuum als Quelle der notwendigen Wahrheiten potentiell ins Unendliche teilbar ist, während die Körper bis ins Unendliche wirklich geteilt sind und eben deswegen kein wahres Kontinuum darstellen (GP II 278; GP VII 467). Wie Aristoteles versteht Leibniz nämlich das Kontinuum im wörtlichen Sinne als ein zusammenhängendes Ganzes, in dem mehrere Teile gewissermaßen zu einer Einheit verschmolzen sind. Durch Teilung wird entsprechend die Einheit des Kontinuums aufgehoben. Als ideales Gebilde liegt das Kontinuum nach Leibniz’ Auffassung dem göttlichen Verstand zugrunde und stellt zugleich die Basis der Geometrie dar. Somit liefert der Kontinuumsbegriff metaphysisch die Erklärung für die grundlegende rationalistische Konzeption, daß Gott als vollkommener Geometer die Welt erschaffen hat. Ohne diese Konzeption wäre für Leibniz die Mathematisierbarkeit der Natur unter Beibehaltung der Kontingenz der wirklichen Welt nicht zu verstehen. Denn auf der einen Seite erlaubt sie uns, eine grundsätzlich mathematische Begreifbarkeit der natürlichen Phänomene vorzustellen, während sie auf der anderen Seite negiert, daß die Natur als ein rein mathematisches Modell aufzufassen ist. Auf diese Weise ist der Kontinuumsbegriff ein wichtiger Teil der Leibnizschen Antwort auf den Determinismus Baruch de Spinozas ebenso wie auf den Dualismus Descartes’. Immer wieder hebt Leibniz in seinen Schriften und Briefen hervor, daß unüberwindbare Schwierigkeiten in Bezug auf das Kontinuum entstehen, sobald es für etwas Reales und die Materie für etwas Substantielles gehalten wird (GP III 622 f.; GP II 282). Verstanden als ein ideales oder gedankliches Gebilde ist das Kontinuum nämlich nichts als eine Möglichkeit von

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Teilen: „Denn mit der mathematischen Linie steht es genau wie mit der arithmetischen Einheit: in beiden Fällen sind die Teile nichts als Möglichkeiten und bleiben gänzlich unbestimmt. (Nempe linea mathematica se habet ut unitas arithmetica, et utrobique partes non sunt nisi possibiles et prorsus indefinitae.)“ (An de Volder, 30. Juni 1704, GP II 268) Die wirkliche, geschaffene Welt hingegen kann nicht in bloßen Möglichkeiten verharren, sonst wäre die Schöpfung aus Leibniz’ Sicht unvollendet. Die wirkliche Natur der Dinge duldet nichts Unbestimmtes oder Unbegrenztes (GP II 282). In den Körpern sind die Teile aktuell vorhanden, mehr noch, jeder Teil ist wiederum gemäß einem durchgehenden Mechanismus bis ins Unendliche unterteilt: „In den realen Körpern aber sind die Teile nicht unbestimmt […], sondern hier sind sie auf bestimmte Weise aktuell vorhanden nach den Teilungen und Unterteilungen, die die Natur selbst aufgrund der Verschiedenheit der Bewegungen tatsächlich vollzieht. (At in realibus, nempe corporibus, partes non sunt indefinitae [ut in spatio, re mentali], sed actu assignatae certo modo, prout natura divisiones et subdivisiones actu secundum motuum varietates instituit.)“ (An de Volder, 30. Juni 1704, GP II 268) Andere Vertreter der mechanistischen Philosophie, Cartesianer wie Atomisten, haben nach Leibniz’ Auffassung diese Unterscheidung nicht vollzogen und können gerade deswegen, wie er argumentiert, fundamentale Widersprüche in der Frage des Kontinuitätsbegriffes nicht vermeiden – Widersprüche, die gleichzeitig ihre Positionen als philosophisch unhaltbar erweisen. Daher gilt das Kontinuumsproblem für Leibniz als eine Art metatheoretisches Regulativ, anhand dessen er die Richtigkeit seiner Philosophie von ihren Grundsätzen her zu erkennen glaubt. Demnach erlaubt allein die Idealität des Kontinuums die Überwindung des Labyrinths: „Wir aber verwechseln das Ideale mit den realen Substanzen und stürzen uns, indem wir in der Ordnung des Möglichen wirkliche Teile und in dem Aggregat des Wirklichen unbestimmte Teile suchen, damit selbst in das Labyrinth des Kontinuums und in unentwirrbare Widersprüche. (Nos vero idealia cum substantiis realibus confundentes, dum in possibilium ordine partes actuales, et in actualium aggregato partes indeterminatas quaerimus, in labyrinthum continui contradictionesque inexplicabiles nos ipsi induimus.)“ (An de Volder, 19. Januar 1706, GP II 282; vgl. Corpus est modus tantum entis, A VI 4 B, 1637) In der Monadologie wird freilich das Kontinuum nicht thematisiert, so wie generell die Mathematik nicht angesprochen wird. Daher fehlt auch die Gegenüberstellung des Wirklichen und des Idealen in dieser Hinsicht. Im M § 65 wird die wirkliche Geteiltheit der Körper lediglich vom Begriff der

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potentiellen Teilbarkeit der Materie abgesetzt, den Leibniz antiken Philosophen zuschreibt. Er denkt dabei in erster Linie natürlich an Aristoteles und an die von diesem ausgehende Tradition. Ferner wird die Unendlichkeit der wirklichen Teilung nicht wie sonst in seinen Schriften und Briefen dadurch erklärt, daß es für eine Begrenzung der Unterteilung keinen zureichenden Grund geben kann. Mit anderen Worten stützt er sich hier nicht auf das gleichnamige Prinzip. Stattdessen kehrt er einen Teil seines Erklärungsmodells argumentativ um: ohne die Unterteilung, schreibt er, „wäre es unmöglich, daß jeder Teil der Materie das ganze Universum ausdrücken könnte (autrement il seroit impossible, que chaque portion de la matiere pût exprimer tout l’univers)“ (M § 65, GP VI 618). Wie nicht selten in der Monadologie werden, um der kompakten Darstellung willen, wesentliche Aspekte des Arguments verkürzt oder in eine Form gebracht, die dem eigentlichen logischen Aufbau entgegengesetzt ist. Worin besteht also der Kern der Leibnizschen Unterscheidung? Während für ihn in den idealen Begriffen der Mathematik wie im Kontinuum das Ganze den Teilen vorausgeht, verhält es sich in den wirklichen Dingen genau umgekehrt: hier geht das Einfache den Aggregaten voraus, und die Teile sind aktuell und vor dem Ganzen gegeben (GP III 622). Damit ist zugleich aber die metaphysische Seite des Materiebegriffs bei Leibniz angesprochen. Die metaphysischen Einheiten oder Monaden, die er manchmal auch als „substantielle Atome“ (Atomes de substance, GP IV 482, 561) bezeichnet, sind zwar konstitutiv für die Materie, aber sie sind den Körpern seinstheoretisch entrückt. Sie sind keine Bestandteile, zu denen man in den wirklich geteilten Körpern vordringen könnte. So wie Punkte keine Linien zusammensetzen können, sondern nur Begrenzungen oder Negationen ihres weiteren Fortschrittes darstellen (GM II 536), würde ein Aggregat von Monaden an und für sich keinen Körper bilden (s. GP VI 232). Vielmehr resultiert der Körper aus den Monaden mittels des Kraftbegriffes: zunächst in der Undurchdringlichkeit oder passiven Kraft der ersten Materie und dann im Aggregat der körperlichen Substanzen der aktiven und passiven Kraft der zweiten Materie (GM II 537). Dementsprechend findet der analysierende Verstand für Leibniz keinen Halt in den unendlichen wirklichen Teilen des Körpers; erst im Begriff der Kraft kommt nach seiner Ansicht unser Denken zur Ruhe (GP II 170). Nur durch den Kraftbegriff nämlich läßt sich der Übergang zwischen den Monaden, deren Wesen er ausmacht, und den Körpern, die auf den Monaden gründen, theoretisch nachvollziehen.

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9.3. Monade, Punkt und Kontinuum Die Relation zwischen Monaden und Punkten gehört gewiß zu den größten Schwierigkeiten beim Verständnis der Monadologie. Die Bestimmung der Monaden als metaphysische Einheiten assoziiert sie fast zwangsläufig mit Punkten im Raum oder auf einer geometrischen Linie. Leibniz selbst benutzt den Punktbegriff, um entscheidende Aspekte der Prinzipien seiner Metaphysik verständlich zu machen. Er tut dies bereits in jener Schrift, mit der er zum ersten Mal seine reife Metaphysik einem breiteren Publikum bekannt machte, im Système nouveau de la nature, das im Juni 1695 im Journal des Savants erschien. Im Système nouveau beschreibt er, daß es unmöglich ist, „die Prinzipien einer wahrhaften Einheit“, wie diese zur Begründung der Körper erforderlich sind, in der bloßen Materie oder in dem Passiven zu finden, „weil hier alles nur eine Ansammlung oder Anhäufung von Teilen bis ins Unendliche ist“ (SN, GP IV 478). Darüber hinaus könnte die Vielheit der Körper ihre Realität nur von wahrhaften Einheiten haben, die ganz anders seien als die mathematischen Punkte, „die nur die Grenzen und Modifikationen des Ausgedehnten sind und die zweifellos das Kontinuum nicht durch Zusammensetzung aus sich hervorgehen lassen“ (SN, GP IV 478). Leibniz fand es daher notwendig, wie er ferner dort beschreibt, den inzwischen unter den modernen Philosophen rundweg abgelehnten Begriff der substantiellen Form wieder aufzunehmen, der sich gewissermaßen bei ihm ontologisch zum Begriff der Monade wandelt: „Um diese realen Einheiten zu finden, mußte ich zu einem reellen und sozusagen beseelten Punkte zurückgehen, d. h. zu einem substantiellen Atome, das etwas Formales oder Aktives einschließen muß, um ein vollständiges Wesen zu bilden. Ich sah mich also gezwungen, die heute so verschrieenen substantiellen Formen zurückzurufen und gewissermaßen wieder zu Ehren zu bringen: in einer Art jedoch, vermöge deren sie verständlich wurden und vermöge deren eine scharfe Trennung zwischen der richtigen Anwendung, die man von ihnen machen soll, und dem Mißbrauch, den man mit ihnen treibt, möglich war.“ (SN, GP IV 478 f.; vgl. auch D § 10, A VI 4, 1543 = GP IV, 434 f.) Es ist ein Indiz für die überragende Bedeutung des Kontinuitätsproblems in dieser Frage, daß Leibniz den Rückgriff auf substantielle Formen unmittelbar durch Überlegungen zum Wesen des Körpers und des Kontinuums begründet. Etwas später in derselben Schrift bekräftigt er diesen Zusammenhang durch die Unterscheidung von mathematischen, metaphysischen und physischen Punkten (vgl. Beeley 1996a, 33 f.). Die substan-

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tiellen Atome oder Monaden, die als Einheiten jeder Teilung enthoben sind und die zugleich die Quellen aller Tätigkeiten darstellen, faßt er als metaphysische Punkte auf. Als solche tragen sie so etwas wie Leben und eine Art Perzeption, in der sich die Welt entfaltet, in sich. Jede Monade nimmt die Welt aber nur aus ihrem eigenen Gesichtspunkt wahr, der sich als mathematischer Punkt in einem idealen konzeptuellen Gebilde begreifen läßt. Physische Punkte schließlich resultieren, wenn sich die körperlichen Substanzen etwa beim Tode in einem zusammengedrängten Zustand befinden. Anders als die der Vernunft widerstrebenden materiellen Atome Leukipps und Demokrits sind diese physischen Punkte für Leibniz nur scheinbar unteilbar, während die mathematischen Punkte zwar exakt, aber bloße modale Bestimmungen sind. Von diesen beiden heben sich die metaphysischen Punkte durch ihren realen, die körperliche Welt stiftenden Charakter ab: „Nur die metaphysischen oder substantiellen Punkte – die durch die Formen oder Seelen gebildet werden – sind exakt und reell, und ohne sie würde es nichts Reales geben, da ja ohne die wahren Einheiten keine Vielheit möglich wäre. (Il n’y a que les points metaphysiques ou de substance [constitués par les formes ou ames] qui soyent exacts et reels, et sans eux il n’y auroit rien de reel, puisque sans les veritables unités il n’y auroit point de multitude.)“ (SN, GP IV 483).

9.4. Fülle, Raum und Zeit Kontinuität steht bei Leibniz auch für die durch die zeitgenössische biologische und geologische Forschung immer wieder nachgewiesene Fülle sowie für die Fruchtbarkeit der Welt, die uns umgibt. Grundsätzlich erlaubt sie ihm zu sagen, daß es keinen Teil des Raumes gibt, der nicht durch Materie erfüllt ist: die wirkliche unendliche Teilung setzt von vornherein der materiellen Analyse keine Grenze. Eine gleichmäßige Fülle wird somit auf jeder Ebene beim Fortschreiten ins Kleinere vorausgesetzt, es gibt gemäß Leibniz’ Prinzip der Gleichähnlichkeit keine Stelle, an der der Übergang zu einer andersartigen, etwa elementaren Ebene vollzogen wird. Diese Konzeption bedeutet darüber hinaus, daß es überall Lebewesen und somit beseelte Körper gibt – ein deutlicherer Gegenentwurf zur Leere der Atomisten oder zum reinen Mechanizismus des Descartesschen Systems der Principia philosophiae läßt sich kaum vorstellen. So schreibt Leibniz in seinen Considerations sur les Principes de Vie (1705): „Es gibt keinen Teil des Raumes, der nicht erfüllt wäre, keinen Teil der Materie, der nicht weitere wirkliche Unterteilungen aufweist und organische Körper enthält. Ande-

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rerseits gibt es, wie es überall Körper gibt, so auch überall Seelen, und zwar bestehen sie, ebenso wie die Lebewesen selbst, dauernd fort.“ (GP VI 545) Daran knüpft auch ein wesentlicher Aspekt des Leibnizschen Fortschrittsoptimismus an. Indem die unendliche Teilbarkeit des Kontinuums ihre Realisation in seinem Begriff der Materie findet, besteht in der Natur nach seiner Überzeugung ein unerschöpfliches Potential, sich zu vervollkommnen. Auch wenn viele Substanzen schon zu großer Vollkommenheit gelangt sind, gibt es im Abgrund der Dinge, gewissermaßen in den tiefsten Schichten des Erdreiches noch schlafende Teile, die sich erwecken und zum Größeren und Besseren hinführen lassen (vgl. GP VII 308). Leibniz glaubt in entscheidender Weise eine wissenschaftsoffene Philosophie geliefert zu haben, die nicht nur kontemporäre Entwicklungen berücksichtigt und diese auch teilweise einbezieht, sondern auch künftigen Entdeckungen und Erfindungen nicht im Wege stehen würde. So wie metaphysisch für Leibniz der Fortschritt niemals zu einem Ende gelangt, so gibt es auch keine Grenze der menschlichen Erkenntnisse. Wie bereits erwähnt, wird die Geteiltheit der Körper gemäß Leibniz’ mechanistischem Erklärungsmodell damit begründet, daß die die Natur erfüllenden Körper sowie die Teile, die sie konstituieren, ständig in Bewegung sind (GP II 170). Dabei werden die Teile als gegenseitig undurchdringlich aufgefaßt. Der klassische Begriff der Antitypia, der für diese Eigenschaft steht, wird bei Leibniz durch den Begriff der primitiven passiven Kraft ersetzt. Bewegung hingegen bedeutet in seinem System zunächst Reibung, Spannung, Auseinandertreiben. Sie oder genauer die ihr metaphysisch zugrundeliegende Kraft oder Entelechie ist das alleinige aktive Prinzip. So wird die Kohäsion der Körper durch die Bewegung erklärt, nämlich dadurch, daß sich ihre Teile eine Zeitlang zusammen bewegen – hierfür prägt Leibniz den Begriff der „übereinstimmenden Bewegungen“ (motus conspirantes) (z. B. A VI 4 B, 1630; GP III 516) – während Descartes sie auf die relative Ruhe von benachbarten Teilen des Körpers zurückführt (s. GP IV 384–388). Auch steht, wie Leibniz betont, die Fülle der geschaffenen Welt mit seiner Vorstellung der Kohäsion und der Spaltung nicht im Widerspruch: unter der Annahme verschiedener Dichtigkeitsgrade unter den Körpern läßt sich die ständige Bewegung ihrer Teile in Form der gegenseitigen Verschiebung oder eben des zeitweiligen Zusammenlaufens verstehen. Einen wahren oder absoluten Stillstand unter den Körpern kann es nach Leibniz’ Überzeugung nicht geben, weshalb für ihn Descartes’ Kohäsionsmodell unhaltbar ist.

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Aus dieser mechanistischen Konzeption des Körpers zieht Leibniz zwei für das Verständnis der Monadologie entscheidende Konsequenzen. Erstens haben die Körper wegen der tatsächlichen Weiterteilung aller Teile und der ständigen Bewegung unter ihnen keine feste und genaue Gestalt. Sie seien daher, wie er an Antoine Arnauld schreibt, „zweifellos etwas Imaginäres und nur Scheinbares, wenn es nichts gäbe, als die Materie und ihre Modifikationen“ (an Arnauld, 28. November/8. Dezember 1686, GP II 77; vgl. auch D § 12, A VI 4 B, 1545 = GP IV, 436; Specimen inventorum, A VI 4 B, 1622). Aber eben weil der Materiebegriff keine Basis liefert, sind die Körper für ihn und für sich nichts anderes als „wahrhafte Phänomene (phenomenes veritables)“, wie etwa der Regenbogen (an Arnauld, 28. November/ 8. Dezember 1686, GP II 77; vgl. an de Volder, 30. Juni 1704, GP II 268; Corpus est modus tantum entis, A VI 4, B 1637). Die bestimmte Gestalt, die wir den Körpern zuschreiben, hat Bestand „nur vom Standpunkt der Phänomene und der Abstraktion“ aus (an Arnauld, 30. April 1687, GP II 99). Lediglich die den Körpern zugrunde liegenden substantiellen Formen oder Monaden verleihen ihnen Realität und Identität (GP II 261 f.). Der Leibnizsche Mechanizismus unterscheidet sich in dieser Hinsicht radikal vom Weltbild des Atomismus, das eine mathematische Genauigkeit und infolgedessen Determiniertheit erlaubt. Man wird niemals einem Körper eine genau bestimmte Oberfläche zuweisen können, schreibt Leibniz in einem späteren Brief an Arnauld, wie dies möglich wäre, wenn es Atome gäbe (GP II 119). Zweitens muß jeder Körper in verschiedenen Graden der Deutlichkeit alles verspüren, was in der Welt vor sich geht. Dies ergibt sich für Leibniz sowohl aus der tatsächlichen Geteiltheit der Körper als auch aus der Fülle der materiellen Welt. Die geringste Bewegung überträgt ihre Wirkung auf die benachbarten Körper und folglich erstreckt sie sich von einem zum anderen bis ins Unendliche, aber mit stetiger Abschwächung. In diesem Gedanken liegt eines der markantesten Merkmale des Leibnizschen Systems, das mit dem Konzept des vollständigen Begriffs des Individuums eng zusammenhängt. Wie Leibniz in seinen Erwiderungen auf Pierre Bayles Auseinandersetzung mit dem System der prästabilierten Harmonie schreibt, folgt aus der wirklichen Geteiltheit, daß „der geringste kleine Körper irgendwelchen Eindruck von der geringsten Veränderung aller anderen erhält, so entfernt und so klein sie auch sein mögen“ (Reponse aux reflexions contenues dans la seconde Edition du Dictionnaire Critique de M. Bayle, article Rorarius, sur le systeme de l’Harmonie préétablie, GP IV 557). Damit führt der Kontinuitätsbegriff in das Zentrum der Monadologie, er ermöglicht die Realisierung des Kerngedankens der Leibnizschen

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Philosophie, daß nicht erst jede Monade, sondern bereits jeder Körper im Sinne des Erleidens und des Wirkens das ganze Universum auf seine Weise ausdrückt, oder, anders formuliert, daß jeder Körper ein genauer Spiegel des Universums sein muß (GP VI 617 f.; GP IV 557; D § 9, A VI 4 B, 1542 = GP IV 434). Vergleiche hierzu den Beitrag S. 142 ff. von Lyssy. Auch wenn der Monade ontologische Priorität einzuräumen ist – sie ist das eigentliche Seiende der Leibnizschen Metaphysik –, so ist ihre Bestimmung als Welt im Kleinen nur von ihrem zugehörigen Körper her letztlich zu begreifen. Auf diese Weise erweist sich auch das Konzept der ontologischen Fülle als mit Individualität vereinbar. Obgleich jede geschaffene Monade das ganze Universum vorstellt, heißt es in M § 62, so stellt sie doch in distinkterer Weise den Körper vor, der ihr besonders zuerteilt ist und dessen Entelechie sie ausmacht. Leibniz fährt dann fort, indem er die fundamentale Verknüpfung zwischen dem Mechanismus des Körpers und der Intentionalität der Monade herstellt: „Da nun dieser Körper vermöge der Verknüpfung aller Materie im erfüllten Raume das ganze Universum ausdrückt, so stellt die Seele auch das ganze Universum vor, wenn sie den ihr in besonderer Weise zugehörenden Körper vorstellt. (Et comme ce corps exprime tout l’univers par la connexion de toute la matiere dans le plein, l’ame represente aussi tout l’univers en representant ce corps, qui luy appartient d’une maniere particuliere.)“ (M § 62, GP VI 617) Eine weitere Konsequenz der Leibnizschen Konzeption des Mechanismus des Körpers, die sich zugleich als Notwendigkeit aus seinen Überlegungen zum Labyrinth des Kontinuums ergeben hat, ist die Leugnung der Substantialität der Ausdehnung. So wie der Begriff der unendlichen Teilbarkeit des Kontinuums den idealen Begriffen der Mathematik zugeordnet wird (GP IV 568), erhält Descartes’ res extensa, mit der der französische Philosoph das Wesen des Körpers bestimmt hat, bei Leibniz den Charakter einer Abstraktion (GP II 99). Ihrer Substantialität beraubt, ist die Ausdehnung für Leibniz lediglich ein relativer Begriff, sie bezieht sich stets auf etwas, das sich ausdehnt oder das sich kontinuierlich fortsetzt. So setzt der Begriff der Ausdehnung aus Leibniz’ Sicht eine Mehrheit voraus, die gleichzeitig existiert, sie ist „eine Ordnung in den Koexistenzen“ (GP IV 523), bei der von den vorhandenen Teilen abstrahiert wird (s. GP II 169 f.). Aber eben nur durch diesen Schritt läßt sich für ihn das Problem der Kontinuität bewältigen. Bei den Begriffen des Raumes und der Zeit verhält es sich ähnlich wie beim Begriff der Ausdehnung. Auch hier ergibt sich aus den Schwierigkeiten, die in das Labyrinth des Kontinuums führen, daß sie keine Substanzen, keine wahrhaften Kontinua, sondern lediglich Ordnungsbegriffe sein

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können (GP IV 568; GP II 282). Damit hebt Leibniz bei ihnen jegliche Absolutheit auf, Raum und Zeit haben für ihn stattdessen lediglich relativen Charakter als die Ordnung des Koexistierenden bzw. des Nacheinander. Beide beziehen sich als solche auf die Erscheinungen, auf die Perzeptionen der Monaden und daher erst indirekt auf die körperliche Welt. Auf diese Weise übertragen sich die Bestimmungen der Kontinuität über die ideale Vorstellungswelt der Monade hinaus bis auf die materielle Welt der Körper, wie Leibniz in einem nicht abgeschickten Brief an Nicolas Remond formuliert: „Der Raum ist, weit entfernt davon, eine Substanz zu sein, nicht einmal ein Wesen. Er ist eine Ordnung, genau wie die Zeit, eine Ordnung der Koexistierenden, wie die Zeit eine Ordnung der Existenzen ist, die nicht zugleich sind. Die Kontinuität ist etwas bloß Ideales, aber alles Wirkliche, was es nur gibt, befindet sich in dieser Ordnung der Kontinuität“ (an Remond, Juli 1714, nicht abgesandt, GP III 622).

9.5. Schluß Wie kein anderer Philosoph seiner Zeit erkannte Leibniz, daß nur durch eine gründliche Untersuchung des seit der Antike bekannten Kontinuitätsproblems der Aufbau einer tragfähigen Metaphysik auf der Basis der mechanistischen Naturerklärung möglich sein würde. Die Monadologie wurde geboren aus der Erkenntnis, daß man keine letzten Bestandteile der Materie postulieren kann ohne sich gleichzeitig in das Labyrinth des Kontinuums zu verstricken. Die Monaden sind die metaphysische Antwort auf die daraus zwingend resultierende Frage nach den letzten Prinzipien. Dafür erlaubt das Postulat der unendlichen wirklichen Teilung der Materie die Harmonisierung des philosophischen Erklärungsmodells mit der metaphysischen Vorstellung der Seinsfülle sowie mit der naturwissenschaftlichen Vorstellung der Existenz von Welten-in-Welten bis ins Unendliche. Nicht zuletzt liefert der Leibnizsche Körperbegriff auch die Erklärung dafür, daß die Mathematik trotz des Fehlens echter Gleichförmigkeit in der Natur dennoch in den physikalischen Wissenschaften erfolgreich zur Anwendung kommt. Sowohl rationalistische als auch religiöse Überzeugungen, Vernunft und Glaube, treffen sich bei Leibniz in der Vorstellung, daß die Natur im allgemeinen, alle Geschöpfe im besonderen einen Stempel der göttlichen Unendlichkeit in sich tragen (s. A I 10, 61). Damit hebt sich seine Philosophie deutlich vom Finitismus sowohl des Atomismus als auch des Aristotelismus ab.

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Literatur Beeley, Philip 1996a: Points, Extension, and the Mind-Body Problem. Remarks on the Development of Leibniz’s Thought from the Hypothesis physica nova to the Système nouveau. In: Roger Woolhouse (Hrsg.), Leibniz’s ‚New System‘ (1695), 15–35. Beeley, Philip 1996b: Kontinuität und Mechanismus. Zur Philosophie des jungen Leibniz in ihrem ideengeschichtlichen Kontext. In: Studia Leibnitiana, Suppl. 30, Stuttgart.

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Maschinen der Kunst, Maschinen der Natur (§ 63–76)

10.1. Einleitung: Historischer Hintergrund In der Frage, wie der Status von Lebewesen philosophisch zu klären ist, konkurrieren zu Leibnizens Zeit zwei einander widersprechende Standpunkte: Wer Lebewesen mechanistisch erklären will, begreift sie als – wenn auch sehr kunstfertig hergestellte – Maschinen, die allein durch die Beschreibung ihrer Struktur und der in ihnen wirkenden Kräfte vollständig und zureichend erfaßt werden können (zur Maschinenthematik in der frühen Neuzeit vgl. auch Sutter 1988). Dieser u. a. von Descartes vertretenen Position steht die Auffassung der aristotelistischen Schulphilosophie gegenüber, der zufolge Lebewesen einem Zweck folgend organisiert sind und deswegen nicht allein durch mechanistische „Wirkursachen“ („Figuren und Bewegung“, wie Leibniz es in M § 36 nennt), sondern primär durch die Angabe sogenannter „Zweckursachen“ („Neigungen und Anlagen“, ebd.) zutreffend beschrieben und erfaßt werden können. Leibniz schlägt in diesem Spannungsfeld nun eine neuartige Theorie vor, eine Theorie des „Organismus“ – wobei es sich um einen Neologismus handelt, der erst um 1700 von dem Botaniker Georg Ernst Stahl in gezielter Gegenüberstellung zum Begriff des „Mechanismus“ gebildet wurde und den Leibniz um 1704 übernimmt und in seine naturphilosophischen und substanzontologischen Theorien integriert. Darin werden diese unterschiedlichen Erklärungsperspektiven vereint, und zwar in der Definition des Organismus als einer „göttlichen Maschine“ (M § 64), die von einer Monade bzw. Entelechie „beherrscht“ (vgl. M § 70) wird. Diese Monade ist im Fall von Pflanzen eine „Entelechie“, im Fall von Tieren eine „Seele“ (M § 63). Entelechien und Seelen sind zugleich als „Form“ des Lebewesens

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anzusehen (M § 74) und sind – wie Monaden insgesamt (M § 6) – weder natürlich zu erzeugen noch natürlich zu zerstören, sondern können einzig durch Schöpfung entstehen und durch Vernichtung (annihilation) ver­gehen. Auch wenn sie zu einem organischen Körper gehören, so sind sie nicht an die Existenz bestimmter „Materie-Partikel“ in diesem Körper gebunden. Doch bevor die leibnizsche Theorie in ihrer Eigentümlichkeit erläutert wird, sollen die in der Neuzeit gängigen Theorien der Lebewesen skizziert werden, um später zu zeigen, wie Leibniz sich davon abgrenzt.

10.1.1. Descartes: Der Körper als Maschine Das Programm einer mechanistischen Erklärung von Lebensvorgängen findet sich explizit formuliert in der Description du Corps Humaine (1649) von René Descartes. Den Körper als eine Maschine zu begreifen heißt, alle nicht der Kontrolle des Willens unterliegenden Veränderungen eines Lebewesens allein aus den Gesetzen der Bewegung von Materieteilchen, somit ohne Rückgriff auf den Begriff der Seele und also nicht teleologisch zu erklären (vgl. AT XI 226). Ein solches Erklärungsprogramm hat Descartes für Wahrnehmungen, Verhalten und – wie nun kurz etwas genauer erörtert werden soll – auch für die Entwicklung eines Embryos durchgeführt. Überlegungen zu diesem Themenkomplex finden sich in einem unveröffentlichten Manuskript, den Primae cogitationes circa generationem anima­ lium (vermutlich 1648 entstanden, posthum 1701 erschienen). Biologische Prozesse und Veränderungen werden nach Descartes und in Anlehnung an antike und mittelalterliche Theorien durch eine besondere Art des „Feuers“, nämlich ein nicht leuchtendes, aber durch Korpuskelbewegung zu erklärendes Feuer in Gang gesetzt (vgl. Principia IV.92 ff., AT IX.2, 250 ff.). Beispiele hierfür sind Prozesse der Gärung, die Hitze freisetzen, ohne daß damit die Freisetzung von Lichtenergie einhergeht. Entsprechend wird in den Primae Cogitationes die Auffassung vertreten, daß der Samen eines Lebewesens in der Gebärmutter durch die Körperwärme der Mutter in Gärung versetzt (fermentatur) und erhitzt wird. Dadurch trennen sich die im Samen vorhandenen Teile. Die feineren (subtiliores partes) sammeln sich an einem Punkt und erzeugen dort das Gehirn. Die schwereren Teilchen (crassiores partes) sammeln sich an der entgegengesetzten Stelle und setzen dort den Blutkreislauf in Gang. Die weiteren Organe (insbesondere Leber und Lunge) entstehen ebenfalls aus der Aggregation von Korpuskeln mit spezifischem Gewicht an unterschiedlichen Stellen des Samens. Das Leben des Tieres beginnt, sobald das „Feuer des

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Lebens“ (ignis vitae) sich im Herz versammelt hat. Dieser gesamte Entwicklungsprozeß wird allein durch die Wärme des Samens vorangetrieben: Der Samen dehnt sich aus wie Kastanien im Feuer (vgl. AT XI, 505 ff.). Die mechanistische Erklärung der Entstehung eines Lebewesens verzichtet also auf die Annahme eines „Bauplans“ im sich entwickelnden Samen, der diese Entwicklungen lenkt und steuert. Alle Veränderungen des wachsenden Samens resultieren allein aus – in damaliger Begrifflichkeit – „hydraulisch“ zu beschreibenden Prozessen der Zusammenballung und Trennung von Korpuskeln unterschiedlicher Beschaffenheit. Die Attraktivität solcher mechanistischer Erklärungen biologischer Phänomene erklärt sich also daraus, daß Veränderungen von Lebewesen ohne Bezugnahme auf immaterielle Wesenheiten, Vermögen und Kräfte, einzig durch Gestalt und Bewegung erklärt werden können. Zugleich stellt sich jedoch die Frage, ob solche Erklärungen tatsächlich befriedigend sind, ob z. B. tierisches Verhalten ohne Bezugnahme auf die Funktion dieses Verhaltens für die Selbsterhaltung des Organismus zureichend erklärt werden kann.

10.1.2. Die Scholastiker: Form und Zweck von Lebewesen Der mechanistischen Erklärung entgegengestellt ist die an Aris­to­teles anschließende teleologische Perspektive auf Lebewesen, in der sie als einen Zweck realisierende und auf diesen Zweck hin organisierte Wesen vorgestellt worden. Im folgenden soll eine solche teleologische Theorie des Lebewesens kurz dargestellt werden, insofern sie für Leibnizens Theorie des Organismus von Belang sind. Dabei werden zentrale Werke der sogenannten „Spanischen Spätscholastik“ herangezogen: Benet Pereras Lehrbuch De communibus omnium rerum naturalium principiis (1579) dient als primäre Quelle. Verweise auf die nicht so ausführliche, aber sehr verbreitete Darstellung im Physik-Kommentar der Conimbricenser (1594) ergänzen das Bild, das an einigen Stellen durch die Hinzuziehung der Disputationes Physicae im Cursus Philosophicus von Arriaga (1632) und der Epitome Naturalis Scientiae von Daniel Sennert (1633) abgerundet wird. Bezüge zu Leibniz lassen sich in den folgenden sechs Hinsichten herstellen: 1) Zwecke wirken anders als Wirkursachen und haben diesen gegenüber Priorität. 2) Gott stellt sicher, daß alle Veränderungen der Natur zweckhaft erklärt werden können.

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3) Naturdinge haben einen Impuls oder eine Neigung zum Erreichen ihres Zwecks. 4) Lebewesen zielen auf die bestmögliche Realisierung ihrer Form. 5) Aus naturphilosophischer Sicht wird Identität eines Lebewesens über die Zeit hinweg allein durch die Form sichergestellt. 6) Die Annahme der Präformation substantieller Formen wurde als mit aristotelischen Prämissen verträglich angesehen. Formen existieren ewig. (1) Zwecke und Wirkursachen Zwecke werden im Aristotelismus definiert als dasjenige, um dessen willen etwas geschieht. Solche Erklärungen durch Zweckursachen genießen gegenüber Erklärungen durch Wirkursachen für sich genommen (absolute) Priorität: Es gibt keine zwecklose Veränderung innerhalb der natürlichen Welt und erst durch Angabe eines Zwecks ist eine Erklärung vollständig (vgl. Perera 1579, VIII.2, 451). Sofern man etwas jedoch natürlich (physice) erklären will, ist die Angabe der Wirkursache entscheidend, denn sie verursacht die (Orts-) Bewegung und damit das naturphilosophische Explanandum (ebd.). Zweckursachen hingegen wirken durch eine Bewegung im metaphorischen Sinne (motus metaphoricus), nämlich durch ein Bedürfnis (desiderium) oder Liebe (amor, ebd.). Hauptgrund für die Differenz zwischen Wirk- und Zweckursachen ist die Tatsache, daß der Zweck als der durch eine Veränderung angestrebte Zustand am Beginn dieser Veränderung noch gar nicht existiert, etwas Nichtexistierendes aber nicht physische Wirksamkeit entfalten kann (Vgl. Perera 1579, VIII.1, 452). Dies gilt auch für Naturdinge, die sich selbst keine Zwecke setzen: Der ausgewachsene Baum als Ziel bzw. Zweck des Wachstums des Samenkornes ist zu Beginn des Wachstumsprozesses noch nicht gegenwärtig und kann folglich nicht als (physische bzw. Wirk-) Ursache des Wachstumsprozesses gelten. Der am Ende des Zeugungsprozesses stehende, selbständig lebensfähige Mensch ist zu Beginn der Entwicklung des menschlichen Keims im Mutterleib noch nicht gegenwärtig. (2) Gott garantiert die Zweckhaftigkeit aller Naturveränderungen Damit stellt sich aber das Problem, ob Veränderungen von Naturdingen überhaupt zweckhaft erklärt werden können, ob man also einem Zweck unterstellen kann, eine Wirkung herbeizuführen und somit als Ursache zu gelten. Entweder, so scheint es, müßte man jedem sich zweckhaft entwickelnden Naturding die Fähigkeit unterstellen, einen Zustand der Welt

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als wünschenswert erkennen zu können, oder man müßte annehmen, daß Zweckursachen auch physisch wirksam sein können (vgl. Perera 1579, VIII.2, 453). Entweder müßte also beispielsweise der Säugetier-Embryo im Mutterleib beabsichtigen können, sich in bestimmter Weise zu entwickeln, oder der noch nicht existente selbständig lebensfähige Säugling – oder gar erst das vollständig entwickelte und z. B. geschlechtsreife Lebewesen – müßte in der Lage sein, das Wachstum des Embryos zu verursachen. (3) Naturdinge haben einen Impuls oder eine Neigung zur Erreichung ihres Zwecks. Einem solchen Einwand ist jedoch entgegenzuhalten, und dieser Gedanke wird auch für Leibniz zentral sein, daß Gott als erste Ursache der Welt die Zweckhaftigkeit aller natürlichen Veränderungen sicherstellt. Er hat Naturdingen, die nicht über Erkenntnisvermögen verfügen, eine Neigung zur Erreichung ihres Zwecks (inclinatio et propensio ad finem) eingepflanzt, auf die für Erklärungen durch Zweckursachen bezuggenommen werden kann. Die für das Vorhandensein eines Zwecks nötige Erkenntnis des Zwecks als eines Zwecks kann also Gott und den die Himmel – und damit mittelbar auch das sublunare Weltgeschehen – in Gang haltenden Intelligenzen zugeschrieben werden. Naturdinge ohne Erkenntnisvermögen verfügen stattdessen über eine natürliche Fähigkeit, den ihnen von Gott zugeteilten Zweck zu erreichen, ohne ihn zu erkennen (vgl. Perera 1579, VIII.2, 453). (4) Naturwesen zielen auf die bestmögliche Realisierung ihrer Form. Alle Veränderungen von Naturdingen zielen auf die bestmögliche Realisierung der Form des jeweiligen Naturdings – hier kommt also eine normative Dimension ins Spiel, die im physischen Kausalnexus, also der Erklärung durch Wirkursachen, ausgespart bleibt, wie wir bei Descartes gesehen haben. Die aristotelistische Metaphysik begreift jedes Ding als aus Materie und Form zusammengesetzt, wobei Form nicht mit der äußeren Gestalt des Dings verwechselt werden darf, sondern vielmehr als das für das jeweilige Ding charakteristische Wesen anzusehen ist (vgl. Perera 1579, VI.1, 345). Sie fällt zusammen mit der begrifflich artikulierbaren Definition des jeweiligen Dings (ratio) und ist zugleich als Entelechie und damit nach Perera als vollkommene Beschaffenheit bzw. Vollendung der Beschaffenheit (perfectus habitus aut perfectio habita, ebd.) anzusehen. Formen  Die Conimbricenses (Collegium Conimbricense, 1594, 306) fassen diesen Sachver-

halt so, daß der Zweck nur als intentionaler Gegenstand existiert und keine denkunabhängige Existenz hat.

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sind im Aristotelismus auch kausal wirksam: Das auf natürliche Weise sich verändernde Ding (agens naturale) verändert sich in Übereinstimmung mit der Form, die es in sich trägt, genauso, wie ein Artefakt durch die im Geist des herstellenden Lebewesens präsente Form verwirklicht wird (vgl. Perera 1579, VI.1, 346). Diese kausale Wirksamkeit der Form ist jedoch auf das engste mit der Erklärung durch Zweckursachen verknüpft. Sofern also Naturdinge sich zweckhaft verändern, ohne diese Zweckhaftigkeit selbst einzusehen – und dies gilt für alle natürlichen Wesen außer dem Menschen – verdankt sich die Zweckhaftigkeit ihrer Veränderungen alleine der ihnen von ihrem Schöpfer eingepflanzten Form und den aus dieser Form erwachsenen natürlichen Impulsen und Antrieben. Perera zieht in diesem Zusammenhang einen instruktiven Vergleich mit einem Baumeister (also Gott als agens principale), der im Gegensatz zu den das Haus bauenden Handwerkern als einziger wissen muß, zu welchem Zweck jeder einzelne Handgriff der Handwerker erfolgt (vgl. Perera 1579, VIII.3, 453 f.). Der Embryo eines Tieres kann sich also deswegen auf einen Endzustand hin entwickeln, weil Gott weiß, welche Entwicklungsschritte für die Entwicklung hin zum ausgewachsenen Lebewesen erforderlich sind. (5) Aus naturphilosophischer Sicht wird die Identität eines Lebewesens über die Zeit hinweg allein durch die Form sichergestellt. Um das Verhältnis von Form und Materie in naturphilosophischen Zusammenhängen genauer zu verstehen, ist zunächst eine begriffliche Unterscheidung vonnöten, nämlich zwischen der Form an sich (per se) und der Form als Form eines Einzeldings. Die Form per se ist indifferent gegenüber vielen Dingen, allgemein (universalis) und mitteilbar (communicabilis). Sobald die Form als Form eines Einzeldings in Materie realisiert bzw. „bestimmt“ ist, ist sie einzeln (singularis) und nicht mitteilbar (incommunicabilis, vgl. Perera 1579, VIII.2, 451). Diese Nichtmitteilbarkeit der Form im Einzelding hat zur Folge, daß alle an Materie gebundenen substantiellen Formen von Einzeldingen für ihre Existenz auf Materie angewiesen sind (vgl. Conimbricenses 1594, 193). Was erzeugbar ist, muß auch als ver­gänglich (corruptibilis, vgl. Perera 1579, VI.1, 349) gelten. Das Ende der Existenz einer natürlichen substantiellen Form hat zur Folge, daß alle für das Kompositum typischen Veränderungen, also solche, die es zu einem Kompositum dieser oder jener Art machen, nicht mehr auftreten. Das gelöschte Feuer wärmt nicht mehr, der Kadaver eines Pferdes verliert alle Handlungen, Bewegungen, das Leben etc. (vgl. Arriaga 1632, Disp. Phys. III.1, 275). Damit stellt sich die Frage, ob die begrifflich faßbaren

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Wesenseigenschaften – scholastisch gesprochen die quidditas – eines aus Form und Materie zusammengesetzten Naturdings einzig der Form oder zum Teil auch der Materie zu verdanken sind. Daß Wesenseigenschaften eines Dings alleine der Form zuzurechnen sind, kann dadurch begründet werden, daß ein Lebewesen durch die natürliche Wärme (calor naturalis) Materie hinzugewinnt und abgibt. Dies hat zur Folge, daß u. U. nach vielen Jahren kein Teil derjenigen Materie, aus der das Lebewesen erwachsen ist, noch vorhanden ist. Dennoch bleibt es dasselbe Lebewesen. Diese Identität über die Zeit hinweg – und damit also auch dasjenige, was dieses Lebewesen zu dem Lebewesen macht, das es ist – muß also auf die Form zurückgehen (vgl. Arriaga 1632, Disp. Phys. III.2, 276). Es ist bemerkenswert, daß nach Arriaga diesem Argument aus naturphilosophischer Sicht zuzustimmen ist. Allerdings weist er darauf hin, daß unsere gewöhnliche Redeweise es auch zuläßt, daß wir von ein und demselben Fluß sprechen, auch wenn heute in ihm kein einziger von denjenigen Tropfen enthalten ist, die am Tag zuvor in diesem Fluß zu finden waren (vgl. ebd.) (6) Die Annahme der Präformation substantieller Formen wurde als mit aristo­ telischen Prämissen verträglich angesehen. Formen existieren ewig (Sennert). Eng verknüpft mit der Frage der Existenz der Form im Einzelding ist die Frage nach der Existenz der Form an sich (forma per se). Deren andauernde Existenz über die Zeit hinweg ist – im Gegensatz zur natürlichen Form des Einzeldings – dadurch sichergestellt, daß Formen einer Art bzw. Formen einer Gattung als indifferent gegenüber Individuen und damit als in vielen Einzelfällen instantiierbar angesehen werden (vgl. Perera 1579 VI.2, 350). Daraus folgt, daß die Art- und Gattungsform im Gegensatz zur Form des Einzeldings in vielen verschiedenen Individuen realisiert werden und damit auf gewisse Weise der Vergänglichkeit entgehen (vgl. Perera 1579 VI.2, 351). Die Frage nach der Dauer von Formen ist jedoch eng verknüpft mit der Frage, welchen Standpunkt man hinsichtlich ihres Ursprungs einnimmt. Denn wenn Formen nicht als „erzeugbar“ (generabilis) angesehen werden, muß die Frage nach der Dauer ihrer Existenz einsichtigerweise anders beantwortet werden. Im Blick auf Leibniz ist hier insbesondere die Position Daniel Sennerts von Interesse, und zwar nicht nur in seinen den Atomismus vertretenden Hypomemnata (1636), sondern auch in der Epitome naturalis scientiae (31633) , die hinsichtlich der Grundstrukturen der natürlichen Welt noch einem – wenn auch heterodoxen – Aristotelismus verpflichtet ist.  Zu möglichen Zusammenhängen zwischen Sennerts Atomismus und Leibnizens Früh-

philosophie vgl. Arthur 2006.

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Sennert vertritt die im orthodoxen Aristotelismus, wie gesehen, überwiegend abgelehnte These, daß alle Formen von Naturdingen von Gott in der Schöpfung erschaffen worden sind (vgl. Sennert 1633, 60). Das ist deswegen anzunehmen, weil Formen nicht auf natürlichem Wege aus nichts entstehen können. Denn das würde es erforderlich machen, daß die Materie über die Fähigkeit zur Annahme einer bestimmten Form verfügt und die Form von der Materie abhängt, also ohne diese nicht existieren kann (vgl. Sennert 1633, 56). Dann wäre aber nicht mehr zu erklären, daß die Form des erzeugenden Lebewesens entscheidenden Anteil an der Entstehung des erzeugten Lebewesens hat (vgl. ebd.). Also kommt einzig Gott als außerhalb des Naturlaufs stehende Instanz als Urheber der Form in Frage. Um nicht für jede Entstehung eines Naturdings eine unmittelbare göttliche Intervention annehmen zu müssen, weist Sennert darauf hin, daß Gott durch die Schöpfung von Formen Naturdinge nicht nur erschafft, sondern auch in ihrem Sein erhält und ihre Fortpflanzung ermöglicht. Das bedeutet anscheinend, auch wenn Sennert dies nicht detailliert ausführt, daß die konkrete Erzeugung eines einzelnen Baums oder Pferdes nicht unmittelbar als göttlicher Schöpfungsakt und damit als eine Art Wunder anzusehen ist, sondern daß die Fähigkeit von Lebewesen, ihre Form an Nachkommen weiterzugeben, als Ausfluß der durch Gott gewährleisteten Erhaltung der Naturordnung als ganzer zu betrachten ist (vgl. Sennert 1633, 60). Dementsprechend folgt Sennert den Thesen des neuzeitlichen Naturforschers Julius Caesar Scaliger darin, daß die Form der Möglichkeit nach bereits im Samen eines Lebewesens existiert. Das hat zur Folge, daß in der Zeugung die Form aus dieser im Samen angelegten potestas remota in die potestas propinqua überführt wird, der Samen also erst das Vermögen aufweist, ein Vermögen des Wachstums zu entwickeln (potestas remota), er dann dieses Vermögen zu wachsen (potestas propinqua) tatsächlich entwickelt und es im tatsächlichen Wachstum schließlich verwirklicht. Damit ist zwar nicht die Entstehung des einzelnen Lebewesens, wohl aber seine Fähigkeit, gezeugt zu werden, als Verwirklichung des göttlichen Schöpfungswillens anzusehen. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Einzig menschliche Wesen verfolgen bewußte Zwecke. Naturdinge ohne Bewußtsein folgen einem

 Vgl. Sennert 1633, 61. In ähnlicher Weise hat jeder Mensch die prinzipielle Tauglich-

keit, das Vermögen, Klavier zu spielen zu erwerben. Wird man im Klavierspiel unterrichtet, wird diese potestas remota in die potestas propinqua überführt: Durch den Unterricht erwirbt man das Vermögen, Klavier zu spielen. Diese potestas propinqua kann ihrerseits im tatsächlichen Spiel auf dem Klavier realisiert werden.

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natürlichen Antrieb. Die Zweckhaftigkeit solcher nicht bewußt herbeigeführter Veränderungen ist dadurch sichergestellt, daß es sich um von Gott in seiner Schöpfung verfolgte Zwecke handelt. Zweckursachen wirken jedoch nicht physisch, sondern vielmehr durch eine Veränderung im metaphorischen Sinne. Das bedeutet, daß Ursache-Wirkungsrelationen im physischen Bereich aus aristotelistischer Sicht mit einer Erklärung durch Zweckursachen verträglich sind. Endpunkt und Ziel der Entwicklung und Veränderung von Lebewesen ist ihre Form. Sie ist an die Existenz des jeweiligen Lebewesens oder Naturdings gebunden, entsteht mit ihm und geht mit ihm zugrunde. Die Form scheint jedoch – zumindest in physischer Hinsicht – nicht an bestimmte Materie gebunden zu sein, sondern garantiert alleine die Identität des Lebewesens oder Naturdings mit sich selbst über die Zeit hinweg. Zu Leibnizens Zeit wurde indes auch die Auffassung vertreten, daß alle Formen von Naturdingen und Lebewesen in der Schöpfung von Gott miterschaffen worden sind.

10.2. Körper als Maschinen Leibniz ist stets ein synthetischer Denker, der eher versucht hat, Theorien anderer Forscher und Denker in sein System zu integrieren, als sie (vorschnell) als falsch zu verwerfen. So baut er auch auf den obigen Thesen auf, projiziert viele dieser Ideen aber auf seine grundlegenden Thesen der Monadenlehre, wie etwa das besondere Verhältnis von grundlegender und für die Realität konstitutiver Einheit (Monade) und bloß phänomenaler Vielheit (Körper), den Spiegelcharakter der Monaden, sowie auf seine naturphilosophischen Thesen. Die Diskussion des Organismus hat in der Monadologie, die ja vor allem auf einem substanzontologischem Fundament aufbaut, insoweit Berechtigung, als Leibniz die Struktur des Körpers gerade im eigentümlichen Verhältnis von Einheit und Vielheit begründet sieht: Die Erörterung der Lebewesen setzt an der Feststellung an, daß jedes Lebewesen ein Spiegel des Universums ist (M § 63). Allein schon dies deutet an, daß es Leibniz hier weniger um die Naturwissenschaft des Körpers geht, sondern um ein Konzept, das a priori aus bestimmten grundlegenden Thesen über den Schöpfergott und über das Primat der Einheit in einer Welt der Vielheit folgt. Das Universum jedenfalls, das vom Individuum mittels Körper perzipiert wird, ist in Anbetracht der Universalharmonie und des Prinzips der besten aller möglichen Welten eben auch bestmöglich geordnet.

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Sofern nun die Seele das Universum im Einklang mit ihrem Körper repräsentiert (ebd.), wird der Körper somit als entsprechend geordnet gedacht und um diese spezifische Ordnungsstruktur soll es im folgenden gehen. Während die Ordnung der Natur insgesamt durch Naturgesetze beschreibbar ist und durch den Oberbegriff der Harmonie zu kennzeichnen ist, bietet sich eine andere Betrachtungsweise für den individuellen Körper an: die Maschine. Doch auch die als sensationell angesehene menschliche Kreativität der frühen Neuzeit – man denke an die ersten Meisterwerke der Uhrwerkskunst, hochkomplexe Orgelpfeifensysteme, aufwendige Krangewinde oder gar an die berühmte mechanische Ente des Erfinders Vaucanson – ist, so Leibniz, doch nur äußerst primitiv im Vergleich zu den göttlichen Maschinen, den Lebewesen: „So ist jeder organische Körper eines Lebewesens eine Art göttlicher Maschine oder so etwas wie ein natürlicher Automat, der alle künstlichen Automaten unendlich übertrifft“ (M § 64). Jeder organische Körper wurde in erster Linie seit der Antike durch seine Funktionalität gedacht – organon steht für „Werkzeug“. Die Hand war also zum Greifen da, das Auge zum Sehen. In der Tradition Descartes’ etwa gelten die Lebewesen in dieser Hinsicht als Maschinen: Die Lunge scheint analog zu einem Blasebald zu funktionieren, das Herz wie eine Pumpe, die Venen wie ein Röhrensystem mit Ventilklappen – ohne dabei jedoch auf funktionale Erklärungen zurückzugreifen (vgl. dazu umfassender Sutter 1988, 41 – 80). Descartes hat damit, wie eingangs gezeigt, den vormals oft ontologisch begriffenen Unterschied zwischen organischen Wesen und toter Materie nivelliert (s. o., 176 f.). Leibniz wendet dagegen in der Monadologie folgendes ein: Maschinen von Menschenhand sind stets nur endlich komplex, ein Teil mag als Ganzes eine bewundernswert konstruierte Funktion besitzen, etwa ein präzise geschliffenes und eingepaßtes Zahnrad; doch jedes Maschinenteil besitzt selbst wieder Teile, denen keine spezielle Funktion zuzusprechen ist (M § 64). Der Körper ist auch in seinen kleinsten Teilen noch eine Maschine (P § 3). Und das hat erstens zur Folge, daß es keine wirklich umfassende Erklärung durch Zweckursachen bei vom Menschen hergestellten Maschinen geben kann, sondern daß diese auch immer durch Wirkursachen begriffen werden müssen, während bei organischen Maschinen beides in Gänze möglich ist – laut Leibniz kann ein Organismus stets und vollständig sowohl kausal als auch teleologisch erklärt werden: Damit die Tiere sehen können, wurden ihnen Augen gegeben; zugleich kann man mit derselben Berechtigung sagen, daß die Tiere aufgrund des zu ihrer Entstehung führenden Kausalnexus Augen haben

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und deshalb sehen können (GP VII, 273). Kausalität und Finalität fallen nicht in zwei ontologisch getrennte Reiche auseinander, sondern in zwei epistemische Gesichtspunkte, unter denen die Welt betrachtet wird (vgl. Nunziante 2002, 121). Dies korrespondiert mit der Auffassung der Spätscholastik zum Verhältnis von Zweck- und Wirkursache (s. o., 178 f.). Zweitens bedeutet dies, daß Lebewesen durch eine in sich unendlich komplexe Struktur ausgemacht werden, die ihnen einen höhere Perfektion zuspricht. Leibniz sieht gerade die Komplexität der Organismen bis ins Unendliche gesteigert und so perfektioniert: Jeder noch so kleine Teil eines Lebewesens ist funktional ausgerichtet, jeder Teil eines Teiles eines Teiles, bis ins unendlich kleine Detail ist jeder Teil eines Lebewesen so funktional ausgerichtet wie ein Zahnrad in einem Getriebe. Dies macht die „Göttlichkeit“ der Maschine aus: Ein Mensch ist als Schöpfer einer Maschine nur in der Lage, endliche Komplexität hervorzubringen, Gott dagegen kann Maschinen unendlicher Strukturdichte erschaffen. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, daß Leibniz sich weigern würde, die Lebewesen als Maschinen zu begreifen, im Gegenteil: Für ihn ist alles Physische immer auch mechanistisch zu erklären. Selbst der Körper eines Lebewesens ist, genau wie bei Descartes, nichts anderes als eine „hydraulisch-pneumatisch-feuergetriebene Maschine“ (Carvallo, 116). Dies ist eine Andeutung von Leibniz, auf welche Grundbegriffe eine Wissenschaft des Körpers sich stützen müsste; doch dabei muß berücksichtigt werden, daß entgegen der heutigen Thermodynamik Leibniz stets davon ausgeht, daß jede physische Beschaffenheit und jede physische Veränderung letztlich durch die Gesetze der Mechanik, vor allem durch Stoß, Figur und Bewegung beschreibbar ist – in dieser Hinsicht ist Leibniz ein „Mechanist“. Dementsprechend wird der Organismus als Maschine definiert, da er ebenso wie

 Dennoch ist bei Leibniz die teleologische Erklärung der kausalen vorzuziehen, da

sie eben auf die transzendenten Gründe (Gottes) rekurrieren kann, durch die erst die Naturgesetze begründbar sind, welche den irdischen Kausalnexus zu regeln – um also zu wissen, warum es überhaupt zu kausalen Erklärungen kommen kann, muß man auf finale Erklärungen zurückgreifen, aber nicht umgekehrt. Auch dieser Auffassung hätten die Spätscholastiker zugestimmt. S. o., 180.  Selbst in den Schriften zum Organismus heißt es: „etsi in materia omnia explicentur

Mechanice, non tamen omnia in ea explicabuntur materialiter, hoc est per id quod in Corporibus mere passivum est, seu per principia mere mathematica, Arithmeticae nempe et geometriae.“ Animadversiones circa Assertiones aliquas Theoriae Medicae Verae clarii Stahlii, 1710. Carvallo (2004), 72. Der Text wurde auch in Dutens, II, 2, 131–161 abgedruckt, aber ich zitiere aus der von Sarah Carvallo besorgten Ausgabe, da diese die Transkriptionsfehler von Dutens korrigiert hat.

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eine Maschine insgesamt einen Zweck hat und eine auf diesen Zweck hin ausgerichtete interne Struktur. Wenn er die Lebewesen „Automaten“ nennt (M § 64), dann bezieht er sich darauf, daß sie in der Lage sind, sich selbst zu bewegen, also ihre Bewegungsrichtung und -ursache aus sich selbst beziehen, und zwar wiederum auf zweierlei Ebenen: Erstens, weil die beständige Aktivität des Körpers der Spontaneität der dominanten Monade entspricht, die als Entelechie das formgebende Prinzip dieser Aktivität ist (vgl. Duchesneau 1998, 339). Schon die Spätscholastik hatte ja angenommen, daß alle Lebewesen nach bestmöglicher Realisierung ihrer Form streben (s. o., 179 f.). So verfügt das Lebewesen über eine aus metaphysischer Sicht ihm genuin eigene Aktivität. Zweitens trägt Leibniz in seinen medizinischen Schriften die schon von Descartes (s. o., 176 f.) artikulierte Idee vor, daß Lebewesen durch ihr inneres Feuer am Leben bleiben und, anders als Maschinen, in der Lage sind, dieses Feuer durch Nahrungsaufnahmen zu versorgen. Da die Organismen aus sich heraus aktiv sind, da ihre physische Aktivität aus der monadeninternen, wirklichkeits­konstitutiven Spontaneität resultiert, kann es in ihnen und somit nirgends in der Materie keinen Stillstand geben: „Die Körper der Tiere sind Maschinen perpetualer Bewegung oder, um es deutlicher zu sagen, sie sind vergleichbar mit einer bestimmten und singularen Spezies mit perpetualer organischer Bewegung, die immer in der Welt erhalten ist.“ (Smith, 151.) In ähnlicher Weise hatten die Spätscholastiker angenommen, daß allen Naturdingen eine ‚Neigung‘ zur Erreichung ihres Zwecks innewohnt (s. o., 179 f.). Dennoch sind Organismen und Maschinen nicht graduell, sondern der Gattung nach („le genre même“, GP IV, 482) verschieden: Ein Tier ist eine unendlich komplexe Maschine, die sich selbst mit „Treibstoff“ versorgt. Es kann sich deswegen gezielt fortbewegen, die Umgebung in Nützliches und Gefährliches unterscheiden, und schließlich sich bzw. seine Spezies reproduzieren (vgl. A VI, 4, 568) – während eine von Menschenhand geschaffene und demnach nur endlich komplexe Maschine sich weder selbst versorgen noch reproduzieren kann (vgl. Smith, 151). Andererseits gibt es eine bedeutsame Ähnlichkeit zwischen beiden, nämlich die Koordination der Teile auf einen Gesamtzweck hin und die Beschreibbarkeit durch Kausal- und Finalursachen: „Der menschliche Körper, wie der Körper irgend eines Tieres, ist eine Art Maschine. Jede Maschine wird am besten über ihre finale Ursache definiert, so daß es in der Erklärung der Teile einsichtig ist (appareat), auf welche Weise sie mit anderen Teilen für den [für sie] bestimmten Nutzen  Vgl. die Diskussion bei Smith, 147.

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koordiniert sind.“ (Smith, 150). Die finale Ausrichtung der Lebewesen, ihr Streben, ist natürlich auch vor dem Hintergrund der leibnizschen Idee der Besten alle möglichen Welten zu sehen, nach der ohnehin die gesamte Welt und mit ihr jede Substanz zur Perfektion streben (vgl. GP VII, 308).

10.3. Alles ist voller Leben Weil „jeder Materieabschnitt nicht nur bis ins Unendliche teilbar ist, […] sondern auch tatsächlich ohne Ende unterteilt ist“ (M § 65, vgl. Beeley in diesem Band, 164 ff.), und weil alle natürlichen Maschinen „noch im kleinsten ihrer Teile bis ins Unendliche Maschinen“ sind (M § 64), folgt, „daß es in dem kleinsten Materieabschnitt eine Welt von Geschöpfen, Lebewesen, Tieren, Entelechien, Seelen gibt“ (M § 66, vgl. die Gartenund Teichmetapher in M § 67). Wie ist dies zu verstehen? Leibniz greift auf zwei Annahmen zurück, an denen er schon seit den 1670er Jahren festhält: Die Materie ist ein Kontinuum, es gibt also keine kleinsten Teilchen und alles ist unendlich weit teilbar; und es gibt keine unbelebten Teile in der Materie bzw. keine wirklich tote Materie, alles ist mit Leben ausgefüllt (M § 65). Letzteres leitet sich aus zwei Überlegungen her: Erstens daraus, daß tote Materie die Perfektion der Welt verringern würde und somit in der besten aller möglichen Welten nicht vorkommen kann; und zweitens aus der Überlegung heraus, daß die Materialität selbst in ihren konstitutiven Eigenschaften der Undurchdringlichkeit und der Masseträgheit der jeweiligen Materiepartikel durch eine Kraft aus­gemacht wird, die einer von außen einwirkenden Kraft widersteht und die also prinzipiell erstens aus sich heraus strebend bzw. gerichtet, zweitens aus sich heraus aktiv und drittens unaufhörlich wirksam sein muß – drei Kriterien, die Leibniz nur dem Leben zuspricht. Die Idee, daß die Welt nur aus Lebewesen besteht und aus nichts anderem, erscheint uns heute fremd. Doch auf der einen Seite ist zu bedenken, daß Leibniz einen weiteren Begriff von Lebewesen hat, der auch die Annahme organisierter und autoaktiver Strukturen unterhalb des zellulären Niveaus erlaubt. Auf der anderen Seite glaubte Leibniz gerade diese ungewöhnliche Idee durch die Entdeckung des Mikroskops bestätigt: Er hatte den holländischen Gelehrten Leeuwenhoek bereits im Jahre 1672 getroffen und einen Blick durch dessen neu erfundenes Mikroskop geworfen, durch das er winzige Lebewesen selbst in einem Tropfen Wasser erblickte, den man bis dann als unbelebt geglaubt hat (vgl. dazu Kabitz 1909, Wilson 1989 und Mercer 2001). Jeder Tropfen Wasser wimmelt vor Leben – so

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stellt Leibniz euphorisch fest: „Jeder Materieabschnitt kann als Garten voll von Pflanzen verstanden werden; und als ein Teich voll von Fischen. Aber jeder Zweig der Pflanze, jedes Glied des Tieres, jeder Tropfen seiner Säfte ist ein solcher Garten oder ein solcher Teich.“ (M § 67). Dies führt auch dazu, daß es nie einen Teil der Materie geben kann, der wirklich stillsteht – wie gesagt, Lebewesen zeichnen sich dadurch aus, daß sie nie rein passiv sein können, sondern selbst in ihrer Passivität gegenüber äußeren Einflüssen stets schon immer über eine genuine Aktivität verfügen, die jeder Kraft gewissermaßen als Gegenkraft entgegensteht. So ist jedes Materieteilchen unaufhörlich in Bewegung – „fast so wie es von einiger Entfernung in einem Teiche den Anschein hat, in dem man eine verworrene Bewegung und sozusagen ein Gewimmel der Fische des Teiches sieht, ohne die Fische selbst zu unterscheiden“ (M § 69). Ob dieses Beispiel glücklich gewählt ist und ob die minimale Bewegung der kleinen und allerkleinsten Lebewesen bzw. Materieteilchen wirklich in diesem Sinne sichtbar ist, mag man bezweifeln. Die dahinter stehende Idee bezieht sich darauf, daß man zumindest mit den modernen Möglichkeiten der Vergrößerung (zu Leibniz’ Zeiten eben das Mikroskop) in der Lage ist, die Bewegungen der kleinen Materiebausteine nachzuvollziehen, die man mit bloßem Auge nicht unbedingt sehen kann. Doch die Annahme einer allgegenwärtigen und unaufhörlichen Bewegung impliziert für Leibniz noch mehr: Er vertritt schon seit seiner Jugend die Auffassung, daß es keine Bewegung ohne ausrichtende Instanz geben, also ohne eine Entelechie (M § 70) kann. Erst später, mit seiner mathematischen Auflösung des Kontinuumsproblems, kann er dies präziser formulieren: Jede Bewegung bedarf einer koordinierenden Instanz, welche (durch die prästabilierte Harmonie zwischen Körper und Seele) die minimalen, ja infinitesimalen Bewegungsmomente der allerwinzigen, ja infinitesimal kleinen Materiepartikel zu einer zielgerichteten zweckmäßigen, meß- und damit prinzipiell beobachtbaren Bewegung zusammenfasst. Die einzelnen Teile eines Lebewesens bestehen also aus anderen Lebewesen: „die Glieder des lebendigen Körpers sind voll von anderen Lebewesen, Pflanzen, Tieren, deren jedes wiederum seine beherrschende Ente Diese für uns heute selbstverständliche Idee war im frühen 17. Jahrhundert noch

problematisch, kollidierte sie doch, ähnlich wie die erst durch moderne Vergrößerungsmittel wie etwa das Fernrohr gegebenen Erkenntnisse, mit theologischen Annahmen, in diesem Falle mit der, daß die Welt für den Menschen geschaffen sei – denn wie soll der Mensch über die Tiere „herrschen“, wie es in der Bibel heißt (Gen. 1,26), wenn er sie noch nicht einmal mit bloßem Auge sehen kann und also in seinem ursprünglichen physischen Wesen gar nicht dazu in der Lage ist?

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lechie besitzt“ (M § 70). Dies läßt sich mit heutiger Terminologie etwa am Verhältnis des gesamten Individuums zu seinen Zellen erläutern: Einzelne Zellen können durchaus in unterschiedlichem Maße als eigenständige Lebewesen begriffen werden, besonders vor Leibniz’ weitgefasstem Begriff der Lebewesen: Sie agieren von selbst, verfügen über Mechanismen der Selbstregulation, können durchaus unter Rückgriff auf Zwecke erklärt werden etc. Nur daß Leibniz solche Überlegungen gemäß seiner Forderung des Kontinuums noch weiterführt: Auch in diesen uns konstituierenden kleinen Lebewesen sind wiederum unendlich viele primitivere Lebewesen enthalten. Demnach kann er auch an der These festhalten, daß es keine unbelebte Materie gibt und diese immer bis ins unendlich kleine Detail noch belebt bzw. eine Maschine ist (vgl. M § 64, P § 3 f.). Und da es keine unbelebte Materie geben kann, gilt: Nicht die Materie macht das Leben aus, das Leben entsteht auch nicht aus der Materie, sondern es liegt der Materie zugrunde und diese geht aus ihm hervor.

10.4. Die Einheit des Lebewesen und die Metamorphosen des Körpers In M § 63 unterscheidet Leibniz in gewissem Maße auch zwischen Lebewesen im allgemeinen und Tieren im besonderen: „Der Körper, der zu einer Monade gehört, die dessen Entelechie oder Seele ist, bildet mit der Entelechie zusammen das, was man ein Lebewesen nennt, und mit der Seele zusammen das, was man ein Tier nennt.“ Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Unterscheidung zu verstehen: Entweder bezieht sie sich darauf, daß Tiere über eine höher entwickelte Seele und somit etwa auch über Empfindungen und Gedächtnis verfügen (vgl. M § 18 f., M § 25 f.), während niedere Lebewesen, etwa Pflanzen, bloß mit einer Entelechie versehen sind, in diesem Sinne zwar vollkommen sind und selbstgenügsam (vgl. M § 18, T § 87), aber über keine höheren kognitiven Funktionen wie eben Gedächtnis oder klar perzipierte Empfindungen verfügen. Oder aber Leibniz bezieht sich hier darauf, daß einerseits dieselbe, stets unveränderliche Entelechie die unaufhebbare Identität des Lebewesens als reines Individuum ausmacht, während andererseits die bloß kurzzeitig und mittels Erinnerungen Identität stiftende Seele sich temporal mit dem Körper verändern kann, soweit, daß man sagen kann, dasselbe Lebewesen wäre jetzt das eine Tier, später ein anderes. Diese Frage ist entscheidend, um die These von der Metamorphose der Tiere (M §§ 72 ff.) zu verstehen.

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Beides ist gemeint. Es passt zu Leibniz Diktum, daß die Natur keine Sprünge macht, daß es einen mögliches, ideelles Kontinuum zwischen zwei beliebigen Lebewesen gibt, in dem Sinne, daß immer ein „mittleres“ Wesen gedacht werden kann, das zu beiden eine größere Ähnlichkeit aufweist als diese je zueinander, was sich aus seiner Theorie der vollständigen Begriffe ergibt. Demnach wäre auch der Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren nur ein gradueller Unterschied, vor allem in der Fähigkeit, deutlich wahrzunehmen und sich zu erinnern (vgl. dazu Kulstad 1991). Die Entelechie wird also, wenn sie hinreichend perfekt ist, Seele genannt. Die Seele eines Tieres ist dann die je perfekteste und also mächtigste Seele, sie ist die „beherrschende Entelechie“ (M § 70) und sie kann gewissermaßen die anderen Seelen kontrollieren. Die Körperteile sind erst dadurch Organe, also Werkzeuge (griechisch: Organon), daß sie in einer Hierarchie zugunsten der größt­möglichen Perfektion angeordnet sind; die Seele des gesamten Körpers ist je die perfekteste Substanz (vgl. bspw. Brief an des Bosses, 16. Juni 1712. GP II, 451). Der Körper ist ingesamt durch eine iterative innere Teleologie ausgezeichnet, die nicht nur die Zusammensetzung der einzelnen Teile (Organe) koordiniert, sondern auch die Teile dieser Teile, bis ins Unendliche. Es heißt, daß die Seele eines Lebewesens als „darstellendes Wesen“ („nature representative“) existiert, das „in der Lage ist, die außer ihr Seienden [Dinge] mit Beziehung auf seine Organe zu perzipieren“ (SN, GP IV, 484). Die je in einem Lebewesen enthaltenen Kleinstlebewesen sind etwa nicht so perfekt wie das ihnen übergeordnete: „So gibt es nicht allein überall Leben, das mit Gliedern und Organen ver­bunden ist, sondern es gibt davon sogar eine unendliche Zahl von Abstufungen in den Monaden, von denen die einen die anderen mehr oder weniger beherrschen“ (P § 4). Die übergeordnete Seele perzipiert die ihr untergeordneten körperlichen Substanzen in verschiedenen Graden der Deutlichkeit: Die Nerven und Gefäße, die Leibniz als Empfindungsträger ansieht, werden besonders deutlich wahrgenommen (vgl. Brief an Arnauld, April 1687, GP II, 90) und können so auch anatomisch als Ursache für die zentralen Körperfunktionen und als Vermittler der anderen Körperzustände betrachtet werden. So machen sie den mittelbaren physischen Prozeß der Wahrnehmung der Außenwelt aus, der aber nicht mit der unmittelbaren Repräsentation der Welt durch die Modifikationen der einfachen Substanzen verwechselt werden sollte. Entsprechend der Komplexität der Organe werden  Leibniz stimmt, wenn auch zögerlich, Malpighi zu, der Pflanzen für „unperfekte Tiere“ hält. Brief an Arnauld, 9. Oktober 1687, GP II, 122.

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auch die Perzeptionen komplexer und dies kann bis zur Bewußtwerdung (sentiment, P § 4) gehen, also zu einer von Gedächtnis begleiteten Perzeption. Demnach entspricht der Komplexität des Körpers die Perfektion der Entelechie, die bei hinreichender Komplexität des Körpers auch „Seele“ genannt wird oder auch „Geist“, sofern sie vernünftig ist. In anderen Schriften (etwa im Briefwechsel mit Stahl, in seinen wenigen botanischen Schriften, im Tentamen Anagogicum) hat Leibniz diesen Ansatz weiterverfolgt und es läßt sich aus seinen Schriften eine komplizierte Theorie rekonstruieren, nach der auch die Funktionalität der Organe eines Lebewesens nicht nur dessen innerer Struktur folgt, sondern auch der Struktur und Harmonie der in ihm enthaltenen Lebewesen. Demnach ist der Organismus in sich strukturiert, da seine einzelnen Teile (Organe) funktional angeordnet sind und zum Überleben des Gesamtwesens beitragen; die jeweiligen Organe sind in sich selbst wieder strukturiert, ad infinitum. Jedes Lebewesen steht in Austausch mit der Umgebung, etwa durch Atmung oder Nahrung. Durch diesen Austausch gehen „Teile in sie [die organische Maschine] ein und verlassen sie wieder“ (M § 71). Das und auch die unaufhörliche Eigendynamik der jeweiligen untergeordneten Lebewesen führt dazu, daß kein Körper eines Lebewesens eine absolut feste Gestalt haben kann – erinnern wir uns, Leibniz beginnt diese Abhandlung über die belebten Körper durch Verweis auf den repräsentationalen Charakter des Körpers, der durch seine Beziehung zu einer Welt bestimmt ist, die selbst in ständigem Fluß ist: „alle Körper sind wie Ströme in einem dauernden Fluß“ (M § 71). Dies wirft das Problem auf, daß die Einheit des Lebewesens nicht an eine ganz spezifische Realisierung eines Körpers gebunden sein kann – wie in der antiken Frage nach der Identität des Schiffes von Theseus, dessen Planken auf einer Reise nach und nach vollständig ersetzt werden und bei dem dann unklar ist, ob es dasselbe Schiff ist, das nach Hause zurückkehrt. Leibniz bezieht sich in der Antwort auf dieses Problem, so in M § 74 oder P § 6, auf eine lange Tradition (etwa Sennert, s. o., 181 ff.), in der die Einheit des Lebewesens schon vor der Geburt vorgegeben ist – die sogenannte Präformationslehre (vgl. dazu Smith 2002). Die signifikante Neuerung besteht von leibnizscher Seite darin, die Einheit des Lebewesens in der unsterblichen, immateriellen und allperzipierenden Monade zu begründen. So kann er folgern (M § 76), daß ein Lebewesen genauso wie die Monade nie auf natürliche Weise zu existieren anfängt oder aufhört – die Identität des Lebewesens erstreckt sich über dessen Geburt und Tod hinaus (vgl. Busche in diesem Band, 55 f.). Leibniz ist jedoch radikaler als andere Präformationstheoretiker: Ein Lebewesen besteht in seiner Identität auch über die verschiedene Trans-

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formierungen hinweg, die Tiere sind schon stets „mit der Anlage zu einer großen Umformung ausgestattet […], um ein Tier einer anderen Art zu werden“ (M § 74) – wie etwa Würmer zu Fliegen werden, Raupen zu Schmetterlingen (ebd.), so transformieren sich die Lebewesen stets aufs Neue. „So kann man sagen, daß nicht nur die Seele […] unzerstörbar ist, sondern sogar das Tier, obwohl seine Maschine oft teilweise untergeht und organische Hüllen ablegt oder annimmt“ (M § 78). Die Maschine ist hier der je einem Individuum zugeordnete Körper, der von der Seele eben dieses Individuums beherrscht wird; das Tier (im Sinne von Individuum) bleibt erhalten, da die Seele nicht stirbt, sondern nur in Entsprechung der Zerstörung des Körpers an gradueller Perfektion und Reichweite der Perzeptionen verliert. Die Raupe stirbt zwar als Raupe, dasselbe Tier bzw. Lebewesen lebt dann aber als Schmetterling weiter. Es ist nicht der materielle Körper, der die Identität und die Individualität des Lebewesens ausmacht, sondern vielmehr das den Körper organisierende, antreibende d. h. ihm Aktivität verleihende abstrakte Prinzip, die substantielle Form. Deswegen läßt sich die Deutung von M § 63 tatsächlich so ausformulieren, daß dasselbe Lebewesen zu verschiedenen Zeiten verschiedene Tiere sein kann – ein Tier kann zu einem Tier einer anderen Art werden (M § 74) und dennoch dasselbe Individuum bleiben. Leibniz lehnt damit die Vorstellung eines Hylemorphismus ab, dem zufolge eine Seele unabläßlich an einen ganz bestimmten Körper gebunden ist. Die Seele transformiert sich mit dem Körper, während die zugrundeliegende Entelechie (und, auf logischbegrifflicher Ebene, der vollständige Begriff) für die temporale Identität der Lebewesen sorgt, ohne stets die höheren kognitiven Funktionen zu erlangen, die notwendig sind, um ein Lebewesen als beseelt zu bezeichnen. Das bedeutet nicht, daß ein Lebewesen eine solche Transformation nicht auch als Tod erleben würde, da mit der Reduktion der Seele auf eine bloße Entelechie eben gerade das Gedächtnis vermindert wird – auf so dunkle Perzeptionen, daß eine bewußte Rückerinnerung nicht möglich ist. Deshalb betont Leibniz auch, daß das Ziel des Lebewesen die Selbsterhaltung sei (vgl. Carvallo, 124). Der Organismus strebt darauf hin, so heißt es an anderer Stelle, sich selbst zu produzieren (Vgl. GP VI, 550), sich selbst als Körper zu realisieren – er drängt also schon zum vollen Leben und zur bestmöglichen Realisierung seiner durch die Entelechie vorgegebenen Form (ähnlich schon die Spätscholastik, s. o., 179 f.). Dieses Streben hin zur Selbsterhaltung durch Selbstproduktion entspricht natürlich einerseits unserer Alltagserfahrung, aber andererseits auch Leibniz’ Begriff der Perfektion, daß nämlich Komplexität der Formen eine der Perfektionen

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der Welt ist – der Organismus würde schließlich bei seinem Tod (zugunsten insgesamt größerer Perfektion) in einfachere Formen zerfallen und die oberste, also perfekteste Substanz verliert relativ zu anderen Substanzen gemessen an Aktivität und damit an Perfektion. Daß der Organismus im Tode als Struktur erhalten bleibt, bedeutet daß auch die untergeordneten Substanzen nicht wirklich von ihm „abfallen“, die einzelnen Organe werden jedoch mehr oder weniger „eingefaltet“ (vgl. GP IV, 480 ff.) und dadurch reduzieren sich auch die kognitiven Fähigkeiten soweit, daß ein Lebewesen für jeden Betrachter gestorben scheint. Der Organismus reduziert sich auf ein Kleinstlebewesen, das sich in den Überresten seines vormaligen Körpers befindet, der dann nur noch ein ens per aggregationem ist, und sich von dort aus weiterentwickelt. Es findet ein gradueller Übergang statt, so wie in der leibnizschen Philosophie die Natur keine Sprünge macht, auch nicht im Tode: „So wechselt die Seele den Körper nur nach und nach und gradweise, derart daß sie niemals auf einen aller ihrer Organe entblößt würde“ (M § 72). Das Lebewesen ist in einem physischen Wandel inbegriffen, doch seine Identität ist weder an die Form des Körpers, noch an die Konstanz der Erinnerungen gebunden, vielmehr ist seine in der Entelechie begründete Identität unabhängig von der zeitlich zu denkenden Identität eines Lebewesens als eines, das sich durch bestimmte biologische Eigenschaften auszeichnet.

10.5. Schluß Insgesamt lassen sich in der leibnizschen Theorie der Lebewesen vier Merkmale feststellen, nach denen die natürliche von der künstlichen Maschine unterschieden werden kann: 1. Sie hat eine eigene koordinierte Aktivität, 2. sie besteht aus einer Substanz und einem ihr zugeordneten und von ihr beherrschten materiellen Körper, 3. sie ist in sich unendlich (und hierarchisch) strukturiert, und 4. sie strebt nach Perfektion. Sofern das Streben nach Perfektion im konkreten Fall Überleben bedeutet, so bedeutet es im Falle des Menschen auch das Streben nach moralischen Werten und Frömmigkeit. Doch die Theorie des Organismus als ein teleologisches, iteratives und hierarchisches System leistet einen großen Beitrag, die empirischen Beobachtungen mit metaphysischen Prinzipien zu versöhnen, wie vor ihm keine andere Theorie. Leibniz kann so etwa auch Selbst-

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heilungsprozesse erklären, die auf die Finalität der einzelnen Körperteile zurückgehen, ohne daß sie dabei bewußt vom Gesamtlebewesen gesteuert werden. Ähnlich in Bezug zur Embryogenese, also dem Heranwachsen von Lebewesen: Leibniz kann mit den Ideen einer unbewußten, monadischen Finalität und der Koordination von subordinierten Substenzen eine verhältnismäßig plausible Theorie liefern, den Wachstumsprozeß von Lebewesen zu erklären, der gerade nicht auf bewußte Finalität zurückgreifen kann. Wie fast im gesamten Spätwerk, so wird auch in der Monadologie die Theorie der voll­ständigen Begriffe nicht mehr erwähnt und es ist in der Forschung umstritten, ob dies einen entsprechenden Theoriewandel Leibnizens bedeutet oder nicht. Jedenfalls, dies kann man auch aus den entsprechenden Schriften der sogenannten mittleren Jahre des leibnizschen Schaffens herauslesen, kann man den vollständigen Begriff genau so in der Theorie­architektur situiert sehen, daß er eine Vorlage für die erforderliche Information liefert, nach der sich Lebewesen strukturieren. Dies ist von dem heutigen DNA-Konzept streng zu unterscheiden, antwortet aber auf dasselbe Problem, nämlich auf die Frage, wie das finale Ziel die Veränderung anleiten soll, wenn es doch noch gar nicht erreicht ist. Trotz des uns heute fremden Ontologieentwurfes und seiner unhaltbaren metaphysischen Prämissen erweist sich die leibnizsche Theorie der Lebewesen als erstaunlich tragfähig, was ihre Erklärungskapazität der empirischen Beobachtungen des Lebendigen angeht.

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Literatur Editionen Leibnizscher Schriften: Smith = The Body-Machine in Leibniz’s Early Physiological and Medical Writings: A Selection of Texts with Commentary, hrsg. v. Justin E. Smith. In: The Leibniz Review 17, 2007, 141–179. Dutens = G. G. Leibnitii Opera Omnia […], hrsg. v. Ludowico Dutens, 6 Bde., Genf 1768; Nachdruck Hildesheim 1990. Carvallo = La controverse entre Stahl et Leibniz, hrsg. v. Sarah Carvallo, Paris 2004.

Andere Autoren: Arriaga, Rodrigo de, 1632: Disputationes Physicae. In: ders., Cursus Philosophicus, Antwerpen, 240–496, online verfügbar unter: , letzter Aufruf: 31. 10. 2008. Arthur, Richard T. W. 2006: Animal Generation and Substance in Sennert and Leibniz. In: Smith, Justin E. (Hrsg.): The Problem of Animal Generation in Early Modern Philosophy, Cambridge, 147–174. Collegium Conimbricense, 1594: Commentarii Collegii Conimbricensis in octo libros Physicorum Aristotelis, Lyon; repr. Nachdruck Hildesheim 1984. Duchesneau, François 1988: Les modèles du vivant de Descartes à Leibniz, Paris. Kabitz, Willi 1909: Die Philosophie des jungen Leibniz, Heidelberg; Nachdruck Hildesheim 1997. Kulstad, Mark 1991: Leibniz on Apperception, Consciousness, and Reflection, München. Mercer, Christia 2001: Leibniz’s Metaphysics. Its Origins and Development, Cambridge. Nunziante, Antonio M. 2002, Organismo come Armonia. La genesi del concetto di organismo vivente nella filosofia di G. W. Leibniz, Trient. Perera, Benet, 1579: De communibus omnium rerum naturalium principiis & affectionibus libri quindecim, Paris, online verfügbar unter: , letzter Aufruf: 31. 10. 2008. Sennert, Daniel, 31633: Epitome Naturalis Scientiae, Wittenberg, online verfügbar unter: , letzter Aufruf: 31. 10. 2008. Smith, Justin E. 2002: Leibniz’s Preformationism: Between Metaphysics and Biology. In: Tymieniecka, Anna-Teresa (Hrsg.): The Creative Matrix of the Origins. Dynamism, Forces and the Shaping of Life, Analecta Husserliana LXXVII, Dordrecht, 161–192. Sutter, Alex 1988: Göttliche Maschinen – Die Automaten für Lebendiges bei Descartes, Leibniz, La Mettrie und Kant, Frankfurt/M. Wilson, Catherine 1995: The invisible world. Early modern Philosophy and the Invention of the Microscope, Princeton.

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Prästabilierte Harmonie (§§ 78–81, 87)

11.1. Einleitung: Problemstellung In diesem Teil der Monadologie kommt eines der zentralen und charakteristischen Lehrstücke des Leibnizschen Philosophierens zur Sprache, das Theorem der ‚prästabilierten‘ oder ‚präetablierten‘ Harmonie. In ihm bündeln sich alle Grundannahmen, die Leibniz seit dem Briefwechsel mit Antoine Arnauld und dem Discours de metaphysique, also seit der Mitte der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts konsequent entwickelt hatte, zu einer hochkomplexen, systematisch aufgebauten Bestimmung der Wirklichkeit. Leibniz hatte in den vorangegangenen Paragraphen, ausgehend vom Begriff einer einfachen Substanz (Monas), die komplexe Vorstellung eines Universums entwickelt, in dem nichts „Unkultiviertes, Unfruchtbares oder Totes“ (M § 69), kein Chaos oder keine Indifferenz gegeben sein könne, und zwar nach dem Prinzip der ‚identitas indiscernibilium‘ und nach dem Grundsatz, daß alles unterschieden sei und daher Existieren und Individuum-Sein zusammenfallen (vgl. T I § 89 f., M §§ 19 f., 26–28, 30; Leinkauf 1999a, 201 f.). Vielmehr bestehe alles aus abgestuft komplexen, singulären Einheiten (Lebewesen, Seelen, Geister), die selbst weder entstehen noch vergehen können, sondern ‚geschaffen‘ werden (M §§ 73, 76; SN, GP IV 479; T I § 90, GP VI 152; vgl. Bruno, De la causa, dialogo 2, BW III, 114 f.; Leinkauf [2007a], XCIV, Anm. 180). In den M §§ 78–81 wird nun das Problem der Korrespondenz zwischen solchen irrreduziblen, nicht aggregathaften Einheiten und den ihnen zugeordneten reduziblen aggregat­ haften Einheiten, also aus cartesianischer Sicht das Verhältnis zwischen res cogitans und res extensa, aus christlicher Perspektive das Verhältnis zwischen Seele und Leib (Körper) diskutiert.

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Der Ansatz des Descartes hatte den seit der Spätantike diskutierten (Plotin IV 2, 1, 62 f. 2, 40 f; IV 7, 2, 21 ff.) und vom Christentum differenziert aufgenommenen Gedanken der Universalpräsenz des Seelischen in seinem Körpersubstrat (anima est tota in toto corpore et tota in qualibet parte corporis) und die damit systematisch verbundene Theorie eines „influxus“, d. h. einer Übertragung materieller und nicht-materieller Information wechselweise von Körper zur Seele und von der Seele zum Körper, zurückgewiesen und an dessen Stelle einen auf eine punktuelle Kontaktzone (Zirbeldrüse) reduzierten Austausch gesetzt (Leinkauf 1993, 56–66). Hiernach ‚transportieren‘ mechanischen Druck- und Stoßgesetzen folgende Körpergeister (spiritus corporales) Informationen, d. h. ebenfalls aus mechanischen Gesetzen resultierende Prägungen von Teilchen in Teilchen, zu diesem Vermittlungskorridor und speisen diese Information an der Kontaktstelle ein. Die systematischen Probleme einer solchen Distanzierung der Seele von dem Ort der unmittelbaren Informations- oder Affektgenese, die Plotin schon in der Auseinandersetzung mit der Stoa auf den Tisch gelegt hatte (und, wie dann auch teilweise in der Frühen Neuzeit, unter Rückgriff auf die stoische Mischungslehre widerlegt hatte; Chiaradonna 2005), können hier nicht diskutiert werden. Entscheidend ist, daß Leibniz dieses Grundproblem weder durch den Präsenz-Gedanken noch durch ‚reale‘ Informationsprozesse (körperliche Berührung und sinnliche Perzeption), sondern durch einen radikalen und universalen Parallelismus lösen will.

11.2. Ontologischer Parallelismus, der Kontext Die Option eines ontologischen Parallelismus ist keine genuin Leibnizsche Antwort, sie wird in den Reaktionen des philosophischen Diskurses des 17. und 18. Jahrhunderts auf bestimmte Radikalisierungsstrategien (Atomismus, Mechanismus, Perzeptionalismus) von verschiedenen Autoren als ein möglicher Lösungsweg aus aporetischen Situationen geprüft. Die Schnittfläche des materiellen und des geistigen Kosmos ist natürlich seit der Unterscheidung in Materielles und Geistiges ein stabiler Ort für philosophische Grundproblemstellungen gewesen. Die scharfe, radikale Trennung jedoch, die einerseits Descartes durch seine substantielle Unterscheidung von res extensa und res cogitans, andererseits der sich mit stoischem Denken verbindende Atomismus des Pierre Gassendi und Thomas Hobbes durch seine strikte Reduktion allen Seins auf materielle – atomare oder zumindest partikular-korpuskulare – Konstellationen unter Absplittung des (christlich zu bewahrenden) Seelischen jeweils einführten, brachte ein – vielleicht bis heute

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– nicht mehr befriedetes Schisma in das neuzeitliche Denken ein: auf der einen Seite mechanistisch-wirkursächliche Erklärungsstrategien, die ihre in Bezug auf materielle Phänomene und Vorgänge gewonnene Überzeugungskraft auf die Beschreibung nicht-materieller Seinsweisen (Seele, Geist, Gott) auszudehnen suchten, und auf der anderen Seite die bis in die Hochscholastik zurückgehende Synthese aus aristotelisch-finalursächlichen und christlichspiritualistischen (theologischen) Deutungsweisen, die ihre aus der metaphysischen Theorie und der seelischen Introspektion gewonnene Überzeugungskraft nicht von der ‚interpretatio naturae‘ abspalten lassen wollten (influxus). Auswege aus diesem (wie aus jedem) Schisma konnten nur klare und damit ein gewisser Weise auch radikale Denkansätze bieten, die entweder aus der materialistischen oder der spiritualistisch-mentalen Perspektive argumentieren und dabei die jeweils ‚andere‘ Seite des zuvor Getrennten entweder (i) ignorierten (reiner Materialismus, reiner Idealismus), oder (ii) unter den Index des Primates ihres eigenen Ausgangspunktes setzten oder (iii) eben, wie Leibniz und auf andere Weise Spinoza, in einen Parallelismus transformierten. Aus der Perspektive eines kritischen Autors wie Pierre Bayle erschien dabei die von Leibniz entwickelte Theorie der ‚prästabilierten Harmonie‘ als ein „dritter Weg“, der einerseits die nicht-cartesianische Influxus-Theorie (Übertragung materieller bzw. nicht-materieller ‚Information‘ wechselweise vom Körperlichen aufs Seelische und umgekehrt), andererseits aber auch die als Konsequenz des von Descartes so nicht radikalisierten ‚Dualismus‘ entwickelte Theorie der „Gelegenheitsursachen“ (Eingreifen Gottes „bei Gelegenheit“ einer Veränderung an einer der beiden Substanzen, um die entsprechende Ursache bzw. Wirkung in der anderen hervorzubringen) als inkonsequent vermeiden will (vgl. Descartes, Epistulae, ed. Fr. Knoch, Francofurti 1692, T II, 54; III, 334). Hauptvertreter des Okkasionalismus sind A. Geulincx, N. Malebranche, L. de la Forge, G. de Cordemoy (vgl. Leibniz, SN, GP IV 499–501; T I § 61; zur Sache Stein 1888, Vleeschauwer 1972). In Leibniz’ drittem Weg, dessen lang und mühselig erarbeiteten systematischen Voraussetzungen die Paragraphen der Monadologie gar nicht zur Darstellung bringen können, wird zunächst die Trennung zweier völlig verschieden organisierter Seinsbereiche – des materiellen, mechanisch und wirkursächlich aufgebauten Bereichs einerseits und des geistigen, dynamisch und finalursächlich aufgebauten Bereiches andererseits (M § 79) – anerkannt, indem sie terminologisch auf „zwei Reiche“ (les deux regnes) verteilt und bis ins Extrem getrieben wird. Darüber hinaus wird, in einer  Hierzu vgl. Robinet 1988; Liske 2000, 89–103; Leinkauf 2002, bes. 129 f. Die beiden Reiche verhalten sich nicht symmetrisch zueinander: das mechanisch-wirkursächliche Naturreich A,

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noch radikaleren Wendung, auch das Interagieren der geistigen Wesen (Monaden) untereinander als Ausdruck einer prästabilierten oder präetablierten, harmonischen Grundordnung des existierenden Seins verstanden.

11.3. Ontologischer Parallelismus: Leibniz’ Lösung Leibniz bezeichnet diese Grundordnung des Aufeinanderbezogenseins des Körperlichen und Seelischen in M § 78 auf verschiedene Weise: einmal als „union“, dann als „conformité“ – was, in dem Präfix con- der Sache auch sprachlich schon näher kommt – und schließlich explizit als „harmonie préétablie“. In diesen Begriffen kommen jeweils verschiedene, für das Konzept dieser Grundordnung jedoch durchweg zentrale Implikationen zum Ausdruck. Im Begriff der ‚Vereinigung‘ (union) ist der der ‚Einheit‘ (unité) der bestimmende. Mit ihm, der zuerst genannt wird, weil er das fundamentalste aller Implikate benennt, verweist Leibniz indirekt aber deutlich auf das, was man als seine Einheitsintuition bezeichnen könnte. Um diesen Gedanken einer durch alles hindurch gehenden und alles bestimmenden Einheit kreist sein Denken schon seit seinen frühesten Reflexionen, es kommt, darauf verweist Leibniz an mehreren Stellen selbst, erst in seinem letzten, reifsten Systemansatz, dessen früheste Formulierung das Système nouveau darstellt, dessen späteste, kondensierteste Gestalt neben den Principes de la nature et de la grace die Monadologie ist, zu seinem differenziertesten Ausdruck. Sieht man es so, dann ist die ‚Einheit‘ oder ‚Vereinigung‘ von Seele (b) und Körper (a) nur ein Sonderfall des Gedankens der Einheit als in sich setzt zwar schöpfungstheologisch das geistig-wirkursächliche Gnadenreich B voraus – ohne eine Finalität im göttlichen hervorbringenden Intellekt und im Sein-setzenden Willen existierte es nicht – , A hat aber aus sich heraus keinen Zugriff auf B (keine Teilchenkonstellation kann ihr Sein oder ihre Finalität als So-sein reflektieren), während jedes Seiende in B notwendig auf A bezogen ist, sei es als seine jeweilige materiell-körperliche Voraussetzung in Erhaltungs- und Perzeptionsprozessen, sei es als theologischer Index des postlapsalen ‚status iste‘, sei es, vor allem, als Dokument eines vernünftigen, weil alles durchgehend geordnet habenden göttlichen Setzungsaktes im Sinne des stoischen ‚mundus propter hominem‘. Daß die mit der Finalursächlichkeit verbundene Intentionalität jedoch sowohl A als auch B, also das gesamte geschaffene Sein, betreffen, war Leibniz aus der klassischen scholastischen Tradition her vetraut, vgl. etwa Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de veritate, q. 2, a. 3, ed. Leonina, Bd. XXII/1, 51: „[…] sed res non potest ordinari ad finem aliquem nisi res ipsa cognoscatur simul cum fine (!) ad quem ordinanda est, unde oportet quod in intellectu divino, a quo rerum naturae origo provenit et naturalis ordo in rebus, sit naturalium rerum cognitio“. Vgl. SN, GP IV 475: „tout le systeme des corps ne paroist estre fait que pour le Monde intellectuel“.

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differenzierter Einheit oder als Einheit von Verschiedenem. Im Begriff der ‚Übereinstimmung‘ (conformité) wird der Gedanke einer als Vereinigung Differenter zu denkenden Einheit näher bestimmt als eine Vereinigung, deren Relata, Glieder oder Momente auf ein drittes Moment (c) bezogen sind, auf das sie (beide) in gleicher oder zumindest vergleichbarer Weise hingeordnet sind. Im Begriff der ‚prästabilierten Harmonie‘ wird auf dieses Dritte explizit verwiesen, es aber nicht schon benannt: a und b verhalten sich konform zu c und bilden dadurch (und nicht durch etwas anderes) eine Einheit als prästabilierte Harmonie. Es ist wichtig, sich klar zu machen, daß diese drei Faktoren nicht als getrennt zu denken sind, sondern Ausdruck der selben Sache sind: Die prästabilierte Harmonie ist für Leibniz kein superadditum, das zur Vereinigung und zur Übereinstimmung hinzutritt, sondern sie ist der Modus, in dem allein wirkliche Vereinigung und Übereinstimmung möglich ist und sich ausdrückt. Das Dritte jedoch, das hier nicht explizit benannt wird, ist, in der systematischen Gesamtkonstruktion des leibnizschen Denkens, der die Wahl der existierenden Welt motivierende, universale Kalkül Gottes (calculus Dei). Dieser universale Kalkül Gottes ist das, was Leibniz als Universum bezeichnet. Daher ist es auch konsequent, wenn es in M § 78 weiter heißt, daß die beiden Substanzen (a, b) und ihre zugeordneten ‚Reiche‘ (a’, b’), die hier als vereinigt und in Übereinstimmung stehend gedacht werden, „des representations d’un même univers“ seien. Das Universum im Leibnizschen Sinne ist das Dritte (c), in dem sich körperliche Substanzen und geistige Substanzen als wiederum substantiell aufeinander bezogen und ohne real zu interagieren vorfinden. Das existierende Universum ist dabei genau das eine der unendlich vielen möglichen Universen (oder auch: Welten), das aus dem „pays des possibles“, das sich im göttlichen Intellekt findet, unter bestimmten, rationalen Bedingungen von Gott als zur Existenz kommend ausgewählt worden ist. Zum „decretum absolutum Dei“ hat Leibniz anderenorts wichtige Erläuterungen gegeben (vgl. T III § 335, GP VI 314; CD § 15, GP VI 440; M § 51). Zu den Beschlüssen Gottes und zum ‚decretum absolutum‘ finden sich Verdeutlichungen in T I § 78; III §§ 388–391 (GP VI 144; 345–347) und in CD §§ 41–43 (GP VI 445). Diese Existenzbedingungen werden von Leibniz seit den 80er Jahren in zunehmender Intensität und vor allem in zunehmender logisch-systematischer Verschärfung diskutiert. Sie lassen sich zusammenfassen als: 1) Kompossibilität der Faktoren, 2) Simplizität der Strukturen (Gesetze) und 3) Komplexität der Erscheinungen. Zu 1): Im Gedanken der Kompossibilität (compatibilitas, compossibilitas), der sachlich auf die hoch- und spätmittelalterliche Diskussion

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um die Weltenpluralität und die Macht Gottes zurückgeht (Deku 1986; Honnefelder 1989), dessen logisch-ontologischen Implikationen Leibniz jedoch systematisch ausdiskutiert, wird der Reflexion um den Status des Möglichen, neben dem Gedanken der Widerspruchsfreiheit, der auf die logische Stimmigkeit abhebt, der zentrale Gedanke gegenseitiger Verträglichkeit und Nichtausschließlichkeit von Existierendem gestellt, der auf die ontische Stimmigkeit, also das Zusammen- oder Nebeneinander-BestehenKönnen von Verschiedenem in einem gemeinsamen Seinsraum (Universum) abhebt. Zu 2): Im Gedanken der möglichst weitgehenden, optimierten Vereinfachung der Strukturen des Seienden, also seiner es grundständig bestimmenden Gesetze, greift Leibniz eine alte nominalistische Denkfigur auf, nämlich die der logischen und ontologischen ‚Sparsamkeit‘ (parsimonia). Zu 3): Im Gedanken möglichst großer Komplexität des Seienden, d. h. in der Affirmation von Pluralität, Varietät und Differenzierungsintensität, greift Leibniz auf ein typisch frühneuzeitliches Denkmotiv, das der „varietas rerum“, zurück, das seit der Mitte des 15. Jahrhunderts konstant in der (nicht nur philosophischen) Literatur zu beobachten ist und das dort fast immer mit der gleichzeitigen Intention auf Reduktion von zugrundeliegenden Gesetzesannahmen verbunden ist (vgl. Canone 2003). Dadurch ergibt sich, wie Leibniz dies auch in vielen seiner Texte deutlich werden läßt, ein geordnetes Verhältnis (Proportion) zwischen ‚inneren‘, nicht direkt sichtbaren (subvisibilia) Gesetzen, Prozessen, Strukturen und ‚äußerer‘, sinnlich-empirisch unmittelbar (oder dann vermittelt durch Mikroskope und Teleskope) zugänglicher Erscheinungsmannigfaltigkeit. Die komplexe Form, in der sich materielles und geistiges, wirkursächlich und finalursächlich organisiertes Sein, Naturzusammenhang und geistiger Intentionsaum (Gnadenreich) als grundständig aufeinander bezogen ‚harmonisch‘ zueinander verhalten, bezeichnet Leibniz, wie schon gesagt, als Universum oder als Welt im starken Sinne (M §§ 60–62). Diese Auszeichnung des Universums in einem Denken, das ansonsten radikal davon ausgeht, daß es nur Einzelseiendes, d. h. singuläres Seiendes im Sinne des aristotelischen Gedankens der ‚substantia individualis‘ oder des nominalistischen ‚ens singulare‘, wirklich gibt, findet sich auch bei zwei für das Denken von Leibniz wichtigen Autoren: bei Nicolaus Cusanus und bei Giordano Bruno (wobei Bruno selbst wiederum von Cusanus abhängt). Der im Begriff ‚Universum‘ gedachte komplexe Seinszusammenhang gewinnt hierdurch eine eigentümliche und problematische ontologische Stellung: einerseits ist das Universum, als Totalität des Seienden, nichts als die Summe aller dieser ansonsten rein für sich oder im partikularen

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Kontext mit anderen Seienden stehenden Dinge; andererseits ist es doch mehr als diese bloße Summe, denn es ist gerade so, daß in diesem systematisch durchstrukturierten Begriff das Einzelseiende nur vom Gesamtzusammenhang des Seienden her überhaupt gedacht werden kann (Nicolaus Cusanus, Responsio de intellectu evangelii Ioannis, n. 2; h X/1, 97 f.; Giordano Bruno, De la causa, dialogo 5, BW III, 226 ff., 230). Das Universum ist eine übergreifende Einheit, die, wird sie so radikal gedacht wie beim Cusaner, bei Bruno oder dann bei Leibniz, zugleich oder ineins alles ist, was überhaupt ist, und nichts von all dem insbesondere ist, was jeweils ist. Dadurch ist das Universum etwas Anderes als das in ihm begriffene Einzelseiende. Das Einzelne ist das, was es ist, als vollständige Negation alles dessen, was es nicht ist und damit ein inverses, aber endliches ‚Bild‘ des in ihm sich spiegelnden Alls: so geht es ja auch in den Begriff der individuellen Substanz oder dann der Monas ein, den Leibniz schrittweise entwickelt hat (M § 77: Seele als „miroir d’un univers indestructible“; GP IV 475); das Universum ist das, was es ist, als vollständige und d. h. unendliche Position aller Einzelseienden und zwar sowohl synchron wie auch diachron (M § 61: „tant selon les temps, que selon les lieux“; T II § 195: „l’univers […] est un infini“). Während für Leibniz das Einzelseiende als wirkliches Moment der Totalität, die das Universum ist, d. h. als ‚Substanz‘ (substance) zu denken ist, kann dies vom Universum gerade nicht gelten: es ist weder Substanz noch Geschöpf (creature) im Sinne des Einzelseienden (T II § 196; GP VI 232). Überträgt man diesen Gedanken aus der Theodizee auf die Monadologie, dann kann ebenso konsequent das Universum auch keine Monade sein. Das Universum ist nicht ‚Geschöpf‘ (creature), sondern das, was alle Geschöpfe zusammen darstellen (T I § 8), sofern sie nicht nur als je auf sich bezogene und in sich zentrierte exklusive Einheiten gedacht werden, sondern als in ihrem Ausschließen alles einschließende – daher alles andere als Universum spiegelnde – Monaden, die ein reales Außersichsein oder Anderssein zur Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit haben.  Fichant 2005, 52 f. hat zu Recht darauf insistiert, daß Leibniz weder die körperliche Substanz noch die kompositen Substanzen zu reinen Phänomenen degradiere, sondern daß er in seinem späten Denken einen Ansatz vertrete, der, im Unterschied zum ‚einfachen‘ Dualismus von einfachen Substanzen und Aggregaten oder Monaden und Vielheiten eine „formulation plus complexe“ seiner Ontologie entwickele, in der sich die Relata der einfachen Dual-Opposition selbst noch einmal verdoppelten: es gebe verschiedene Stufen (Grade, Formen) von Substanzen und von Aggregaten. Fichant plädiert dafür, eine dreistufige Ontologie für die späte Philosophie von Leibniz anzusetzen: 1) einfache Substanzen = Monaden, 2) körperliche Substanz, Substantiiertes, natürliche Maschine, 3) Aggregate ohne reelle Einheit = Phänomene. Klar ist, daß die äußerst komplexe und anspruchsvolle Struktur der Ontologie der Spätphilosophie, die Realität der ‚unitates per se‘ bzw. der Monaden verlangt; es erscheint aber als sinnvoll,

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Die Existenzbedingungen des Universums, nämlich 1) Kompossibilität der Faktoren, 2) Simplizität der Strukturen (Gesetze), 3) Komplexität der Erscheinungen liegen im Kalkül Gottes, in dem 1–3 selbst noch einmal durch das „princip du meilleur“ und der Wahl des Besten aufeinander bezogen sind. Dieses Prinzip, das Leibniz in M § 46 in einem Atemzug mit dem Gedanken der „convenance“ nennt (die mit M § 77 „conformité“ zu vergleichen ist), bringt auf deutlichste Weise den Willen (volonté) Gottes zum Ausdruck. Aus einer unbegrenzten Zahl möglicher Welten soll die eine ‚ausgewählt‘ werden (choix), die die beste ist und somit die Kriterien 1–3 am vollständigsten repräsentiert. Der Gott des Leibniz ist, im Unterschied zu dem voluntaristischen (nominalistischen) Gott des Descartes (vgl. Woolhouse 1994), in diesem ‚moralischen‘, auf das Beste aus seienden Kalkül- und Wahlverfahren durchgehend an rein rationalen Prinzipien orientiert (SN, GP IV 476). Den Existenzbedingungen geht also nicht nur die moralische Intention Gottes auf das Beste voraus, sondern vor allem gehen ihnen rationale Prinzipien voraus. Auf sie bezieht sich Leibniz auch in M § 78 mit dem Ausdruck „ces principes m’ont donné moien d’expliquer naturellement l’union ou bien la conformité de l’Ame et du corps“; zuvor wurden sie in den M § 31 f. deutlich herausgestellt: Es sind dies die Prinzipien (oder Grundsätze) a) des Widerspruchs (principe de la contradiction) und b) des zureichenden Grundes (principe de la raison suffisante). Es ist darauf zu achten, daß Leibniz explizit sagt, daß diese Prinzipien, sofern sie sich auch als Prinzipien der innerphysikalischen Faktoren erweisen, ihm eine „natürliche“ Erklärung (expliquer naturellement) der prästabilierten Harmonie erlauben, also eine Art hypothesis physica (Busche 2006). In der nominalistischen, durch Ockham geprägten Tradition galt als „causa sufficiens totalis“ bezüglich einer Wirkung e dasjenige, was entweder (i) zureichend aber nicht notwendig e hervor­bringt – in diesem Fall kann e mehrere zureichende Ursachen c(1), c(2), c(3) etc. besitzen – oder (ii) sowohl zureichend als auch notwendig e verursacht – insofern eine einzige Ursache als conditio sine qua non fungiert. Im natürlichen Bereich (auf den Leibniz in M § 78 f. ja gerade durch den Hinweis auf die ‚natürliche Erklärung‘ abhebt) galten den Ockhamisten alle Ursachen als bloß auch einen realen, nicht ephemeren Einheitsstatus der körperlichen Substanzen anzusetzen, zu denen ja, wie auch die Monadologie immer wieder einschärft, die einfachen Substanzen in einem selbst wiederum wesentlichen, d. h. substantiellen Bezug stehen. Hierzu vgl. Brief an des Bosses, 29. Mai 1716; GP II 519 f.: „Atque hinc etiam substantiam ac ipsam compositam […] eandem numero manere dicimus, non tantum apparenter, sed et vere, etsi ingredientia perpetuo mutentur et sint in continuo fluxu“ (meine Hervorhebung). Zum Begriff der ‚substantiellen Form‘ in dieser Entwicklungsphase von Leibniz. vgl. Parkinson 1996.

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zureichend und als nicht notwendig, nur Gott war sowohl zureichende als auch notwendige Ursache der Welt (Piro 2005, 15 f. mit Nachweisen aus Ockham; Sleigh 1990, 151–170). Leibniz erarbeitet sich dagegen mit seinem Prinzip des zureichenden Grundes schon seit den 1680er Jahren eine radikal andere Position hinsichtlich des Kausalitätsbegriffs, die bis in die letzte Phase seines Denkens hinein gültig bleiben wird: jedes Seiende und jeder Zustand eines Seienden hat genau eine einzige Ursache, die ihn vollständig bedingt. Zusätzlich verschärft Leibniz diese Eindeutigkeitsbeziehung Ursache-Wirkung noch dadurch, daß er die Ursache in die Sache selbst verlegt, also dem, was er wirkliche Substanz – als ‚unum per se‘, ‚substantia‘, ‚monas‘ – nennt, vindiziert, so daß ontologisch gesehen (und damit eben sowohl physikalisch als auch mental) jede wahre Substanz ein geschlossenes selbstinduziertes Syndrom einer kontinuierlichen Entfaltung eines singulären Potentiales ist, das mit der Erschaffung (creation) dieser Substanz durch den schöpferischen Intellekt Gottes gesetzt ist (GP IV 469, 472, 482; Sleigh 1990, 96–136). Jede Substanz ist somit, was ihre singuläre individuelle Entfaltung betrifft, eine Art (kleiner) ‚causa sui‘, und genau weil dies so ist, mußte Leibniz für das Insgesamt aller Substanzen, für das Universum, eine Struktur konzipieren, die ineins diese Selbstentfaltungsdynamik und die vollständige, widerspruchsfreie Kontextualisierung dieser einen Selbstentfaltung mit allen anderen früheren, zeitgleichen und späteren Selbstentfaltungsdynamiken denkbar macht.

11.4. Die Implikationen von Leibniz’ Lösung In M § 87 zeigt sich noch einmal deutlich die komplexe Struktur der universalen ‚Harmonie‘. Sie besteht nicht nur zwischen dem Seelischen und dem Körperlichen, insofern auch das Seelische – d. h. dasjenige, was Leibniz als ‚perzipierend-empfindende‘ Einheiten bestimmt (M § 18 f.) – als ‚natürlich‘ betrachtet wird und das im Vorhergehenden skizzierte Verhältnis zwischen a (Seele, Finalursächlichkeit, Entelechie) und b (Körper, Wirkursächlichkeit, Mechanismus) somit als rein immanentes Verhältnis gedacht wird. Vielmehr hat die Struktur der Harmonie auch grundsätzlich Bestand, insofern das Seelische als ‚metaphysisch‘ betrachtet wird (T I § 74), als Sitz des „Geistes“ und als Ort der „Gnade“ (grace). Die Wirklichkeit wird hier nicht mehr nur als Produkt des Kalküls eines ‚konstruierenden‘ Architektengottes (Dieu consideré comme Architecte de la Machine de l’univers), also als im Leibnizschen Sinne ‚Maschine‘ und d. h. als natürliche Ordnung betrachtet, die ohne Ausnahme den Gesetzen der Natur (also der

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neuen ‚Dynamik‘) folgt. Vielmehr wird sie zugleich auch als Schöpfung eines Gottes betrachtet, der sich selbst bildhaft ähnliche Wesen schafft (Gen. 1,27; SN, GP IV 479), die in einem Staat (cité) in Selbständigkeit und Freiheit eine Verbindung eingehen, die in ihrer vielfältigen Realisierung ein vielfältiges, aber jeweils auf das eine Prinzip gerichtetes ‚Bild‘ der in Gott selbst bestehenden Verbindung (der Ideenwelt, des moralischen Seins) darstellt. Deshalb sind auch die Gesetzmäßigkeiten nicht mehr bloß natürliche (der Mechanik und Dynamik), sondern trans-natürliche, metaphysische und d. h. vor allem: moralische Gesetzmäßigkeiten (vgl. Lorenz 1997, 74–98; Adams 1996, 2–3). Leibniz verweist also in M § 87 auf eine zentrale Dimension seines Denkens, nämlich die geistmetaphysische und ‚theologische‘ Dimension und ebenso darauf, daß, wenn in dem skizzierten starken Sinne von einer prästabilierten bzw. präetablierten Harmonie soll gesprochen werden können, dann auch notwendigerweise dieser Bereich integraler Teil des harmonischen Gesamtgefüges sein muß. Da ein wirklich starker Begriff von Harmonie letztlich, wie wir gesehen haben, auf den ‚calculus Dei‘ zurückgeht, muß auch die Harmonie zwischen physischem und transphysischem Bereich in Gott selbst schon ihren Grund haben: Gott als (natürlichem) Konstrukteur, der letztlich in der Linie des platonischen Demiurgen und des aristotelischen Handwerkers/Künstlers steht (Timaios 27 C ff., 31 B, 36 D; Metaphysica VII, 1032 a 25 ff.), kann nicht Gott als (moralischem) Gesetzgeber, der letztlich in der Tradition des platonischen Guten und vor allem des christlichen Gottesbegriffs steht, widersprechen. Dies heißt jedoch unter den Bedingungen des Ansatzes von Leibniz: Der in sich notwendige Prozeß des Naturreiches widerspricht nicht dem in sich notwendigen Prozeß des Gnadenreiches oder moralischen Reiches. Und dies heißt wiederum: ‚Sünden‘, Verfehlungen, Amoralitäten finden, ebenso wie ‚Tugendhaftigkeit‘, Angemessenheit und Moralität, ohne übernatürliches Eingreifen der göttlichen Instanz ihre Entsprechungen in der Natur, und zwar, ganz im Denkduktus des 17. Jahrhunderts, „en vertu même de la structure mecanique des choses“ bzw. „par des voyes machinales“ (M § 89). Entsprechend muß auch der Naturprozeß insgesamt letztlich ebenso notwendig „zur Gnade führen“ (M § 88; SN, GP IV 480). Das gesamte, dem Naturvollzug parallel laufende, Geschehen im innerseelischen, genauer innergeistigen Horizont der intentionalen moralischen Dynamik von Lohn und Strafe, ‚schwebt‘, obgleich es mehrfach als ein „ordre superieur“ bezeichnet wird (SN, GP IV 479), nicht über einem naturalistisch oder positivistisch verstandenen, ‚ganz anderen‘ physikalischen Wasser, sondern ist, wie dieses, in seiner nur ihm eigenen Dynamik auf das selbe Ziel hingeordnet, folgt den selben Gesetzen (Satz vom

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zureichenden Grunde, Widerspruchsgesetz, Prinzip des Besseren) und ist Ausdruck der selben providentiellen Grundintention Gottes (M § 90): a (a’) und b (b’) konvergieren, vermittelt über c, in dasjenige absolute Prinzip, das zugleich Anfang und Ende (Inbegriff aller Wirkursächlichkeit und aller Finalursächlichkeit) ist. Gegen das nicht zu leugnende Übel in dieser Welt setzt Leibniz mit seinem System – in seinen Augen – kein abstraktes Heilsprogramm, sondern ein strengen Denkgesetzen folgendes, komplexes Gebilde, zu dessen unaufgebbaren Bestimmungen es gehört, daß 1) alles, was in b oder b’ geschieht – also alles, was es an moralisch Gutem oder Bösem in der einzelnen menschlichen Seele und in den durch Menschen geschaffenen moralischen Großgebilden (Familie, Stadt, Staat, Staatenföderationen) geben kann, per necessitatem (nicht ‚consequentiae‘, sondern) ‚analogiae/homologiae‘ seine Entsprechung in a bzw. a’ finden wird und daß 2) – jenseits dieses jeweils auch den ad hoc-Zustand meinenden Grundgesetztes der Entsprechung – die ganze Entwicklung von c (Universum) nichts anderes ist als die schrittweise Realisierung des Bestmöglichen, d h. des Guten in dieser Welt. „En peut dire que tout tend à la perfection non seulement de l’Univers en general, mais encor de ces creatures en particulier“ (SN, GP IV 481). Leibniz kann diesen Anspruch seines systematischen Ansatzes, in den, wie zuvor ausgeführt, ein ganzes Bündel komplexer philosophie- und theologiegeschichtlicher Probleme eingehen (etwa das des traditionellen Substanz- und Individuumsbegriffs, das der physikalischen Notwendigkeit, das der Rechtfertigung Gottes, das der strikten Kontinuität und Begründetheit aller Seinsvorgänge etc.), nur durch ein ihm korrespondierendes, radikales System einlösen, das der ‚prästabilierten‘ Harmonie. Dessen Hauptmomente lassen sich auf ein paar grundsätzliche Punkte reduzieren (zum Folgenden vgl. Leinkauf 1999, 1302): 1) Die im Sinne des Cartesianismus oppositen Substanzen Körper (Leib) und Geist (Seele) bringen in ihrem aufeinander bezogenen Tätigsein ausschließlich substanzeninterne Wirkungen hervor, die den perzipierenden und apperzipierenden Substanzen jedoch als ‚äußere‘ Wirkungen erscheinen. Leibniz löst dadurch, wie man sagen könnte, den Leib-SeeleDualismus auf in eine „intrasubstantial causality“ (Mendelson 1995, 34). 2) Die Harmonie stellt keinen fiktiven, sondern einen tatsächlichen Bezug der oppositen Substanzen untereinander dar, da ‚tatsächlich‘ oder ‚faktisch‘ für Leibniz unter diesen systematischen Bedingungen bedeutet: die Handlung C von A auf B, die in A bleibt, hat eo ipso eine Handlung C’ von B auf A, die in B bleibt, zum Komplement, wobei gilt: Wenn C = ‚actio‘, dann C’ = ‚passio‘ und umgekehrt. 3) Dieser Bezug ist in sich ‚unendlich komplex‘

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ist, da er nicht nur den Spezialfall der prästabilierten Harmonie zwischen den oppositen ‚Substanzen‘ einer je einzelnen leibnizschen Substanz oder Monas umfaßt, sondern auch die universale Harmonie der Totalität der Substanzen (Monaden) und ihrer sie ausmachenden Veränderungen. 4) Dieser faktische, in sich unendlich komplexe Bezug ist in seiner Struktur „zum Voraus eingerichtet“ (préétablie, prä-stabiliert), „genau und sehr gut eingerichtet“ (exacte et bien établie) sowie „vor-bestimmt“ (prädeterminiert, préterminé); somit kann ohne Abstriche gelten, daß die einzelnen Substanzen absolut ‚spontan‘ und ihren ‚eigenen Gesetzen‘ (propres lois) folgend handeln und daß sie dennoch in abstrichloser Entsprechung stehen. Angesichts der auch die Paragraphen der Monadologie hinterfangenden Theorie des absoluten Substanzen-Kommerziums ist festzuhalten, daß die sich darin zum Ausdruck bringende prästabilierte Harmonie – als göttlicher Kalkül – unterschieden werden kann in eine solche prästabilierte Harmonie (1) zwischen Dingen und (2) zwischen „systems of causality or explanation“. Beim ersten Aspekt kann nochmals differenziert werden in (1.1) die ‚universale‘ Harmonie aller Substanzen oder Monaden und (1.2) die ‚spezielle‘ Harmonie jeder einzelnen Monas mit ihrem organischen Körper. Der zweite Aspekt hingegen läßt sich, wie weiter oben schon diskutiert wurde, unterteilen in (2.1) eine Harmonie zwischen „zwei natürlichen Königreichen“, dem der Wirkursachen und dem der Finalursachen – mit engem Bezug von (1.1) und (2.1) – und in (2.2) die Harmonie zwischen dem natürlichen „Königreich der Natur“ und dem moralischen „Königreich der Gnade“ (Anm. 1, siehe oben a’, b’ [vgl. 11.3.] vgl. M § 87).

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Monads, Forces, Causes (§ 80) „Descartes a reconnu que les âmes ne peuvent point donner de la force aux corps parce qu’il y a toujours la même quantité de force dans la matière. Cependant il a cru que l’âme pouvait changer la direction des corps. Mais c’est parce qu’on n’a point su de son temps la loi de la nature qui porte encore la conservation de la même direction totale dans la matière. S’il l’avait remarquée, il serait tombé dans mon système de l’harmonie préétablie.“

12.1. In M § 80, Leibniz reminds readers that Descartes had laid down the premise, a premise prior to all the laws of nature, that God always conserves the same „quantity of motion“ in the universe, and that he does so „in the same way and by the same process by which he originally created it“ (Descartes, Principles of Philosophy, II, § 36, AT 9 B, 61, CSMK I, 440). The purely corporeal world, which, for Descartes, included plants and nonhuman animals, constitutes a rigidly deterministic system in which all that happens does so in accord with the laws of motion governing bodies of any and all sizes. Descartes did not, however, perceive a contradiction between his assumption and his posit of human free will. Human beings, like God, are capable of direct input into this system in a manner consistent with the conservation of quantity of motion and the universal operation of the laws of nature. The human will, a faculty of the incorporeal mind, was able not merely to direct its thoughts but also to control some of the movements of its limbs and organs. His earliest investigations into perception and cerebral anatomy had convinced Descartes that the „seat of the soul“ was the „pineal gland,“ a little gland located inside the head but outside the brain (Descartes, Letter to Meysonnier, 29 January 1640, AT 3, 19–20, CSMK III, 143), and he later argued that it was through this gland that the will, a faculty of the incorporeal soul, exercised its powers. I will return to consider Leibniz’s criticism of this account of mind body interaction after a detour through a brief sketch of the 17th century context and Leibniz’s views on force more generally.

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The science of bodies was rapidly evolving in the early 17th century, as mechanics – the study of the five machines of antiquity – the lever, windlass, pulley, wedge, and screw, was supplemented by dynamics – the study of moving bodies and their interactions. New proportions and mathematical relationships were proposed and established in astronomy, optics, acoustics, and other branches of physics, and Descartes attempted to systematize collision rules for bodies of different sizes and speeds moving in different directions, as well as stating the fundamental principles of inertia and rectilinear motion. Descartes’s view was that matter was simply extended substance, divided into particles possessing magnitude and figure, but with no occult virtues or powers resident within them, or within the larger bodies they composed. Motion, he maintained, was simply a change in position relative to other bodies, not a mysterious quality inhabiting a body and transmitted to other bodies by flowing from one to the other. This claim was necessary for the appreciation of Galilean relativity, which in turn was necessary for an understanding of the Copernican system, and Descartes’s phrasing, especially his insistence that God’s creation and conservation were the same divine power, invoked the medieval doctrine of occasionalism, according to which finite substances are devoid of all powers, including the powers of persisting in existence, and God is the only causal agent. Nicolas Malebranche developed the occasionalistic interpretation of Cartesian metaphysics in his Search after Truth (1675) and other writings. Descartes nevertheless referred to bodies themselves as exercising „action or force“ which, he observed, we understand on analogy with „the effort we expend in moving our limbs and moving other bodies by the use of our limbs“ and he had no hesitation in referring to the „power which all bodies have to act on or resist other bodies“ (Descartes, Principles of Philosophy, II, § 26, AT 9 B, 54, CSMK I, 234, see also II, § 43, AT 9 B, 66, CSMK I, 243). He identified this force (as Leibniz’s gloss indicates) with „quantity of motion“ – the product of weight and speed. Leibniz, meanwhile, had aligned himself already in the late 1660s with the mechanical philosophy of Hobbes, Gassendi, and Boyle; although he had not yet studied Descartes’s Principles. From the start, however, he found the

 The most celebrated „laws“ or „rules of the period“ included Kepler’s statement that then planetary orbits sweep out equal areas in equal times; Snell’s discovery that a ray of light passing from a medium such as air into water will be deflected according to the sine of the ratio of the density of the two media; and Galileo’s finding that a body falling from a height acquires speed proportional to the distance (later, revised to the time) it has fallen.

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corpuscularian philosophy of the moderns deficient in certain respects, and his philosophical career was largely devoted to its correction. „It is easy to agree with those contemporary philosophers who have revived Democritus and Epicurus,“ he stated in his Confession of Nature against Atheists of 1669, „[…] that so far as can be done everything should be deduced from the nature of body and its primary qualities – Magnitude, Figure, and Motion.“ But what if, he asked, „the origin of these very primary qualities themselves cannot be found in the nature of body? Then indeed, I hope, our naturalists will admit that bodies are not self-sufficient and cannot subsist without an incorporeal principle“ (Confessio naturae contra atheistas, GP IV 106; Loemker 110). Either, Leibniz decided, God was this incorporeal principle, conferring substantiality on matter, and making it more than mere appearance, or else the incorporeal principle that did so was something internal to substances, like an Aristotelian form. The incorporeal, substantiality-conferring feature, neglected by the corpuscularians, in time became equated with force. In his paper On the Correction of Metaphysics and the Concept of Substance appearing in the Acta Eruditorum of 1694, Leibniz stated that „the concept of forces or powers, which the Germans call Kraft and the French la force […] brings the strongest light to bear on our understanding of the true concept of substance“ (On the Correction of Metaphysics, G IV 469; Loemker 433). In the Specimen Dynamicum of the following year, he amplified this, saying that „in corporeal things there is something beyond extension, in fact, something prior to extension, namely that force of nature implanted everywhere by their Author“ (SD, GM VI 235). Leibniz’s reference to the vernacular Kraft is of particular interest in light of his early involvement in the Nuremberg Alchemical Society, and the interest in alchemy that persisted throughout his entire life (Ross 1978, 166–180; 1982, 40–45). For it was in chemistry and medicine that the notion of virtues and powers as hidden in substances and as manifesting their effects only in particular contexts was decisively established. The term „Kraft“ appears prominently for example in Paracelsus’s chapter „On the True Influences of Things,“ where he speaks as follows: All virtues and powers (Kraefte) were in God before there was heaven and earth and before all things were created. Therefore, the virtues of things, their powers, are supernatural, without beginning and end. The forms of herbs, trees, stars were created, but filled with God’s living forces (lebendigen Kraefte). God leaves nothing empty, but fills everything. A stone would be empty if no virtue or power dwelled in it. What would Man be if no soul were in him?“ (Paracelsus 1933, 214)

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J. B. van Helmont, the most prominent chemist of the late 16th and early 17th century, defines Nature in turn, as „the command of God whereby a thing is that which it is and doth that which it is commanded to do or act“ (Van Helmont 1662, 42). As Paracelsus posited a „scientia“ in a pear tree that enables it to produce pears, Helmont posited an „archaeus“ in living things containing „a dispositive knowledge of the thing to be done“ (ibid., 13). So the archaeus of a willow sapling transforms water into the substance of the leaves and branches of willow. These antecedents are relevant to Leibniz’s reactions to the sparse ontology of the moderns and his appeals to Aristotle. While the chemical philosophers criticized Aristotle’s logic and his causal theories severely, the notion of an internal knowing or foreseeing agent, propelling a thing to realize its potential, is clearly a derivative of what Aristotle called entelecheia, the possession of an end towards which it strives within a thing itself. Entelechy, for Aristotle, is characteristic of natural, especially living things, as opposed to artifacts, which are inert unless moved from the outside (Aristotle, Physics, II 1, 192 b), and vitalists, even those who like Leibniz, believed that the mechanical philosophy was consistent with the ubiquity and infinite complexity of living creatures, drew on this notion of an immanent causal or formative power. In his paper De Ipsa Natura, attacking the occasionalist J. C. Sturm, Leibniz insisted that „If […] the law set up by God does in fact leave some vestige of him expressed in things […] then it must be granted that there is a certain efficacy residing in things, a form or force such as we usually designate by the name of nature, from which the series of phenomena follows according to the prescription of the first command“ (De Ipsa Natura, G IV 507, Loemker 501). Yet Leibniz was anxious to dissociate himself from occult notions and from the obscurity of the chemical philosophy, and his rejection of Cartesianism depended heavily on the new science of dynamics that Descartes had anticipated but failed to develop because of his mistaken view of matter as mere res extensa. Dynamics was, as Leibniz put it, the study of „living forces“ – forces that are „joined with actual motion.“ Along with Huygens, Malebranche, Wren, and Wallis, who revised the rules of collision mechanics, Leibniz was able to see that the Cartesian rules for colliding bodies were internally inconsistent, in contradiction with observation, and that they left important phenomena unexplained. A body, for example, acquires „force“ – the ability to effect change – in falling. The indentation in the earth left by a cannonball that has fallen 100 feet will

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be greater than that of a cannonball that has fallen one foot. How is this possible, if a body has only size and shape, and can be found in one place or in another? Conversely, if a body is no more than a spatial magnitude in a place, why can’t a small body in motion move a much larger body that is at rest when it encounters it, rather than rebounding from it? Quantity of motion can be conserved in a variety of ways, few of which are consistent with experience. The force of a falling body can be used to make an indentation, but it can also be used to raise another body, and in that case, the amount of force acquired can be precisely quantified and stated as a law of nature. By 1686, thanks to his study of Galileo, and with help from Huygens, Leibniz had established to his satisfaction that „motive force“ measured by mv2 or vis viva, so different from Descartes’s „quantity of motion“ mv, was conserved in all interactions, a result he presented in his Brief Demonstration of a Notable Error of Descartes and others Concerning a Natural Law (GM VI 117–119), published in the Acta Eruditorum (for discussion, see Costabel 1973.) In his Brief Demonstration, Leibniz drew no metaphysical conclusions from his statement of the conservation of mv2, but in his Discourse on Metaphysics, published two years later, he asserted that „The distinction between force and quantity of motion is important […] to show that we must have recourse to metaphysical considerations apart from extension in order to explain the phenomena of bodies“ (D § 18, G IV 444). The „crude notion“ of corporeal substance, that contained in the ordinary understanding of the corpuscular philosophy, represents matter as perfectly passive, and Leibniz now had the „incorporeal principle“ he had demanded almost from the beginning of his investigations into the foundations of physics to hand. In the Discourse, he regarded himself as having rehabilitated the scholastic notion of a „substantial form“ and he adhered to a version of hylomorphism for the remainder of his life. Bodies, as he expressed it in a late dialogue completed in 1715, „are composed of two natures – an active primitive force (called first Entelechy by Aristotle) and matter or passive primitive force, which seems to be antitypy [resistance] (Conversation of Philarète and Aristé, GP VI 588). A distinctive picture began to emerge in Leibniz’s writings of two levels, one real, and one phenomenological, as the corpuscularians held the visible world to be grounded in the reality of material atoms. Space, time, motion, and body were merely phenomenal, whereas substances and force, grounded in appetite, and resistance to motion, grounded in metaphysical inertia, were real. In the Specimen Dynamicum of 1695, he termed the forces

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systematized by mathematical physics and manifested in observable interactions, „derivative“ force. They were explained by reference to „primitive“ force, which he defined as a „power which is inherent in every corporeal substance per se“ (SD, GM VI 236). While no body is ever entirely at rest, this „inherent power“ is only manifested as derivative force when bodies impede one another in collision. Passive force is also possessed in two forms: primitive and derivative. Leibniz described it as a kind of „laziness or repugnance to motion,“ and he conceived it on analogy with human indolence, just as he conceived active force on analogy with human effort. Mathematical physics, one might think, does not need, to move to metaphysics for its grounding, nor to appeal to final causes, nor to find analogies in psychology. It might seem that the Brief Demonstration affected only the statement of the conservation principle rather than refuting Descartes’s ontology; God can presumably impose an mv2 conservation rule on inert matter as readily as an mv conservation rule, and there seems little reason to suppose that mv2 names an entity contained in or formative of, substances. In his attempt to found a new science of dynamics, Leibniz could equally well have gone down the pathway that Newton did in his Principia. There, „mass“ is defined in terms of the force needed to overcome a body’s inertia, and vice-versa; the quantity of force is measured by the acceleration of a mass. But to Leibniz, the discovery of the vis viva as the term conserved in the equations of motions was consequential in revealing the true nature of substance. The standard version of corpuscularianism is oddly selective in its explanatory capacity. It purports to explain the origin of forms and qualities by reference to the magnitude, figure and motion of the particles composing bodies, which give rise to red, white, sweetness, etc. But it does not explain the origin of the effects of movement that we observe in the world in parallel fashion, as derived from something in bodies themselves. For the sake of theoretical coherence – what Kant would call the satisfaction of reason – such effects, it must have seemed to Leibniz, ought to be referred to features of corporeal substance itself (Duchesneau 1994).  Leibniz further pointed out that Descartes had failed to distinguish between the hardness of a body and its resistance (Critical Thoughts on the General part of the Principles of Descartes, GP IV 367 f.). Descartes treated what he called „hardness,“ dureté, as a perceptual feature of bodies that was only contingently connected to their corporeality, noting that we might have lived in a world in which bodies did not resist our pushes, and so never felt „hard“ to us (Descartes, Principles of Philosophy, II, P § 4, AT 9 B, 42, CSMK I, 224). Leibniz pointed out that Descartes had failed to distinguish between „hardness“ which is opposed to elasticity, which bodies possess in varying degrees, and „impenetrability“ which is a universal feature of material things. Impenetrability or „antitypy“ is accordingly metaphysically grounded, whereas hardness is a physical parameter to be referred to the composition of an empirical body.

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His rejection of a purely descriptive mathematical physics was linked to his demand for a system of physics, indeed natural philosophy in general, with moral and theological import, one in which the right attitude to take towards the world and the right mode of conduct within it could be inferred from its structure. Where Aristotle grounded his metaphysics in the phenomena of living creatures, Leibniz grounded his in the human mind and the divine mind. The monads are not biological entities, susceptible of development, like saplings or embryos, but entities that represent or perceive as well as transiting from perception to perception. Their internally-primed development is to be understood in psychological, not organic terms. A corporeal substance is never at rest; it is always in some state of infinitesimal tendency to motion. Analogously, the soul is never without perceptions and activity. Even a sessile animalcule in a deep swoon will have different experiences from moment to moment that are barely registered, for it mirrors the entire universe, and alterations are constantly taking place in the other monads that ground that universe. Precisely as in human psychology, restless strivings, a tendency to exercise one’s powers, and to pass into a better condition coexisting with a certain laziness and resistance to improvement, manifest themselves at different times, under different circumstances, rather than cancelling one another out. All this happens in a way fitting to the best of all possible worlds, one in which development and improvement are at the same time ongoing. Leibniz’s apparent rejection of the celebrated Newtonian „force,“ the force of universal attraction, nevertheless calls for explanation. If Leibniz was eager to replace the standard corpuscularian theory of the inertness of matter with his own view of active matter, with forces implanted in it by God, and if action with an end in view was explicitly recognized by him as a feature of nature, why did he object so strenuously to Newton’s posit that the globes of the world attract each other according to a certain force varying with the distance? From a metaphysical perspective, gravity was surely no more occult and obscure than the vis viva, and Leibniz was too good a mathematician and physicist not to recognize that Newton’s scheme saved the celestial phenomena (Wilson 1989, 224 ff.). The emotional motivation for Leibniz’s attacks on the Newtonian force of attraction as „inexplicable, unintelligible, precarious, groundless and unexampled,“ was doubtless his deep and justified anger over the accusations of plagiarism made against him in the calculus-priority dispute and the decision taken in favour of Newton. But his intellectual motivation was based in his doctrine of the perfection of the world, and the simplicity and elegance of its underlying

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structure, and the opposition he voiced in the Leibniz-Clarke correspondence has several sources. First, a universal force of attraction, unlike active and passive forces, was difficult to find an analogy for in monadic psychology. We experience activity and passivity as basic features of our psychological make up, but not indiscriminate universal attraction. Second, Leibniz rejected the features of the universe in which Newton’s theory was embedded which required reference to the concepts of absolute space, time, and distance. Insofar as masses attract according to the square root of the distance between them there is an objective matter of fact about exactly what the distance between them is, and this for Newton implied the existence of an absolute, container like space, and a uniform flow of time. Again it is unclear whether Leibniz really rejected these notions as essential for empirical physics, but he repeatedly insisted that, metaphysically, space, time and motion were not „true, and real per se,“ unlike force which was „absolutely real, even in created substances“ (SD II, GM VI 247, see also Leibniz’s Fifth Letter to Clarke, § 10, G VII 402 f.). Finally, and perhaps most important, the gravity driven universe of Newton was by his own admission imperfect, with God required to rewind his clock to correct errors that would fatally accumulate, sending the system of the planets to ground.

12.2. Leibniz’s criticisms of the supposed powers of the Cartesian will can now be addressed more precisely. In his Meditations, Descartes had cleaved the human being, conceptualized in Scholastic philosophy as a hylomorph, a single, unified entity consisting of matter „informed by“ a human soul, into two substances, res extensa and res cogitans, that had no properties in common, asserting that a human mind could exist without an organic body, and an organic human body without its mind. When minds and bodies were united during our earthly existence, however, causal influence appeared to flow from the body to the mind, in the case of perception, and from the mind to the body when an agent initiated a voluntary movement. Descartes had decisively rejected the suggestion that any form of causation, including the apparent transmission of motion from a moving body to a stationary one, could involve an influxus physicus from one object into another. Furthermore, matter, res extensa, was devoid of all powers and had only the properties of pure extension, namely dimensionality. It was impossible to see how matter in motion could cause anything as wondrous as an

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experience in the human mind. Accordingly, Descartes considered episodes of conscious awareness in perception and sensation to be simply correlated, by nature or divine institution, with certain brain states, which could be regarded as their occasional causes, conditions consistently correlated with their effects. Willing, however, is not simply being aware of a volition, it is making something happen, and Descartes’s occasionalist treatment of apparent interaction seemed to preclude the possibility that the human will could actually make its body do one thing, rather than another. Descartes never addressed directly the question how an incorporeal substance devoid of weight or speed could do anything in the organic body analogous to what a moving, physical hand does when it is seen to direct the output of an ordinary artificial machine. However, he ingeniously proposed that, while the soul could not increase or decrease the total quantity of motion of the animal spirits circulating in the human body, it could change their direction, so that the nerves and muscles were insufflated and the body moved according to the will’s desires (Descartes, Passions of the Soul, § 34, AT 11, 354 f., CSMK I, 341). „The part of the body in which the soul directly exercises its functions,“ he declared, is „[…] a certain very small gland situated in the middle of the brain’s substance and suspended above the passage through which the spirits in the brain’s anterior cavities communicate with those in its posterior cavities. The slightest movements on the part of this gland may alter very greatly the course of these spirits, and conversely any change, however slight, taking place in the course of the spirits may do much to change the movements of the gland“ (Ibid., § 32, AT 11, 351, CSMK I, 340). Descartes seems to have imagined that the incorporeal mind played a role equivalent to what one might call the engineer of vanishing effort. Consider the operator of the fabulous fountains at St. Germain-en-Laye that had so impressed Descartes (Descartes, Treatise of Man, AT 11, 131– 132, CSMK I, 100–101). He needs only to twist open a stopcock to cause movements in the hydraulic statues he controls, by changing the rate of flow and opening and shutting certain valves to redirect the flow of the water. Though the operator must apply force to bring about the effect, his input is minimal. Now consider the human body as a hydraulic system of incredible delicacy, in which the opening of the minutest stopcocks, invisible to the naked eye even on dissection of a corpse, will cause an arm to move or a tongue to form sounds. The effort required by the soul must be in this case infinitesimal. Still, Leibniz’s point was, Descartes could not reduce the effort contributed to nil, and any redirection of the flow of spirits implied effort. In the

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Specimen Dynamicum, he had pointed out that the direction of force was conserved as well as its quantity (SD, I, GM VI 237). This proof became the basis of the New System of the „union“ of mind and body, that is, of the system of pre-established harmony. We observe correlations and conjunctions in the phenomenal world, and we posit correlations between states of the organic body and experiences, and between volitions and states of the organic body. We deem them episodes of interaction, but this language is metaphysically inexact and misleading. Because there are no purely material entities in all of nature, nothing is purely passive and nothing requires the stimulus of an external agent to change. No substance can act upon any substance outside itself, but every substance is constantly active and constantly changing. All that happens flows from the appetitions of the individual monads which are not coerced or impeded by any external forces, and the changes observed in the phenomenal world are in harmony with these appetitions. Only some appetitions are experienced as will, appetite or desire. Appetite is not however to be identified, in Leibniz’s view, with the Cartesian will. It changes nothing in the order of nature. The rules of dynamics are never violated and never superseded. In the Theodicy, Leibniz amplified the objection he condenses here. There, he observes that if there were physical communication between the soul and the body, it „would cause the soul to change the degree of speed and the directional line of some motions that are in the body“ (T § 59, GP VI 135; Farrer 155). Descartes, he went on to say there, „believed the soul […] might have power to change the direction of movements that are made in the body; much as a rider, though giving no force to the horse he mounts, nevertheless controls it by guiding that force in any direction he pleases“ (T § 60, 156, GP VI 135 f). But the work is still done, Leibniz notes, „by means of the bridle, the bit, the spurs and other material aids,“ and there are no instruments the soul can employ for changing quantity or direction of force. So, he claims, Descartes would have discovered Leibniz’s own system of pre-established harmony, had he understood the true principles of conservation. No incorporeal agent, whose contribution cannot appear in equations of conservation, can effect changes in a mechanical system. The quantity and direction of force are conserved in the entire system of brain-body-present environment. On the phenomenal level treated by physics, according to Leibniz, every human body is acting upon and being acted upon by every other entity in the universe, even the distant stars and planets that we cannot see and whose influence we register only unconsciously. At the same time, every monad, and so every human soul, is metaphysically an impermeable, or

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„windowless“ entity; nothing flows into or out of it; it neither acts upon, nor is affected by anything outside itself. For these reasons, among others, it is exceedingly unlikely that Descartes would have been led eventually to Leibniz’s system, had his mistaken assumption been pointed out to him. For first, Descartes maintained that the human will was unique in created nature, and that it was similar to the divine will in its powers of intervention, while Leibniz regarded the human will as only one manifestation of appetite in nature, which was ubiquitous. Second, Leibniz’s theory of preestablished harmony was not simply a restatement of occasionalism. The further metaphysical commitments of the new system of the nature and communication of substances that had been opened up to Leibniz by his reflections on the nature of force positively excluded a Cartesian physics based in res extensa.

Bibliography Editions of Descartes’ and Leibniz’s Works AT = Descartes, René, Œuvres, 11 vols., eds. Charles Adam and Paul Tannery, Paris, P. J. Vrin, 1964–1974 CSMK = Descartes, Philosophical Writings, 3 vols. tr. and eds. John Cottingham, Robert Stoothoff, Dugald Murdoch, Anthony Kenny, Cambridge, 1985–1989. Farrer = Leibniz, Theodicy: Essays on the Goodness of God, the Freedom of Man, and the Origins of Evil, ed. August Farrer, tr. E. M. Huggard, La Salle 1985. Loemker = Leibniz, Philosophical Papers and Letters, 2nd ed., ed. Leroy E. Loemker, Dordrecht, 1969.

Other Authors Costabel, Pierre 1960: Leibniz and Dynamics, transl. Robert Edwin Witton Maddison (1973), London. Duchesneau, François 1994: La Dynamique de Leibniz, Paris. Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim) 1993: Ueber die Wahre Influenz der Dinge. In: Sämtliche Werke, hrsg. v. Karl Sudhoff und Wilhelm Matthießen, München, Abt. 1, Bd. 14, 214. Ross, George Macdonald 1978: Leibniz and Alchemy. In: Magia naturalis und die Entstehung der modernen Naturwissenschaften. In: Studia Leibnitiana, Sonderheft 7, 166–180, Ross, George Macdonald 1982: Alchemy and the Development of Leibniz’s Metaphysics. In: Studia Leibnitiana, Suppl. 22, 40–45. Van Helmont, Johan Baptista 1662: Oriatrike, or Physick refined: the Common Errors therein refuted and the whole are reformed and rectified, London. Wilson, Catherine 1989: Leibniz’s Metaphysics: A Historical and Comparative Study, Manchester.

13 Thomas Buchheim

Vernunft und Freiheit (§§ 82 f.)*

In den beiden hier zu kommentierenden Kapiteln werden die „vernunftbegabten“ Seelen – Leibniz bezeichnet sie auch als „Geister“ („Esprits“) – von allen übrigen Seelen oder Monaden unterschieden. (Vgl. hierzu die sehr hilfreiche Sammlung von Paralleltexten in englischer Übersetzung bei Rescher 1991, 273 ff.) Während die letzteren, wie vorher erklärt, mit ihren Perzeptionen nur Abbildungen („images“) des geschaffenen Universums und seiner Bestandteile sind und hervorbringen, sind die Geister außerdem Abbilder der Gottheit, also des Schöpfers oder Urhebers dieses ganzen Universums. Da Gott als Urheber nicht Teil des von ihm geschaffenen Universums sein kann (M § 37), ragen auch die ihn erkennenden, endlichen Geister über ihr bloßes Eingebundensein in die Zusammenhänge des Universums hinaus: Sie sind „erhoben“ („elevées“) und, wie Leibniz sagt (M § 82), dazu „erwählt“ („elûs“), über dessen Grenzen hinaus „in eine Art Gemeinschaft mit Gott einzutreten“. (Vgl. den Beitrag von Francesco Piro, S. 245 ff.) Diese besondere und weit über die Möglichkeiten der tierischen Seelen hinausgehende Begabung besitzen die vernünftigen Seelen allerdings nicht schon, wie ihr monadisches Grundwesen, von allem Anbeginn der Schöpfung an, sondern dieses Privileg erhalten sie erst mit der Zeugung und Empfängnis in menschlichen Organismen. Die Erhebung zur Kommunikation mit Gott oder dem Schöpfer des Gesamtzusammenhangs, in dem ein endlicher Geist existiert, ist nach Leibniz These Quelle der menschlichen Freiheit.1 * Christopher Franke und Christian Martin danke ich für ihre Mithilfe und wohlwollende Kritik bei der Entstehung dieses Aufsatzes. 1 Daß menschliche Freiheit in einer „imitation of God“ bestehe, ist These des lesenswerten Aufsatzes von Jack Davidson 1998, bes. 403 ff. Allerdings muß die menschliche Freiheit ein

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Warum das so ist und worin dieses freie Spiel auf höherer Bühne besteht und welches seine wichtigsten Unterschiede zum weniger bedeutenden Spiel in bloß innerweltlichen Perzeptionen bei den Tieren sind, soll im Folgenden genauer erklärt werden. Bevor wir mit Leibniz den Begriff der Freiheit – im starken und libertarischen Sinn – aus seinen Wurzeln in der Vernunft exponieren können, ist allerdings ein längerer Anlauf durch Leibniz’ ontologische und metaphysische Prinzipienlehre erforderlich, wie sie in der Monadologie niedergelegt ist.

13.1. Kleines und größeres Schauspiel Solange ein Mensch noch nicht gezeugt ist, sind seine Keime sog. „Samentiere“ („Animaux Spermatiques“ – M § 82), die eine amöbenähnliche Existenz in den Elternorganismen führen und deren Tierseelen wiederum von den Eltern der Eltern her zusammen mit deren befruchteten Keimzellen übertragen wurden – und so fort bis zurück zu den ersten Menschen. Leibniz schreibt in der Theodizee (T § 91) zu dieser Frage: „Deshalb glaube ich auch, daß die Seelen, die dazu berufen waren, eines Tages Mensch zu werden, gleich den Seelen jeder anderen Art, im Samen und in den Vorfahren bis auf Adam enthalten waren und infolgedessen seit Beginn der Welt immer in einer Art organischem Körper existiert haben.“ Was Leibniz hier „Seele“ nennt, ist nur ein anderes Wort für „Monade“ – mit dem einzigen Unterschied, daß Seelen immer einen organischen Körper, so klein er auch sein mag, regieren, dessen „Seele“ oder Organisationsprinzip die betreffende Leitmonade ist. Der organische Körper eines beseelten Wesens besteht seinerseits, einem Bienenvolk gleich, aus einer Unzahl von untergeordneten und aufeinander bezogenen Monaden, die erneut – handelt es sich auch bei ihnen um Seelen – viel kleinere organisierte Körper haben, welche je nach ihrer Menge und Organisationsweise dem Leben und Streben der ‚Königin‘ oder Leitmonade eine gewisse Mächtigkeit und Durchsetzungskraft in Bezug auf ihre Umgebung verleihen (vgl. M § 62). Alle Körper beruhen nach Leibniz’ Auffassung so auf einer ins immer Kleinere und Kleinere fortgehenden Versammlung von unendlich vielen Monaden. Für sich genommen aber, d. h. ohne eine ihr untergeordnete Organisation aus weiteren Monaden, ist eine einzelne tieferes Fundament besitzen als nur den Gott imitierenden Vernunftgebrauch des Menschen, weil andernfalls die böse Handlung nicht frei wäre. Dieses tiefere Fundament ist das kommunikative Verhältnis zu Gott, aus dem heraus der Mensch entweder mit Gott imitierender oder sich ihm verweigernder Vernunft handelt.

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Monade körperlos und hat keine Ausdehnung noch irgendeine Macht, die über die Abfolge ihrer inneren Zustände – die sog. „Perzeptionen“ (Verspürungen) und Bestrebungen („perceptions et appetits“, M § 19) – hinausginge. Daß auch die geschaffenen Monaden, als einzelne betrachtet, keinen Körper besitzen, bedeutet freilich nicht, daß sie reine Tätigkeit, damit ohne Empfänglichkeit für anderes und in diesem Sinn ohne jegliche Materialität wären. Vielmehr hat jede endliche Monade – im Unterschied zur göttlichen – ein ursprünglich passives Erbteil (von Leibniz bisweilen „potentia passiva primitiva“ oder auch „prima materia“ genannt), das ihre Tätigkeiten einschränkt und sie in Abhängigkeitsverhältnisse zu anderen versetzt. (Vgl. dazu Busche 2008, bes. 127 ff.) Die winzigen Keime also, die zwischenzeitlich verloren- und nicht in eine menschliche Zeugung eingehen, haben demnach keine rationalen, sondern bloß sensitive Seelen, und ihnen geschieht das, was auch den übrigen Tierseelen geschieht: Sie werden nämlich fortlaufend zu anderen Organismen und Lebensformen umgebildet – aber vergehen niemals, solange das geschaffene Universum existiert, so wie sie auch nicht einst entstanden sind, sondern seit Erschaffung der Welt in einem Prozeß der Metamorphose (M § 72), des wechselnden Wachsens und Wiederabnehmens ihrer Lebenstätigkeiten – Verspüren und Streben – begriffen sind. Dieser Punkt ist für Leibniz deshalb so wichtig, weil dadurch eine Antwort gegeben wird auf die zeitgenössisch heiß diskutierte Frage, warum Tiere, wenn sie nicht, wie die Cartesianer meinten, bloße Maschinen sind, sondern eine Seele besitzen, dann von Gott vergleichsweise so viel schlechter behandelt werden, als die Menschen, deren Seele zwar ‚rational‘ genannt wird, aber darum nicht unbedingt vorzüglicher eingerichtet zu sein scheint. – Wieso läßt Gott die Seelen der Tiere endgültig untergehen, obwohl er sie, wie auch die Menschen, zuerst als beseelte Wesen erschuf? Und warum sollte er die Menschenseelen zur Unsterblichkeit erretten, nur weil sie ein weniger auf den Instinkt festgelegtes Verspüren und Streben haben, obwohl man darüber streiten kann, ob dadurch der Mensch überhaupt besser und gescheiter als viele Tiere ist? Diese Argumentation findet sich z. B. in Rorarius’ Buch Quod animalia bruta ratione utantur melius homine (Amsterdam 1654), das von Pierre Bayle in seinem berühmten, metaphysikkritischen Artikel „Rorarius“ des Dictionnaire historique et critique (Rotterdam 1697) aufgegriffen wurde. Wäre es dann nicht konsequenter gewesen, gar nicht erst beseelte Tiere zu schaffen? Denn sind die Tiere nur seelenlose Maschinen, wie die Cartesianer annahmen, dann können sie mit Recht als dem Verderben preisgegebene Hilfsmittel zur Bewahrung und Ausgestaltung menschlichen Daseins

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gelten. Die Antwort von Leibniz war eben die, daß auch die Tierseelen, qua Monaden, fortdauern, solange die Schöpfung erhalten wird, aber eine bloß innernatürliche Existenz haben. Während die menschliche Seele zusätzlich kraft ihrer Rationalität vom Banne der natürlichen Verhältnisse gelöst und in ein direktes Verhältnis der Kommunikation mit Gott erhoben wird. Die gesamte Problematik und die damit verbundenen Schwierigkeiten auch der Leibnizschen Lösung des Problems erörterte insbesondere Pierre Bayle in dem schon erwähnten Artikel „Rorarius“ aus dem Dictionnaire historique et critique (Rotterdam 1697), der sich unter anderem mit den neuen Thesen von Leibniz zum Thema (d. h. vor allem seinem Système Nouveau von 1695) kritisch auseinandersetzt, für die er jedoch durchaus auch manches Lob aufbringt, weil sie einige damit verbundenen Fragen immerhin zu lösen verspreche. Ein Artikel, und gewisse Schwierigkeiten das Verhältnis von Körper und Seele betreffend, auf den Leibniz immer wieder gegenkritisch zurückverweist (z. B. in M § 16 u. 59). Die Seelen derjenigen „Samentiere“ also, die dazu erwählt sind, Menschen zu werden und die folglich zu rationalen Seelen oder Geistern promoviert werden, tragen nun zwar schon immer eine besondere Signatur des Schöpfers, werden aber erst bei Gelegenheit der Empfängnis nicht nur verändert und umgebildet, wie alle sonstigen Monaden im natürlichen Wachsen und Abnehmen ihres Lebenszusammenhangs, sondern von Gott regelrecht „umgeschaffen“ zu Geistern, die vernunftfähig sind. Leibniz, in dem oben zitierten Paragraphen der Theodizee, spricht von einer „Transkreation“, die er allerdings nicht als plötzlichen Eingriff Gottes, sondern als Bestätigung einer seit Anbeginn der Dinge vorgesehenen Eignung auffassen möchte (vgl. T § 397). Deswegen ist die Erhebung zur Vernunftfähigkeit dezidiert nicht als ein natürlicher Vorgang, sondern als übergeordnete Suspendierung eines rein natürlichen Laufes der Dinge zu begreifen. Denn was ein Mensch aus Vernunft tut, ist, wie Leibniz an anderer Stelle erklärt, als eine Art „privates Wunder“ zu begreifen (Vérités nécessaires et contingentes, C 20), durch das seine Handlung von dem naturgesetzlichen Konnex der Dinge ausgenommen ist. Das bedeutet nämlich, daß er frei handelt, d. h. durch seine finalen Zweckeinsichten, denen gemäß er strebt, nicht aber aufgrund von seinem Wirken voraus liegenden Naturgesetzen. Allerdings wurden, wie Leibniz an gleicher Stelle ebenfalls klarmacht, alle diese kleinen Wunder bei Festlegung der „universalsten Gesetze“ der geschaffenen Welt, welche ohne jede Ausnahme gelten, durch ausdrückliche göttliche Willensentscheidung miteinbezogen, sind also diesen allgemeinsten Gesetzen regulär unterworfen und somit – wenn auch nach Regeln des Guten oder der Zwecke – vollständig bestimmt, d. h. determiniert. Daher kann

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diese Stelle nicht, wie manchmal vermutet, so verstanden werden, als hätte Leibniz hier eine inkompatibilistische Position zur menschlichen Freiheit vertreten. (Vgl. zum beschriebenen Zusammenhang bes. Liske 1993, 185 ff.) Nur ist ihre Determination eben keine nach bloß innerweltlich gültigen Gesetzen, sondern nach Gesichtspunkten, die auf gewisse Weise ihrem Verhältnis zum Urheber der Welt Ausdruck geben. Gott nimmt, wie schon gesagt, von Anbeginn der Welt an eine besondere Beziehung mit jedem Menschen auf, die dann ja auch – am Ende der Tage – über den Kontext des zeitlichen Universums hinaus Bestand haben soll. Denn die menschliche Seele ist nach Leibniz’ Ansicht nicht nur, wie alle anderen, unvergänglich, sondern sogar „unsterblich“ (T § 89). Sie besitzt, im Unterschied zu den Tierseelen, nicht nur Individualität oder Einzigkeit im Vergleich mit jeder anderen, sondern darüber hinaus auch „Personalität“, d. h. ein Selbstverhältnis, das diese Einzigkeit im eigenen Tun festhalten, damit aber auch bewußt zu verändern und zu gestalten erlaubt. Die so erworbene Gestalt und die Eigenschaften, die eine solche Seele sich durch ihr selbstbewußtes Handeln zulegt, prägen zusammen das Gesicht ihrer Freiheit aus und können ihr folglich als Verdienst zugerechnet werden: „[…] die Vollkommenheiten der Geister sind ihre Tugenden“ – d. h. selbstgemacht, schreibt Leibniz in diesem Sinne in der Metaphysischen Abhandlung (D § 5). „Unsterblich“ zu sein bedeutet demnach, daß diejenige Gestaltung der persönlichen Individualität, die ein Mensch sich durch sein rationales Leben selbst erhandelt hat, über den Tod, d. h. die Wiederabstreifung des menschlichen Organismus hinaus in der durch die Zeugung begonnenen Koexistenz und Beziehung zu Gott erhalten wird. Kraft dieser „Identität der Person“ (T § 89) ragen die Menschen über das geschaffene Universum und dessen interne Beziehungen zwischen Monaden hinaus und stehen in einem personalen Verhältnis der Gemeinschaft nicht nur untereinander, sondern zugleich mit Gott. Wie Leibniz am Ende von M § 83 und zu Anfang von M § 84 schreibt: „[…] jeder Geist ist in seinem Bereich gleichsam eine kleine Gottheit. Das befähigt die Geister, in eine Art Gemeinschaft mit Gott zu treten, und Gott ist für sie nicht nur das, was der Erfinder für seine Maschine ist […], sondern auch das, was ein Fürst für seine Untertanen, ja ein Vater für seine Kinder ist“. Wir können dies die Leibnizsche These von der Gottesunmittelbarkeit der menschlichen Seele nennen, die ihn vor anderen Naturwesen auszeichnet und es insgesamt möglich macht, daß ein Mensch kraft der Vernunft und ihrer spezifischen Leistungen Freiheit gegenüber den ansonsten natürlichen Verhältnissen im Universum genießt. Wie das genau zu verstehen ist, soll nun im Einzelnen auseinandergesetzt werden.

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13.2. Die Kennzeichen des Geistes Während das zuletzt Zitierte die über das geschaffene Universum hinausgehende Gipfelbestimmung nennt, hat Leibniz in früheren Paragraphen der Monadologie einige diese Kulmination vorbereitende und begründende Auszeichnungen genannt, durch die die Geister oder Vernunftseelen von den tierischen Seelen und allen übrigen Monaden unterschieden sind. Bevor wir den Kulminationspunkt noch weiter untersuchen, ist es nötig, die übrigen Kennzeichen des Geistes kurz ins Auge zu fassen. Nach M §§ 29–31 zeichnen sich die vernünftigen Seelen erstens durch „Erkenntnis und Abstraktion notwendiger Wahrheiten“ aus; zweitens durch „reflexive Akte“, in denen sie den Gedanken des eigenen Ich erfassen; drittens durch die Entdeckung der Begriffe „Sein“, „Substanz“, „Einfaches und Zusammengesetztes“, „Immaterielles“ und „Gott“ in uns selbst, wobei wir den letzteren dadurch erfassen, daß wir unserer eigenen Begrenztheit die Unbegrenztheit des göttlichen Wesens entgegensetzen. Dieser Katalog von Besonderheiten der menschlichen Seele hat offensichtlich einen ganz bestimmten Anfang und hält eine gewisse Reihenfolge ein, die auf einen inneren Zusammenhang der darin involvierten Begriffe, Leistungen und Erkenntnisse hinweist. Die notwendigen Wahrheiten konfrontieren uns zuerst mit etwas, das unabhängig von uns und unserer sinnlich-perzeptiven Weltbeziehung ist. Während wir alles sinnlich Gegebene durch geeignete Maßnahmen unterbinden oder in seinem perspektivisch erscheinenden Charakter verändern können, ist eine notwendige Wahrheit unumstößlich und steht nicht zur Disposition der Mittel und Wege, die wir zur Änderung unserer eigenen Verfassung und Lage eventuell einschlagen oder ergreifen können. Erfahrung und Erinnerung, die von unseren sinnlichen Perzeptionen datieren, begründen nur eine sehr schwache Zusammengehörigkeit in der Reihenfolge („consecution“) unserer Perzeptionen. Diese Art der Kohärenz leitet nach Leibniz auch die Tiere in ihrem Verhalten. Jedoch ein notwendiger Zusammenhang ist, wie er ist, ganz unangesehen der Erfahrung und unseres Zutuns. Wenn wir eine notwendige Wahrheit erfassen, paart sich unwillkürlich die Gewißheit dieses Sachverhalts mit der Gewißheit unserer Selbst: Es verhält sich so und nicht anders, unabhängig von mir, aber so wahr ich dies denke. Deshalb, meint Leibniz, erheben wir uns in der Erkenntnis einer notwendigen Wahrheit zu den „reflexiven Akten“. Die Reflexivität endlicher Selbstbeziehung ist ursprünglich gekoppelt an eine Wurzel dessen, was nicht zu meiner Verfügung steht.

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Aus diesem Grund führen uns jene reflexiven Akte auf die nach Leibniz offenbar im Selbstbewußtsein beschlossen liegenden Ideen des „Seins“, der „Substanz“, des „Einfachen und Zusammengesetzten“ und des „Immateriellen“, sowie „Gottes“. Denn Sein oder Substanz sagen wir von demjenigen wahr Scheinenden aus, das wir als von uns unabhängig erkennen. Dadurch wiederum wird mir dies Andere – im Unterschied zu mir selbst – jeweils ein Eigenes, sei es „einfach“ oder „zusammengesetzt“, zusammen mit mir aber jedenfalls nicht nur Eins, sondern vieles, das insgesamt wiederum eine zusammengesetzte oder komponierte Vielheit von Dingen oder Substanzen sein muß. Das aus vielem Komponierte aber besteht aus seinen Teilen und ist daher, in Leibniz’ Augen, materiell und körperlich (vgl. z. B. M §§ 2, 6, 61), während die einfache Substanz notwendigerweise ohne Teile und daher unkörperlich sein muß. Ich bin also – in meinen reflexiven Akten – jedenfalls nicht das einzige, was es gibt, sondern Teil einer Komposition (Leibniz bezeichnet sie als „Harmonie“ – z. B. M §§ 59, 78), daher begrenzt und unfähig, den Grund des Ganzen zu enthalten. Dies schließlich führt mich auf die Idee eines Grundes, der für alles, was zusammen vorhanden ist und mich einschließt, hinreichend sein könnte und daher selbst nicht wiederum ein Teil dieses Ganzen sein kann. Dies aber ist Gott. So läßt sich nachvollziehen, wie aus dem Anstoß der Entdeckung notwendiger Wahrheit und dem Nukleus der Selbstbeziehung alle jene Ideen und Gedanken folgen, durch die Leibniz die vernünftigen Seelen oder Geister ausgezeichnet sieht. Das Wichtigste daran ist der unhintergehbare Sachverhalt, daß die Reflexivität vernünftigen Denkens zugleich den Horizont des bloß mir so Erscheinenden durchstößt. Die „Perzeption“ wird zur „Apperzeption“ (vgl. M § 23), d. h. erreicht den einen Sachverhalt distanzierenden Blickpunkt des ‚Ich denke‘, auf dem ich nicht anders kann, als zu affirmieren, was mir aus seinen inneren Gründen als wahr erscheint, und zu negieren, was als falsch.

13.3. Die Prinzipien des Wahren Das Universum zerfällt dem reflektierenden Ich in eine unendliche und für es unüberschaubare Vielzahl aus von ihm selbst unabhängigen Substanzen und Wahrheiten, die sie betreffen. Die notwendigen Wahrheiten lassen mich zuerst die Unabhängigkeit und in sich Gegründetheit des Wahren entdecken, das eben deshalb wahr ist, weil seine Verneinung einen Widerspruch ergäbe. Ich kann den Widerspruch nicht denken, und darum muß ich dieses Wahre so, wie es durch sich selbst ist, auf sich beruhen lassen

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und als wahr anerkennen. Dies ist das erste „große Prinzip der Vernunft“, wie Leibniz es nennt, nämlich das „Prinzip des Widerspruchs“ (M § 31). Es ist, wie gesehen, verknüpft, mit der Selbstgewißheit des Ich bei seinem Gedanken, der so wahr ist, wie das ‚Ich denke‘ seiner selbst gewiß. Ich müßte mein Denken durchstreichen, wenn ich die Wahrheit des gedachten notwendigen Sachverhalts nicht zugeben wollte. Jedoch sind nicht alle Wahrheiten, mit denen ich konfrontiert werde, so, daß sie notwendig wären. (Zur Unterscheidung notwendiger und kontingenter Wahrheiten vgl. Rescher 1952 und 1967, 36 ff.; Adams 1977 sowie den Beitrag von Krämer, s. o. 95–111.) Notwendig sind nur diejenigen, deren Termini wie die einer mathematischen Gleichung durch eine Analyse ineinander überführt werden können; oder wo durch eine Analyse und die anschließende Ersetzung der analysierten Termini durch ihre Definition in endlich vielen Schritten bewiesen werden kann, daß das ausgesagte Prädikat im Subjekt enthalten ist. Vieles aber, das wir als wahr – etwa in den empirischen Wissenschaften – erkennen können, ist nicht so verfaßt, daß eine Analyse der Bedingungen des ausgesagten Prädikats auf dieselben Elemente stößt, auf die auch eine Analyse der Bedingungen des Subjekts dieses Sachverhalts führt. Zum Beispiel ist die wissenschaftliche Wahrheit, daß Wasser von 4° Celsius am schwersten und folglich schwerer als Wasser von 0° ist, nicht durch Analyse der Allgemeinbegriffe des Schwerseins, und des Wassers bestimmter Temperatur allein als wahr zu erweisen. Es könnte vielmehr – ohne Widerspruch – auch anders sein. Die meisten Wahrheiten der Geschichte und der Natur sind von dieser Art, daß sie ohne Widerspruch auch nicht gelten könnten, obwohl sie doch unzweifelhaft wahr sind. Wahr aber können sie nur sein, so argumentiert Leibniz, wenn das betreffende Subjekt, von dem das Prädikat ausgesagt wird, die behauptete Eigenschaft tatsächlich besitzt, d. h. in seiner Verfassung einschließt, obwohl dies durch keine Analyse der Termini, aus denen die Aussage gebildet wird, demonstriert werden kann. Vielmehr geht eine solche Analyse der Termini auf beiden Seiten (im Subjekt- wie im Prädikatterm) ins Unendliche weiter, ohne daß sie beide auf definitiv dieselben Konstituenten zurückgeführt werden. Das bedeutet: Die betreffende Aussage ist nicht bereits durch ihre Konstituenten wahr. Vielmehr kommen sich beide Termini – als immer weiter analysierte Begriffe – in  Vgl. Primae veritates, C 518 f. Den Unterschied zwischen notwendigen und kontingenten Wahrheiten in Abhängigkeit von den „zwei großen Prinzipien“ der Vernunft erklärt Leibniz am faßlichsten in seinen Bemerkungen über das vor kurzem in England veröffentlichte Buch über den Ursprung des Übels (von D. W. King) § 14.

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ihren Bausteinen nur unendlich nah, ohne jemals dieselben zu werden, obwohl in der wirklichen Welt dieses Subjekt das betreffende Prädikat tatsächlich besitzt und somit einschließt. Die unendliche Näherung der Termini ohne Erreichen eines definitiven Einschlusses des einen in dem anderen ist also der harte logische Kern aller Kontingenz bei Leibniz (s. Buchheim 1996, 394 ff.) Denn wäre es anders, d. h. gälte nicht auch hier, daß das fragliche Prädikat de facto (obwohl nicht begrifflich) im fraglichen Subjekt enthalten ist, wäre nicht ersichtlich und nicht vernünftig nachvollziehbar, warum gerade dieser Sachverhalt und nicht vielmehr sein Gegenteil ‚wahr‘ sein sollte. Die Wahrheit von etwas impliziert immer Verwerfung – nicht nur Aussortierung – ihres Gegenteils. Aussortierung hieße, daß der gegenteilige Sachverhalt einer anderen Rubrik oder anderen Welt angehören würde, aber ansonsten gleichberechtigt mit der uns interessierenden Welt oder Rubrik von Dingen wäre. Aber dem ist nicht so. Es gibt keine gleichberechtigte Gegenwelt, in der all das oder ein Teil von dem wahr wäre, was bei uns falsch ist, und die gleich wirklich mit dieser, nur eben ganz anders wäre. Die Möglichkeit, daß Wasser von 4° nicht schwerer als Wasser von 0° Grad wäre, ist weniger oder ist gar nicht, gemessen an der wirklichen Welt, in der es so ist. Die möglichen Welten sind nach Leibniz bei weitem nicht gleichberechtigt mit der wirklichen. Sie haben keinen Anspruch auf Wahrheit außer in dem Sinn, daß sie möglich sind, d. h. daß ihre genaue begriffliche Beschreibung ins Unendliche keinen Widerspruch impliziert. Doch in ihnen schließt kein unendlich bestimmter Begriff einen anderen als sein Prädikat, d. h. definitiv enthaltenen Teil ein. Deshalb wird die Behauptung eines zwar möglichen, aber unzutreffenden Sachverhalts als tatsächlich falsch verworfen (z. B. der, daß Alexander der Große seinen Lehrer überlebt habe), nicht aber als ‚woanders wahr‘ aussortiert. Dies Erstaunliche nun: daß wir das Nichtwahre, obwohl Mögliche, glauben verwerfen zu dürfen und nicht verfolgen müssen als Erkenntnis über eine andere Wirklichkeit, die uns parteiischer Weise nur nicht so interessiert wie die unsrige – ist für die Vernunft allein dann gerechtfertigt, wenn es einen damit zusammenhängenden Grund gibt, warum es so ist, wie wir als wahr erkennen, und nicht vielmehr anders. Das so von der Vernunft postulierte Prinzip der Rechtfertigung nicht notwendiger Wahrheit als eben Wahrheit, deren Gegenteil als falsch zu verwerfen ist, bildet das zweite „große Vernunftprinzip“ nach Leibniz, nämlich das „Prinzip des zureichenden Grundes“ (M § 32) einer jeden Wahrheit, nicht nur der notwendigen. Es muß immer einen Grund geben, warum es in Wahrheit so ist, wie wir erkennen. In manchen Fällen ist dieser Grund zwar in dem begrifflichen Enthaltensein des Prädikatbegriffs im Subjektbegriff zu

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finden. Dies sind die notwendigen Wahrheiten. In andern Fällen jedoch ist das Prädikat nicht ein begrifflicher Bestandteil des Subjektbegriffs, kommt aber dem Subjekt dennoch aus einem darüber hinausgehenden Grunde zu. Dann handelt es sich um kontingente Wahrheiten. Deren Grund gehört also nicht zur Konstitution des Subjektbegriffs als einem möglichen und mit Sicherheit nicht-widersprüchlichen Begriffs (sonst wäre er wiederum durch bloße Analyse des Begriffs darin zu entdecken und die Wahrheit könnte als notwendig demonstriert werden). Der besagte andere Grund liegt vielmehr in der Bedeutung oder Rolle, die einer bestimmten Sache im Zusammenhang mit den anderen Dingen der nämlichen Welt zukommt, und durch die ihre gegenseitigen Beziehungen so sind, wie sie sind. So ist beispielsweise die Tatsache, daß Wasser von 4° Celsius schwerer als Wasser von 0° ist, von Bedeutung dafür, daß Gewässer nicht von unten, sondern von der Oberfläche her zufrieren und damit Fische und anderes Getier den Winter überleben können. Man könnte sich freilich auch Eistiere vorstellen, die eingefroren überdauern und im Frühjahr aufgetaut ihr Leben fortsetzen. Doch müßte dies mit einer anderen Zellstruktur verbunden sein und dies wiederum mit anderen biochemischen Bauteilen usw. Wir können demnach den verlangten Grund nicht durch Betrachtung des betreffenden wahren Sachverhalts allein definitiv erkennen, sondern finden nur gewisse Anhaltspunkte, wie alles so zusammenpaßt, daß es damit zusammen der Fall ist und nicht vielmehr anders. Leibniz betont in anderen Schriften, daß der von der Vernunft für nicht-notwendige Wahrheit geforderte Grund ein den beteiligten Dingen und Sachverhalten „extrinsischer“, d. h. äußerlicher, nicht ihrer Definition als solcher angehörender Grund sein müsse. (Unterstützend hierzu vgl. Liske 1993, 9 ff., 77, 162 ff., sowie Buchheim 1996.): „Da unendlich vieles möglich ist, das dennoch nicht existiert, ist dafür, daß diese Dinge statt jener existieren, ein Grund erforderlich, der nicht aus der Definition dieser Dinge erhoben wird (weil andernfalls das Nichtexistieren davon einen Widerspruch implizierte und anderes nicht möglich wäre, was gegen die Voraussetzung ist), sondern aus einem ihnen äußerlichen Prinzip – nämlich daß diese vollendeter sind als die anderen“ (De libertate, Grua 288). Der von der Vernunft geforderte zureichende Grund nicht-notwendiger Wahrheit muß in etwas liegen, das nicht durch Analyse der Begriffe aufgefunden werden kann, aber dennoch dafür spricht, daß diese und nicht andere Dinge existieren. Dieser stets sachexterne, aber dennoch rationale Grund nicht-notwendiger Wahrheit ist das Gute, das den Dingen immer nur durch ihre Beziehung aufeinander zuteil wird und in dessen Genuß kein geschaffenes Ding durch sich selbst und seine Konstitution allein gelangen kann.

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Diejenigen Sachverhalte, die Teil der wirklichen, d. h. durch Gott erschaffenen Welt und in ihr kontingenter Weise wahr sind, sind es nur, weil die betreffende Welt insgesamt die beste von allen möglichen ist und daher jeder von ihnen in gewisser Weise zu dem Gesamtgut dieser Welt beiträgt: „Das Prinzip für die kontingenten Wahrheiten ist das Prinzip des passenden Zusammentreffens („convenance“) oder der Wahl des Besten“ (M § 46). Ich habe das Prinzip des Grundes so dargestellt, daß die Wahrheit des betreffenden nicht-notwendigen Sachverhalts erst mit und aus dem anzunehmenden Grund folgt. Jener Grund ist jedoch keineswegs das Subjekt des Satzes, in dem laut Leibniz das Prädikat faktisch enthalten sein muß, soll der Sachverhalt nicht nur möglich, sondern auch eine kontingente Wahrheit oder Tatsache sein. Vielmehr ist der Grund nur indirekt mit diesem Subjekt verbunden, nämlich dessen passendes Verhältnis zum Besten, das die wirkliche Welt insgesamt gegenüber allen anderen möglichen auszeichnet. Demgemäß betrachte ich das Prinzip des Grundes von vorne­ herein nicht nur, wie Nicholas Rescher in seinen grundlegenden Arbeiten zum Thema, als Ausdruck davon, daß die begriffliche Analyse eines als wahr schon vorausgesetzten Sachverhalts ins Unendliche geht, ohne daß je ein Abschluß von ihr erreicht werden könnte. Vielmehr betrachte ich den besagten Grund als dasjenige, wodurch als ein der höchsten Vernunft einsichtiges Prinzip, der betreffende Sachverhalt nicht nur möglich und wider­spruchs­frei denkbar, sondern eben auch wahr oder eine Tatsache ist. Denn bedeutete das Prinzip des Grundes nur, daß die Analyse einer vorausgesetzten Wahrheit ins Unendliche fortgeht, so benötigte man in der Tat, wie Rescher gezeigt hat (Rescher 1952, 27 ff.), noch ein drittes Vernunftprinzip, um aus allen ins Unendliche bestimmten und darum möglichen Sachverhalten genau diejenigen herauszufiltern, die nicht allein möglich, sondern auch wahr sind. Ein Prinzip – neben dem des Grundes – das er völlig zu Recht „principle of perfection“ nennt. Wird hingegen der von der Vernunft geforderte Grund so verstanden, daß durch ihn ein gewisser widerspruchsfrei denkbarer Sachverhalt erst zu einer Wahrheit entschieden wird, dann besteht er eben in der niemals dem Begriff eines widerspruchsfrei denkbaren Dinges allein inhärenten Perfektion oder Güte, um derentwillen Gott die damit verknüpfte Welt auswählt und erschaffen hat. Deshalb läuft bis auf den genannten Unterschied meine Auffassung der kontingenten Wahrheiten bei Leibniz auf dasselbe hinaus, was zuerst Rescher (gegenüber Russell und Couturat) aufgezeigt hat: „It is thus via the infinite comparison demanded by the Principle of Perfection that an infinite process is imported into the analysis of a truth dealing with contingent existence“ (Rescher 1952, 30).

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13.4. Freiheit und die Systematik des Guten Man kann nun deutlich erkennen, daß Leibniz in der Vernunft und damit in der Auszeichnung der durch sie begabten Seelen oder Geister die beiden vorher erklärten Grundzüge und ihre jeweiligen Prinzipien miteinander verkoppelt: Erstens die Fähigkeit zur Überschreitung meiner selbst auf das hin, was zwar von mir unabhängig so ist, wie es ist, daher außer mir existiert, aber nur zusammen mit mir selbst das Wirkliche bildet. Und zweitens die Einsicht, daß nur dieses Zusammensein des voneinander Unabhängigen einen zusätzlichen Grund abgeben kann, warum diese unabhängig voneinander existierenden Dinge tatsächlich die Prädikate in sich schließen, die sie bestimmen, obwohl dies nicht notwendig wäre. Wären sie nicht unabhängig voneinander, dann fehlte auch dieser zusätzliche Grund, der allein in ihrem Zusammensein beschlossen liegen kann; und ohne diesen Grund könnte nichts nicht-notwendig, aber dennoch wahr sein. Die Vernunft müßte also zu der Auffassung gelangen, daß (außer Gott) nur Ich selbst bin mit all meinen Erscheinungen und daß dies insgesamt und in allen Zügen notwendig so ist – wenn es überhaupt wahr ist und nicht ein grotesker Traum. Die Harmonie der voneinander unabhängigen Dinge, die für alle Beteiligten Gutes einbringt, das sie nicht aus sich selber schöpfen können, ist der Kristallisationskern der Freiheit nach Leibniz. Er bildet zugleich die gedankliche Konstellation, welche eine vernünftige Seele von einer nichtvernünftigen unterscheidet. Und aus dieser gedanklichen Konstellation heraus operieren vernünftige Subjekte, wenn sie mit Freiheit wollen und handeln. Durch das Prinzip des zureichenden Grundes ist dies zwar das Gepräge der gesamten Wirklichkeit mit allen ihren Geschöpfen. Denn deren gutes Zusammenpassen, von dem sie alle profitieren – was Leibniz die „Harmonie der Dinge“ nennt – geht zurück auf die freie Wahl der besten und vollkommensten Welt aus allen möglichen durch Gott. Doch wird das besagte Gepräge auch innerhalb des geschaffenen Universums, nämlich in der vernünftigen Seele der Menschen, wiederum bewußt und gewinnt so in dessen Verhalten eine neue Wirksamkeit, d. h. wird zum Grund möglicher Handlungen, die gewisse Teile des Wirklichen nunmehr aus menschlicher Freiheit umgestalten. „Deshalb ist die Wurzel der Freiheit darin enthalten, daß ein Geist („mens“) seine Wahl nicht durch Gründe der Notwendigkeit, sondern durch Gründe des wahren oder erscheinenden Gutseins trifft, durch die er dahin geneigt wird.“ (Contra Indifferentiam, Grua, 384). Dies eben ist es, was den Menschen, wie Leibniz in M § 83 f. sagt, zu einer „kleinen

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Gottheit“ und in gewisser Weise zu einem Handlungspartner in derselben Gemeinschaft mit Gott macht – d. h. zum Akteur in einem viel bedeutenderen Schauspiel, als alle nur innerweltlich koordinierten Mitspieler es sonst aufführen. (Eine nähere Beschreibung dieses Punktes findet sich bei Savile 2000, 213 ff.). Wie die Menschen wählen, das liegt an ihnen; denn es liegt an ihnen, inwieweit sie bei der Verfolgung der eigenen Neigung das, was nicht nur für sie, sondern überhaupt gut ist, berücksichtigen. Und deshalb liegt auch an ihnen, was Gutes oder weniger Gutes sie auf diese Weise füreinander und für die übrige ihnen erreichbare Schöpfung zustandebringen. Gott hat bei seiner Wahl der besten Welt, die Wahlen aller Vernunftwesen, die diese treffen würden, wenn sie existierten, mitberücksichtigt (vgl. z. B. D § 13). Er hat so seine eigene Freiheit mit der Freiheit seiner Geschöpfe verflochten. Dies war es, was im ersten Abschnitt als Leibniz’ These von der ‚Gottesunmittelbarkeit‘ der rationalen Seelen bezeichnet wurde. Denn unmittelbar bei seiner eigenen Bevorzugung einer möglichen Schöpfung hat Gott die Wahlen der rationalen Seelen, die geschaffen werden könnten, zu einem vorgeordneten Grund seiner eigenen Wahl des Besten gemacht und erst davon abhängig die übrige Welt so eingerichtet, daß sie auf optimale Weise dazu paßt (vgl. D § 5 u. § 36.) Die Unabhängigkeit der Menschen voneinander und von Gott ist darum noch größer als die wechselseitige Unabhängigkeit der übrigen Substanzen im Universum, durch welche das Gute erst gut ist. Ein Gut entsteht, wie oben gezeigt, erst da, wo voneinander Unabhängige aus ihrem Zusammensein jedes für sich Vorteile gewinnen. Dies wird nun potenziert durch die Freiheit der Menschen, da die Art ihres Zusammenseins miteinander und mit allen anderen Wesen zur Disposition ihrer vernünftigen Wahl gestellt ist und somit noch einmal zu einem Grund neuer Verhaltensweisen gemacht werden kann. Das Gut, das sie so erwirtschaften, ist in doppeltem Sinne ihres: sie profitieren von dem, was sie auch stiften. Wir haben gesehen, daß an der tiefsten Wurzel der Freiheit die Nichtnotwendigkeit des Wahren, obwohl faktisch Wirklichen liegt. Deshalb ist es nach Leibniz falsch zu meinen, daß da, wo Dinge auf eine bestimmte, d. h. determinierte Weise miteinander zusammenhängen, die Freiheit ausgeschlossen werden müßte. Sie auszuschließen hieße vielmehr, daß  Dies wurde seit Russell 1937 (z. B. 39) immer wieder gegen Leibniz’ Theorie der Freiheit eingewandt, obwohl Leibniz dezidiert und mit triftigen Argumenten einen deterministischen Zusammenhang, der Gründe des Guten involviert, von einem notwendigen Zusammenhang, dessen Gegenteil unmöglich ist, unterscheidet (vgl. z. B. NE, II. Buch, Kap. 21, § 13. Wo ein

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eben kein zureichender Grund dafür denkbar wäre, warum etwas so und nicht anders ist, außer dem, daß etwas anderes immer einen (für uns freilich unentdeckbaren) Widerspruch darstellen würde. Dies wiederum bedeutete, daß nichts möglich wäre außer dem Wirklichen. Das aber scheint aller Vernunft zu widersprechen, welche die Wahrheit gerade dann für interessant und wichtig hält, wenn auch das Gegenteil als möglich erscheint. Man könnte geradezu sagen, es widerspräche der Form der Erkenntnis, wenn sie nicht darin bestünde, das nach allen Gesichtspunkten für die Vernunft Mögliche zugunsten des manchmal auch Wahren zu überschreiten. Die Freiheit ist deshalb eine mit Vernunft als Vermögen der Wahrheitserkenntnis unzertrennlich verwobene Idee. Die willentliche Einräumung fremder Unabhängigkeit im Verhältnis zu mir selbst zu beiderseitigem Vorteil ist das, was auch Leibniz in M § 83 als Punkt der augenscheinlichsten Verwandtschaft zwischen einem endlichen Geist und Gott angibt. Sie macht den Geist nämlich zu einem Urheber („Auteur“) statt bloß zur Ursache bestimmter Effekte im Universum. Die Urheberschaft für etwas beruht stets darauf, daß ich die in etwas anderem liegenden Gründe seines Verhaltens zum Grund meines eigenen Handelns im Verhältnis zu ihm zu machen verstehe. Schon in seiner sehr frühen Schrift Confessio philosophi schreibt Leibniz in diesem Sinne: „Urheber sein heißt, durch seinen Willen der Grund eines fremden [Grundes] sein“ (CP 64 f.). Denn ich wähle oder ziehe es vor, mich so zu verhalten, daß gewisse Dinge aus sich heraus sich so verhalten werden, wie ich es will. Das kann natürlich zum Guten: ich will das, wovon auch jene Dinge profitieren, als auch zum Bösen: ich verhalte mich so, daß die anderen an meinem Vorteil verderben – verwendet werden. Es ist, wie Leibniz schreibt, die Vernunftformel, die das „System des Universums“ (M § 83) ausmacht. Denn aufgrund dieser Systematik, wird sie zum Guten eingesetzt, stimmen die meisten Wesen mit dem geringsten Aufwand an Kosten und Aufreibung zusammen. Denn immer wird etwas mit demjenigen am liebsten zusammengehen, was sich aus sich selbst so verhält, daß es sich und dem anderen nützt. Es wird nicht einer fremdartigen Zwecksetzung unterworfen und dafür zurechtgestutzt. Vielmehr kommt es zu sich im Verein mit dem anderen. Wer solche Verhältnisse willentlich herstellen kann, der ist Urheber eines derartigen Systems.

Geist das ihm gut Erscheinende wählt, wird er von Gründen nur geneigt gemacht, obwohl das Gegenteil dieser Neigung für ihn möglich wäre (s. u.). Zur Kritik der Auffassung von Russell und ihrer Erneuerer vgl. Rescher 1967, 43 ff. und 1952, 33 ff.

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Unsere technischen Systeme, sagt Leibniz, sind in nur schwacher Weise Nachahmungen dieser Architektonik gemeinsamer Gedeihlichkeit. Schwach deshalb, weil wir viel zu viel an den Dingen ändern müssen, um sie endlich unseren Zwecken dienstbar zu machen. Aber schon hier sprechen wir von den Erfindern als den „Urhebern“ eines solchen Systems. Fiktive Systeme dieser Art sind Romane oder Kunstwerke: Sie nutzen immer das eigenständige Profil der Dinge und Akteure, die sie beschreiben, um dadurch insgesamt Neues oder Bedeutsames zur Darstellung zu bringen. Noch mehr sind alle ökonomischen und politischen Systeme, die wir etablieren, Systeme dieser Art. An ihnen kann man förmlich studieren, daß sie nur dann funktionieren, wenn die fremden Gründe, ein gegenseitiges Verhältnis einzugehen, im Verhalten des Einzelnen Berücksichtigung finden. Die Güter, die in ihnen möglich sind, steigen exponentiell in Abhängigkeit vom Verhalten jedes beteiligten Urhebers, solange im Sinne des Systems so gehandelt wird, daß durch den willentlich gewonnenen Vorteil eines jeden zugleich der Vorteil aller begünstigt wird. Das frei unternommene Handeln neigt dann am ehesten dem zu, was den inneren Gründen der anderen am meisten entspricht, wie auch diese meinen Gründen freiwillig nützlich sind: „In der Tat sind die Geister die im höchsten Maße vervollkommnungsfähigen Substanzen, und ihre Vollkommenheiten bestehen im besonderen darin, daß sie sich gegenseitig am wenigsten hindern, oder vielmehr, daß sie einander unterstützen; denn allein die Tugendhaftesten können die vollkommensten Freunde sein.“ (D § 36) So liegt die Chance auf das größte Gut, wenn irgendwo, in der Vielzahl der Geister, deren jeder aus freien Stücken mit seinem eigenen das Gut aller vergrößert. Freilich ist klar, daß die Systematik eines solchen Systems zugleich auch besonders anfällig ist, in größte Übel umzuschlagen, nämlich dann, wenn ein Geist sein Vermögen als freier Urheber dazu mißbraucht, die inneren Gründe der anderen nur seinem eigenen, vermeintlich umso größeren Vorteil dienstbar zu machen.

13.5. Vernunft und Freiheit In der Theodizee gibt Leibniz einmal drei Bedingungen an, die seiner Ansicht nach für die mögliche Freiheit eines Wesens zu erfüllen sind: erstens Intelligenz; zweitens Spontaneität und drittens Kontingenz: „[…] die Freiheit […] besteht in der Intelligenz, die eine deutliche Erkenntnis des Gegenstands der Überlegung einschließt; in der Spontaneität, mit der wir

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uns selbst bestimmen; und in der Kontingenz, d. h. dem Ausschluß logischer oder metaphysischer Notwendigkeit. Die Intelligenz ist gewissermaßen die Seele der Freiheit und das Übrige von ihr wie der Körper und die Basis. Die freie Substanz bestimmt sich durch sich selbst, und zwar indem sie dem Motiv des vom Verstande erfaßten Guten folgt, das geneigt macht ohne ihn zu zwingen“ (T § 288). Wir wollen zum Abschluß untersuchen, inwieweit die Begabung mit Vernunft, wie Leibniz sie in der Monadologie dargelegt hat, dazu angetan ist, diese drei Bedingungen wirklich zu erfüllen und so die Freiheit eines jeden Geistes oder vernünftigen Wesens zu garantieren. (1) Intelligenz, so sagt Leibniz in dem angeführten Zitat, insofern sie als Bedingung der Freiheit fungiert, schließt eine deutliche Erkenntnis des Gegenstands der Überlegung („délibération“) ein. Gegenstände der Überlegung sind, wie schon Aristoteles betont hat (vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik III 5, 1112 a 30– b 9.), immer solche, in Bezug auf die unser Verhalten einen Unterschied machen würde, das dementsprechend ein besseres oder aber schlechteres Verhalten genannt werden kann. Eine deutliche Erkenntnis des Gegenstands der Überlegung ist also eine Erkenntnis über das Gute oder Schlechte unserer Handlungen und Verhaltensweisen. Sehr wichtig ist nun, daß die Erwägung des Guten und Schlechten unserer Handlungen nach Leibniz überhaupt eine Frage möglicher Erkenntnis ist, d. h. unter Anspruch und Maßstab der Wahrheit steht. Wir haben weiter oben gesehen, daß dies nur so sein kann, wenn die einschlägigen Sachverhalte aus bestimmten Gründen, die für oder gegen sie sprechen, so sind wie sie sind. Nur dann haben wir die Möglichkeit, diese Gründe deutlich zu erkennen oder zu verkennen oder uns gar nicht erst um diesbezügliche Erkenntnis zu bemühen. Dies ist aber deshalb so wichtig für die Freiheit, weil nur ein Gegenstand, von dem Erkenntnis möglich ist, wird er als wahr erkannt, von uns auch hätte verfehlt, wird er dagegen verfehlt, von uns auch hätte als wahr erkannt werden können. Wir können das, was wir als eine Wahrheit erkennen, nicht anders denken, als daß dieselben, die es erkannt haben, sich darüber auch hätten täuschen können. Erkannte Wahrheit und mögliche Täuschung treten nur zusammen auf. Man kann das eine nur haben, wenn man auch das andere als eine Möglichkeit in Kauf zu nehmen bereit ist. Deswegen sagt Leibniz in der bereits früher zitierten Confessio philosophi, daß der „Gebrauch der Vernunft die wahre Wurzel der Freiheit“ sei (CP 86 ff. Zu dieser Auffassung von Leibniz und der Frage, inwiefern sie sich durch sein ganzes Werk durchhält, vgl. Phemister 1991, bes. 27 ff.) Denn durch die Vernunft sind wir auf das Wahre gerichtet, das wir durch

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richtigen Gebrauch derselben auch erkennen können. Doch nur, wo wir auf Wahrheit aus sind, ist zugleich mit ihrer Erkenntnis auch Täuschung möglich. Wir können diese Möglichkeit für uns selbst nicht ausschließen, obwohl wir die Wahrheit zu treffen meinen. Darum sehen wir uns, wo wir aus einer Erkenntnis über das Gute und Schlechte heraus unseren Willen bestimmen und ihm entsprechend Handlungen tun oder lassen, immer zugleich in der Möglichkeit, bei anders ausfallender Erkenntnis desselben auch anders zu handeln und zu wollen. So gewiß wir also aus einer deutlichen Erkenntnis des Gegenstands unserer Überlegung handeln, so gewiß haben wir das Vermögen, auch anders zu handeln, als wir es aus vermeinter Erkenntnis tun. Die Intelligenz ist also die „Seele der Freiheit“, weil in ihr und nur in ihr der frei Handelnde und Wollende zugleich seiner eigenen Möglichkeit inne sein muß, auch anders wollen und handeln zu können, als er es de facto tut. (2) Spontaneität im Allgemeinen bedeutet nach Leibniz, daß etwas das Prinzip seiner Tätigkeiten in sich selbst hat (vgl. insb. T § 290 f.). Leibniz unterstellt dies bis zum Extrem für eine jede Monade, nicht nur für „freie“, d. h. vernunftbegabte Seelen. Der Grund ist, daß nach Leibniz’ metaphysischem Leitkonzept jede Monade für sich allein so wahrnimmt und tätig ist, wie sie es ist und tut, auch wenn nichts anderes existierte als sie allein und Gott, der sie geschaffen hat. Denn es gibt keine physische Verbindung oder Beeinflussung zwischen verschiedenen Monaden außer der von Gott schon vor Erschaffung der Dinge veranstalteten, harmonischen Abstimmung zwischen ihnen allen (vgl. M § 51 f.) Wie Leibniz prominent sagt: „Monaden haben keine Fenster“ (M § 7). Das bedeutet: Jede Monade ist im höchsten Maße spontan. Die Abfolge ihrer Perzeptionen oder „Verspürungen“ stammt einzig und allein aus ihr selbst. Sie enthält nach Leibniz das ganze und vollständige Prinzip all ihrer Tätigkeiten. Wenn aber nach Leibniz alle Monaden bis zu diesem Extrem in ihrem Verhalten „spontan“ sind, dann fragt sich, was in dieser Hinsicht eine Begabung mit Vernunft noch Besonderes zur Freiheit beizutragen hätte. Die Antwort ergibt sich aus dem oben angeführten Zitat: Die Spontane Besonders Blumenfeld 1988 hat dem sog. Prinzip des Anderskönnens als eine Bedingung der Freiheit auch in Leibniz’ Augen Aufmerksamkeit geschenkt. Blumenfeld glaubt indessen, daß die vom Akteur unabhängige Denkbarkeit der alternativen Handlungsmöglichkeit im wesentlichen ausreiche, um dieses Prinzip zu erfüllen (s. bes. 98 ff). Ich dagegen vertrete, daß es auch eine der Art von Handlung, die der Akteur tatsächlich ausführt, innerlich verbundene, wenn auch eben alternative Möglichkeit sein muß. Dies ist der Fall insbesondere bei allen mit Erkenntnis verbundenen Handlungen. Vgl. dazu auch Buchheim 2006, 141 ff.

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ität der vernünftigen Seelen ist eine, „mit der sie sich selbst zu bestimmen“ (déterminer) vermögen. Während also alle anderen Monaden kraft ihrer Spontaneität ihr jeweiliges, aber unreflektiert nach außen tretendes Verhalten an den Tag legen, betrifft die Spontaneität der Vernunftwesen zunächst bewußt sie selbst, ihre eigene Verfassung. Und erst vermöge dieser von ihnen selbst modifizierten Verfassung treten sie dann auch mit ihren daraus geborenen Handlungen hervor. Die freien Handlungen beginnen also gewissermaßen immer mit einer Bestimmung oder Gestaltung des Handelnden selbst. Dies macht, wie oben beschrieben, die spontane Handlung zur Handlung einer Person. Denn die Personen handeln so, daß sie zugleich ihre eigene Persönlichkeit – Kant spricht von ihrer „Gesinnung“ – gestalten. Siehe hierzu Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 115 f.: Mit Hilfe der „Kategorien der Freiheit“ bringen wir bei der Bestimmung unseres Willens dessen „Gesinnung selbst hervor“. Deswegen meinte Leibniz, wie schon zitiert, daß die vernünftigen Seelen nicht nur eine unvergängliche Individualität, sondern sogar eine „unsterbliche“ Persönlichkeit hätten, die von Gott über den physischen Tod hinaus erhalten wird und durch die eine jede sowohl mit ihm – Gott – als auch mit endlichen Personen im Verhältnis steht. Sich selbst bestimmen aber kann eine Person nur, weil sie in den „reflexiven Akten“ ihrer selbst und der Wirkung ihrer Handlungen auf andere und sie selbst bewußt ist. Die Spontaneität der Seelen mit Vernunft ist also durchaus eine besondere und ausgezeichnete Spontaneität. Sie ist bewußt auf sich selbst gerichtete und so sich selbst gut oder böse machende und erst in Folge davon auch gut oder böse handelnde Spontaneität. Erst auf diese Weise, vorausgesetzt es sind, wie in Punkt (1) beschrieben, intelligente Leistungen im Spiel, handelt der Vernünftige aus Freiheit. (3) Schließlich bedeutet auch ‚Kontingenz‘ mit Beziehung auf die vernünftigen Geister mehr als nur die Nichtnotwendigkeit der sie betreffenden faktischen Sachverhalte. Denn die Vernunft operiert ja mit den beiden Prinzipien – dem notwendige Wahrheit begründenden Prinzip des Widerspruchs und dem kontingente Wahrheit begründenden Prinzip des zureichenden Grundes – bei allen ihren vernünftigen Operationen. Deshalb sind dem Vernünftigen bei der Bestimmung seines Wollens und Handelns die beiden geschilderten Prinzipien als zwei verschiedene Prinzipien bewußt: Ein frei Handelnder weiß, daß er, handelt er um des Guten willen, aus einem nicht notwendig in der Konstitution der Dinge liegenden, sondern ihre Beziehung ausgestaltenden Prinzip handelt. Zugleich weiß er natürlich, daß vieles in der Konstitution der Dinge, mit denen er umzugehen hat, für ihn unverfügbar und mithin wenigstens hypothetisch notwendig

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ist, während einiges in Beziehung auf sie nur von seinem Wollen und Verhalten abhängig ist. Daher weiß er schließlich in der sein mögliches Handeln betreffenden Überlegung auch, daß dem Prinzip des Guten zu folgen, für ihn so wenig notwendig ist, wie ihm nicht zu folgen. Denn das Gute macht, wie Leibniz in dem zuletzt angeführten Zitat sagt, die Vernunft nur „geneigt“, aber „nezessitiert“ sie nicht. (Zu diesem Unterschied und was er im einzelnen bedeuten könnte, vgl. Axelos, bes. 340 ff.) Wenn die vernünftige Seele nicht den Unterschied zwischen dem unumgänglich Notwendigen und geneigt machenden Gründen kennte und zu diagnostizieren wüßte, dann würde sie sich in beiden Fällen gleich veranlaßt sehen, in bestimmte Richtung zu optieren. Sie könnte so nicht einmal die Idee der Freiheit fassen. Das geschilderte Wissen um die Verschiedenheit der Prinzipien und die Unterschiedlichkeit der Fälle ihrer Anwendung hat natürlich nur den Charakter einer subjektiven Gewißheit für den vernünftig Handelnden. Doch ist, wenn es sich – wie Leibniz behauptet – um metaphysisch gültige Prinzipien handelt (s. o. 229 ff., Abschnitt 3), zugleich auch objektiv wahr, daß der mit Vernunft Handelnde, sofern sein Handeln die Beziehungen der Dinge untereinander und nicht deren notwendige Konstitution betrifft, nicht notwendiger Weise so handelt, wie er handelt. Leibniz hat an vielen Stellen seines Werks gerade diese Paarung beider Prinzipien in der Vernunft und damit die interne Gliederung des Geistes in den Verstand, der notwendige Wahrheiten erkennt, und den Willen, der dem erkannten Guten nur zuneigt, ohne wie der Verstand durch die notwendigen Wahrheiten, zur Zustimmung genötigt zu werden, als einen alle drei Züge vereinigenden Angelpunkt der Freiheit präsentiert. Es handelt sich um eine interne Gliederung, die auch dem Geist Gottes zukommt und in ihm die Freiheit ebenso manifest sein läßt wie in den geschaffenen Wesen, die eine vernünftige Seele besitzen und daher endliche Geister sind. Eine dieser Stellen soll zur Verdeutlichung hier zitiert werden: „Nach meinem System hat Gott, als er die mögliche Welt sah, die er zu erwählen entschlossen war, alles in ihr vorhergesehen, und zwar derart, daß man sagen kann: das göttliche Wissen aus Anschauung (vision) ist von dem einfachen Verstandeswissen lediglich dadurch verschieden, daß jenes diesem ursprünglichen Wissen die Erkenntnis der effektiven Willensentscheidung (décret) hinzufügt, gerade diese Folge von Dingen zu erwählen, die der bloße Verstand schon kannte, aber nur als Möglichkeit; und diese Willensentscheidung macht nunmehr das Universum wirklich.“ (T § 363) In Gottes Wahl der besten Welt verbindet sich also eine perfekte Erkenntnis der in sich feststehenden Konstitution dieser möglichen Welt

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nach dem Prinzip des Widerspruchs mit einer Erkenntnis über sich selbst, d. h. seinen Willen, von dem er weiß, daß er stets dem Besten zuneigt, ohne notwendig zu sein. Auch der göttlichen Vernunft ist der Unterschied zwischen notwendigen und kontingenten Wahrheiten als solcher bewußt und daher klar, daß die einen aus ihren Termini feststehen, die anderen hingegen nur dadurch wahr sind, daß sie dem maximal Guten am ehesten entsprechen. So paart sich in der göttlichen Schau (vision) ein Verstehen aller Möglichkeiten aufgrund ihrer Termini mit der unfehlbaren Erkenntnis dessen, was seiner eigenen Güte am meisten entspricht. Es ist der Blick göttlichen Wohlwollens – nicht allein göttlichen Verstehens – in welchem die geschaffene Welt existiert. Weil dieser Blick zwei unabhängig voneinander feststehende Wurzeln zusammenführt – Gottes eigene, von nichts abhängige und für sich vollkommene Weise der Existenz einerseits und den Bau einer bestimmten von allen möglichen Welten in seinem Verstand andererseits – ist diese Zusammenführung selbst ein nichtnotwendiger Akt der göttlichen Liebe und insofern frei. Kraft dieses Aktes adoptiert Gott gleichsam bestimmte mögliche Wesen als durch die Schöpfung wirkliche Partner seiner eigenen und notwendigen Existenz. Und zwar adoptiert er genau die möglichen Wesen, die erstens überhaupt in der Lage sind, diese Korrespondenz mit Gott und die ihm freiwillig geschenkte Zuwendung zu erwidern und die zweitens dadurch am meisten profitieren würden. Dies aber können nur (endliche) Vernunftwesen sein, die, wie Leibniz schreibt, „kleine Gottheiten“ sind (M § 83) und dadurch die Fähigkeit haben, „in eine Art von Gemeinschaft mit Gott einzutreten“ (M § 84), wenn sie erst existieren. Wären indessen die Prinzipien der Vernunft nicht zwei verschiedene, sondern nur eines, dann gäbe es nicht zwei unabhängig feststehende Wurzeln des kontingent Existierenden und damit keine Freiheit – weder in Gott noch im vernünftigen Menschen. Vielmehr würde Gott aus einem Prinzip, das er essentiell und notwendig enthält, notwendig diese und keine andere Welt erschaffen haben. Es gäbe keinen Zustand in Gott, der diesem einen Prinzip genügen könnte, ohne zu involvieren, daß Gott genau unsere Welt erschafft. Nur durch die unabhängige Zweiheit der Prinzipien gibt es einen solchen Zustand in Gott, der der Gültigkeit dieser Prinzipien Genüge tut, ohne gleichsam automatisch nach sich zu ziehen, daß Gott die Welt  Überzeugend zeigt Hermanni 2002, bes. 78 ff., daß Leibniz’ Verständnis der Freiheit auch für Gottes Schöpfungshandeln einen Zwischenweg zwischen der absoluten Notwendigkeit eines begrifflichen Zusammenhangs und der irrationalen Willkür des Voluntarismus einhält. Der Begriff der Freiheit ist deshalb auch für das Tun Gottes zutreffend.

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als zusätzlichen Ausdruck seines Wesens erschafft. Denn es ist schon eine notwendige Wahrheit, daß Gott existiert. Und es ist auch schon notwendig wahr, daß Gottes Verstand alle Möglichkeiten denkt, die geschaffene Universen sein könnten. Schließlich ist es, da zur Existenz Gottes sein SichWollen gehört, auch notwendig wahr, daß Gottes Wille, sofern er in Selbstliebe auf sich selbst gerichtet ist, mit sich und seiner Verfassung in völligem Einklang steht, d. h. keinerlei Unzufriedenheit leidet. Doch liegt eben in Gottes Verstehen aller Möglichkeiten von anderem, als er selbst bereits ist, zugleich die Möglichkeit, eine von ihnen außerdem auch zu wollen oder nicht. Diese letztere Möglichkeit (genau eine auch zu wollen) kann aber so wenig notwendig sein, wie mehrere mit einander unverträgliche Möglichkeiten verständlich sind, daß etwas existiere, das nicht identisch mit Gott ist. Sie könnten nicht mehrere sein, bezöge das Wollen Gottes sich notwendig auf die eine. Weil also der Verstand Gottes in ihm selbst etwas anderes ist als sein Wille, kann letzterer sich unterschiedlich zum als möglich Gedachten verhalten: Entweder so, daß es eingeebnet bleibt in die Gleichstellung mit allen anderen Möglichkeiten – dann existiert nur Gott allein und zwar mit Notwendigkeit wie oben beschrieben. Oder so, daß Gottes Wollen sich außer auf sich selbst zusätzlich auch auf eine jener Möglichkeiten richtet. Gott hätte also ohne Einbuße die Möglichkeit und Macht, gar keine Welt schaffen, wenn er nicht mit Blick auf das mögliche Beste außer ihm, sich diesem Besten freiwillig zuneigte. Aber auch welche von allen möglichen Welten die beste wäre, kann nicht aus ihrem Begriff allein feststehen. Dies hat Leibniz häufig hervorgehoben, wie z. B. in De contingentia (Holz I 186; vgl. dazu auch Liske 1993, 181 ff.). Denn wir haben gesehen, daß das Gute niemals aus dem Begriff einer Sache allein – und sei er noch so reich bestimmt – zu folgern ist. Den verständlichen Möglichkeiten als Möglichkeiten kann also nicht an der Stirne geschrieben stehen, wie gut die eine im Vergleich mit allen anderen ist. Hier muß Gott vielmehr auch auf sich selbst und die Qualität seines eigenen sich selbst liebenden Wollens blicken, vor deren Hintergrund das Mögliche erst als ein Gut von bestimmtem Grade erfaßt wird. Er muß also zusammenführen, was sein Wille und was sein Verstand relativ auf die Möglichkeiten ist, ohne daß diese Zusammenführung wiederum notwendig wäre. Weil also Verstand und Wille in Gott selbst verschieden sind, können beide, abhängig von seinem Wollen, auf unterschiedliche Weise zur Einheit seines aktuellen Geistes gebracht werden. Ein Geist, weil und solange er Verstand und Wille in sich vereinigt, macht mehr aus sich, als notwendig ist.

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Literatur Editionen Leibnizscher Schriften CP = Confessio philosophi. Das Glaubensbekenntnis des Philosophen: Ein Dialog hrsg. v. Otto Saame, Frankfurt/M. 1994. Grua = G. W. Leibniz. Textes inédits d’après les manuscrits de la bibliothèque provinciale de Hanovre publiés et annotés, 2 Bde., Paris 1948. Holz = Leibniz: Philosophische Schriften, hrsg. v. Hans Heinz Holz, 4 Bände, Frankfurt/M. 1986; Neuausgabe 1996.

Andere Autoren Adams, Robert Merrihew 1977: Leibniz’s Theories of Contingency. In: Mark Kulstad (Hrsg.), Essays on the Philosophy of Leibniz, Houston, 1–41; Nachdruck in: Michael Hooker (Hrsg.), Leibniz: Critical and Interpretative Essays, Minneapolis, 243–283. Axelos, Christos 1973: Die ontologischen Grundlagen der Freiheitstheorie von Leibniz, Berlin. Bayle, Pierre 2002 [1797]: Historisches und kritisches Wörterbuch, übers. und hrsg. v. Günter Gawlik und Lothar Kreimendahl (Artikel „Rorarius“, 281–342). Blumenfeld, David 1988: Freedom, Contingency, and Things Possible in Themselves. In: Philosophical and Phenomenological Research 49, 81–101. Buchheim, Thomas 1996: Zum Verhältnis von Existenz und Freiheit in Leibniz’ Metaphysik. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 50, 386–409. Buchheim, Thomas 2006: Unser Verlangen nach Freiheit. Kein Traum, sondern Drama mit Zukunft, Hamburg. Busche, Hubertus 2008: Monade und Licht. Die geheime Verbindung von Physik und Metaphysik bei Leibniz. In: Carolin Bohlmann, Thomas Fink, Philipp Weiss (Hrsg.), Lichtgefüge des 17. Jahrhunderts. Rembrandt und Vermeer – Spinoza und Leibniz, München, 125–162. Davidson, Jack 1998: Imitators of God: Leibniz on Human Freedom. In: Journal of the History of Philosophy 36, 380–412. Hermanni, Friedrich 2002: Leibniz’ Freiheits- und Weltbegriff. In: Ders., Herbert Breger (Hrsg.), Leibniz und die Gegenwart, München, 67–87. Liske, Michael-Thomas 1993: Leibniz’ Freiheitslehre. Die logisch-metaphysischen Voraussetzungen von Leibniz’ Freiheitstheorie, Hamburg. Phemister, Pauline 1991: Leibniz, Freedom of Will and Rationality. In: Studia Leibnitiana 23, 25–39. Rescher, Nicholas 1952: Contingence in the Philosophy of Leibniz. In: The Philosophical Review 61, 26–39. Rescher, Nicholas 1967: The Philosophy of Leibniz, Englewood Cliffs, New Jersey. Rescher, Nicholas (Hrsg.) 1991: G. W. Leibniz’s Monadology: An Edition for Students, Pittsburgh. Russell, Bertrand 1937: A Critical Exposition on the Philosophy of Leibniz, London. Savile, Anthony 2000: Routledge Philosophy Guidebook to Leibniz and the Monadology, London, New York.

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Die ethische Gemeinschaft der Geister mit Gott (§§ 84–90)

In den letzten Paragraphen der Monadologie werden die moralischen Konsequenzen aus der Metaphysik der Monaden gezogen. Die Versuchung liegt nahe, diese Paragraphen als ein Stück reiner Erbauungsliteratur zu betrachten. Dieser Eindruck wäre jedoch falsch. Liest man den Text nämlich aufmerksam, so erkennt man, daß Leibniz hier die Eckpfeiler seiner Moraltheorie darlegt und deren Beziehung zu Religion und Naturwissenschaft klärt. Bevor ich diese Paragraphen ausführlich kommentiere (B), fasse ich zunächst ihre wichtigsten Thesen kurz zusammen (A). Die Kommentierung wird sich jedoch nicht an die originale Abfolge der Paragraphen halten. Im Text verfolgt Leibniz nämlich drei verschiedene Fragestellungen: (1) Ob die Welt außer einer technischen Perfektion auch eine spezifisch moralische ausdrückt; (2) wie Gott seine moralischen Zwecke verwirklicht, d. h. ob direkt oder auf vermitteltem Wege; (3) und welche die für uns beste Art und Weise der Teilnahme an der „moralischen Welt“ ist. Wie jedoch im Folgenden deutlich wird, ist es von der Sache her geboten, bei dieser letzten Frage zu beginnen, die zwar im leibnizschen Text weniger deutlich ist, von der aus aber sein Gedankengang anhebt.

14.1. Die Thesen Ausgangspunkt ist die in M § 83 aufgestellte Unterscheidung zwischen den Monaden ohne reflektierendes Bewußtsein (les âmes ordinaires) und den selbstbewußten Monaden, auch Geister genannt (les esprits). In M § 84 erklärt Leibniz, daß die Geister die einzigen Geschöpfe sind, an die Gott sich wenden kann, wie ein „Fürst“ sich an seine Untertanen wendet, oder

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ein Vater an seine Kinder, d. h. wie derjenige, der für andere verbindliche moralische Normen vorgibt. In den folgenden zwei Paragraphen werden die moralischen und theologischen Schlüsse aus diesen Prämissen gezogen. Erstens bildet die Gesamtheit (assemblage) der Geister eine Gemeinschaft unter der Führung Gottes, der ihr gegenüber die Rolle eines Monarchen einnimmt (M § 85). Diese Gemeinschaft – die Leibniz durch Augustinus inspiriert einen „Gottesstaat“ (cité de Dieu) nennt – stellt den „vollkommensten aller möglichen Staaten“ dar. Da diese Formel an die Idee der Optima Respublica angelehnt ist, also an die Idee der idealen politischen Gemeinschaft, bedeutet dies, daß die Idee des Gottesstaates das Orientierungsprinzip des moralischen und politischen Denkens darstellt. Zweitens erlaubt es die Unterscheidung zwischen der „moralischen Welt“ des Gottesstaates und der restlichen „natürlichen Welt“, deutlich zu bestimmen, was mit der Annahme gemeint ist, daß Gott gut sei und daß dieses Attribut von den Attributen der „Stärke“ und der „Weisheit“ zu unterscheiden sei. Auch der theologische Begriff vom „Ruhme Gottes (gloria Dei)“ muß mit Bezug auf die Gemeinschaft der Geister interpretiert werden: Der Ruhm Gottes besteht darin, von den Geistern „erkannt und bewundert“ zu werden. Auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt werden, so wendet sich Leibniz hiermit gegen alle diejenigen Gotteskonzepte, nach denen Gottes Güte mit seiner Macht zusammenfällt, so daß Gott der Welt in keiner Weise moralisch verpflichtet ist; Leibniz wendet sich also in dieser Hinsicht implizit gegen Descartes, Hobbes, Spinoza und Bayle. Wird erst einmal zwischen der moralischen Welt und der natürlichen Welt differenziert, so ist es erforderlich, die Beziehungen zwischen beiden zu hinterfragen. Vor dem Hintergrund der bereits in M § 79 skizzierten Harmonie zwischen wirkenden Ursachen und Zweckursachen, erklärt Leibniz in M § 87, daß auch zwischen dem „physischen Reich der Natur“ und dem „moralischen Reich der Gnade“ Harmonie herrscht. Der Sinn dieser These ist nicht unmittelbar klar, aber die folgenden Paragraphen begründen eine ausführlichere Interpretation. In M § 88 wird betont, daß die in der Heiligen Schrift erwähnten Katastrophen, jene das Ende der menschlichen Gattung herbeiführenden Prozesse, vollständig gemäß der Naturgesetzmäßigkeit stattfinden und demnach als rein natürliche Prozesse betrachtet werden können, ohne daß dadurch ihre religiöse und moralische Bedeutung aufgehoben wird. Man betrachte dazu die Darstellung in den Essais de Théodicée, II, § 248: „Dieu n’a employé que des miracles qui étaient necessaires …“ (GP, VI 264; siehe hierzu Adams 1994, 90–99, und Cook 2006).

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Nach M § 89 sind Tugend und Laster unvermeidlich mit natürlicher Belohnung und Strafe verbunden, und das den Tugendhaften versprochene Glück (sowie das für die Lasterhaften vorgesehene Unglück) tritt ohne direkten Eingriff Gottes ein, auf nicht nur natürlichem, sondern sogar „auf mechanischem Wege“ (par des voyes machinales). Dieser Paragraph ist schwer verständlich und unanschaulich; das in ihm thematisierte Grundproblem ist jedoch das der Belohnung und der Strafe im Diesseits wie im Jenseits, und darauf werden wir später noch zurückkommen. Im Fortlauf dieses Diskurses über die natürlichen Belohnungen führt Leibniz ein zentrales Thema seines Denkens ein, nämlich das der Gottesund Nächstenliebe. Der M § 90 wiederholt eine typische Definition von Leibniz: Die Liebe ist „Lust (voluptas, plaisir)“ am Glück eines anderen Geistes. Siehe hierzu besonders das Specimen Demonstrationum Politicarum pro eligendo rege Polonorum von 1669 (A IV 1, 34 f.) sowie die Elementa Juris Naturalis von 1670 (A VI 1, 458–465 = Busche, 214–243). In der Monadologie wird diese Definition nicht so ausführlich erklärt und diskutiert wie in den Principes (P §§ 16–18). Die Monadologie greift den Gedanken auf, um zur Frage der normativen Handlungsrichtlinien des Gläubigen überzugehen. Leibniz nimmt eine antifatalistische Position ein: Die Liebe zu Gott impliziert keineswegs Resignation und Untätigkeit. Dazu nimmt er eine theologische Unterscheidung wieder auf, die sich bereits in der Theodizee findet, nämlich die zwischen dem „präsumptiven Willen (voluntas antecedens)“ und dem „nachfolgenden Willen (voluntas consequens)“ Gottes [Sie findet sich erläutert in den Essais de Théodicée, II, § 134 (GP VI 187 f.) und der Causa Dei, §§ 24–27 (GP VI 442 f.). Der Gläubige soll seine zukünftigen Handlungen nach dem von ihm antizipierten „präsumptiven Willen“ Gottes richten, also nach den Grundsätzen der Moralität a priori. Gleichzeitig müssen die Ereignisse jedoch akzeptiert werden, sofern sie das Ergebnis des „geheimen letztlichen Willens“ Gottes sind. Ein eventuelles Fehlschlagen oder eine Niederlage darf uns daher nicht hoffungslos werden lassen; wir müssen weiterhin an dem Glauben festhalten, daß Gott in seiner Rolle als Architekt Gott in seiner moralischen Rolle als Monarch und Vater untergeordnet ist.

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14.2. Erläuternder Kommentar 14.2.1. Ethik (§§ 84–85, 90): Die Gemeinschaft der Geister als Grundlage der Vernunftethik Die Vorstellung des Universums als einer göttlichen Kosmopolis oder einer Respublica Universalis stammt aus der philosophischen Tradition der Antike, besonders der Stoa und des Neoplatonismus. Leibniz greift diese Tradition wahrscheinlich aus ihm näher stehenden Quellen auf, wie dem Dialog Del Bene (1644) des Kardinals Sforza Pallavicino (A VI 1, 343–345 = Busche, 76 f., 82 f.). Worin besteht die Funktion dieses metaphysischen Topos im Kontext der Leibnizschen Philosophie? Betrachten wir die frühen Schriften von Leibniz, so ist leicht zu beobachten, daß die Theorie der Gemeinschaft der Geister von Anfang an ein Postulat der rechtspolitischen Theorie ist, ebenso wie auch in M § 85. Die Neue Methode, Jurisprudenz zu lernen und zu lehren von 1667 stellt nämlich eine Theorie der „drei Stufen des Naturrechts“ auf, die Leibniz auch später nicht aufgeben wird und die wie folgt zusammenzufassen ist: (1) Die erste Regel, die die erste Stufe des Naturrechts normiert, lautet „Schädige niemanden“ (im römischen Recht: neminem laedere), und auf ihr gründen sich alle Normen der Vertragserfüllung, die Leibniz gewöhnlich nach Grotius „strenges Recht (jus strictum)“ nennt oder auch, nach einem aristotelischen Ausdruck, „kommutative Gerechtigkeit“. Diese Regel begründet eine minimale Sozialität, die den Konflikt zwischen Individuen sowie kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Staaten verhindern soll, indem sie die Grenzen der Auseinandersetzung und die Rechte der Sieger regelt, gemäß der scholastischen Idee eines „gerechten Krieges“. (2) Die zweite Regel, die die zweite Stufe des Naturrechts normiert, besteht darin, jedem das Seine zuzugestehen (suum cuique tribuere); sie faßt für Leibniz die Gebote der Billigkeit (aequitas, griechisch epiekeia) zusammen und entspricht dem von Grotius eingeführten Begriff „Recht im weiteren Sinne (jus late dictum)“ sowie der „austeilenden Gerechtigkeit“ des Aristoteles. Die Regeln der Billigkeit dienen dazu, die Handlungen von Individuen zu koordinieren, die bereits zusammenarbeiten, indem dabei die Harmonie dieses Zusammenarbeitens maximiert und den sozial nützlichsten Tätigkeiten Belohnungen zuerkannt werden. Die positiven Gesetze realisieren primär die Normen des strengen Rechts, doch kann der Gesetzgeber sie auch durch Kriterien der Billigkeit modifizieren. (3) Die höchste Stufe des Naturrechts ist die „universale Gerechtigkeit“, d. h. die Tugend der Gerechtigkeit, die durch die aus dem römischen Recht

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stammende Regel des honeste vivere normiert wird. Dieses Gebot legt uns Verpflichtungen auf, die nicht nur anderen Individuen oder der Gesellschaft gegenüber gelten, sondern gegenüber der gesamten Menschengattung bzw. der gesamten Welt. Dieses Gebot setzt die Idee einer auf Gott selbst gegründeten Gemeinschaft voraus. Dieser Zusammenhang wird erläutert in Neue Methode, II, §§ 73–75 (A VI 1, 343–345 = Busche, 78–83). Leibniz vertritt diese Lehre auch noch in den Spätschriften über das Naturrecht. Das belegen z. B. De tribus praeceptis aeternae legis von 1678–1679 (A VI 4 C, 2812–2814, 2837–28343) und Codicis Juris Gentium Diplomatici Praefatio, § XII, von 1693 (Dutens IV 3, 295 f.; vgl. Grua 1956; Schneiders 1966; Busche 2003, LIX–CI). Die grundsätzliche Frage ist nun, warum Leibniz der Ansicht war, daß das System der rechtlich-politischen Verpflichtungen auch die dritte Stufe und Regel des Naturrechts enthalten müsse, die wir heutzutage für die Rechtssphäre als fremd und ausschließlich der Privatmoral oder der Religion zugehörig erachten. Solche Gründe sind verständlich, wenn wir nicht vergessen, daß Leibniz’ naturrechtliche Stufenhierarchie eine Dynamik besitzt. Ihr zufolge schließen die Menschen sich nämlich zusammen, um dem Anspruch auf Sicherheit gegenüber äußerer Aggression und innerem Konflikt zu begegnen. Dennoch, obwohl die „Sicherheit (securitas)“ primäres Ziel der zwischenmenschlichen Geselligkeit ist, macht diese selbst es möglich, sich ein höheres Ziel zu setzen, nämlich die Möglichkeit eines gemeinsamen „Glückes (felicitas)“, in dem die Kooperation der Bürger immer höhere Stufen des Wohls, des Erkenntniswachstums und der Anerkennung der Würde eines jeden Individuums hervorbringt. „Ein Staat ist eine Bürgerschaft, die über die Form der Sicherheit hinaus die Form der Autarkie oder Glücksgewähr hat“ (A VI 1, 446 = Busche 159; vgl. auch A IV 1, 17–19; A VI 4 C, 2842 f.; Grua 723 u. 653). Die Unterscheidung zwischen Sicherheit und Glück ist implizit verbunden mit jener zwischen strengem Recht und Billigkeit. Leibniz sieht wie Hobbes den Ursprung der Gesellschaft als von außermoralischen Absichten bestimmt an. Anders als Hobbes aber hält er ihre allmähliche ethische Höherentwicklung durchaus für möglich. Die Naturrechtslehre muß zwar als Lehre der „besten Form des Staates“ (optima respublica) gegründet werden, d. h. jener Gemeinschaft „in welcher alle in der Erwartung leben, sich gegenseitig glückliche Umstände zu verbürgen“ (A VI 1, 446 = Busche 161; vgl. Schneiders 1977). Gleichzeitig muß jedoch der Gesetzgeber vom positiven Recht bzw. von den gegebenen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen ausgehen und muß sich deshalb auf eine bloße Annäherung an das moralische Ideal beschränken (siehe z. B. A VI 4 C, 2843 = Grua

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614). Deshalb wird die ethische Vervollkommnung der menschlichen Welt immer unvollendet bleiben. An dieser Stelle verstehen wir die systematische Rolle der „universalen Gerechtigkeit“, wie Leibniz sie denkt. Da sie in der Verwandlung unserer Fähigkeit zur Nächstenliebe in eine gewohnheitsmäßige Geisteshaltung (habitus amandi omnes) besteht, stellt die universale Gerechtigkeit die individuelle Grundlage dar, um an dieser moralischen Veredlung des menschlichen Zustandes aktiv teilnehmen zu können. Seit den Elementa Juris Naturalis besteht für Leibniz „die wahre und vollkommene Definition der Gerechtigkeit“ in der „Geisteshaltung, andere zu lieben“ (A VI 1, 465 = Busche 243). Um also in einer gegebenen Situation die angemessene Entscheidung treffen zu können, benötigen wir zugleich die geistige Fähigkeit, die möglichen Verbesserungen und die dazu notwendigen Mittel zu erfassen. Aus diesem Grund definiert Leibniz gewöhnlich die universale Gerechtigkeit als die „Barmherzigkeit des Weisen (caritas sapientis)“ (siehe A VI 4 C, 2763; 2837; 2889 = Grua, 432, 639). Nur dann, wenn die Individuen sich bemühen, weise und damit gerecht zu werden, besteht die Hoffnung, den allgemeinen Zustand der Menschheit zu verbessern. Dies bewegt Leibniz zu der Annahme, daß wir immer schon einer allgemeinen, von Gott selbst gestifteten Gemeinschaft angehören, die diese Anstrengung des Strebens nach Weisheit von uns verlangt. Diese Forderung eines Gottesstaates ist also der Grundsatz, der es Leibniz ermöglicht, jenes Ideal aktiver Bürgerrechte, das auf dem Terrain der antiken Polis entstand und im Menschheitsideal eines von Natur aus politischen Lebewesens (zoon politikon physei) enthalten war, auf eine universalistische Ebene zu übertragen. Das moralische Denken von Leibniz hat einige besondere Züge. Es ist offensichtlich, daß sein Universalismus und sein philanthropischer Geist aus einer christlichen Ethik entstammen. Zu den religiösen Quellen der Leibnizschen Ethik konsultiere man Schneider 1967, Mulvaney 1968 und Riley 1996. Dennoch besteht der Philosoph darauf, seine Moralvorstellung als von der Offenbarung unabhängig zu betrachten. Um sie zu begründen, reichte seiner Ansicht nach schon jene den aufgeklärtesten unter den heidnischen sowie antiken chinesischen Philosophen bekannte „natürliche Theologie“ völlig aus. Wir können somit ausschließen, daß Leibniz’ Idee des Gottesstaates dem fundamentalistischen Ziel dient, die Politik der Religion unterzuordnen. Auf der anderen Seite ist Leibniz’ Gottesstaat aber auch nicht ein einfaches Ideal der reinen praktischen Vernunft, wie jenes „Reich der Zwecke“, von dem Kant in der Grundlegung der Metaphysik der Sitten spricht.

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Umgekehrt gilt allerdings, daß Kants’ Moralmetaphysik stark von Leibniz inspiriert ist (vgl. Kritik der reinen Vernunft, A 527, wo Leibniz’ „Reich der Gnade“ als „eine praktisch nothwendige Idee der Vernunft“ interpretiert wird). Demgegenüber ist Leibniz’ „moralische Welt“ keine bloße systematische Projektion einer sittlichen Vernunftnorm; sie ist vielmehr weitaus konkreter, wenn auch metaphysischer gedacht, nämlich als eine fortschreitende Verwirklichung der Harmonie zwischen den moralischen Personen („Geistern“). Diese Auffassung des Topos von der „moralischen Welt“ verlangt, daß Gott als der sittliche Gesetzgeber in seiner interpersonalen Bindung an seine Geschöpfe betrachtet wird. Vor diesem Hintergrund ist die im letzten Paragraphen der Monadologie (M § 90) rekapitulierte Lehre von der Gottesliebe zu verstehen. Wie in den Principes (P § 16) lautet auch hier der zentrale Terminus „reine Liebe (l’amour pur)“. Das ist nicht gerade typisch für Leibniz, der üblicherweise eher (mit Luthers Kleinem Katechismus) vom „amor Dei super omnia“ spricht. Hier jedoch bezieht er sich auf die Auseinandersetzung über die „reine Liebe“ zwischen Bossuet und Fénelon, an der auch Malebranche teilgenommen hatte (vgl. P §§ 16–18; auch Naert 1959). Gleichwohl erklärt dieser Paragraph nicht, wie Leibniz’ Definition der Liebe das Dilemma auflösen soll, über das die französischen Theologen debattiert hatten, ob nämlich die Gottesliebe überhaupt „rein“ sein könne. Die Principes sind hierzu wesentlich detaillierter. Ausgehend von der These, nach der die Lust nichts als die Wahrnehmung der in den Dingen vorhandenen Ordnung und Harmonie ist – sogar die physischen Lustzustände sind intellektueller Natur, wenngleich sie nur konfus erkannt werden –, gelangt Leibniz zu dem Schluß, daß wir eine andere Person lieben, wenn der Gegenstand unserer Lust eben allein die Perfektion des Anderen ist. Auch wenn es wahr ist, daß die Liebe zu einem wirklich liebenswürdigen Seienden immer Glück in demjenigen hervorruft, der sie empfindet, so bedeutet dies nicht, daß der Liebende sie utilitaristisch ausübt, d. h. mit dem bewußten Ziel verfolgt, hierdurch glücklich zu werden. Das Dilemma wird also durch die Anwendung der Lehre von den nicht-intendierten, aber „natürlichen Belohnungen“ aufgelöst. Lieben bedeutet, sich auf einen Anderen zu beziehen, ohne Rücksicht auf sich selbst, wobei wir aber gerade auf diesem Wege uns unabsichtlich selbst Gutes tun. Diese Theorie der Liebe könnte als ein Versuch angesehen werden, einen Beweis für die These zu liefern, daß die Geister zu wahrhaft uneigennützigem Fühlen und Handeln fähig sind. Allerdings geht Leibniz davon aus, daß unsere natürliche Fähigkeit, andere zu lieben, sich nicht zu einer gewohnheitsmäßigen Geisteshaltung (d. h. zur Tugend, wie sie durch die

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allgemeine Gerechtigkeit gefordert wird) zu stabilisieren vermag, wenn wir nicht die Erfahrungen von moralischer „Dissonanz“ kraft unserem Vertrauen in einen gütigen Gott überwinden. Denn auch wenn unter dem Aspekt der normativen Kriterien die sittlichen Grundsätze als rein vernünftig konzipiert werden, läßt sich doch unter dem Aspekt der Motivation Leibniz’ Lehre von der sittlichen Tugend nicht von der religiösen Frömmigkeit abtrennen. Wie allerdings M § 90 mit seiner wahrscheinlich gegen die Quietisten gerichteten Handlungstheorie zeigt und wie wir später noch deutlicher sehen werden, ist diese Frömmigkeit wiederum durch die Vernunft zu interpretieren und vertiefen.

14.2.2. Metaphysik (§ 86): Die moralische Welt zum „Ruhme Gottes“ Von hier aus läßt sich besser verstehen, warum der Gottesstaat mit der „besten Form des Staates“ (Optima Respublica) zusammenfällt. Leibniz unterstreicht, daß es sich um einen monarchischen Staat handelt, und zwar nicht so sehr deshalb, weil er eine Apologie der monarchischen Verfassung betreiben will, als vielmehr deshalb, weil er hier die platonische Unterscheidung zwischen „Monarch“ und „Tyrann“ stark machen will, wie sie sich etwa in Der Staat, IX, 576 b–e, 580 b–c, 586 c und 587 f. findet. Wenn Gott der beste aller Monarchen ist, dann deshalb, weil er zwar, wie die irdischen Monarchen auch, den eigenen „Ruhm (gloria)“ anstrebt, anders aber als viele von diesen auch weiß, daß der Ruhm mit dem Glück seiner Untertanen und ihrer Liebe zu ihm zusammenfällt. Der Ruhm (gloria), von dem Leibniz hier spricht, ist neben der Liebe ein weiteres Gefühl, das von der Wahrnehmung der Harmonie abhängt. Während die Liebe aus der Wahrnehmung der inneren Harmonie oder Perfektion eines anderen Geistes herrührt, tritt die gloria dort auf, wo unsere eigene Vollkommenheit von den anderen Geistern widergespiegelt wird; sie erzeugt also eine Lust, die von der Anerkennung unserer Vorzüge durch andere Geister herrührt. Leibniz erläutert das folgendermaßen: „Weil nämlich jeder Geist sich wie ein Spiegel verhält, so wird es einen Spiegel in unserem Geiste und einen anderen Spiegel in einem anderen Geiste geben. Und wenn mehrere Spiegel da sind, d. h. mehrere Geister, die unsere Vorzüge anerkennen, so wird das Licht umso größer sein, und indem die Spiegel nicht nur in einem Auge, sondern auch untereinander das Licht bündeln und verteilen, bewirkt der gesammelte Glanz Ruhm.“ (A VI 1, 464 = Busche 239–241; vgl. außerdem A VI 1, 438; A IV 1, 247 f. u. 571)

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Trotz seines eigennützigen Charakters handelt es sich bei der gloria um ein Gefühl, das mit der Liebe verwandt ist, weil die einzige uns tatsächlich erfreuende Wertschätzung diejenige ist, durch die wir uns selbst zu schätzen wissen. Ein Selbstbewußtsein kann nur von einem anderen Selbstbewußtsein widergespiegelt werden, das es als ein solches erkennt. Aus diesem Grunde kann auch die reinste Form der gloria – der göttliche Ruhm – in nichts anderem bestehen als in der Liebe der Geschöpfe zu Gott. Wie Leibniz bereits in der Confessio Philosophi darlegt, ist ein Geschöpf dadurch ein „Spiegel“ der göttlichen Harmonie, daß es diese wahrnimmt und somit Gegenstand der göttlichen Liebe wird, da Gott alles in Proportion zur vom jeweiligen Geschöpf ausgedrückten Harmonie liebt. Das ist eine Idee, die an der Vorstellung des Renaissance-Platonismus vom „Zirkel der Liebe“ orientiert ist. Man vergleiche hierzu die Confessio Philosophi von 1672–1673 (A VI 3, 116 f.); zu den Quellen der Leibnizschen Philosophie der Liebe siehe Piro 1999; zum Ruhm Gottes siehe Geretto 2006. Leibniz hat seine Lehre von der „moralischen Welt“ offensichtlich sehr rasch aus diesen Überlegungen seiner Jugendzeit entwickelt. Man betrachte die ausgereiften Betrachtungen in seinem Dialogue entre Theophile et Polidore von 1679 (A VI 4 C, 2237–2240), aber auch D § 36 im Discours de Métaphysique von 1686 (A VI 4 B, 1586 f.) sowie De rerum originatione radicali von 1697 (GP VII 305 f.). Aber die Monadologie geht in M § 86 noch weiter. Sie behauptet deutlich, daß Gott in seiner „Güte“ nur als Stifter der moralischen Welt genannt werden kann und nicht bloß wegen seiner Macht oder seiner „architektonischen“ Weisheit. Also verdient die moralische Seite der „Harmonie“ (als gegenseitige Liebe und Anerkennung zwischen moralischen Personen) einen Vorrang gegenüber den mehr technischen oder „architektonischen“ Aspekten derselben Harmonie, wie z. B. der „Einfachheit der Gesetze“ und dem „Reichtum der Phänomene“. Es ist die moralische Seite, die allein als Endzweck der göttlichen Schöpfung charakterisiert wird. Diese Vorrangstellung bedeutet nicht, daß Leibniz das Feld der Moralmetaphysik von der kosmologischen Metaphysik radikal abtrennen will. Die folgenden Paragraphen lehren uns vielmehr, daß die „moralische Welt“ nur durch die natürliche Welt verwirklicht werden kann. Deshalb muß Gottes guter Wille durch seine Weisheit geregelt werden, die eine „Harmonie“ zwischen den beiden Welten braucht. Somit bleibt die Frage offen, ob die Lehre vom „moralisch Guten“ bei Leibniz eine echte theoretische Autonomie innehat oder nur auf ein untergeordnetes Glied in Leibniz’ allgemeiner metaphysischer Lehre von der Harmonie als dem „ontologisch Guten“ zu reduzieren ist. Zu diesem Problem befrage man Heinekamp 1969 und Ross 1992.

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14.2.3. Theologie und Geschichtsphilosophie (§§ 87–89): Natur und Gnade Mit dem in M § 87 formulierten Postulat des Einklangs zwischen Natur und Gnade dringen wir nun deutlicher in das Feld der Rationalisierung der Glaubensinhalte ein. Ganz allgemein hat das Prinzip der Harmonie zwischen Natur und Gnade eine doppelte Funktion. Es bekräftigt erstens, daß Gottes schöpferisch planende Weisheit seiner moralischen Güte untergeordnet ist. Und es rechtfertigt zweitens Gottes scheinbare Unempfänglichkeit gegenüber dem Leiden der Geschöpfe, da diese nur im Rahmen einer maximalen und weltumfassenden Harmonie leiden können und da es ein übernatürliches Eingreifen Gottes in die Welt durch Wunder unnötig und unmöglich macht (vgl. T § 118; GP VI 168 f.). Das Ergebnis könnte – mit einem Oxymoron – ein „naturalisierter Augustinismus“ genannt werden: Es ist zwar die Gnade, die den Gang des Menschen leitet, sie tut es jedoch auf natürlichem Wege. Auch wenn Leibniz sich meist auf eine Anwendung der Gnade auf das Schicksal der einzelnen Individuen beschränkt, ist es doch ein Leichtes, uns eine Ausweitung auf die kollektive Ebene der Menschheitsbelange vorzustellen, wie sie später bei Vico und Herder konzipiert wird. Es zeichnen sich hier Ideen ab, die zu den Geschichtsphilosophien der Frühmoderne führen werden. Wie uns die entsprechenden Stellen der Theodizee zeigen, hat Leibniz in M § 88 zwei große Fragen im Blick. Auf der einen Seite will er seine Sympathie für die Versuche wissenschaftlicher Erklärung der in der Heiligen Schrift erwähnten Katastrophen, wie der Sintflut, zeigen. Die These, nach der unsere Welt periodische Phasen der Zerstörung durchläuft, war von Thomas Burnet (1635–1715) in seiner Schrift Telluris theoria sacra formuliert worden, und Leibniz ließ sich von ihr in der Protogaea und in § 244 f. der Theodizee inspirieren (GP VI 262 f.; zu Burnets Theoria Telluris Sacra und ihren Einflüssen auf Leibniz vgl. Rossi 1979, 21–89). Dennoch verschließt sich Leibniz nicht gegenüber der Idee, daß solche Katastrophen eine „moralische“ Bedeutung haben. Auch wenn seine Religiosität sicherlich nicht der der „Chiliasten“ seiner Zeit ähnlich ist, die aus diesem oder jenem Zeichen auf Prophezeiungen auf das nahende Ende der Welt schließen, erkennt er doch die drängende moralische Erwartung der Apokastasis, einer Rückkehr der Dinge zu ihrem vollkommenen Zustand. Aus diesem Grunde wird in der Theodizee nicht nur auf unparteiische Weise der „Chiliast“ Johann Philipp Petersen (1649–1727) zitiert, sondern auch ausführlich die „astronomische Theologie“ eines unbekannten, vielleicht sogar von Leibniz erfundenen Autors behandelt, welche die schrittweise Verwand-

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lung der Erde in einen Kometen vorhersieht und auf dieser Grundlage die Prophezeiung der Johannes-Apokalypse erklärt. Man vergleiche hierzu auch T § 17 f. (GP VI 112 f.); zu T § 18 siehe Grua 1953, 394; zur Stellung Leibnizens zu Petersen siehe Fichant 1991, 15–24, 94–97. Das Problem der „natürlichen Verbindung“ zwischen Tugend und Glück (M § 89 f.) muß jedoch noch tiefer analysiert werden. In seinen moralischen Schriften präsentiert Leibniz nämlich zwei scheinbar kontrastierende Thesen: (1) nur Gott vermag es, die Geschöpfe zur Tugend zu bewegen, und ohne die Existenz Gottes wäre es irrational, nämlich unklug, tugendhaft zu sein; (2) die Tugend ist sich selbst ihr eigener Lohn und folglich auch die hinreichende Bedingung des Glücks. Die erste der beiden Thesen findet sich vor allem in den Jugendschriften, besonders in denjenigen, die den Anspruch des Vernunftrechtlers Grotius kritisieren, daß die Normen des Naturrechts begründet werden könnten, auch wenn es Gott nicht gäbe (vgl. Elementa Juris Naturalis, A VI 1, 431 f. = Busche 90–97). Die zweite These ist eine klassische These des sokratisch-platonischen und aristotelischen Eudämonismus, die Leibniz später wieder aufnimmt. Es könnte den Anschein haben, daß Leibniz die erste These später zugunsten der zweiten aufgegeben hat. Dem ist aber nicht so. In Wahrheit ruht der Einklang von Tugend und Glück weiterhin auf dem Willen Gottes, aber dieser Wille wirkt durch rein natürliche Mittel. Der Eudämonismus ist also kontingentermaßen wahr. Der Eudämonismus postuliert, daß man durch die gewohnheitsmäßige Ausübung der Tugenden, kraft deren wir uns moralisch verbessern, glücklich werde. Das setzt jedoch voraus, daß der Weise in der Lage ist, der Enttäuschung legitimer Erwartungen zu widerstehen, die Schmerzen des Körpers zu ertragen und sie mit geistigen Freuden auszugleichen, um dadurch im Laufe eines Prozesses der Selbstvervollkommnung, die von außen behindert werden kann, konstant zu bleiben. Wie entstehen nun diese mysteriösen Fähigkeiten der inneren Kompensation und Selbstregulierung? Für Leibniz ist die Antwort einfach. Sie entstehen aus der Kontinuität der Monadentätigkeit, die sicherstellt, daß jeder innere Zustand der Monade von allen äußeren Ereignissen unabhängig ist, wohl aber von den vorhergehenden inneren Zuständen abhängt. Diese Kontinuität verwirklicht sich wiederum durch uns zum großen Teil unbewußte Automatismen. Die Gefühlszustände zum Beispiel, derer wir gewahr werden, sind zwar „verworrene“ Wahrnehmungen, aber kein blindes Chaos, und implizieren im Gegenteil unsere Fähigkeit, unendlich viele „kleine Empfindungen“ auf einmal zu perzipieren, indem einheitliche, umfassende Gefühlszustände erzeugt werden, wie „Freude (laetitia)“ oder „Traurigkeit (tristitia)“ (vgl. A VI 4 C,

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2792–2805 = Grua 575–588, 588–590). Wer in luststiftenden Tätigkeiten gut erprobt ist, kann aus diesem Grunde damit rechnen, daß seine Affekte auch in widrigen Fällen größtenteils freudiger Art bleiben und ihn dazu anleiten, weiterzumachen. In diesem Sinne ist auch M § 89 zu lesen, da hier zugunsten einer „mechanischen“, d. h. naturgesetzmäßig erfolgenden Verbindung von Tugend und Glück argumentiert wird. Die „Mechanismen“, von denen hier die Rede ist, sind diejenigen, die das Erreichen der moralischen Autonomie physisch ermöglichen. Es bleibt jedoch zu fragen, ob die Bedeutung dieser These des vorletzten Paragraphen nicht auch einen impliziten bzw. verschlüsselten Sinn hat. Wenn die Belohnung im Jenseits die Intensivierung eines inneren Glücks ist, das der Tugendhafte bereits in diesem Leben kennenlernt, kann man nicht eben diese Logik auch auf die ewigen Bestrafungen anwenden? In der Jugendschrift Confessio Philosophi hatte Leibniz diese Frage bejaht. So wie die Liebe zu Gott natürlicherweise glücklich macht, so machen Haß, Neid und Groll unglücklich. Der Verdammte ist demnach ein Geist, dem der Tod die Möglichkeit einer Veränderung durch äußere Einwirkung entzogen hat und ihn dabei der sich selbst vorantreibenden Kette aussetzt, die von einer unharmonischen Wahrnehmung zu einem unharmonischen Begehren führt und umgekehrt (A VI 3, 138 f.). Gott könnte den Verdammten nur retten, wenn er dabei den bestehenden Kausalnexus zwischen seinen psychologischen Zuständen unterbräche. Dabei würde Gott jedoch die moralische Identität, wenn nicht sogar die individuelle Identität des Verdammten annullieren; aber dies ist unmöglich, denn Gott zerstört keinen Geist. Leibniz ist sich ohne Zweifel bewußt, daß diese seine Lösung, die eine Eliminierung der von den Teufeln erteilten Strafen impliziert, dem Großteil der orthodoxen Gläubigen seiner Zeit nicht gefallen hätte. Aus diesem Grund bemüht er sich gelegentlich, auch die „génies“ (d. h. Engel und Teufel) in den Mechanismus von Belohnung und Bestrafung zu integrieren. Dennoch muß man davon ausgehen, daß die These der Confessio Philosophi über die Jahre hinweg seine Grundhypothese bleibt (siehe z. B. T § 74, GP VI 142). Die Paragraphen 88 und 89 der Monadologie enthalten vielleicht beide eine Anspielung auf das Thema der ewigen Höllenstrafen. M § 88 spielt auf zwei Anhänger des Origenes an

 Siehe den Brief an Rudolf Ch. Wagner von 1710 (GP VII 528): „En ce sens que l’on peut dire que la vertu se donne à elle-même sa récompense, et la crime sa peine […] à quoi s’ajoute aussi, suivant que nous avons été en relation avec les uns ou les autres, l’intervention des bons et des mauvais Génies, dont les opérations sont tout à fait naturelles, même si leur nature est plus élevée que la nôtre […]“.

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(Petersen und den mysteriösen Autor der „astronomischen Theologie“), d. h. auf zwei Theologen, die davon überzeugt sind, daß die Strafen der Verdammten physischer Natur, aber nicht ewig, sind. Dagegen spielt M § 89 auf die Hypothese an, daß die Höllenstrafen zwar ewig, aber nicht eigentlich physisch sind. Ich bin der Meinung, daß Leibniz sich bezüglich dieser beiden Hypothesen unsicher bleibt, auch wenn er sich dessen gewiß ist, daß alle anderen Hypothesen nicht mit der göttlichen Güte vereinbar sind.

14.3. Schluß Leibniz’ Betrachtungen werfen beim Leser eine Schlußfrage auf. Leibniz betrachtet Gott zwar als „Monarchen“. Aber er will, daß wir uns als Bürger des Reiches Gottes und keineswegs wie ein passiver Untertan verhalten. Seine Moraltheologie verlangt von uns, daß wir uns der Vernunft bedienen (gegen den Fideismus), tätig sind (gegen den Quietismus) und ein hohes Bewußtsein unserer Autonomie sowie unserer Fähigkeit haben, das Glück zu erreichen. Man muß sich fragen, ob diese beiden Wünsche miteinander vereinbar sind. Leibniz selbst behandelt dieses Problem in einem Brief von 1712 über Christian Thomasius’ Fundamenta Juris Naturae et Gentium. Da Gottes Moralgebote auf unser Glück abzielen, dürfen sie für Thomasius nicht als Gesetze, sondern müssen als Ratschläge (consilia) betrachtet werden, so daß sie strukturell verschieden sind von Rechtsnormen, die eine Strafdrohung implizieren. Für Thomasius ist Gott also Vater, aber nicht Gesetzgeber (Thomasius 1705, I, V, § 51 f.). Leibniz lehnt diese Subjektivierung der göttlichen Norm durch Thomasius ab und verteidigt die Ansicht, daß Gott Vater und zugleich Gesetzgeber sei. Die Tatsache, daß die Strafen natürlicherweise auf die moralischen Laster folgen, bedeute nicht, daß Gott nicht genau diese natürliche Verbindung intendiert habe. Denn als Schöpfer der Natur hätte Gott auch eine ganz andere Ordnung der Natur schaffen können. Leibniz will also jene Rolle Gottes als Fürst und Gesetzgeber, die das Denken des 17. Jahrhunderts dominiert, nicht preisgeben. Er verteidigt diese Rolle, da sie ihm dazu dient, jene Kontinuität zwischen persönlicher und öffentlicher Sphäre zu bewahren, die Thomasius auflösen wird.  „[…] manet tamen Deus nihilominus Legislator, non tantum per leges gratiae, sed etiam per leges naturae (…) exempli gratia, si quis Princeps foveas fodi curasset aqua plena in quas caderent fures ferarum, eaque ratione omnem in eo processum criminalem praevertisset, posset non minus, imo magis certiusque eos punire censeri […]“ (an J. F. Bierling, 20. Oktober 1712, GP VII 510 = Dutens V, 389).

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Trotz dieser Bemühung um die Aufrechterhaltung seiner holistischen Auffassung, die Gottes unterschiedlichste Rollen miteinander harmonisieren will, kann Leibniz nicht umhin, immer tiefere Unterschiede zwischen diesen Aspekten seines Gottes festzustellen. Auch für den späten Leibniz ist der „moralische“ Gott vor allem der Vater-Gott, d. h. jener, der dem sittlichen Vorbild des Liebeszirkels entspricht. Der Gesetzgeber-Gott verwischt sich stark mit dem Architekten-Gott, d. h. mit Gott, sofern er mittelbar durch die Wege der Natur und der Geschichte wirkt. Um seine Moralmetaphysik und seine Naturphilosophie auseinanderzuhalten, muß Leibniz diese zwei Gesichter Gottes immer stärker unterscheiden. Um jedoch den Glauben zu erklären und zu schützen, muß er sie durch seinen „naturalisierten Augustinismus“ wieder miteinander verbinden. So gesehen sind die letzten Paragraphen der Monadologie einer der subtilsten Versuche von Leibniz, diesen beiden Erfordernissen gleichermaßen Rechnung zu tragen. (Übersetzung: Steffen Wagner)

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Personenregister Abraham, W. 110 Adam Pulchrae Mulieris 28 Adams, R. M. 41, 48, 105, 110, 159 f., 206, 208, 230, 244, 246, 258 Angelelli, I. 104, 110 Anselm von Canterbury 119 Alexander der Große 231 Archimedes 101 Aristoteles 15, 22 f., 86 f., 98–100, 104, 110, 119, 126 f., 136, 164 f., 167, 173, 175, 177 f., 181–183, 206, 214, 238, 248, 255 De Arriaga, R. 177, 180 f., 195 Arthur, R. T. W. 44, 48, 181, 195 Augustinus 72, 246, 254, 258 Averroes 125 Avicebrol 126 Axelos, C. 136, 143, 241, 244 Ayer, A. 110 Barbarus, H. 127 Baumgarten, A. 102, 110 Bayle, P. 141, 143, 171, 199, 225 f., 244, 246 Belaval, Y. 90, 94, 101, 110 Beeley, P. 147, 168, 174, 187 Blumenfeld, D. 239, 244 Bodemann, E. 106, 110, 129, 143 Boyle, R. 212 Bossuet, J.-B. 251 Brandt Bolton, M. 88, 94 Broad, C. D. 103, 110 Bruno, G. 202 f. Buchheim, T. 231 f., 239, 244 Buridan, J. 101 Burkhardt, H. 104 f., 110 Busche, H. 14, 23, 25, 32, 34, 63, 66, 80, 102, 146, 152, 191, 204, 208, 225, 244, 247, 249 f., 258 Calvin, J. 124 Carvallo, S. 185, 192 Canone, E. 202, 208 Cavalieri, B. 21 Chiaradonna, R. 198, 208 De Cordemoy, G. 199 Costable, P. 221

Cook, D. J. 246, 258 Couturat, L. 233 Craemer, H. 57, 80 Cramer, K. 90, 94 Crusius, C. 102, 110 Curley, E. M. 105, 110 Cusanus, N. 146, 202 f., Davidson, J. 223, 244 Deku, H. 202, 208 Demokrit 164, 169, 213 Descartes, R. 23, 43, 63, 69, 71, 81 f., 86, 88, 98, 124, 131 f., 163–165, 169 f., 172, 175 f., 179, 184–186, 198 f., 204, 211 f., 215 f., 218–221, 246 Di Bella, S. 160 Duchesneau, F. 186, 195, 216, 221 Epikur 164, 213 Eugen, Prinz von Savoyen 3 Euklid 21, 86 Evers, D. 134, 136, 140, 143 Fénelon, F. 251 Fichant, M. 203, 208, 255, 258 De la Forge, L. 199 Fried, D. 110 Froidmont, L. 163 Galileo, G. 212, 215 Garber, D. 45, 48 Gassendi, P. 164, 198, 212 Geretto, M. 91, 94, 253, 258 Geulincx, A. 64, 199 Gödel, K. 105, 110 Grosseteste, R. 28 Grotius, H. 248, 255 Grua, G. 232, 234, 244, 249 f., 255 f., 258 f. Guhrauer, G. E. 30, 34 Gurwitsch, A. 77, 80, 101, 107, 110 Hacking, I. 103, 110 Hartz, G. 41, 48, 160 Hegel, G. W. F. 91, 94 Heidegger, M. 115 Heinekamp, A. 253, 259 Van Helmont, J. B. 214, 221

Personenregister Herder, J. G. 254 Hermanni, F. 242, 244 Herring, H. 154, 160 Hippokrates 80, 162 Hobbes, T. 198, 212, 246, 249 Honnefelder, L. 209 Hume, D. 99, 102, 110 Huygens, C. 214 f.

Naert, E. 251, 259 Neemann, U. 111 Newton, I. 8, 86, 135, 216–218 Nunziante, A. M. 185, 195

Jarret, C. E. 110

Pallavicino, S. 248, 259 Paracelsus 213 f., 221 Parkinson, G. H. R. 204, 209 Perera, B. 177–181, 195 Petersen, J. P. 254, 257 Phemister, P. 41, 48, 160, 238, 244 Piro, F. 205, 209, 223, 253, 259 Platon 10, 22, 43, 47, 206, 252, 255 Plotin 81, 198 Poiret, P. 131 f., 143 Poser, H. 98, 111, 157, 160 Proklos 119 Puryear, S. 152, 160

Kabitz, W. 187, 195 Kant, I. 8 f., 34, 46, 48, 57, 80, 83, 88, 102, 108, 111, 121, 216, 240, 250 f. Kaulbach, F. 146, 160 Kauppi, R. 106, 111 Kepler, J. 29, 212 King, D. W. 230 Knebel, S. K. 130, 136, 143 Köhler, H. 4 Konersmann, R. 146 König, J. F. 137, 143 Kopernikus, N. 212 Krämer, S. 103, 105, 107, 111, 230 Kulstad, M. 89, 94, 97, 111, 190, 195 Leinkauf, T. 197–199, 207, 209 Van Leeuwenhoek, A. 187 Lenders, W. 104, 111 Lessing, G. E. 11 Leukipp 164, 169 Levey, S. 38, 46, 48 Liske, M.-T. 136, 143, 199, 209, 227, 232, 243 f. Locke, J. 102 Lorenz, S. 206, 209 Luther, M. 124, 251 Lyssy, A. 172 Malebranche, N. 64, 72, 199, 212, 214, 251 Martin, G. 111 Mates, B. 42, 48, 111 McRae, R. 90, 94, 98, 111 Mendelson, M. 207, 209 Mercer, C. 157, 160, 187, 195 Mersenne, M. 131 Mittelstraß, J. 85, 94, 106, 111 Mondadori, F. 154, 157, 160 More, H. 86 Mugnai, M. 42, 48 Mulvaney, R. J. 250, 259

267

O’Neill, E. 63, 80 Von Ockham, W. 204 f. Origenes 256

Quine, W. V. O. 108 f., 111 Ramelow, T. 136 Rescher, N. 8, 11, 13, 34, 223, 230, 233, 236, 244 Riley, P. 250, 259 Robinet, A. 160, 199, 209 Robinson, R. 111 Rorarius 141, 171, 225 f. Ross, G. M. 213, 221, 253, 259 Rossi, P. 254 Russell, B. 9, 34, 83, 143, 233, 235 f., 244 Rutherford, D. 38, 41, 44, 46–48, 65, 80, 105, 157, 159 f. Savile, A. 94, 235, 244 Schelling, F. W. J. 115, 124 Schepers, H. 94, 157, 160 Scherzer, J. A. 136 f., 143 Schmidt, M. 131, 143 Schneider, H.-P. 131, 143, 250, 259 Schneiders, W. 249, 259 Scholz, H. 111 Sennert, D. 164, 177, 181 f., 191, 195 Sleigh, R. C. 157, 205, 209 Smith, J. E. 186 f., 191, 195 Snell, W. 212 Sokrates 255

268

Personenregister

Spinoza, B. 22, 82, 102, 120, 125, 165, 199, 244, 246 Stahl, G. E. 175, 185, 191 Stein, L. 199, 209 Strawson, P. F. 100, 111 Sturm, J. C. 214 Sutter, A. 175, 184, 195 Thomas von Aquin 200 Torricelli, E. 82 Tugendhat, E. 100 Turck, D. 34 Vergil 140

Vico, G. 254 De Vleeschauwer, H. J. 64, 80, 199, 209 Wallis, J. 214 Watkins, E. 46, 48 Weinert, F. 111 Wilson, C. 187, 195, 217, 221 Wilson, M. D. 111 (Pseudo-)Witelo 28 Wolf, U. 100 Wolff, C. 2, 102, 111, 118 Wöhrmann, K.-R. 11, 34 Woolhouse, R. S. 204, 209 Wren, C. 214

Leibniz’ Briefpartnerinnen und Briefpartner Arnauld, A. 3, 16, 21, 37, 43 f., 47, 52, 57, 74, 76 f., 84, 93, 103, 150, 190, 197 Bernoulli, J. 12 Bierling, J. F. 257 Des Billettes G. F. 145 Des Bosses, B. 17, 23, 25, 33, 45, 47, 51, 55–58, 71, 74, 78, 190, 204 Bourguet, L. 76, 97 Burnet(t), T. 26, 132, 148, 254, 258 De Carcavy, P. 28, 69 Clarke, S. 35, 83, 86, 99, 101, 105, 218 Coste, P. 72 Foucher, S. 72, 77 Von Guericke, O. 71 Jaquelot, I. 58, 62, 73

Johann Friedrich, Herzog von Hannover 14, 16 f., 51 f., 54 De L’Hospital, G. F. A. 36 Lady Masham, D. C. 24 Oldenburg, H. 14, 21, 52 Rémond, N. F. 3, 8, 97, 173 Sophie, Kurfürstin von Hannover 24, 77 f., 145 f., Sophie Charlotte, Königin von Preußen 24, 29, 57, 59 Thomasius, C. 257, 259 Thomasius, J. 17, 31, 68, 152, Varignon, P. 12, 35 De Volder, B. 11 f., 25, 33, 36 f., 41, 43 f., 47, 73, 76, 83, 87, 93, 98 Wagner, R. C. 24, 26, 256

Sachregister Abendmahlsstreit 10 Äther, s. Lichtäther Affektion 59, 64, 76, 85 Aggregat(e) 4, 7, 37–45, 47, 84, 94, 166 f., 193, 197, 260 Antitypie (Antitypia) 26, 170, 215 f. Appetitus, Appetition 4, 8, 23, 27, 32, 36, 85–88, 94, 97, 152, 153, 225 Apperzeption 15, 23, 78, 88–90, 92, 98, 141, 142, 146, 151, 154–156, 190, 229, 238 Arcana rerum 14 Atom(e) 7, 38, 44, 164, 169, 171, 215 – metaphysische, substantielle, der Substanz 13, 17, 38, 50, 82, 161, 167–169 Atomismus 7, 147, 164–166, 169, 171, 173, 181, 198 – logischer vs. metaphysischer 82 f. Auferstehung 8 Aura 29 Ausdehnung (extensio) 7, 23, 26, 27, 35, 53, 73, 86, 172 – Verlangen nach 26 f., 73 Ausdruck, Ausdrücken, s. Expression Automat, spiritueller, immaterieller 59, 76 f., 79, 87, 184 Beeinflussung, s. Einfluß Begriff, individueller, vollständiger (notio completa) 74, 83, 93, 106, 107, 122, 156 f., 171, 190, 192, 194 Bestes, Bestheit (optimum) 2, 83, 134, 135, 136, 138, 139, 204, 207, 233, 242 f. Bewegungsmoment, Bewegungstendenz, s. conatus Blickpunkt, s. Gesichtspunkt (point de vue) Böses, s. Übel Cartesianer, Cartesianismus 55, 97, 166, 197, 199, 207, 214, 225 Chaos 33, 56, 65, 197, 255 Christentum, christlich 11, 29, 118, 127, 197–199, 206, 250 Conatus 14, 16, 27, 78 f., 81, 87, 138, 153 Denken 23, 78, 88, 93, 101, 105, 116, 125, 131, 218, 229

Deus ex machina 12, 65 Dualismus, dualistisch 23, 30, 126, 163, 165, 199, 207 Dyadik 30 Dynamik, dynamisch 25–27, 31, 86 f., 102, 153, 199, 206, 212, 214, 216, 220 Elastizität, elastisch 28, 30, 56, 69, 73, 216 Einfluß 16, 31, 49, 59–61, 63, 69 f., 79 f., 93, 188, 198, 218 – ideeller, idealer 57, 73, 77 – natürlicher 57, 63 – physischer 8, 57, 63, 64, 218, 239 – reeller, realer 57, 63 – unmittelbarer 60, 63, 71, 72 Emanation 56, 119, 125 Empfindung 24, 74, 151, 189 f. Empirismus, empiristisch 107 f. Energie 2, 18 f., 20, 29, 147 Entelechie 4, 23, 25, 26, 51, 74, 87, 89, 114, 126, 127, 170, 172, 175, 179, 186–193, 205, 214 f. Entstehen 32, 49 f., 53, 55 f., 176, 182, 197 Erfahrung 91, 95–99, 102, 107, 228 Erhaltung 29, 63, 66, 68 f., 70, 72, 182, 211 f., 215 f., 220 Erinnerung 89, 93, 189 f., 228 Erkenntnis, Erkenntnisgrade 2, 88, 92, 98, 101, 102, 107, 108, 114, 126, 170, 179, 228, 238 f. – adäquate, deutliche, dunkle, klare, verworrene, s. Perzeption Erschaffung, s. Schöpfung Erstmaterie, s. Materie Eschatologie, präsentische 32 Esoterik, esoterisch 11 f., 25, 27 Ethik, ethisch 2, 5, 105, 245–260 Expression 59, 62, 88, 167 Fensterlosigkeit 5, 8, 16, 18, 49 f., 57–61, 72 f., 75, 79, 81, 84, 93, 141, 158, 221, 239 Fiktion 59, 75 Finsternis 29 f., 68 Form, substantielle 21–23, 25, 31, 36, 44, 46, 55, 168, 171, 178–181, 192, 215 Freiheit 16 f., 19, 27, 107, 134, 136 f., 149, 223 f., 234, 236, 238, 240 f.

270

Sachregister

– Gottes 117, 132, 134 f., 235 – des Menschen 64, 87, 107, 227 Fülle (plenum) 81 f., 135, 139 f., 145, 169–172 Fulgurationen (blitzartige Ausstrahlungen) 2, 29, 56

– Prinzip vom zureichenden 2, 42, 44, 83, 92, 96, 98–102, 106, 113 f., 117–119, 121, 123, 133, 135, 167, 204 f., 207, 231–236, 240 Güte 19, 115, 117, 121, 139–141, 233, 253 f., 242, 246, 257

Gedächtnis 64, 89, 93 f., 96 f., 189, 191 f., 219 Gehirn 14, 63, 70, 74, 79, 176, 211, 219 f. Geist(er) 4 f., 19–23, 28 f., 36, 38–40, 42, 45–47, 50, 52, 54, 62, 70, 72, 85, 89–91, 98, 102, 106, 135, 180, 191, 197, 199, 205, 211, 218 f., 223, 226–228, 234, 236–238, 243, 251 – Geist Gottes (Spiritus Domini) 68 f., 71, 125, 142, 217 – geistige Einzelwesen (esprits) 8, 90, 96, 146, 223, 245 – Lebensgeister (spiritus animales) 70, 198, 219 – Pneuma, Spiritus, s. auch Lichtäther 29 f., 32, 60, 66, 68–71, 73, 76 – Verstand, Gemüt (mens) 14–19, 28, 36, 39, 42, 51 f., 54, 62, 68, 78, 138, 211, 217–220, 234 – Weltgeist (spiritus mundi), Weltseele (anima mundi) 26, 28 f., 69, 81, 125 Gerechtigkeit 115, 116, 121, 248, 250, 252 Geschöpf(e) 17, 18, 20, 30, 36, 40, 51, 56, 59, 61, 66, 69, 72, 77, 114, 117, 121, 124, 132, 134, 135, 137, 138, 140, 141, 149, 203, 235, 245, 253–255 Gesetz, individuelles der Monade 64, 74, 76, 79, 83 f., 86 f., 142, 158 f., 208 Gesichtspunkt (point de vue) 15, 32, 51, 76, 142, 151, 158, 169 Gnade, s. Reich Gott 2, 7, 14, 17–22, 24, 27–30, 32, 36, 42, 45, 49, 51 f., 55–59, 65–72, 74, 79, 83, 87, 90 f., 101, 107, 109, 113–117, 119–123, 126, 130 f., 133, 135–138, 141 f., 146, 149 f., 154, 163, 165, 177–180, 182, 185, 199, 201, 204–206, 211–214, 216–218, 223, 225–228, 233–236, 240–243, 245– 247, 250, 252 f., 256–258 Gottheit 5, 18, 29 f., 56, 65, 90, 223, 227, 234 f., 242 Gravitation 28, 30, 56, 69, 217 f. Grund 114., 119, 120, 125, 133, 139, 229, 231 – letzter 18, 97, 119, 130

Handlung, Handeln 106, 130, 137, 153, 158, 226, 238–241, 252 Harmonie 15, 44, 66, 69, 84, 101, 129, 140–142, 152, 184, 191, 206, 229, 234, 246, 251–254 – präetablierte, prästabilierte 2, 4, 8 f., 32 f., 58, 60–62, 66–71, 75, 78, 85, 101, 141 f., 149, 154 f., 171, 188, 197, 204, 207, 220 f. – universale, universelle 69 f., 85, 134, 147, 149, 183, 205, 208 Hypothese(n) 9, 11, 21 f., 69, 83, 140, 256 f. Idealismus, idealistisch 33, 93, 115, 118, 155, 159, 166, 173, 199 Idee(n) 14, 20–22, 29, 52, 74, 76–79, 82 f., 102, 104, 113, 115, 121, 126, 132, 138, 248 Identität, Prinzip der Identität des Nichtunterscheidbaren 83, 96, 104 f., 118, 132, 157–159, 178, 180–183, 189, 191–193, 197 Immaterialität, immateriell 7, 24 f., 28, 33, 36, 59, 84, 90, 134, 159, 177, 191, 228 Individuum, Individualität 5, 36, 42, 62, 74, 81–85, 92, 106, 107, 117, 121–123, 125, 154, 158 f., 171 f., 192, 227, 240, 248 f., 256 Indivisiblen, Indivisibles 14, 17, 21, 35, 52, 54, 78 Intellekt, s. Verstand Kausalität, Kausalitätsprinzip 31, 50, 58, 60–66, 71 f., 78, 94, 102, 106, 148 f., 156, 179, 180, 183 f., 205, 256 Körper 4, 7, 12, 15, 17, 19 f., 22 f., 27 f., 30 f., 35 f., 40 f., 43 f., 46, 50–52, 54, 59– 63, 65–67, 69–71, 77, 79, 84 f., 93 f., 108, 135, 142, 148, 151, 153, 155, 156, 158 f., 161, 163, 165–168, 170–172, 176, 183 f., 189, 191–193, 212–216, 218–220 Kontinuum, Kontinuität (-sprinzip) 37, 77, 82, 83, 90–92, 97, 98, 147, 148, 163–173, 187–190

Sachregister Kontingenz, kontingent 96, 106 f., 114, 122–124, 130, 133, 231, 233, 238, 240 Kosmologie 1 f., 55 f., 253 Kraft, Kräfte 12, 26, 87, 94, 114, 118 f., 124, 126, 147, 161, 170, 187 f., 213–217, 220 – aktive (tätige) 21, 25, 27, 51, 56, 58, 63, 153, 167, 170, 212, 215 – lebendige 213 f. – passive (leidende) 21, 25, 27, 36, 51, 56, 58, 167, 170, 215 f. Kunstgriff, Kunststück, Kunstwerk Gottes 32, 56, 67, 69, 141 f. Leben 29, 32, 39, 55, 69, 169, 176 f., 180, 187, 189 f., 192 Lebewesen, s. Organismus Leeres 82 f., 147, 164, 169 Leib-Seele-Beziehung 4, 62, 64, 67 f., 174, 197, 200, 204, 207, 211, 219 f. – Parallelismus 32 f., 75, 198 Licht 12, 26–28, 30, 33, 56, 68, 69, 72, 76, 151, 212, 252 Lichtäther 17, 27–32, 55 f., 60, 66–74, 76 f., 79 Liebe 115 f., 139, 178, 242, 247, 250–253, 256, 258 Logik 1, 5, 100 f., 132 Macht 19, 31, 65 f., 70, 115–118, 130 f., 139, 141 Maschine(n) 16, 23, 37, 77, 156, 175, 185, 205, 212, 227 – der Kunst 175, 219 – der Natur 156, 176, 183 f., 186 f., 189, 192, 225 Materie 4, 8, 12, 17, 21 f., 24 f., 33, 36, 47, 55, 58, 69, 75, 133, 147, 159, 161–163, 165–173, 176, 179–183, 187–189, 215, 217 f. – elastische 28 – erste, ursprüngliche (materia prima), nackte (materia nuda) 25–30, 36, 51, 53, 55, 58–60, 66, 71, 73 f., 76, 78, 167, 225 – Feinmaterie (materia subtilis) 28, 69–71, 91 – flüssige 17, 26, 31, 55, 69, 78 – des Lichtes 26, 29, 74, 76, 78 – metaphysische 25, 28 – zweite (materia secunda), bekleidete (materia vestita) 25 f., 30 f., 33, 167

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Mathematik 1, 96, 165–167, 172, 173 Mechani(zi)smus, mechan(izist)isch 15, 23, 28, 31, 37, 56, 60, 62, 64, 67 f., 71, 78, 87, 93, 161, 164, 166, 169–177, 185, 198, 205 f., 214, 256 Metaphysik, metaphysisch 2–6, 10–13, 20, 26 f., 29 f., 35, 38, 46, 49, 57, 68, 81, 101, 105, 107, 116, 121, 123 f., 140, 165, 168, 172 f., 179, 217, 245, 251–253 Mikrokosmos, s. Welt Mitwirkung Gottes (concursus Dei) 29, 68 f., 74, 76 – außergewöhnliche, außerordentliche 65, 68 – gewöhnliche, reguläre 66, 70–72, 76, 79 Möglichkeit 115, 121–123, 126, 133–135, 138 f., 142, 157, 166, 241–243, 246 Monade(n): passim, s. auch Substanz – herrschende, dominierende 25, 33, 59, 186, 188 f., 190 – schlafende 74, 89, 92, 170 – untergeordnete 33, 74, 191, 193, 224 – Zentralmonade 40, 59, 76, 224 Moral, Moralität 206, 245–247, 249–251, 253 f., 256, 258 Natur 16, 19–21, 27 f., 32, 55, 63, 65–67, 73, 77, 98, 102, 148–150, 165 f., 177, 193, 214, 254, 257 Naturphilosophie 5, 17, 20, 26, 30, 178, 217, 258 Naturrecht 5, 248 f., 255 Nezessitarismus 129 f. Notwendigkeit 16, 31, 104, 113 f., 117, 123 f., 130–132, 136–138, 234 f., 238, 242 f. Ökonomie 31, 67 Okkasionalismus 63, 65, 66, 68, 73, 79, 199, 212, 221 Optimismus 114, 116–121, 126 Ordnung 25, 55, 59, 65, 67, 73, 75, 86–88, 118, 135 f., 140, 142, 166, 172 f., 251 Organismus 25, 33, 40, 45, 46, 85, 90, 93, 169, 175–178, 180–194, 223–325, 227 Parallelismus, s. Leib-Seele-Beziehung Person, Personalität 227, 240, 251, 253 Perspektive, Perspektivität 32, 76 f., 92, 107, 134, 142, 146 f., 151 f., 154 f., 158, 161, 228

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Sachregister

Perzeption(en) 4, 8, 18, 23, 27, 32, 36, 42 f., 47, 59, 64, 66, 70, 72–77, 79, 85–88, 91–94, 97 f., 141 f., 150 f., 153, 155, 156, 158 f., 169, 173, 190–192, 198, 217 f., 224 f., 228 f., 239, 255 – adäquate 89 f. – deutliche (p. distincta) 61, 62, 88–92, 171 f., 190 – dunkle (p. obscura) 88–90, 92, 152, 192 – herausgehobene (p. reveleé) 89 – klare (p. clara) 88, 89, 92, 150, 152 – kleine, unmerkliche (petites p.) 89, 91 f., 150, 255 – verworrene (p. confusa) 88 f., 255 Pflanzen 23, 25, 45, 85 f., 140, 175, 188, 190 Phänomen(e), Phänomenalität 6, 9, 11, 28, 30, 33, 43 f., 47, 59, 68 f., 74 f., 118, 142, 153 f., 157–159, 163, 165, 171, 183, 213, 215, 217 Pneuma, s. Geist Potenz, s. Kraft Prästabilierte Harmonie, s. Harmonie Punkt(e) 14, 16, 20 f., 23, 26 f., 50–55, 81, 158, 162, 164, 167–169 – Allmittelpunkt 19 f., 22 – beseelter 13 f., 50, 168 – mathematischer 7, 14, 17 f., 20 f., 24 f., 50–52, 54 f., 57, 59, 70, 72, 168 f. – metaphysischer 13, 17, 20–23, 29, 31, 50 f., 58, 60, 73, 81 f., 168 f. – physischer 14, 17, 50–52, 54 f., 168 f. – Schnittpunkt 15, 51, 54 f., 57, 71, 76, 78 Quintessenz 28, 69 Rationalismus, rationalistisch 102, 107, 125, 163, 165 Raum 6, 77, 86, 101, 118, 123, 133, 135, 140, 162, 165, 169, 172 f., 215, 218 Realismus, realistisch 22, 52 f., 159, 168 Reich(e) – Reich der Gnade, Reich der Geister 2, 23, 32, 141, 201, 206, 208, 245 f., 251, 253 – zwei Reiche der Natur (Reich der Macht bzw. der Notwendigkeit; Reich der Weisheit, der Vernunft bzw. der Zwecke) 2, 5, 30–32, 70 f., 101, 141, 199, 207, 246, 250

Reflexion, Reflexivität 14–16, 69, 90, 92, 94, 98 f., 228 f., 245 Repräsentation(en) 36, 42, 59, 62, 75, 77– 79, 85, 88, 93, 97, 103, 107, 153, 172, 190 Schöpfung 21, 29 f., 36, 49, 55 f., 66, 68, 94, 113, 116 f., 121, 127, 129 f., 133, 135, 137 f., 140–142, 166, 176, 182 f., 205 f., 225 f., 235, 242, 253 – fortwährende Schöpfung (creatio continua) 19, 56, 72, 212 Schöpfer 17, 21, 65, 67, 69, 92, 130, 133, 137, 139, 142, 147, 149 f., 223, 226, 257 Scholastik, scholastisch 22, 24, 104, 119, 123, 130, 136, 164, 177, 181, 185, 192, 199, 218, 248 Seele 8, 18, 23–25, 36, 39 f., 46, 49–51, 55– 66, 70–75, 77, 79, 86, 89–92, 97 f., 155, 157, 169 f., 172, 176, 184, 187, 189–193, 197–199, 205, 207, 211, 213 f. 217–220, 223 f., 226 f., 229, 234 Selbstbewußtsein (conscientia) 18, 89, 97, 99 Selbsttätigkeit, s. Spontaneität Sinne, Sinnesorgane 59, 64, 73, 75 f., 79, 93 f., 102, 151 f., 156 Solipsismus 50, 58, 75, 155 Spiegel 15, 127, 146, 148, 150, 154–156, 159, 160, 252 f. – lebendiger des Universums 2, 7, 59, 73, 75, 80, 90, 92, 135, 145, 147, 153, 162, 172, 183, 203 Spiritus, s. Geist Spontaneität, spontan 15, 17, 23, 50 f., 59, 60, 64, 75, 76, 78, 79, 186, 237, 239 f. Staat 5, 206, 246, 249, 252 Stoß, Stoßprozesse 17, 28, 31, 56, 62, 69, 185, 198 Streben, s. Appetitus Substantielles Band (vinculum substantiale) 45, 71 Substanz(en) 9, 12, 19–22, 24, 57 f., 59, 61, 68, 73 f., 83–85, 119, 137 f., 139, 149, 190, 193, 213, 228 f., 237 – ätherische 70, 71 – einfache 5, 7, 12, 25, 27, 35, 36, 38–40, 47, 49, 53, 54, 57, 76, 81, 156 – geistige, spirituelle 68 – geschaffene 25, 57 f., 73, 218 – höchste 18, 31, 70, 113 – immaterielle 24, 35 f., 219

Sachregister – individuelle 5, 36, 82 f., 93 – körperliche 12, 31, 40, 41, 45, 46, 70, 93, 155, 159, 167, 169, 215–217 – reale 166 – unendliche 73 – ursprüngliche 125 – vollständige 25 f., 46 – zusammengesetzte 5, 7, 39–41, 45, 46, 50 Sympnoia panta 5, 80, 162 Tätigkeit – der Monade 19 f., 39, 46, 50, 53, 74, 77, 84, 169 – reine (actus purus) 25, 56, 59, 225 Teilbarkeit, Teilung, Unterteiltheit der Materie 38 f., 41, 43 f., 162–173, 190, 212 Teile, Fehlen von Teilen bei der Monade 7, 21, 35 f., 38 f., 41, 52–55, 78, 81, 229 Teleologie, teleologisch 67, 176, 177, 184 f., 190, 193 Theologie, theologisch 2, 4, 17, 28–32, 56, 64 f., 114–116, 124, 127, 129–131, 139, 199 f., 206 f., 246 f., 245, 250, 254, 257 Tier(e) 18, 23, 25, 26, 36, 39, 40, 45, 49, 55, 76, 85, 86, 90, 95–98, 140, 175, 176, 184, 187–190, 192, 223–225, 227 f. Tod 36, 92, 169, 191–193, 227, 240, 256 Traum, Träume 29 f., 43 f., 64, 234 Übel 66, 77, 121, 207, 236, 240 Uhr, Uhrwerk, Uhrmacher 23, 31, 37, 65–67, 184, 218 Unendlichkeit, unendlich 38, 43, 44, 92, 97, 106, 109, 114, 118, 120, 123, 147, 162–166, 172, 173, 185, 187, 191, 219, 230 f., 233 Universum 23, 33, 55, 69, 72, 75, 80, 90, 106, 132, 134, 142, 146, 148–151, 154, 157, 161, 162, 167, 172, 184, 197, 201–203, 205, 223 Unsterblichkeit 14, 16 f., 27, 54, 122, 125, 225, 227 Ursache(n) 30, 64, 69, 75, 77, 96, 101, 148 f., 178 f. – allgegenwärtige 28, 68, 73 – allgemeine 31, 70 – Wirkursachen 5, 31, 177 f., 186, 207 f., 246

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– Zweckursachen 5, 31, 87, 175, 177–180, 182–184, 186, 205, 207 f., 246 Vakuum, s. Leeres Vergehen 32, 49 f., 53, 55 f., 176, 197 Vernichtung 36, 49, 55, 176 Vernunft 19, 31, 89, 95–99, 113, 116, 119, 124, 126, 132, 134, 149, 224, 226, 231 f., 234, 238, 240 f., 251 Verstand (intellectus) 102, 130–134, 136, 139, 241, 243 – leidender (intellectus patiens) 14, 21 – tätiger (intellectus agens) 14, 21 – Verstandessphäre (sphaera intellectus) 14 Vollkommenheit (perfectio) 61, 114, 121, 126 f., 129, 133, 138–142, 147, 149 f., 152, 154 f., 170, 179, 185, 187, 190, 192 f., 217, 227, 233, 237, 245 f., 250–252, 255 Voluntarismus 114, 117, 124 f., 129–132, 204, 242 Wahrheit(en) 95–109, 119, 121, 130, 229, 231, 235, 238 – kontingente, Tatsachenwahrheiten 95– 109, 129 f., 132 f., 230, 232 f., 240, 242 – notwendige, ewige, Vernunftwahrheiten 18, 95–109, 114, 124 f., 129–132, 134, 228–230, 240 f., 243 Wahrnehmung 64, 72, 74–79, 85 f., 93 f., 97, 146, 150–156, 176, 190, 251 f., 255 f. Weisheit 19, 31, 44, 65, 67, 70, 79, 133, 135, 139, 141, 246, 250, 253 f. Welt – abgetrennte (mundus separatus) 13 – kleine (petit monde), Mikrokosmos 13, 18 – konzentrierte (mundus concentratus) 13, 50 – moralische 246, 251– 253 Welten, beste aller möglichen 2, 87, 92, 116–118, 121, 129, 138, 140, 183, 187, 217, 233–235, 241 Welten, mögliche 117, 134–136, 138 f., 201, 231, 241–243 Weltgeist, Weltseele, s. Geist Widerspruch, Prinzip des (zu vermeidenden) Widerspruchs 96, 98–100, 104, 106, 113 f., 116–118, 120 f., 123 f., 131, 133, 204, 207, 230 f., 236, 240

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Sachregister

Wille – Gottes 114, 118, 124, 126, 129–140, 139, 204, 221, 226, 242 f., 247, 253, 255 – des Menschen 153, 176, 211, 221, 235–242 Winkel 14, 17, 20–22, 24, 29, 51, 52, 54, 55, 77, 78 Wissen 95–99, 107, 116–118, 130, 133, 136, 139, 146, 241

Wissenschaft 90, 96, 107 f., 170, 230 Wunder 65–67, 73, 182, 226, 254 Zeit 5 f., 22, 74, 81, 84, 86 f., 101 f., 106, 118, 123, 133, 135, 140, 165, 169, 172 f., 215, 218 Zentrum, substantielles (centre substantiel) 13–18, 20, 27, 33, 50–52, 54, 56, 59, 77–79, 93, 158 Zweck, s. Ursache

Hinweise zu den Autoren Philip Beeley, geb. 1955; Senior Researcher an der Fakultät für Linguistik, Philologie und Phonetik sowie Fellow am Linacre College der Universität Oxford; Studium der Philosophie, Mathematik, Wissenschaftsgeschichte und Pädagogik an der University of Wales und an der Technischen Universität Berlin; zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte der Philosophie der Neuzeit und zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften, darunter die Correspondence of John Wallis (1616–1703) (Mithrsg., bisher zwei Bände), Oxford 2003, 2005; Kontinuität und Mechanismus: Eine Studie zur Philosophie des jungen Leibniz in ihrem ideengeschichtlichen Kontext, Stuttgart 1996. Thomas Buchheim, geb. 1957; seit 2000 o. Professor für Philosophie an der Ludwig- Maximilians-Universität München; Gründung und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für antike Philosophie; zahlreiche Veröffentlichungen und Herausgeberschaften zu Vorsokratik und Sophistik, Platon und Aristoteles, Leibniz, Kant und Schelling, Scheler und Heidegger, darunter Das LeibSeele-Problem. Antwortversuche aus medizinisch-naturwissenschaftlicher, philosophischer und theologischer Sicht (Mithrsg.), München, 2006; Unser Verlangen nach Freiheit: Kein Traum, sondern Drama mit Zukunft, Hamburg 2006; Alle Persönlichkeit ruht auf einem dunkeln Grunde. Schellings Philosophie der Personalität (Mithrsg.), Berlin 2004; Die Normativität des Wirklichen. Über die Grenze zwischen Sein und Sollen (Mithrsg.), Stuttgart 2002; Aristoteles, Freiburg 1999; Die Vorsokratiker. Ein philosophisches Porträt, München 1994; Eins von Allem. Die Selbstbescheidung des Idealismus in Schellings Spätphilosophie, Hamburg 1992; Die Sophistik als Avantgarde normalen Lebens, Hamburg 1986. Hubertus Busche, geb. 1958; seit 2003 o. Professor für Philosophie an der FernUniversität in Hagen; Gründungspräsident der European Society for Early Modern Philosophy (ESEMP); Studium der Philosophie, Germanistik und Vergleichenden Religionswissenschaft in Bonn; Veröffentlichungen u. a.: Gottfried Wilhelm Leibniz. Frühe Schriften zum Naturrecht (Hrsg.), Hamburg 2003; Die Seele als System. Aristoteles’ Wissenschaft von der Psyche, Hamburg 2001; Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung, Hamburg 1997; Bewußtsein und Zeitlichkeit. Ein Problemschnitt durch die Philosophie der Neuzeit (Mithrsg.), Würzburg 1990; Das Leben der Lebendigen. Hegels politisch-religiöse Begründung der Philosophie freier Verbundenheit in seinen frühen Manuskripten, Bonn 1987.

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Hinweise zu den Autoren

Dirk Evers, geb. 1962; Privatdozent und Forschungs- und Studieninspektor am Forum Scientiarum der Universität Tübingen, einem der interdisziplinären Forschung und Lehre gewidmeten Institut; Studium der evangelischen Theologie in Münster, Tübingen und Madurai (Südindien); Promotion 1999 und Habilitation 2005 in Tübingen; wichtigste Publikationen: Gott und mögliche Welten. Studien zur Logik theologischer Aussagen über das Mögliche, Tübingen 2006; Raum – Materie – Zeit. Schöpfungstheologie im Dialog mit naturwissenschaftlicher Kosmologie, Tübingen 2000. Stefan Heßbrüggen-Walter, geb. 1969; seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der FernUniversität Hagen; 2004–2007 Geschäftsführer der Europäischen Gesellschaft für Philosophie der frühen Neuzeit/European Society for Early Modern Philosophy (ESEMP); Promotion 2001 in Münster; Veröffentlichungen: Die Seele und ihre Vermögen: Kants Metaphysik des Mentalen in der KrV, Paderborn 2004, Auf­sätze und Lexikonartikel zu historischen und systematischen Fragen der theoreti­ schen Philosophie. Sybille Krämer, geb. 1951; seit 1990 Professorin für Philosophie an der Freien Universität Berlin; Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin; Gründungsmitglied im Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik an der Humboldt Universität; zahlreiche Aufsätze u. a. zu Rationalität und Informationen, Sprache, Kultur und Technik; ausgewählte Veröffentlichungen: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Realität, Frankfurt/M. 2008; Verletzende Worte. Die Grammatik sprachlicher Missachtung (Mithrsg.), Bielefeld 2007; Stimme (Mithrsg.), Frankfurt/M. 2006; Schrift. Kulturtechnik zwischen Auge, Hand und Maschine (Mithrsg.), München 2005; Medien Computer Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien (Hrsg.), Frankfurt/M. 2003; Performativität und Medialität (Hrsg.), München 2004; Bild, Schrift, Zahl, München 2003 (Mithrsg.); Gibt es eine Sprache hinter dem Sprechen?, Frankfurt/M. 2002 (Mithrsg.); Sprache, Sprechakt, Kommunikation, Frankfurt/M. 2001; Bewußtsein. Philosophische Beiträge, Frankfurt/M. 1996 (Hrsg.); Berechenbare Vernunft. Kalkül und Rationalismus im 17. Jahrhundert, Berlin 1991. Thomas Leinkauf, geb. 1954; seit 1996 Professor für Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Geschichte in Freiburg und München; Promotion 1982 in Freiburg; Habilitation FU Berlin 1991; Direktor der Leibniz-Forschungsstelle Münster; zahlreiche Veröffentlichungen zur Renaissance, Frühen Neuzeit und

Hinweise zu den Autoren

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dem Platonismus, u. a. Giordano Bruno. Werke (Hrsg.), Hamburg 2007 ff.; Nicolaus Cusanus. Eine Einführung, Münster 2006; Der Begriff ‚Natur‘ in der Frühen Neuzeit. Semantische Perspektiven eines Grundbegriffs zwischen 1500 und 1700 (Mithrsg.), Tübingen 2005; Weltentstehung, Weltseele, Weltstruktur. Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Antike, Mittelalter und Renaissance (Mithrsg.), Löwen 2005; Schelling als Interpret der philosophischen Tradition. Zur Rezeption und Transformation von Platon, Plotin, Aristoteles und Kant, Münster 1998; Leibniz (Hrsg.), München 1996. Mundus Combinatus. Studien zur Struktur der barocken Universalwissenschaft, Berlin 1993; Kunst und Reflexion. Untersuchungen zum Verhältnis Ph. O. Runges zur philosophischen Tradition, München 1987. Ansgar Lyssy, geb. 1978; seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der FernUniversität in Hagen; Studium der Philosophie und Germanistik an der TU Berlin und an der Università di Bologna; arbeitet derzeit an einer Dissertation über Leibniz unter der Betreuung von Prof. Dr. Hans Poser, Berlin; 2006–08 Stipendium der Berliner Graduiertenförderung (NaFöG); Veröffentlichungen: Aufsätze u. a. zu Leibniz, Kant, Davidson und Dennett. Francesco Piro, geb. 1957; seit 2000 o. Professor für Geschichte der Philosophie an der Universität Salerno und am Postgraduiertenkolleg für spätantike, mittelalterliche und humanistische Philosophie (FiTMU); ebendort Studium der Philosophie; zahlreiche Veröffentlichungen zur frühen Neuzeit, u. a.: G. W. Leibniz, Dialoghi filosofici e scientifici (Mithrsg.), Mailand 2007; Monadi e monadologie. Il mondo degli individui tra Bruno, Leibniz e Husserl (Mithrsg.), Soveria Mannelli 2005; Spontaneità e ragion sufficiente. Determinismo e filosofia dell’azione in Leibniz, Rom 2002; Varietas identitate compensata. Studio sulla formazione della metafisica di Leibniz, Neapel 1990; Mitherausgeber der Zeitschrift „Filosofia e teologia“; „Jus – Justum – Justitia. Etica e diritto nel giovane Leibniz“. In: Annali dell’Istituto Italiano per gli Studi Storici, Bd. VII, Neapel 1987, 1–54. Hans Poser, geb. 1937; seit 1972 o. Professor für Philosophie an der TU Berlin, emeritiert seit 2005; Vizepräsident und Vorsitzender des Wiss. Beirats der G. W. Leibniz-Gesellschaft, Hannover; Studium der Mathematik, Physik und Philosophie in Tübingen und Hannover; Promotion 1969 und Habilitation in Philosophie 1971; Veröffentlichungen: über 200 Artikel zu verschiedensten Themen und Autoren; Bücher u. a.: Herausforderung Technik (Hrsg.), Berlin 2008; Leibniz, Hamburg 2005; Descartes, Stuttgart 2003; Wissenschaftstheorie, Stuttgart 2001; Nihil sine ratione. Akten

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Hinweise zu den Autoren

des VII. Int. Leibniz-Kongreß (Mithrsg.), 4 Bde, Jena 2001 f.; Neue Realitäten – Herausforderung der Philosophie (Mithrsg.), 3 Bde, Berlin 1995ff; Ontologie und Wissenschaft (Mithrsg.), Berlin 1984; Philosophische Probleme der Handlungstheorie (Hrsg.), Freiburg 1982; Formen teleologischen Denkens (Hrsg.), Berlin 1981; Wandel des Vernunftbegriffs (Hrsg.), Freiburg 1981; Philosophie und Mythos (Hrsg.), Berlin 1978; Zur Theorie der Modalbegriffe bei G. W. Leibniz, Wiesbaden 1969. Donald Rutherford, geb. 1957; seit 2002 Professor für Philosophie University of California, San Diego; Studium der Philosophie an der Cambridge University und der University of California, Berkeley; Autor zahlreicher Aufsätze zu verschiedenen Personen und Themen der frühneuzeitlichen Philosophie, u. a. The Leibniz-Des Bosses Correspondence (Mithrsg.), Yale 2007; The Cambridge Companion to Early Modern Philosophy (Mithrsg.), Cambridge 2006; Leibniz: Nature and Freedom (Mithrsg.), Oxford 2005; Leibniz and the Rational Order of Nature, Cambridge 1995. Schmidt-Biggemann, geb. 1946; seit 1989 o. Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin; studierte Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte und Theologie in Bochum; zahlreiche Bücher, Aufsätze und Herausgeberschaften vor allem zur Philosophie der frühen Neuzeit und der Aufklärungszeit u. a.: Apokalypse und Philologie. Wissensgeschichten und Weltentwürfe der Frühen Neuzeit. Göttingen 2007; Blaise Pascal, München 1999; Philosophia perennis. Historische Umrisse abendländischer Spiritualität in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit, Frankfurt/M. 1998; Sinn-Welten, Welten-Sinn. Eine philosophische Topik, Frankfurt/M. 1992; Theodizee und Tatsachen. Das philosophische Profil der deutschen Aufklärung, Frankfurt/M. 1988; Topica Universalis. Eine Modellgeschichte humanistischer und barocker Wissenschaft, Hamburg 1983; Spinoza. Werk und Wirkung, Wolfenbüttel 1977. Catherine Wilson, geb. 1951; seit 2005 Distinguished Professor und Andrew Heiskell Research Scholar an der City University of New York; Studium der Philosophie in Yale und Oxford, Ph. D. in Princeton erlangt; zahlreiche Aufsätze und Beiträge zu Leibniz und seinen Zeitgenossen; wichtigste Veröffentlichungen: Epicureanism at the Origins of Modernity, Oxford 2008; Moral Animals (Hrsg.), Oxford 2004; Descartes, Cambridge 2003; The Invisible World: Early Modern Philosophy and the Invention of the Microscope, Princeton 1995; Leibniz’s Metaphysics: A Historical and Comparative Study, Princeton 1989; Mitherausgeberin der Intellectual History Review.